3/2019 Bayerischer Gemeindetag

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3/2019 Bayerischer Gemeindetag
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                                                                                                   Bayerischer Gemeindetag
 3/2019

   Der
   De  Frühling
    er Fr        naht
        rühliing n aht – unübersehbar
                         un
                          nübe   hbarr …
                             erseh
                                                                                    BAYERISCHEN GEMEINDETAGS
                                                                                    Die Zeitschrift des

                                                  BayGT-mobil App:
    
                   
           http://www.bay-
           gemeindetag.de

      
     
baygt@bay-gemeindetag.de                         
3/2019 Bayerischer Gemeindetag
Bayerischer Gemeindetag Inhaltsverzeichnis

                                                                                 QuintEssenz                                                                                                  

                                                                                 Editorial                                                                                                    

                                                                                 Dr. Helmut Bröll:
                                                                                 Bauplanungsrecht und Einzelhandel
                                                                                 – Europäischer Gerichtshof stützt deutsche Praxis –                                                          

                                                                                 Thomas Roselt:
                                                                                 Neue Unfallverhütungsvorschrift für Feuerwehren                                                                  

                                                                                 Für so manche Holzkessel und Holzöfen läuft
                                                                                 der Countdown                                                                                                    

                                                                                 EineStadtGbR:
                                                                                 Digitale Objektverwaltung leicht gemacht mit „EineStadt“                                                         

                                                                                 Neues Informationsangebot:
                                                                                 Hinweiskarte „Hohe Grundwasserstände“

                                                                                 "**"                                                                                              

                                                                                 ""                                                                                              

                                                                                 "%#)!!) *$# *' )!                                                                                         

                                                                                 )&($'$()%)*'*&%$')&%)'&(()(*#(*&%$')&%)'*
                                                                                 &(*)(*#($!)'$!%#()(*&*' *#(*"'&!*                                                              

                                                                                 Dokumentation:

                                                                                 Die grüne Stadt – Modell der Zukunft **********************                           

                                                                                 BayGT-Presseinfo 05/2019 vom 27.02.2019:
                                                                                 STREBS: Freie Wähler und CSU geben den Gemeinden
                                                                                 Steine statt Brot *****************************************        

                                              Übersendung von Gerichtsentscheidungen an die Geschäftsstelle
                                              Die Auskunfts- und Beratungstätigkeit der Geschäftsstelle hängt in einem hohen
                                              Maße davon ab, wie gut der Informationsfluss zwischen Mitgliedskörperschaften
                                              und der Geschäftsstelle ist. Wir bitten deshalb unsere Mitglieder dringend, uns
                                              gerichtliche Entscheidungen umgehend zu überlassen und uns über anhängige
                                              Verfahren bei den Verwaltungsgerichten oder bei den obersten Bundesgerichten
                                              zu informieren, damit andere Mitglieder schnell und zeitnah von diesen Erfahrun-
                                              gen profitieren können.

                                                         BAYERISCHER                           Verantwortlich für                            Erscheinungsweise monatlich;                  Anzeigenverwaltung:
                                                                                              Redaktion und Anzeigen:                       Bezugspreis EUR 33,– jährl.;                  Bayerischer Gemeindetag
                                                         GEMEINDETAG                          Wilfried Schober,                             bei Mitgliedern im Beitrag enthalten          Katrin Zimmermann, Tel. 0 89 / 36 00 09-43
                                               Herausgeber und Verlag:                       Bayerischer Gemeindetag                       © Bilder: BayGT                               Druck, Herstellung und Versand:
                                              Bayerischer Gemeindetag,                       Dreschstraße 8, 80805 München                 © Titelbild: Katrin Zimmermann                Druckerei Schmerbeck GmbH
                                              Körperschaft des öffentlichen Rechts;         Tel. 0 89 / 36 00 09-30                                                                     Gutenbergstraße 12
                                             Geschäftsführendes Präsidialmitglied           E-Mail: baygt@bay-gemeindetag.de                                                            84184 Tiefenbach b. Landshut
                                             Direktor Dr. Franz Dirnberger
3/2019 Bayerischer Gemeindetag
Bayerischer Gemeindetag • QuintEssenz
                                                                                         Wichtiges
                                                                                          in Kürze 73

      Baurecht                          eignet und er muss verhältnismäßig       als autonomes Recht für Unterneh-
                                        sein.                                    mer und Versicherte wie Gesetze
EuGH stützt deutsche                    Das umfassende Abwägungsgebot            und Verordnungen im Arbeitsschutz
Praxis                                  und die hohen Begründungsanfor-          verbindlich.
Der Tante Emma Laden ist tot. Das       derungen hinsichtlich der städte-        Nunmehr wurde die DGUV-Vor-
ist eine allgemein bekannte Tat-        baulichen Erforderlichkeit stellen si-   schrift 49 „Feuerwehren“ mit spe-
sache. Der Einzelhandel hat sich in     cher, dass die unionsrechtlichen An-     ziellen Regelungen im Bereich der
den letzten Jahrzehnten grund-          forderungen an eine Beschränkung         Freiwilligen Feuerwehren erlassen.
legend gewandelt. Die großen Dis-       der Niederlassungsfreiheit eingehal-     Thomas Roselt, zuständiger Mitar-
counter bestimmen die Kaufgewohn-       ten werden. Damit ist klargestellt,      beiter bei der Kommunalen Unfall-
heiten weiter Schichten der Bevölke-    dass eine zentrenorientierte und         versicherung Bayern, stellt in seinem
rung. Inhabergeführte kleine Ge-        von einem kommunalen Einzelhan-          informativen Beitrag auf den Seiten
schäfte besetzen nurmehr wenige         delskonzept getragene Bauleitpla-        80 bis 83 die wichtigsten Neurege-
Nischen. Man mag das bedauern –         nung nicht gegen Europarecht ver-        lungen und ihre Auswirkungen auf
aber die Wirklichkeit ist nun mal so.   stößt.                                   die Gemeinden und Städte vor.
Die Veränderungen im Einzelhandel                                                Glücklicherweise sind die meisten
sind nicht nur auf wirtschaftliche             Feuerwehren                       Regelungen bekannt. Sie fanden
und soziale Aspekte beschränkt. Sie                                              sich bereits in früheren Vorschriften,
haben auch erhebliche städtebau-        Neue Unfallverhütungs-                   beispielsweise zur Gefährdungsbe-
liche Konsequenzen. Die neuen           regeln                                   urteilung im Feuerwehrdienst, zur
Märkte entstehen meist am Orts-         Ehrenamtliche bei den Freiwilligen       Eignungsuntersuchung bei Tätigkei-
rand und ziehen viel wirtschaftliche    Feuerwehren setzen Tag und Nacht         ten unter Atemschutz und zur kör-
Kraft aus dem Ortszentren, die bis      Leib und Leben aufs Spiel, um ihren      perlichen und geistigen Eignung für
zur Verödung zentraler Plätze und       Mitmenschen zu helfen. Es ist daher      den Feuerwehrdienst. Gemeinden
Straßen führen. Und der moderne         nur gerechtfertigt, das die Gemein-      und Städte müssen – wie bisher –
Bürger fährt mit dem Auto zum Dis-      den und Städte dafür sorgen, dass        Gefährdungen im Feuerwehrdienst
counter am Ortsrand, vor allem wenn     ihnen selbst nichts zustößt. Um hier     ermitteln und erforderliche Maß-
er den Wochenendeinkauf tätigt.         Rechtssicherheit zu haben, gibt es       nahmen zur Sicherheit und den Ge-
Großer Flächenverbrauch und man-        Unfallverhütungsvorschriften (UVV).      sundheitsschutz für alle Feuerwehr-
gelhafte Einbindung in das Orts-        Als Träger der gesetzlichen Unfall-      angehörigen treffen.
und Landschaftsbild sind zu Recht       versicherung für den kommunalen          Sicherheitstechnische und medizini-
beklagte Folgen solcher Märkte.         Bereich in Bayern erlässt die kom-       sche Beratung sind künftig Pflicht.
Der deutsche Gesetzgeber hat im         munale Unfallversicherung Bayern         Für den allgemeinen Feuerwehr-
Laufe der Jahre bauplanungsrecht-       (KUVB) unter Mitwirkung der Deut-        dienst sind Eignungsuntersuchun-
lich „nachgezogen“. Dr. Helmut Bröll    schen Gesetzlichen Unfallversiche-       gen nur vorgesehen, wenn im Ein-
von der Akademie ländlicher Raum        rung (DGUV) solche Unfallverhütungs-     zelfall konkrete Anhaltspunkte be-
zeichnet die Entwicklung in seinem      vorschriften. Diese Vorschriften sind    stehen, aus denen sich Zweifel an
lesenswerten Artikel ab den Seiten
76 ff. nach und weist in diesem
Zusammenhang auf europarecht-
liche Kritik hin.
Diese Kritik ist nun verstummt. An-
fang letzten Jahres hat nämlich der
Europäische Gerichtshof die von
interessierter Seite vorgebrachte ge-
nerelle Kritik an den bauplanungs-
rechtlichen Einzelhandelsregeln, die
einen Verstoß gegen die europa-
rechtliche Niederlassungsfreiheit re-
klamiert, zurückgewiesen. Der Aus-
schluss über die Beschränkung zen-
trenrelevanten Einzelhandels ist nach
deutschem Recht ähnlich wie nach
Art. 15 Abs. 3 der Dienstleistungs-
richtlinie von Gründen des Allgemei-
ninteresses getragen. Er muss zur
Erreichung des verfolgten Ziels ge-
3/2019 Bayerischer Gemeindetag
Bayerischer Gemeindetag • QuintEssenz
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                                        der körperlichen oder geistigen Eig-     den kann, zeigt die Firma EineStadt            Kommunalabgaben
                                        nung von Feuerwehrdienstleistun-         GbR. Jeder Baum wird mit einem
                                        gen für die vorgesehene Tätigkeit        kleinen Chip ausgestattet. Berührt      Falsches Spiel bei der
                                        ergeben.                                 der Kontrolleur oder Gutachter den      STREBS
                                        Bei bestimmten besonders gefähr-         Chip mit Tablet oder Smartphone, so
                                                                                 werden sofort übersichtlich die Sach-   Nach der STRABS nun die STREBS.
                                        deten Tätigkeiten, wie z.B. bei Infek-
                                                                                 daten des Objekts angezeigt. Nun        Was ist damit gemeint? Nachdem
                                        tionsgefährdung, muss die Gemein-
                                                                                 können neue Eigenschaften und           der Bayerische Gesetzgeber die Ein-
                                        de entsprechend der Gefährdungs-
                                        beurteilung arbeitsmedizinische Vor-     Befunde am Objekt eingetragen           nahmemöglichkeit der Straßenaus-
                                        sorge veranlassen bzw. anbieten.         werden. Die Zettelwirtschaft hat ein    baubeiträge im vergangenen Jahr
                                        Einen besonderen Stellenwert be-         Ende.                                   abgeschafft hat, macht er sich nun
                                        kommt der Schutz der Feuerwehr-          Was sich im Detail hinter der moder-    an die Straßenerschließungsbeiträ-
                                        angehörigen vor Kontaminationen          nen Methode verbirgt, können Sie auf    ge für Altfälle – unter Journalisten
                                        durch Gefahrstoffe und Biostoffe. So     den Seiten 86 und 87 nachlesen.         STREBS genannt. Die Koalition aus
                                        ist durch geeignete verhaltensbezo-                                              Freien Wählern und CSU beabsich-
                                        gene Maßnahmen dafür zu sorgen,                                                  tigt, eine gesetzliche Regelung zu
                                                                                       Hochwasserschutz                  schaffen, die es Gemeinden und Städ-
                                        dass Kontamination der Feuerwehr-
                                        angehörigen durch geeignete Schutz-      Karte „Hohe Grund-                      ten ermöglichten würde, im Zeitraum
                                        maßnahmen vermieden werden. Die                                                  vom 1. Januar 2018 bis 31. März 2021
                                                                                 wasserstände“                           entstandene bzw. erst noch entste-
                                        Redaktion meint: Lesen und beher-
                                                                                 Als Folge extremer Niederschläge        hende Straßenerschließungsbeiträ-
                                        zigen!
                                                                                 und im Zusammenhang mit Hoch-           ge nach eigenem Ermessen teilweise
                                                                                 wasserereignissen entstehen häufig      oder in vollem Umfang zu erlassen.
                                               Immissionsschutz                  Schäden an Gebäuden und Bau-
                                                                                 werken auch außerhalb über-             Klingt erstmal gut, ist in der Praxis
                                        Holzkessel und Holzöfen                  schwemmter Gebiete. Diese Schä-         aber fatal. Denn auf diese Weise
                                        austauschen!                             den werden durch hohe Grund-            setzt man die sich im Kommunal-
                                        Auf den Seite 85 finden Sie einen        wasserstände verursacht.                wahlkampf befindlichen Bürgermeis-
                                        Hinweis auf den „Countdown“ alter        Wo kommen solche Grundwasser-           terinnen und Bürgermeister massiv
                                        Holzkessel und Holzöfen. Wegen der       stände vor? Wie können sich Gebäu-      unter Druck, unter dem Ansturm der
                                        gestiegenen Anforderungen an sau-        deeigentümer schützen? Solche und       betroffenen Grundstückseigentümer
                                        bere Luft vor allem in den Städten       ähnliche Fragen beantwortet das         auf eine gesetzliche Einnahmequel-
                                        hat der Staat Fristen zum Austausch      zuständige Wasserwirtschaftsamt.        le zu verzichten. Und weil es keine
                                        der Altanlagen erlassen. Die Eigen-      Das Bayerische Landesamt für Um-        zwingende Regelung ist, muss der
                                        tümer dieser Anlagen sind aufgeru-       welt (LfU) hat nun eine Hinweiskarte    Freistaat dafür keine Kompensation
                                        fen, die Anlage rechtzeitig zu er-       „Hohe Grundwasserstände“ für ganz       leisten. Ein echt fieses Spiel! Näheres
                                        neuern.                                  Bayern herausgegeben. Auf den           dazu in der Pressemitteilung, die
                                        Welche Anlagen betroffen sind und        Seiten 88 und 89 finden Sie nähere      unter Dokumentation am Ende des
                                        was man sonst bei dem Betrieb von        Informationen hierzu.                   Hefts abgedruckt ist.
                                        Altöfen beachten muss, finden Sie in
                                        einer interessanten Broschüre, auf
                                        die in dem Beitrag hingewiesen wird.

                                               Digitalisierung
                                        Objektverwaltung leicht
                                        gemacht
                                        Aufgrund von EU-Vorgaben sind die
                                        Städte und Gemeinden verpflichtet,
                                        verkehrssicherungsrelevante Objek-
                                        te in regelmäßigen Zeitabständen
                                        zu kontrollieren. Um den Papierauf-
                                        wand in Grenzen zu halten oder gar
                                        komplett abzuschaffen, bieten sich
                                        digitale Methoden an.
                                        Ein Beispiel der Stadt Schwabmün-
                                        chen, wie Baumkontrolle mithilfe
                                        eines einzigen Systems gelöst wer-
3/2019 Bayerischer Gemeindetag
3/2019 Bayerischer Gemeindetag      75

Grundsteuer: Rasche Einigung tut not!

   E
         s ist schon wieder fast ein Jahr her,     Geht’s noch? Es ist schon perfide, wenn
         dass das Bundesverfassungsgericht         Bundes- und Landespolitiker auf sicherlich
         am 10. April 2018 – übrigens zu nie-      höchstem Niveau in aller Ruhe über die
   mandes Überraschung – die Bewertungs-           Gerechtigkeit und die Praktikabilität von
   regeln für die Grundsteuer als verfassungs-     verschiedenen Steuermodellen debattieren,
   widrig erkannt hat. Immerhin hat das Ge-        während die eigentlich betroffenen Bürger-
   richt dem Gesetzgeber dabei eine ver-           meisterinnen und Bürgermeister staunend
   gleichsweise doch recht großzügige Frist        an der Seite stehen und diesen Prozess ver-
   eingeräumt, den Fehler zu beheben: Bis          folgen müssen. Einigt Euch und zwar rasch!
   zum 31. Dezember 2019 ist eine Neurege-         In den wenigen Monaten, die in diesem
   lung für die Grundsteuer erforderlich, bis      Jahr noch verbleiben, muss ja nicht nur ein
   dahin dürfen die verfassungswidrigen Re-        ausgefeilter Gesetzentwurf entstehen, der
   gelungen noch angewandt werden.                 gleichzeitig rechtssicher und umsetzbar ist,
                                                   sondern es muss auch noch ein möglicher-
   Was geschähe aber, wenn die Frist versäumt      weise nicht ganz unkompliziertes und hin-
   würde? Dann würde es ab dem 1. Januar           dernisfreies Gesetzgebungsverfahren im
   2020 keine Grundsteuer mehr geben! Eine         Bundesrat und Bundestag ablaufen. Jetzt ist
   Horrorvorstellung für viele Gemeinden. Die      keine Zeit mehr, parteipolitische Spielchen
   Grundsteuer ist die dritte große Einnahme-      zu treiben oder auf ideologische Justament-
   quelle für jede Kommune. Sie mag nicht an       standpunkte zu pochen.
   die Einkommensteuerbeteiligung oder an
   das Gewerbesteueraufkommen heranrei-            Wir Gemeinden haben inhaltlich eigentlich
   chen. Gleichwohl sind die entsprechenden        nur zwei wesentliche Forderungen: Lasst
   Beträge ein unverzichtbarer Bestandteil ge-     uns das Hebesatzrecht, mit dem wir flexibel
   meindlicher Handlungs- und Investitions-        auf die jeweiligen Rahmenbedingungen
   spielräume. Würde die Grundsteuer weg-          Rücksicht nehmen können, und gebt uns
   brechen, wäre ein ausgeglichener Haushalt       die im Koalitionsvertrag versprochene er-
   für nicht wenige Städte und Gemeinden           höhte Grundsteuer C für bebaubare, aber
   schlicht nicht mehr leistbar! Am 20. Februar    unbebaute Grundstücke.
   2019 war die Hälfte der Zeit, die das Bun-      Liebe Politiker in Bund und Land, handelt
   desverfassungsgericht gewährt hat, schon        jetzt! Oder wie Winston Churchill es aus-
   vorbei …                                        gedrückt hat: „Es ist sinnlos zu sagen: Wir
                                                   tun unser Bestes. Es muss uns gelingen, das
   Aber Entscheidungen sind noch nicht ge-         zu tun, was erforderlich ist.“
   troffen. Schon seit Monaten streiten sich
   Bund und Länder über den richtigen Weg,
   wie die Grundsteuer der Zukunft beschaf-
   fen sein soll. Der Bund und die Mehrheit der
   Länder bevorzugt ein wertabhängiges Mo-
   dell, das – wie der Name schon intendiert –
   die Höhe der Grundsteuer vom Wert des
   Grundstücks und der darauf befindlichen
   Gebäude abhängig machen soll. Über die
   Einzelheiten wird innerhalb der Befürwor-
   ter dieses Systems allerdings heftig gerun-
   gen. Und der Freistaat Bayern favorisiert
   eine Steuer, die nur die Größe des Grund-
   stücks und die Nutzfläche der Gebäude ein-
   bezieht. Niedersachsen hat sich nun jüngst                       Dr. Franz Dirnberger
   an die Seite Bayerns gestellt und fordert gar    Geschäftsführendes Präsidialmitglied
   einen „Neustart“ und eine „Denkpause“.                des Bayerischen Gemeindetags
3/2019 Bayerischer Gemeindetag
76    Bayerischer Gemeindetag 3/2019

                                            Bauplanungsrecht und
                                                 Einzelhandel –
                                           Europäischer Gerichtshof
1. Einzelhandel und
Bauplanungsrecht                            stützt deutsche Praxis –                         auch im sogenannten unver-
                                                                                             planten Innenbereich, also da, wo
Die Einzelhandelslandschaft hat                                                              kein Bebauungsplan existiert, die
sich nach dem 2. Weltkrieg grund-                                                            Niederlassungsmöglichkeiten
                                                   Dr. Helmut Bröll,                         für große Märkte einschränkten.
legend verändert. Besonders aus-
geprägt sind diese Veränderun-                 Akademie Ländlicher Raum                      Nach § 9 Abs. 2a Baugesetz-
gen im Lebensmitteleinzelhan-                                                                buch kann über den unverplan-
del, wo inzwischen die vier gro-                                                             ten Innenbereich ein einfacher
ßen Player Aldi, Edeka, Lidl und Rewe        neuen Märkte benötigt große Flä-         Bebauungsplan gelegt werden, der
mit ihren Unterfirmen mehr als 70            chen für Parkplätze und schafft oft in   zur Erhaltung und Entwicklung zen-
Prozent des Umsatzes bestreiten. In-         den Zugangsstraßen Verkehrspro-          traler Versorgungsbereiche Restrik-
habergeführte kleine Geschäfte be-           bleme.                                   tionen ermöglicht. Schließlich ist seit
setzen nur mehr wenige Nischen. Ein                                                   2004 die Grundregel des § 34 Bauge-
                                             Großer Flächenverbrauch und man-
himmelweiter Unterschied zu den Zei-                                                  setzbuch, dass im unverplanten In-
                                             gelhafte Einbindung in das Orts- und
ten, als der Verfasser als Student beim                                               nenbereich ein sich einfügendes Vor-
                                             Landschaftsbild sind daher häufig be-
Besuch am Stand seines Vaters in der                                                  haben zulässig ist, für Handelsbetrie-
                                             klagte Folgen solcher Märkte.
Münchner Großmarkthalle schon um                                                      be mit Fernwirkungen aufgegeben
6 Uhr morgens Massen von Einzel-             Die Kommunen waren zunächst ein-         worden.
händlern durch die Hallen strömen            mal nur Zuschauer in diesem Prozess,     Obwohl weitgehend Konsens be-
sah.                                         der nach den Gesetzen der Marktwirt-     stand, dass planungsrechtliche Re-
Die Veränderungen im Einzelhandel            schaft ablief. Inzwischen hat der Ge-    geln den Wandel im Einzelhandel be-
sind nicht auf wirtschaftliche und so-       setzgeber aber Instrumente geschaf-      gleiten dürfen und sollen, gab es
ziale Aspekte beschränkt; sie haben          fen, die die Kommunen nicht völlig       doch immer wieder politische und
auch erhebliche städtebauliche Kon-          hilflos gegenüber allen Veränderun-      juristische     Auseinandersetzungen.
sequenzen. Die neuen Märkte ent-             gen dastehen lassen. Diese neuen         Eine ernst zu nehmende Kritik berief
stehen meist am Ortsrand und ziehen          Instrumente sollen städtebaulichen       sich dabei auf das Europarecht. Sie
viel wirtschaftliche Kraft aus den Orts-     Wildwuchs verhindern, sie sind aber      behauptete, dass die durch Art. 49 des
zentren, die bis zur Verödung zentra-        nicht dazu gedacht, Konkurrenzschutz     Vertrages über die Arbeitsweise der
ler Plätze und Straßen führen. Die über-     für bestehende Betriebe aufzubauen,      Europäischen Union grundsätzlich ge-
wiegend motorisierte Kundschaft der          mag ein solcher auch häufig mit der      währte Niederlassungsfreiheit für den
                                             Anwendung städtebaulicher Instru-        Bereich der Dienstleistungen durch
                                             mente Hand in Hand gehen.                Ausschlüsse und Restriktionen für den
                                             Eine erste Sonderregelung für Ein-       Einzelhandel gefährdet werde. Die
                                             kaufszentren und Verbrauchermärkte       raumordnerische und bauleitplaneri-
                                             wurde 1968 mit der Einfügung eines       sche Steuerung des Einzelhandels er-
                                             § 11 Abs. 3 in die Baunutzungsverord-    schwert gravierend den Marktzutritt
                                             nung geschaffen. Aus ihm ist nach        neuer Wettbewerber, lautet zusam-
                                             mehrmaligen Änderungen 1977 und          menfassend die Kritik in der renom-
                                             1987 die heutige Fassung des § 11        mierten Zeitschrift für Rechtspolitik.1
                                             Abs. 3 Baunutzungsverordnung her-        Das Bundeskartellamt formuliert im
                                             vorgegangen. Sie sieht vor, dass Ein-    September 2014 anlässlich einer Sek-
                                             kaufszentren und großflächige Einzel-    torenuntersuchung im Lebensmittel-
                                             handelsbetriebe nur mehr in zwei         einzelhandel: „Die Praxis bei der Ver-
                                             Baugebietstypen, nämlich in Kern-        folgung städtebaulicher Ziele durch
                                             gebieten und speziell ausgewiesenen      die Gemeinden enthält ein beträcht-
                                             Sondergebieten zulässig sind. Auf        liches Diskriminierungspotential.“
 Dr. Helmut Bröll                © Bröll     § 11 Abs. 3 Baunutzungsverordnung
                                             folgten weitere Bestimmungen, die
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2. Das Urteil des Europäischen             • Der Bauleitplan der Stadt Appinge-           3. Einzelhandelssteuerung nach
   Gerichtshofs                              dam ist europarechtskonform. Er                  deutschem Bauplanungsrecht
Der Europäische Gerichtshof hat nun          enthält keine Diskriminierung aus            Festsetzungen nach § 1
mit Urteil vom 30. Januar 20182 die          Gründen der Staatsangehörigkeit.             Baunutzungsverordnung
Europarechtskonformität einer Bau-           Er ist durch einen zwingenden Grund
                                             des Allgemeininteresses (Erhaltung           Die Baunutzungsverordnung gibt den
leitplanung bestätigt, die die nieder-                                                    Gemeinden die Baugebietstypen vor.
ländische Stadt Appingedam für ein           der Lebensqualität im Stadtzentrum)
                                             gerechtfertigt, er ist zur Verwirkli-        Darüber hinaus können die Gemein-
Gewerbegebiet außerhalb des Stadt-                                                        den nicht nach Belieben weitere Bau-
zentrums erlassen hatte. Dieser Plan         chung dieses Zieles geeignet und
                                             kann nicht durch weniger ein-                gebietstypen schaffen. Sie haben aber
sah zum Schutz des Stadtzentrums                                                          innerhalb der vorgegebenen Bauge-
vor, dass in dem neuen Gewerbege-            schneidende Maßnahmen ersetzt
                                             werden.                                      bietstypen eine ganze Reihe von
biet nur „Waren mit großem Platzbe-                                                       Variationsmöglichkeiten.
darf“ (also z. B. Möbel, Baumaterialien,
                                           Der vom EuGH für die Zulässigkeits-            Nach § 1 Abs. 5 und Abs. 9 Baunut-
Autos und Autoteile) zulässig sind.
                                           prüfung herangezogene Art. 15 Abs. 3           zungsverordnung können bestimmte
Gegen diesen Plan wandte sich eine
                                           der Dienstleistungsrichtlinie ist der          Arten von Nutzungen, die in einem
Grundstückseignerin, die ihre Fläche
                                           Maßstab, an dem auch die deutschen             Gebiet normalerweise allgemein zu-
an eine Diskountkette verkaufen woll-
                                           planungsrechtlichen Vorschriften zur           lässig sind, von der Gemeinde für den
te, die dort einen Verkauf von Schuhen
                                           Einzelhandelssteuerung zu messen               speziellen Bebauungsplan nicht zu-
und Bekleidung aufzunehmen beab-
                                           sind.                                          gelassen oder nur ausnahmsweise zu-
sichtigte. Die Grundstückseigentü-
                                                                                          gelassen werden. Diese Möglichkeit
merin argumentierte, der Bauleitplan
                                           Nach deutschem Recht ist Grund-                besteht auch für Unterarten von Nut-
verstoße gegen die europäische Nie-
                                           voraussetzung jeder Bauleitplanung,            zungen, z. B. bestimmte Formen des
derlassungsfreiheit und die darauf
                                           dass für die Planung ein städtebau-            Einzelhandels. Das Beispiel eines Ge-
beruhende Dienstleistungsrichtlinie.3
                                           liches Erfordernis besteht (§ 1 Abs. 3         werbegebietes mag dies verdeut-
Der Staatsrat der Niederlande hat zur
                                           S. 1 Baugesetzbuch). Regelungen in             lichen. Nach § 8 Baunutzungsverord-
Klärung dieser europarechtlichen Fra-
                                           Bebauungsplänen, die zum Schutz                nung sind im Gewerbegebiet grund-
ge das Klageverfahren ausgesetzt und
                                           vorhandener Orts- und Ortsteilszen-            sätzlich alle nicht erheblich beläs-
dem Europäischen Gerichtshof vor-
                                           tren Beschränkungen für den Einzel-            tigenden Gewerbebetriebe zulässig.
gelegt.
                                           handel bringen, können je nach kon-            Aus städtebaulichen Gründen, z. B.
Der EuGH stellte folgende Punkte           kreter Lage städtebaulich erforderlich         Freihaltung wertvoller Flächen für
heraus:                                    sein. Sie müssen begründet und einer           produzierendes Gewerbe, kann aber
• Einzelhandel ist eine Dienstleistung     Abwägung gemäß § 1 Abs. 7 Bauge-               im Bebauungsplan festgesetzt wer-
  und fällt daher unter den Anwen-         setzbuch unterworfen werden. Sie               den, dass Einzelhandel insgesamt
  dungsbereich der Dienstleistungs-        müssen auch dem Verhältnismäßig-               oder bestimmte Formen des Einzel-
  richtlinie.                              keitsgrundsatz entsprechen.                    handels nicht zulässig sind.

• Die Bestimmungen über die Nieder-
  lassungsfreiheit der Dienstleistungs-
  erbringer sind auch auf einen Sach-
  verhalt anwendbar, dessen Merk-
  male sämtlich nicht über die Gren-
  zen eines Mitgliedstaates hinaus-
  weisen.
• Bauleitpläne sind anhand der Art.
  14 und 15 der Dienstleistungsricht-
  linie zu prüfen, die die zu prüfenden
  und schließlich auch die unzulässi-
  gen Anforderungen an Regelungen
  über Dienstleistungen enthalten.
• Bauleitpläne mit Beschränkungen
  für die Tätigkeit des Einzelhandels
  sind zulässig, wenn sämtliche in
  Art. 15 Abs. 3 der Dienstleistungs-
                                            Einkaufen heute
  richtlinie genannten Bedingungen          Viel Verkaufsfläche mit großen Parkplätzen am Ortsrand                       © Bröll
  erfüllt sind.
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78    Bayerischer Gemeindetag 3/2019

§ 11 Abs. 3 Baunutzungsverordnung            fern.4 Einkaufszentrum im Sinne des        § 9 Abs. 2a Baugesetzbuch
                                             § 11 Abs. 3 Baunutzungsverordnung
Speziell für den großflächigen Einzel-                                                  Nach § 9 Abs. 2a Baugesetzbuch kann
                                             ist nicht jede Ansammlung von Ein-
handel und für Einkaufszentren wur-                                                     im unverplanten Innenbereich zur Er-
                                             zelhandelsgeschäften; es muss sich
de § 11 Abs. 3 Baunutzungsverord-                                                       haltung oder Entwicklung9 zentraler
                                             vielmehr um einheitlich bebaute und
nung geschaffen, der als Standort für                                                   Versorgungsbereiche, auch im Inter-
                                             verwaltete, möglicherweise auch fi-
diese Unternehmen ein Kerngebiet                                                        esse der verbrauchernahen Versor-
                                             nanzierte Anlagen handeln, die durch
oder ein Sondergebiet voraussetzt.                                                      gung der Bevölkerung und der Innen-
                                             eine einheitliche Werbung nach Au-
Dabei ist vorweg zu betonen, dass                                                       entwicklung, ein einfacher Bebauungs-
                                             ßen ausstrahlen.5
kein Investor die Ausweisung eines                                                      plan erlassen werden. In dem Bebau-
Areals als Sondergebiet verlangen            In einem Bebauungsplan für ein Son-        ungsplan kann festgesetzt werden,
kann. § 1 Abs. 3 S. 2 Baugesetzbuch          dergebiet lassen sich eine ganze Rei-      dass bestimmte Arten baulicher Nut-
sagt ausdrücklich, dass auf die Auf-         he von Festsetzungen zur Steuerung         zung zulässig, nicht zulässig oder nur
stellung eines Bebauungsplans kein           des Einzelhandels unterbringen. Hier       ausnahmsweise zulässig sind. Damit
Anspruch besteht. Die Großflächig-           ist es erlaubt, auch weitergehende         kann die Entstehung oder Vergrö-
keit eines Marktes wird in der Bau-          Festsetzungen zu treffen, als die in § 1   ßerung von Einzelhandelsbetrieben
nutzungsverordnung nicht mit einer           Baunutzungsverordnung genannten            kontrolliert werden, die ansonsten
fixen Größe festgelegt. § 11 Abs. 3          auf Art und Maß der Nutzung be-            nach der in § 34 Abs. 1 Baugesetz-
Baunutzungsverordnung enthält aber           schränkten Festsetzungen.6                 buch für den Innenbereich aufgestell-
die Vermutung, dass ab 1.200 qm                                                         te Grundregel, dass jedes sich in die
Geschossfläche (nicht Verkaufsfläche)        So kann zum Schutze der im Orts-           Umgebung einfügende Vorhaben zu-
wesentliche städtebauliche und lan-          zentrum traditionell ansässigen Bä-        lässig ist, einen Rechtsanspruch auf
desplanerische Auswirkungen von ei-          ckereien und Metzgereien eine Sorti-       Genehmigung hätten.
nem solchen Markt ausgehen. 1.200 qm         mentsbeschränkung ausgesprochen
                                             werden.7 Sehr häufig sind Festsetzun-      § 9 Abs. 2 Baugesetzbuch ist anders
Geschoßfläche sind daher ein guter
                                             gen, die die Verkaufsfläche beschrän-      als die Aufstellung eines qualifizierten
Indikator für die Annahme der Groß-
                                             ken.8 Solche Beschränkungen werden         Bebauungsplans ein für die Gemein-
flächigkeit.
                                             oft aufgrund einer Abschätzung der         den relativ leicht zu handhabendes
Daneben kann ein Vergleich mit an-           im Einzugsbereich eines Marktes vor-       Instrument. Die Aufstellung eines qua-
deren Betrieben der gleichen Bran-           handenen Kaufkraft erlassen, um vor-       lifizierten Bebauungsplans mit der An-
che an vergleichbaren Standorten             handene Orts- und Ortsteilzentren in       gabe eines bestimmten Baugebiets-
Maßstäbe für die Großflächigkeit lie-        ihrer Funktionsfähigkeit zu erhalten.      typus (allgemeines Wohngebiet, Dorf-
                                                                                        gebiet, Mischgebiet, Gewerbegebiet)
                                                                                        ist im bebauten Bereich dagegen
                                                                                        häufig sehr schwierig oder ganz un-
                                                                                        möglich, da solche Bereiche traditio-
                                                                                        nell eine hohe Durchmischung ver-
                                                                                        schiedener Nutzungsarten aufweisen.
                                                                                        Auf diese vorhandenen Nutzungen
                                                                                        müsste aber bei der Wahl des Bauge-
                                                                                        biettyps geachtet werden. Schwierige
                                                                                        Untersuchungen und Interessenab-
                                                                                        wägungen wären in einem solchen
                                                                                        Fall erforderlich.
                                                                                        Der Bebauungsplan des § 9 Abs. 2a
                                                                                        Baugesetzbuch kann sich dagegen
                                                                                        auf einige wenige Aussagen zur Han-
                                                                                        delsstruktur, zu den zu schützenden
                                                                                        oder noch zu entwickelnden Orts-
                                                                                        und Ortsteilzentren beschränken und
                                                                                        daraus Festsetzungen zu möglichen
                                                                                        zulässigen oder unzulässigen Nut-
                                                                                        zungsarten (Einzelhandelsbetriebe,
                                                                                        Tankstellen, Gartenbaubetriebe, son-
                                                                                        stige großflächige Handelsbetriebe)
 Einkaufen Anno Dazumal
 Der Tante Emma Laden in der Nachbarschaft                                    © Bröll
                                                                                        ableiten.Auch für Unterarten einzel-
                                                                                        ner Nutzungsarten, wie Einzelhandel
3/2019 Bayerischer Gemeindetag
3/2019 Bayerischer Gemeindetag                          79

für Möbel oder für Lebensmittel kön-     Der Ausschluss oder die Beschrän-            Fußnoten
nen Festsetzungen getroffen wer-         kung zentrenrelevanten Einzelhan-            1
                                                                                           Battis, Raumplanungsrecht und Wettbewerb, ZRP
den.10 Damit können gezielt Sorti-       dels ist nach deutschem Recht ähn-                2016, 107
mente, die zur Entwicklung eines zen-    lich wie nach Art. 15 Abs. 3 Dienst-         2
                                                                                           C 360/15 und C 31/16, abgedr. in ZfBR 2018, 368
                                                                                      3
tralen Versorgungsbereichs nützlich      leistungsrichtlinie von Gründen des               Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments
                                                                                           und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen
sind, gefördert oder andererseits zen-   Allgemeininteresses getragen, er muss             im Binnenmarkt, veröffentlicht in Amtsblatt der Euro-
trenschädliche Formen des Einzel-        zur Erreichung des verfolgten Ziels               päischen Union vom 27.12.2006
handels ausgeschlossen werden.           geeignet sein und er muss verhältnis-        4
                                                                                           Bröll/Scheidler, Baunutzungsverordnung 2017, S. 199,
                                                                                           Weka-Verlag
                                         mäßig sein. Nach deutschem Bau-
§ 34 Abs. 2 Baugesetzbuch
                                                                                      5
                                                                                           Vgl. Bundesverwaltungsgericht vom 16.10.2013 – 4
                                         recht muss eine Einzelhandelssteue-               B29.13, Baurecht 2014, 58 zu einem „gewachsenen“
Die Genehmigung eines Bauvorha-          rung, die dem Schutz vorhandener                  Einkaufszentrum
bens im unverplanten Innenbereich        oder erst noch zu entwickelnder Orts-        6
                                                                                           Bröll/Scheidler, Baunutzungsverordnung, S. 206
                                                                                      7
bedarf des Einvernehmens der Ge-         zentren dient, städtebaulich erforder-            Bundesverwaltungsgericht vom 09.02.2011 – 4 BN43.10,
                                                                                           ZfBR 2011,374
meinde nach § 36 Baugesetzbuch.          lich sein, was klar herausgearbeitet         8
                                                                                           Erstmals schon mit Urteil des Bundesverwaltungsge-
Dieses Einvernehmen muss erteilt         werden muss. Dazu gehört die Fest-                richts vom 27.04.1990 – 4 C36.87, Baurecht 1990, 569
werden, wenn die planungsrechtli-        legung städtebaulicher Ziele (Stär-               zugelassen. Das Urteil des Bundesverwaltungsge-
                                                                                           richts vom 09.02.2011 – 4 BN43.10, abgedruckt in
chen Voraussetzungen vorliegen.          kung oder Entwicklung von Ortszen-                ZfBR 2011, 374 unterscheidet allerdings zwischen zu-
Für § 34 Bundesbaugesetzbuch be-         tren, Schutz von Orts- und Land-                  lässigen vorhabenbezogenen Verkaufsflächenbeschrän-
                                                                                           kungen und nicht zulässigen auf das ganze Baugebiet
deutet dies, dass die Genehmigung        schaftsbild am Ortsrand etc.) ebenso              bezogenen Beschränkungen
zu erteilen ist, wenn sich das neue      wie eine Analyse der vorhandenen             9
                                                                                           Jäde/Dirnberger, BauGB 9. Auflage, Boorbergverlag,
Vorhaben in den vorhandenen Be-          Handelsstruktur. Im Zuge dieser Ana-              § 9 Rd.Nr. 90; sehr weitgehend Bundesverwaltungsge-
                                         lyse können auch absatzwirtschaft-                richt vom 15.05.2013 4 BN1.13, ZfBR 2013, 573.
stand der Umgebung einfügt.                                                                „Schädliche Auswirkungen müssen nicht schon kon-
                                         liche Prognosen über die vorhande-                kret zu befürchten sein. Es genügt, dass die Gemeinde
Für die Gemeinde ist es aber wichtig
                                         nen und die zu erwartenden Kauf-                  im Rahmen ihres planerischen Gestaltungsspielraums
zu wissen, dass bei Vorhaben, die po-                                                      Vorsorge für die Erhaltung der Attraktivität eines Zen-
                                         kraftströme angestellt werden. Das
tentielle schädliche Auswirkungen                                                          trums treffen will.“
                                         ist kein Verstoß gegen Art. 14 Nr. 5         10
auf zentrale Versorgungsbereiche in                                                        Sehr weitgehend in der Differenzierung z. B. Bundes-
                                         Dienstleistungsrichtlinie, der es unter-          verwaltungsgericht vom 09.02.2011 a.a.O., der einen
der Gemeinde oder in anderen Ge-                                                           auf ein Designer-Outlet-Centrum zugeschnittenen
meinden haben, die Beurteilung des       sagt, eine Genehmigung vom Nach-                  Bebauungsplan betraf
Einfügens nicht nur anhand der nähe-     weis eines wirtschaftlichen Bedarfs          11
                                                                                           Bröll/Jäde, Das neue Baugesetzbuch, Weka-Verlag,
ren Umgebung zu erfolgen hat. Hier       oder einer Marktnachfrage abhängig                Teil 4/4.5.3, Rd.Nr. 36 ff

kann die Gemeinde auch das Einver-       zu machen. Art. 14 Nr. 5 Dienst-             12
                                                                                           Battis, Raumplanungsrecht und Wettbebwerb, ZRP
                                                                                           2016, 107 und Bunzel/Janning, Grenzenloser Wettbe-
nehmen verweigern, wenn ein sol-         leistungsrichtlinie nimmt nämlich ex-             werb und nachhaltige Raum- und Stadtentwicklung,
ches Vorhaben Fernwirkungen hat,         plizit Planungserfordernisse aus, die             ZfBR 2017, 425 ff

die auf andere Bereiche der Gemein-      keine wirtschaftlichen Ziele verfol-         13
                                                                                           Janning, Anmerkung zum Urteil des EuGH vom
                                         gen, sondern zwingenden Gründen                   30.01.2018 in ZfBR 2018, 374
de oder auf Nachbargemeinden aus-
strahlen.                                des Allgemeinwohls dienen.
§ 34 Abs. 3 Baugesetzbuch gilt nicht     Das umfassende Abwägungsgebot
nur für großflächige Einzelhandels-      und die hohen Begründungsanforde-
betriebe im Sinne des § 11 Abs. 3 Bau-   rungen hinsichtlich der städtebauli-
nutzungsverordnung; er ist für alle      chen Erforderlichkeit stellen sicher,
Einzelhandelsbetriebe     anwendbar.     dass die unionsrechtlichen Anforde-
Hier kann die Gemeinde also ihr Ein-     rungen an eine Beschränkung der
vernehmen durchaus von vorherigen        Niederlassungsfreiheit eingehalten
Untersuchungen, von der Handels-         werden.
struktur über Kaufkraftströme bis zu     Generell lässt sich damit sagen, dass
Verkehrsfragen abhängig machen.11        eine zentrenorientierte und von einem
                                         kommunalen Einzelhandelskonzept
Fazit
                                         getragene Bauleitplanung nicht ge-
Die Entscheidung des Europäischen        gen Europarecht verstößt.13
Gerichtshofs zeigt, dass die von inte-
ressierter Seite vorgebrachte generel-
le Kritik an den bauplanungsrecht-
lichen Einzelhandelsregeln, die einen                      Weitere Informationen:
Verstoß gegen die europarechtliche                      Akademie Ländlicher Raum
Niederlassungsfreiheit reklamierte,                               Dr. Helmut Bröll
nicht berechtigt ist.12                                     helmut.broell@gmx.de
3/2019 Bayerischer Gemeindetag
80   Bayerischer Gemeindetag 3/2019

                                              Neue
                                    Unfallverhütungsvorschrift
                                        für Feuerwehren
Als Träger der gesetzlichen Un-                                                         und Unsicherheiten gekommen.
fallversicherung für den kom-                                                           Um dies zu vermeiden, wird im
munalen Bereich in Bayern er-                                                           § 2 Abs. 1 der DGUV Vorschrift 1
lässt die KUVB unter Mitwir-                                                            „Grundsätze der Prävention“
kung der Deutschen Gesetzli-
                                                    Thomas Roselt,                      generell geregelt, dass die in
chen Unfallversicherung (DGUV)         Kommunale Unfallversicherung Bayern              staatlichem Recht bestimmten
auf Grundlage von § 15 Abs. 1                                                           Maßnahmen auch zum Schutz
SGB VII Unfallverhütungsvor-                                                            von Versicherten gelten, die kei-
schriften (DGUV Vorschriften). Diese ren zu entsprechen und die Aspekte ne Beschäftigten sind. Folglich unter-
DGUV Vorschriften sind als auto- des modernen Arbeitsschutzes ein- liegen alle Versicherten grundsätzlich
nomes Recht für Unternehmer und fließen zu lassen, wurde die UVV denselben Rechtsvorschriften, sofern
Versicherte, wie Gesetze und Verord- „Feuerwehren“ nun grundlegend über- nicht spezielle Regelungen für be-
nungen im Arbeitsschutz, verbindlich. arbeitet. Parallel hierzu wurde die stimmte Versichertengruppen be-
Die neue DGUV Vorschrift 49 – Unfall- eigenständige DGUV Regel 105–049 stehen.
verhütungsvorschrift „Feuerwehren“ „Feuerwehren“ erstellt, die die Durch- Diese formale Gleichstellung frei-
richtet sich vorrangig an den Unter- führungsanweisung (Kursivtext in der williger Feuerwehren mit hauptberuf-
nehmer als Träger öffentlicher freiwil- bisherigen UVV) ersetzt und nun deut- lich Tätigen schließt zwar Regelungs-
liger Feuerwehren bzw. öffentlicher lich präziser die Inhalte der DGUV lücken, ist jedoch in der Praxis so
Pflichtfeuerwehren. Im Vordergrund Vorschrift 49 „Feuerwehren“ konkre- nicht immer umsetzbar. Ehrenamt-
stehen insbesondere die Entlastung tisiert.                                       liche Einsatzkräfte der Feuerwehr
des Ehrenamtes und die Stärkung der                                               sind eine besondere Gruppe von Ver-
Unternehmerpflichten.                     Rechtlicher Hintergrund                 sicherten. Ihre Tätigkeit weist nicht
Die bisherige Fassung der Unfallver- Das staatliche Arbeitsschutzregelwerk, nur Merkmale von Gefährdungen auf,
hütungsvorschrift (UVV) „Feuerweh- dessen Anwendungsbereich sich im die in anderen Betriebsarten sehr
ren“ wurde 1989 als GUV V C53 in Wesentlichen auf Arbeitnehmer und selten anzutreffen sind. Auch handelt
Kraft gesetzt und seitdem nur gering- Beamte erstreckt, gilt grundsätzlich es sich bei Feuerwehreinsätzen übli-
fügig angepasst. Um den aktuellen nicht unmittelbar für ehrenamtlich cherweise um ungeplante, unvorher-
Belangen der freiwilligen Feuerweh- Tätige in freiwilligen Feuerwehren. sehbare Ereignisse, die eine systema-
                                          Daher bekommen die Inhalte der tische Herangehensweise, wie sie für
                                          Unfallverhütungsvorschriften der ge- andere Einrichtungen und Betrieben
                                          setzlichen Unfallversicherung für eh- vorgesehen ist, nicht immer ermög-
                                          renamtliche Feuerwehrangehörige licht. Hinzu kommt, dass in freiwilli-
                                          eine besondere Bedeutung.               gen Feuerwehren eine einsatzbezo-
                                          Zur Vermeidung von Doppelregelun- gene Personalplanung für den Ein-
                                          gen im staatlichen Regelwerk und im satzfall nicht realisierbar ist, da im Vor-
                                          Regelwerk der gesetzlichen Unfallver- feld weder bekannt ist, welche Ein-
                                          sicherung wurden in der Vergangen- satzkräfte zur Verfügung stehen, noch
                                          heit Unfallverhütungsvorschriften zu- welche Aufgaben von ihnen am Ein-
                                          rückgezogen, die für die freiwillige satzort ausgeführt werden müssen.
                                          Feuerwehr von Bedeutung waren. So Dadurch ergibt sich die Notwendikeit,
                                          wurde z. B. die UVV „Arbeitsmedizi- spezielle Regelungen im Bereich der
                                          nische Vorsorge“ mit Erscheinen der freiwilligen Feuerwehren zu erlassen.
                                          staatlichen Verordnung zur arbeits- Dies wird nun durch die DGUV Vor-
                                          medizinischen Vorsorge (ArbMedVV) schrift 49 „Feuerwehren“ realisiert.
                                          außer Kraft gesetzt. Damit wäre es für
                                          Versicherte, die nicht in den Anwen- Entwicklung
  Thomas Roselt               © Roselt    dungsbereich des staatlichen Arbeits- Die Neufassung der DGUV Vorschrift
                                          schutzrechts fallen, zu Regelungslücken 49 „Feuerwehren“ und der zugehöri-
3/2019 Bayerischer Gemeindetag     81

gen DGUV Regel 105-049 „Feuer-           vember 2018 beschlossen. Die finale        dass auch diese Feuerwehrangehöri-
wehren“ wurde im Sachgebiet „Feuer-      Genehmigung durch die Aufsichts-           gen die Regelungen der DGUV Vor-
wehren und Hilfeleistungsorganisatio-    behörde, das Bayerische Staatsminis-       schrift 49 „Feuerwehren“ zu beachten
nen“ der DGUV erstellt. Dabei konn-      terium für Familie, Arbeit und Soziales    haben.
ten wesentliche Belange der bayeri-      erfolgte zum 18.01.2019.
schen freiwilligen Feuerwehren durch     In Kraft tritt die neue DGUV Vorschrift    Verantwortung im Feuerwehrdienst
Vertreter der KUVB und des Landes-       49 „Feuerwehren“ mit der Bekannt-
feuerwehrverbandes Bayern e.V. (über                                                Nach § 3 der DGUV Vorschrift 49
                                         machung vom 23.01.2019.                    „Feuerwehren“ ist die Unternehmerin
den Deutschen Feuerwehrverband)
eingebracht werden.                                                                 oder der Unternehmer für die Sicher-
                                         Inhalte                                    heit und den Gesundheitsschutz der
Zahlreiche erforderliche Stellungnah-    Die bayerischen freiwilligen Feuer-        im Feuerwehrdienst Tätigen verant-
me- und Genehmigungsverfahren ha-        wehren dürften von den Inhalten der        wortlich. Sie oder er hat für eine ge-
ben sich über mehrere Jahre hingezo-     DGUV Vorschrift 49 „Feuerwehren“           eignete Organisation zu sorgen und
gen. Hierbei sind neben den Trägern      und der DGUV Regel 105-049 „Feuer-         dabei die besonderen Strukturen und
der gesetzlichen Unfallversicherung      wehren“ wenig überrascht sein. Es          Anforderungen der Feuerwehr zu be-
auch das Bundesministerium für Ar-       finden sich dort zahlreiche Regelun-       rücksichtigen.
beit und Soziales (BMAS), die Bundes-    gen, die in Bayern bereits in der Ver-     Folglich liegt die Gesamtverantwor-
anstalt für Arbeitsschutz und Arbeits-   gangenheit „übergangsweise“ in ver-        tung bei der Unternehmerin bzw. dem
medizin (BAuA), die kommunalen           gleichbarer Weise so umgesetzt wur-        Unternehmer und nicht bei der Lei-
Spitzenverbände und die Landes-          den, wie z. B. zur Gefährdungsbeur-        tung der Feuerwehr. Die Unterneh-
feuerwehrverbände sowie die jeweili-     teilung im Feuerwehrdienst, zur Eig-       merin bzw. Unternehmer hat hierzu
gen Länder über den Länderaus-           nungsuntersuchung bei Tätigkeiten          für eine geeignete Arbeitsschutzorga-
schuss für Arbeitsschutz und Sicher-     unter Atemschutz und zur körper-           nisation zu sorgen, bei der die Zu-
heitstechnik (LASI) beteiligt gewesen.   lichen und geistigen Eignung für den       ständigkeiten, Aufgaben, Pflichten und
Hintergrund dieses aufwendigen Ver-      Feuerwehrdienst.                           Befugnisse eindeutig und sinnvoll
fahrens ist letztendlich auch, allen                                                geregelt sind. Eine Übertragung der
Beteiligten die Möglichkeit zu geben,                                               Unternehmerpflichten an Feuerwehr-
ihre Anliegen einzubringen.              Geltungsbereich
                                                                                    angehörige erfordert eine umsichtige
                                         Gegenüber der bisherigen UVV „Feu-         Auswahl-, Aufsichts-, Kontroll- und
Die Mitgliederversammlung der DGUV
                                         erwehren“ hat sich der Geltungsbe-         Organisationsverantwortung.
hat in ihrer Sitzung am 06./07.06.2018
                                         reich der DGUV Vorschrift 49 „Feuer-
dem Musterentwurf der Unfallverhü-                                                  Vor einer Pflichtenübertragung hat
                                         wehren“ wesentlich geändert. Die
tungsvorschrift DGUV Vorschrift 49                                                  die Unternehmerin bzw. der Unter-
                                         neue Unfallverhütungsvorschrift gilt
„Feuerwehren“ zugestimmt.                                                           nehmer zu überprüfen, ob diese Auf-
                                         für Unternehmerinnen und Unterneh-
Da die DGUV Vorschrift 49 „Feuer-        mer, die Trägerin oder Träger öffent-      gaben bei ihr bzw. ihm verbleiben
wehren“ auch Vorgaben zu baulichen       licher freiwilliger Feuerwehren oder       bzw. durch sie oder ihn organisiert
und sicherheitstechnischen Beschaf-      öffentlicher Pflichtfeuerwehren sind,      werden können oder müssen.
fenheit von Anlagen und Ausrüstun-       sowie Versicherte im ehrenamtlichen        Dies sind insbesondere die Aufgaben
gen bzw. Geräten der Feuerwehr           Feuerwehrdienst, einschließlich der        und Pflichten im Hinblick auf Perso-
macht, war zudem ein sogenanntes         Nutzung von Feuerwehreinrichtun-           nal- und Verwaltungstätigkeiten, Prü-
Notifizierungsverfahren bei der Euro-    gen, die für diese Versicherten be-        fung von baulichen Anlagen sowie
päischen Kommission erforderlich, um     stimmt sind. Somit richtet sich die        Maßnahmen zur Instandhaltung, zum
rechtzeitig Bedenken gegen Handels-      DGUV Vorschrift 49 „Feuerwehren“           Unterhalt des Feuerwehrhauses und
hemmnisse auszuräumen. Anschlie-         vorrangig an Kommunen (Städte und          zur Überprüfung und Durchführung
ßend hat der Länderausschuss für         Gemeinden) und die dort ehrenamt-          notwendiger Dokumentationen.
Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik     lichen Feuerwehrangehörigen. Sie
(LASI) mit Schreiben vom 8. Novem-       findet jedoch keine unmittelbare           Gefährdungsbeurteilung
ber 2018 die Vorgenehmigung zur          Anwendung auf hauptamtlich Be-             Nach § 4 der DGUV Vorschrift 49
DGUV Vorschrift 49 „Feuerwehren“         schäftigte im Feuerwehrdienst oder         „Feuerwehren“ hat die Unternehme-
erteilt.                                 Beamten wie z. B. in Berufsfeuerweh-       rin bzw. Unternehmer Gefährdungen
Die Vertreterversammlung der KUVB,       ren, da diese dem Geltungsbereich          im Feuerwehrdienst zu ermitteln und
in der paritätisch Arbeitgeber und       des staatlichen Arbeitsschutzrechts        erforderliche Maßnahmen für Sicher-
Versicherte vertreten sind, hat nach     unterliegen.                               heit und Gesundheitsschutz für alle
Empfehlung des Präventionsausschus-      Allein über betriebsinterne (Dienst-)      Feuerwehrangehörigen zu treffen.
ses und des Vorstandes die DGUV Vor-     Anweisungen kann die Unternehme-           Diese Maßnahmen sind insbesondere
schrift 49 „Feuerwehren“ am 22. No-      rin bzw. der Unternehmer verfügen,         aus dem feuerwehrspezifischen Re-
82    Bayerischer Gemeindetag 3/2019

gelwerk abzuleiten. Dies ist völlig       Sicherheitstechnische und                 Eignungsuntersuchungen
vergleichbar mit der Verpflichtung        medizinische Beratung                     Für den„allgemeinen Feuerwehrdienst“
zur Durchführung der Gefährdungs-         Nach § 5 der DGUV Vorschrift 49           sind Eignungsuntersuchungen nur
beurteilung für andere kommunale                                                    vorgesehen, wenn im Einzelfall kon-
                                          „Feuerwehren“ hat sich die Unter-
Einrichtungen, die sich hierfür aus                                                 krete Anhaltspunkte (z. B. für die Lei-
                                          nehmerin bzw. der Unternehmer zur
dem Arbeitsschutzgesetz bzw. der                                                    tung der Feuerwehr, Führungskräfte
                                          Wahrnehmung ihrer bzw. seiner
DGUV Vorschrift „Grundsätze der                                                     oder die Unternehmerin bzw. den
                                          Pflichten zur Gewährleistung von Si-
Prävention“ ergibt.                                                                 Unternehmer) bestehen, aus denen
                                          cherheit und Gesundheitsschutz er-
Bei Feuerwehren entsprechen die           forderlichenfalls sicherheitstechnisch    sich Zweifel an der körperlichen oder
nach dem spezifischen Vorschriften-       und medizinisch beraten zu lassen.        geistigen Eignung von Feuerwehran-
und Regelwerk der Unfallversiche-                                                   gehörigen für die vorgesehene Tätig-
                                          Bisher war die sicherheitstechnische
rungsträger und den Feuerwehr-                                                      keit ergeben.
                                          und medizinische Beratung zu den
Dienstvorschriften zu ergreifenden        Aspekten des Arbeitsschutzes in frei-     Die Unternehmerin oder der Unter-
Maßnahmen in der Regel den Maß-           willigen Feuerwehren eine kaum ge-        nehmer hat sich bei Eignungsunter-
nahmen, die infolge einer ordnungs-       lebte Praxis. Durch die neue DGUV         suchungen von der beauftragten
gemäß durchgeführten Gefährdungs-         Vorschrift 49 „Feuerwehren“ wird die      Ärztin oder vom beauftragten Arzt
beurteilung zu ergreifen wären. Ihre      Unternehmerin bzw. der Unterneh-          schriftlich mitteilen zu lassen, ob der
Einhaltung spricht daher für die          mer verpflichtet, die Beratung durch      oder die untersuchte Feuerwehran-
Gleichwertigkeit einer Gefährdungs-       Fachkräfte für Arbeitssicherheit, durch   gehörige für die vorgesehene Tätig-
beurteilung. Anstatt einer Dokumen-                                                 keit eingesetzt werden kann. Dies er-
                                          Ärztinnen oder Ärzte, die mit den
tation der Gefährdungsbeurteilung                                                   folgt in der Regel durch Aushändi-
                                          Aufgaben der Feuerwehr vertraut sind,
und der zu treffenden Maßnahmen                                                     gung des Ergebnisses der Eignungs-
                                          sowie durch geeignete psychosoziale
genügt hier die Anwendung und                                                       untersuchung an den Untersuchten
                                          Fachkräfte sicherzustellen, wenn die-
Umsetzung des für diese Betriebsart                                                 bzw. die Untersuchte und Weitergabe
                                          se Beratung zur Erfüllung der Unter-
spezifischen Vorschriften- und Regel-                                               durch diesen bzw. diese an den Un-
                                          nehmerpflichten im Hinblick auf Si-
werks der Unfallversicherungsträger                                                 ternehmer bzw. die Unternehmerin.
                                          cherheit und Gesundheitsschutz be-
und der Feuerwehr-Dienstvorschriften.
                                          nötigt wird.                              Unter Berücksichtigung des Unter-
Durchzuführen und zu dokumentie-                                                    suchungsergebnisses können Feuer-
ren ist eine Gefährdungsbeurteilung       Persönliche Anforderungen und             wehrangehörigen individuell Aufga-
insbesondere dann, wenn keine Re-         Eignung                                   ben, Tätigkeiten und Funktionen zu-
gelungen durch das Vorschriften- und      Während bisher allgemein die körper-      gewiesen werden.
Regelwerk der Unfallversicherungs-        liche und fachliche Eignung für den       Tätigkeiten unter Atemschutz und
träger bzw. Dienstvorschriften beste-     Feuerwehrdienst gefordert wurde,          das Tauchen sind besonders belas-
hen oder sofern Gefährdungen nicht        betrachtet die DGUV Vorschrift 49         tende und gefährliche Tätigkeiten.
Gegenstand des Vorschriften- und          „Feuerwehren“ die persönlichen An-        Daher muss die Unternehmerin bzw.
Regelwerks der Unfallversicherungs-       forderungen und Eignung differen-         der Unternehmer sicherstellen, dass
träger oder von Dienstvorschriften        zierter. Denn die unterschiedlichen       die Eignung von Feuerwehrangehöri-
sind. Dabei sollen auch die Inhalte der   Aufgaben, Tätigkeiten und Funktio-        gen für diese Tätigkeiten vor Aufnah-
DGUV Information 105-021 „Leitfaden       nen in der Feuerwehr setzen das Vor-      me der Tätigkeit und in regelmäßigen
zur Erstellung einer Gefährdungs-         handensein entsprechender körper-         Abständen ärztlich bescheinigt wird.
beurteilung im Feuerwehrdienst“ be-       licher und geistiger Eignungen sowie      Die Nachuntersuchung ist jeweils vor
achtet werden.                            spezifische fachliche Befähigungen        Ablauf der in der Anlage 1 genannten
Bei Einsätzen wird auf die Vorgehens-     voraus. Das bedeutet, dass die Unter-     12, 24 oder 36 Monate berechnet ab
weise der Feuerwehr-Dienstvorschrift      nehmerin bzw. der Unternehmer             dem Zeitpunkt der letzten Untersu-
100 „Führung und Leitung im Einsatz“      Feuerwehrangehörige jeweils nur für       chung durchzuführen.
(FwDV 100) verweisen. Der hier auf-       Tätigkeiten einsetzen darf, für die sie   Eignungsuntersuchungen sind unter
gezeigte Führungsvorgang entspricht       körperlich und geistig geeignet sowie     Beachtung des Stands der Medizin
den wesentlichen Schritten der Ge-        fachlich befähigt sind.                   von hierfür geeigneten Ärztinnen oder
fährdungsbeurteilung. Im Rahmen           Neu ist auch, dass aktive Einsatzkräfte   Ärzten durchführen zu lassen. Geeig-
dieser Beurteilung muss abgewogen         ihnen bekannte aktuelle oder dauer-       net bedeutet, dass die Ärztin oder der
werden, ob das verbleibende Rest-         hafte Einschränkungen ihrer gesund-       Arzt die mit den Aufgaben der Feuer-
risiko für Feuerwehrangehörige im         heitlichen Eignung der Unternehme-        wehr vertraut ist, die besonderen
Verhältnis zum angestrebten Einsatz-      rin bzw. dem Unternehmer bzw. der         Anforderungen der jeweiligen Tätig-
ziel steht, denn es gilt immer „Eigen-    zuständigen Führungskraft unverzüg-       keiten kennt, die wesentliche not-
schutz geht vor Fremdschutz“.             lich melden müssen.                       wendige apparative Ausstattung vor-
3/2019 Bayerischer Gemeindetag          83

hält und fachlich in der Lage ist, aus     Unterweisung                                Gefährdung durch Kontaminationen
dem Untersuchungsergebnis die Eig-         Ein sicheres Verhalten im Feuerwehr-        Einen besonderen Stellenwert be-
nung festzustellen. Eine ausreichende      dienst setzt die Kenntnis möglicher         kommt der Schutz der Feuerwehran-
Qualifikation ist z. B. anzunehmen bei     Gefahren und der erforderlichen Schutz-     gehörigen vor Kontaminationen durch
Ärzten oder Ärztinnen, die berechtigt      maßnahmen voraus. Ein isolierter            Gefahrstoffe und Biostoffe. So ist
sind, die Gebietsbezeichnung „Arbeits-     „Unterweisungsabend“ ist hier wenig         durch geeignete verhaltensbezogene
medizin“ oder die Zusatzbezeich-           zielführend und ansprechend. Viel-          Maßnahmen dafür zu sorgen, dass
nung „Betriebsmedizin“ zu führen.          mehr sollen nach § 8 DGUV Vorschrift        Kontaminationen der Feuerwehran-
Die Unternehmerin bzw. der Unter-          49 „Feuerwehren“ die Unterweisun-           gehörigen durch geeignete Schutz-
nehmer hat die Eignungsuntersuchun-        gen fester Bestandteil in allen Aus-        maßnahmen vermieden werden.
gen zu veranlassen und deren Kosten        und Fortbildungen sowie bei regel-          Aber auch für bauliche Anlagen wird
zu tragen.                                 mäßigen Übungsdiensten sein. Dabei          gefordert, dass diese so gestaltet und
                                           sind die Inhalte der einschlägigen          eingerichtet sein müssen, dass eine
                                           Vorschriften, Regeln, Informationen,        Gefährdung insbesondere durch Schad-
Arbeitsmedizinische Vorsorge               Grundsätze, Betriebsanweisungen und         stoffe von der Einsatzstelle und eine
                                           Herstellervorgaben und insbesonde-          Kontaminationsverschleppung ver-
Durch die Inbezugnahme staatlicher         re Maßnahmen aus der Gefährdungs-           mieden ist.
Arbeitsschutzvorschriften für Versi-       beurteilung zu berücksichtigen.
cherte die keine Beschäftigten sind                                                    Download
(§ 2 Abs. 1 DGUV Vorschrift 1), gelten     Die Durchführung der Unterweisun-
                                           gen ist zu dokumentieren. Ein Dienst-       Die vollständigen Inhalte der DGUV
die in der „Verordnung zur arbeits-
                                           plan, aus dem die Unterweisungs-            Vorschrift 49 „Feuerwehren“ und
medizinischen Vorsorge“ (ArbMedVV)
                                           inhalte eindeutig hervorgehen, sowie        DGUV Regel 105-049 „Feuerwehren“
bestimmten Maßnahmen auch für
                                           eine regelmäßig geführte Anwesen-           können unter folgenden Links herun-
die ehrenamtlich tätigen Feuerwehr-
                                           heitsliste oder der Nachweis im „Un-        tergeladen werden:
angehörigen.
                                           terweisungsbuch“ sind z. B. mögliche        https://www.kuvb.de/fileadmin/
Bei bestimmten (besonders) gefähr-         Formen für die Dokumentation der            daten/dokumente/GBI/Feuerwehr/
denden Tätigkeiten, wie z. B. bei Infek-   Unterweisung.                               Unfallverh%C3%BCtungsvorschriften/
tionsgefährdung, hat die Unterneh-
                                           Neu ist, dass Feuerwehrangehörige           DGUV_Vorschrift_49__Feuerwehren
merin bzw. der Unternehmer entspre-
                                           regelmäßig über die Inanspruchnah-          __2018.pdf
chend der Gefährdungsbeurteilung
                                           me von Sonderrechten im Straßen-
und Berücksichtigung des Anhangs                                                       https://www.kuvb.de/fileadmin/
                                           verkehr zu unterweisen sind. Denn
der ArbMedVV arbeitsmedizinische                                                       daten/dokumente/GBI/Feuerwehr/
                                           Sonderrechte dürfen nur unter ge-
Vorsorge zu veranlassen bzw. anzu-                                                     Unfallverh%C3%BCtungsvorschriften/
                                           bührender Berücksichtigung der öf-
bieten.                                                                                DGUV_Regel_105-049__Feuerwehren
                                           fentlichen Sicherheit und Ordnung
                                                                                       _.pdf
Zur Beurteilung ihrer Gesundheit be-       ausgeübt werden. Zudem sind Feuer-
zogen auf die Tätigkeit im Feuerwehr-      wehrangehörige regelmäßig beson-
                                                                                                           weitere Informationen:
dienst sowie zu deren Erhaltung und        ders zu unterweisen, wenn sie Feuer-            Kommunale Unfallversicherung Bayern
Förderung können Feuerwehrange-            wehrfahrzeuge unter Verwendung von                      Bayerische Landesunfallkasse
hörige eine arbeitsmedizinische Vor-       blauem Blinklicht und Einsatzhorn                      Geschäftsbereich I - Prävention
sorge von der Unternehmerin bzw.           führen.                                           Abteilung 2 - Gesundheitsdienst und
vom Unternehmer verlangen (Wunsch-                                                                   Hilfeleistungsunternehmen
                                                                                                    Dipl.-Ing. (FH) Thomas Roselt
vorsorge).                                 Erste Hilfe Ausbildung                             Ungererstraße 71, 80805 München
Neu geregelt ist in der DGUV Vor-          Praxisnah zeigt sich die Regelung in                              Tel. 089 / 36093 - 234
                                                                                                       Thomas.Roselt@KUVB.de
schrift 49 „Feuerwehren“, dass bei         § 9 der DGUV Vorschrift 49 „Feuer-                               https://www.kuvb.de/
Feuerwehrangehörigen arbeitsmedi-          wehren“ zur Ausbildung von Ersthel-
zinische Vorsorge wegen des Tragens        ferinnen oder Ersthelfer in freiwilligen
von Atemschutzgeräten oder wegen           Feuerwehren. Neben der bisherigen
Taucharbeiten gemeinsam mit Eig-           Möglichkeit, die Ausbildung durch
nungsuntersuchungen durch geeig-           eine ermächtigte Stelle durchführen
nete Ärzte bzw. Ärztinnen durchge-         zu lassen, kann die Unternehmerin
führt werden können. Für ehrenamt-         bzw. der Unternehmer Feuerwehran-
lich tätige Feuerwehrangehörige wird       gehörige auch intern nach landes-
daher die Möglichkeit geschaffen,          rechtlichen Bestimmungen bzw. nach
Arzttermine auf ein Minimum zu be-         feuerwehrspezifischem Regelwerk in
schränken.                                 Erster Hilfe ausbilden.
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