WOHNEN FÜR ALLE Gestern, heute, morgen - ABG FRANKFURT HOLDING
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Herausgeberin ABG FRANKFURT HOLDING Wohnungsbau- und Beteiligungsgesellschaft mbH Niddastraße 107 60329 Frankfurt am Main Texte Dr. Andrea Lehr 125 Jahre Gestaltung ABG FRANKFURT HOLDING Alexander Noller Redaktion Roland Frischkorn | Christiane Krämer | Inmaculada Peréz-Senso Copyright © 2016, Frankfurt am Main 2|2
GRUSSWORT DER GESCHÄFTSFÜHRUNG Sehr geehrte Damen und Herren, Wohnen ist ein beständiges Bedürfnis. Die Um- Wandel gibt es nicht zum Nulltarif. Darum rein- stände, unter denen die Menschen wohnen, sind vestieren wir, was wir erwirtschaften. Wir müs- es nicht. Entstanden sind die städtischen Woh- sen unsere Wohnungen zukunftsfähig halten. Der nungsunternehmen in Zeiten drangvoller Woh- Rückblick ist Ansporn, unseren Weg des Planens nungsnot. Diese ist heute behoben und doch ist und Bauens fortzusetzen: Mit unseren Mieterin- es eng auf dem Frankfurter Wohnungsmarkt. Die nen und Mietern, für unsere Mieterinnen und Bedürfnisse wandeln sich. So empfinden wir heute Mieter und für unsere Stadt Frankfurt am Main. Wohnungen aus den Gründerjahren oder der Wie- deraufbauzeit als klein. Wo sich früher Familien zu Wie sich dieser Wandel in Frankfurt vollzogen hat, 5 Hause fühlten, leben heute oft nur ein oder zwei zeigt diese Jubiläumsschrift mit Streiflichtern auf Personen. die Geschichte unseres Unternehmens, zugleich auch ein Stück Frankfurter Stadtgeschichte. Wenn Wohnungsunternehmen ihre Aufgaben über 100 Jahre, genauer gesagt 125 Jahre erfüllen, dann Es wird deutlich, die ABG ruht sich nicht auf Er- nicht, weil Menschen sowieso immer ein Dach über reichtem aus. Sie entwickelt sich weiter, auch in dem Kopf brauchen. Wohnraum zum Wohlfühlen ihren Organisationsstrukturen. Der Bezug der ist nichts beständiges; auch wenn Häuser leicht 50 Konzernzentrale, in dem zentrale Dienste in der oder 100 Jahre alt werden. Gerade beim Wohnen Niddastraße zusammengefasst wurden, ist ein gilt: Beständig ist nur der Wandel. Weil wir Schritt wichtiger Baustein im Interesse der veränderten gehalten haben mit den veränderten Bedürfnissen Bedürfnisse der Mieterinnen und Mieter die Woh- und Möglichkeiten unserer Mieterinnen und Mie- nungsgesellschaft zukunftsfähig zu halten, ihre ter, weil die Unternehmen nicht nur „verwalten“, Strukturen anzupassen und immer wieder zu ver- sondern planend und bauend gestaltet haben, weil bessern. sie offen sind gegenüber den Menschen – nur da- rum gibt es die ABG FRANKFURT HOLDING. Ihr Ralf Hübner, Geschäftsführer, und Frank Junker, Vorsitzender der Geschäftsführung. Frank Junker Ralf Hübner Vorsitzender Geschäftsführer der Geschäftsführung 4|4
INHALT Vorwort 4 Die ABG im Jubiläumsjahr 2015 8 Die ABG auf neuem Kurs 14 Wegfall der Gemeinnützigkeit 19 Konsolidieren, Sanieren, Bauen 23 Die soziale Frage 25 Agieren für das Wohl der Stadt 30 Das Gallus blüht auf 37 Niederrad – Wandel der Bürostadt 41 Architekten und Ingenieure 45 Neue Zeiten in der Heinrich-Lübke-Siedlung 53 Volle Fahrt voraus nach Offenbach 57 Auch bei der WOHNHEIM tut sich Neues 59 Wachsen des Kulturcampus 65 Alltag der Energiewende 72 Frankfurt als Passivhaushauptstadt 77 Carsharing, eine echte Alternative 81 Energetische Sanierungen – konfektioniert 83 Mieterstrom aus dem Keller 85 Stromrechnung ade 87 Green Building-Award – nachhaltig ästhetisch 89 Ressource Abwasser 91 Flaggschiff Speicherstraße 93 Wichtiger als ein Schlusswort 100 6|6
D er beachtliche Bevölkerungsanstieg Industriebauten nachempfundene Backsteinhäu- jedoch enge Grenzen gesetzt, da das Frankfurter sollte dazu dienen herauszufinden, ob sich durch die DIE ABG IM JUBILÄUMSJAHR 2015 innerhalb der letzten hundert Jahre ser, Siedlungen des Neuen Bauens, Wohnquartiere Stadtgebiet lediglich 248 Quadratkilometer um- neuartige Bauweise die Nebenkosten deutlich sen- fand fast ausschließlich in den Ent- in allen Facetten der Nachkriegszeit, die früheren fasst. Aus diesem Grund wagt die ABG mittlerweile ken lassen, und zwar ohne exorbitante Baukosten wicklungsländern statt, während viele US-Housings, zahlreiche Projekte in Neubau- und wieder den Schritt über die Grenzen Frankfurts hi- und ohne Einbußen beim Wohnkomfort. Das Ex- Metropolen in den Industrieländern schrumpf- Konversionsgebieten sowie ehemals städtische Lie- naus. Auf der Hafeninsel und auf dem ehemaligen periment gelang, und die ABG begann, sowohl beim ten und noch weiter schrumpfen werden, auch genschaften, zum Beispiel das älteste Fachwerkhaus MAN-Roland-Gelände im unmittelbar benachbar- Neubau als auch bei Sanierungen im Bestand mehr in Deutschland. Für Frankfurt am Main aller- Frankfurts in der Schellgasse 8 in Sachsenhausen, ten Offenbach, im nördlich gelegenen Friedberg, und mehr auf den Passivhausstandard zu setzen. dings ist mit einem Bevölkerungsanstieg bis errichtet von 1291 bis 1292, und das Greiffenclau- im an Unterliederbach angrenzenden Sulzbach, in Heute ist sie die Passivhaus-Macherin schlechthin. 2020 auf etwa 725.000 Einwohner zu rechnen. sche Haus, ein Ende des 16. Jahrhunderts entstande- den südlichen Nachbargemeinden Mörfelden und Im Jahr 2007 erschien der vierte Sachstands- Dieses Wachstum bringt in Frankfurt wie überall ner, eindrucksvoller Renaissancebau in Höchst. Es Neu-Isenburg bietet die ABG moderne Wohnungen bericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für auf der Welt neue Herausforderungen mit sich: gibt spezielle Wohnangebote für Seniorinnen und an. In Frage kommen für weitere Neubauprojekte Klimaänderung (IPCC), der weltweit für Aufre- Wirtschaftswachstum und wirtschaftlicher Wan- Senioren und für Studierende, hinzu kommen Kin- alle Gemeinden rund um Frankfurt am Main, die gung sorgte, da er eine dramatische Entwicklung del, Wahrung und Steigerung von Lebensqua- dertagesstätten, soziale Einrichtungen, Parkhäuser, mit der S-Bahn vom Zentrum aus in 45 Minuten zu der CO2-Emissionen und einen dadurch bedingten lität, das Erreichen von Klimaschutzzielen, die Polizeireviere, Gewerbeobjekte und Bürgerhäuser. erreichen sind. Temperaturanstieg um durchschnittlich zwei Grad Bekämpfung von Armut, Ausgrenzung, Benach- Celsius im Laufe von hundert Jahren prognosti- 11 teiligung und ein ausreichendes, zeitgemäßes Frankfurt am Main ist keine einsame Insel, son- Seit ihren Anfängen geht es der ABG FRANK- zierte. Zwar hatte sich die Stadt Frankfurt am Main Wohnungsangebot.. dern Teil und Zentrum der Metropolregion Frank- FURT HOLDING insbesondere darum, einen we- schon seit längerem mit dem Thema „Klimaschutz“ Der letztgenannten Aufgabe verschreibt sich die furt/Rhein-Main. Tagsüber zählt die Stadt fast sentlichen Beitrag zur Versorgung der Frankfurter beschäftigt und beispielsweise das Klima-Bündnis ABG FRANKFURT HOLDING seit mittlerweile eine Million Menschen. Rund 260.000 Menschen Bevölkerung mit Wohnraum sowie zur Stadt- und europäischer Städte im Jahr 1990 mitgegründet, mehr als 125 Jahren. Das Programm der ABG heißt strömen werktags zusätzlich in die Stadt, um hier Quartiersentwicklung zu leisten. Vor rund fünfzehn doch erst jetzt rückte die dringende Notwendig- „Wohnen für alle“. Mit annähernd 51.000 Wohnun- zu arbeiten und sich zu versorgen. Hinzu kommt, Jahren kam eine neue Aufgabe hinzu, die vieles ver- keit von Energieeffizienz und CO2-Einsparungen gen, davon rund 32,5 Prozent mit Mietpreis- und dass seit geraumer Zeit jährlich deutlich mehr änderte. Angesichts von immer weiter steigenden in das Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit Belegungsbindung, bietet der Wohnungs- und Im- Menschen neu hinzuziehen als aus Frankfurt weg- Nebenkosten, insbesondere für die Heizung, die und des politischen Agierens. Zu diesem Zeitpunkt mobilienkonzern der Stadt Frankfurt am Main fast ziehen. Im ersten Halbjahr 2015 war alleine durch sich zur „zweiten Miete“ auswuchsen, fiel im Un- hatte sich die ABG FRANKFURT HOLDING Ener- einem Viertel der Frankfurter Bevölkerung ein Zu- diese Wanderungsbewegungen ein Bevölkerungs- ternehmen die Entscheidung, in der Bockenheimer gieeffizienz und Klimaschutz schon längst auf die hause. Zu dem über das gesamte Stadtgebiet verteil- zuwachs von über 8.000 Menschen zu verzeichnen. Grempstraße erstmals ein Wohngebäude im Pas- Fahnen geschrieben, all ihre Neubauten entstanden ten Wohnungsbestand zählen Gartenstadtanlagen, Dem Wachstum innerhalb der Stadtgrenzen sind sivhausstandard zu errichten. Dieses Pilotprojekt nur noch in Passivhaus-Bauweise, bereits über 2.500 100 Jahre ABG: 1890 - 1990 Die Gesell- schaft stellt Der erste „Erbaublock“ „Gegenstand des Gesellschaftsunternehmens ihre ersten an der Burg- Wohnhäuser straße wird ist der Bau oder die Herrichtung von Häusern Gründung der vollendet in der Burg- Aktienbau- mit kleinen Wohnungen, sowie der Erwerb des straße vor Ernst Mays „Zickzack- ABG stellt die „Römer- gesellschaft Die ABG errichtet den 1201 Familien mit ABG kämpft mit hausen“ entsteht in der stadt“ im Norden hierzu nöthigen Grundes und Bodens und die für kleine Woh- Gallusblock an der 5725 Angehörigen sind Schulden und wird Bruchfeldstraße Frankfurts fertig nungen Mainzer Landstraße Mieter bei der ABG städtische Gesellschaft Vermiethung solchergestalt geschaffenen Woh- nungen an Unbemittelte zu billigen Preisen.“ 1890 1898 1903 1910 1923 1926 1928 Van Gogh malt seine Eintracht Frankfurt Die Titanic sinkt nach „Kleiner Frieden“ zu Einstein veröffentlicht Fritz Lang beeindruckt Al Capone verurteilt: 10 | 10 zwölf Sonnenblumen wird gegründet Kollision mit Eisberg Weihnachten in Mesen die Relativitätstheorie die Filmwelt Steuerhinterziehung
Wohnungen sind es bis heute. Die Stadt Frankfurt „Bauen für ein neues Leben. Hundert Jahre Akti- bau AG, FAAG TECHNIK GmbH und SAALBAU Programme auf der Bühne verfolgten, mitsangen DIE ABG IM JUBILÄUMSJAHR 2015 nahm sich dies zum Vorbild; im Herbst 2007 be- enbaugesellschaft“ an. Sie lässt die zurückliegenden Ende Dezember 2014 in die neue, gemeinsame oder –tanzten und die vielgestaltigen Angebote schloss die Stadtverordnetenversammlung, dass 25 Jahre mit der Abschaffung der Gemeinnützigkeit Konzernzentrale in der Niddastraße 107 umgezo- der aufgebauten Stände genossen. Die gute Laune alle städtischen Neubauten künftig im Passivhaus- für Wohnungsunternehmen, der als dringlich ein- gen. Der sechsgeschossige Neubau befindet sich in der Festteilnehmerinnen und –teilnehmer konnten standard errichtet werden sollen. Frankfurt wurde gestuften Modernisierung des Wohnungsbestandes, unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof und bietet auch die Störaktionen einzelner Gruppierungen, die zur Passivhaushauptstadt. der Hinwendung zu Energieeffizienz, der Ankur- rund 12.400 Quadratmeter Bürofläche. Verändert gegen die Mietpreisgestaltung und Nachverdich- belung des Wohnungsneubaus und der Auseinan- hat sich jedoch durch den Umzug, zumindest pro- tungsmaßnahmen der ABG FRANKFURT HOL- Die Bemühungen der ABG um den Klimaschutz dersetzung mit der nach wie vor aktuellen sozialen grammatisch, wenig. Neuer Standort, bewährtes DING protestierten, nicht trüben. sind nicht beim Passivhaus stehengeblieben. In der Frage Revue passieren. Programm. Diese Losung hat Frank Junker als Vor- Speicherstraße entstand eines der innovativsten sitzender der Geschäftsführung ausgegeben. Die ABG FRANKFURT HOLDING wird sich Geschosswohngebäude Europas, das Aktiv-Stadt- Ein wesentlicher Unterschied zu früheren Zei- weiterhin im Spannungsfeld zwischen sozialer haus. Es ist als Energieplus-Gebäude konzipiert, das ten ist die Neudimensionierung des Unternehmens, Im Jubiläumsjahr 2015 hat die ABG FRANK- Verantwortung, städtebaulichen Aufgaben, Klima- mehr Energie erzeugt als seine Bewohnerinnen und das heute das Dach einer Holding nutzt, um zahl- FURT HOLDING ihr 125-jähriges Bestehen auf schutzzielen und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit Bewohner verbrauchen. Daneben setzt das Unter- reiche für die Daseinsvorsorge wichtige Dienstleis- drei Festen gemeinsam mit den Mieterinnen und bewegen und dabei auf einen fairen Interessen- nehmen auch auf hocheffiziente Blockheizkraftwer- tungen anzubieten. Zu dem Unternehmen gehören Mietern, sozialen Trägern und anderen Kooperati- ausgleich und ein Handeln mit Augenmaß achten. 13 ke, auf Wärmerückgewinnung aus Abwässern und die Frankfurter Aufbau AG, die FAAG TECHNIK onspartnern sowie Vertreterinnen und Vertretern Dennoch werden die anstehenden Aufgaben und auf erneuerbare Energien wie Photovoltaik, Solart- GmbH, die Parkhaus Betriebsgesellschaft GmbH, der Stadtpolitik gefeiert. Den Anfang machte im immer wieder auftretende Zielkonflikte sicherlich hermie und Geothermie. Im Jahr 2009 gründeten die HELLERHOF GmbH, die WOHNHEIM Mai das Mieterfest in der Siedlung Im Mainfeld auch in Zukunft zu ebenso engagierten wie kontro- die ABG und die MAINOVA AG das gemeinsame GmbH, die MIBAU GmbH und die SAALBAU Be- in Niederrad. Im Juli folgte das zweite Jubiläums- versen Debatten über den richtigen Weg, die richti- Tochterunternehmen ABGnova, um so ihre Kom- triebsgesellschaft mbH. Darüber hinaus gibt es Be- fest, dieses Mal in der Platensiedlung in Ginnheim. gen Entscheidungen führen – innerhalb der Frank- petenzen in den Bereichen des energieeffizienten teiligungen an zahlreichen weiteren Gesellschaften, Das zweitägige Straßenfest auf der Frankenallee im furter Stadtgesellschaft und darüber hinaus. Bauens und der erneuerbaren Energien zu bündeln. in denen die ABG mit externen Partnern in und um Gallus bildete den Abschluss der Festivitäten. Ob- Frankfurt Immobilienprojekte entwickelt. Auch wohl sich das Wetter zuweilen sehr launisch zeigte Die vorliegende Publikation zur neueren Unter- Carsharing zählt über die Beteiligung an book-n- und nicht nur mit Sonnenschein, sondern auch mit Frankfurt am Main, im Mai 2016 nehmensgeschichte der ABG FRANKFURT HOL- drive zum Angebot des Unternehmens. Außerdem Stürmen und heftigen Gewitterschauern aufwarte- DING knüpft unmittelbar an das von Wilfried Ehr- ist die ABG FRANKFURT HOLDING gemeinsam te, fanden sich zahlreiche Besucherinnen und Be- lich zum 100. Geburtstag der ABG verfasste Buch mit ihren Tochtergesellschaften Frankfurter Auf- sucher ein, die gespannt die abwechslungsreichen Große Teile Frank- furts werden bei Bombenangriffen zerstört. Auch die ABG verliert viele Häuser. ABG baut 1300 der über 6000 Der Bau der Heinrich-Lübke- Sanierungsbedarf vielerorts in Sozialer Wohnungsbau Aus der AG für kleine In der Grempstraße Wiederaufbau der Friedrich- Die PBG eröffnet das erste Park- Wohnungen in der Nordwest- Siedlung in Praunheim bedeu- Frankfurt macht ein Umden- - neuer Stil am Rott- Wohnungen wird die ABG beginnt 2002 die Ära Ebert-Siedlung im Gallus haus an der Hauptwache stadt in Frankfurt. tete günstiger Wohnraum ken der ABG notwendig weiler Platz im Gutleut FRANKFURT HOLDING des Passivhauses 1940 1944 1950 1960 1970 1980 1990 Das „Wunder von Bern“ 12 | 12 Carmina Burana in Bogart schaut in Ingrid - Deutschland wird Marilyn Monroe Beate Uhse eröffnet den Bundeskanzler Brandts Der „King“ stirbt im Aktivisten gegen ge- Deutschland feiert die Frankfurt uraufgeführt Bergmans Augen Fußball-Weltmeister heiratet Arthur Miller ersten Sexshop der Welt Kniefall in Warschau Alter von 43 Jahren plante Startbahn West Wiedervereinigung
U m die ABG stand es zu Beginn der und 2013 vom Aufsichtsrat des Konzerns als zwei- DIE ABG AUF NEUEM KURS 1990er Jahre nicht gut. Unter den fünf ter Mann berufen worden. «Es musste unbedingt städtischen Wohnungsgesellschaften etwas passieren», schildern Junker und Hübner in Frankfurt am Main machte allein die die damalige Situation. Denn eines sei klar gewe- Frankfurter Aufbau AG Gewinne, die anderen sen: So könne es nicht weitergehen. Überall in der hielten sich notdürftig und unter Verzicht auf Stadt hätten sich die Gebäude aus dem Bestand des dringend notwendige Sanierungen über Wasser. Unternehmens schon von weitem ob ihrer mar- Der Zustand ihrer Wohnungen war katastrophal. oden Erscheinung als solche ausmachen lassen. Die ABG stand nicht in gutem Ruf, gemeinhin «Die Frankfurter wussten, wenn es irgendwo in der galten Objekte des Unternehmens bereits aus Stadt Wohnungen und Häuser aus der ersten Hälf- der Ferne als scheußlich anzusehen. te des 20. Jahrhunderts gab, die besonders schäbig Im Gespräch erinnern sich die Geschäftsführer der daherkamen, gehörten sie zum Bestand der ABG.» gegenwärtigen ABG FRANKFURT HOLDING, Ohnehin war das Image der Wohnungsbaugesell- Frank Junker und Ralf Hübner, nur zu gut an die- schaften im Allgemeinen nach dem Skandal um se Zeit zurück. Frank Junker, Jurist, Jahrgang 1957, die Neue Heimat angeschlagen. Im Jahr 1963 hatte 17 verantwortet seit 1991 die Unternehmensführung, Albert Vietor die Leitung des gewerkschaftseige- ist heute Vorsitzender der Geschäftsführung der nen Baukonzerns «Neue Heimat» übernommen, ABG FRANKFURT HOLDING. Für Junker be- der bereits damals über einen Bestand von 200.000 gann mit dem Einstieg in die ABG «ein erhebliches Wohnungen verfügte und international agierte. Stück meiner Lebensgeschichte». Sein Kollege im Gemeinsam mit anderen Managern gründete der Führungsgremium ist Ralf Hübner, ebenfalls Jahr- Vorstandsvorsitzende der Neuen Heimat Tarnfir- gang 1957, Volkswirt, seit 1990 im Unternehmen men, um sich finanzielle Vorteile zu verschaffen. Die maroden Wohnungen aus dem Bestand Ende der 1980er Jahre bescherten der ABG keinen guten Ruf in Frankfurt. Vor allem die Hellerhofsiedlung im Stadtteil Gallus war dringend sanierungsbedürftig. 16 | 16
Im Februar 1982 erschien ein Bericht im Spiegel, So kam zu Beginn der 90er Jahre eins zum ande- Wegfall der G emeinnüt zigkeit DIE ABG AUF NEUEM KURS der aufdeckte, dass sich mehrere Vorstandsmitglie- ren, kein Silberstreifen war am Horizont zu erah- der unter der Führung von Albert Vietor persön- nen. Die ABG stand wirtschaftlich schlecht da, lich bereichert hatten. Eine Woche später entließ der Aufsichtsrat unter dem DGB-Vorsitzenden Heinz Oskar Vetter die Betroffenen. In den wei- die Substanz war oft marode, die Mieterinnen und Mieter unzufrieden und zudem beabsichtigte die Bundesregierung, bestärkt durch die Vorgänge Ü ber Jahrzehnte waren gemeinnützige Woh- nungsunternehmen in ihren Betätigungsfel- dern stark eingeschränkt und durften für ihre woh- Idee der Wohnungsgemeinnützigkeit, über viele Jahrzehnte politischer und gesellschaftlicher Kon- sens, begann zu bröckeln und der Skandal um die teren Untersuchungen stellte sich eine erhebliche bei der Neuen Heimat, die Gemeinnützigkeit von nungswirtschaftlichen Leistungen keinen höheren Neue-Heimat-Gruppe versetzte ihr den Todesstoß. Verschuldung des Konzerns heraus. Anfang 1983 Wohnungsunternehmen abzuschaffen. Preis beanspruchen als den, der zur Deckung der Am 10. März 1988 ist für manchen Abgeord- veröffentlichte der Konzern Auszüge aus einem un- Kosten und laufenden Aufwendungen notwendig neten des Deutschen Bundestags die bundesrepu- abhängigen Gutachten der Wirtschaftsprüfungsge- war. blikanische Ordnung der Nachkriegszeit zu Ende sellschaft «Treuarbeit», aus dem hervorging, dass Sie waren verpflichtet, ihre Geschäftsaktivitä- gegangen. Geradezu erbittert stritten sich Parla- der ehemalige Vorstandschef Albert Vietor durch ten an wohnungswirtschaftlichen Leistungen für mentarier von CDU/CSU und SPD über die mit der Privatgeschäfte dem Unternehmen einen Verlust breite Bevölkerungskreise sowie mittlere und nied- Steuerreform von Finanzminister Gerhard Stolten- von 105 Mio. D-Mark bereitet hatte. Ein schwe- rigere Einkommensschichten auszurichten, nicht berg geplante Abschaffung der Gemeinnützigkeit rer Schlag für den Wohnungsbau der öffentlichen an dem Zweck des wirtschaftlichen Gewinns. Als für Wohnungsunternehmen. Einwände gegen das 19 Hand. Ausgleich für diese Verpflichtungen waren die ge- neue Gesetz, das Stoltenberg als nicht unbedeuten- meinnützigen Wohnungsunternehmen von zahlrei- den Teil seiner Steuerreform verstand, fielen von- chen Steuern befreit, damit sie ihre Aufgaben trotz seiten der Gewerkschaften wie von der Wohnungs- der auferlegten Beschränkungen erfüllen konnten. lobby eher zurückhaltend aus. Im Parlament selbst Unter diesen gesetzlichen Rahmenbedingungen stritten sich Franz Müntefering (SPD) und der woh- leistete die gemeinnützige Wohnungswirtschaft in nungspolitische Sprecher der CDU, Herbert Kasny. der Bundesrepublik Deutschland einen erheblichen «Es geht bei diesem Aspekt des Steuerpakets darum, Die Sanierungsmaßnahmen in der Hellerhofsiedlung machten das Viertel wieder wohnlich und attraktiv. Beitrag zum Wiederaufbau nach dem zweiten Welt- dass der Bundesfinanzminister den gemeinnützigen krieg. In den 1980er Jahren jedoch schien die Woh- Wohnungsunternehmen und einem großen Teil nungsnot der Nachkriegszeit überwunden, es waren der Genossenschaften ihren Status nehmen will», sogar vermehrte Leerstände zu verzeichnen. Hinzu schimpfte Müntefering. «Das bedeutet, dass acht kam der Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung. Die Millionen Mieterinnen und Mieter in ihrem Mie- Mit Wirkung vom 1. Januar 1990 wurde das Woh- nungsgemeinnützigkeitsgesetz aufgehoben. Bislang steuerbefreite Unternehmen der Wohnungswirt- schaft sind seitdem uneingeschränkt steuerpflichtig. 18 | 18
terschutz sofort oder mittelfristig beschränkt wer- zial Schwachen, längst noch nicht gewährleistet, un- in ihrer hundertjährigen Geschichte nie so sehr in Neuordnung der ehemals gemeinnützigen Woh- DIE ABG AUF NEUEM KURS den. Das bedeutet, dass die Versorgung der sozial terstrich Müntefering. Dem trat Kasny entgegen. Er Gefahr wie in der Zeit, in der Ihre Genossen im Auf- nungsbaugesellschaften stand an. Schwachen in den großen Städten noch weniger als erinnerte daran, dass es die Absicht der Wohnungs- sichtsrat und Vorstand der Neuen Heimat 300.000 Frankfurts Stadtkämmerer Martin Grüber be- bisher gewährleistet ist.» Was Stoltenberg plane, sei baugesellschaften sei, ihren Bestand zu erhalten, Wohnungen an einen Bäcker namens Schiesser ver- auftragte die Wirtschaftsprüfer von der Treuarbeit ein Schlag gegen die Mieter. Was der Minister vor- zu modernisieren und ständig zu verbessern. Aber, schleudert haben.» mit einem Gutachten, das klären sollte, welche Aus- sehe, sei unverantwortlich gegenüber den Städten; diesen Hinweis konnte sich der CDU-Politiker par- Mit Wirkung vom 1. Januar 1990 wurde das wirkungen die Aufhebung des Wohnungsgemein- denn dort sei die Versorgung, insbesondere der so- tout nicht verkneifen, «die Gemeinnützigkeit war Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz aufgehoben. nützigkeitsgesetzes auf den Beteiligungsbesitz der Bislang steuerbefreite Unternehmen der Woh- Stadt Frankfurt am Main habe. Die Gutachter ka- nungswirtschaft sind seitdem uneingeschränkt men im Februar 1991 zu dem Ergebnis, dass in der steuerpflichtig. Der frühere Senator der Freien und steuerlichen Gewinnermittlung erhebliche Verluste Hansestadt Hamburg, Jürgen Steinert, der am 16. zu erwarten seien und schlugen eine umfassende Januar 1990 zum 100-jährigen Bestehen der ABG Umstrukturierung der Wohnungsgesellschaften eine Festrede hielt, stellte die Abschaffung der Ge- mit städtischer Beteiligung vor. Der Magistrat folgte meinnützigkeit in den Mittelpunkt seiner Ausfüh- diesem Vorschlag und gründete eine Holding-Ge- rungen. Er verwies in seiner Ansprache explizit sellschaft, in welche die Wohnungsunternehmen 21 darauf, dass dieses Gesetz kein Erbe der NS-Zeit mit städtischer Mehrheitsbeteiligung eingegliedert gewesen sei, das man hätte entsorgen müssen. «Sei- wurden. Sie trug den Namen «Frankfurt Holding ne wichtigsten Grundsätze und Regeln entstammen Gesellschaft für Beteiligungen mbH». Unter ihrem einer Notverordnung aus dem Jahre 1930 und ver- Dach versammelt waren die Frankfurter Aufbau weisen damit auf die Spätphase der Weimarer Repu- AG, die Aktienbaugesellschaft für kleine Wohnun- blik», also müsse man behutsam mit dem Abschied gen, die Aktiengesellschaft Hellerhof, die MIBAU von diesem Gesetz umgehen, und darauf habe er, Gemeinnützige AG für Mietwohnungsbau und die Steinert, bei der entsprechenden Anhörung im Bun- Gemeinnützige Gesellschaft für Wohnheime und destag auch hingewiesen, weil doch die Frage bliebe, Arbeiterwohnungen mbH. Erklärtes Ziel war, die «welchen Verhaltenskodex sich die nächste Mana- steuerlichen Gewinne der Frankfurter Aufbau AG ger-Generation zu eigen» machen werde. Verhäng- mit den Verlusten der anderen Gesellschaften zu nisvoll sei es in der Vergangenheit gewesen, aktive verrechnen und so wirtschaftliche und steuerliche Wohnungspolitik als überflüssig anzusehen, unter- Vorteile zu erlangen. strich Steinert bei dem Festakt. Auch der Magistrat der Stadt Frankfurt am Fünf Jahre nach ihrer Gründung erfolgte die Main bezog im Mai 1990 in einem Magistratsbe- Verschmelzung der Frankfurt Holding Gesellschaft richt mit deutlichen Worten Stellung. Er bedauer- für Beteiligungen mbH auf die Aktienbaugesell- te den Wegfall der Gemeinnützigkeit und erklärte, schaft für kleine Wohnungen und deren gleichzei- dass «offenkundig nicht alle Konsequenzen für die tige Umwandlung in eine GmbH. Seit dem 19. De- betroffenen Unternehmen und deren Wohnungsbe- zember 1996 firmiert die Gesellschaft unter ABG stände geklärt waren; so insbesondere steuerrecht- FRANKFURT HOLDING Wohnungsbau- und Be- liche und gesellschaftsrechtliche Probleme». Eine teiligungsgesellschaft mbH. Sitzung des Frankfurter Stadtparlamentes. 20 | 20
Konsolidieren, Sanieren, Bauen DIE ABG AUF NEUEM KURS B ereits ein Jahr nach Gründung konnte die Frankfurt Holding GmbH einen Gewinn in Höhe von 15,1 Millionen D-Mark vermelden und gesellschaft Hellerhof, die zusammen rund 5.800 der in dem Magistratsbericht genannten Wohnun- gen besaßen. übertraf damit alle Erwartungen. Kurz darauf begann die Modernisierung der ers- Die Einnahmen wurden vorwiegend für die ten 94 Wohnungen in der Hellerhofsiedlung. An den Eigenkapitalausstattung der Gesellschaften, für Kosten für die beiden denkmalgeschützten Häuser- Die Housing Aera in Wohnungsmodernisierungen und für den Kauf zeilen in der Lorsbacher und in der Langenhainer Ginnheim war Jahr- von Grundstücken verwendet. Beispielsweise kauf- Straße beteiligte sich die Holding mit 1,2 Millionen zehnte lang Heimat te die MIBAU GmbH für zwei Millionen D-Mark D-Mark, das Land mit 2 Millionen D-Mark und US-amerikanischer Sol- ein Grundstück an der Gießener Straße, um dort die Hellerhof AG mit 1,8 Millionen D-Mark. Ein daten und deren Famili- Studentenwohnungen zu bauen. Es zeichnete sich Jahr später wurden weitere Sanierungsprojekte in en, bis die ABG Anfang ab, dass der Verlust der Gemeinnützigkeit nicht Angriff genommen, darunter die Häuser der Ak- 23 der 1990er Jahre vom nur Fluch, sondern auch Segen war. Endlich ge- tienbaugesellschaft für kleine Wohnungen an der Bund einen Großteil der lang es den Wohnungsbauunternehmen unter dem Ludwig-Landmann-Straße in Praunheim, am En- Wohnungen erwarb und Dach der Holding, sich finanziell zu konsolidieren gelsplatz im Riederwald und in der Cordierstraße sanierte. und eine solide Basis für dringend notwendige Sa- 51–61 im Gallus sowie die Häuser der Hellerhof AG nierungen und für Neubauprojekte zu schaffen. in der Hornauer und der Kelkheimer Straße. Der Sanierungsbedarf insbesondere in den Sied- Mit dem Abzug der US-amerikanischen Stati- lungen aus der Ernst-May-Ära war nichtsdestotrotz onierungsstreitkräfte konnten in Frankfurt 33 Lie- erheblich und für die Wohnungsbaugesellschaften genschaften mit einer Gesamtfläche von über 220 mit großen Beständen aus dieser Zeit nicht alleine Hektar einer zivilen Nutzung zugeführt werden. zu stemmen. Ein Magistratsbericht aus dem Jahr Die ABG FRANKFURT HOLDING erwarb Mitte 1993 ging von 9.900 Wohnungen in neunzehn Sied- der 1990er Jahre 1.569 Wohnungen vom Bund, die lungen aus, die «vordringlich» oder «dringend» zu meisten davon in den Housing Areas Platenstra- sanieren seien und bezifferte die zu erwartenden ße, Hügelstraße und Friedrich-Wilhelm-von-Steu- Kosten auf 675 Millionen D-Mark. Die Frankfurt ben-Siedlung in Ginnheim. Anschließend inves- Holding GmbH entwickelte deshalb das Konzept tierte die ABG FRANKFURT HOLDING 50.000 eines Finanzausgleichs unter den fünf beteiligten D-Mark pro Wohnung in die Sanierung dieser Unternehmen. Überschüsse von Gesellschaften Siedlungen in zentraler Lage. Waren die Angehöri- ohne nennenswerte Altbestände wurden über den gen der US-Armee, die ursprünglichen Bewohner, gemeinsamen Gewinntopf der Holding an Unter- weitgehend unter sich geblieben, so öffneten sich nehmen mit besonders hohem Sanierungsbedarf die Quartiere nach der Sanierung zum Stadtteil hin weitergeleitet. Letztgenannte waren die Aktienbau- und bieten heute gerade Familien mit Kindern gro- gesellschaft für kleine Wohnungen und die Aktien- ße Wohnungen mit attraktiven Zuschnitten. Finan- 22 | 22
ziert werden konnten die immensen Aufwendun- Als letztes großes Neubauprojekt vor dem Ver- Die soziale Frage DIE ABG AUF NEUEM KURS gen zur Sanierung der US-Wohnungen nur durch lust der Gemeinnützigkeit hatte die AG für kleine den Verkauf von rund 2.300 Wohnungen des Un- Wohnungen den Bau von 228 öffentlich geförder- ternehmens außerhalb Frankfurts und durch die zusätzliche Aufnahme von Kapitalmarktmitteln. ten Wohnungen in der Anspacher Straße im Gal- lus auf den Weg gebracht. Auf diesem Areal befand sich ehemals eine in der Ernst-May-Ära erbaute und M it den Wohnungsbeständen im ABG-Konzern ging es seit dem Ende der Gemeinnützigkeit quantitativ und qualitativ immer weiter bergauf. baus verlängert und zahlreiche, über den Gesamt- bestand verstreute freifinanzierte Wohnungen der Stadt Frankfurt am Main zum Belegungsankauf damals als ungemein fortschrittlich geltende Über- Doch war in den leidenschaftlichen Debatten um angeboten. 939 Wohnungen waren es Ende 2015. gangssiedlung für Wohnsitzlose. 1982 wurde sie für das Pro und Contra der Gemeinnützigkeit auch Insbesondere in den ehemaligen US-Siedlungen den Bau einer Umgehungsstraße abgerissen. Die so- nie angezweifelt worden, dass die ehemals ge- mit ihren großen, familienfreundlichen Wohnun- genannte «Westtangente» wurde jedoch nie gebaut, meinnützigen Wohnungsunternehmen nun ihre gen setzt die ABG FRANKFURT HOLDING kon- so konnten neue, öffentlich geförderte Wohnungen Einnahmesituation verbessern und verstärkt in sequent auf Bindungsverlängerungen. «Die ABG entstehen, die 1994 bezugsfertig waren. Danach trat Sanierungs- und Neubaumaßnahmen investieren wird in den kommenden beiden Jahren bei 1.447 die Neubautätigkeit im Konzern für zehn Jahre zu- könnten. ansonsten wegfallenden Sozialwohnungen die Bele- gunsten der längst überfälligen Bestandssanierun- Im Fokus der Debatten standen vielmehr die gungsbindung verlängern», kündigten Bürgermeis- gen in den Hintergrund. Erst im Jahr 2004 wurde Mieterinnen und Mieter und die Frage, ob die ter Olaf Cunitz und ABG-Geschäftsführer Frank 25 der Wohnungsbau wieder angekurbelt. Neben eini- Wohnungsbaugesellschaften auch ohne die durch Junker im Dezember 2015 an. Zudem wird die ABG gen kleineren Projekten entstanden zwei Neubauten die Gemeinnützigkeit auferlegten Beschränkungen in diesem Zeitraum 737 neue geförderte Wohnun- mit je 160 Wohnungen im Karree Volta-, Ohm-, weiter ihrem sozialen Auftrag nachkommen und gen errichten, so dass erstmals seit langem die Zahl Galvanistraße in Bockenheim und im Frankfurter insbesondere Wohnraum für Menschen mit gerin- der geförderten Wohnungen wieder ansteigt. «Auf Bogen in Preungesheim. Weitere Projekte, zum Bei- gem Einkommen zur Verfügung stellen würden. diese Weise kommt die ABG umfassend ihrem so- spiel 2006 der Sophienhof in Bockenheim, folgten. Für die ABG FRANKFURT HOLDING ist zialen Auftrag nach, bezahlbaren Wohnraum zur Aktuell plant die ABG, in Frankfurt und im Frank- festzuhalten, dass «eine sichere und sozial verant- Verfügung zu stellen, und erweitert den Wohnungs- furter Umland bis 2020 rund 6.600 neue Wohnun- wortbare Wohnungsversorgung der breiten Schich- bestand im geförderten Bereich», so Frank Junker. gen mit einer Investitionssumme von über zwei ten der Bevölkerung» als Unternehmenszweck im Um den neuen Gegebenheiten nach Wegfall Neubau in der Anspacher Straße. Milliarden Euro zu errichten, davon 38 Prozent ge- Gesellschaftervertrag festgeschrieben ist und sie der Gemeinnützigkeit Rechnung zu tragen, wurde förderter Wohnungsbau. ihr Motto «Wohnen für alle» immer wieder aufs im Jahr 1994 der Frankfurter Vertrag, der das Zu- Der Sophienhof im Stadtteil Bockenheim. Neue mit Leben erfüllt. Nach wie vor spielt der sammenspiel von Wohnungsunternehmen und dem soziale Wohnungsbau eine entscheidende Rolle. Amt für Wohnungswesen regelt, an entscheidenden Insgesamt sind rund ein Drittel der Wohnungen Stellen geändert. Bis dato war allein die kommuna- im ABG-Konzern öffentlich gefördert, 3.000 da- le Vermittlungsstelle im Amt für Wohnungswesen von sind Seniorenwohnungen. Umgekehrt gesagt: für die Registrierung und Vermittlung von Woh- Knapp die Hälfte des Sozialwohnungsbestandes in nungsbewerberinnen und -bewerbern zuständig, Frankfurt gehört dem ABG-Konzern. Rund 38 Pro- künftig sollte für die freifinanzierten, darunter auch zent ihres Wohnungsneubaus realisiert die ABG in die nicht mehr öffentlich geförderten Wohnungen Form von öffentlich geförderten Wohnungen. Im die ABG selbst diese Aufgabe übernehmen. Am 1. Bestand werden die Mietpreis- und Belegungsbin- Juli 1996 war es soweit, die Vermittlungsstelle des dungen ganzer Siedlungen des sozialen Wohnungs- Konzerns nahm ihre Arbeit auf. Bereits nach sechs 24 | 24
Monaten hatte die Vermittlungsstelle rund 4.000 und freiwillige Abschläge zum Mietspiegel, insbe- Konzern das Geschäftsjahr 2015 mit einem Jah- und -partner im Konzern haben. Außerdem rückte DIE ABG AUF NEUEM KURS Bewerberinnen und Bewerber registriert und 500 sondere mit Blick auf die Lagezuschläge, entschei- resüberschuss von 90,6 Millionen Euro und einer die ABG wortwörtlich näher an ihre Mieterinnen Wohnungen vergeben. Die Arbeitsteilung zwischen dend bei. Das erwünschte Resultat ist, dass viele Bilanzsumme von 2,148 Milliarden Euro ab. Der und Mieter heran. Die Wohnungsbestände wurden dem Amt für Wohnungswesen und dem ABG-Kon- Menschen, die Anspruch auf eine Sozialwohnung Konzern setzte damit die positive wirtschaftliche nach räumlichen Gesichtspunkten aufgeteilt und zern besteht noch heute und hat sich bewährt. hätten, in freifinanzierte Wohnungen einziehen, Entwicklung der vergangenen zwei Jahrzehnte fort den drei neu gegründeten Servicecentern Mitte, Der neu gefasste Frankfurter Vertrag empfahl über 2.000 Haushalte waren es 2015. «Die ABG und erreichte im Vergleich zum Vorjahr 22,4 Milli- Nord und Ost zugeordnet. Im Jahr 2001 zog das allerdings auch, bei der Vergabe freifinanzierter FRANKFURT HOLDING ist ein Wirtschaftsunter- onen Euro mehr Jahresüberschuss. Damit wird die Servicecenter Nord von der Elbestraße in die Rö- Wohnungen ebenfalls Bewerbungen unterhalb der nehmen, das gleichzeitig einen sozialen Auftrag hat, Grundlage für das umfangreiche Investitionspro- merstadt und das Servicecenter Ost in die Löwen- Einkommensgrenzen des sozialen Wohnungsbaus dem sie auch nachkommt», wird ihr Geschäftsfüh- gramm für Neubauprojekte und ein reges Engage- gasse in Bornheim. Einzig das Servicecenter Mitte bevorzugt zu berücksichtigen. Dem kommt die rer Frank Junker nicht müde zu betonen. ment im öffentlich geförderten Segment geschaffen. verblieb in der Elbestraße. Wie einige Jahre zuvor ABG bis heute nach. Fast siebzig Prozent der frei- All dies ist Ausdruck dafür, dass die ABG ihren Gegen den bundesweiten Trend, sich aus dem für die MIBAU übernahm die ABG 2006 auch die finanzierten Wohnungen werden im Mieterwechsel im Gesellschaftervertrag verankerten Unterneh- sozialen Wohnungsbau zu verabschieden, setzt die Geschäftsbesorgung für die HELLERHOF GmbH. an Menschen mit geringem Einkommen vermietet. menszweck ernst nimmt. «Mit der ABG FRANK- ABG FRANKFURT HOLDING Akzente. «Wir Der dadurch vakant gewordene Firmensitz der Möglich ist dies vor allem deshalb, weil die Mieten FURT HOLDING lässt sich das wachsende Frank- stehen zu unserer sozialen Verantwortung für HELLERHOF GmbH in der Eppenhainer Straße im für freifinanzierte Wohnungen im ABG-Konzern furt sozialpolitisch und wohnungspolitisch steuern», die Frankfurter Stadtgesellschaft», unterstreicht Gallus wurde für ein neues Servicecenter West der 27 deutlich unter den in den Wohnungsmarktberich- konstatiert Oberbürgermeister Peter Feldmann. Er ABG-Geschäftsführer Frank Junker. Anders als ABG genutzt und die Bestände der HELLERHOF ten der IHK für Frankfurt am Main ausgewiese- ist Vorsitzender des ABG-Aufsichtsrates. «Das Un- Wohnungsbaugesellschaften in den meisten bun- GmbH unter den nun vier Servicecentern aufgeteilt. nen Werten liegen, so fielen sie beispielsweise 2014 ternehmen ist wirtschaftlich erfolgreich und steht desdeutschen Städten setze die ABG in Zeiten Jetzt hatten auch die Mieterinnen und Mieter von durchschnittlich 24,6 Prozent geringer aus. Zu einer zu seiner sozialen Verantwortung für Frankfurt, knapper Wohnungsangebote konsequent auf den ABG, MIBAU und HELLERHOF im Frankfurter maßvollen Mietpreisentwicklung im freifinanzier- das belegen die Zahlen.» Möglich ist dies jedoch sozialen Wohnungsbau. Die ABG FRANKFURT Westen Ansprechpartnerinnen und -partner in ih- ten Wohnungssegment tragen die Selbstverpflich- nur, weil sich die ABG FRANKFURT HOLDING HOLDING verliere ihre «soziale Verpflichtung» nie rer Nähe. tung der ABG, die gesetzliche Kappungsgrenze für im Laufe des zurückliegenden Vierteljahrhunderts aus den Augen, heben die Geschäftsführer Frank Der Anteil von Seniorinnen und Senioren und Mieterhöhung um fünf Prozent zu unterschreiten, sukzessiv Spielräume verschafft hat. So schloss der Junker und Ralf Hübner immer wieder hervor. behinderten Menschen an der Frankfurter Bevöl- Während bundesweit über den Rückzug aus dem kerung nimmt beständig zu. Für diese Mieterinnen sozialen Wohnungsbau geklagt werde, könne davon und Mieter hält der ABG-Konzern eine ganze Reihe bei der ABG keine Rede sein. zusätzlicher Serviceleistungen bereit. Gemeinsam Wohnen bedeutet für die ABG FRANKFURT mit dem Deutschen Roten Kreuz, Bezirksverband HOLDING jedoch weit mehr als nur ein Dach über Frankfurt, wurde ein umfangreiches Angebot ge- dem Kopf. Die Mieterinnen und Mieter sollen sich schaffen, das von der Unterstützung bei altersbe- bei «ihrer» Wohnungsbaugesellschaft auch gut auf- dingten Einschränkungen, bei Behinderung oder gehoben fühlen. Deshalb erfolgten im Jahr 2000 Krankheit bis hin zu Serviceleistungen für den All- weitreichende Umstrukturierungen im Konzern, tag und attraktiven Angeboten für die Freizeitgestal- eine größere Dienstleistungsorientierung und mehr tung und Gesundheitsvorsorge reicht. In Kooperati- Mieterservice waren das erklärte Ziel. Die Miete- on mit dem Deutschen Roten Kreuz, der ABGnova rinnen und Mieter sollten künftig für alle Belange und weiteren Firmen und Organisationen wurde rund um ihre Wohnung nur noch einige wenige, zudem ein Forschungsprojekt für altersgerechte As- konkret für sie zuständige Ansprechpartnerinnen sistenzsysteme gestartet. Außerdem unterstützen Bilanz- Pressekon- fenrez der ABG 2014. 26 | 26
wohnungsnahe Dienstleistungen aus. Kostenfreie DIE ABG AUF NEUEM KURS Unterstützung wird zum Beispiel angeboten beim Anschließen und Einrichten des Fernsehgerätes oder beim Ab- und Aufhängen von Gardinen. Wird eine Begleitung zum Arzt oder zu einer Behörde ge- wünscht, so ist dies bis zur Dauer von einer Stun- de kostenfrei, danach sind pro angefangene Stunde sechs Euro zu entrichten. Die angebotenen Hilfen zur Meisterung des All- tags in der eigenen Wohnung stoßen jedoch an ihre Grenzen, wenn diese Wohnung den Bedürfnissen mobilitätseingeschränkter Menschen keine Rech- nung trägt. Deshalb ist der Kreisverband Frankfurt des Sozialverbandes VdK bereits seit mehreren Jah- ren Kooperationspartner der ABG FRANKFURT 29 HOLDING. Die Mieterinnen und Mieter der ABG können dort eine kostenlose Beratung über senio- rengerechte Wohnraumanpassungsmaßnahmen, technische Hilfsmittel und mögliche Bezuschus- sungen in Anspruch nehmen. Für ihre Neubaupro- jekte hat sich die ABG eine – gemeinsam mit der Behindertenbeauftragten der Stadt Frankfurt am Main erarbeitete – freiwillige Selbstverpflichtung auferlegt. Darin sind beispielsweise ausreichend Siedlungshelferinnen und seit 2007 Siedlungshelferinnen und -helfer insbe- breite Hausflure enthalten, damit Rollatoren und -helfer sind zum Wohl sondere die älteren und mobilitätseingeschränkten Rollstühle gut durchkommen, und Treppenhäu- - insbesonders für die Mieterinnen und Mieter der ABG FRANKFURT ser, die so gebaut werden, dass Lifte und Rampen älteren und mobilitätsein- HOLDING in vielen Stadtteilen Frankfurts. Bei einfach nachgerüstet werden können. «Wir wollen, geschränkten Mieterinnen diesem Projekt kooperiert die ABG mit der Ge- dass sich unsere Mieterinnen und Mieter auch im und Mieter der ABG im sellschaft für betriebliche Integration GmbH & Co Alter und auch mit Behinderungen in ihrer Woh- Einsatz. KG, kurz BIWAG, und der Rhein-Main-Jobcenter nung sicher und geborgen fühlen und so lange wie GmbH. Handwerklich begabte, arbeitslose Men- möglich selbstbestimmt und eigenverantwortlich Und auch die Jüngsten pa- schen, meist im Alter von über 50 Jahren, erhalten in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können», cken bei der Aktion „Putz- so wieder eine Beschäftigung. Zu erkennen sind die erklärt Frank Junker, Geschäftsführer der ABG teufelchen“ mit an, wenn Siedlungshelferinnen und -helfer an ihren blauen FRANKFURT HOLDING. es um die Sauberkeit in Arbeitsjacken mit aufgedrucktem ABG-Logo. Sie „ihrem“ Viertel geht (re.o.). führen für die Mieterinnen und Mieter der ABG 28 | 28
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D ie ABG FRANKFURT HOLDING macht AGIEREN FÜR DAS WOHL DER STADT mit ihrem Motto «Wohnen für alle» nicht bei der Bereitstellung von Wohn- raum und ergänzenden Serviceange- boten für die Mieterinnen und Mieter halt. Als kommunales Wohnungsunternehmen sieht sie sich auch in der Verantwortung für das Wohler- gehen der Gesamtstadt. So betreibt die ABG mit ihren Sanierungsmaß- nahmen im Gallus, in enger Abstimmung mit sozi- alen Trägern, dem Gewerbeverein und dem Runden Tisch Gallus, Stadtreparatur und Quartiersent- wicklung. In der Bürostadt Niederrad übernimmt sie die Vorreiterrolle beim Wohnungsbau und un- terstützt die Stadt Frankfurt so in ihrem Ansinnen, 33 hier ein gemischt genutztes Quartier zu entwickeln. In der Heinrich-Lübke-Siedlung zeigt sie exempla- risch auf, wie ein in die Jahre gekommenes Quartier mit möglichst geringem Aufwand und unter Beteili- gung seiner Bewohnerinnen und Bewohner zu einer Vorzeigesiedlung werden kann. Das Engagement der ABG auf der Hafeninsel Offenbach und dem MAN-Roland-Gelände wiederum verhilft nicht nur den Offenbachern zu neuem, attraktiven Wohn- raum, sondern setzt auch ein Zeichen, bei Fragen der Wohnraumversorgung künftig nicht mehr in- nerhalb von Stadtgrenzen, sondern regional zu den- ken. «Wohnen macht nicht an der Stadtgrenze halt, In Frankfurt (rechts: Salvador-Allende Straße) und über die Stadtgrenzen hinaus (großes Foto: Bauvorhaben in Friedberg) wirkt die ABG. 32 | 32
sondern ist eine Aufgabe der Region», wird Frank bauland ausgewiesen waren, auch neue Flächen, die sah und sieht es die ABG FRANKFURT HOLDING Bis mindestens 2018 kann die Stadt das Gebäu- AGIEREN FÜR DAS WOHL DER STADT Junker, Geschäftsführer der ABG FRANKFURT sich «aufgrund verschiedener Faktoren aus Sicht als ihre Aufgabe an, die Stadt Frankfurt am Main de benutzen. Ordnungsdezernent Markus Frank HOLDING, nicht müde zu betonen. des Magistrat für die Wohnbauentwicklung eig- nach Kräften zu unterstützen. resümierte, «glücklich schätzen» müsse man sich, Die Entwicklung des Kulturcampus in Bo- nen.» Insgesamt acht derzeit zumindest zum Teil Für mehr als 600 Menschen hat der ABG-Kon- wenn man eine Wohnungsgesellschaft wie die ckenheim schließlich ist ein Langfristprojekt. Ein landwirtschaftliche genutzte Gebiete enthält die zern seit 2014 Unterkünfte zur Verfügung gestellt. ABG habe, die Probleme zügig, unkompliziert und vielseitiges, modernes Kulturquartier soll hier vorgelegte Aufstellung; sie liegen im Norden und So sind zum Beispiel binnen drei Monaten 160 Plät- hilfreich angehe. entstehen, dessen Entwicklung nicht dem Zufall Westen Frankfurts, in den Gemarkungen der Stadt- ze für Flüchtlinge auf dem Campus Bockenheim überlassen wird, sondern auf einem wohldurch- teile Niederursel, Eschersheim, Preungesheim, Ber- im lange Zeit ungenutzten, ehemaligen Mensage- dachten Gesamtkonzept gründet. Bürgermeister kersheim, Nieder-Erlenbach sowie Sindlingen und bäude «Labsaal» entstanden. Kurz vor Weihnach- Olaf Cunitz, stellvertretender Vorsitzender des Zeilsheim. Eines dieser Gebiete ist das «Hilgenfeld» ten 2015 fand die Übergabe der Räumlichkeiten ABG-Aufsichtsrates und vonseiten des Magistrats nördlich des Frankfurter Bergs mit einer Gesamt- statt. Im Erdgeschoss sind allein reisende Männer fachlich zuständig für das Unternehmen, lobt mit fläche von knapp 140.000 Quadratmetern. Zwei zu zweit in einem Raum untergebracht, im ersten Blick auf diese und zahlreiche weitere Projekte der Drittel der Fläche sicherte sich die ABG FRANK- Obergeschoss gibt es größere Zimmer mit bis zu ABG FRANKFURT HOLDING: «Die ABG ist ein FURT HOLDING, bis zu 800 Geschosswohnungen sechs Schlafplätzen für Familien. Der Unterschied unverzichtbares Werkzeug, um eine zukunftsfähige können hier laut einer Studie des Architektenbüros zur Unterbringung in Sporthallen ist, dass der 35 und nachhaltige Stadtentwicklung in Frankfurt zu von Albert Speer und Partner entstehen. Labsaal für einen langfristigen Aufenthalt einge- gewährleisten.» Für die Stadt Frankfurt am Main ist das Jubilä- richtet ist. «Wir überlassen der Stadt das Gebäude Zu einer zukunftsfähigen und nachhaltigen umsjahr der ABG zugleich ein Jahr der Flüchtlinge. mietfrei», sagte Frank Junker, Geschäftsführer der Stadtentwicklung gehört unabdingbar ein ausrei- Bereits 2014 hatte sich die Zahl der Flüchtlinge, die ABG. Die Umbaukosten beliefen sich auf 900.000 chendes Angebot an Wohnraum. Für Frankfurt Frankfurt von der hessischen Erstaufnahmeeinrich- Euro. als wachsende Stadt mit nur wenig Flächen für den tung in Gießen zugewiesen wurden, mit etwa 800 Wohnungsneubau ist dies ein schwieriges Unter- Menschen nahezu verdoppelt; 4.400 waren es Ende fangen. Als Hauptredner des Neujahrsempfangs 2015 insgesamt. Hinzu kommen die Flüchtlinge, der Stadt Frankfurt am Main im Jahr 2013 warb die vom Land Hessen in Frankfurt untergebracht Frank Junker deshalb für ein konsequentes Woh- sind und nach ihrer Registrierung auf die hessi- nungsbauprogramm, insbesondere für die Nut- schen Kommunen verteilt werden; sieben Prozent zung von landwirtschaftlichen Flächen im Norden davon entfallen wiederum auf Frankfurt. Seit den Frankfurts für den Bau neuer Wohnungen. Aufge- frühen 1990er Jahren hat die Stadt Frankfurt nicht regtes Gemurmel im Saal und hitzige Debatten in mehr so viele Flüchtlinge untergebracht. «Das Land Politik und Stadtöffentlichkeit waren die ersten Re- hat angekündigt, dass Frankfurt in Zukunft 250 aktionen auf diesen Appell. Ein Jahr später legte der Flüchtlinge auf wöchentlich zugewiesen bekommt», Magistrat der Stadt Frankfurt eine Aufstellung mit teilte Sozialdezernentin Prof. Dr. Daniela Birken- fünfzehn planungsrechtlich zügig zu entwickeln- feld Ende 2015 mit. Zuvor waren es 170 Flüchtlinge den Standorten für eine künftige Wohnbebauung pro Woche. Doch die Kapazitäten sind erschöpft, vor. Darunter fanden sich neben Arealen, die im der Wohnungsmarkt ist leergefegt, alle verfügbaren regionalen Flächennutzungsplan bereits als Wohn- Hotelzimmer sind belegt. Auch in dieser Situation Im ehemaligen Mensagebäude „Labsaal“ auf dem ehemaligen Unigelände in Bockenheim, jetzt Kul- turcampus, hat die ABG innerhalb kurzer Zeit eine Unterkunft für bis zu 160 Flüchtlinge geschaffen. 34 | 34
Das Gallus blüht auf AGIEREN FÜR DAS WOHL DER STADT D as Gallus ist etwas mehr als vier Quadratki- lometer groß und seit Ende des 19. Jahrhun- derts ein offizieller Stadtteil von Frankfurt am Wohnadresse. Viele Kommunalpolitiker loben, dass im Kamerun, wie eingefleischte Frankfurter das Gallus gerne nennen, eine neue Durchmischung der Main. Das Viertel ist umschlossen von höchst un- Bevölkerung möglich geworden sei. Im Grunde gilt terschiedlichen Stadtteilen. Im Osten grenzt es an das Gallus heute als gelungenes Beispiel dafür, dass das Bahnhofsviertel, im Süden, getrennt durch das Generationenwechsel, soziale Durchmischung und Gleisvorfeld des Hauptbahnhofs, an das Gutleut- eine behutsame Verbesserung der Wohnqualität ge- viertel, im Westen an Griesheim und im Norden an lingen können. Wandel muss nicht immer Gentrifi- Bockenheim und das Westend. zierung bedeuten, sondern kann ganz im Gegenteil Im Mittelalter war hier, westlich der Stadtmau- Menschen zum Bleiben bewegen. ern, das Galgenfeld zu finden. In der neueren Zeit Das Gallus ist quasi Stammland der ABG war das Gallus der Ausgangspunkt der Industriali- FRANKFURT HOLDING. Rund 5.700 Woh- 37 sierung in Frankfurt am Main. Im Jahr 1891 wies nungen gehören ihr dort, vorwiegend in der alten der damalige Frankfurter Oberbürgermeister Franz und der neuen Hellerhofsiedlung und der Fried- Adickes hier ein Fabrikgelände aus, in dessen Folge rich-Ebert-Siedlung. An ihnen lässt sich die Ent- sich ein ganzer Stadtteil entwickelte. An der heuti- stehungsgeschichte des Stadtteils exemplarisch gen Kleyerstraße siedelten sich die ersten Indust- ablesen. Während sich im übrigen Gallus viele riebetriebe an, wie etwa Ph. Mayfarth & Co., später gründerzeitliche Gebäude in Blockrandbebauung folgten die Adlerwerke, Braun und Teves. Durch finden und die alte Hellerhofsiedlung Anfang des die in diesem Zuge gebauten Arbeiterwohnungen Großes Bild: Rückfassade in der entstand das damals offiziell noch «südwestliche Schneidhainer Straße vor der Sanierung. Außenstadt» genannte Gallus. Heute wohnen hier über 31.000 Menschen. Damit belegt das Gallus Kleine Bilder: Sanierte Liegenschaften Platz zwei der einwohnerreichsten Stadtteile Frank- entlang der Frankenallee. furts. Lange wirkte das Gallus nicht gerade wie ein Ma- gnet. Wer konnte, drehte dem Quartier den Rücken. Familien mit Kindern zogen in benachbarte Viertel, beispielsweise nach Bockenheim. Mittlerweile ist das anders, schätzen auch jüngere Leute diesen Stadtteil als überaus attraktives Wohnquartier in Frankfurt am Main. In den letzten Jahren hat das Gallus durch das neue Europaviertel eine erhebliche Erweiterung erfahren. Heute ist das Gallus wieder eine gefragte Hellerhofsiedlung I, Rebstöcker Straße. 36 | 36
teil. Allerorts sieht man spielende Kinder und Nach- geprägten Entstehungsgeschichte besonders unter AGIEREN FÜR DAS WOHL DER STADT barn, Jung und Alt, die auf der Straße einen Plausch dem Rückgang an gewerblichen Arbeitsplätzen litt; halten. Alle zwei Jahre feiern die Menschen im Gal- eine starke Konzentration von sozial Benachteilig- lus ihren Stadtteil mit einem großen Straßenfest ten im Quartier war das Resultat. Hinzu kamen er- unter dem Motto «Vielfalt statt Einfalt». Die ABG hebliche Umweltbelastungen durch zahlreiche stark FRANKFURT HOLDING übernahm von Anbe- befahrene Straßen, der eklatante Mangel an öffentli- ginn an gemeinsam mit dem Vereinsring und dem chen Grünflächen sowie die Modernisierungsrück- Gewerbeverein Gallus die Vorbereitung und Orga- stände in Wohnungsbestand. nisation des Festes. Seine zahlreichen Besucherin- Der Beirat Soziale Stadt Gallus formulierte in nen und Besucher belegen immer wieder aufs Neue, seiner Sitzung vom 21. Juli 2005 das folgende Leit- dass Diskriminierung und Ausgrenzung in Frank- bild für das Gallus, ein Programm für die Entwick- furt, wo Menschen aus 170 Nationen zuhause sind, lung des Stadtteils: «Unsere Lebenssituation ist eine keinen Platz finden. Herausforderung, der wir uns stellen. Wir setzen Die ABG vermietet im Gallus nicht nur Woh- uns gemeinsam für eine zukunftsfähige Entwick- nungen. Sie trägt in erheblichem Umfang zum sozi- lung und ein positives Image des Gallus ein. Dazu 39 20. Jahrhunderts als Gartenstadtanlage errichtet Im Jahr 2013 vermietete die ABG lange leerste- alen Zusammenhalt, zur Quartiersentwicklung bei, brauchen wir: ein starkes örtliches Gewerbe, ein wurde, sind die neue Hellerhofsiedlung und die hende Ladenlokale in der Hellerhofsiedlung zu ei- zum Beispiel arbeitete sie eng mit den Trägern des vielfältiges Kultur-, Freizeit- und Sportangebot, Bil- Friedrich-Ebert-Siedlung durch Zeilenstrukturen nem symbolischen Mietpreis an Künstlerinnen und Programms «Stadtteile mit besonderem Entwick- dung, Ausbildungsplätze und Arbeit und attraktive in Nord-Süd-Ausrichtung, wie sie für das Neue Künstler, die nun dort arbeiten und ihre Werke zum lungsbedarf – die soziale Stadt» zusammen. Dabei Freiräume. Das Gallus soll ein kinder- und famili- Bauen typisch waren, gekennzeichnet. Kauf anbieten. Die Belegung geschah in enger Ab- handelt es sich um ein gemeinsames Programm enfreundlicher Stadtteil werden. Die besonderen In den 1990er Jahren gaben die drei Siedlungen stimmung mit RADAR – Räume für Kreative, einer von Bund und Land. Seit 1999 ergänzt es die tra- Bedürfnisse von Senioren/-innen und Behinderten ein trostloses Bild ab. In der Mehrzahl waren sie in von der Stadt beauftragten Leerstandsagentur, und ditionelle Städtebauförderung. Der Stadtteil Gallus sollen berücksichtigt werden. Alle Menschen wer- der unmittelbaren Nachkriegszeit im Rahmen von unter Inanspruchnahme städtischer Fördergelder wurde Ende 2001 in das Programm aufgenommen, den hier miteinander in Respekt leben und dabei Wohnungsnotstandsprogrammen notdürftig wie- für die erforderlichen Umbau- und Sanierungsmaß- im Dezember 2014 endete die Förderung. Anlass für niemanden zurücklassen. Dazu werden wir die so- derhergestellt und seither nicht mehr saniert wor- nahmen. Güter des täglichen Bedarfs kann man die Auswahl des Stadtteils im Jahr 2001 war, dass ziale Verantwortung in den Nachbarschaften stär- den. Ihr Wohnungsbestand zeichnete sich durch ei- dort nun zwar, abgesehen von einer Bäckerei und das Gallus aufgrund seiner vorwiegend industriell ken. Unsere Integrationsleistungen wollen wir mit nen hohen Anteil an Klein- und Kleinstwohnungen einem Schreibwarenladen, nicht mehr kaufen. Da- aus, teilweise mit sehr einfacher Ausstattung. 1997 für aber lohnt sich heute ein Schaufensterbummel, standen allein in der Friedrich-Ebert-Siedlung rund die Ladenlokale sind zu neuem Leben erwacht. Die Fotos links zeigen die Schneid- 1.000 kleine Wohnungen leer. Inzwischen sind, Die im Gallus lebenden Menschen fühlen sich hainer/Idsteiner Straße zu Beginn der dank einer fast zwanzigjährigen Kraftanstrengung mit ihrem Viertel heimisch und identifizieren sich Sanierung, das Rechte den Zustand und dank Investitionen von bislang 100 Millionen mit ihm. Das Gallus ist ein Ausdruck für das viel- danach. Euro, fast alle Gebäude saniert, so manche Woh- fältige, das multikulturelle Frankfurt. Über vierzig nungen familienfreundlich zusammengelegt. Die Prozent der Gallusbewohnerinnen und -bewohner Das Gallus gilt heute als multikul- Siedlungen wirken wieder anziehend und sie lassen haben einen ausländischen Pass, das sind rund drei- tureller Stadtteil, den Familien wie erkennen, warum sie in ihrer Entstehungszeit als so zehn Prozent mehr als im städtischen Durchschnitt. Kreative für sich entdeckt haben. fortschrittlich und attraktiv galten. Das Gallus ist ein lebhafter, ein lebenswerter Stadt- 38 | 38
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