Wissensplatz - Fachhochschule Graubünden

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Wissensplatz - Fachhochschule Graubünden
Ausgabe 01/2018

       Wissensplatz
Das Magazin der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur

                                      «Gerne gebe ich mein Wissen und
                                              meine Erfahrungen an die
                                      Studierenden weiter, zum Beispiel
                                          wenn es um neue touristische
                              Beherbergungskonzepte für den Schweizer
                                                     Alpenraum geht.»
                                                Daniel Renggli, CEO, Revier Hospitality Group
Wissensplatz - Fachhochschule Graubünden
2                                                         INHALT//WISSENSPLATZ

Inhaltsverzeichnis

                                                                                                                                    Fach- und Führungskräfte

                                                                                                                                    Nachhaltige Entwicklung

                                                                                                                                    Unternehmertum
                                                                                                                                    Erlebnisqualität

                                                                                                                                    Produktivität
                                                                                                                                    Infrastruktur
                                                                                                                                    Innovation
3        Wichtigkeit der Interdisziplinarität für den Tourismus aus Sicht eines Hoteliers
4        Varia
6        HTW Chur bereit für Umsetzung des Bündner Tourismus-Weissbuchs
7        Tourismus an der HTW Chur
8        Tourismus ist kein wirtschaftlicher Sonderfall
10       Augmented, Virtual und Mixed Reality im Tourismus
12       Tourismus 4.0 – Führungskräfte sind gefordert!
16       Der beste Standortfaktor? – Die Besinnung auf eigene Werte!
18       Ökonomisch standortgerechte Beherbergungskonzepte
20       Erfolgreiche Tourismuszukunft mit der HTW Chur
22       Dienstleistungen sind die Produkte von morgen
24       Service Innovation im «Age of Customer»
26       Agrotouristische Netzwerke zur Vermarktung lokaler Lebensmittel: eine soziale Netzwerkanalyse im Valposchiavo
28       Dank Sharing Economy zu einem neuen Arbeitsmodell
30       Zusammenarbeit mit Studierenden als Wettbewerbsvorteil
32       InfraTour – Gemeinden als Tourismusunternehmen
34       Tourismusstudierende erweitern ihre Horizonte
36       «Das, was die Leute wollen, verändert sich laufend und schnell.»
38       Die Praktikerin mit Herzblut
                                                                                                                                     Touristische
                                                                                                                                     Erfolgsfaktoren
                                                                                                                                     (Seiten 20–21)

Impressum
    Wissensplatz, das Magazin der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur – Nummer 1/2018, Februar 2018 – Erscheint halbjähr-
    lich – Auflage: 6000 Exemplare – Redaktionsleitung: Flurina Simeon – Redaktion: Michael Forster, Marc Herter, Yvonne Herzig Gainsford,
    Tamara Kühne, Paul Ruschetti, Maria Simmen-Blischke, Florian Sorg, Daniel Walser – Infografik: Mind – Bild Titelseite: Yvonne Bollhal-
    der – Herstellung: Somedia Production, CH -7007 Chur – Anzeigenverkauf Schweiz: Somedia Promotion, Zwinglistrasse 6, 8750 Glarus,
    Telefon: 055 645 38 88, E-Mail: glarus.inserate@somedia.ch, www.somedia-promotion.ch – Anzeigenverkauf Graubünden: Somedia
    Promotion, Chur, Telefon: 081 255 58 58, promotion@somedia.ch – Weitere Exemplare können kostenlos bei der HTW Chur bezogen
    werden: htwchur.ch/magazin – Alle Texte und Bilder sind urheberrechtlich geschützt und dürfen nicht reproduziert oder wiederverwendet wer­-
    ­den. Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung der HTW Chur. Alle Rechte vorbehalten. – (Print) ISSN 1663-9596, (Online) ISSN 1663-9596
Wissensplatz - Fachhochschule Graubünden
EDITORIAL//WISSENSPLATZ                                                                      3

Wichtigkeit der Inter­
disziplinarität für
den Tourismus aus Sicht
eines Hoteliers
wissensplatz.htwchur.ch/interdisziplinaerer-tourismus

                                                                Text: Guglielmo L. Brentel / Bild: Yvonne Bollhalder

                                     Essen, Trinken und Schlafen sind out. Kein             und die dem potenziellen Gast einen Mehrwert
                                     Mensch reist, um auswärts zu essen, zu trinken         vermitteln. Dazu braucht es Innovationskraft
                                     oder zu schlafen. Ob geschäftlich oder privat:         und Interdisziplinarität.
                                     Die Reisegründe sind andere. Diese gilt es als         Touristische Angebote in der Schweiz müssen
                                     Touristikerin respektive Touristiker zu kennen.        künftig das Erlebnis für den Gast im Fokus ha-
                                     Im Freizeittourismus geht es künftig darum,            ben. Nur so können wir den hohen Preis recht-
                                     Erlebnisse zu schaffen – und zwar reale und            fertigen.
                                     digitale. Und um einem Gast ein Erlebnis zu
                                     bieten, müssen verschiedene Angebote – oder
                                     eben Disziplinen – zu einem Gesamterlebnis
                                     arrangiert werden.                                     Guglielmo L. Brentel
                                     Die Konzeption eines touristischen Angebots            Präsident Gastgeber 3.0 AG, Hochschulrat der
                                     entspricht einem Plan für das Gesamterleb-             HTW Chur
                                     nis. Dieses beinhaltet Leistungen ganz unter-
                                     schiedlicher Art: Naturerlebnisse, Architektur,
                                     Kultur, Anlässe, Sportangebote oder Transport
                                     gehören zum Beispiel dazu. Um dem Gast das
                                     Gesamterlebnis zu vermitteln, braucht es vor
                                     allem Menschen, braucht es ein Team, das aus
                                     verschiedenen Charakteren besteht. Vermittel-
                                     te Emotionalität spielt dabei eine zunehmend
                                     wichtigere Rolle. Und zwar in der realen und
                                     der digitalen Welt.
                                     Bilder – und zunehmend bewegte Bilder – eig-
                                     nen sich ganz besonders, um die Emotionen
                                     eines touristischen Angebots digital zu vermit-
                                     teln. Und wer heute nicht digital ist, existiert
                                     nicht. Aus Gästen Fans zu machen, hilft, um
                                     im Hochpreisland Schweiz Angebote zu offe-
                                     rieren, die aus Sicht des Gastes (und nur das
                                     zählt) ihren Preis wert sind. Und in den sozialen
                                     Medien braucht es Geschichten, die auffallen
Wissensplatz - Fachhochschule Graubünden
4                                                             VARIA//WISSENSPLATZ

VariaText: Tanja Bügler, Prof. Dr. Andreas Deuber,
    Christopher Jacobson / Bild: Prof. Dr. Andreas
         Deuber, Christian Ehrbar, HTW Chur

NEUER MAJOR «SUSTAINABLE                             die Notwendigkeit einer Tourismustransforma-
TOURISM AND INTERNATIONAL                            tion. Die HTW Chur ist als einzige Bildungsinsti-
DEVELOPMENT»                                         tution offizielle Partnerin.
wissensplatz.htwchur.ch/                             Im Rahmen des Bachelorstudiums Tourismus
major-sustainable-tourism                            thematisiert der Major « Sustainable Tourism
Der Tourismus zählt zu den grössten Wirt-            and International Development » die Rolle und
schaftszweigen weltweit – Tendenz steigend.          Bedeutung des Tourismus als Instrument der
Dieses Wachstum generiert Arbeitsplätze und          nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung. Der
steigert den Export, belastet aber auch die Um-      Abschluss eröffnet Perspektiven im Nachhal-
welt und schafft soziale Ungleichheiten. Die im      tigkeitsbereich nationaler und internationaler
Jahr 2015 verabschiedete «Agenda 2030» für           Unternehmen bzw. als Social Entrepreneur und
nachhaltige Entwicklung nimmt erstmals in 3          öffnet Türen in der Entwicklungszusammenar-
der 17 Sustainable Development Goals explizit        beit oder im Nachhaltigkeitsmanagement.
Bezug auf den Tourismus. Das «2017 Internati-
onal Year of Sustainable Tourism» unterstreicht       htwchur.ch/tourismus

                                                     SUMMER SCHOOL                                       den, und vertiefen ihr Wissen anhand von Ex-
                                                     wissensplatz.htwchur.ch/summer-school               kursionen und Case Studies.
                                                                                                         Nach erfolgreichem Abschluss der Summer
                                                     Die Summer School ist ein Bildungsangebot           School besteht die Möglichkeit, in das dritte
                                                     der HTW Chur für Absolventinnen und Absol-          Studienjahr des Bachelorstudiums Tourismus
                                                     venten sowie Studierende höherer Fachschu-          oder das 6. Semester des Bachelorangebots
                                                     len im Bereich Tourismus und Hotellerie, das        Service Design (ab Frühling 2020) an der HTW
                                                     ab Sommer 2018 auf dem Campus der Höhe-             Chur überzutreten und einen anwendungs-
                                                     ren Fachschule für Tourismus (HFT) Graubün-         orientierten Hochschulabschluss mit einer
                                                     den in englischer Sprache durchgeführt wird.        berufsbefähigenden Vertiefungsrichtung zu
                                                     Die Ausbildung vermittelt ein vertiefendes Wis-     erwerben.
                                                     sen sowie erweiterte Kompetenzen in den Be-
                                                     reichen Tourismus und Management. Die Stu-           htwchur.ch/summerschool
                                                     dierenden lernen während der insgesamt acht
                                                     Wochen unter anderem, wie Destinationen,
         Der Piz Terz ermöglicht das Erklimmen       Bergbahnen und weitere touristische Dienst-
 von Hochschulbildungsrouten in Graubünden           leistungsunternehmen erfolgreich geführt wer-

ZUTRITT FÜR MASTER-                                  Der verantwortliche Dozent der Vorlesung
STUDIERENDE WILLKOMMEN                               «Finance and Investment: Tourism Infrastruc-
wissensplatz.htwchur.ch/zutritt-fuer-master          ture» und Leiter des Instituts für Tourismus
                                                     und Freizeit (ITF), Prof. Dr. Andreas Deuber,
Tourismusdestinationen sind komplexe Netz-           betont die Wichtigkeit des Austauschs zwi-
werke, in denen verschiedene Unternehmen             schen Unternehmen und Studierenden. «Die
und Organisationen zusammenarbeiten, um              Nähe zum Tourismus und zu Tourismusunter-
auf effiziente Weise attraktive touristische An-     nehmen – seien diese nun in Graubünden, im
gebote zu entwickeln und zu erbringen. Wie           Mittelland oder international angesiedelt – ist
das aus Infrastrukturoptik aussieht, haben           die grosse Stärke der HTW Chur und diese
Masterstudierende in der Tourismusvertiefung         Nähe ermöglicht eine praxisnahe Herange-
an einer zweitägigen Exkursion nach Scuol im         hensweise an aktuelle Herausforderungen im
Unterengadin erfahren. Sie waren alles andere        Tourismus, von der Klimaerwärmung über die
als «unbefugt» und hatten Gelegenheit, sich          Digitalisierung bis zum Innovationsmanage-
mit dem Management der Bergbahnen, der               ment.»                                                            Die Tourismusstudierenden auf
Belvedere-Hotels und des Mineralbads Bogn
                                                                                                               Masterstufe erhalten auch Zutritt hinter
Engiadina auf gleicher Augenhöhe zu unterhal-
ten und sich mit den infrastrukturbezogenen                                                                               die Kulissen, wie hier in den
He­rausforderungen zu befassen.                       htwchur.ch/tourismmaster                                   Technikbereich des Bogn Engiadina.
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Wissensplatz - Fachhochschule Graubünden
6                                                         FOKUS//WISSENSPLATZ

HTW Chur bereit für
Umsetzungen aus
dem Bündner Tourismus
Weissbuch
wissensplatz.htwchur.ch/buendner-tourismus-weissbuch

Die HTW Chur ist auf die strategischen Leitlinien des Kantons
Grau­bünden als deren Träger ausgerichtet. Dieses strategische
Prinzip wird im folgenden Artikel exemplarisch anhand des zen­
tralen Themas «Tourismus» dargestellt.
                                                  Autor: Prof. Jürg Kessler / Bild: Yvonne Bollhalder

Die Vision im Wirtschaftsleitbild des Kantons    nicht alles, aber vieles abdecken. Die Fach-           Erfahrungen entscheidend. So hat die Fach-
legt fest, dass Graubünden «auch in Zukunft      hochschule zeichnet sich durch die strategi-           hochschule aus Graubünden in den vergange-
ein attraktiver und eigenständig handlungsfä-    schen Initiativen «Digitalisierung», «Innovation»      nen sechs Jahren knapp 300 Forschungs- und
higer Wirtschafts- und Lebensraum» ist. Wei-     und «Nachhaltigkeit» aus. Alle profilierten Stu-       Dienstleistungsprojekte mit Tourismusbezug
tere Grundlagen sind beispielsweise die Neue     dienangebote und Forschungsfelder werden               bearbeitet. Damit kann sie Wissen und Erfah-
Regionalpolitik (NRP) mit dem Wirkungsmodell     künftig verstärkt interdisziplinär durch diese         rungen in den Kanton Graubünden übertra-
«Wertschöpfungssystem Tourismus», das Ge-        Schwerpunkte ergänzt. So kann die HTW Chur             gen – ganz im Sinne ihrer Antennenfunktion,
setz über Hochschulen und Forschung, das         in Kooperation mit der Tourismusbranche in-            die ihr dabei zukommt.
Tourismusprogramm Graubünden 2014 – 2021         novative, anwendungsorientierte Lösungen               Die HTW Chur ist als Bildungs- und For-
sowie die Hochschul- und Forschungsstrategie     aufzeigen. Mit ihren vielfältigen Studienange-         schungspartnerin bereit, sich für die Umset-
mit dem Profilfeld 1 «Tourismus & Wirtschaft».   boten bietet sie eine breite Kompetenzpalette          zung des «Weissbuchs – Für den Bündner
Als wichtiger Kompass für die Lösungsfindung     zugunsten der Tourismusbranche an.                     Tourismus» zu engagieren. Sie freut sich, wenn
wird zudem das «Weissbuch – Für den Bündner      Mit ihrem Departement Lebensraum schafft               sie künftig vermehrt partnerschaftliche Projek-
Tourismus» beigezogen. Wie ein roter Faden       die HTW Chur – im Einklang mit der Vision im           te im Kanton Graubünden umsetzen kann. Als
durchziehen verschiedene Lösungsansätze          Wirtschaftsleitbild des Kantons – einen star-          Hochschulbildungs- und Forschungsinstitution
diese Vorlagen. Dazu gehören die Innovation,     ken Fokus: Hier sind zentrale Disziplinen des          trägt die HTW Chur zu einem Brain Gain für den
die Digitalisierung im Tourismus (der soge-      Kantons in Form von Organisationseinheiten             Kanton Graubünden bei. Und als Rektor setze
nannte «Tourismus 4.0»), der Schlüsselfaktor     angesiedelt, namentlich Tourismus, Bauinge-            ich mich dafür ein, dass «ünschi Hochschual»
«Qualität der Fachleute», die Zweitwohnungs-     nieurwesen, Architektur, Wirtschaftspolitik und        ihre Position im Tourismus im Kanton Grau-
besitzenden als Key Accounts, Netzwerke, mul-    Energieökonomie. Das Institut für Tourismus            bünden stärken kann.
timediales Smart Marketing sowie Leadership      und Freizeit (ITF) ist Flaggenträger des The-
im Tourismus.                                    mas und bindet technische und wirtschaftliche          Prof. Jürg Kessler
Die HTW Chur setzt diese Richtlinien als Hoch-   Kompetenzen der ganzen HTW Chur mit ein.               T + 41 81 286 24 25
schulbildungs- und -forschungsinstitution mit    Damit die HTW Chur in der Region wirksam               juerg.kessler@htwchur.ch
all ihren Kompetenzen um. Dabei kann sie         agieren kann, sind nationale und internationale        Rektor, Vorsitzender der Hochschulleitung

Die nationalen und internationalen Erfahrungen der HTW Chur sind ein entscheidender Faktor für ihre Wirksamkeit in der Region.
Wissensplatz - Fachhochschule Graubünden
ZAHLEN//WISSENSPLATZ                                                                           7

TOURISMUS AN DER HTW CHUR

    294
                                                     Von 150 Dozierenden und Forschenden
                                                    (Vollzeitäquivalente, VZÄ) beschäftigen
                                                              sich 33 VZÄ mit Tourismus.
                                                                                                                            33
                                                                                                                            VZÄ
     Forschungs- und Dienstleistungsprojekte
     mit Tourismusbezug wurden seit
     2012 von der HTW Chur bearbeitet.

Absolventinnen und Absolventen
eines Tourismusangebots
                                                                                           Campus Tourismus
978                                                                                        Graubünden
im Bachelorstudium
(seit 2004)
                              66                        197                                Mittels dieser Initiative werden die Tourismus-
                              im Masterstudium          in Weiterbildungen                 angebote auf Tertiärstufe in Graubünden
                                                                                           weiter optimiert und aufeinander abgestimmt,
                              (seit 2008)               (seit 2012)
                                                                                           damit die Absolventinnen und Absolventen

108
                                                                                           noch bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt
                                                                                           erhalten. So fördern die Partnerinstitutionen

                              Lehrbeauftragte
                                                                                           die Übertrittsmöglichkeiten für Studierende
                                                                                           der Höheren Fachschule für Tourismus Grau-
                                                                                           bünden und der SSTH Swiss School of Tourism
                                                                                           and Hospitality an die HTW Chur. Zudem
                              unterrichteten im Rahmen der Tourismus-
                                                                                           werden gemeinsame Weiterbildungsangebote
                              studienangebote (Bachelor, Master, Weiterbildung)            realisiert. Graubünden wird dadurch als
                              im Jahr 2017 an der HTW Chur.                                wichtiger Tertiärbildungs- und -forschungsplatz
                                                                                           der Branche gemeinsam und synergetisch
                                                                                           gefördert.

128
Derzeit nehmen 128 Studierende der Shanghai
                                                        38              Absolventinnen
                                                                        und Absolventen
University of Engineering Science an einem               der Höheren Fachschule für Tourismus Graubünden haben seit 2009
Partnerschaftsprogramm der HTW Chur teil.                die Übertrittsmöglichkeit genutzt und ein Bachelorstudium Tourismus
Die Besten werden erstmalig im Herbstsemester            an der HTW Chur in Angriff genommen.
2018 in das Bachelorstudium Tourismus an
der HTW Chur einsteigen.

                                                              ɼ323 ɿ193
                                                                 Seit 2006 haben 323 Tourismusstudierende der HTW Chur
                                                                 ein Austauschsemester absolviert. Im Gegenzug belegten
                                                                 193 «Incomings» ein Semester als Tourismusstudierende an
                                                                 der Fachhochschule in Graubünden.

                                                                                Aus    35 Ländern            stammten bisher
                                                                             Tourismusstudierende mit ausländischem Wohnsitz.

                                                                                Die bisher 148 Tourismusstudierenden mit Wohnsitz im Ausland
                                                                               stammen aus Brasilien, Bulgarien, China, Dänemark, Deutschland,
                                                                              Ecuador, Estland, Griechenland, Grossbritannien, Hongkong, Indien,
                                                                         Indonesien, Italien, Kanada, Kasachstan, Kenia, Kroatien, Liechtenstein,
                                                                           Litauen, Malta, Moldawien, Nigeria, Österreich, den Philippinen, Polen,
                                                                          Rumänien, Russland, Schweden, Serbien, Slowenien, Spanien, Taiwan,
                                                                                  der Tschechischen Republik, der Ukraine, Ungarn und Vietnam.
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8                                         STANDPUNKT//WISSENSPLATZ

Tourismus
ist kein
wirtschaftlicher
Sonderfall
wissensplatz.htwchur.ch/kein-wirtschaftlicher-sonderfall

                                                            Text: Prof. Dr. Andreas Deuber / Bild: Yvonne Bollhalder

                                   Die EMS-Gruppe beschäftigt in Domat/Ems               Die Devise muss lauten: An das unternehmeri-
                                   etwa 1000 Mitarbeitende. Die Firma ist markt-         sche Prinzip glauben und alles dafür tun, dass
                                   führend und verkauft erfolgreich ihre Produkte –      die Erfolgreichen noch besser werden, um
                                   mehrheitlich ins Ausland. Dahinter stecken            möglichst viele andere mitzuziehen.
                                   Spitzenleistungen in der Produktentwicklung,
                                   den Supportprozessen und im Management,
                                   das durch ein kleines Führungsteam verant-             htwchur.ch/tourismus/uebersicht.html
                                   wortet wird und eine Strategie konsequent um-
                                   setzt. Gemessen an den Arbeitsplätzen ist der         Prof. Dr. Andreas Deuber
                                   Bündner Tourismus 25-mal grösser als EMS.             T + 41 81 286 39 60
                                   Trotzdem ist dieser nicht unternehmerisch             andreas.deuber@htwchur.ch
                                   aufgestellt, sondern wird durch Vereine, Genos-       Dozent, Leiter Forschung und Dienstleistung,
                                   senschaften und die öffentliche Hand organi-          Institutsleiter, Institut für Tourismus
                                   siert. Das ist etwa so, wie wenn man EMS in           und Freizeit (ITF)
                                   basisdemokratische Teams und Abteilungen
                                   zerlegen und diese nach dem Milizsystem au-
                                   tonom führen würde. Wer käme denn auf die-
                                   se Idee ? Im Tourismus kommen – umgekehrt
                                   herum – viele nicht auf die Idee, eine gewisse
                                   Konzentration und Professionalisierung zuzu-
                                   lassen. So wollen etwa Gemeinden ihre Touris-
                                   musabgaben autonom einsetzen, selbst wenn
                                   die Wirkungsschwelle nicht erreicht wird. Auch
                                   die erodierenden Erträge bei den Bergbahnen
                                   sind nicht Anlass zur Konsolidierung, sondern
                                   zur Unterstützung mit öffentlichen Geldern,
                                   häufig mit der Begründung der Systemrele-
                                   vanz. Das treiben wir so weit, bis wir im interna-
                                   tionalen Tourismussystem nicht mehr relevant
                                   sind. Der Tourismus ist kein Industriekonzern
                                   und kann es auch nicht sein. Aber genauso we-
                                   nig kann er nach sozialstaatlichen Ausgleichs-
                                   grundsätzen im Milizsystem betrieben werden.
Wissensplatz - Fachhochschule Graubünden
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                             MASCHINENBAUS

                                        •   KONSTRUKTION
                                        •   STEUERUNGSTECHNIK
                                        •   ENGINEERING

                                                                                            Entwickle die Zukunft.
                                                                                                          Mit uns.

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Wissensplatz - Fachhochschule Graubünden
10                                   ANGEWANDTE ZUKUNFTSTECHNOLOGIEN//WISSENSPLATZ

Augmented, Virtual
und Mixed Reality im
Tourismus
wissensplatz.htwchur.ch/augmented-virtual-mixed-reality

Es vergeht keine Woche, in der die Medien nicht über Augmented,
Virtual und Mixed Reality berichten. Dieser Beitrag geht der
Frage nach, wo wir heute in Bezug auf die Inhalte und die markt­
reifen Technologien stehen. Obiges Zitat zeigt, dass die Idee
virtueller Umgebungen nicht neu ist. Die Umsetzung scheiterte bis
vor Kurzem lediglich an den fehlenden Technologien. Mit dem
Einstieg von Microsoft, Apple und Google in die virtuelle Welt hat
sich die Ausgangslage stark verändert.
                  Text: Prof. Martin Vollenweider / Bild: Dan Führer, Antoine Lienhard, Aline Räss, Simon Sägesser, Prof. Martin Vollenweider

Die MMP-Studierenden A. Lienhard, A. Räss, S. Sägesser
und D. Führer entwickelten die Idee eines Panoramabusses, in welchem
auf transparenten Bildschirmen zusätzliche Inhalte zu den
Sehenswürdigkeiten eingeblendet werden. Mit der Hololens sichtbar,
fungieren Gian und Giachen als Tourguides.
ANGEWANDTE ZUKUNFTSTECHNOLOGIEN//WISSENSPLATZ                                                                 11

WIE WERDEN AUGMENTED REALITY
(AR) UND VIRTUAL REALITY (VR) IM
TOURISMUS EINGESETZT?
Obwohl heute noch zwischen Augmented und
Virtual Reality unterschieden wird, fliessen die
beiden Technologien zunehmend zusammen
und können nicht mehr voneinander unter-
schieden werden. Aus diesem Grunde spricht
Microsoft nur noch von Mixed Reality.

AUGMENTED REALITY
Augmented Reality (AR) überlagert digital er-
zeugte Inhalte mit der realen Welt der Benutze-
rin bzw. des Benutzers. Beim Betrachten eines
Gegenstands mit dem Tablet oder Smartpho-
ne werden digitale Objekte (wie Bilder, Videos,
Texte etc.) eingeblendet. Auf dem Gerät muss
für jede Anwendung vorgängig eine spezielle
Applikation (App) installiert werden.
AR-Lösungen werden häufig in Museen oder
Ausstellungen eingesetzt. Das Institut für
Multimedia Production (IMP) erarbeitet zur-
zeit ein Inhalts- und Umsetzungskonzept für
die «Erlebniswelt Bunker Alvaneu», wo vor Ort
mithilfe von Augmented Reality das Leben im
Kommandobunker während des Kalten Kriegs
anschaulich aufgezeigt wird.                                                                                        Mit AR-Brillen oder Smartphones
                                                                                                            erkundet man die Bunkeranlage Alvaneu.
VIRTUAL REALITY
Virtual Reality (VR) schafft eine digitale Umge-                                                                     Die Kamera des Tablets erkennt
bung, welche die reale Welt der Benutzerin bzw.                                                        reale Objekte und blendet digitale Inhalte ein.
des Benutzers vollständig ersetzt. Die virtuelle
Welt lässt sich nur mit einer VR-Brille oder dem
Google Cardboard betrachten. VR gibt es in
zwei Varianten: Im Tourismus lassen sich z. B.     Destinationen während der Inspirationsphase         An den Fenstern sind transparente Bildschirme
Hotelzimmer, Restaurants, Kreuzfahrtschiffe,       anschaulich präsentieren. Mit der VR-Brille las-    angebracht, welche spezifische Informationen
Landschaften etc. mittels 360°-Videos reali-       sen sich Wunschziele im Reisebüro erkunden          zu den Sehenswürdigkeiten einblenden. Reise-
tätsnah abbilden. Die Betrachter werden in eine    und miteinander vergleichen. Mittlerweile gibt      begleiter sind die bekannten Steinböcke Gian
reale Umgebung versetzt und können den Ort         es für VR-Geräte genügend spannende Inhalte.        und Giachen.
erforschen. Die zweite Variante bildet rein vir-
tuelle, fantastische Welten ab. Diese Art von VR   ZUKÜNFTIGE                                          VISION FÜR DIE ZUKUNFT
wird bei Spielen eingesetzt.                       ANWENDUNGSGEBIETE                                   Die AR- und VR-Anwendungen für den Touris-
                                                   Reisen mit dem Zug, Schiff oder Flugzeug eig-       musbereich benötigen eine eigene App. Für die
MIXED REALITY                                      nen sich gut für AR-Anwendungen. 2015 lan-          Gäste ist das Handling dadurch etwas kompli-
Bei Mixed Reality (MR) verschmelzen die re-        cierte die Deutsche Bahn anlässlich des Starts      ziert. Prof. Roland Köppel und der Autor dieses
ale Welt und die digital erzeugten Inhalte im      ihrer «DB 4.0»-Digital-Offensive einen Ideen-       Beitrags planen für 2018 das Projekt «Augmen-
Raum und interagieren miteinander. Für das         wettbewerb zum Thema «digitales Reisen». Als        ted Erlebnis und Kommunikation Graubün-
Betrachten von MR-Anwendungen ist eine Bril-       einer der drei besten Vorschläge wurde ein Rei-     den», welches den Gemeinden und Regionen
le mit speziellen Gläsern erforderlich. Die Ob-    seführer erkoren, welcher Sehenswürdigkeiten        den Weg in die digitale Tourismuszukunft des
jekte werden auf transparenten Bildschirmen        während der Reise per «Sprachansagen aus            Kantons Graubünden weist und praxisnahe
in den Gläsern dargestellt (z. B. in Form von      Kopfhörern, per App oder im Faltblatt» vorstellt!   Umsetzungsmöglichkeiten aufzeigt. Hauptziel
Hologrammen). Die Brillen sind mit rund 1500       Diese Lösung greift im 21. Jahrhundert zu kurz.     wird sein, Dienstleistungen und Angebote von
Franken noch relativ teuer.                        Eine Gruppe von visionären MMP-Studierenden         Hotellerie, Gastronomie, Gewerbe, Industrie
Die oben beschriebenen Technologien eignen         entwickelte im Herbstsemester 2017 für Chur         und Gemeinden auf virtuellen Anschlagbret-
sich als verkaufsfördernde Massnahmen. Mit-        Tourismus den Prototyp einer AR-Stadtrund-          tern im ganzen Kanton Graubünden zu präsen-
hilfe von 360°-Videos können Reiseanbieter die     fahrt mit einem selbstfahrenden Panoramabus.        tieren.

                                                                                                       Prof. Martin Vollenweider
      «I give you the Character Marker. It consists of this pair                                       T + 41 81 286 37 54
           of spectacles. While you wear them, every one                                               martin.vollenweider@htwchur.ch
                                                                                                       Dozent, verantwortlich für das Modul Interakti-
      you meet will be marked upon the forehead with a letter                                          ve Medien und Vertiefungsleiter Media Appli-
                   indicating his or her character.»                                                   cations im Bachelorstudium Multimedia
                                                                                                       Production, Institut für Multimedia Production
                The Master Key: An Electrical Fairy Tale by L. Frank Baum (1901)                       (IMP)
12                                                      LEBENSRAUM//WISSENSPLATZ

Tourismus 4.0 –
Führungskräfte sind
gefordert !
wissensplatz.htwchur.ch/tourismus-4-0-fuehrungskraefte

                                                                                   Die einen sehen in der Digitalisierung die gros­
Digitalisierung als technologischer Treiber                                        se Chance für den Tourismus. Andere fühlen
                                                                                   sich von der nicht aufzuhaltenden Digitalisie­
und Enabler ist ein Kernaspekt von                                                 rung überrollt und ohnmächtig. Dabei ist Digita­
                                                                                   lisierung nicht die erste technologische Revolu­
Tourismus 4.0. Gleichzeitig ist Tourismus                                          tion, die die Arbeitswelt erlebt.
                                                                                   Aus den Erfahrungen im Zuge der industriellen
4.0 jedoch multidimensional und                                                    Revolution weiss man, dass die Produktivität
                                                                                   durch den Einsatz von Technologien gestei­
um­f asst nebst der Technik auch den Men­                                          gert werden kann, aber auch, dass schlecht
                                                                                   gestaltete Arbeit zu Demotivation, schlechter
schen sowie zukunftsorientierte Orga­                                              Qualität, Fluktuation, Krankheit, Stress u. a. m.
                                                                                   führen kann. Es ist bekannt, wie eine effiziente
nisationsformen. Welche Gestaltungs­                                               Arbeitsorganisation zu mehr Produktivität, Qua­
                                                                                   lität, Motivation, Gesundheit und Wohlbefinden
möglichkeiten sich für Führungskräfte im                                           sowie zu persönlicher Weiterentwicklung führt
                                                                                   (Ulich, 2011). Diese Erkenntnisse sind auch für
Zuge der digitalen Transformation – durch                                          die digitale Transformation im Tourismus von
                                                                                   Relevanz.
humane Arbeitsgestaltung, «Digital Lea­
                                                                                   WAS BEDEUTET TOURISMUS 4. 0?
dership» und nachhaltige Führung – erge­                                           Der Titel lehnt sich an den Begriff Industrie 4.0
                                                                                   an. Im Vergleich zur Industrie werden im Tou­
ben, wird in diesem Artikel aufgezeigt.                                            rismus primär keine Güter, sondern Dienstleis­
                                                                                   tungen «produziert». Die Branche ist dadurch
       Text: Prof. Dr. Sylvia Manchen Spörri / Illustration: @sketsch_personas
LEBENSRAUM//WISSENSPLATZ                                                                   13

besonders personalintensiv, die Arbeitsproduk-
tivität hingegen eher unterdurchschnittlich. Die
                                                        «Dieser Transformationsprozess ist eine strategische
Konsumentinnen und Konsumenten sind oft-                      Managementaufgabe: Die Digitalisierung
mals Co-Produzierende. Die Branche ist eher
klein- und mittelständisch geprägt. Dies sind      erfordert neben IT-Kompetenz, Expertise in der Transformation
Gründe für eine langsamere Industrialisierung                 der Organisation, der Unternehmenskultur
der Tourismusbranche.
Eine analoge Entwicklung zur Industrie 4.0                      und der Qualifikation des Personals.»
ist auch im Tourismus zu erwarten. «Touris-                                 Armin Brysch, Professor, Hochschule Kempten
mus 4.0 bedeutet (…) sowohl eine vernetzte
Produktion der Leistungsträger als auch die
Co-Produktion mit dem potenziellen Gast, um        sierung und neue Organisationsformen zu stei-      den bei. Für die Entscheidungen zur Organisati-
smarte Reiseleistungen zu entwickeln, zu ver-      gern, sind entsprechend unterschiedlich.           onsentwicklung stehen arbeitspsychologische
treiben und zu konsumieren» (Brysch, 2017).        Die Arbeitsprozesse rund um die touristischen      Gestaltungsprinzipien und Bewertungskriterien
Mithilfe von intelligenten, digital vernetzten     Aufgaben verändern sich im Zuge der Digitali-      zur Verfügung.
Systemen sollen Gäste, Mitarbeitende, Orga-        sierung: Es gilt, die Aufgabenteilung zwischen     Solche partizipativen Ansätze der Organisati-
nisationen und Gegenstände direkt mitein-          Mensch und Maschine neu zu definieren und          onsentwicklung sind auch mit aktuellen Kon-
ander kommunizieren und kooperieren. Da-           die Customer Journey in der Dienstleistungs-       zepten zur Entwicklung von Dienstleistungen
durch können Unternehmen leichter als bisher       kette informationstechnisch zusammenzufüh-         wie dem Design Thinking kompatibel. Die Be-
personalisierte Angebote nach individuellen        ren. Dabei entstehen gleichzeitig neue Orga-       dürfnisse des Gasts und der Mitarbeitenden
Kundenwünschen produzieren. Die Zukunfts-          nisations- und Kooperationsformen wie neue         können bei der Integration von arbeitspsycho-
vision besteht darin, die gesamte Customer         Formen der Teamarbeit und Zusammenarbeit           logischem Wissen berücksichtigt werden und
Journey hinsichtlich Qualität, Preis und Fle-      in Netzwerken und virtuellen Organisationen.       so zu internen und externen Mehrwerten füh-
xibilität zu optimieren und dadurch die wirt-      Die Menschen, die die touristischen Dienstleis-    ren.
schaftliche Ertragslage zu verbessern. Dieser      tungen bisher erbracht haben, müssen für die
Transformationsprozess ist eine strategische       neuen Aufgaben qualifiziert werden. Die Be-        NEUE TECHNOLOGIEN UND ARBEIT
Managementaufgabe: Die Digitalisierung er-         wältigung der Veränderungsprozesse erfordert       IN TEAMS
fordert neben IT-Kompetenz, Expertise in der       Kommunikation und Führung.                         Um die Produktivität und Qualität unter Einsatz
Transformation der Organisation, der Unter-        Ansätze für die Einführung neuer Technologien      von neuen Technologien zu erhöhen, wendet
nehmenskultur und der Qualifikation des Per-       in Organisationen finden sich im MTO-Konzept       die Industrie verschiedene Ansätze zur Arbeit
sonals (Brysch, 2017).                             (Mensch, Technik, Organisation) von Ulich et al.   im Team an, die auch im Tourismus aufgegrif-
                                                   (2011). Es basiert auf dem soziotechnischen        fen werden. Lean Management verfolgt die
DAS ZUSAMMENSPIEL VON                              Systemansatz und geht vom Primat der Auf-          Delegation von Verantwortung an die untere
MENSCH, DIGITALISIERUNG UND                        gabe aus. Die Arbeitsaufgabe «verknüpft das        Führungsebene, die Teamarbeit, die Vereinfa-
ORGANISATION                                       soziale mit dem technischen Teilsystem und         chung von Arbeitsabläufen sowie die kontinu-
Die Arbeitsaufgaben im Tourismus sind vielfäl-     verbindet den Menschen mit den organisatio­        ierliche Verbesserung der Qualität. Konzepte
tig. Sie umfassen zum einen stark standardi-       nalen Strukturen» (Ulich, 2011). Basierend auf     zur teilautonomen Gruppenarbeit betonen
sierbare Tätigkeiten wie die Arbeit in Selbstbe-   einem Mehrebenenansatz werden das Indi-
dienungsrestaurants oder Liftbetrieben, die mit    viduum, das Team, die Organisation und die
                                                                                                            Polyvalente Mitarbeitende organisieren
neuen Technologien rationalisierbar sind, und      Umwelt mit einem differenzierten Instrumenta-
zum anderen stärker subjektivierte Aufgaben,       rium analysiert. Auf Basis dieser Analyse kön-                   sich selbstständig im Team und
die einen höheren formalen Bildungsabschluss       nen neue Technologien in einem partizipativen            integrieren digitale Technologien in ihre
voraussetzen wie Angebots- und Produktent-         Prozess in die Organisation eingeführt werden.
                                                                                                                        Arbeit, bspw. in der Planung,
wicklung, Reiseleitung oder Managementfunk-        Die gemeinsame Interpretation der Daten und
tionen, die weniger substituierbar sind. Die       die Ableitung von Gestaltungsbedarf tragen zur           in der Aufgabenteilung, am Empfang, im
Potenziale, die Produktivität durch Automati-      Veränderungsbereitschaft bei den Mitarbeiten-                    Housekeeping und in der Küche.
14                                                     LEBENSRAUM//WISSENSPLATZ

darüber hinaus die Möglichkeit, vollständige       Die Entwicklungs- und Managementtätigkeiten        Kontakt zum Gast persönlich pflegen», «auto-
Aufgaben – von der Planung über die Umset-         können dank der Unterstützung der Kollabo-         matisieren, um mehr Zeit für den Gast zu ha-
zung bis zur Kontrolle und Verbesserung – zu       ration durch digitale Technologien «anytime»       ben» oder «totaler Automatisierung, um eine
bearbeiten sowie mehr Verantwortung, funkti-       und «anyplace» in verteilten Teams umgesetzt       möglichst hohe Produktivität zu erzielen». Wie
onsübergreifende und Selbstorganisationsauf-       werden. Methoden und Kultur agiler Teams aus       unsicher sich Führungskräfte in Bezug auf die
gaben im Team zu übernehmen. Integriert man        der Softwareentwicklung, die auf flache Hierar-    Digitalisierung und Arbeitsteilung zwischen
bei der Einführung von neuen Technologien          chien, Zielorientierung und Flexibilität setzen,   Mensch und Maschine sind, zeigte sich an-
und Teamarbeit Gestaltungsprinzipien wie Job       werden dabei immer stärker integriert. Damit       hand einer Befragung von Führungskräften in
Rotation, Job Enlargement und Enrichment so-       verbessern sich Motivation, Work-Life-Balance      der Hotellerie in Graubünden (Ruschetti & Aebli,
wie die Erweiterung von Gestaltungs- und Ent-      und Zugang zu Fachkräften.                         2017). Alle Gastgeber erachteten den direkten
scheidungsspielräumen der Gruppe, entsteht         Im Rahmen der Digitalisierung werden auch          Kontakt weiterhin als sehr wichtig. Jedoch
die Chance, die Polyvalenz und das Empow-          kritische politische Fragen adressiert, die den    ist ihnen unklar, was ein gutes Verhältnis zwi-
erment der Mitarbeitenden zu erhöhen, diese        Wegfall von Arbeitsplätzen betreffen. Welche       schen der Online- und Offline-Kommunikation
flexibler einzusetzen, Schwankungen zu bewäl-      Aufgaben im Tourismus werden zukünftig             ist. Selbst diejenigen, die sich intensiv und ge-
tigen und Entscheidungen schnell und situati-      durch die Digitalisierung entfallen? Braucht es    zielt mit ihrer digitalen Strategie befassen, sind
onsangemessen zu treffen (siehe Illustration       weniger angelernte sowie allgemein ausge-          unsicher, ob eine ausgeprägte digitale Interakti-
@­sketch_personas).                                bildete Tourismusfachkräfte und stattdessen        on bei den Gästen nicht auch gewissermassen
Teamarbeitsmodelle haben sich dement-              mehr spezialisierte Fachleute? Wer ist von der     als «Belästigung» ankommen könnte.
sprechend in Betrieben bewährt, deren Arbeit       Veränderung besonders betroffen? Gehören           Alle Varianten haben Konsequenzen für den
saisonal gesteuert ist und die saisonale Aus-      dazu z. B. Frauen, einheimische und angelern-      Gast, die zukünftigen Arbeitsinstrumente und
lastungsschwankungen mit ihren Teams be-           te Saisonkräfte, die vor allem automatisierbare    die Aufgaben sowie für die Qualifikationserfor-
wältigen müssen. Die Ausgestaltung der Rollen      Tätigkeiten ausführen? Eine bewusste Gestal-       dernisse der Arbeitnehmenden.
im Team muss dabei immer wieder aktualisiert       tung der Digitalisierung unter Einbezug um-        Vielen Führungskräften ist bewusst, dass sie
werden.                                            fassender Gestaltungskonzepte, die Mensch,         mit der Einführung und Nutzung von Informa-
Angelernte Mitarbeitende, oft mit unterschied-     Digitalisierungstechnologie und Organisation       tions- und Kommunikationstechnologien in der
lichen sprachlichen und kulturellen Herkünften     berücksichtigen, kann neben Rationalisierung       Dienstleistungsbranche nicht nur die Angebote
sowie Berufserfahrungen, können im Zuge der        auch zu attraktiven Arbeitsplätzen und persön-     für ihre Kundinnen und Kunden verändern, son-
Automatisierung dank teilautonomer Grup-           lichen Entwicklungsmöglichkeiten führen!           dern auch die Aufgaben und Arbeitsabläufe,
penarbeit interessante Aufgabenportfolios                                                             die Zusammenarbeit ihrer Mitarbeitenden, die
und Entwicklungsmöglichkeiten erhalten und         DIGITALE TRANSFORMATION DES                        Arbeit ihrer Teams sowie die Kommunikations-
gleichzeitig zur Flexibilität und Produktivität    SOZIOTECHNISCHEN SYSTEMS ALS                       und Arbeitskultur. Meist handelt es sich bei den
der Gruppe beitragen. Digitale, multimediale       FÜHRUNGSAUFGABE                                    Dienstleistern nicht um Einzelunternehmen,
Lernmöglichkeiten wie kurze Lernvideos zu          Nur wenige Leistungsträger im Tourismus ver-       sondern um Dienstleistungsnetzwerke. Dies er-
Aufgaben, Sicherheit und Hygiene unterstützen      fügen bereits über eine klare Digitalisierungs-    fordert zusätzlich auch Kooperationsfähigkeit
die schnelle Einarbeitung ins Team (siehe Illus-   strategie. Die Diskussionspole bewegen sich        und ein gemeinsames Vorgehen bei der Ein-
tration @sketch_personas).                         zwischen «gar nicht automatisieren und den         führung der I & K-Technologien. Eine Vision für
                                                                                                      die Digitalisierung im eigenen Unternehmen,
                                                                                                      eine Digitalisierungsstrategie und einen Plan
                           Natürliche und soziale Umwelt                                              für die Transformation sind deshalb nötig. Die
                                                                                                      He­rausforderungen der digitalen Transformati-
                                                                                                      on sind durch bewusste Führung zu gestalten.
                                                                                                      Führungskräfte vermitteln Orientierung in unsi-
                                            Markt                                                     cheren Zeiten, stossen Innovation und Change-
                                                                                                      Prozesse an und legen den Boden für die Zu-
                                                                                                      sammenarbeit in lokalen und verteilten Teams
                                                                                                      und für die Nutzung von Technologien. In Be-
                                          Mensch
                                                                                                      zug auf die Technologienutzung sind Kommu-
                                                                                                      nikations- und Kooperationstechnologien so-
                                                                                                      wie soziale Medien inner- und ausserhalb des
                                                                                                      Unternehmens konsequent anzuwenden und
                                                                                                      als Führungskraft – ganz im Sinne eines Vor-
                                                                                                      bilds – glaubwürdig zu kommunizieren.
                                        Touristische
                                       Dienstleistung
                                                                                                      DIGITAL LEADERSHIP IST GEFRAGT
                           Digitalisierung          Organisation                                      Die digitale Transformation im Tourismus
                                                                                                      braucht «Digital Leaders», die die digitale
                                                                                                      Transformation im Unternehmen vorantreiben,
                                                                                                      selbst digitale Tools im Arbeitsalltag nutzen,
                                                                                                      die neusten Trends kennen und ihre Teams
                                                                                                      digital steuern. In der heutigen Führungspra-
                                                                                                      xis verschiedener Branchen zeigen sich mehr
                                                                                                      Selbstführung bei den Mitarbeitenden, mehr
                                                                                                      Führung auf räumliche Distanz und Nutzen di-
                                                                                                      gitaler Kanäle, Führung über Identifikation und
Abb. 1: Touristische Dienstleistungen aus der Perspektive                                             Zielsetzungen sowie flachere Hierarchien (Gen-
des MTO-Ansatzes (in Anlehnung an Ulich, 2011).                                                       ner et al., 2017).
LEBENSRAUM//WISSENSPLATZ                                                                      15

                                 Expert Leader                          Digital Leader
Nutzung digitaler Technologien

                                 Treibt die digitale Transformation     Treibt die digitale Transformation
                                 im Unternehmen nicht voran, nutzt      im Unternehmen voran, nutzt digi-
                                 selbst viele digitale Tools im Ar-     tale Tools im Arbeitsalltag, kennt
                                 beitsalltag, z.B. zur Teamführung      neuste Trends, steuert Teams mit
                                 und Selbstvermarktung.                 digitalen Tools, versucht, Mitarbei-
                                                                        tende sowie Kolleginnen und Kol-
                                                                        legen für das Thema zu gewinnen.

                                 Conservative Leader                     Change Leader
                                 Treibt die digitale Transformation      Treibt die digitale Transformation
                                 im Unternehmen nicht voran, nutzt       im Unternehmen voran, nutzt digi-
                                 selbst keine digitalen Tools.           tale Tools im Arbeitsalltag jedoch
                                                                         zu wenig.

                                                                                                                     Abb. 2: Digital Leadership macht
                                                                                                                     verändertes Führungsverhalten
                                                                                                                     sowie technisches Know-how notwendig
                                                                                                                     (Grafik angelehnt an Crummenerl &
                                           Leadership in Transformation                                              Kimmer, 2015).

     Die IT-Branche ist im Bereich der digitalen Füh-             tion aufgebaut. Durch die Teilung und Erweite-     – Eggenberger, J. (2017). Gute Führung im
     rung schon weit fortgeschritten. Es konnte ge-               rung von Wissen wird das Humankapital eines           Kontext flexibilisierter Arbeit. In M. Zölch, M.
     zeigt werden, dass die meisten Führungskräfte                Unternehmens in Kooperationsbeziehungen er-           Oertig & V. Calabro (Hrsg.). Flexible Work-
     bewusst aufgabenangemessene Medien für                       weitert, durch den guten Umgang mit den Mit-          force – Fit für die Herausforderungen der
     ihre Führungskommunikation wählen. Diese                     arbeitenden und durch Kooperationsbeziehun-           modernen Arbeitswelt. Strategien, Modelle,
     setzten sich zusammen aus computervermit-                    gen die Attraktivität als Arbeitgeber gestärkt.       Best Cases (125 – 152). Bern: Haupt Verlag.
     telter und unvermittelter Face-to-Face-Kommu-                Auch das Teilen von Wissen und Erfahrungen         – Genner, S., Probst, L., Huber, R., Werkmann-
     nikation. Ein grösserer Grad an geografischer                mit der digitalen Transformation zwischen Füh-        Karcher, B., Gundrum, E. & Majkovic, A.-L.
     und organisationaler Verteiltheit der Teams                  rungskräften verschiedener Leistungsträger            (2017). IAP Studie 2017. Der Mensch in der
     und vermittelter Kommunikation wirkte sich                   bei persönlichen Begegnungen, durch Weiter-           Arbeitswelt 4.0. Zürich: IAP Institut für An-
     dabei nicht negativ auf die Kommunikations-                  bildung und Coaching sowie auf elektronischen         gewandte Psychologie der ZHAW Zürcher
     qualität aus. Eine bewusste Meta-Kommunika-                  Plattformen kann den Tourismus voranbringen           Hochschule für Angewandte Wissenschaft.
     tion mit den Teams über die Medienwahl fehlte                und eine Grundlage für den Wandel bilden.          – Manchen Spörri, S. (2011). «Und dann greif
     hingegen (Manchen Spörri, 2011).                             Dies hilft dem Tourismus als Netzwerk von             ich doch schnell zum Telefon». Möglich-
                                                                  autonomen Akteuren zu definieren, wie die             keiten und Grenzen Computervermittelter
      NACHHALTIGE FÜHRUNG IN ZEITEN                               gestaltende Führungsarbeit aussehen soll, um          Kommunikation. In C. Steinmann (Hrsg).
      DER VERÄNDERUNG                                             nachhaltig wirtschaften zu können. Die Digitali-      Evolution der Informationsgesellschaft. Mar-
     Nachhaltige Unternehmensführung bedeutet,                    sierung kann der Treiber und die Plattform sein,      kenkommunikation im Spannungsfeld der
     dass Unternehmen nicht nur ökonomische,                      diese ohnehin in Dienstleistungsnetzwerken            neuen Medien (155 – 179). VS Research.
     sondern auch ökologische und soziale Ziele                   offenliegende Frage zu beantworten.                – Ruschetti, P. & Aebli, A. (2017). Weniger «Off-
     verfolgen. Einen wichtigen Erfolgsfaktor für                                                                       line-Zeit» für den Hotelgast durch Digitalisie-
     den Tourismus stellt die Erhöhung der Pro-                   QUELLEN                                               rung? Präsentation am 10. Tourismus Trend-
     duktivität dar. Deshalb werden im Rahmen von                 – Brysch, A. (2017). Tourismus 4.0. Herausfor-       forum. 30. 11. 2017. Hochschule für Technik
     Tourismus 4.0 die Flexibilität und Effizienz von                derungen für die Reisebranche. In M. Land-         und Wirtschaft, Chur.
     Organisationen und ihren Mitarbeitenden ge-                     vogt, A. A. Brysch & M. A. Gardini (Hrsg.).     – Ulich, E. (2011). Arbeitspsychologie (7. Aufl.).
     steigert. Dabei können Effizienzziele in Konflikt               Tourismus – E-Tourismus – M-Tourismus.             Zürich: VDF.
     mit Humanzielen geraten (Eggenberger, 2017).                    Herausforderungen und Trends der Digitali-
     Neben den zuvor beschriebenen Gestaltungs-                      sierung im Tourismus. Schriften zu Touris-
     aufgaben der Führungskräfte kommen in Zei-                      mus und Freizeit, Band 20 (35 – 42). Berlin:
     ten der beständigen Veränderung und Effizien-                   Erich Schmidt Verlag.
     zerhöhung auch die Stärkung der persönlichen                 – Crummenerl, C. & Kemmer, K. (2015). Digi-
     Resilienz und Gesundheit sowie die persönli-                    tal Leadership – Führungskräfteentwicklung      Prof. Dr. Sylvia Manchen Spörri
     che Entwicklung der Mitarbeitenden als wich-                    im digitalen Zeitalter. Capgemini Consulting.   T + 41 (0)81 286 24 44
     tige soziale Ressource hinzu.                                   https://www.de.capgemini-consulting.com/        sylvia.manchen@htwchur.ch
     Die Wirtschaft basiert auf einer wachsenden                     resource-file-access/resource/pdf/14-10-        Arbeits- und Organisationspsychologin,
     Wissensgesellschaft. Gemeinsames Wissen                         16_digital_leadership_v11_web_17102016.         Leiterin des Departements Lebensraum,
     wird im Tourismus immer stärker in Koopera-                     pdf (gefunden am 11.9.2017).                    Mitglied der Hochschulleitung
16                                                       LEBENSRAUM//WISSENSPLATZ

Der beste Standort­
faktor? – Die Besinnung
auf eigene Werte!
wissensplatz.htwchur.ch/standortfaktor-eigene-werte

Jeder wünscht sich ein attraktives Lebensumfeld, insbesondere
für den Urlaub. In Graubünden ist die Landschafts- und
Siedlungsqualität somit ein wichtiger Standortfaktor für die Wirt-
schaft und den Tourismus. Wie die historisch wichtigen
Dorfkerne in den meist noch ländlich wirkenden Gemeinden trotz
Globalisierung der Bautätigkeit, trotz Baulandstopp und innerer
Verdichtung erhalten bleiben können, zeigt das Bündner Dorf Scha-
rans. Mit starker Partizipation der Bevölkerung werden die
vorhandenen Obstwiesen im Siedlungsgebiet durch Auszonung
geschützt; diese Fläche wird im Landumlegungsverfahren
im Weiler St. Agatha, wo eine verdichtete Bauweise zulässig ist,
wieder hinzugefügt.
                             Text: Sandra Bühler-Krebs, Prof. Christian Wagner / Bild: Sandra Bühler-Krebs, Maria Rota

Hohe Berge, gepflegte Landschaften und idyl-
lische Dörfer prägen das weithin bekannte Bild
Graubündens. Doch dieses Image bröckelt.
Baulandflächen-Nutzungsstopp und Innen-
verdichtung sind aktuelle Zielsetzungen der
Schweizer Raumplanung. Was in der Agglome-
ration unbestritten Sinn macht, beschert vielen
ländlichen Gemeinden berechtigte Sorgen. Oft
stehen locker bebaute historische Dorfkerne
mit denkmalgeschützten Wohn- und Stallbau-
ten und innerdörflichen Gärten für die Identität
eines Orts, sie sind jedoch im übergeordneten
Flächennutzungsplan als Baugebiet vermerkt.
War dies vor zwei Jahrzehnten noch durchaus
nachvollziehbar, hat sich die Problematik der
Globalisierung in der Architektur seit einigen
Jahren derart verschärft, dass sich lokale Wer-                                      Neubauten in «globaler» Architektur (Visualisierung rechts) würden
te und ortsspezifische Identitäten als touristi-                               das heutige charakteristische Dorfbild (Foto links) schlagartig zerstören.
LEBENSRAUM//WISSENSPLATZ                                                                     17

scher Faktor – und somit immer wertvollerer        tangiert genau dieses Handeln die Gesellschaft       pumera» verdeutlicht diese Tradition. Die Be-
wirtschaftlicher Faktor – herauskristallisieren.   besonders stark und prägt ihren Lebensraum.          deutung für die heimische Wirtschaft und die
Eine Gästebefragung des Instituts für Touris-      Baukultur, und damit verknüpft das Ortsbild, ist     Erinnerung an diese jahrhundertealte Tradition
mus und Freizeit (ITF) der HTW Chur aus dem        folglich der gebaute Spiegel der gesellschaft-       sind noch heute in den Obstwiesen innerhalb
Jahr 2013 hat dies bestätigt: 51 Prozent der       lichen und moralischen Wertvorstellungen im          des Dorfgefüges sichtbar. Im neuen Verständ-
Befragten gaben das Ortsbild als wichtiges         politisch-wirtschaftlichen Gefüge.                   nis der Baulandpolitik gelten diese Flächen als
Entscheidungskriterium bei der Wahl des Rei-       Bauvorhaben führen immer zu Veränderungen            gehortetes Bauland und können bzw. sollen
seziels an und für 96 Prozent ist es von grosser   des Dorfbilds. Das Wiederfinden von vertrau-         zugunsten einer kompakten Siedlungsstruktur
Relevanz, um sich am Ferienort wohlzufühlen.       ten Bildern – also sich trotz Weiterentwicklung      bebaut werden. Fachleute der HTW Chur wie-
Wichtige Faktoren sind dabei die Aufenthalts-      noch «zu Hause» zu fühlen – ist ein zentraler        sen auf die drohende Gefahr hin, dass durch
qualität im öffentlichen Raum, die Mischung        Aspekt und ist Aufgabe der Kommunen. Sind            das Verschwinden dieser Wiesenflächen und
von traditionellen und neuen, authentischen        sich die Gemeinden dieser Verantwortung be-          den Bau von mittelmässigen Neubauten das
Bauformen, die Beziehung zur Landschaft            wusst, so entsteht grosse Unsicherheit insbe-        ursprüngliche Dorf und seine vorhandene
und die einheimische Baukultur. Nicht kitschi-     sondere bei der Umsetzung des kommunalen             «Schönheit» zerstört würden.
ge Landhauskulissen sind gefragt, sondern          räumlichen Leitbilds. Wird die Vision in der Nut-    Die Planung in Scharans zeigt eine ortsspezifi-
ein Einblick ins «echte» Leben in den Bergen.      zungsplanung konkretisiert, agiert die Gemein-       sche Interpretation von baulicher Verdichtung
Naheliegend ist daher die These, dass sich die     de meist auf privatem Grund. Die moralisch           im ländlichen Raum. Die Wiesenflächen im
Gäste dann wohlfühlen, wenn sich auch die lo-      geprägten Forderungen des Leitbilds sind nur         Siedlungsgebiet wurden durch Auszonung ge-
kalen Bewohnerinnen und Bewohner mit ihrem         dann zu erfüllen, wenn die geplante Änderung         schützt. Im Landumlegungsverfahren wurde
Lebensumfeld identifizieren. Wir sprechen hier     ein positives Ergebnis an der Urne erzielt. Des      Bauland an anderer Stelle, wo eine zusätzlich
von Authentizität und meinen die Lebens- und       Menschen ureigenes Streben nach persönli-            verdichtete Bauweise Potenzial hat, eingefügt.
Arbeitsweise vor Ort, die sich in direkter Weise   chem Wohlstand – wie auch der gegenseitige           Nur durch die Offenheit von Behörden und Be-
auf die gebaute Umwelt überträgt.                  Neid – lässt diese Projekte oftmals scheitern.       völkerung für eine «ethische» Reflexion, das
                                                   Folglich ist es, nebst den Vorteilen für das Dorf,   daraus resultierende Verständnis für Baukultur
BAUKULTUR IN ZEITEN                                von elementarer Bedeutung, dass jede / jeder         und die Bereitschaft, sich auf einen entspre-
DES WANDELS                                        direkt betroffene Eigentümerin / ­Eigentümer         chenden Diskurs einzulassen, wurden Abwei-
Doch was bedeutet «Baukultur» in den sich ver-     auch einen persönlichen wirtschaftlichen Vor-        chungen vom üblichen Verfahren überhaupt
ändernden Dörfern? Der berühmt-berüchtigte         teil in dieser Planung sieht.                        erst möglich. Eine umfassende Partizipation
Satz «Architektur ist Geschmackssache» würgt       Ein konkretes Beispiel aus Graubünden kann an        aller Interessengruppen, die Einverständniser-
bereits jede inhaltliche Diskussion über un-       dieser Stelle möglicherweise dazu beitragen,         klärung der Eigentümerinnen und Eigentümer
sere gebaute Umwelt im Keim ab. Dabei geht         die Gemeinden zu ermutigen, neue Wege in             nach dem Aufzeigen von individuellen Vorzü-
gerne vergessen, dass der «Geschmack» gar          der Raumplanung zu gehen und eine Zukunfts­          gen und die Mehrheitsfähigkeit der vorgeschla-
nicht der springende Punkt ist. Fakt ist, dass     vision zu erarbeiten, die sowohl für die Einhei-     genen Massnahmen bildeten die basis-demo-
Bauen und Gestalten Akte des öffentlichen In-      mischen wie auch für die Gäste gleicherma-           kratisch notwendige Voraussetzung für die
teresses sind und uns alle als Gemeinschaft        ssen sinnstiftend ist.                               umfassenden Veränderungen in der Nutzungs-
betreffen. Oft fehlt das Bewusstsein in der                                                             planung. Diese ermöglicht schlussendlich den
Bevölkerung, dass die Planung und die Reali-       ERFOLGREICHES LANDUMLE-                              Erhalt von architektonischen, siedlungspla-
sierung eines Bauwerks als gesellschaftliche       GUNGSVERFAHREN AN DER URNE                           nerischen und denkmalpflegerischen Werten,
Handlung – und der Architekturdiskurs als die      Das Dorf Scharans liegt im Bündnerischen             einen baukulturellen Umgang mit Bauland und
damit verknüpfte Reflexion – in einem moral-       Domleschg, das durch Obstwiesen geprägt ist.         Baubestand sowie die Stärkung eines Dorfteils
philosophischen Kontext stehen. Schliesslich       Der touristisch wirksame Wanderweg «Veia da          zu einem eigenständig funktionierenden Weiler
                                                                                                        mit den erforderlichen Entwicklungsflächen für
                                                                                                        die kommende Generation. Die entsprechen-
                                                                                                        den raumplanerischen Verfahren und die poli-
                                                                                                        tische Vorgehensweise innerhalb der direkten
                                                                                                        Demokratie sind wenig erprobt und faktisch
                                                                                                        Neuland. Die Belohnung für solch neuartige
                                                                                                        Prozesse ist praktisch immer eine weitreichen-
                                                                                                        de, auch touristische Beachtung – der Stolz auf
                                                                                                        das eigene Dorf. Die Scharanser Bevölkerung
                                                                                                        hat diesen Schritt gewagt und im Oktober 2017
                                                                                                        mit grosser Mehrheit dem Landumlegungsver-
                                                                                                        fahren an der Urne zugestimmt.

                                                                                                        Sandra Bühler-Krebs
                                                                                                        T +41 81 286 37 07
                                                                                                        sandra.buehler@htwchur.ch
                                                                                                        Wissenschaftliche Mitarbeiterin,
                                                                                                        Institut für Bauen im alpinen Raum (IBAR)

                                                                                                        Prof. Christian Wagner
                                                                                                        T +41 81 286 24 76
                                                                                                        christian.wagner@htwchur.ch
                                                                                                        Professor für Architektur,
                                                                                                        Institut für Bauen im alpinen Raum (IBAR)
18                                                       LEBENSRAUM//WISSENSPLATZ

Ökonomisch stand­
ortgerechte Beherber­
gungskonzepte
wissensplatz.htwchur.ch/standortgerechte-beherbergungskonzepte

Dem traditionellen Hotelkonzept müssen dringend neue Formen
der Beherbergung und neue Geschäftsmodelle an die Seite
gestellt werden, die die anspruchsvollen Rahmenbedingungen
besser erfüllen können. Das Projekt «Design to Cost: Öko-
nomisch standortgerechte Beherbergungskonzepte für Graubün-
den und den Schweizer Alpenraum» vermittelt einen Über-
blick zu den aktuellen Entwicklungen und analysiert diese in
finanzieller Hinsicht.
                   Text: Prof. Dr. Andreas Deuber, Norbert Hörburger, Fabienne Schläppi / Bild: PRIVÀ Alpine Lodge Lenzerheide

AUSGANGSLAGE
Viele ferientouristische Hotelbetriebe im
Schweizer Alpenraum sind infolge der hohen
Bau- und Betriebskosten und der generell
schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedin-
gungen im (saisonalen) Tourismus nicht in
der Lage, auf Vollkostenbasis ausgeglichene
Ergebnisse oder gar Gewinne zu erzielen und
weisen wegen der fehlenden ökonomischen
Anreize einen Investitions- und Innovations-
rückstand auf. Aus denselben Gründen ist
auch die Zahl der neuen Projekte für eine
dyna­mische Entwicklung der Branche zu tief.
Während im Luxussegment manchmal ideelle
Investoren in die Bresche springen, fehlen im
unteren und mittleren Segment die erforder-
lichen Ersatz- und Neuinvestitionen, weshalb
dieses Angebotssegment laufend an Konkur-
renzfähigkeit einbüsst. Diese Situation wurde
durch die Annahme der Zweitwohnungsinitia­
tive noch verschärft. Investitionen in die saiso-
nale Ferienhotellerie sind durch den Wegfall der
Quersubventionierungsmöglichkeiten         durch
Zweitwohnungsprojekte noch schwieriger und
riskanter geworden, weshalb ein zusätzlicher         Kollektivunterkünfte und bewirtschaftete Appartements sind
Investitionsrückgang zu verzeichnen ist.             Erfolg versprechende Beherbergungsformen im alpinen Tourismus.
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