WOHNENPLUS - Wohnungswirtschaft-heute

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WOHNENPLUS - Wohnungswirtschaft-heute
WOHNENPLUS
P.b.b. GZ 02Z032231 M, Wohnen Plus, Singerstraße 8/10, 1010 Wien

                                                                     FA C H M A G A Z I N F Ü R D I E Z U K U N F T D E S W O H N E N S                         4|2018

                                                                                                                               Smarter Weg
                                                                   STANDPUNKT
                                                                   Ziel ist Wohnzufriedenheit und                             zu Leistbarkeit
                                                                   faire Wohnversorgung
                                                                   MEIN WOHNEN PLUS                                                Leistbarkeit in der Krise?
                                                                   Das Wohnzimmer im Wohnzimmer                  Weniger ist oft mehr im Low-cost-Angebot
                                                                   INTERNATIONAL                                        Smarte Bilanz beim Pionier in Wien
                                                                   Grundrisse für kleine Budgets                Gemeinschaftliche Wohnmodelle als Chance
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WOHNENPLUS
      FACHMAGAZIN FÜR DIE
      ZUKUNFT DES WOHNENS
      4|2018

         STANDPUNKT
       2 Ewald Kirschner
         Ziel ist Wohnzufriedenheit und faire Wohnversorgung

4        WOHNSYMPOSIUM
       4 Zwischen Angebot und Ideologie | Plus Standard-Wohnen
       8 Voneinander lernen – Besichtigungstour als Vorprogramm
         PLUSPUNKTE
      10 Kurzmeldungen aus der Wohnbaubranche in Österreich
         MEIN WOHNEN PLUS
      12 Das Wohnzimmer im Wohnzimmer | Architektin Lisa Zentner
           THEMA
      13   Smarter Weg zu Leistbarkeit im sozialen Wohnbau
      14   Leistbarkeit in der Krise? Herausforderung für Bauträger
      19   „Leistbarkeit ist in der Privatwirtschaft durchaus möglich” |
           Interview mit Andreas Holler

12    20
      23
           Weniger ist oft mehr | Projekte von Low-cost-Anbietern
           Smarte Bilanz beim Pionier des Wiener Wohnbauprogrammes
         FORSCHUNG
      26 Gemeinschaftliche Wohnmodelle als Chance
         PRO UND CONTRA
      28 Fertigteil oder Maßanzug? | Positionen von
         Erich Benischek versus Bettina Götz
         INTERNATIONAL
      29 Grundrisse für kleine Budgets | Sabine Richter aus Berlin
         PROFIL
      32 Kleinigkeiten mit großer Wirkung | Innovationen der
         Wohnungsgenossenschaft St. Pölten

23       WOHNEN PLUS TRENDS
      34 Planen | Bauen | Wohnen | Innovationen
         PROFIL
      36 Bewohner-Service als Gesamtsystem | Sozialbau AG
         RÜCKBLICK
      38 Total digital – oder doch ganz normal | Freitag-Akademie
         AUSBLICK
      39 Smart housing? Modelle für Wohnbau mit Zukunft
         AVISO
      40 63. Wohnsymposium zum Wohnen im Klimawandel |
         Schwerpunkt-Themen 2019 | Freitag-Akademie für Führungskräfte |

29
         Medienpartner 2018 | Impressum
           Coverfoto: Pionier des Smart-Wohnbauprogramms, das Wohnregal der Heimbau im Wiener Sonnwendviertel
           Foto: Robert Newald

                                                                                         WOHNENPLUS . 4|2018    1
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STANDPUNKT

          Ziel ist Wohnzufriedenheit
          und faire Wohnversorgung
    Ewald Kirschner, Generaldirektor
    der Gesiba, macht Mut zum
    großvolumigen Wohnbau, denn
    nicht nur Wien wächst. Der
    knappe Baugrund zwingt zu
    kompakten Lösungen. Für ihn
    schließen kluge städtebauliche
    Konzepte leistbaren Wohnraum
    selbstverständlich mit ein –
    denn gute Architektur muss
    nicht teuer sein, wie er
    im Interview erläutert.

    GISELA GARY

    S
                                                                                                                                             Foto: Weinwurm
            ie haben eine langjährige Erfah-
            rung im sozialen Wohnbau – wel-
            che Themen sind wirklich neu für
            Sie? Ist das Thema leistbarer Wohn-
    raum nicht schon längst ein Dauerthema?       Kirschner: „Durchaus – wir brauchen auf       Projekt zu Projekt entscheiden zu können
    Ewald Kirschner: „Da haben Sie Recht,         jeden Fall mehr Mut zum großvolumigen         und deshalb halte ich nichts von strikten
    aber dennoch, die Parameter haben sich        Wohnbau – hier gibt es immer noch Vor-        Vorgaben, die zum Teil überzogen sind
    verändert, so wie auch die Demografie.        behalte, wobei wir ja das beste Beispiel      wie sie es bspw in puncto Haustechnik
    Aber gerade in Wien, da hatten wir im-        mitten in Wien haben: den Wohnpark Alt        oder Brandschutz durchaus gibt. Gute
    mer schon einen starken Zuzug. Was aber       Erlaa, der mit 3.200 Wohnungen und einer      funktionale Architektur muss nicht teuer
    sicher neu als Herausforderung hinzuge-       98prozentigen Wohnzufriedenheit sensa-        sein – das sieht man auch bei den Ge-
    kommen ist, ist das knappe Bauland. Der       tionell gut funktioniert. Aber auch die Sa-   meindebauten der Stadt Wien aus den
    Stadtentwicklungsplan 2025, Step, ver-        nierung hat einen hohen Stellenwert und       20er Jahren. Ich will das bisherige Niveau
    langt einen Grünflächenanteil von 50 Pro-     muss vorangetrieben werden – da braucht       halten – und ich bin davon überzeugt,
    zent – da muss uns klar sein, dass wenn       es vor allem politische Signale, die auch     dass das mit klugen städtebaulichen Kon-
    wir 8.000 bis 10.000 Wohneinheiten in         in Hinsicht auf unsere vereinbarten Kli-      zepten auch möglich ist.“
    Wien pro Jahr bauen wollen/sollen, dass       maschutzziele dringend notwendig sind.“
    der Baugrund zukünftig noch knapper                                                         Wie definieren Sie Wohnqualität?
    werden wird. Eine andere Entwicklung          Welche Rahmenbedingungen wünschen             Kirschner: „Das ist sicher für jeden ein
    betrifft jedoch die Baukosten – in den        Sie sich für die gemeinnützigen Bau-          wenig anders. Aber wir sehen bei Alt Er-
    vergangenen eineinhalb Jahren sind die-       träger, um die Ansprüche an Ökologie,         laa, wie die Wohnqualität seit mehreren
    se um gut 15 Prozent gestiegen. Da wird       Leistbarkeit und soziale Nachhaltigkeit       Generationen geschätzt wird – und dann
    es nicht leicht sein, leistbaren Wohnraum     mit hoher Qualität weiterhin erfüllen zu      gibt es offensichtlich auch keine Fluktu-
    flächendeckend anbieten zu können, da         können?                                       ation und keine Probleme. Eine kleine
    brauchen wir neue Ansätze.“                   Kirschner: „Klarheit – vor allem. Aber ich    Wohnung mit einem klug geschnittenen
                                                  denke, wir können in Österreich nicht kla-    Grundriss kann aber ebenso qualitätsvoll
    Das heißt, dass mehr in die Sanierung         gen. Aber natürlich, ich finde, man muss      sein wie ein Generationen-wohnen-Pro-
    fließen muss – und auch in Hochhäuser?        als Bauträger die Möglichkeit haben, von      jekt mit vielen Gemeinschaftsräumen.

2    WOHNENPLUS . 4|2018
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STANDPUNKT

Aber der Standard heute, mit Freiflächen      nug? Können Sie sich eine Ausweitung         tung der Wohnbauförderung wäre sicher
bei jeder Wohnung, Anbindung an öffent-       der Wohnbauförderung vorstellen?             gut – aber dazu fehlen vermutlich die Mit-
liche Verkehrsmittel etc., da sind wir mit    Kirschner:„Die Wohnbauinitiative wurde       tel, wobei natürlich die Zweckbindung da
Sicherheit in puncto Wohnqualität bereits     als zweite Schiene parallel zum geförder-    schon helfen würde.“
Vorreiter in Europa.“                         ten Wohnbau ins Leben gerufen. Das war
                                              sicher eine gute Idee. Wir haben Projekte    Was halten Sie von der Idee, die Einkom-
Der soziale Wohnbau kommt zusehends           in beiden Systemen mit Erfolg realisiert.    men der Mieter regelmäßig zu überprü-
unter Druck – die Baukosten sind ein          Ich finde es auch gut, dass die Initiative   fen, um die Leistbarkeit in Relation zum
Grund, aber auch die überteuerten Bau-        fortgeführt wird, denn diese wirkt auch      Einkommen behalten zu können?
gründe. Sehen Sie hier einen politischen      gegen die gestiegenen Grundstücksprei-       Kirschner: „Ganz ehrlich? Gar nichts! Wie
Willen zur Veränderung?                       se und ermöglicht kostengünstigen            soll das funktionieren? Was ich jedenfalls
Kirschner: „Ja, das ist korrekt – hier gibt   Wohnraum. In diesem Zusammenhang             wichtig finde, ist, dass wir uns mit den
es einen dringenden Handlungsbedarf,                                                       Fördersystemen in der Zukunft ausein-

                                                  ”
aber ich bin davon überzeugt, dass wir                                                     andersetzen und dass hier jeglicher Miss-
uns in die richtige Richtung bewegen.                                                      brauch abgewendet wird.“
Dazu zählen für mich die Ansätze zur
                                                      Wohnungspolitik ist
Baulandreservierung für den geförder-         angewandte Sozialpolitik, wohnen ist         Fair living ist das oberste Prinzip – das
ten Wohnbau ebenso wie auch die neue                                                       Unternehmensziel der Gesiba. Was darf
Widmungskategorie `geförderter Wohn-           ein Grundbedürfnis des Menschen.            ich mir darunter vorstellen?
bau` in der Wiener Bauordnung. Die                Der soziale Frieden kann nur             Kirschner: „Für uns gilt das Fairness-Prin-
Grundkosten werden dadurch im geför-                                                       zip vorbehaltlos unseren Kunden, unse-
derten Wohnbau mit 188 Euro pro Quad-          gehalten werden, wenn wir für eine          ren Mitarbeitern und unseren Partnern
ratmeter Bruttogrundfläche begrenzt. Gut
                                                    hohe Wohnzufriedenheit                 gegenüber. Dazu zählen Offenheit, Trans-

                                                                       „
finde ich auch die Förderungsdauer von                                                     parenz und Vertrauen. Eigentlich ein
fast 40 Jahren und den Ansatz, dass die       sowie für eine faire Wohnversorgung          Prinzip, das für gemeinnützige Bauträger
Wohnungen weder mit Gewinn vermie-                                                         selbstverständlich ist – oder sein sollte.
tet noch verkauft werden dürfen – damit                      sorgen.                       Denn schließlich geht es um Menschen.
ist der Spekulation ein Riegel vorgescho-                                                  Wohnungspolitik ist angewandte Sozial-
ben.“                                                                                      politik, wohnen ist ein Grundbedürfnis
                                              bedauere ich es sehr, dass die Wohn-         des Menschen. Der soziale Frieden kann
Die Wohnbau-Initiative ist ein gutes In-      bauinvestitionsbank, WBIB, nicht zu          nur gehalten werden, wenn wir für eine
strument zur Realisierung von mehr und        Stande gekommen ist – ein Fehler, der        hohe Wohnzufriedenheit sowie für eine
leistbaren Wohnbauten – aber ist das ge-      alle Bundesländer betrifft. Eine Auswei-     faire Wohnversorgung sorgen.“

                                                                                                                  WOHNENPLUS . 4|2018    3
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WOHNSYMPOSIUM

                           Zwischen Angebot
                             und Ideologie

                                      S                                                                                           Fotos: Robert Newald
    Kauf oder Miete scheidet die             eit 2002 ist im Wohnungsgemein-       Einerseits hochpolitisch – anderseits sehr
                                             nützigen-Gesetz explizit festgehal-   emotional, wie Sophie Karmasin, Motiv-
    Geister – beim 62. Symposium             ten, dass gemeinnützige Bauträger     forscherin, betonte. „Wir entscheiden
    zur Zukunft des Wohnens gab              Wohnungen auch mit Mietkaufop-        nicht rational – 90 Prozent unserer Ent-
                                             tion anbieten müssen. Diese Eigen-    scheidungen treffen wir intuitiv, emotio-
    es eine Fülle an Informationen,   tumsbegründungs-Möglichkeit veränderte       nal und impulsiv.“ Im Detail betrachtet,
    sehr unterschiedliche Ansätze     die Mieterlandschaft in Österreich – aber    verblüffte Karmasin mit dem Forschungs-
    aus den Bundesländern, und        natürlich auch die Geschäftsmodelle der      ergebnis, dass wir einerseits immer älter
                                      GBV. In Österreich leben rund 50 Pro-        werden und anderseits 50 Prozent der
    zum Teil hitzige Diskussionen.    zent der Bevölkerung zur Miete und 50        Jungen bis 29 noch zu Hause wohnen.
                                      Prozent im Eigentum. Naturgemäß gibt es      Karmasin ist davon überzeugt, dass die
                                      eine starkes Stadt-Land-Gefälle – am Land    hohen Mietpreise wie auch die überteuer-
    GISELA GARY                       steht das Eigentum immer noch hoch im        ten Preise für Eigentum der Grund für das
                                      Kurs. Das Thema Kauf oder Miete ist je-      beliebte Hotel Mama sind. „Überraschend
                                      doch mehr als eine ideologische Frage,       ist dann für mich dennoch, dass in einer
                                      wie beim 62. Symposium zur Zukunft des       Befragung 85 Prozent angaben, dass eine
                                      Wohnens deutlich wurde. Tagungsort war       eigene Immobilie zu besitzen, ihr Lebens-
                                      die Aula im evangelischen Realgymnasi-       ziel ist. Das hat für mich mit Macht zu tun.
                                      um im 22. Bezirk, gleich daneben gibt es     Mit Eigentum erweitere ich meinen Akti-
                                      eine Volksschule und darüber ein Wohn-       onsradius und natürlich mein Prestige. Da
                                      heim (siehe auch Reportage über die Be-      geht es nicht um ökonomische Argumen-
                                      sichtigungstour auf Seite 8).                te – sondern um Sicherheit, Eigentum gibt

4    WOHNENPLUS . 4|2018
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Michael Chalupka begrüßte die Teilnehmer als Hausherr   Walter Rosifka, Wohnrechtsexperte der Arbeiterkammer Wien,         Rechtsanwalt Michael Rudnigger –
des Evangelischen Realgymnasiums Donaustadt             wetterte gegen das „Eigentums-Schönreden“.                         „Mieter ist flexibler“
und Ort des 62. Symposiums zur Zukunft des Wohnens,
er ist Geschäftsführer der Diakonie Bildung.

Sicherheit. Zudem existiert immer noch
der Wunschtraum nach der bürgerlichen
Traumfamilie – und dass man etwas zum
Vererben haben möchte.“

Keine Wahlmöglichkeit
Rechtsanwalt Michael Rudnigger verwies
auf die Problematik, sobald es Schulden
oder eine Privatinsolvenz gibt: „Bei Mie-
te kein Problem, mit Eigentum kann es
dann rasch eng werden.“ Das Thema
Verschuldung für Immobilien beschäftigt
auch die Ökonomin Elisabeth Springler.
Die BFI-Professorin deutete das Potenti-
al einer Blase an – denn Kredite werden
mit einer immer längeren Laufzeit genom-
men, die Preise sind rasant gestiegen,
die Gehälter jedoch nicht. Doch auch für
Springler geht es um Sicherheit als Moti-
vator für Eigentum: „Für niedrige Einkom-
mensklassen, die zu guten Zinsen Kredite
aufgenommen haben, ergibt sich langsam                  „Immobilienbesitz ist das Lebensziel der Österreicher“ – Motivforscherin Sophie Karmasin
ein Ungleichgewicht.“
     Walter Rosifka, Wohnrechtsexperte                  gehen müssen?“ Doch auch bezüglich der                             wohnung ist der Bewohner flexibel, er be-
der Arbeiterkammer Wien, wetterte ge-                   Mietkaufoption übte Rosifka Kritik und                             nötigt keinen Kapitalbedarf und braucht
gen das Eigentums-Schönreden: „Das ist                  heizte die Diskussion erst so richtig an, er                       sich auch nicht um die Instandhaltung
doch nicht die Realität! 40 Prozent der                 sprach sich für eine gesetzliche Regelung                          sorgen,“ betonte der Geschäftsführer.
österreichischen Haushalte haben weni-                  aus, die verbietet, dass eine Wohnung, die                              Martina Haas, Geschäftsführerin der
ger als 32.000 Euro Jahreseinkommen –                   über eine Mietkaufoption erworben wur-                             GWS, Alpenländische Gesellschaft für
diese Menschen haben nicht einmal eine                  de, später teuer weiterverkauft wird. Mi-                          Wohnungsbau in Graz, ist hingegen
Wahlmöglichkeit. Eine hohe Mietquote                    chael Gehbauer, WBV-GPA, plädierte für                             komplett auf Eigentum fokussiert – je-
ist für unsere Wirtschaft wichtig. Warum                die freie Wahl – er hält nichts von einem                          doch in leistbaren Varianten: „Für eine 50
leben in der Schweiz fast 50 Prozent in                 Zwang, er will als Bauträger eine freiwil-                         Quadratmeter Wohnung werden 50.000
Miete? Warum gibt es dort einen großar-                 lige Miet-Kauf-Option jeweils entscheiden                          Euro an Eigenmittel benötigt. Im Schnitt
tigen Kündigungsschutz und eine Rege-                   können: „Wenn geförderte Wohnungen                                 schaffen wir 2.109 Euro pro Quadratme-
lung, dass wenn die Hypothekarzinsen                    auf den freien Markt kommen, schwächt                              ter.“ Aber natürlich, räumte sie ein, gibt
gesenkt werden, auch die Mieten runter                  das den sozialen Rückhalt. Mit einer Miet-                         es dafür nur gerade Baukörper und eine

                                                                                                                                                         WOHNENPLUS . 4|2018   5
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    Ökonomin Elisabeth Springler warnte vor einer               Michael Gehbauer, WBV-GPA, plädiert für „freie Wahl der   „Leistbares Eigentum“ bevorzugt Martina Haas,
    neuen Immobilienblase.                                      Bauträger – ob Miete oder Miet-Kauf-Option“               Geschäftsführerin der GWS, Graz

    Thomas Malloth, Sachverständiger für das Immobilienwesen,
    sprach sich gegen das Errichten von Eigentum durch                Die politische Debatte
    gemeinnützige Bauträger aus.                                      Kauf oder Miete – da liegen Welten zwischen Johann Singer und
                                                                      Ruth Becher. Einigkeit bei den politischen Kontrahenten bestand
    Balkonlinie und eben keine architektoni-                          lediglich in puncto Befristung – beide sprachen sich für längerfristige
    schen Extras.                                                     Mietverträge aus.
         Mit Thomas Malloth, Sachverständi-
    ger für Immobilienwesen, verfielen die                            „Eigentum ist wichtig, ich trete dafür              „Eigentum hat seine Berechtigung
    Teilnehmer des Symposiums endgültig in                            ein, dass es in den kommenden zehn                  und natürlich soll jeder frei entschei-
    hörbares Murmeln. Er erläuterte den Wil-                          Jahren eine klare Steigerung der Ei-                den dürfen – aber besser wäre, wenn
    len der Regierung, Eigentum zu forcieren,                         gentümer gibt. Eigentum ist Teil der                der Mietsektor gestärkt wird, denn
    als positiv: „Das bedeutet, der Regierung                         Selbstständigkeit, der Altersvorsorge               der trägt letztlich zu einer stärkeren
    ist die Privat- und Individualautonomie                           – aber natürlich, es muss auch im                   Kaufkraft bei. 30 Jahre lang hohe Kre-
    wichtig – Eigentum ist eine stabilisierende                       Mietbereich einen Interessensaus-                   ditkosten zahlen zu müssen, wirkt da
    Komponente. Aber klar, es muss beides                             gleich und eine gute Mischung von                   eher kontraproduktiv. Wichtig ist uns
    geben – Miete und Kauf, mit einer klaren                          vielen Angeboten geben. Eigentum                    jedoch, dass auf Ressourcenschonung
    Rollenverteilung.“ Er sprach den Gemein-                          ist keine ideologische Frage – jeder                geachtet wird und sozialer Wohnbau
    nützigen die Rolle, Eigentum zu errichten,                        will doch ein Haus haben. Für mich                  gebaut wird – und da sehe ich das
    jedoch ganz klar ab.                                              stellt sich nicht die Frage, Kauf oder              Eigentum nicht. Dazu wären Miet-
         Die politische Debatte rundete das                           Miete, sondern, so wie es auch im                   obergrenzen auf 35 bis 40 Jahre gut.
    Symposium ab – und bestätigte den Ein-                            Regierungsprogramm steht, vielmehr                  Wenn mehr Mietwohnungen gebaut
    druck des Tages: Das Thema Kauf oder                              verstärkt auf bodenschonende Wohn-                  werden, könnte man etwa, wenn sich
    Miete scheidet die Geister – siehe dazu                           bauten zu setzen.“                                  nach 25 bis 30 Jahren alles refinanziert
    nachstehenden Infokasten wie auch die                                                                                 hat, einen Preisschutz einführen.“
    Statements der Tischdiskussionen auf Sei-                         Johann Singer,
    te 7. In jedem Fall steht aber der dringen-                       Bautensprecher der ÖVP und Bürger-                  Ruth Becher,
    de Bedarf an leistbarem Wohnraum wei-                             meister der Gemeinde Schiedlberg in                 Bereichssprecherin für Wohnen und
    terhin zur Diskussion, doch diese kann                            Oberösterreich                                      Bauten der SPÖ
    nur politisch gesteuert werden.

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Lebensentscheidungen auf dem Prüfstand
Für die Tischgespräche war auf die Frage „Wie kann
die Politik die bestmögliche Wohnungswahl unter-
stützen?“ eine griffige Antwort gesucht. Der Sieger
erhielt ein kurzes Interview in der Tageszeitung „Der
Standard“ (siehe Beilage) – und einen gebühren-
den, tobenden Applaus des Publikums. Die Slogans
wurden jeweils im Plenum präsentiert, im Anschluss
wurde über die besten Sager abgestimmt.

                      Tisch 4 | 13 Punkte               Tisch 5 | 9 Punkte         Tisch 2 | 8 Punkte
                      Platz 1                           Platz 2                    Platz 3
                      Siegerslogan:                     Slogan:                    Slogan:
                      Klare, einfache Regeln            Ausreichendes              Mehr Fairness durch
                                                        Angebot geförderter        niedrige Wohnkosten
                                                        Mietwohnungen
                       Präsentation:
                       Heribert Thurner, Obmann
                       der Genossenschaft               Präsentation:              Präsentation:
                       Altmannsdorf und                 Ronald Schlesinger,        Florian Huemer,
                       Hetzmannsdorf                    Wohnservice Wien           Weinrauch Rechtsanwälte

                      Tisch 1 | 3 Punkte                Tisch 3 | 5 Punkte          Tisch 6 | 5 Punkte
                      Slogan:                           Slogan:                     Slogan:
                      Wohnbauförderung                  Wohnbau gleichwertig        Calculate first –
                      mit Augenmaß                      und bedarfsgerecht          Onlinerechner für
                                                                                    kaufen oder mieten

                       Präsentation:                                                Präsentation:
                       Alfred Janecek,                  Präsentation:               Evelyn Susanne
                       Obman-Stellvertreter der         Margarete Czerny,           Ernst-Kirchmayr,
                       Alpenland, St. Pölten            Donauuniversität Krems      Raumplanerin

                      Tisch 7 | 4 Punkt                 Tisch 8 | 2 Punkte          Tisch 9 | 4 Punkte
                      Slogan:                           Slogan:                     Slogan:
                      Haus und Hans im Glück            Transparenz und             Diversitäten
                                                        Bedarfsgerechtigkeit        unterstützen

                                                        Präsentation:
                                                        Christian Zenz,             Präsentation:
                       Präsentation:                    Bundesministerium           Corinna Riedler,
                       Armin Hanschitz,                 für Digitalisierung und     Arbeiterkammer
                       Fonds Soziales Wien              Wirtschaftsstandort         Niederösterreich

                      Tisch 10 | 1 Punkt                Tisch 11 | 5 Punkte
                      Slogan:                           Slogan:
                      Vorrang für Bewohner              Bewährtes stärken
                                                        und weiterentwickeln

                       Präsentation:                    Präsentation:
                       Gerlinde Gutheil-Knopp-          Doris Molnar, Vorstand
                       Kirchwald, GBV-Verband           Neues Leben

                                                                                   WOHNENPLUS . 4|2018       7
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                                                                                                                                                                                                           Foto: Robert Newald
    Exklusive Besichtigungstour (von links nach rechts) mit Cilly Wiltschko, WBV-GPA, Alfred Petritz, Migra, Elisabeth Kapfenberger, Direktorin des Realgymnasiums, und Architektin Sne Veselinovic

    Voneinander
    lernen
    Die Besichtigungstour, als Vor-
    programm zum 62. Symposi-
    um zur Zukunft des Wohnens,
    führte durch die evangelische
    Schule in der Maculangasse im
    22. Bezirk in Wien, mit Neuer                                        Großzügige Freiflächen laden zum Spielen und Garteln ein –           Halbunterirdischer Turnsaal – der aber dennoch
    Mittelschule und Realgymna-                                          im Hintergrund das Wohnheim plus Volksschule.                        über viel Tageslicht verfügt.
    sium, über das Wohnheim und                                         Veselinovic geplanten sogenannte „Spiel-
    die darunter situierte Volks-                                       straße“ – den Gangbereichen: „Da wird
    schule. Ein Spaziergang durch                                       gelesen, gelernt oder auch nur gemütlich
                                                                        herumgelungert. Also es spielt sich bei
    ein ungewöhnliches Projekt.                                         uns keineswegs alles nur in den Klassen
                                                                        ab und das finde ich hervorragend.“ Die
                                                                        Philosophie der Schule liegt in der Viel-
    GISELA GARY                                                         falt an pädagogischen Ansätzen, es soll
                                                                        nicht nur nach einer Ideologie gelehrt
                                                                        werden. Offenes Lernen war bereits in

D
              ie Kombination ist nicht alltäg-                          der Ausschreibung als Forderung formu-                               Elisabeth Kapfenberger erläutert das pädagogische Konzept –
              lich – unten Schule, oben Wohn-                           liert wie auch dass es keine monofunk-                               dem die Architektur optimal folgte.
              heim für temporäres Wohnen                                tionale Bereiche geben soll. Die Klassen
              und gleich daneben noch eine                              sind in Cluster eingeteilt, es gibt mehre-                           unter der Erde sind, dennoch Licht in den
    Schule. Doch die Idee dahinter ist vor                              re Jahrgänge, die gemeinsam in einem                                 Turnsälen.“ Über die Freiflächen kommt
    allem eine: Voneinander lernen steht im                             Cluster untergebracht sind. „Das hat den                             man zur Volksschule und zum Wohnheim.
    Zentrum bei dem Projekt an der Maculan-                             Vorteil, dass die Kleinen von den Großen
    straße/Ecke Wagramer Straße. Sne Vese-                              lernen – und umgekehrt“, erläutert Vese-                             Viel Tageslicht
    linovic ist die Architektin der Gebäude:                            linovic. Auffallend hell und freundlich ist                          Die Volksschule der Stadt Wien wurde von
    Das evangelische Gymnasium für rund                                 die Schule – die Farben waren auch der                               der Wohnbauvereinigung für Privatange-
    600 Schüler, die Volksschule für 225 Schü-                          Architektin wichtig, als Orientierung für                            stellte, WBV-GPA, errichtet. Schule und
    ler und das Wohnheim mit 113 Einhei-                                die Schüler. Über das Stiegenhaus gelangt                            Wohnheim in einem Haus, das klingt un-
    ten von 25 bis 45 Quadratmeter Größe,                               man entweder auf Terrassen oder auch                                 gewöhnlich – Cilli Wiltschko von der WBV-
    plus Freiflächen. Elisabeth Kapfenberger,                           in den Garten, der großzügig mit Sport-                              GPA erklärte dazu: „Multifunktionalität
    Direktorin der evangelischen Schule mit                             platz und Anbauflächen angelegt ist. Die                             ist die Zukunft der Stadt, davon sind wir
    Neuer Mittelschule und Gymnasium, be-                               beiden Sporthallen sind halb eingegraben                             überzeugt. Wir haben mit solchen Kombi-
    richtete stolz von den Erlebnissen mit den                          – der ganze Stolz von Veselinovic: „Klug                             nationen bereits Erfahrung – das ist über-
    Kindern wie mit der von Architektin Sne                             geplant, gibt es, obwohl wir hier schon                              haupt kein Problem.“ Für die Architektin

8     WOHNENPLUS . 4|2018
WOHNENPLUS - Wohnungswirtschaft-heute
WOHNSYMPOSIUM

                                                                                        Handy spielen, ausruhen oder lernen – alles ist erlaubt
                                                                                        und erwünscht in der coolen Schule.

                                           ren Flächen der Volksschule darunter in      cher – die allesamt beeindruckt von dem
                                           Einklang bringen.“ Veselinovic staffelte     Konzept und den Gebäuden waren. Noch
                                           die gartenseitigen Stockwerke nach oben      dazu, wo sich Architektin Veselinovic erst-
                                           hin, damit die Klassen darunter viel Ta-     mals auf´s Schulparkett wagte – das aber
                                           geslicht haben.                              mit nachhaltigem Erfolg.
                                                Bauherr des Wohnheims ist die Migra,
                                           Alfred Petritz, Geschäftsführer der Migra,
                                           zeigt stolz die Wohnungen mit Terrasse:
                                           „Die Nachfrage war gewaltig – das hat
                                           uns selbst überrascht. Aber der gesamte
                                           Gebäudekomplex ist auch sehr ausgetüf-
                                           telt geplant – so sind die Schule und das
                                           Wohnheim beispielsweise so ineinander
war das Projekt eine besondere Heraus-     verschränkt, dass beide Einheiten einen
forderung: „Wir haben hier komplett un-    Lift benützen können.“ Die Besichtigungs-
terschiedliche räumliche Anforderungen.    tour endete in der multifunktionalen Aula
Ich musste die kleinstmögliche räumliche   der evangelischen Schule – mit einem
Struktur des Wohnheims mit den größe-      Mittagsimbiss. Schön, das Fazit der Besu-    Architektin Sne Veselinovic ist die Planerin aller Gebäude.

                                                                                                                           WOHNENPLUS . 4|2018        9
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                             MARIETTA
                             ADENBERGER

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                                                                   Wiener Gemeindebauchor                        und der Verlust sozialer Netze, moniert
                                                                   In Wien werden wieder Gemeindewoh-            die AK. „Große Immobiliengesellschaf-
                                                                   nungen gebaut. Die ersten 120 davon           ten, die über hundert Wohnungen ver-
                                                                   sind in der Fontanastraße in Favoriten        fügen, sollen diese nur mehr unbefristet
                                                                   in Arbeit – sie sollen Ende nächsten Jah-     vermarkten dürfen“, fordert AK-Wien-Prä-
                                                                   res fertig sein. Rund 300 weitere sind ab     sidentin Renate Anderl, die allerdings ein-
                                                                   kommendem Jahr am Handelskai 214              räumt, dass für vermietende Privatperso-
                                                                   anstelle einer Garage in Planung. Auch        nen bei einem Eigenbedarf die Befristung
                                                                   die Seestadt Aspern zieht mit: Ab Herbst      weiter möglich sein soll.
                                                                   2019 wird die gemeinsame Tochtergesell-
                                                                   schaft von Gesiba und Wiener Wohnen,
                                                                   Wigeba, 75 Wohneinheiten auf Baufeld          Compliance für Gemeinnützige
                                                Foto: Herbst/pov

                                                                   H4 errichten – mit Größen zwischen 35         Unternehmen mit Gemeinnützigkeitsstatus
                                                                   und 70 Quadratmetern. Vergeben wer-           haben aufgrund ihrer im Wohnungsge-
                                                                   den sie unbefristet zu einer Bruttomie-       meinnützigkeitsgesetz formulierten sozia-
                                                                   te von 7,50 Euro je Quadratmeter. Die         len Verantwortung eine herausgehobene
     Immo-Oscar für Studentenheim                                  Pläne stammen von Wimmer + Partner            gesellschaftspolitische Stellung. Das bereits
     Eine der Trophäen des ersten FIABCI                           Architekten.                                  4. Forum Aufsichtsrat der Wohnen Plus
     Prix d´Excellence Austria ging an ei-                             Insgesamt sollen bis 2020 rund 4.000      Akademie setzte sich mit dem Thema
     nen gemeinnützigen Bauträger. WBV-                            neue Gemeindewohnungen auf Schiene            Compliance auseinander. Strukturierte Pro-
     GPA-Chef Michael Gehbauer nahm im                             sein, heißt es aus dem Büro von Wohn-         zesse und definierte Verantwortlichkeiten
     Oktober den Preis für die in Zusam-                           baustadträtin Kathrin Gaal. Damit dürfte      machen die Einhaltung von Gesetzen,
     menarbeit mit Lang Consulting und F2                          der 1. Wiener Gemeindebauchor bald            Verordnungen und internen Richtlinien
     Architekten errichteten PopUp dorms                           Zuwachs bekommen. Er feierte heuer            leichter. Worauf der Aufsichtsrat dabei
     Seestadt in der Kategorie Wohnen/                             übrigens sein zehnjähriges Jubiläum, was      in der Praxis besonders achten muss, er-
     Neubau entgegen. Die Jury lobte das                           mit zwei Konzerten im Herbst zelebriert       klärten die Aufsichtsrat-Experten Andreas
     Studentenheim für seine Nachhaltig-                           wurde. Seit 2008 ist der Chor mit viel        Sommer und Bernd Scherz. Im November
     keit auf mehreren Ebenen und hob die                          Herz bei der Sache und ist immer wie-         widmete sich ein Spezial-Seminar der Bi-
     flexibel nutzbaren, kostengünstigen                           der bei zahlreichen Auftritten im Wiener      lanzanalyse, das Dezember-Thema sind
     Räume sowie die Zwischennutzung ei-                           Burgtheater oder beim Internationalen         die Aufgaben und Haftung von Organen
     nes Bauplatzes hervor.                                        Adventsingen im Rathaus zu hören.             und am 30. Jänner 2019 geht es in der
         Von 50 Einreichungen wurden in                                                                          Aufsichtsrat-Akademie um Risikomanage-
     der Grand Hall am Erste Campus in                                                                           ment und das interne Kontrollsystem IKS.
     Wien noch vier weitere Projekte aus-                          Gegen befristete Mietverträge
     gezeichnet: Havienne appartements au                          Die Arbeiterkammer setzt sich dafür ein,
     bord in Wien (Altbau), das C&P Immo-                          dass Befristungen von Mietverträgen           Natur trotz Neubau
     bilien AG Headquarter in Graz (Büro),                         weitgehend untersagt werden. Laut Statis-     Wie eine Stadt trotz neuer Bauprojekte
     Hotel Schani Wien (Hotel) und das                             tiken des Mikrozensus 2017 sind bereits       grüner werden kann, diskutierten un-
     Sammlungs- und Forschungszentrum                              rund drei von vier neuen gewerblichen         längst Experten auf einer Veranstaltung,
     der Tiroler Landesmuseen in Hall (Spe-                        Mietverträgen im Schnitt auf etwa fünf        organisiert von der Internationalen Bau-
     zialimmobilien). Die tollen Projekte                          Jahre befristet. In Wien sind es sogar sie-   ausstellung Wien (IBA Wien) und dem
     zeigten, dass der gesellschaftliche Nut-                      ben von zehn. Auch bei den bestehenden        Futurelab der TU Wien. Alles vor dem
     zen von Immobilien verstärkt in den                           Verträgen nimmt der Befristungsanteil         Hintergrund, dass es in den Städten im-
     Fokus rücke, so FIABCI-Austria Präsi-                         laufend zu. Schon jeder zweite aufrechte      mer mehr Hitzetage gibt. Die bekannte
     dent Eugen Otto. Im Mai 2019 nehmen                           Mietvertrag ist in Österreich somit befris-   deutsch-niederländische     Stadtplanerin
     die fünf Sieger nun auch am internati-                        tet – etwa 650.000 Menschen sind davon        Helga Fassbinder, die für eine Renaturie-
     onalen FIABCI World Prix d‘Excellence                         betroffen. Die Konsequenzen: Erzwun-          rung der Städte eintritt, verwies darauf,
     in Moskau teil.                                               gene Umzüge, damit verbundene Kosten          dass „Entsiegelung durch dichten Neu-

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                                                                                                                Wiener Projektentwicklung Kallco gelun-
                                                                                                                gen. Gemeinsam wolle man in den nächs-
                                                                                                                ten Jahren rund 1.400 Wohnungen im
                                                                                                                leistbaren Segment umsetzen. Die WAG
                                                                                                                reüssiert mit aktuell 22.800 Wohnungen,
                                                                                                                einem Umsatz von rund 130 Millionen
                                                                                                                Euro und einem Bau- und Instandhal-
                                                                                                                tungsvolumen in Höhe von 70 Millionen
                                                                                                                Euro im Jahr 2017.

                                                                                           Foto: Gert Zechner
                                                                                                                Aufgepeppter Schlichtbau
                                                                                                                Wohngebäude aus den 1950ern sind
                                                                                                                schöner als ihr vorauseilender Ruf. Das
bau“ möglich sei. Als aktuelles Beispiel    Wiener Sonnwendviertel, das die BWS                                 beweist ein Projekt in Bremerhaven, das
nannte sie das von ihr und dem 2016         Wien begleitet hat, die Baugruppe „Bi-                              heuer mit dem Deutschen Bauherren-
verstorbenen Architekten Harry Glück        kes&Rails“, die mit der Familienwohn-                               preis und dem Bremer Wohnbaupreis
initiierte Bauprojekt „Biotope-City“, das   bau beim Hauptbahnhof 18 Wohnungen                                  ausgezeichnet wurde. Die Städtische
derzeit auf den ehemaligen Coca-Co-         errichtet hat, oder das Projekt „Gleis 21“                          Wohnungsgesellschaft Bremerhaven hat
la-Gründen in Wien entsteht. Blattgrün      der Schwarzatal. Zur Partizipation wurde                            einer unattraktiven Wohnanlage neues
sei immer noch die effizienteste und        ein eigener Leitfaden entwickelt, der auf                           Leben eingehaucht und ihr einen völlig
kostengünstigste Methode, um Gebäude        www.smartcities.at abrufbar ist.                                    neuen Stil verpasst: Verglaste Laubengän-
zu kühlen. Wie Gebäudebegrünung ge-                                                                             ge, großzügige Balkone, Mietergärten,
lingt, darüber informiert der Info-Con-                                                                         Solarpaneele am Dach und ein begrün-
tainer namens „Mugli“, ein Projekt der      Ausbau der Chefetage                                                ter Innenhof machen den ehemaligen
Kompetenzstelle für Bauwerksbegrünung       In der oberösterreichischen WAG-Gruppe                              typischen Schlichtbau zum Hingucker.
„Grünstattgrau“. Das begrünte Anschau-      ist die Geschäftsführung breiter gewor-                             Ein zentrales Element der Revitalisierung
ungsobjekt tourt derzeit durch Österreich   den. Gerald Aichhorn wurde zum Nach-                                sind die vor Wind und Wetter geschütz-
und betreibt fleißig Bewusstseinsbildung.   folger von Wolfgang Schön bestellt, der                             ten „Living Streets“ – zu Wohnstraßen
www.gruenstattgrau.at                       per Ende März 2019 in Pension geht. Aich-                           umfunktionierte Laubengänge, die eine
                                            horn war zuletzt Geschäftsführer der IHC                            lebendige Nachbarschaft fördern sollen.
                                            Holding & Consulting GmbH. Ebenfalls                                Ein heller Gemeinschaftsraum dient als
Mitbestimmung im Wohnbau                    zum Mitglied der Geschäftsführung be-                               zusätzlicher Treffpunkt. Die Baukosten
Mitbestimmung bei Sanierungen oder in       stellt wurde Horst Irsiegler, derzeit Leiter                        beziffern die Verantwortlichen auf rund
der Planung von Bauvorhaben – das wol-      des Assetmanagements der WAG. Damit                                 1.700 Euro pro Quadratmeter – das sei
len gemeinnützige Bauträger Wohnungs-       werde man ein bewährtes Geschäftsmo-                                rund 30 bis 50 Prozent günstiger, als es
suchenden und Mietern verstärkt bieten.     dell fortsetzten, so Reinhard Schwendt-                             ein Neubau gewesen wäre. Für die geför-
Karl Wurm und Alfred Graf vom Öster-        bauer, Vorstand der Raiffeisenlandesbank                            derten Wohnungen zahlen die Mieter 5,60
reichischen Verband gemeinnütziger          OÖ und WAG-Aufsichtsrats-Vorsitzender,                              Euro pro Quadratmeter. Auch bei den Be-
Bauvereinigungen betonen, dass Partizi-     der auch Expansionspläne ankündigte:                                triebs- und Energiekosten kann gespart
pation zwar mit Aufwand verbunden sei,      „Die neuen Märkte in Wien und Graz sol-                             werden: Den am Haus erzeugten Strom
bringe aber langfristig Vorteile: Entste-   len weiter intensiviert werden.“ In Wien                            bietet die StäWog über eine Tochtergesell-
hende nachbarschaftliche Beziehungen        sei der Markteintritt mit dem Ankauf der                            schaft als Mieterstrom an.
können zu einer hohen Identifikation mit
dem Wohnumfeld beitragen.
     Einige Positivbeispiele: Das Moder-
nisierungsvorhaben der Schwarzatal in
der Wiener Meißauergasse war auf hohe
Skepsis gestoßen. Dank der Entwicklung
eines altersgerechten Konzepts mit den
Bewohnern konnte aber viel Verstim-
mung aus dem Weg geräumt werden.
Auf einen weiteren Erfolg kann die Salz-
burg Wohnbau beim Sanierungsprojekt
“Steigflug” zurückblicken. Beim Wiener
Projekt “In der Wiesen” von Volksbau,
BWSG, ÖVW, EBG und Eisenhof in Wien
Liesing können die künftigen Bewohner
bei den Gemeinschaftsgärten mitplanen.
                                                                                                                                                             Foto: Bernd Perlbach

Noch einen Schritt weiter in Punkto Par-
tizipation gehen Baugruppen wie das
Projekt „KooWo“ bei Graz, „SOVieSo“ im

                                                                                                                                      WOHNENPLUS . 4|2018           11
MEIN WOHNEN PLUS

                                                                                                                                        Foto: Czaja
     Das Wohn-
                                                 der Inneneinrichtung mit. Sie betreibt     der Wohnung bildet, sind die übrigen
                                                 ein Architekturbüro im Sonnwendvier-       Räume durch eine raumhohe Schrank-
                                                 tel, in dem sie auch Kurse und Seminare    wand aus durchgefärbtem, schwarzen

     zimmer im                                   anbietet, und wohnt gerademal 100 Me-
                                                 ter Luftlinie von ihrem Studio entfernt.
                                                                                            MDF vom Hauptraum abgetrennt: Bad,
                                                                                            Toilette, Schlafzimmer. Und sogar für ei-

     Wohnzimmer
                                                      „Ich kannte dieses Projekt schon      nen kleinen, komplett leer belassenen,
                                                 von der Wettbewerbsphase an und            asketisch gestalteten Übungsraum hat
                                                 wusste: Wenn jemals der Zeitpunkt da       sich noch Platz gefunden.
                                                 ist, meine Altbauwohnung im vierten            „Die MDF-Schränke waren ein Son-
     Die Wiener Architektin Lisa                 Bezirk aufzugeben und in einen barri-      derwunsch. Ich wäre ehrlich gesagt
     Zentner wohnt seit drei Jahren              erefreien Neubau zu ziehen, um einen       nur ungern in eine fixfertige Gipskar-
                                                 neuen Lebensabschnitt zu starten, dann     ton-Wohnung eingezogen. Schließlich
     im „Wohnzimmer“ genannten

                                                                                                 ”
                                                 jetzt.“ Gesagt, getan. Seit 2014 bewoh-
     Komplex im Sonnwendviertel.                 nen sie und ihr Mann Wolfgang Kathan
                                                                                                     In gewisser Weise

                                                                                                                           „
                                                 eine 94 Quadratmeter große Dachge-
     Am meisten schätzt sie die
     Großzügigkeit der Räume.
                                                 schoß-Mietwohnung mit 48 Quadrat-
                                                 metern Terrassenflächen, auf denen in
                                                                                                 komme ich in dieser Wohnung
     Und dass sie sich als Gestalterin           der warmen Jahreszeit Kräuter, Toma-               wunderbar zur Ruhe.
                                                 ten, Oleander gedeihen. Es ist eine von
     in den Innenausbau einbringen               insgesamt 427 Wohnungen, welche die
     konnte.                                     Bauträger Neues Leben, Neue Heimat,        will man sich als Architektin und Ge-
                                                 EBG und Mischek unter der eigens für       stalterin auch noch irgendwo einbrin-
     WOJCIECH CZAJA                              dieses Bauvorhaben gegründeten Dach-       gen.“ Es sei ein wirklich tolles Projekt,
                                                 marke „win4wien“ errichtet und mittels     in dem viele innovativen Konzepte an-
                                                 Brücken zu einer zusammenhängenden         gewandt und ausprobiert wurden, meint
                                                 Stadt in der Stadt verbunden haben. Die    Zentner, darunter etwa ein Kino, einen

 D
              er Tisch, sagt sie, sei aus Zir-   Planung dafür stammt von Klaus Kada,       Theatersaal, ein Marktstand, eine riesi-
              benholz. Das beruhige den          Studio Vlay mit Lena Streeruwitz und       ge Gemeinschaftsküche und sogar eine
              Herzschlag. Daher sei das Holz     Riepl Kaufmann Bammer Architektur.         Schwimmhalle mit angeschlossenem
              bei den in den Alpen lebenden                                                 Wellness-Center. Über eine eigene Fa-
     Bauern und Bergleuten von jeher auch        Schönes Raumgefühl                         cebook-Gruppe wird die Benützung der
     so beliebt gewesen. „Und ja… In gewis-      „Im Altbau hat man ein schönes Raum-       Räumlichkeiten koordiniert. „Das sind
     ser Weise komme ich in dieser Wohnung       gefühl aufgrund der großen Raumhö-         tolle Einrichtungen, die beweisen, wel-
     tatsächlich wunderbar zur Ruhe. Es ist      he“, so Zentner. „Hier hingegen stellt     che Qualität man im Wohnbau erzielen
     die beste Wohnung, in der man sich vor-     sich die Großzügigkeit durch die Zim-      kann. Schade finde ich es nur, dass das
     stellen kann, alt zu werden.“ Lisa Zent-    merachsen, Fensterflächen und weit in      Schwimmbad leider erst um 13 Uhr auf-
     ner ist Architektin und Consulterin. Die    die Ferne reichenden Ausblicke dar. Ich    sperrt. Das versperrt vielen, die in der
     54jährige betreute und prüfte bereits       möchte dieses Gefühl nie wieder mis-       Früh zum Tagesstart gerne ein paar Län-
     viele, viele Wettbewerbe und wirkte         sen.“ Während die Wohnküche mit Ess-       gen ziehen würden, den Zugang. Solche
     beim Wiener Geriatriekonzept von 2008       tisch, Stahlregalen und einigen präzise    organisatorischen Details müssten noch
     bis 2016 als Leiterin und Koordinatorin     platzierten Kunstwerken das Zentrum        optimiert werden.“

12    WOHNENPLUS . 4|2018
THEMA

                                                                            Foto: Robert Newald
Leistbarkeit ist die DNA des sozialen Wohnbaus. Doch wie kann sie
beibehalten werden, in Zeiten des Kostendrucks bei Bauträgern und
der stagnierenden Einkommen bei Bewohnern? Sind die „goldenen
Zeiten“ vorbei? Müssen die Gemeinnützigen alleine die schwerer
gewordene Verantwortung für leistbares Wohnen schultern, oder ist
auch die Politik gefragt? Sind Initiativen wie das Smart-Wohnbau-
programm erfolgreich? Kurzum: Welcher Weg ist denn wirklich ein

Smarter Weg
zu Leistbarkeit
und wer muss dazu welchen Beitrag leisten? Und – was ist das
eigentlich genau: Leistbarkeit? Der aktuelle Stand der Diskussion wie
auch Best-Practice-Beispiele und visionäre Ansätze für neue Zugänge
zu kostengünstigem Wohnraum für Bauträger als auch Bewohner,
spiegeln ein buntes Bild wider, das zeigt, dass leistbares Wohnen ohne
Verlust der gewohnten Qualitäten durchaus umsetzbar ist.
                                                                         WOHNENPLUS . 4|2018      13
THEMA

              Leistbarkeit in der Krise?

     Zwar steht Österreich im
     europäischen Vergleich noch
     gut da, doch sind auch hier
     neue Lösungen gefordert.
     Trotz einer Vielzahl an smarten
     Wegen – leistbarer Wohnraum
     ist mehr denn je die größte
     Herausforderung der Bauträger.

     MAIK NOVOTNY

                                                                                                                                                                                      Foto: Robert Newald
                                                  Wohnhausanlage„Wohnregal“ im Wiener Sonnwendviertel, ein ambitioniertes Projekt der Heimbau, geplant von Geiswinkler Architekten.

     H
              eute könnten wir das nicht          Pro Kind werden 371 Euro, pro weiterem                             für immer mehr Menschen unleistbar zu
              mehr finanzieren.“ So ließ sich     Erwachsenen 618 Euro dazugezählt.                                  werden. Gleichzeitig steigt der Wohn-
              ein Bauträger vernehmen, als             Ein Aufwand von 25 bis höchstens                              bedarf für junge Berufsstarter, Senioren,
              der WohnenPlus-Praxis-Check         30 Prozent des Nettoeinkommens fürs                                Singles und Alleinerzieher. Einer der
     im Wiener Sonnwendviertel Station beim       Wohnen gilt als Obergrenze der Leist-                              Gründe, warum die Stadt Wien 2012 das

                                                                                                                             ”
     Projekt „Wohnregal“ machte, und deutete      barkeit. Noch steht Österreich hier im
     vielsagend in Richtung der Wohnanlagen       internationalen Vergleich gut da (siehe
     zwischen Sonnwendgasse und Helmut-           Infokasten Seite 17), doch die Armuts-                                           Wir stehen schon
     Zilk-Park mit ihrem teils reichhaltigen      gefährdung betrifft immer mehr. „Die                                        mit dem Rücken zur Wand.

                                                                                                                                                                    „
     Angebot an Gemeinschaftsräumen. Dass         durchschnittliche Mietbelastung bei den
     man sich im geförderten Wohnbau vieles       jungen Arbeitnehmer-Haushalten beträgt                                   Aber im internationalen Vergleich
     nicht mehr leisten könne, was noch vor       rund ein Viertel des monatlichen Haus-
     fünf bis zehn Jahren möglich war, hört       haltsnettoeinkommens“, befand schon
                                                                                                                                 sind wir im Paradies.
     man heute immer öfter. Die goldenen          2014 eine Studie der Arbeiterkammer. Im                                                  Robert Korab
     Zeiten, so der Konsens, seien vorbei.        privaten Mietsektor belaufe sich diesel-                                          Büro raum&kommunikation
         Leistbarkeit ist die Essenz des sozi-    be auf rund 28 Prozent, im geförderten
     alen Wohnbaus. Ist diese Leistbarkeit in     Segment auf rund 25 Prozent. Das klingt,                           Smart-Wohnbauprogramm ins Leben rief
     der Krise? Nicht nur für Bauträger wird      als sei man auf der sicheren Seite. Doch                           – mit einer maximalen Bruttomiete von
     der Kostenrahmen immer enger, auch           für 15 Prozent der Haushalte sei es aus                            7,50 Euro, maximal 60 Euro Eigenmit-
     in der Zielgruppe haben sich die Bedin-      finanziellen Gründen zumindest bei län-                            teln pro Quadratmeter und einem Jah-
     gungen verändert. 1.563.000 Menschen         geren Kälteperioden nicht möglich, die                             reseinkommen von (damals) nicht mehr
     waren in Österreich laut Statistik Austria   Wohnung angemessen warm zu halten.                                 als 25.690 Euro pro Person oder 38.280
     im Jahr 2017 armuts- oder ausgrenzungs-                                                                         Euro für einen Zweipersonenhaushalt –
     gefährdet – das sind 18,1 Prozent der        Smarte Lösungen                                                    beim Nachweis des begründeten Wohn-
     Bevölkerung. Als Schwelle für Armuts-        In Zeiten von steigenden Lebenshal-                                bedarfs.
     gefährdung galt 2017 ein Monatseinkom-       tungskosten und stagnierenden Einkom-                                  Heute sind knapp 1.500 Smart-Woh-
     men von 1.238 Euro für Alleinlebende.        men droht auch das leistbare Wohnen                                nungen fertiggestellt. Wie etabliert dieser

14    WOHNENPLUS . 4|2018
THEMA

Wohntypus inzwischen ist, zeigte sich im
September bei der Wohnmesse, auf der
ein Möbelhersteller ein 1:1-Modell einer
Smart-Wohnung aufbaute, um zu de-
monstrieren, wie diese vorschriftsgemäß
mit Standardmöbeln eingerichtet wer-
den kann. Im Mai 2018, zur Amtsüber-
gabe von Michael Ludwig an die neue
Wohnbaustadträtin Kathrin Gáal, startete
das neueste Wiener Wohnbauprogramm,
das 13.800 geförderte Wohneinheiten bis
2020 auf Schiene bringen will, gekoppelt
mit einer Neuregelung der Wohnbauför-
derung wie der Streichung der Baukos-
tenobergrenze von 1.800 Euro pro Qua-

                                                                                                                                                                       Foto: Robert Newald
dratmeter.
     Ambitioniert – doch genügt das, um
den Bedarf abzufedern? Und erreicht das
Smart-Wohnbauprogramm wirklich jene,        Das „Wohnregal“ verfügt über bunte Boxen, die allen zur Verfügung stehen. Obmann Peter Roitner ist darauf stolz.
die den Wohnraum am dringendsten
brauchen? Auch beim Praxis-Check im         „Bei vielen Wohnbauträgern in Deutsch-                              men von 2.200 Euro. Werte, die deutlich
„Wohnregal“ (Bauträger: Heimbau, Ar-        land gilt heute, dass 40 Prozent des Net-                           unter denen bei normalen geförderten
chitekten: Geiswinkler & Geiswinkler),      toeinkommens für die Miete abschöpfbar                              Wohnungen liegen. „Was das für den
das aus dem ersten Bauträgerwettbewerb      sein muss. Dadurch kommt es zu einer                                Einzelnen für die Leistbarkeit bedeutet,
mit Smart-Wohnungen hervorging, wurde       Privatisierung von Gewinnen – mit Kos-                              hängt jedoch von der Lebenssituation
über den Begriff der Leistbarkeit disku-    ten, die die Gesellschaft tragen muss.“                             ab“, so Roitner.
tiert (mehr dazu im Bericht ab Seite 23).        Doch wer sind nun die Bewohner
     „Die enorme Nachfrage zeigt, dass      der Smart-Einheiten, und was verdienen                              Leistbarkeit und Wohnungskrise
wir genau das richtige Modell anbie-        sie tatsächlich? Heimbau-Geschäftsführer                            Soziale Durchmischung, wie sie in den
ten“, verteidigte der Wohnfonds-Vize-       Peter Roitner hat die Zahlen parat: Bei                             Wohnanlagen mit Smart-Anteil praktiziert
geschäftsführer Dieter Groschopf das        den Smart-55-Typen beträgt die durch-                               wird, bleibt eine der wichtigsten Richt-
Smart-Programm als richtige Idee zur        schnittliche Haushaltsgröße 1,24 Perso-                             linien. Auch Wolfgang Förster, langjäh-
richtigen Zeit. „Mit dem vorgeschriebe-     nen und das Haushaltseinkommen netto                                riger Leiter der Wiener MA 50 (Magis-
nen Anteil von einem Drittel ist aller-     1.400 Euro. Bei den Smart-70-Typen sind                             tratsabteilung für Wohnbauforschung)
dings ein Volumen erreicht, dass man        es rund drei Personen und ein Einkom-                               unterstreicht diesen Aspekt in der soeben
nicht steigern kann, und die Konditionen
sind auch längst am Limit.“

Ein guter Richtwert
„Bei einem Medianeinkommen von 1.700
Euro netto kostet eine Smart-Wohnung
ein Viertel des Einkommens, selbst, wenn
wir günstig bauen“, so Robert Korab vom
Büro raum&kommunikation. „Wir stehen
schon mit dem Rücken zur Wand. Aber
im internationalen Vergleich sind wir im
Paradies“. Wichtig sei die soziale Nach-
haltigkeit und die Vermeidung von Ghet-
tos. Denn bei einem Wohnkostenanteil
von 50 Prozent am Einkommen verschär-
fe sich die Ungleichheit, weil sich die
Menschen auch die Bildung nicht mehr
leisten könnten, so Korab.
     Eine zahlenmäßige Fixierung bei der
Bemessung des Aufwands für Wohnen
sei angesichts der Ausdifferenzierung
der Gesellschaft zwar schwierig, so der
Wohnbauforscher Joachim Brech, doch
sei der maximale Anteil von 25 Prozent
                                                                                                                                                                       Foto: Buwog

am Nettoeinkommen ein guter Richtwert.
Auch er sieht Österreich im internationa-
len Vergleich noch als Land der Seligen.    Dichter Mix aus Eigentum und Miete: Wohnanlage Rivus der Buwog in Wien-Atzgersdorf.

                                                                                                                                                 WOHNENPLUS . 4|2018           15
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                                                                                                                                                                                      Foto: Andreas Buchberger
     Smart-Wohnen der Sozialbau AG in Wien-Simmering, Architektur von Lorenz Ateliers.

     erschienenen Publikation „Das Wiener                             „Die Wohnungen basieren auf intelligen-                           und geförderte Wohnungen vereint (Ar-
     Modell 2 – Wohnbau für die Stadt des                             ten Komplettlösungen, die gut durch-                              chitekten: BEHF, Hillinger-Mayrhofer und
     21. Jahrhunderts“: „Vor allem in der gegen-                      dacht und alltagstauglich sind. Kompakte                          Lorenz Ateliers). In den Bauteilen Rivus I
     wärtigen Debatte wird hervorgestrichen,                          Grundrisse sorgen dafür, dass alle Wohn-                          und II werden ausschließlich Eigentums-
     dass Wohnen einen Teil der Daseinsvor-                           flächen optimal genutzt werden können.                            wohnungen (Quadratmeterpreis zwi-
     sorge darstellt, also ebenso wie Bildung,                        Mietkosten für nicht unbedingt nötige                             schen 3.500 und 4.000 Euro) angeboten,
     Gesundheit oder öffentlicher Verkehr                             Flächen werden vermieden“, so die Ar-                             in Rivus III insgesamt 181 Mietwohnun-
     nicht zur Gänze den Marktgesetzen un-                            chitekten. Auch drei Jahre nach Bezug ist                         gen im Rahmen der Wiener Wohnbau-
     terliegen kann. Wohnen bildet gemäß                              hier kein Qualitätsunterschied zum sons-                          initiative, die im August 2018 übergeben
     internationalem Recht explizit auch ein                          tigen geförderten Wohnbau in der Nach-                            wurden. Der bereits 2017 bezogene Bau-
     Menschenrecht. Strittig ist nur, wem der                         barschaft spürbar.                                                teil Rivus Quartus an der Breitenfurter
     soziale Wohnbau zu Gute kommen soll:                                                                                               Straße wurde als Mix von 30 Eigentums-
     nach derzeitiger Ansicht der EU-Kommis-                          Breiter und bunter Mix                                            und 100 Mietwohnungen errichtet. Die
     sion nur einem kleinen Kreis wirklich Ar-                        Einen breiter aufgestellten Mix in einem                          auffällige rote Blechfassade setzt hier ein
     mer, nach Ansicht vieler NGO und vieler                          ähnlich groß angelegten Stadtentwick-                             Zeichen, dass auch im Mietwohnungsbe-
     Städte auch Haushalten der Mittelschicht,                        lungsgebiet realisiert die Buwog zurzeit                          reich trotz sehr hoher Bebauungsdichte
     um das Entstehen von stigmatisierten So-                         auf den ehemaligen Unilever-Gründen in                            ein gewisser Qualitätsanspruch besteht,
     zialghettos zu verhindern.“                                      Wien-Atzgersdorf. Unter dem Projekttitel                          ohne sichtbaren Unterschied zu den frei-
                                                                      Rivus I, II, III und Rivus Quartus, der auf                       finanzierten Bauteilen. Ein Supermarkt,
     Leistbarkeit und Qualiltät                                       den nahen, allerdings wenig flussartigen,                         ein Kindergarten und eine Volksschule
     Trotz dieser Krisenszenarien sind die                            Liesingbach verweist, sind freifinanzierte                        werden ebenfalls auf dem Areal errich-
     Bauträger weiterhin aktiv bemüht, Leist-
     barkeit und Qualität im Wohnbau im
     Gleichgewicht zu halten. In den Bau-
     träger-Wettbewerben mit Smart-Woh-
     nungs-Anteil wurden zahlreiche Möglich-
     keiten dieser Typologie ausgelotet, von
     seriell-flexibler Anordnung wie im Wohn-
     regal bis zu Grundrissen, die den Anteil
     an Verkehrsflächen minimieren.
          Ein weiterer Frühstarter im Programm,
     kurz nach der Anlage im Sonnwendvier-
     tel, wurde in Wien-Simmering, 2012 bis
     2015 realisiert. 250 der insgesamt 469
     Wohneinheiten sind hier smart, die Stadt
     Wien steuerte 22,3 Millionen von insge-
     samt 56,5 Millionen Euro Baukosten an
     Fördermitteln bei. 140 Wohneinheiten
                                                                                                                                                                                      Visualisierung: www.oln.at

     umfasst der vom Büro Lorenz Ateliers für
     die Sozialbau AG realisierte Bauteil, der
     auch einen Kindergarten beinhaltet. Alle
     Smart-Wohnungen wurden mit Loggien,
     Balkonen oder Terrassen ausgestattet, die
     Grundrisse auf Nutzbarkeit hin optimiert.                        Bewegung als integrativer Faktor: Seebogen Aktiv von AH und Neues Leben in der Seestadt Aspern.

16    WOHNENPLUS . 4|2018
THEMA

tet. Obwohl nicht gemeinnützig, ordnet
die Buwog selbst 90 Prozent ihres Miet-
wohnungsbestandes und 85 Prozent ihrer
Eigentumswohnungen in die Kategorie
„leistbar“ ein (siehe Interview Seite 19).
     Ein noch bunterer Mix kündigt sich
auf dem Baufeld G12A in der Seestadt
Aspern an, für das Neues Leben und die
Gemeinnützige Siedlungsgenossenschaft
Altmannsdorf und Hetzendorf zusammen
den Bauträgerwettbewerb gewannen.

                                                                                                                                                                                                          Visualisierung: Schreiner Kastler
Unter dem Titel „seebogen:aktiv“ werden
218 Wohnungen errichtet, darunter 81 ge-
förderte Mietwohnungen, 41 Smart-Woh-
nungen mit Superförderung, 51 geför-
derte Eigentumswohnungen und 45
freifinanzierte Wohnungen (Architekten:      Leistbarkeit plus soziale Integration: Die Preyerschen Höfe der Gesiba in Wien-Favoriten.
Einszueins und Tillner & Willinger). Die
Smart-Wohnungen sollen auf alle Häu-
ser über alle Geschosse verteilt werden
und in allen Größen angeboten werden.             Was ist noch leistbar?
Zusätzlich werden „smartfähige Wohnun-            Rund 25 Prozent des Nettoeinkom-
gen“ konzipiert, die leistbares Wohnen            mens müssen hierzulande für Wohn-
auch außerhalb des Smart-Wohnbaupro-              kosten bezahlt werden. Laut Eurostat
gramms ermöglichen sollen. Unter dem              liegt Österreich damit deutlich unter
Begriff „Smart+“ werden Plug-In-Räume             dem EU-Durchschnitt. In Deutsch-
im Gangbereich vor den Wohnungen an-              land, wo die Wohnungsgemeinnützig-
geordnet, die als Waschküchen, Winter-            keit 1990 abgeschafft wurde, herrscht
gärten oder Kinderwagenräume genutzt              heute eklatanter Wohnungsmangel.
werden können. Zusätzliche Flex-Einhei-           Experten sprechen von einem Defizit
ten können bei Bedarf als Arbeitsraum             von etwa einer Million Wohneinhei-
oder Jugendwohnung temporär dazu ge-              ten. 40 Prozent der Haushalte in den
mietet werden.                                    Großstädten zahlen mehr als 30 Pro-

                                                                                                                                                                                 Grafik: Housing Europe
                                                  zent für die Miete, das entspricht 8,6
Soziale Integration                               Millionen Menschen. Dies ergab eine
Besondere integrative Funktion kommt              von der Hans-Böckler-Stiftung geför-
bei seebogen:aktiv – wie der Name schon           derte Studie an der Humboldt-Univer-
andeutet – dem Sport und der Bewe-                sität Berlin. Gut eine Million Haushal-                          Leistbarkeit in Gefahr: Überlastete Haushalte, die mehr als
gung zu. Schon seit Beginn wird mit der           te müssen sogar mehr als 50 Prozent                              40 Prozent des Einkommens für Wohnkosten aufwenden,
Sport-Union kooperiert. Eine Boulder-Bar          ihres Einkommens für die Miete auf-                              im Europa-Vergleich.
und ein Yoga-Raum sind vorgesehen, für            wenden. Europa-Spitzenreiter der
eine Sporthalle wartet man zurzeit noch           Nichtleistbarkeit ist London, wo der                             kosten inklusive Betriebskosten im
auf die Zusage des Nutzers. „Aktive Erd-          Wohnkostenanteil in manchen Bezir-                               Durchschnitt um 15 Prozent von 6,70
geschosse“ stellen die Verbindung zum             ken bis zu 90 Prozent beträgt.                                   auf 7,60 Euro. Die höheren Steige-
angrenzenden, geplanten Südpark mit                   Mieten steigen, Einkommen nicht.                             rungsraten waren in diesem Zeitraum
seinem Bewegungsschwerpunkt her. Ein              Auch der Dachverband Housing Eu-                                 bei privaten Mietwohnungen sowie
Standort der Wiener Stadtbibliothek und           rope warnt in seinem Bericht 2017                                bei Genossenschaftswohnungen zu
des Vereins Wien-Xtra Jugendinfo sollen           im Kapitel Leistbarkeit davor, dass in                           verzeichnen. Im Bundesländerver-
als Wissens- und Jugendschwerpunkt zu-            der ganzen EU die Mietkosten stärker                             gleich liegt Salzburg mit durchschnitt-
sätzlich integrativ wirken. Für das eben-         stiegen als die Einkommen und viele                              lich 9,20 Euro bei allen Hauptmietwoh-
falls vorgesehene Konzept Wohnen &                Haushalte von Wohnkosten überlas-                                nungen an der Spitze, das Burgenland
Arbeiten mit 13 Büros, Ateliers und Ge-           tet seien, vor allem in krisengebeu-                             ist mit 5,80 Euro am günstigsten. 75
schäftslokalen wird in einem eigenen              telten Ländern wie Griechenland.                                 Prozent aller Personen haben Wohn-
Verfahren über die Projekthomepage die            11,3 Prozent der EU-Bevölkerung sei                              kostenanteil am Haushaltseinkommen
Nachfrage erhoben.                                von Überlastung betroffen, bei den                               von maximal 22 Prozent und liegen
     Auf soziale Integration als zusätzli-        Armutsgefährdeten seien es jedoch                                damit im „grünen Bereich“. Unter den
che Absicherung der Leistbarkeit setzt            schon 39,3 Prozent.                                              armutsgefährdeten Personen – rund
man auch bei der Wohnanlage Preyer-                   Doch auch in Österreich ist nicht                            18 Prozent der Gesamtbevölkerung
sche Höfe auf dem Gelände des ehema-              alles rosig. Von 2013 bis 2017 stiegen                           – müssen drei Viertel bis zu 54 Pro-
ligen Preyer’schen Kinderspitals in Wien-         laut Statistik Austria („Wohnen 2017“,                           zent ihres Haushaltseinkommens fürs
Favoriten. Dies war bereits Grundlage             publiziert im Oktober 2018) die Miet-                            Wohnen aufwenden.
des Bauträgerwettbewerbs.

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