ZÜRCHER STATISTISCHE NACHRICHTEN - Jahrgang April/Juni

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ZÜRCHER STATISTISCHE NACHRICHTEN
18. Jahrgang              1941 * 2. Heft                 April/Juni

 FRIEDHÖFE UND BESTATTUNGSWESEN
       IN DER STADT ZÜRICH
                     EINST UND JETZT
  VON DR. A. SENTI UND ALT VORSTEHER DES FRIEDHOF- UND
              BESTATTUNGSAMTES H. PFENNINGER

                          EINLEITUNG

    Das Bestattungswesen hat von jeher und überall im Lehen der
Völker eine wichtige Rolle gespielt, und es kommt ihm auch jetzt
noch, vor allem in der Verwaltung unserer Städte, eine große Bedeu­
tung zu. Es schien uns eine reizvolle Aufgabe, seiner heutigen Rege­
lung in der Stadt Zürich eine kurze Darstellung zu widmen, im Vor­
beigehen zugleich einen Blick auf die Verhältnisse, wie sie früher
bestanden, zu werfen und eine Statistik der Bestattungen und
Friedhöfe anzuschließen.
    Dem menschlichen Empfinden war es stets ein natürliches Be­
dürfnis, der Verehrung und Liebe für verstorbene Verwandte und
Freunde oder für bedeutende Persönlichkeiten durch angemessene
Bestattungsfeierlichkeiten Ausdruck zu geben und zur Erinnerung
an geliebte oder verehrte Verstorbene den Ruhestätten der Dahin­
geschiedenen einen würdigen Schmuck zu verleihen. So findet man
selbst bei den primitivsten Völkern einen Totenkult, der teils auf
religiös-mythischen Motiven beruht, teils der Furcht vor den Ab­
geschiedenen entspringt. Darauf ist es zurückzuführen, daß die
Grabstätten und den Toten beigegebene Gegenstände: Schmuck,
Waffen, Spielzeuge, Geräte, Kleider, Spezereien und ähnliches nicht
selten aufschlußreichste Dokumente bilden, welche uns Kunde geben
vom Dasein der Menschen, die vor Jahrtausenden existiert haben.
                                                                 99
Von manchen alten Kulturvölkern (Ägyptern, Babyloniern, Assy-
rern), bei denen der Totenkult eine besonders große Rolle spielte,
sind imponierende Bauwerke als dauernde Denkmäler von Fürsten
und Heerführern erhalten; es sei nur an die Pyramiden mit den
Grabfunden z. B. von Tut-ench-Amun erinnert. Vor allem aber
besitzen wir von den Griechen und Römern zahlreiche Kunstwerke:
Monumente, Sarkophage, Aschenurnen, die zeigen, wie die Antike
die Toten geehrt hat. Im Mittelalter dienten durchwegs das Innere
und die nächste Umgebung der Kirchen als Begräbnisstätten, wo
für angesehene Personen kunstvolle Grabdenkmäler und Familien­
grüfte erstellt wurden, während die übrigen Verstorbenen auf den
Kirchhöfen beerdigt wurden. Die Reformation hat hier in prote­
stantischen Gegenden gründlich Wandel geschaffen; aber es ver­
gingen doch noch Jahrhunderte, bis man sich entschloß, die Fried­
höfe außerhalb des Weichbildes der Städte anzulegen und den For­
derungen der Hygiene im Bestattungswesen überhaupt Rechnung
zu tragen.
    Wir wollen versuchen, in einem knappen historischen Überblick
die Entwicklung in Zürich zu skizzieren, bevor wir das heutige
Beerdigungs- und Friedhofswesen etwas einläßlicher beschreiben.
Die in Betracht kommenden Gesichtspunkte kulturhistorischer,
religiös-ethischer, hygienischer, rechtlicher, ästhetischer, städte­
baulicher, sozialer und finanzieller Natur sind so mannigfaltig, daß
sie in unserer Skizze bloß gestreift, nicht aber erschöpfend behandelt
werden können.

             DIE ZEIT VOR DER REFORMATION

    Da unsere Stadt auf uraltem Kulturboden steht, der mindestens
seit dem dritten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung besiedelt
war, ist es selbstverständlich, daß in Zürich selber wie in seiner Um­
gebung wiederholt Funde von prähistorischen Gräbern ge­
macht wurden. Allerdings fehlen bei uns wie an andern Orten
bisher einwandfrei zuteilbare Gräberfunde der Pfahlbauer voll­
ständig, trotzdem von solchen in unserer Seebucht mehrere Siede­
lungen nachweisbar sind. Überreste von Gräbern aus keltischer,
römischer und alemannisch-fränkischer Zeit sind dagegen verschie­
dentlich gefunden worden. So hat man «im Frühjahr 1832 auf dem
Burghölzli einen Grabhügel entdeckt, welcher Überbleibsel aus der
100
keltischen Urzeit enthielt»1. Der gleichen Zeitepoche, der Hall­
stattzeit (etwa dem 6. Jahrhundert v. Chr.) entstammten im Heizen­
holz (im Gebiet von Höngg) und in Witikon aufgefundene Gräber.
Der La Tène-Zeit (5. Jahrhundert v. Chr.) gehören keltische Gräber­
funde an, die auf dem Utliberg gemacht worden sind. Wir können
uns dabei nicht länger aufhalten.
     Dagegen sei in diesem Zusammenhang auf ein besonders interes­
santes Monument aus römischer Zeit nachdrücklich hingewiesen:
den ältesten auf dem Gebiet der Stadt Zürich aufgefundenen und
erhaltenen Grabstein, der zugleich die älteste Urkunde bildet, die
                                           den Namen Zürichs überliefert hat.
                                           Vor bald zweihundert Jahren, Anno
                                           1747, ist nämlich auf dem Lindenhof
                                           der hier abgebildete Stein gehoben
                                           worden, der jetzt im Schweizerischen
                                           Landesmuseum aufgestellt ist und die
                                           folgende Inschrift trägt: «D. M. Hic
                                           situs est Lucius Aelius Urbicus qui
                                           vixit anno uno mensibus quinque die-
                                           bus quinque. Unio Augusti Libertus
                                           Praepositus Stationis Turicensis Qua-
                                           drogesimae Galliarum et Aelia Secun-
                                           dina parentes dulcissimo Mio ». Das
                                           heißt: «Den Totengöttern geweiht.
                                           Hier liegt begraben Lucius Aelius Ur­
                                           bicus, seines Alters ein Jahr, fünf Mo­
                                           nate, fünf Tage. Unio, des Kaisers Frei­
                                           gelassener, Vorsteher der Zollstätte Tu­
                                           rbami für den Vierzigstel der Waren
                                           aus Gallien, und Aelia Secundina haben
                                           den Grabstein ihrem teuersten Knaben
                                           gesetzt.»
                                              Aus römischer Zeit sind außer die­
               Phot. Schweiz. Landesmuseum
                                           sem berühmten Grabstein aus der Zeit
            Grabstein                      nach 117 n. Chr. auf dem Lindenhof
   des Lucius Aelius Urbicus,              noch zwei weitere Grabsteine gefunden
gefunden auf dem Lindenhof in Zürich,          j     T1  j  r       v      t'   i
aufbewahrt im Schweiz. Landesmuseum        "worden. xLs dari aus diesen runden
                                           nicht geschlossen werden, daß in römi-

    J 95. Neujahrsblatt, herausgegeben von der Hülfsgesellschaft in Zürich, auf
das Jahr 1895, S. 5.
                                                                             101
scher Zeit auf dem Lindenhof ein Bestattungsplatz gewesen sei;
vielmehr sind die alten Grabsteine, die dort eingemauert waren,
wahrscheinlich erst im Mittelalter als Baumaterial dorthin verbracht
worden. Dagegen sind aus der gleichen Epoche auf dem Areal des
alten Postgebäudes (Zentralhofes) an der Poststraße Funde von
Aschenurnen gemacht worden, die als Reste eines dortigen römischen
Friedhofes, von sogenannten Brandgräbern, anzusehen sind.
    Der alemannisch-fränkischen Zeit, dem 6. Jahrhundert
n. Chr. gehörte ein ausgedehntes Gräberfeld an, das um 1900 an
der Bäckerstraße im Kreis 4, aufgedeckt worden ist, und dessen reich­
haltige Funde sich im Schweizerischen Landesmuseum befinden. —
    Im Mittelalter sind die Friedhöfe — «Kirchhöfe» — in unmittel­
barer Nähe der Kirchen angelegt worden; man fand dort gelegent­
lich entsprechende Überreste und aus späterer Zeit besitzen wir
auch urkundliche Nachrichten. «Die Hügelkuppe, über die in rö­
mischer Zeit und im frühen Mittelalter die rechtsufrige Straße ge­
führt haben dürfte, muß im hohen Mittelalter als Friedhof gedient
haben; die Auffüllung des Plateaus, das für den Bau der heutigen
Kirche (des Großmünsters) zu schaffen war, ist bis zu einer Tiefe
von 7 Metern vollständig von Knochen durchsetzt.»1)
    Aus spätmittelalterlicher Zeit wird die Friedhofanlage beim
Großmünster ausdrücklich erwähnt: «cimiterium prope domum
C. militis dicti Wellin» (1256); «atrium superius» oder «atrium
ecclesiae praepositurae» (1408); «cimiterium ecclesiae S.S. Felicis
et Regulae praepositurae Thuricensis» (1402). Zum erstgenannten,
«untern», südwestlichen Teil gab es vom Oberdorf her durch ein
Tor einen Zugang, zum «oberen» von der Kirch- (bzw. Römer-)
gasse durch eine Treppe und durch ein kapellenartiges Tor. In der
Kirche selber befanden sich Grabstätten von Pröpsten und von
vornehmen Laien; ausdrücklich erwähnt wird eine solche für Hein­
rich Manesse und dessen Gattin Adelheid. Heute noch sind einige
dem Gedächtnis von Verstorbenen gewidmete, an die Wände des
Schiffes, des südlichen Treppenhauses und der Zwölfbotenkapelle
gemalte Inschriften aus dem 15. und dem Anfang des 16. Jahr­
hunderts erhalten. Zwei der vollständig überlieferten lauten: «Anno
domini MCCCCXXII / sexta Kalendas Aprilis obijt dominus Joh.
Kienast altaris / sanctorum apostolorum capei / lanus. orate pro

    t) Konrad Escher: Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich. Bd. IV: Die
Stadt Zürich, Erster Teil. Basel 1929. S. 313.

102
eo.» und «Anno domini MCCCCLXXXII / in die Sanctae Bar-
barae virginis / Obijt Venerabili dominus Gebhardus / Amhoff
 canonicus huius ecclesiae cuius / anima Requiescat in sancta pace /
Amen.» (Escher a. a. O., S. 146.)
     Aus vorreformatorischer Zeit ist ferner ein Grabstein des 1450
gestorbenen Jakob Schwarzmurer und seiner Gattin Agnes erhalten
und «In dem vom Kreuzgang umschlossenen Kreuzgarten bestand
 1430 bis 1565 die Kapelle der Heiligen Jacobus und Jodocus als
Erbbegräbnis der Familie Göldli.»
     Das «Kreuzgärtlein» des Fraumünsters diente wohl seit der
Erbauungszeit des Stiftes als Bestattungsplatz für die Stiftsdamen.
Daneben ist zu unbestimmter Zeit außen an der Nordseite der Kirche
ein Begräbnisplatz angelegt worden. Um 1437 wurde an die Ost­
seite des Nordturms ein Beinhaus angebaut. Im Erdgeschoß des
 Südturms sind ebenso wie im Groß­
münster Reste von mittelalterli­
chen Grabinschriften und im süd­
lichen Flügel des Querschiffes u. a.
eine Grabplatte des Ritters Be-
renger von Wile (gestorben 1280)
erhalten, im nördlichen Flügel des
Querschiffes die Grabsteine Hans
Waldmanns und seiner 1496 ge­
storbenen Frau. Das Grabmal des
am 6. April 1489 enthaupteten be­
deutenden Zürcher Bürgermeisters
sei hier bildlich wiedergegeben.
    Fragmente von, dem 14. Jahr­
hundert angehörigen, Grabplatten
der Fraumünster Äbtissinnen Mech-
tild von Wünnenberg und Elisa­
beth von Matzingen besitzt das
Schweizerische Landesmuseum.
    Ein Friedhof bei der Prediger­
kirche wird erstmals 1242 er­
wähnt; er diente als Klosterfried­
hof des Dominikaner- oder Predi­
                                                                    Phot. Gallas
gerklosters. Erst vor wenigen Mo­
                                       Grabplatte des Bürgermeisters
naten ist auf der Nordseite des goti­    Hans Waldmann (f 1489)
schen Chors eine interessante Grab­        In der Fraumünsterkirche

                                                                          103
platte aus dem 13. Jahr­
                                                 hundert aufgedeckt wor­
                                                 den, die einst die letzte
                                                 Ruhestätte des um 1270 ge­
                                                 storbenen Predigermönchs
                                                 Heinrich von Ruchenstein
                                                 zierte, dann im 14. Jahr­
                                                 hundert als Sturz einer
                                                 Türöffnung im Chor 23
                                                 Meter über dem Erdboden
                                                 eingemauert worden ist,
                                                 und nun im Lesesaal des
                                                 Staatsarchives aufgestellt
                                                 wurde.
                                                      Skelettfunde, die im
                                                 19. Jahrhundert und in
                                                 den letzten Jahren zufällig
                                                 bei Ausschachtungen oder
                                                 aber durch planmäßige
                                                 Grabungen gemacht wor­
                                                 den sind, führten zur Fest­
                                                 stellung mittelalterlicher
                                                 Gräberfelder auf dem Lin­
                                                 denhof, wo eine 1384 er­
                                                 wähnte Kapelle gestanden
                                                 sein soll, und an den Un­
                                                 tern Zäunen. Hier ist man
                                                 bei Grabarbeiten vermut­
                                                 lich auf den Friedhof des
                                                 einstigen Barfüßerklo­
                                                  sters gestoßen, indessen
                                                 völlig umgebautem Ge­
                                                 bäudekomplex, dem Ob­
                                                 mannamt, heute das Ober­
                                                 gericht untergebracht ist.
                                                 Aus der Barfüßerkirche
                                                 stammt die Grabplatte
                                                 des Freiherrn Ulrich I.
Grabplatte des Freiherrn Ulrich von Regensberg   von Regensberg (gestor­
               Aus der Barfüßerkirche
      jetzt im Schweizerischen Landesmuseum      ben zwischen 1277 und
104
1280), der bisher einzige bekannte figürliche Grabstein auf stadt­
zürcherischem Boden — heute im Schweizerischen Landesmuseum.
Dort befand sich ferner im 15. Jahrhundert die Familiengruft des
Ritters Götz Escher.
    Yon einem Friedhof bei der Augustinerkirche besitzen wir
keine Nachrichten. Dagegen befanden sich dort die Wappen der
Wohltäter des Klosters, die in seinen Mauern bestattet waren, im
Refektorium auf die Wände gemalt: Maneß, Burkhart von Warten­
see, Biber, Oeri, Schafli, Müller und Stagel. Im Seitenschiff ist der
Grabstein des Vigilius Gradner von 1467 in die Wand eingemauert.
(Inschrift: «Hie lit her Wiguloys der gradner ritter dem got genedig
sy und starb am dunstag vor dem balmtag Anno dm. MCCCCLXVII ».)
Nachdem das Kloster im Jahre 1524 aufgehoben worden war, wurde
die Kirche fortan zu profanen Zwecken benützt.
    Bei der St. Peterskirche, die im Mittelalter die einzige mit
keinem Stift verbundene Pfarrkirche in Zürich war, bestanden
Friedhöfe sowohl auf der kleineren, südlichen, wie auf der größeren,
nördlichen, Peterhofstatt. Im Chor
ist der große Zürcher Bürger­
meister Rudolf Brun beigesetzt
worden; die stark beschädigte
Grabplatte, die im Jahre 1936
vorübergehend aufgedeckt wurde,
trägt am Rand die Inschrift :
«Anno domini MCCCLX XV ka-
lend. octob. ob. dominus Rudolf
Brun, miles, prim. mgr. civium».
    Ein weiterer Friedhof bestand
im Mittelalter bei einer St. Ste­
phanskirche oder -kapelle auf dem
Areal des heutigen Freien Gym­
nasiums an der St. Annagasse. Als
dieses Gotteshaus zur Zeit der
Reformation geschlossen wurde,
ist vielleicht auch der Kirchhof
von St. Stephan nicht mehr
benützt worden. —
    Was Staatsarchivar Türler für
                                          Grabstein des Bürgermeisters
Bern berichtet, daß nämlich vor
                                                   Rudolf Brun
der Reformation so viele Begräb­         (t 1360). Im Chor der Peterskirche

                                                                      105
nisplätze bestanden als Kirchen, worin die Seelsorge ausgeübt
wurde, gilt demnach auch für unsere Stadt. Übrigens war das
Bestattungswesen bereits im Mittelalter wohl geordnet. Eine 1336
erlassene Totengräberordnung verfügt u. a.: «Das ob dem boum
(Sarg) so er geleit wirt, ein eine von dem ertrich hoh si», ferner:
« Swas aber armer lüten, umb die kuntlich, das si begrebte nicht
geleisten mugen, da suln die grebil ze ieklicher lütkilchen umbsunst
graben». (Wirz, Hans Georg: Grundzüge der öffentlichen Gesund­
heitspflege im alten Zürich, in: Gesundheits- und Wohlfahrtspflege
der Stadt Zürich. Zürich 1909, S. 516.)
    Lehrreich ist eine aus dem Anfang des sechzehnten Jahrhunderts
stammende, das damalige Friedhofwesen betreffende Nachricht.
«1515 wurde bei einer Beratung über die Kirchhöfe vorgeschla­
gen, die Leute von Fluntern, Hottingen und dem Zürichberg, welche
bisher beim Großmünster ihre Ruhestätte fanden, in dem Juden­
friedhof beim Judengäßli zu vergraben.» Diese am Ende des Mittel­
alters, unmittelbar vor der Reformation getroffene oder wenigstens
geplante Maßnahme bezweckte offenbar, den durch die Überfüllung
der bestehenden Kirchhöfe verursachten Unzulänglichkeiten zu be­
gegnen. -
    Die Juden hatten im Mittelalter, wie eigene Wohnquartiere, so
auch eigene Friedhöfe. Dies war von altersher auch in Zürich der
Fall. Vermutlich lag der älteste Judenfriedhof am Wolfbach.
In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ist dieser alte Friedhof
durch Wasserfluten verwüstet und zerstört worden, und 1381 bis
1382 erhielten die Juden vom Rat die weltliche und durch Urkunde
vom 2. November 1383 vom Bischof Heinrich III. von Konstanz
die kirchliche Erlaubnis, wieder einen Friedhof «ze Linden» vor
dem Tor zu erstellen. (In der darüber erhaltenen Urkunde heißt es
von dem alten, zerstörten Begräbnisplatz: «per aquarum diluvium
ac voraginem sit ante aliquot annos diruptum, destructum atque
devastatum».) Die Juden genossen nämlich nicht überall die Ver­
günstigung, eigene Friedhöfe anlegen zu dürfen. Wo ihnen dieses
Recht gewährt wurde, mußten sie es mit Geld aufwiegen; dafür
stand es ihnen frei, für die Bestattungen eine Entschädigung zu
verlangen. So hatten also auch in Zürich eine Anzahl Juden den
Friedhof anlegen lassen. 1382 tun Bürgermeister und Rat der Stadt
zu wissen, daß «etliche Juden in unser stat ein fridhof ze Linden
vor dem tor mit unserm willen gemacht hant». Diesen ist es vom
Rat überlassen worden, eine Steuer von jedem Begräbnis zu er-
106
heben. Für Auswärtige, die zur Beerdigung nach Zürich gebracht
wurden, da nur größere Judengemeinden einen eigenen Begräbnis­
platz besaßen, war die Steuer höher. 1431 ist bestimmt worden,
daß von Auswärtigen nur noch solche aus Bremgarten, Mellingen
und Rapperswil auf dem Zürcher Judenfriedhof beigesetzt werden
dürfen. Nur wenn der Rat mit der gebotenen Geldsumme einver­
standen war, konnten Leichen aus andern Orten nach Zürich ge­
bracht werden.
    Der Judenfriedhof beim Judengäßli lag offenbar an der Stelle
des Schulhauses am Wolfbach und des Turnplatzes der Kantons­
schule. Aus dieser Begräbnisstätte stammten vermutlich auch ver­
schiedene Grabsteine, die sich im Jahre 1665 auf dem Gang längs
der Ringmauer der kleinen Stadt befunden hatten, später am
Fröschengraben eingemauert worden waren und 1864/65 bei dessen
Auffüllung verschüttet worden sind. Einige der Inschriften auf
diesen jüdischen Grabsteinen konnten im 18. Jahrhundert noch
entziffert werden und sind in dem später zu erwähnenden Werke
von David von Moos abgedruckt; zwei davon lauteten nach der
dort wiedergegebenen Übersetzung des gelehrten Johann Heinrich
Hottinger :
                               Dieses Grabmahl
                Und diese EhrenSaul ist zum Angedenken
              Gesezt oben an das Haupt des vortrefl. Lehrers
                           Israels des Sohns Juda
            der den eilften Tag des Monats Elul gestorben ist
                  A. 196. nach der mindern Zahl gezehlet.
              Seine Seele seye eingebunden in das Bündelein
                der Lebendigen Ab.. Jsaacs u. Jae. Amen.

   Der Grabstein stammte ebenso wie der folgende aus dem 15. Jahr­
hundert. Das angegebene Datum bedeutet den 11. August 1436.

                 Dieses Grabmahl stehet bey dem Sarg
                 Der Maria der Tochter Rabbi A.......
                 Die begraben worden den Sechs und
                 Zwanzigsten Tag des Monats Schefes
           Im Jahr fünftausend einhundert u. sechs u. fünfzig
                Sie hinterlasst einen gar guten Namen.

   Im 15. Jahrhundert waren die Juden wiederholten Verfolgungen
ausgesetzt gewesen und aus der Stadt vertrieben worden. Von 1490
an findet man keine Spur mehr von ihnen in den Ratsmanualen
der Stadt. «Die Herrlichkeit Israels in Zürich hatte ein Ende»,
                                                                107
schreibt J. C. Ulrich, der zürcherische Geschichtsschreiber der Juden.
Einem Judenfriedhof begegnen wir dann in unserer Stadt erst wieder
im 19. Jahrhundert.

  VON DER REFORMATION BIS INS 19. JAHRHUNDERT

    Die Reformation hat die Physiognomie der Friedhöfe radikal und
schonungslos umgestaltet. Sittenmandate untersagten die Erstel­
lung kostbarer Denkmäler und Familiengräber und die Beisetzung
der Leichen im Innern der Kirchen. In Zürich erging im Jahre 1525
ein Ratsbeschluß, wonach unter Konfiskationsandrohung die sofor­
tige Entfernung aller Grabsteine verfügt wurde. Dem reformato-
rischen Bestreben, den Ritus von symbolischen Elementen freizu­
machen, entsprach das Gebot, den Grabhügel bloß mit einem ein­
fachen Grab kreuz zu versehen. Wie bisher, und noch bis in die
neueste Zeit, blieben die Friedhöfe im Besitz der Kirchgemeinden,
und das gesamte Begräbniswesen wurde von den kirchlichen Behör­
den geordnet.
    Die alten, in unmittelbarer Nähe der Kirchen gelegenen Bestat­
tungsplätze sind in der Hauptsache auch weiterhin noch während
Jahrhunderten beibehalten worden. Das Anwachsen der Bevöl­
kerung nötigte aber dazu, mit der Zeit noch neue Friedhöfe anzu­
legen. Vor allem in Seuchenjahren war man gezwungen, solche
außerhalb der Altstadt und sogar der Schanzen einzurichten. «In
und um die Stadt wurden die Kirchhöfe vermehret wegen großen
 Sterbens.» (Bluntschli, Memorabilia Tigurina 1742, S. 250: Kirch-
Höfe.) Immerhin ist erst 1786 «nach reifer Überlegung» beschlossen
worden, «die Begräbnisse in den Kirchen gänzlich aufzuheben und
die Kirchhöfe an bequemere Orte zunächst der Stadt zu verlegen».
(Vogel: Denkwürdigkeiten der Stadt und Landschaft Zürich. Zürich
 1845, S. 327.)
    Auf dem Friedhof beim Großmünster ist noch bis 1790
beerdigt worden; erst im Jahre 1876 ist auf dem Gebiet des heutigen
Zwingliplatzes und der Münsterterrasse die wohl älteste Begräbnis­
stätte unserer Stadt geräumt und der Platz eingeebnet worden.
Die schon erwähnte Göldlikapelle im Kreuzgarten war zwar bereits
im Jahre 1565 abgetragen worden; doch wurde von da an der ganze
Kreuzgarten als Beerdigungsplatz von Ratsherren und Zürcher
Mitgliedern der Familie Göldli weiter verwendet. Auch das Kirchen­
108
innere ist noch Jahrhunderte lang für Bestattungen vornehmer Bür­
ger benützt worden; denn die reichen und die regierenden Fa­
milien suchten nach wie vor auch nach dem Tode ihre Vorzugs­
stellung zu behaupten.
    So findet man aus dem 16. bis 18. Jahrhundert im Großmünster
Bronze- oder Sandsteinepitaphien oder Grabsteine von: Beat Ru­
dolf Göldli von Tieffenau (1677), Conrad Beeli von Beifort (1712),
Prof. David Lavater (1755), Joh. Conrad von Escher (1786), Bürger­
meister Hans Conrad Escher (1814), David Heß (1705), Johann
Jakob Heß (1733), Joh. Ludwig Hirzel (1722), Conrad Heidegger
und Gattin, Joh. Jakob Heidegger (1698), Antistes Joh. Conrad
Wirz (1769). Von andern Grabstätten sind uns zwar keine Über­
reste erhalten geblieben, wohl aber in alten Sammlungen der Wort­
laut der oft schwülstigen und seltsamen Grabschriften, oder doch
die Kunde von der Bestattung in der alten Zürcher Hauptkirche.
    Der 1778 bis 1780 in fünf Bändchen erschienenen Sammlung von
David von Moos: «Thuricum sepultum & tantum non ignoratum
indagatum atque retectum, das ist Sammlung alter und neuer Grab-
schrifften, welche in der Stiffts-Kirche zum großen Münster in Zürich
theils längstens verblichen, theils noch leserlich vorgefunden wer­
den; samt einigen kurzen Nachrichten von den Lebens-Umständen
der selig Verstorbenen männl. Geschlechts» entnehmen wir z.B., daß
im Großmünster Kreuzgang folgende prominente Zürcher früherer
Jahrhunderte ihre letzte Ruhestätte gefunden haben:
Petrus Martyr (1500-1562), der Florentiner Theologe.
Theodorus     Bibliander (1504—1564), ein streitbarer gelehrter
  Herr, der seinen vorgenannten Kollegen wegen abweichenden An­
  sichten in der Lehre von der Gnadenwahl und dem freien Willen
  zu einem Zweykampf aufforderte und mit einer Hellparte erwar­
  tete, deshalb pensioniert wurde und später an der Pest gestorben
  ist.
Conrad Gessner (1516—1565), der berühmte Zürcher                 Stadtarzt
  und Polyhistor, der «Plinius des Nordens».              Seine Grabschrift
  soll gelautet haben:
  «Conrado Gesnero, Tigurino, Philologo & Polyhistori eximio, Germaniae lumini,
  Helvetiae decori, editis in omni litterarum genere, praesertim vero in Medic.
  & nat. Philosoph, lucubi. clarissimo, dum de alioruin utilitate promovenda
  magis, quam de propria Salute tuenda cogitat, Ecclesiae, Scholae, Reipubl.
  bonorum denique omnium cum incredibili luctu blandiss. eademque atrociss.
  pestil. absumto, Theodorus Zuingerus, Basil. Praeceptori b. m. p. M. D. LXV.

                                                                          109
Ingenio vivens naturam vicerat omnem
                Natura victus conditur hoc tumulo.
                Plinius hie situs est germanus, perge Viator:
                GESNERI toto nomen in orbe volât.»

Heinrich Bullinger (1504-1575), Reformator und erster Nach­
  folger Zwinglis am Großmünster.
Josias Simler (1530—1576), Professor der Theologie.
Johann Heinrich Hottinger, Doctor und Professor der Heiligen
  Schrift, Schul-Herr u. der Stift zum großen Münster. Starb
  den 5. Junii 1667. Seines Alters im 47. Jahr.
                    «Vater, Sohn, und Töchtern beid
                    Tragen dieses Todten-Kleid»,

steht der Grabschrift des berühmten Philologen beigefügt, der bei
der Fahrt auf der Limmat nach seinem Gut Sparrenberg bei Ober-
engstringen verunfallt und samt Kindern und seinem Freund, dem
am gleichen Ort beerdigten Rittmeister und Stadtrichter Schnee­
berger, ertrunken ist. Auf des letztem Grabschrift stand deshalb
der Spruch:
                «Ein jeder ist dem Tod verpflicht
                Wann, Wie, und Wo, das weiss er nicht.»

«Herr Johann      Heinrich Waser, Bürgermeister der Stadt
  Zürich und Oberster Schul-Herr starb den 10. Tag Febr. 1669.
  Aetat. 69.» (Der im Eingang zu Conrad Ferdinand Meyers «Jürg
  Jenatsch» verewigte Herr Waser, Amtsschreiber und civis turi-
  censis!)
            «Hr. Waser ohne Qual geendet hat sein Leben,
            O selig der, wie Er den Tod kann überstreben.»

Johann Jakob Scheuciizer (1672-1733), der berühmte Stadtarzt
  und Naturforscher. Den Ruhm dieser Zierde des zürcherischen
  Geisteslebens zu Anfang des 18. Jahrhunderts verkündete folgende
  Grabschrift :
                             « Hoc In Tumulo
                      Conduntur Ossa Et Cineres
                   Johan. Jacobi Scheuchzeri. M.D.
                 Archiatr. Philos. N. Et. Math. Prof. P.
                       Ven. Capit. Thur. Canonici
               Acad. Imp. N. C. Adj. Et Societ. Regiar.
                 Angl. Boruss. Ac. Instit. Bon. Socii
              Obiit A. R. S. CIO IOCCXXXIII. AET. LXI.
                   Non Senio Sed Labore Confectus
110
Mortalitatis Exuvias Posuit
                            Caetera Loquantur
                        Marmore Longe Perenniora
                       Scripta, Fama, Fides, Pietas
                        Et Praefica Public. Luctus
                           Qui Desiderant Eheu
                        Optimum Maritum Conjux
                         Benign. Parentem Filii
                    Amorem Et Decus Suum Fratres
                          Et Ex His Praecipue
                     Acarnanis Successor Philippus
                   Exhic Hoc Prolixi Amoris Monum.
                         Moerent. Merit. Posuere.»

   Als Proben aus der reichhaltigen Kollektion gereimter Grab­
schriften unserer Altvordern mögen nur noch die folgenden hier auf­
geführt sein:
                      «Kluger Rath & Helden-Kraft
                        Ruhet unter diesem Stein
                      Ueber Todt und Holl sieghaft
                    Durch Christum ewig Sünden rein. »

   Nicht selten scheint später der Sohn oder ein Enkel im Grab des
Vaters beigesetzt worden zu sein, was etwa zu folgenden Versen
Anlaß gab :
                        «Under diesen Steine kam
                     Vatters und des Sohns Leichnam
                       Die Seelen herrlich schweben
                     In dem süssen Himmels Leben. »
oder:
                     «Des Vaters und des Sohnes Bein
                     Hier ruhen under diesem Stein». (1675).

    «Als der Friedhof ums Großmünster aufgehoben wurde, hatten
sich die Toten teils in den Krautgarten, teils ins Fuchsloch vor die
Stadt hinaus flüchten müssen», wie Zurlinden berichtet. Uber den
Krautgartenfriedhof hat Dr. A. Corrodi-Sulzer im Jahrgang
1925 des Zürcher Taschenbuches einige Mitteilungen gemacht, die
wir hier wiedergeben wollen 1). Diese Begräbnisstätte «lag zwischen
dem Ausgelände der Häuser am obern Hirschengraben und dem
Garten des Landoltgutes ,zum LindentaP und stieß gegen Osten an
die früher zum Zeltweg gehörende Straße, die später unter Hinzu­
nahme eines Teils des Turnplatzes zum Heimplatz erweitert wurde.

    1) Miszellen aus dem Zürcher Staatsarchiv. 1. Der Krautgarten-Kirchhof.
a.a.O. Seite 245ff.
                                                                      111
Seine Entstehung verdankte dieser Kirchhof der großen Pestepidemie
von 1611. Ein Ratsbeschluß vom 7. September 1611 ,antreffend
das Begraben der Abgestorbenen und die zwo nüwen Begrebtnussen
vor dem Thor uff Dorf und vor dem Lindenthor‘ gibt uns darüber
den erwünschten Aufschluß (Ratsurkunden BV 47, Fol. 29 ff. und
Unterschreibermanual 1611, II S.43).»
    «Da für die große Kirchgemeinde des Großmünsters der Kirchhof
beim Großmünster nicht mehr genügte, war ein neuer Kirchhof
heim Kreuz (beim heutigen Kreuzplatz, ungefähr auf dem Areal
des Häuserblocks zwischen diesem und der Kreuzstraße) angelegt
worden, in dem die Toten von Hirslanden, Riesbach, Seefeld, Hot­
tingen und Stadelhofen begraben wurden, sowie aus der Stadt aus
dem Quartier zwischen Großmünster und Oberdorftor die Hinter­
säßen, Hausleute, Knechte und Mägde und die Kinder unter 15
Jahren, die noch nicht zum Nachtmahl gegangen. Dann heißt es
weiter: ,Was aber dann den übrigen Theil der Statt vom Münster
biß zum Roten Huß abhin belanget, diewyl zu söllichem Volk allem
by diser leidigen Zyt nit Platz gnug bim Großenmünster, dessen
Kilchhof schon mehrenteils überschlagen und durchgraben ist, und
aber dadannen auch für das Thor uff Dorf zum Crütz ußhin ze
tragen eben wyt und ungelegen were, solle deßhalber deß Spitals
Krutgarten znechst vor dem Lindenthor gelegen (dessen dann
der Spital ohne Schaden wol entberen mag) auch angents zu einem
Kilchhof oder Gotsacher gemachet und daselbst hin die Abgestor­
benen inn vermeltem undern Zirck der Statt sambt denen an der
Kilchgassen, was Hindersessen, Huslüth, Dienst und Kind under
fünfzehn Jaren sind, bestattet werden, da man allwegen nach Beglei­
tung der Lych zur Dancksagung und Gebät inn die Kilchen zum
Münster gehn khan. Allein ußgenommen die Hußväter und Müter,
so inn disern beiden Zircken ire eignen Behußungen besitzend, umb
Ehren willen wyter inn den Kilchhof zum Münster begraben werden4 ».
     In Pestzeiten ist eine ordentliche Beerdigung oft nicht mög­
lich gewesen. Auf dem Kirchhof zum Großmünster sollen während
der Pest von 1564/65 die Leichen neben der großen Treppe gegen
das Helmhaus ohne Särge und Gräber gelegt und mit Kalk be­
deckt worden sein.
   Der Friedhof im Fuchsloch ist erst 1786 entstanden; er zog
sich am Fuße des Geißberg - Bollwerkes der Stadtmauer entlang hin,
lag also vor der Stadelhoferporte, in der Gegend der heutigen
 Schanzengasse oberhalb dem Stadelhoferbahnhof. Beim Schleifen
112
der Schanzen in den
dreißiger Jahren des
letzten Jahrhunderts
ist er verschüttet
worden.
    Jedem der beiden
Friedhöfe ist ein be­
sonderes Quartier der
Gemeinde zugewiesen
worden und auf bei­
den errichtete man
Abdankungsgebäude.
    Die Friedhofanla­
gen beim Fraumün­
 ster, wie jene beim
Großmünster im Her­
zen der Altstadt ge­
legen, sind zum Teil
schon vor diesen auf­
gelassen, zum Teil
aber noch bis ins
neunzehnte Jahrhun­
dert hinein benützt           Nach einem Aquatintablatt n rapii. Sammlung der Zentralbibliothek

worden. Der Kreuz­                       Friedhof im Fuchsloch
garten, der einst der
Begräbnisplatz der Stiftsdamen gewesen war, diente nach der Refor­
mation ebenso wie der an der Nordseite des Münsters eingerichtete
Kirchhof der Kirchgemeinde. Dazu war im Jahre 1608 noch ein
weiterer Friedhof im früheren Baumgarten der Äbtissin und spä­
teren städtischen Werkplatz angelegt worden. Er befand sich in der
 Gegend des heutigen Zentralhofes.
     Auch in der Fraumünsterkirche sind eine ganze Reihe von
 Grabstätten aus dem 16. bis 18. Jahrhundert teils mehr oder weniger
erhalten, teils wenigstens namentlich nachweisbar. Überreste sind
vorhanden von den Grabstätten für: Kaspar Hofmeister (1627) und
 Hester Bremi (1628), Ulrich Schwytzer (1631), Jakob Goßweiler,
Amtmann im Kappelerhof (1640), Leonhard Keller, Amtmann im
 Kappelerhof (1643), Hans Georg Peblis (1650), Jkr. Kaspar Schmid
 (1638) und Jkr. Diethelm Schmid (1698), Jkr. Joh. Rudolf Grebel
 (1713), Pfarrer Johann Heinrich Ulrich (1730), Jkr. Kaspar Schmid
                                                                                         113
von Goldenberg (1745), Jkr. Johann Heinrich Grebel (1750), Pfarrer
Johann Kaspar Ulrich (1768). (Konrad Escher a. a. O. S. 194.)
   Aus den Grabschriften von im Fraumünster bestatteten bekann­
ten Persönlichkeiten mögen nur die zwei folgenden namhaft gemacht
werden :
                      Herr Johann Conrad Geiger
                            des Regiments
               nnd gewesner Ambtmann im Cappeler-Hof
                Starb den 25ten Tag Herbstmonat 1674.
                             Aet. LXXVI

   Es handelt sich um den Maler und Topographen, dem wir «die
große und merkwürdige Land-Tafel des Züricher-Gebiets, welche
über alle Maßen künstlich aufgetragen, und auf welcher alle Orte
des ganzen Landes mit allen Stegen und Wegen gar exakt bezeichnet
sind», die berühmte sogenannte Gyger’sche Karte des Kantons
Zürich, verdanken.
   Auf dem prunkvollen Grabdenkmal des Obersten Kaspar Schmid
(1587-1638) und seines Sohnes lesen wir:
                                   Hier
                              ruhen in Gott
                          Jkr. Caspar Schmied
                 Jhr Kön. Maj. von Frankr. und Navar.
             Ritter u. besteltr. Obrister über ein Regiment
             zu Fuss, des Raths, Panner-Hr. und Reichs-
              Vogt, als Vatter, starb den 20. Julii 1638.
                  Seines Alter im 50ten Jahre. So auch
                   Jkr. Diethelm Schmied des Raths
                    Constafel-Herr und Vortrager der
                Statt Panner, als Sohn, starb den 20ten
                         Maii 1698. Seines Alters
                               im 63. Jahr.

   Aus dem Predigerkloster war nach der Reformation ein Spital
gemacht worden, und «An. 1541 wurde der Spitthaler Garten zu
einem Kirchhof geordnet», der für die Wachten Niederdorf und
Neumarkt sowie für die Außengemeinden Oberstraß, Unterstraß,
Fluntern und Wipkingen, «die alle zuvor im Großmünster ihre
Begräbnisse gehabt hatten», bestimmt war. Gemäß dem Murer’-
schen Stadtplan umfaßte der nördlich der im Jahre 1887 abgebrann­
ten ehemaligen Klostergebäulichkeiten gelegene «Prediger Kilch-
hof» im 16. Jahrhundert ein großes Gebiet zwischen dem jetzigen
Seilergraben und der Zähringerstraße. In einem «Grund Riß des
114
Spithals» aus dem Jahre 1784 von Johannes Müller wurde bloß das
Areal südlich der Kirche ausdrücklich als Prediger Kirchhof bezeich­
net. Doch dehnte sich auch auf dem vorher genannten Platz ein
Friedhof aus, und schließlich ein weiterer dem Seilergraben entlang,
zwischen diesem einerseits sowie dem Prediger-Gebäudekomplex
und dem Friedhof auf dem früheren Spitalgarten anderseits. Auf
dem «Plan der Stadt Zürich» von David Breitinger (um 1814) findet
sich einzig auf der Südseite der Predigerkirche und dem Seilergraben
entlang der Prediger-Kirchhof eingezeichnet; in dessen Nachführung
durch J. Pestalozzi, die 1852 veröffentlicht wurde, dagegen besteht
dort noch ein anderes, bis zur Gräbligasse reichendes Friedhofareal,
der Spitalfriedhof.
    Zu Beginn des 17. Jahrhunderts scheint auch der Prediger-
Kirchhof überfüllt gewesen zu sein und «An. 1611 in dem großen
Sterbend» ist für die Gemeinden Oberstraß und Unterstraß der
Friedhof «bey St. Lienhart, vor dem untern Thor» angelegt worden,
von dem noch zu sprechen sein wird.
    Bis 1847 diente dann der Prediger-Kirchhof ausschließlich den
«Burgern» der Kirchgemeinde Predigern, die sich 1614 von der
Großmünstergemeinde abgelöst hatte. Nachdem in den achtzehn-
hundertvierziger Jahren der Friedhof auf der Hohen Promenade in
Benutzung genommen werden konnte, wurde der Prediger-Friedhof
aufgelassen und 1875 eingeebnet.
    Bei Bauarbeiten im Chor der Predigerkirche im Jahre 1917 sind
über sechzig Grabsteine, einfache Sandsteinplatten mit Angabe des
Namens, der Geburts- und Sterbedaten und des Berufs der Ver­
storbenen aufgefunden worden. Im Hof des Gebäudes der Zentral­
bibliothek ist außerdem ein Epitaph für Joh. Heinrich von Orelli,
Bürgermeister (1715-1785), und seine Gattin erhalten.
    Weitere Grabsteine aus der Predigerkirche werden im Schweize­
rischen Landesmuseum aufbewahrt, nach Konrad Escher u. a. für:
Frau Barbara Müller, Herrn Hans Jacob Scheuchzers « Spital­
meisters und Kirchenpflegers eheliche Gattin» (1668); Frau Elisabeth
Blaarer, Gattin des Junker Johann Rudolf von Wellenberg (1676);
Herrn Beat Högger, des Rats und Zunftmeister (1680); Herrn Johann
Jacob Scheuchzer, Stadtarzt (1688); Frau Judith Steiner, Gattin
des Junker Lieutnant Johann Heinrich Wellenberg von Wellenberg
(1689); Junker Leutnant Hans Heinrich von Wellenberg (1695);
Frau Ursula Lavater, Gattin des Stiftsschreibers Johann Ludwig
 Keller (1703).

2                                                               115
Nach Angaben Eschers waren            dort früher noch Grabsteine vor­
handen von Verstorbenen aus              den Familien Escher, Pestaluz,
Schellenberg, Landolt, v. Muralt,        Lochmann, Spöndli, Werdmüller,
Holzhalb, Orelli, Keller, Grebel,        Hirzel [darunter ein solcher für
                                                        Angehörige von 4
                                                        Generationen : a)
                                                        Joh. Jacob Hirzel
                                                        des Raths und
                                                        Zunftmeister, alt
                                                        Schultheiß     und
                                                        Landvogt        der
                                                        Herrschaft     Wä-
                                                        denswil     (1664),
                                                        Vater;    b) Diet-
                                                        helm Hirzel, des
                                                        Regiments, Pfle­
                                                        ger und Quartier-
                                                        hauptmann (1709),
                                                        Sohn; c) Salomon
                                                        Hirzel, des Regi­
                                                        ments       Pfleger
                                                        Lobi. Zunft zur
                                                        Saffran     (1734),
                                                        Sohns-Sohn;      d)
                                                        Diethelm Hirzel
                                                        des Raths und
                                                        Statthalter, vor­
                                                        derster Pfleger der
                                                        Kirchen zum hei­
                                                        ligen Geist (1762),
                                                        Solmes-Sohns-
                                                        Sohn ] , Ulrich ,
                                                        Schaufelberger
                                                        und Fries.
                                                           Die zwei Fried­
                                                        höfe bei der St.
                                                        Peterskirche
                                                        sind in der Zeit
             _ ,         T „ T                          von der Reforma-
             trraüstatte J. ü. L,avaters                  ...
               Nordwand der Peterskirche                tion bis ZUm Ende

116
des achtzehnten Jahrhunderts wiederholt verbessert und erneuert
worden. Die beiden Beinhäuser wurden 1667 bzw. 1677 abgebrochen.
1790 und 1796 hat man die beiden Plätze gepflastert. Seit 1788
dienten der Gemeinde auch die Friedhöfe bei St. Anna und St. Jakob,
die bisher für die Gemeinden Wiedikon und Enge-Leimbach bzw\
Außersihl bestimmt gewesen waren.
    In den Vorhallen der Kirche befanden sich früher die Grab­
steine von: Bürgermeister Andreas Meyer (1711), Hans Conrad Werd-
müller (1674) und dessen Sohn Heinrich (1714), und schließlich für
Joh. Caspar Lavater (1801). Der letztgenannte Stein trägt die In­
schrift: « J. C. Lavaters Grab, geh. 15. Nov. 1741, gest. 2. Jan. 1801»;
er ist erst 1882 vom aufgehobenen Friedhof St. Anna hierher, an die
einstige Wirkungsstätte des berühmten Zürchers, verbracht und vor
kurzem erneuert und an die Nordwand der Kirche versetzt worden.
Die andern befinden sich jetzt im Schweizerischen Landesmuseum.
    In Seuchenzeiten erwiesen sich auch in der Peterskirchgemeinde
die vorhandenen Bestattungsplätze als ungenügend und es mußten
neue Friedhöfe angelegt werden — eben zu St. Jakob und St. Anna.

                              Nach einem Stich von Hcgi aus der Graph. Sammlung der Zentralbibliothek

                          Kirchhof zu St. Anna
                                                                                               117
Im Jahre 1566 hatte der Rat wegen der damals herrschenden
Pest die Kapelle St. Anna samt dem dabei liegenden Platz gekauft
und dort einen Gottesacker einrichten lassen. Dieser Kirchhof hei
St. Anna, der etwa auf dem Gebiet des heutigen St. Annahofes
lag, war ursprünglich für die Einwohner von Enge, Wiedikon, dem
Rennweg usw. bestimmt. Er ist wieder in einer Pestzeit, 1612, er­
weitert worden («Anno 1612 ist zur Erweiterung des Kirchhofes zu
 St. Anna eine Matte zu 400 fl. erkauft, und aus dem Kirchen-Gut
zu St. Peter bezahlt worden.»), und diente dann seit 1788 aus­
schließlich als Begräbnisstätte für Stadtbürger der St.Peter-Gemeinde.
Die Gemeinden Wiedikon, Enge und Leimbach, deren Leichen bis
dahin bei St. Anna beerdigt wurden,’ erhielten eigene Begräbnis­
plätze. Seit 1840 wurde der St. Anna-Friedhof aufgelassen.
     Die vermehrte Sterblichkeit in den Pestjahren zu Beginn des
17. Jahrhunderts führte dazu, noch weitere Beerdigungsplätze außer­
halb der Stadtmauern anzulegen. «An. 1611 in dem großen Ster­
bend sind 3 Kirchhof gemacht worden, nemlich der beym Creutz,
vor dem oberen Thor, der bey St. Lienhart, vor dem untern Thor,
und der im Krautgarten vor dem Lindenthor.» Der Friedhof zu
St. Leonhard war für einen Teil des Niederdorfes sowie für die
Gemeinden Unterstraß und Oberstraß bestimmt; er befand sich in
der Gegend der neuen kantonalen Verwaltungsgebäude in der Walche
zwischen der Stampfenbachstraße und der Limmat. Die Angehörigen
der Gemeinde Fluntern konnten «beim Creutz» oder «vor dem Lin­
denthor» begraben werden.
     Mit der Zeit hatten mehrere der damaligen Vorortgemeinden
eigene Friedhöfe erhalten. So hatten M. G. Herren 1601 der Ge­
meinde Wipkingen gestattet, das in der Reformation geschlossene
alte Kirchlein umzubauen und einen Friedhof zur Bestattung der
Toten zunächst neben der Kirche anzulegen. 1703 wurde in Wollis-
hofen beim Bethaus ein Begräbnisplatz eingerichtet, und 1787 legte
Fluntern auf der Platte einen dann während einem vollen Jahr­
hundert benützten Kirchhof an. Ein Jahr später sind für die Ge­
meinde Enge an der Grütlistraße und für Außersihl bei St.Jakob,
und wieder ein Jahr später für Wiedikon an der jetzigen Schloß­
gasse und für Oberstraß (Riedtli/Winterthurerstraße), jeweilen
neben den damaligen Bethäusern, Friedhöfe entstanden.
     Während sich später aus den alten Kirchhöfen vielfach öffent­
liche Plätze entwickelten: Prediger-, Zähringer-, Zwingliplatz, zum
Teil auch der Münsterhof, oder Anlagen entstanden: Hohe Prome­
118
nade, Fritschi-Wiese, und die Anlage in der Wohnkolonie Birken­
hof, sind andere frühere Friedhofgebiete heute längst überbaut,
und statt dessen mußten mit der Zeit für die wachsende Stadt neue
ausgedehnte Bodenflächen für Friedhöfe beansprucht werden. Davon
wird im nächsten Abschnitt die Rede sein.
    Auch nach der Reformation wurde, wie schon bemerkt worden
ist, die Ungleichheit nach dem Tode noch jahrhundertelang auf­
recht erhalten. Ein absolutes Verbot der Bestattungen in den Kir­
chen ist, wie schon erwähnt wurde, erst 1786 erlassen worden. Die
Katholiken ließen sich im Kirchhof des nahen Klosters Fahr bei­
setzen, weil ihnen im Kanton Zürich bis zum Beginn des letzten
Jahrhunderts die Abhaltung ihres Gottesdienstes untersagt war, und
die letzte Ruhe auf den hiesigen Kirchhöfen verweigert wurde.
Aber die Ausschließlichkeit ging noch weiter. Nichtbürgern konnte
vorgeschrieben werden, wo sie bestattet werden sollten, und gewisse
Friedhöfe blieben, wie bereits oben erwähnt wurde, den Burgern
reserviert. «Laut Erkanntnuß von An. 1665 sollen alle Hinter-
sessen auf den Kirchhof zu Leonhard begraben werden.» Daß
Selbstmördern und verurteilten Verbrechern ein «ehrliches Begräb­
nis» bis ins letzte Jahrhundert hinein verweigert wurde, versteht
sich unter solchen Umständen von selbst.
    Die nach der Reformation einsetzende behördliche Reglemen­
tierung hat mit der Zeit bei uns wie anderwärts das Aussehen der
Friedhöfe stark in ungünstigem Sinne verändert. Bei den breiten
Volksmassen wurde dadurch das Gefühl für die Würde der Begräbnis­
stätten allmählich abgestumpft, und das Begräbniswesen sank um
die Mitte des 17. Jahrhunderts auf einen Tiefstand, der im allgemei­
nen bis in die ersten Dezennien des vorigen Säkulums andauerte.
    «In Bern ging man im 17. und 18. Jahrhundert so weit, die Toten­
äcker zu ,Sonneten‘, , Bestreicheten4 und , auf hängen der Wäsche4
zu benützen. Ja es mußte ausdrücklich verboten werden, daß die
Tischmacher ihre Laden dort hinlegen, und Schweine dorthin ge­
trieben werden.» (Türler).

                                                               119
DAS NEUNZEHNTE UND ZWANZIGSTE JAHRHUNDERT

    Noch in den ersten Dezennien des 19. Jahrhunderts lag auch bei
uns das Bestattungswesen sehr im argen. Das ergibt sich schon
daraus, daß immer noch ein Teil der Friedhöfe innerhalb des be­
hauten Stadtgebietes lag, räumlich unzureichend war und zudem,
ohne Umzäunung dem Durchgangsverkehr preisgegehen, der Ju­
gend als Tummelplatz und nicht selten den Handwerkern als Werk­
platz diente. Auf bildlichen Darstellungen machen alle mehr den
Eindruck von zwar malerischen, aber traurigen und unordentlichen
Totenäckern als den von pietätvoll gepflegten letzten Ruhestätten.
Schließlich beweist auch das zeitgenössische Schrifttum, wie sehr
das Beerdigungswesen der Verbesserung bedurfte, auch nachdem
Beisetzungen in den Kirchen im Jahre 1786 verboten worden waren.
    Wie lagen die Zustände um 1800 ?
    Es standen damals noch für die Stadt Zürich im Gebrauch: die
Friedhöfe beim Fraumünster, bei der Predigerkirche, zu St. Anna,
im Krautgarten und im Fuchsloch. Außerdem gab es für die da­
maligen Vororte die Kirchhöfe: in Wollishofen (bei der Kirche),
in der Enge unterhalb dem Bürgli, in Wiedikon beim alten Bethaus,
in Außersihl bei St. Jakob südlich und (seit 1821) nördlich von der
Badenerstraße, in Wipkingen, in Unterstraß zu St. Leonhard in
der Walche, in Oberstraß bei der alten Kirche, in Fluntern auf
der Platte, zum Kreuz am Kreuzplatz.
    Der Friedhof, der sich nördlich vom Fraumünster auf einem
Teil des jetzigen Münsterhofes ausdehnte, ist 1835 eingeebnet wor­
den. Zehn Jahre später schloß man auch den im Kreuzgärtlein
befindlichen ältesten Teil, der indessen erst 1898 bei der Errichtung
des Stadthauses beseitigt wurde, und den auf dem früheren Werk­
platz gelegenen. Im Jahre 1870 hatte man diesen in einen Rasen­
platz umgewandelt; bald darnach wurde er überbaut.
    Als im Jahre 1839 als Ersatz für die alte Kirche zum Kreuz die
Neumünsterkirche gebaut wurde, legte man dort für die Gemeinden
Hottingen, Plirslanden und Riesbach auch den neuen, größeren
Friedhof Neumünster an.
    Wie die Verhältnisse in den andern Kirchgemeinden lagen, mögen
einige der damals in Eingaben an den «Löbl. Stadtrath von Zürich»
usw. laut gewordenen Klagen illustrieren: «Während der eine
Begräbnisplatz rings von Häusern umgeben, keine Stätte bietet,
wo der Schmerz ungesehen am Grabe der Geliebten weilen kann, ...
120
ist es auf einem andern gar die fürchterliche Nachbarschaft eines
Irrenhauses und seiner Bewohner, die jedes längere Verweilen hin­
dert. Ein anderer vor der Stadt steht mitten in den Garngehängen
einer Färberei und diente schon selbst zu diesem Zwecke, indeß
ein dritter, an der befahrensten Landstraße liegend, wohl eine Ruhe­
stätte für die Toten, doch nicht für die Lebenden, die dort nament­
lich Sonntagabends weilen möchten, genannt werden kann.» «Ein
Ubelstand, den aber alle mit sich gemeinsam haben, ist die Gedrängt­
heit der Grabstätten, der Mangel an Raum und Wegen, um zu
diesen zu gelangen, um zu verweilen.» In der gleichen Schrift,
welche einen gemeinsamen, der ganzen Stadt dienenden Friedhof
fordert, heißt es weiter: «So muß z. B. der Schreiber dieser Zeilen
das Grab seiner Mutter auf dem Predigerkirchhofe, dasjenige seines
Vaters in St. Anna, dasjenige seines Kindes im Krautgarten suchen,
und von dem Grabe des geliebtesten Jugendfreundes hat die Er­
weiterung des Münsterhofes ihm jede Spur genommen.» Auch die
ungleiche Behandlung von Gemeindebürgern und Ansäßen gab zur
Kritik Anlaß : « Sollen wir auch noch der kleinstädtischen Erbärm­
lichkeit gedenken, zu welcher die Beschränktheit der Begräbnis­
plätze Veranlassung gab ? — daß derjenige, der nicht das Glück
hat, Bürger oder Hausbesitzer zu sein, hinausgetragen wird, und
nur diese Privilegierten dem eigentlichen Hauptbegräbnisplatz zu­
gebracht werden dürfen.» Eine weitere Forderung betrifft «ein Bet­
haus, welches an die Stelle unserer armseligen Abdankhäuser treten
soll». «Soll aber einmal ein Haus errichtet werden für das Gehet,
so ist zu wünschen, daß seine Gestalt und sein Inneres besonders
uns nicht an einen Wagenschopf, oder an eine noch geringere Be­
stimmung erinnere, wie dies bis jetzt der Fall ist.»
    Im Jahre 1819 wird geklagt, daß der Kirchhof zu St. Anna zur
Sommerszeit einen ekelhaften Modergeruch ausströme, der sich bei
westlichen Winden über das Stadtinnere verbreite. Ungebührlich
und das Pietätsempfinden verletzend muß jeweils auch das Vor­
gehen beim Verebnen der außer Betrieb gesetzten Friedhöfe gewesen
sein, beispielsweise desjenigen beim Großmünster im Laufe der
neunziger Jahre des 18. Jahrhunderts, ebenso anläßlich der Schließung
des Friedhofes zum «Fuchsloch».
    Der Mangel an räumlich hinreichenden Friedhöfen führte zwangs­
läufig zu einem rasch aufeinanderfolgenden Bestattungsturnus, wel­
cher sowohl den Geboten der Pietät als auch den Anforderungen
der Hygiene widersprach.
                                                                121
a) Die Schaffung des Zentralfriedhofes

    Die Friedhoffrage gehörte deshalb in den achtzehnhundert -
dreißiger Jahren zu den brennenden Problemen der Stadt Zürich,
die eine großzügige Lösung forderten. Nachdem die uralten Kirch­
höfe unmittelbar bei den alten Münstern tind Pfarrkirchen längst
überfüllt waren, jener im Fuchsloch bei Abtragung der Schanzen
1839 verschüttet worden, und auch der zu St. Anna besetzt war,
versuchte man zu einem gemeinsamen Friedhof für die ganze Stadt
im Selnau zu gelangen. Als der Versuch mißlang, schlossen die
Kirchgemeinden Großmünster und Predigern mit dem Regierungs­
rat einen Vertrag ab, dem dann auch die Kirchgemeinde Frau­
münsterbeitrat, gemäß welchem 1845 auf der Nordostseite der Hohen
Promenade ein neuer Friedhof für die genannten drei Gemeinden,
sowie ein Privatfriedhof für Bewohner aller vier Kirchgemeinden
angelegt wurden. Der Privatfriedhof an der Schanzengasse besteht
heute noch; der allgemeine Friedhof zur Hohen Promenade
breitete sich über das heute von der Töchterschule, deren Spiel­
platz und von der Hohen Promenade eingenommene Gelände aus.
Die damals von August und Ferdinand Stadler gebaute Abdankungs­
halle an der Promenadengasse ist' später zur St. Andrews Church
of England umgebaut worden.
    Etwa zur gleichen Zeit hatten sich die St. Petersgemeinde und
die Kirchgemeinde Außersihl über die Anlage eines größeren Fried­
hofes und die Errichtung eines Bet- und Abdankhauses auf dem
seit 1820 bestehenden Kirchhofe zu St. Jakob verständigt. Auf
Mitte des Jahres 1845 sind die Bestattungen zu St. Anna eingestellt
und dafür der neue Begräbnisplatz in Betrieb genommen worden,
der sich nördlich der heutigen Badenerstraße in der Gegend der
jetzigen St. Jakobskirche ausbreitete.
    Der Friedhof auf der Hohen Promenade war zu Anfang der sieb­
ziger Jahre nahezu gefüllt, und da die schlechte Beschaffenheit des
Terrains eine weitere Benutzung desselben aus sanitarischen Grün­
den verbot, erwarben die Kirchgemeinden Großmünster, Frau­
münster und Predigern im Jahre 1873 einen «im Saum», im
Gemeindebann Wiedikon, gelegenen Landkomplex zur Anlage eines
neuen Kirchhofes. Als dann nach der Annahme der Bundesverfassung
von 1874 gestützt auf deren Artikel 53 («Die Verfügung über die
Begräbnisplätze steht den bürgerlichen Behörden zu. Sie haben
dafür zu sorgen, daß jeder Verstorbene schicklich beerdigt werden
122
kann») im zürcherischen Gemeindegesetz vom 27. Juni 1875 be­
stimmt wurde, daß das Bestattungswesen von den Kirchgemeinden
an die politischen Gemeinden übergehe, ergab sich eine ganz neue
Situation.
    Die (alte) Stadtgemeinde Zürich übernahm unterm 11. Februar
1877 von den drei Kirchgemeinden den von diesen gekauften Land­
komplex in Wiedikon, und es wurde hier der neue, für die Einwohner
der ganzen damaligen Stadt bestimmte Zentralfriedhof angelegt.
Dieser konnte am 7. Oktober 1877 eröffnet werden.
    Der Übergang des Begräbnis- und Friedhofwesens, das seit Jahr­
hunderten in den Händen der Kirchgemeinde lag, an die politische
Gemeinde und die Anlage des Zentralfriedhofes sind die bedeut­
samsten Ereignisse der Geschichte unseres Friedhofwesens in der
zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Es bestand nun für die
ganze damalige Stadt ein gemeinsamer öffentlicher Friedhof. Da­
neben gab es noch den Privatfriedhof auf der Hohen Promenade;
und ebenso besaßen die Katholiken einen eigenen, im Jahre 1870
eröffneten Friedhof an der Elisabethenstraße, und die Israeliten den
1865 angelegten Begräbnisplatz im Friesenberg.
    Von den damaligen Vororten haben die Neumünstergemeinde
im Jahre 1874 auf der Rehalp, Außersihl 1877 im Sihlfeld, Enge 1878
im Gießhübel, Unterstraß 1880 auf dem Bühl am Milchbuck,
Leimbach 1883 an der Zwirnerstraße, Fluntern 1887 auf der All­
mend Fluntern neue Friedhöfe angelegt. Als Kuriosität mag hier
erwähnt sein, daß in den siebziger Jahren im Gebiet der einen Vor­
ortgemeinde Wiedikon nicht weniger als sieben Friedhöfe, teils auf­
gelassene, teils noch benützte bestanden: alter und neuer Friedhof
Wiedikon, Städtischei Zentralfriedhof und Friedhof Außersihl im
Sihlfeld, Enge im Gießhübel, der katholische Friedhof an der Elisa­
bethenstraße und der israelitische Friedhof im Friesenberg. Im
Gebiet von Außersihl lagen: der alte Friedhof St. Jakob, links
der Badenerstraße, und der neue Friedhof St. Jakob, rechts der
Badenerstraße.
    Der aus dem Besitz der drei Kirchgemeinden an die Stadt über­
gegangene, 40 Minuten von der Stadt entfernt in der Gemeinde
Wiedikon oberhalb des Hardgutes gelegene Landkomplex maß etwa
22 Jucharten (79 200 m2). Man fand ihn, was Entfernung, Boden­
beschaffenheit und Größe betrifft, für den Zweck, dem er dienen
sollte, wie schwerlich ein zweiter geeignet. Sein Erwerb wurde da­
durch erleichtert, daß die vereinigten Kirchgemeinden bereit waren,
                                                               123
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