Wirtschaftsreport Januar 2020 - Titelthema: Frauen in Führungspositionen - IHK-Siegen

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Wirtschaftsreport Januar 2020 - Titelthema: Frauen in Führungspositionen - IHK-Siegen
Wirtschaftsreport
                   Januar 2020

            Titelthema:
            Frauen in
            Führungspositionen
Wirtschaftsreport Januar 2020 - Titelthema: Frauen in Führungspositionen - IHK-Siegen
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Wirtschaftsreport          Jan 20            1

                                                      Editorial
                                  Mit mehr Mut und mehr Tempo ins neue Jahr!
Wie wird uns das Jahr 2019 in Erinnerung bleiben? Vielleicht im Wesentlichen       nie zuvor. Zugleich pendelte sich die Arbeitslosenquote im IHK-Bezirk nahe
als ein Jahr, in dem über lange Zeit hinweg „gültige“ Erkenntnisse und Gewiss-     bei unglaublichen 4 % ein. Die Unternehmen haben verstanden: Wer sich
heiten in Frage gestellt wurden. Ein Jahr also, in dem die Unsicherheit wuchs      heute leichtfertig von Personal trennt, könnte dies im nächsten Aufschwung
und in dem man sehr häufig erkennen konnte, dass wir nicht alleine auf der         schnell bereuen. Positiv auch, dass in der Regionalpolitik Fortschritte erzielt
Welt sind. Die internationalen Konflikte nahmen zu. Die Politik im permanen-       wurden. Gemeinsam mit den Kommunen gelang es, Suchräume für weitere
ten Krisenmodus. Ein Gipfel jagte den anderen. Ein weiterhin unberechenbarer       Gewerbeflächen zu entwickeln. Diese fließen in den neuen Regionalplan ein,
Führer der westlichen Welt. Ein Brexit-Theater, das keine noch so absurde          damit unsere Firmen auch zukünftig über Perspektiven verfügen. Die allerdings
Episode ausließ. Autokratisch herrschende Potentaten in politisch wie wirt-        sind auch bitter nötig, wenn sich fehlende Flächen nicht zum Flaschenhals der
schaftlich bedeutenden Staaten, die international um Aufmerksamkeit buhl-          weiteren wirtschaftlichen Entwicklung auswachsen sollen. Gut zudem, dass
ten, dabei jedoch im Inland keine Skrupel kannten. Gescheiterte Gespräche mit      auch bei Glasfaser, Breitband, Straßen und Brücken Fortschritte zu verzeich-
Nordkorea, das Verhältnis zum Iran äußerst problematisch, der Ukraine-Kon-         nen waren. All das kann auf der Habenseite der Region verbucht werden.
flikt nicht gelöst, halb Südamerika ein Pulverfass. Und mittendrin eine Bundes-
republik Deutschland, in der sich das politische System fundamental ändert.        Nach wie vor gibt es jedoch viel zu tun. Der beste Regionalplan nutzt nichts,
Der Ton wird rauer, die bisherigen Volksparteien erodieren und die Kräfte an       wenn er nicht durch tatkräftige Kommunalpolitik in Baurecht übersetzt wird.
den Rändern erstarken. Die Regierungsbildung in Bund und Ländern dürfte in         Die attraktivsten Lehrstellen helfen nicht, wenn junge Menschen durch ihre
den kommenden Jahren schwieriger werden. Zumal man 2019 junge Leute auf            Eltern zu stark auf ein Studium fixiert werden. Die besten Planungen nutzen
den Straßen erlebte, deren Forderungen auf eine Politik trafen, die sich schein-   nichts, wenn man für den Neubau eines Kreisels insgesamt 18 Jahre benötigt
bar gerne von ihnen treiben ließ. Das erschwert den gesellschaftlichen Konsens     (wie in Wilnsdorf geschehen). Es dauert eben an vielen Ecken und Enden zu
zusätzlich. Genauso wie die sich auflösenden gesellschaftlichen Milieus.           lang, auch weil in Bund und Land der Mut zu kreativen Lösungen fehlt und es
                                                                                   zugleich an Geschwindigkeit mangelt. Beim Umbau des Steuersystems, bei der
Dessen ungeachtet geht es, alles in allem gesehen, den allermeisten Menschen       Entlastung von Arbeitnehmern und Unternehmen, im Planungsrecht, beim
in Deutschland besser als je zuvor. Für weite Teile unserer Gesellschaft ist der   Durchforsten eines überbordenden Sozialstaats.
Wohlstand selbstverständlich geworden. Dies jedoch kann auch ermüdend
wirken. Vielleicht nahmen 2019 deshalb viele Menschen nur ungläubig zur            Wir benötigen auch mehr Mut auf internationalem Parkett. Mehr Geld für
Kenntnis, dass sich die deutsche Wirtschaft wegen ihrer Einbindung in die          Bildung in der Dritten Welt, um das Bevölkerungswachstum zumindest abzu-
internationale Arbeitsteilung vergleichsweise verletzlich zeigte. Dies gilt auch   schwächen. Mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung, um den Hunger
für die heimischen Unternehmen. Erstmals seit Jahren sank der Industrieum-         weltweit besser bekämpfen zu können. Mehr Geld in internationale Auffors-
satz, wenn auch nur leicht. Immer noch deutlich über 17 Mrd. € wurden in           tungsprogramme. All das wäre zielführender als der Vorstellung nachzujagen,
Wittgenstein, Olpe und Siegen erwirtschaftet, 46 % hiervon im Ausland. Zehn-       den weltweiten Klimaänderungen müsse vor allem mit milliardenschweren
tausende Arbeitsplätze in Siegen, Wittgenstein und Olpe hängen direkt oder         Umverteilungsprogrammen begegnet werden. Gerade in der Klima- und Um-
indirekt von einem florierenden Export ab. Dass der auf international verläss-     weltpolitik sollte die Politik doch bestrebt sein, möglichst hohe Grenzerträge
liche Rahmenbedingungen angewiesen ist, versteht sich von selbst. Durch-           öffentlicher Investitionen sicherzustellen. Man kann jeden Euro eben nur ein-
greifende Besserungen sind zum Jahreswechsel nicht in Sicht. Das internatio-       mal ausgeben. Mehr Vernunft in der politischen Debatte ist daher vonnöten.
nale Umfeld bleibt für unsere exportgetriebenen Unternehmen unberechenbar.         Würden die Sachargumente im gesellschaftlichen Diskurs wieder die Oberhand
                                                                                   gewinnen, stiege zugleich die Zuversicht. Bleibt jedoch die Hysterie das zent-
Dennoch gab es auch viel Positives zu berichten: Wir eilten in der Beschäfti-      rale Momentum, dürfte 2020 ein noch schwierigeres Jahr werden; auch für
gung von einem Rekord zum nächsten. Mit über 179.000 Menschen war der              die heimische Wirtschaft. Hoffen wir, dass sich der Kopf gegenüber dem Bauch
Stand an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Heimat so hoch wie      durchsetzt. !

                                                      In diesem Sinne grüßen Sie herzlich

         Felix G. Hensel                                                                                                             Klaus Gräbener
         Präsident                                                                                                                   Hauptgeschäftsführer
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2             Jan 20        Wirtschaftsreport

                           Inhaltsverzeichnis
                                                                                                                                                     Titelthema

                                                                                                                                                            4
                                                                                                                                    Frauen in Führungspositionen:
                                                                                                                                   Ein Gewinn für Unternehmen
                                                                                                                                    Die gesellschaftliche Akzeptanz von
                                                                                                                                   Frauen in Führungspositionen ist eine
                                                                                                                                    Errungenschaft, an der couragierte
                                                                                                                                   Unternehmerinnen wie Käte Ahlmann
                                                                                                                                    großen Anteil hatten. Heute spielen
                                                                                                                                   weibliche Führungskräfte eine immer
                                                                                                                                              größere Rolle …

                                                                                                                                                    Titelseite:
                                                                                                                                              Foto: Carsten Schmale

33          KRAH Elektronische
            Bauelemente GmbH                                     40          SMD Sanierung
                                                                             „Wir finden immer                                  44          Landhaus Wildfein
                                                                                                                                            Tradition und Zukunft
            Freude am Widerstand                                             Lösungen“                                                      vereint

Impressum
Der WIRTSCHAFTSREPORT ist das offizielle Organ der IHK Siegen    Herausgeber                                                    Layout
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Quartal 3/2019                                                   In der Trift 11, 57462 Olpe, Telefon 02761 9 44 50,            Telefon 0271 5940-338
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des Verfassers, nicht unbedingt die Meinung der IHK Siegen       Patrick Kohlberger: 0271 3302-317,                             Zustellung
wieder. Nachdruck mit Genehmigung des Herausgebers und           Ann-Kristin Spies: 0271 3302-318                               Für Fragen, die die Zustellung betreffen, wenden Sie sich
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Veröffentlichung.                                                Brigitte Wambsganß, Monika Werthebach                          Zurzeit gültige Anzeigenpreisliste Nr. 59
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Wirtschaftsreport    Jan 20            3

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 » 4 Titelthema                                 10 | Nachrichten                                  » 62 Jubiläen/Bücher
 26 | Berichte                                  » 10 Blitzumfrage zum 5G-Ausbau                   62 | Börsen
 » 26 Handwerk und Interior                     » 13 Bundesbeste Azubis                           » 62 Recyclingbörse
 » 30 Zwei Studenten                            » 18 Masterplan A45                               » 63 Unternehmensnachfolgebörse
      und eine große Vision                     » 47 IHK-Vollversammlung                          » 64 Handels- und
 » 33 Freude am Widerstand                      » 48 „Kunst und Wirtschaft“                            Genossenschaftsregister
 » 36 Für mehr Identität in Siegen              » 54 Touristiker-Konzept                          » 72 Veranstaltungskalender
 » 40 „Wir finden immer Lösungen“
 » 44 Tradition und Zukunft vereint

                                                0/59#171 #31 /83*4* (*46,#-&1/8'     ! +-&8*99#'"*#1 /83*4 ./)145' ! $4)5&4/8' /83*4* +174"*2
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Wirtschaftsreport Januar 2020 - Titelthema: Frauen in Führungspositionen - IHK-Siegen
4        Jan 20   Wirtschaftsreport

                                      Frauen in Führungspositionen

     Ein Gewinn für
     Unternehmen
    Längst vorbei sind die Zeiten, in denen Unternehmertum als ein vorrangig männliches Privileg galt.
         Die Politik fordert und fördert die Chancengleichheit für Frauen in Führungspositionen.
    Auch in der Region finden sich immer mehr weibliche Kräfte in den Chefetagen – ob als Gründerin,
         durch beruflichen Aufstieg oder als Nachfolgerin in traditionsreichen Familienbetrieben.

                              Text: Monika Werthebach   |   Fotos: Carsten Schmale (4), Werkfotos (3)
Wirtschaftsreport Januar 2020 - Titelthema: Frauen in Führungspositionen - IHK-Siegen
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                                                                                                               Wirtschaftsreport        Jan 20              5

    Die gesellschaftliche Akzeptanz von Frauen in Führungsposi-
    tionen ist eine Errungenschaft vergangener Jahrzehnte, an
    der couragierte Unternehmerinnen wie Käte Ahlmann großen
    Anteil hatten. Die Stahlfabrikantin gründete 1954 gemein-
    sam mit 30 Gleichgesinnten ein Netzwerk speziell für Frauen
    in der Wirtschaft. Unter dem Namen „Vereinigung von Unter-
    nehmerinnen“ gewann der Zusammenschluss rasch Mitglie-
    der und entwickelte sich innerhalb weniger Jahre zu einem
    etablierten und international vernetzten Wirtschaftsverband,
    der heute als Verband deutscher Unternehmerinnen (VDU)
    agiert.

    Auch zuvor hatte es bereits erfolgreiche Geschäftsfrauen ge-
    geben. Doch diese markierten aufgrund vorherrschender ge-
    sellschaftlicher Rahmenbedingungen eher Einzelfälle. Ein
    prominentes Beispiel ist Margarete Steiff. Als an den Roll-
    stuhl gefesselte Frau setzte sie sich in der zweiten Hälfte des
    19. Jahrhunderts gegen alle Widerstände durch und legte den                                                                         Für

    Grundstein für ein Unternehmen, das bis heute einen aus-                                                                            Dieter

    gezeichneten Ruf genießt. Die von ihr erfundenen Teddybären                                                                         Pfau sind

    haben mehrere Generationen von Kindern begleitet. Heutzu-                                                                           die „Zeitspuren“

    tage haben es Frauen einfacher als damals. Dennoch sind sie                                                                         eine echte Herzens-

    in den Führungsriegen weiterhin deutlich unterrepräsentiert.                                                                        angelegenheit.

    An mangelndem Know-how kann es kaum liegen, denn keine
    Generation zuvor hatte leichteren Zugang zu Bildung. Dem-
    zufolge sind Frauen so gut qualifiziert wie nie zuvor. Sich
    beruflich zu verwirklichen und dabei Beruf und Familie zu
    vereinbaren, ist für viele Normalität. Zudem haben schon die
    Mütter und Großmütter der heute 20- bis 30-Jährigen einen
    Beruf ausgeübt. Sie halten folglich ihre Töchter zu einer qua-
    lifizierten Ausbildung an. Auch die Rahmenbedingungen sind
    für die Frauen der heutigen Generationen besser als noch vor                                                                        Die Mitarbeiterinnen

    einigen Dekaden. Längst ist es selbstverständlich, sich von                                                                         der Reinhold Damm
                                                                      in den Familienbetrieb einheiratete. Solange die Kinder klein
    einer Ärztin behandeln zu lassen, sich von einer Rechtsan-                                                                          Galvanik GmbH &
                                                                      waren, half sie stundenweise im Büro aus, hatte aber nur
    wältin beraten und vertreten zu lassen oder an der Universi-                                                                        Co. KG können bei
                                                                      wenig Einblick in das operative Tagesgeschäft, das ihr Mann
    tät die Vorlesung einer Professorin zu besuchen. Zu keiner                                                                          Bedarf auch beherzt
                                                                      und dessen Vater führten.
    anderen Zeit hat es mehr Unterstützung und Förderprogram-                                                                           anpacken.

    me für Frauen gegeben. Mit gezielten Initiativen für Gründe-      Die Situation änderte sich schlagartig, als ihr Mann im Jahr
    rinnen und der Unterstützung weiblichen Unternehmergeis-          2005 völlig unerwartet verstarb. Von heute auf morgen
    tes folgt auch das Bundeswirtschaftsministerium dem Leitbild      musste sie über die Geschicke des Unternehmens entschei-
    der Sozialen Marktwirtschaft, das soziale Gerechtigkeit als       den. Die beiden Töchter waren damals gerade einmal acht
    Grundstein für die Teilhabe aller am Wohlstand begreift. Zu-      und elf Jahre alt und brauchten ihre Zuwendung mehr als
    dem hat sich das Frauenbild der meisten Männer – und damit        zuvor. Unterstützung erhielt Daniela Damm von ihrem
    der Partner, Mitarbeiter oder Kollegen – zum Positiven ge-        Schwiegervater, der sie ermutigte, in die Geschäftsführung
    wendet.                                                           einzusteigen. Er wies sie in die wichtigsten Vorgänge ein. Viel
                                                                      Zeit blieb ihm dafür allerdings nicht, denn bereits ein Jahr
    In vielen traditionellen Familienbetrieben ist es inzwischen      später erlag er einer schweren Erkrankung. Auf sich allein
    selbstverständlich, die Töchter oder Schwiegertöchter für         gestellt, führte die Geschäftsfrau den Betrieb weiter, bis
    eine Nachfolge in der Geschäftsleitung vorzubereiten. Als         2010 ein durch Kurzschluss ausgelöster Großbrand die ge-
    Unternehmerinnen schaffen und erhalten Frauen Arbeitsplät-        samte Produktion vernichtete. „An diesem Punkt habe ich
    ze und übernehmen Verantwortung. Hätte sich beispielswei-         tatsächlich gezweifelt, ob ich weitermachen soll“, erinnert
    se Daniela Damm nicht dazu entschlossen, das Familienun-          sich Daniela Damm. Es sei ohnehin schwierig genug gewe-
    ternehmen Reinhold Damm Galvanik GmbH & Co. KG in                 sen, Betrieb und Familie unter einen Hut zu bringen. Die
    Attendorn trotz herber Schicksalsschläge weiterzuführen,          Unternehmerin spürte jedoch eine große Verantwortung für
    wäre ihr nicht nur die eigene Existenzgrundlage abhanden-         die Mitarbeiter, die ihr in den schwierigen Jahren zuvor
    gekommen. Sie hätte auch die langjährigen Mitarbeiter ent-        loyal zur Seite gestanden hatten. „Ich konnte die Leute doch
    lassen müssen. Die gelernte Werkzeugmacherin hatte ur-            nicht einfach auf die Straße setzen“, erklärt sie rückblickend.
    sprünglich keine Karriere als Unternehmerin im Sinn, als sie      Nach monatelanger Bauzeit lief die Produktion wieder an.
Wirtschaftsreport Januar 2020 - Titelthema: Frauen in Führungspositionen - IHK-Siegen
6             Jan 20      Wirtschaftsreport

Bei Damm Galvanik
           hat sich im
    Verlauf der letzten
Jahre einiges getan.

                          Glücklicherweise hielten auch die meisten Kunden Damm           Auch in der Wittgensteiner Baumwoll-Weberei Hugo Grie-
                          Galvanik die Treue. Seither sitzt die Geschäftsführerin fest    senbeck GmbH & Co. KG in Bad Laasphe lenkten sowohl in
                          im Sattel. Sie findet bei den zumeist männlichen Geschäfts-     der Vergangenheit als auch gegenwärtig Frauen die Geschi-
                          partnern Anerkennung. Das war allerdings nicht immer so:        cke. „Durch familiäre Schicksalsschläge hat das Unternehmen
                          „Als Frau musste ich mir die Akzeptanz hart erarbeiten, in-     mehrere Wechsel von männlicher und weiblicher Führung
                          dem ich mich beispielsweise auf Verhandlungen immer ext-        erlebt“, berichtet die derzeitige Geschäftsführerin Katja Grie-
                          rem akribisch vorbereitet habe – stets mit dem Anspruch,        senbeck. Ihr Urgroßvater sei früh verstorben und auch ihr
                          dem Gegenüber einen Schritt voraus zu sein. Mit diesem          Vater verunglückte als relativ junger Mann. „Daher waren
                          Vorsprung und meinem inzwischen detaillierten technischen       immer die Frauen gefordert.“ Schon früh war ihr klar, dass sie
                          Wissen überrasche ich die meisten Männer und kann umso          unternehmerisch tätig sein wollte. Nach einem Ingenieur-
                          besser punkten.“                                                studium führte sie die Firma viele Jahre lang zusammen mit
                                                                                          ihrer Mutter. Heute teilt sie sich in vierter Generation die
                          Bei den derzeit 15 Mitarbeitern hat sich die Geschäftsfrau      Verantwortung mit ihrem jüngeren Bruder Hugo Philipp Grie-
                          vor allem durch ihre zupackende Art großen Kredit erworben,     senbeck. Er kümmert sich um den operativen Betrieb und sie
                          denn sie ist sich nicht zu schade, den „Blaumann“ anzuzie-      betreut das Personalwesen sowie den kaufmännischen Be-
                          hen und in der Produktion anzupacken, wenn dies erforder-       reich. Strategische Konzepte erarbeiten beide gemeinsam.
                          lich ist. Auch bei privaten Sorgen der Beschäftigten hat sie    „Die Blickwinkel auf eine Sache sind doch oft aus männlicher
                          ein offenes Ohr: „Ich habe ein gutes Gespür für Stimmungen      und weiblicher Sicht sehr verschieden. In einem kleinen Fa-
                          und hake umgehend nach, wenn mir Veränderungen auf-             milienunternehmen ist die Kombination aus Fakten und In-
                          fallen. Schließlich möchte ich, dass sich jeder in der Firma    tuition häufig der Schlüssel für zielführende Entscheidun-
                          wohlfühlt.“ Ohne ihr Team laufe gar nichts. Daher sei es ihr    gen“, beschreibt die Geschäftsführerin.
                          wichtig, allen Mitarbeitern mit demselben Respekt zu be-
                          gegnen, den sie umgekehrt auch ihr gegenüber erwarte. Hil-      Auch im Betrieb setzt die erfahrene Unternehmerin auf eine
                          fe erhält Daniela Damm inzwischen von ihren beiden Töch-        bunte Mischung aus weiblichen und männlichen, jungen und
                          tern, die als dritte Generation in den Fachbetrieb für          älteren Mitarbeitern. „Frauen erhöhen die Meinungsvielfalt.
                          Trommelverzinken eingetreten sind. Zusammen bilden die          Sie setzen auf Teams und ein gutes Miteinander – oft auch
                          Frauen ein gut eingespieltes und harmonisches Trio. Stefanie    über Bereiche und Ebenen hinweg – und prägen dadurch ent-
                          Damm ist gelernte Industriekauffrau und Betriebswirtin. Seit    scheidend die Unternehmenskultur“, bekräftigt sie. Dies för-
                          2012 kümmert sie sich als Prokuristin um die kaufmänni-         dere den Erfolg des Betriebes und den Zusammenhalt, den
                          schen Belange des Betriebs. Ihre Schwester Jana hat sich        auch die langjährige Betriebszugehörigkeit der Mitarbeiter
                          nach einer ersten Ausbildung in einer völlig anderen Branche    dokumentiere. Aufgrund der familiären Unternehmensfüh-
                          dazu entschlossen, eine technische Lehre als Galvaniseurin      rung nimmt Katja Griesenbeck ganz selbstverständlich am
                          zu absolvieren. Geplant ist, dass sie zukünftig die Betriebs-   Leben ihrer Angestellten teil: „Man sieht sich oft und hat
                          leitung übernimmt und sich die Geschäftsführung mit ihrer       persönlichen Kontakt. Ein wertschätzendes Miteinander ist
                          Schwester teilt.                                                mir wichtig.“ Die weicheren Komponenten erlangten einen
Wirtschaftsreport Januar 2020 - Titelthema: Frauen in Führungspositionen - IHK-Siegen
Wirtschaftsreport       Jan 20              7

immer höheren Stellenwert in der Unternehmensführung. In
diesem Punkt sehe sie einen klaren Vorteil von Frauen in der
Führungsverantwortung.

Nach Möglichkeit möchte sie den Mitarbeitern flexible Ar-
beitszeitmodelle anbieten, denn die Vereinbarkeit von Fami-
lie und Unternehmertum ist auch für die Geschäftsführerin
selbst nicht immer einfach: „Den Ausgleich zu finden, ist eine
meiner größten Herausforderungen. Das bedingt klare Gren-
zen und ein gutes Zeitmanagement. Für mich steht allerdings
die Familie immer an erster Stelle. Das gestehe ich auch mei-
nen Mitarbeitern zu.“ Eine weitere Erkenntnis wirkt sich auf
Katja Griesenbecks Führungsstil aus: „Mein Erfolgsrezept ist
die Freude am Job. Ich arbeite gerne – und das treibt mich
an, auch in schwierigen Zeiten durchzuhalten und nach Lö-
sungen zu suchen.“ Daher will sie ihre Mitarbeiter vor allem
mit guten Arbeitsbedingungen motivieren. Besonders die
junge Generation sei nicht mehr ausschließlich auf den mo-
netären Verdienst fokussiert, sondern lege Wert auf eine                                                                        Katja Griesenbeck
sinnstiftende, eigenverantwortliche Aufgabe und auf persön-      Business und Management: The business case for change“         setzt in ihrem
liche Lebensqualität. „Auf diese veränderten Gegebenheiten       der Internationalen Arbeitsorganisation (englisch: Interna-    Betrieb die Tradition
stellen wir uns ein.“                                            tional Labour Organization, ILO). Die ILO ist eine Sonderor-   erfolgreicher Frauen
                                                                 ganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf und da-     in der Führung fort.
Frauen in Führungspositionen bringen viele persönliche, so-      mit beauftragt, soziale Gerechtigkeit sowie Menschen- und
ziale und methodische Kompetenzen mit, die es braucht, um        Arbeitsrechte zu fördern. Die Kernaussage dieser Studie, an
aktuellen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und in der          der mehr als 12.000 Unternehmen aus 70 Ländern partizi-
Struktur moderner Unternehmen gerecht zu werden. Ein hö-         pierten, lautet: Unternehmen, die in Führungspositionen auf
herer Anteil von Frauen in den oberen Hierarchieebenen           ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis setzen, sind pro-
kann Betriebe erfolgreicher machen und sogar den Gewinn          fitabler.
steigern. Das belegen die Ergebnisse einer großen interna-
tionalen Studie des Peterson Instituts for International Eco-    Mehr als 57 % der befragten Firmen bestätigten, dass sich
nomics. Die Verantwortlichen fanden 2016 heraus, dass ein        der Geschäftsauftritt verbessert, wenn Frauen nicht mehr
um 30 % höherer Frauenanteil in der Chefetage mit einem          unterrepräsentiert sind. Fast zwei Drittel der Betriebe, die
um 15 % erhöhten Netto-Umsatz einhergeht. Wirken sich            über ein aktives Monitoring-System für Geschlechtervielfalt    Die familiengeführte
also mehr weibliche Führungskräfte auf den finanziellen Er-      in Führungspositionen verfügen, konnten ihre Gewinne um 5      Baumwollweberei
folg aus? Diese These bestätigt die neue Studie „Women in        bis 20 % steigern. Die Mehrheit der Unternehmen erzielte       steht für Vertrauen
                                                                                                                                und Zuverlässigkeit.
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8           Jan 20     Wirtschaftsreport

Nina Patisson prägt
    ihr Unternehmen
durch kreative Ideen
        und Mut zur
       Veränderung.

                       Zuwächse von 10 bis 15 %. Deutlich mehr als die Hälfte der     Unternehmen“, betont Patisson. Obwohl – oder gerade weil
                       Firmen gab an, eine Verbesserung bei der Akquise und Unter-    die beiden sehr unterschiedlich denken, ergänzen sie sich sehr
                       nehmensbindung von Fachkräften zu verzeichnen. Gut 54 %        gut. Durch konstruktive Diskussionen entwickeln sie sich ste-
                       berichteten über firmeninterne Fortschritte in puncto Krea-    tig weiter. „Gemeinsam decken wir viel mehr Aspekte einer
                       tivität, Innovation und unternehmerischer Offenheit. Zu-       guten Geschäftsleitung ab, als ich es allein könnte. Beispiels-
                       gleich wurde die Außenwirkung der Betriebe positiver. Knapp    weise bin ich eher risikofreudig und höre auch mal auf mein
                       37 % der Befragten gehen zudem davon aus, die Bedürfnisse      Bauchgefühl, während Jan zumeist strukturiert vorgeht. In
                       ihrer Kunden besser einschätzen zu können. „Wir sind zwar      wichtigen Entscheidungen finden wir so immer einen guten
                       von einem positiven Zusammenhang zwischen Geschlechter-        Konsens.“
                       vielfalt und unternehmerischem Erfolg ausgegangen. Die vor-
                       liegenden Ergebnisse übertreffen diese Erwartungen jedoch      Ihr Urgroßvater Albrecht Bäumer hat Nina Patisson ein gro-
                       deutlich“, bilanziert Deborah France-Massin, Direktorin des    ßes Erbe hinterlassen. „Die Verantwortung ist immer in mei-
                       ILO-Büros für Arbeitgeberfragen.                               nem Bewusstsein. Es hat sich von Anfang an richtig ange-
                                                                                      fühlt, für das Familienunternehmen zu arbeiten“, bekräftigt
                       Die Resultate solcher Studien bestätigen den Kurs, den Nina    sie. Seit eine Frau auf dem Chefsessel im Hause Bäumer sitzt,
                       Patisson, Geschäftsführerin der Albrecht Bäumer GmbH &         hat sich der Fokus auf die Arbeitgeberattraktivität verändert.
                       Co. KG in Freudenberg, eingeschlagen hat. Das Familienun-      „Mein Ziel ist, dass wir zu einem der besten Arbeitgeber in
                       ternehmen ist seit 73 Jahren führender Hersteller von Spe-     der Region werden. In Zukunft wird es einen verstärkten Kon-
                       zialmaschinen und Anlagen für die Schaumstoffindustrie.        kurrenzkampf um qualifizierte Arbeitnehmer geben, auf den
                       Erstmals steht nun eine Frau an der Spitze. Es war immer der   wir die Firma vorbereiten.“ Patisson hat eine junge, innova-
                       Wunsch des Vaters, dass sie in den Betrieb einsteigt. Nach     tive Führungsmannschaft für den Traditionsbetrieb zusam-
                       dem International-Business-Studium zog es sie zunächst         mengestellt und die Hierarchien flacher gestaltet. Sie gesteht
                       nach Paris, wo sie ihre interkulturelle Kompetenz sowie die    den Führungskräften weitreichende Entscheidungskompe-
                       Liebe zu anderen Ländern und fremden Sprachen in ein welt-     tenzen zu. Darüber hinaus forciert sie eine wertebasierte
                       weit tätiges Unternehmen einbringen konnte. Erst einige Zeit   Unternehmensführung: „Unser Erfolg ist von der Leistung,
                       später erkannte sie, dass sie im Familienbetrieb genau das     den Fähigkeiten, der Gesundheit, der Einsatzbereitschaft und
                       Umfeld vorfindet, das sie begeistert – innovative Produkte     der Zufriedenheit unserer Mitarbeiter abhängig.“ Daher ar-
                       und internationaler Kundenstamm inbegriffen. 2011 stieg sie    beiten die Verantwortlichen an verbesserten Prozessen sowie
                       schließlich als Marketingleiterin in das Familienunternehmen   an der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Geschäfts-
                       ein. Zwei Jahre später übernahm sie als Nachfolgerin ihres     führung bietet flexible Arbeitszeiten, Homeoffice für Pendler
                       Vaters Helmut Kritzler die Geschäftsführung. Zur Verstärkung   sowie Lösungen für Mütter und pflegende Angehörige. Dar-
                       holte sie ihren Schwager Jan Henrik Leisse an Bord. „Diese     über hinaus weist die Albrecht Bäumer GmbH & Co. KG eine
                       Kombination ist aus meiner Sicht die beste Lösung für unser    hohe Ausbildungsquote auf und offeriert Auslandsaufenthal-
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te in der Tochterfirma in Amerika. Nina Patisson ist über-         nicht daran, dass Frauen keine größeren Firmen führen
zeugt: „Wir sind zwar in einer Nischenbranche, aber sehr           können oder wollen. Ursächlich ist vielmehr, dass deutlich
innovativ unterwegs. Deshalb gehe ich gerne auch mal den           mehr Frauen eine Selbstständigkeit in Teilzeit ausüben. Denn
unkonventionellen Weg. Es bringt Wettbewerbsvorteile, bei          trotz allen beruflichen Ehrgeizes wünschen sich viele Frauen
bestimmten Themen der Vorreiter zu sein.“                          nach wie vor Familie und Kinder. Um beidem gerecht zu
                                                                   werden, braucht es Unterstützung seitens der Familie oder
So verschieden der Werdegang von beruflich erfolgreichen           eines guten Netzwerks. Wer als Frau ebenso erfolgreich wie
Frauen ist, so sehr ähnelt sich meist ihre Grundhaltung –          Männer in vergleichbaren Positionen sein und die eigenen
nämlich die Bereitschaft, Herausforderungen anzunehmen             beruflichen Pläne verwirklichen möchte, muss für seine
und zu meistern, Ziele konsequent zu verfolgen und dafür           Bedürfnisse eintreten und das unmittelbare Umfeld mobili-
viele Stunden Arbeitszeit zu investieren. „Nichtstun und Still-    sieren.
stand sind eine Strafe für mich“, bekennt auch Nina Patisson.
Die oft thematisierte Frauenpower bestehe aus einem hohen          Das wirtschaftliche Argument für mehr Frauen in Führungs-
Maß an Eigenverantwortung, Mut und einem klaren Bekennt-           ebenen sorgt jedenfalls dafür, dass vermehrt Maßnahmen
nis zu den eigenen Visionen.                                       und Unternehmensstrategien gestärkt werden, die die Ver-
                                                                   einbarkeit von Beruf und Familie für beide Geschlechter för-
Statistisch betrachtet sind frauengeführte Betriebe im             dern. Arbeitgeberorganisationen und -verbände sind im Hin-
Durchschnitt immer noch kleiner als von Männern geleitete          blick auf die Erarbeitung wirksamer Strategien besonders
Unternehmen. Weniger als ein Drittel der von der ILO be-           gefragt. Immer mehr Unternehmer erkennen eine angemes-
fragten Unternehmen hat einen Frauenanteil von mehr als            sene Frauenquote als ein fundamentales Ziel an. Denn mit
30 % in der Vorstandsetage erreicht. Mehr als 78 % haben           den Frauen steigt der Gewinn. !
männliche Geschäftsführer, wobei ihre weiblichen Pendants
eher in kleineren Betrieben zu finden sind. Das liegt aber         Diesen Bericht finden Sie auch unter www.ihk-siegen.de, Seiten-ID 3200.

  Helmut Hofmann, Arbeitgeberverbände Siegen-Wittgenstein
  Tradierte Rollenbilder noch weiter überwinden
  Der Mann geht arbeiten, die Frau kümmert                                                                 Das ist auch die Politik der Arbeitgeberver-
  sich um den Haushalt und die Kindererzie-                                                                bände Siegen-Wittgenstein. Deshalb betei-
  hung. Dieses tradierte Rollenbild hat über                                                               ligen sie sich an Projekten zur Förderung der
  Jahrhunderte unsere Gesellschaft geprägt.                                                                Familienfreundlichkeit, bieten Unterstüt-
  Es innerhalb weniger Jahrzehnte aufzubre-                                                                zung bei der Personalentwicklung und
  chen, ist eine der großen Errungenschaften                                                               schaffen mit flexibleren Tarifverträgen eben
  des 20. Jahrhunderts. Dazu haben viele einen                                                             diese Rahmenbedingungen für mehr Chan-
  Beitrag geleistet, nicht zuletzt die Frauen                                                              cengerechtigkeit.   Das vor Jahren gemein-
  selbst. Aber es bleibt noch viel zu tun, um zu                                                           sam mit der IG Metall ausgehandelte Ent-
  wahrer Gleichberechtigung zu kommen. Das                                                                 geltrahmenabkommen (ERA) für die
  hat nicht nur biologische Gründe. Nach wie                                                               Metall- und Elektroindustrie hat nicht nur
  vor sind weite Bereiche unserer Wirtschaft                                                               der Unterscheidung von Arbeitern und An-
  und Gesellschaft eher männlich dominiert.                                                                gestellten ein Ende bereitet. Es hat auch für
  Stellt sich also die Frage: Könnte beispiels-                                                            klare Eingruppierungskriterien gesorgt, bei
  weise eine Frauenquote, wie sie von der                                                                  denen das Geschlecht keine Rolle spielt. Ge-
  Politik gefordert wird, daran etwas nachhal-                                                             rade die zukunftsträchtigen MINT-Berufe
  tig ändern? Ich denke das nicht. Eine Quote                                                              bieten qualifizierten Frauen heute gute Auf-
  schafft keine gleichen Chancen, sie verhin-                                                              stiegsmöglichkeiten. Leider wirken aber im-
                                                    Helmut Hofmann freut sich über den Erfolg von Frauen
  dert sie vielmehr. Eine Quote schafft keine                                                              mer noch in vielen Familien die tradierten
                                                    in Führungspositionen.
  Veränderung im Denken und Handeln, sie                                                                   Berufsvorstellungen für junge Frauen nach
  bremst es eher. Was also kann helfen? Am ehesten sind es die Rahmen-          und verhindern vielfach eine entsprechende Karriere. Auch daran gilt
  bedingungen, die Entwicklungschancen und Aufstiegsmöglichkeiten               es zu arbeiten. Man muss Aufklärung leisten, und das schon in der
  möglich machen können, für Frauen wie für Männer. Eine qualifizierte          Schule.
  Ausbildung, eine familienfreundliche Grundeinstellung von Wirtschaft
  und Gesellschaft, flexible Kinderbetreuungsmöglichkeiten ebenso wie           Junge Frauen haben heute viel mehr Möglichkeiten, sich beruflich zu
  flexible Arbeitsbedingungen. Alles das sind Faktoren, die es Frauen           entwickeln, als das noch ihren Großmüttern vergönnt war. Diese Chan-
  letztlich ermöglichen, sich beruflich zu entwickeln und in Führungs-          cen sollten sie nutzen. Ihnen stehen immer mehr Wege offen. Und die
  positionen aufzusteigen. Und immer mehr Unternehmen haben inzwi-              Männer sollten keine Angst davor haben, dass die Frauen ihnen den
  schen erkannt, dass es sinnvoll ist, in diese Bereiche zu investieren.        Rang ablaufen.
10          Jan 20      Wirtschaftsreport

IHK-Blitzumfrage bei 702 Unternehmen zum 5G-Ausbau:
Sorgen vor Sicherheitslücken und großer Ärger über Funklöcher
Mehr als drei Viertel der heimischen Unterneh-            durch die Wirtschaft. „Nicht wenige Unterneh-      meldungen lassen auf den Grund hierfür schlie-
men (76 %) halten den Ausbau der neuen Mo-                men empfanden unsere Fragen zu 5G angesichts       ßen: „Offenbar sind die technischen Zusammen-
bilfunktechnologie 5G für bedeutend, um die               der zahlreichen bestehenden Mobilfunklöcher        hänge derart komplex, dass viele Firmen sich
Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandor-              geradezu als Hohn. Die Aussagen lassen an          nicht in der Lage sehen, eine objektive und be-
tes Deutschland zu sichern. Die mit Abstand               Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Aus         gründete Bewertung in diesem sehr speziellen
meisten Betriebe (68 %) sehen den größten                 Sicht etlicher Unternehmen befindet sich der       Themenfeld vorzunehmen“, erklärt Stephan Hä-
Nutzen der 5G-Technologie darin, dass das mo-             ländliche Raum in Sachen Netzabdeckung in der      ger, Statistikexperte der IHK Siegen.
bile Internet leistungsfähiger wird. Aber auch            informationstechnischen Steinzeit“, verdeut-
die Beschleunigung von Arbeits- und Produkti-             licht IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener.     Die Diskussion über 5G wurde in den vergan-
onsprozessen (48 %) und die Vernetzung von                Entsprechend deutlich fallen einige Rückmel-       genen Monaten durch die Frage dominiert, ob
Menschen und Geräten (41 %) werden als wich-              dungen aus: „Wir befassen uns mal wieder mit       chinesische Netzausrüster aus den genannten
tige Mehrwerte gesehen. Das zeigen die Ergeb-             Träumen, statt eine dringend benötigte Grund-      Sicherheitsbedenken beim 5G-Ausbau ausge-
nisse einer Blitzumfrage der Industrie- und               versorgung zu gewährleisten. Es kann nicht sein,   schlossen werden sollen oder nicht. Zwar wird
Handelskammer Siegen (IHK), an der sich 702               dass Telefongespräche auf dem Weg von Olpe         diese Frage von einer Mehrheit (51 %) der
Betriebe aus den Kreisen Siegen-Wittgenstein              nach Dortmund oder im Ruhrgebiet ständig           Unternehmen bejaht, während lediglich 29 %
und Olpe beteiligten. IHK-Präsident Felix G.              durch Funklöcher unterbrochen werden“, laute-      der Auffassung sind, chinesische Unternehmen
Hensel: „Die große Beteiligung der Betriebe ver-          te die Antwort eines Unternehmers. Ein anderer     sollten nicht ausgeschlossen werden. Allerdings
deutlicht, welchen Stellenwert das Thema in den           meinte: „Deutschland ist bereits jetzt abge-       ist ein relativ hoher Anteil der Befragten, näm-
Top-Etagen der heimischen Wirtschaft mittler-             schlagen und vielen anderen Nationen unterle-      lich ein Fünftel (20 %), bei diesem Thema offen-
weile einnimmt. Hier geht es nicht um Zukunfts-           gen. Die verbreiteten Funklöcher sind ärgerlich    bar unentschlossen. Vielen Betrieben fiel offen-
musik, sondern um eine technologische Ent-                und lästig!“                                       bar auch hier eine Beurteilung sehr schwer.
wicklung, bei der Deutschland nach Auffassung                                                                Klaus Gräbener: „Einerseits begründet das tiefe
sehr vieler in der Wirtschaft den Anschluss nicht         Der Grund für die Verärgerung spiegelt sich auch   Misstrauen gegenüber der chinesischen Politik
verlieren darf.“ Die Rückmeldungen zeigten,               in den Umfragewerten wider: Mehr als 43 % der      offenbar sehr häufig die Sorge, in eine einseiti-
dass die Wirtschaft große Hoffnungen auf den              Unternehmen bewerten die Mobilfunkabde-            ge Abhängigkeit zu geraten. Andererseits
neuen Mobilfunkstandard setze. Schnell wach-              ckung in der Region als „schlecht“ oder „sehr      herrscht zugleich die Überzeugung, dass gerade
sende Datenmengen und immer anspruchsvol-                 schlecht“. Gerade einmal 20 % halten die Ab-       die stark exportabhängigen deutschen Unter-
lere Anwendungen machten den raschen Aus-                 deckung für „sehr gut“ oder „gut“. Mit einiger     nehmen an offenen Marktzugängen ein vitales
bau wünschenswert. Außerdem wird ein                      Sorge betrachten die heimischen Unternehmen        Interesse haben. Wer nach China liefern will,
gravierender Vorteil von 5G darin gesehen, dass           mögliche Sicherheitsrisiken im Bereich der Spio-   zugleich aber chinesische Firmen vom deut-
er neue disruptive Technologien ermöglicht. Fe-           nage und der Sabotage. 41 % der Betriebe sind      schen Markt fernhält, geht Risiken ein, die ihm
lix G. Hensel: „Wer hier schläft, entzieht sich           der Meinung, dass sich diese Risiken durch den     zumindest bewusst sein sollten.“ In den Ant-
selbst die Grundlage für Innovationen.“                   Ausbau des Mobilfunkstandards 5G erhöhen           worten werde vereinzelt auch auf zurücklie-
                                                          werden. 34 % sehen diese Gefahr nicht. Auf-        gende Spionagetätigkeiten oder Datenmiss-
Auffällig sind in diesem Zusammenhang die Be-             fällig: Ein Viertel der befragten Unternehmen      brauch von Unternehmen aus anderen Ländern
wertungen des bestehenden Mobilfunknetzes                 ließ diese Frage unbeantwortet. Einige Rück-       verwiesen, was einen Ausschluss allein nach

              Wie beurteilen Sie die gegenwärtige                                      Halten Sie den 5G-Netzausbau für bedeutend, um
              Mobilfunkabdeckung in der Region?                                        die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes
                                                                                                    Deutschland zu sichern?
                                  1,71%       2,28%
                                                                                                              10,40%
                         8,40%
                                                           18,09%

                                                                                             13,96%

             34,62%

                                                              34,90%

                                                                                                                                          75,64%

  Die Mobilfunkabdeckung ist sehr gut.        Die Mobilfunkabdeckung ist gut.
  Die Mobilfunkabdeckung ist ausreichend.     Die Mobilfunkabdeckung ist schlecht.                           Ja   Nein    Keine Antwort
  Die Mobilfunkabdeckung ist sehr schlecht.   Keine Antwort
Wirtschaftsreport         Jan 20              11

Nationalität wenig zielführend erscheinen las-
se. Dennoch mache es nachdenklich, dass über                       Worinsehen
                                                                  Worin        Sieden
                                                                         sehenSie  den größten
                                                                                       größten Nutzen
                                                                                               Nutzen der
                                                                                                      der5G-Technologie?
                                                                                                          5G-Technologie?
die Hälfte der antwortenden Unternehmen den
Ausschluss chinesischer Unternehmen beim               Die 5G-Technologie wird Arbeits- und Produktionskosten
                                                                                                                         7,55%
                                                                             verringern.
5G-Ausbau favorisiere. Klaus Gräbener: „Die
Befürchtungen sind evident. Sollte sich die
                                                     Die 5G-Technologie wird Arbeits- und Produktionsprozesse
                                                                                                                                                   47,72%
Bundesregierung dennoch dafür entscheiden,                               beschleunigen.
die Ausschreibungen auch für chinesische An-
bieter zu öffnen, müssen die Sicherheitsanfor-       Die 5G-Technologie wird zur Energieeinsparung beitragen.         2,42%
derungen so hoch wie irgend möglich gesetzt
werden, um den erheblichen Vorbehalten in der               Durch die 5G-Technologie wird die Vernetzung von
                                                                                                                                             40,60%
Wirtschaft Rechnung zu tragen.“ Wie schwierig                       Menschen und Geräten verbessert.

sich dies im Detail gestalten dürfte, habe Bun-
                                                                Die 5G-Technologie macht das mobile Internet
deskanzlerin Angela Merkel bei einer Rede vor                                 leistungsfähiger.
                                                                                                                                                                 67,81%
der Vollversammlung des DIHK in Berlin ver-
deutlicht.
                                                    greifen können. Hier sind in erster Linie die Poli-           leisten, damit das Feld nicht einer überhitzten
Die IHK Siegen fragte auch nach möglichen Aus-      tik und die Fachleute aus Telekommunikations-                 öffentlichen Diskussion in den einschlägigen
wirkungen eines Ausschlusses chinesischer           unternehmen gefordert, Aufklärungsarbeit zu                   Talk-Shows überlassen wird.“ !
Netzausrüster. 30 % der befragten heimischen
Betriebe erwarten demnach, dass ein solcher
Ausschluss den 5G-Ausbau verteuern wird. Fast                  Welche
                                                              Welche  Auswirkungenerwarten
                                                                     Auswirkungen  erwarten Sie
                                                                                             Sie im
                                                                                                 im Falle
                                                                                                    Falle eines
                                                                                                          einesAusschlusses
                                                                                                                Ausschlusses
ebenso viele (28 %) gehen davon aus, dass sich                                chinesischer Netzausrüster?
                                                                             chinesischer  Netzausrüster?
der Netzausbau hierdurch verzögern würde. Ein
Fünftel der Befragten (20 %) ist der Auffassung,       Ein Ausschluss chinesischer Netzausrüster wird keine
                                                                                                                                                 19,66%
                                                                       Auswirkungen haben.
ein Ausschluss werde sich nicht auswirken. Auch
bei dieser Frage gibt es einen hohen Anteil an
                                                         Ein Ausschluss chinesischer Netzausrüster wird den
Unternehmen, die keine Antwort gaben (23 %).                           Netzausbau verteuern.
                                                                                                                                                                  29,91%
Felix G. Hensel: „Die Umfrage zeigt, dass das
Vertrauen der Wirtschaft in einen zeitnahen
                                                     Ein Ausschluss chinesischer Netzausrüster wird zu einer
5G-Ausbau angesichts des Schweizer Käses an                   Verzögerung des Netzausbaus führen.
                                                                                                                                                               27,78%

Mobilfunklöchern gelinde gesagt ‚ausbaufähig‘
ist. Hier steht Resignation vor Hoffnung. Hinzu
                                                                                              Keine Antwort                                           22,65%
kommt, dass auch in der Wirtschaft das Thema
5G von Sicherheitsbedenken überschattet wird,
die viele in den Unternehmen allerdings nicht

    Stimmen Sie der folgenden Aussage zu? Durch den                                     In der öffentlichen und politischen Diskussion wird
      Mobilfunkstandard 5G werden sich die Sicher-                                      mitunter gefordert, chinesische Netzausrüster (Zulie-
    heitsrisiken (z.B. Spionage und Sabotage) erhöhen.                                  ferer) aus Sicherheitsgründen beim 5G-Netzausbau
                                                                                         auszuschließen. Stimmen Sie dieser Forderung zu?
                                                                                                        20,23%
            24,93%

                                                       40,74%
                                                                                                                                                      50,85%

                                                                                                   28,92%
          34,33%

                       Ja   Nein    Keine Antwort                                                                Ja      Nein    Keine Antwort
12              Jan 20   Wirtschaftsreport

„Es einfach durchziehen!“
Unternehmensnachfolge im Blickpunkt
                                                                                                                        Einen konsequent eingeleiteten Einstieg in die
                                                                                                                        Führungsrolle hat Ronny Stöcker hinter sich.
                                                                                                                        Der 38-Jährige fungiert als angestellter Ge-
                                                                                                                        schäftsführer der Gräbener Pressensysteme
                                                                                                                        GmbH & Co. KG in Netphen. Bevor er die Ver-
                                                                                                                        antwortung in dieser Position übernahm, war er
                                                                                                                        bereits mehrere Jahre lang als Serviceleiter für
                                                                                                                        den Betrieb tätig. Der Schritt „vom Kollegen
                                                                                                                        zum Chef“ sei positiv verlaufen, da er sowohl
                                                                                                                        mit den Beschäftigten als auch mit der kom-

                                                                                                      Carsten Schmale
                                                                                                                        pletten Struktur der Firma und den Kundenbe-
                                                                                                                        ziehungen bestens vertraut gewesen sei. Dies
                                                                                                                        habe es ihm auch leichter gemacht, mehr auf
Tauschten sich über Unternehmensnachfolge aus: (v.l.) Sibylle Haßler (IHK Siegen), die Referenten Ronny                 die Eigenverantwortung der Mitarbeiter zu set-
Stöcker, Annedore Cronrath, Martin Achatzi, Tim Holzhauer, Rudolf Grüneberg und IHK-Geschäftsführer Hans-               zen. Eine wichtige Bereicherung des eigenen
Peter Langer.                                                                                                           Horizonts sieht Ronny Stöcker überdies in einer
                                                                                                                        aktiven Beteiligung an der Arbeit der Wirt-
„Wenn man viel Herzblut hat und von seiner            die er im Zuge der Übergabe an seinen Sohn                        schaftsjunioren Südwestfalen, deren Vorsitzen-
Idee überzeugt ist, sollte man es einfach durch-      Peter Achatzi gesammelt hat. Die Führungsver-                     der er zeitweise war.
ziehen!“ Gefragt nach ihrem wichtigsten Rat an        antwortung 2018 im Alter von 55 Jahren ab-
Menschen, die ein Geschäft übernehmen wol-            getreten zu haben, war eine bewusste Ent-                         Rechtsanwalt und Notar Tim Holzhauer (Dr.
len, appelliert Annedore Cronrath an den Mut          scheidung, die der erfahrene Unternehmer aus                      Schön – Rechtsanwälte und Notare, Siegen)
der möglichen Nachfolger. Seit Juli ist die ge-       voller Überzeugung jederzeit wieder treffen                       präsentierte schließlich rechtliche Grundlagen,
bürtige Siegenerin Inhaberin des Feinkostge-          würde: „Ich habe das Geschäft selbst gegrün-                      die bei einer Firmenübergabe relevant sind. In
schäftes „Gut & Gerne“. Viele Jahre lang war sie      det und 28 Jahre geleitet. Mir war nicht von                      diesem Kontext empfahl er, zunächst einen voll-
zuvor als selbstständige Handelsvertreterin in        Anfang an klar, dass mein Sohn den Betrieb                        ständigen Plan und persönliche Ziele festzule-
ganz Deutschland unterwegs. Nach 30 Jahren            übernehmen würde. Aber dann hat er über lan-                      gen. Darüber hinaus sei es wichtig, sich früh-
sollte damit Schluss sein. Für sie stand schon        ge Zeit im Laden geholfen, eine Ausbildung                        zeitig Berater unterschiedlicher Metiers – etwa
länger fest, dass sie sich dann beruflich noch        zum Fotografen gemacht und immer mehr                             auch in puncto Steuern – an den Tisch zu holen.
einmal grundlegend verändern würde. „Ich habe         wichtige Aufgaben übernommen. Irgendwann                          So gelinge es, etwaige Hürden zu identifizieren
mich entschlossen, ab sofort lieber hinter der        war dann einfach die Zeit reif“, blickt er zurück.                und gezielt an Lösungen zu arbeiten, um nicht
Theke als im Stau zu stehen!“                         Der Übergabeprozess selbst inklusive intensiver                   in Probleme zu geraten.
                                                      Einarbeitung sei reibungslos und fließend ver-
Die Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK)         laufen.                                                           Das Thema Unternehmensnachfolge betreffe
hatte mehrere Unternehmerpersönlichkeiten zu                                                                            derart viele Betriebe, dass es sich auf den ge-
ihrer Veranstaltung „Unternehmensnachfolge            Neue Akzente gesetzt hat auch Thomas Uebach,                      samten Wirtschaftsstandort auswirke, verdeut-
zielgerichtet planen“ im Bernhard-Weiss-Saal          Inhaber des Küche & Co Studios in Siegen. Er ist                  lichte IHK-Geschäftsführer Hans-Peter Langer,
eingeladen, um „hautnah“ und offen von ihren          seit Jahrzehnten in der Branche aktiv und hat                     der die Veranstaltung moderierte. Bundesweit
Erfahrungen mit diesem sensiblen Thema zu be-         vor fast zwei Jahren den Weg in die Selbststän-                   würden in den kommenden fünf Jahren rund
richten. Das unternehmerische Wagnis einzu-           digkeit gefunden. An die knapp 40 Zuhörer in                      850.000 Inhaber mittelständischer Unterneh-
gehen und sich voll auf diese Aufgabe einzu-          der Veranstaltung richtete er zunächst einen                      men ihre Tätigkeit aufgeben. Etwa 500.000 da-
lassen, sei eine enorme Herausforderung               wichtigen Appell: „Wenn Sie einen solchen Ent-                    von wollten ihre Firma an einen Nachfolger
gewesen, räumte Cronrath ein. Schließlich be-         schluss treffen, müssen Sie sich darüber be-                      übergeben. Unterstützung biete die IHK unter
deute ein solcher Schritt große Veränderungen.        wusst sein, dass Ihre Existenz ab sofort von Ih-                  anderem mit ihrem Mentorenprogramm. Einer
Am grundlegenden strategischen Konzept ihres          nen selbst abhängt.“ Er habe dies jedoch nicht                    der Mentoren ist seit einigen Jahren Rudolf Grü-
Vorgängers für das Traditionsgeschäft hat sie         als Druck, sondern als Ausdruck unternehmeri-                     neberg, der veranschaulichte, wie die ehrenamt-
bewusst nicht viel verändert. Dennoch trägt der       scher Freiheit und persönlicher Entfaltung emp-                   lichen Helfer ihre Expertise konkret zur Verfü-
Laden nun zunehmend auch ihre eigene Hand-            funden. Im beruflichen Alltag habe es ihm ge-                     gung stellen: „Im Laufe eines Betriebszyklus
schrift.                                              holfen, dass er in den ersten Monaten noch auf                    stößt man immer wieder an Grenzen. In solchen
                                                      die tatkräftige Unterstützung seiner Vorgänger                    Momenten kann es Gold wert sein, Unterstüt-
Martin Achatzi vom Canon Shop aus Bad Laas-           zurückgreifen konnte. Uebach kommt aus der                        zung von außen zu erhalten.“ Die Mentoren
phe konnte die Nachfolge dagegen familien-            Küchenbranche, hatte hier im Vorfeld über Jah-                    haben ihre Schwerpunkte in unterschiedlichsten
intern regeln. Welche Vorteile dies hat? „Un-         re wertvolle Erfahrungen gesammelt. „Ohne                         Themenfeldern. Ihr im Einzelfall jeweils tempo-
zählige“, antwortet der Wittgensteiner. Er            diesen Hintergrund hätte ich das Wagnis nicht                     rär begrenzter Einsatz dient dem Wissenstrans-
berichtete von seinen persönlichen Eindrücken,        eingehen können.“                                                 fer auf Augenhöhe. !
Wirtschaftsreport        Jan 20          13

Bundesbeste IHK-Azubis
Johannes Lütticke ausgezeichnet
Eine große Auszeichnung erhielt Johannes Lütti-
cke von der Gebr. Kemper GmbH & Co. KG aus
Olpe. Er schloss die Ausbildung zum Verfahrens-
mechaniker in der Hütten- und Halbzeugindust-
rie, Fachrichtung Nichteisenmetall-Umformung,
mit 97 % ab und zählt damit zu den bundesbes-
ten IHK-Azubis. Gemeinsam mit seinem Ausbilder
Patrick Halbe reiste er zur Ehrungsveranstaltung
nach Berlin. Zu den ersten Gratulanten zählte
IHK-Geschäftsführer Klaus Fenster. Eric Schweit-
zer, Präsident des Deutschen Industrie- und Han-
delskammertages (DIHK), und Bundesbildungs-
ministerin Anja Karliczek überreichten 206
Preisträgern Pokale und Urkunden. Schweitzer

                                                                                                                                                       IHK Siegen
sprach den jungen Menschen seine Anerkennung
dafür aus, dass sie in ihren Abschlussprüfungen
bei knapp 300.000 Prüfungsteilnehmern die          Johannes Lütticke, der Bundesbeste der Region, mit Ausbilder Patrick Halbe (r.) und IHK-Geschäftsführer
höchsten Punktzahlen in ihren Berufen              Klaus Fenster (l.) bei der Ehrung in Berlin.
erreicht hatten. Er dankte in seiner Rede der
Bildungsministerin für die hervorragende Zu-       die sich die IHK-Organisation freue, betonte der     brauche. An der Preisverleihung nahmen rund
sammenarbeit bei der Modernisierung des Be-        DIHK-Präsident. Anja Karliczek hob in ihrer Fest-    1000 Gäste teil – neben Angehörigen der Besten
rufsbildungsgesetzes im zurückliegenden Jahr.      rede hervor, dass die ausgezeichneten Azubis         auch Vertreter der Ausbildungsbetriebe, Berufs-
Dieses bringe unter anderem Erleichterungen        der Nachwuchs an Fach- und Führungskräften           schullehrer, Bundestagsabgeordnete sowie Ver-
für die Prüfer in der beruflichen Bildung, über    seien, den die deutsche Wirtschaft dringend          treter der Industrie- und Handelskammern. !

                                                                                                                            Hochbau
                                                                                                                            Tiefbau
                                                                                                                            Leitungsbau
                                                                                                                            Schlüsselfertigbau
                                                                                                                            Projektentwicklung
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14          Jan 20    Wirtschaftsreport

Mehr Tempo beim Ausbau von Infrastruktur
Ministergespräch zu beschleunigten Gerichtsverfahren
Wie lassen sich Gerichtsverfahren effektiv be-       Nationale Normenkontrollrat unterstützt die Idee.      darauf hin, dass in NRW mehr Geld und Personal
schleunigen, um zu verhindern, dass der Ausbau       Allerdings müssten die Oberverwaltungsgerichte         für Planungsleistungen eingesetzt würden. Der
von Verkehrswegen, Stromtrassen und anderen          dann auch personell entsprechend ausgestattet          Verkehrsminister plädierte für gesetzliche Stich-
Infrastrukturprojekten unnötig verzögert wird und    sein. Ansonsten drohten neue Verzögerungen, er-        tagsregelungen; damit müssten Planungen wäh-
Jahre vergehen, bis eine rechtskräftige Entschei-    klärte Dr. Rainer Holtschneider, der dem Normen-       rend des laufenden Genehmigungsverfahrens
dung vorliegt? Rund 40 Fachleute tauschten sich      kontrollrat seit 2016 angehört. Viel versprechen       nicht mehr ständig den neuesten fachlichen Er-
hierzu mit Landesverkehrsminister Hendrik Wüst       sich die Fachleute auch davon, spezielle Wirt-         kenntnissen und Gesetzesänderungen angepasst
und Landesjustizminister Peter Biesenbach beim       schafts- und Planungsspruchkörper einzurichten,        werden. Mit seinem Amtskollegen war er sich da-
ersten „Stadttorgespräch“ in Düsseldorf über Lö-     die eine gewisse Expertise gewährleisten und zu        rin einig, dass gezielte zeitliche Verzögerungen
sungsansätze aus. Das Ziel: Verfahrensabläufe        schnelleren Ergebnissen in Verfahren zur Plange-       durch Kläger weitgehend vermieden werden
durch eine klarere Struktur und Konzentration        nehmigung beitragen könnten. Biesenbach befür-         müssten. Bei der Information der Öffentlichkeit
optimieren. Auf Initiative des NRW-Justizministe-    wortet auch die Einführung eines „konzentrierten       habe sich der Einsatz von Visualisierungen mit-
riums diskutiert der Bund derzeit Änderungen an      Verfahrens“. Dabei könnte zur besseren Struktu-        hilfe von Computeranimationen bewährt. Dies
der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dabei         rierung in einem frühen ersten Erörterungstermin       helfe, den Menschen Ängste zu nehmen, und baue
gehe es nicht um eine grundlegende Reform, son-      der weitere „Fahrplan“ für das Verfahren festge-       interessengeleiteten Gerüchten vor. Hans-Peter
dern um punktuelle Innovationen, die praktisch       legt werden. Dieses Gespräch könnte unmittelbar        Langer, IHK-Geschäftsbereichsleiter für Infra-
eine große Wirkung entfalten würden, betont          nach Klageeingang ohne vorherigen Austausch            struktur und Standortpolitik, plädiert dafür, die
Biesenbach. Angestrebt wird demnach die erstin-      von Schriftsätzen geführt werden. Ein weiterer,        Öffentlichkeits- und Umweltprüfung in einem
stanzliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsge-      bereits praktizierter Weg ist der verstärkte Einsatz   Hauptsacheverfahren durchzuführen. Dort könn-
richte (OVG) in bestimmten Planfeststellungsver-     von Maßnahmengsetzen: Dabei lässt der Deut-            ten alle Beteiligten die berechtigten Interessen
fahren. Schon heute sind die OVG bei bestimmten      sche Bundestag zentrale, systemrelevante Ver-          vortragen und diskutieren. In den nachfolgenden
Projekten unmittelbar zuständig, etwa beim Aus-      kehrsinfrastrukturprojekte direkt durch projekt-       Verfahrensstufen könne dann hierauf verwiesen
bau von Bundesfernstraßen. Diese erstinstanzliche    bezogene Maßnahmengesetze zu. Auch wenn es             werden. „Bislang sieht jede Planungsstufe eine
Zuständigkeit soll künftig ausgeweitet werden.       sich hierbei um einen streng maßnahmenbezoge-          eigene Öffentlichkeitsbeteiligung und Umwelt-
Konkret könnte dies nach Einschätzung des NRW-       nen Weg handelt, waren sich die Teilnehmer des         prüfung vor. Das bringt keine qualitative Verbes-
Justizministeriums eine durchschnittliche Zeiter-    Gesprächs darin einig, dass das Instrument häufi-      serung, sondern schafft bei Bürgern und Verbän-
sparnis von eineinhalb Jahren bringen. Auch der      ger eingesetzt werden sollte. Hendrik Wüst wies        den eher Verwirrung und kostet wertvolle Zeit.“ !

     Kommentar:
                                                                                                                               Hans-Peter Langer
     Schluss mit maximaler Verzögerung!
  Man kann es kaum noch hören: Hätten die            frastrukturprojekt die politische                                     vor verfassungs- oder europa-
  Chinesen doch bloß ihren neuen Hauptstadt-         Rückendeckung entziehen. Genau                                       rechtlichen Problemen warnen.
  flughafen nicht so schnell gebaut! Der schlep-     diese „Zweckentfremdung“ gerichtli-                               Dies bedarf einer rechtlichen Prü-
  pende Bau von Infrastruktur in Deutschland         cher Verfahren soll künftig ausgeschlossen                  fung. Stattdessen aber wird der Ansatz
  wirkt umso beschämender. Dabei hat es viele        werden. Deshalb sah der ursprüngliche Entwurf          aus Sorge um die Verärgerung von Umwelt-
  Gründe, weshalb im Land der Dichter und In-        eines neuen Gesetzes zur Beschleunigung von            lobbyisten „weggedealt“. Mehr „Nebeltep-
  genieure nicht schnell genug gebaut wird.          Planungs- und Genehmigungsverfahren aus                pich“ als Mut äußert sich hierin. Wer mehr
  Einer davon sind Gerichtsverfahren, die sich       dem Bundesverkehrsministerium eine soge-               Tempo beim Ausbau von Infrastruktur machen
  über mehrere Instanzen und Jahre, wenn nicht       nannte „Präklusionsklausel“ vor: Sie nimmt Um-         will, der sollte auch bereit sein, nicht alles als
  Jahrzehnte, hinziehen. Man muss sich nichts        weltverbänden die Möglichkeiten, zu einem              gegeben hinzunehmen, sondern den beste-
  vormachen: In manchen Fällen, nicht in allen,      späten Zeitpunkt Belange gegen Projekte gel-           henden Gesetzesrahmen kritisch zu hinterfra-
  sind die komplizierten Verfahren für klagende      tend zu machen, auf die sie schon vorher im Ver-       gen. Das schließt auch ein, gegebenenfalls
  Verbände ein willkommenes Instrument, tak-         waltungsverfahren hinweisen konnten. Das wür-          europarechtliche Rahmenbedingungen bis hin
  tisch auf Zeit zu spielen. Ziel ist dabei nicht,   de aus Sicht von Experten sehr effektiv dazu           zur „Aarhus-Konvention“ neu anzufassen.
  dem Gericht zu einer sachgerechten Beurtei-        beitragen, die Dauer von Großprojekten um              Dieses vor mehr als 20 Jahren von der Wirt-
  lung bei der Frage eines Neu- oder Ausbaus         mehrere Jahre zu verkürzen. Davon will die Bun-        schaftskommission für Europa unterzeichnete
  von Infrastruktur zu verhelfen, sondern das        desregierung aber aktuell nichts mehr wissen:          Übereinkommen macht bestimmte Vorgaben
  Verfahren maximal zu verzögern. Im Zweifels-       Im überarbeiteten Entwurf fehlt die Präklusions-       zur Öffentlichkeitsbeteiligung sowie zur Ge-
  fall so lange, bis neue Fakten geschaffen wer-     klausel, die, auch wenn das niemand so aus-            währung des Zugangs zu Informationen und
  den, die eine Umsetzung des Infrastrukturvor-      drücklich bestätigen möchte, ziemlich offen-           zu Gerichten bei Umweltbelangen. In jedem
  habens zusätzlich erschweren oder gar              sichtlich einem faulen Handel mit dem                  Fall ist der Bundesrat, der sich mit dem Be-
  unmöglich machen. Das können neue gesetz-          Bundesumweltministerium zum Opfer fiel. Si-            schleunigungsgesetz auseinandersetzen wird,
  liche Vorgaben ebenso sein wie neue Regie-         cher: Anders als bei der Instanzenverkürzung           mehr als gut beraten, neu über die Präklusion
  rungskonstellationen, die dem geplanten In-        gibt es zur Präklusionsklausel auch Stimmen, die       nachzudenken.
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