ABFÄLLE IM MEER - EIN GRAVIERENDES - Umweltbundesamt

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ABFÄLLE IM MEER - EIN GRAVIERENDES - Umweltbundesamt
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         ABFÄLLE IM MEER -
             EIN GRAVIERENDES
ÖKOLOGISCHES, ÖKONOMISCHES
   UND ÄSTHETISCHES PROBLEM.
ABFÄLLE IM MEER - EIN GRAVIERENDES - Umweltbundesamt
Impressum

Herausgeber     Umweltbundesamt
                Wörlitzer Platz 1
                06844 Dessau-Roßlau
E-Mail:         pressestelle@uba.de
Internet:       www.umweltbundesamt.de

Redaktion:      Stefanie Werner
                Fachgebiet II 2.3

Stand:          Aril 2010

Gestaltung:     UBA

Umschlagfoto:   © Jan van Franeker, IMARES
ABFÄLLE IM MEER - EIN GRAVIERENDES - Umweltbundesamt
Abfälle im Meer - ein gravierendes ökologisches, ökonomisches und
ästhetisches Problem.
Zur Umsetzung der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie

1. Hintergrund                                       „Marine Abfälle sind alle langlebigen, gefertig-
                                                     ten oder verarbeiteten beständigen Materialien,
Am 15. Juli 2008 trat die EG Meeresstrategie-        die durch Wegwerfen oder als herrenloses Gut
Rahmenrichtlinie (MSRL) in Kraft. Sie stellt die     in die Meeresumwelt gelangen“ („Marine litter is
zentrale Umweltsäule der europäischen Meeres-        any persistent, manufactured or processed solid
strategie dar, mit deren Hilfe der marine Sektor     material discarded, disposed or abandoned in
nachhaltig gestärkt und ausgebaut werden soll.       the marine coastal environment”). Diese Definiti-
Das Ziel ist: Mit Hilfe des Ökosystemansatzes bis    on schließt ein:
2020 einen guten Zustand der europäischen
                                                      Müll, der vom Land aus ins Meer gelangt
Meeresgewässer zu erreichen und zu erhalten.
                                                       (durch Abwässer, Mülldeponien, illegale Müll-
Hierfür sind die wesentlichen Elemente der Mee-
                                                       beseitigung an der Küste, durch Tourismus-
resökosysteme zu bewerten und zu schützen.             und Freizeitaktivitäten);
Erstmals sollen dabei auch die kumulativen
                                                      Müll, der von Schiffen (inklusive Fischerei-
Effekte menschlicher Belastungen auf die Meere
                                                       fahrzeugen), Aquakultur- und Offshoreanla-
erfasst werden. Mit dieser so genannten ganz-          gen ins Meer oder an die Küste gelangt.
heitlichen Betrachtung wird ein neuer Ansatz
verfolgt, welcher auch die Synergien und Wech-       Mariner Abfall befindet sich an der Meeresober-
selwirkungen identifiziert. Von der bisher prakti-   fläche, auf dem Grund sowie an Stränden. Durch
zierten rein sektoralen Betrachtung des Zustands     Wellen und Strömungen verteilt sich der Müll
einzelner Ökosystemkomponenten und der Aus-          weltweit über den gesamten Globus. Etwa 70
wirkungen der verschiedenen menschlichen Nut-        Prozent des Mülls sinken ab und lagern im oder
zungen auf die marine Umwelt wendet man sich         auf dem Meeresboden. Mariner Abfall birgt ein
künftig ab.                                          ernstes Gefährdungspotenzial für Meereslebewe-
                                                     sen. Dazu zählen das Verheddern in Müllteilen
Die Richtlinie führt elf Deskriptoren auf, anhand    und die orale Aufnahme, mit dem Risiko des Er-
derer ein „Guter Zustand“ der Meere charakteri-      stickens und Verhungerns der Meereslebewesen.
siert und erreicht werden soll. Deskriptor 10
benennt den Eintrag von Abfällen in die Meere:       Das Verfangen in Netzen (insbesondere aus
„Die Eigenschaften und Mengen der Abfälle im         Monofilament), Angelleinen, Tauen oder Plastik-
Meer haben keine schädlichen Auswirkungen            material – etwa Six-Pack-Verpackungen oder
auf die Küsten- und Meeresumwelt“.                   Plastikbeutel – stellen zudem eine signifikante
                                                     Gefahr für Seevögel, Schildkröten, Delfine, Wale
Im Folgenden werden die Auswirkungen von
                                                     und andere marine Lebewesen dar. Vor allem
Abfällen im Meer dargestellt, die wichtigsten
                                                     jene Arten, die nahe an oder auf der Meeres-
Eintragsquellen beschrieben und Maßnahmen
zur Verringerung des Eintrags von Abfällen           oberfläche leben, sind betroffen. Laut der „US
zusammengestellt.                                    Marine Mammal Commission“ sind 136 marine
                                                     Arten bekannt, die sich regelmäßig in Müll ver-
                                                     fangen (darunter sechs Arten Meeresschildkrö-
                                                     ten, 51 Arten Seevögel und 32 Arten marine Säu-
2. Abfälle im Meer – ein Überblick                   ger - UNEP 2009a). Insofern führt mariner Müll
                                                     auch zu Verlusten in der Biodiversität.
Bei dem Thema „Abfälle im Meer“ handelt es
sich um ein gravierendes ökologisches, ökonomi-      Ein Zehntel des gesamten Mülls in den Weltmee-
sches und ästhetisches Problem. Nach dem deut-       ren – das entspricht rund 640.000 Tonnen –
schen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz sind    geht zu Lasten der im Wasser treibenden oder
„Abfälle alle beweglichen Sachen, deren sich ihr     auf den Grund gesunkenen Fischereiausrüstung.
Besitzer entledigt, entledigen will und entledi-     Dazu zählen beispielsweise verlorene Netze
gen muss.“ Meeresmüll ist durch das UN               (Geisternetze) und Angelschnüre mit Haken. Sie
Umwelt-Programm (2005a) folgendermaßen defi-         verbleiben noch jahrelang im Wasser. Hierin ver-
niert:                                               fangen sich Meerestiere. Vor allem in küstenna-

                                                                                                    1
ABFÄLLE IM MEER - EIN GRAVIERENDES - Umweltbundesamt
hen Gebieten und Riffen schädigen sie kleine            see (Ostsee aus logistischen und populationsbio-
zerbrechliche Organismen wie Schwämme und               logischen Gründen nach Norden über die aus-
Korallen (UNEP, 2005b).                                 schließliche Wirtschaftszone (AWZ) Deutschlands
                                                        hinaus erweitert bis zu den dänischen Inseln).
                                                        Mit bloßem Auge aus 200 m Höhe erfasste Müll-
                                                        teile traten auf weiten Strecken mit mehr als
                                                        einem Stück pro Kilometer auf. Dabei handelt es
                                                        sich bei dem erfassten Müll nur um den ober-
                                                        flächlich bis wenige Meter unter der Wasser-
                                                        oberfläche treibenden Anteil. Auf die gesamte
                                                        Wassersäule gesehen ist noch weitaus mehr
                                                        Abfall zu erwarten. Der Großteil des Mülls sinkt
                                                        nicht sofort ab und sammelt sich erst nach
                                                        einem gewissen Zeitraum am Meeresboden
                                                        (Vauk & Vauk-Hentzelt 1991). Die Müllverteilung
                                                        ist wind- und strömungsabhängig (Debrot et al.
                                                        1995; Aliani et al. 2003) und auch vom Festland
                                                        wird Müll in die Nordsee eingetragen (Vauk &
                                                        Vauk-Hentzelt 1991). In der Analyse von Herr
                                                        (2009) wurde ein deutliche Korrelation zwischen
Abbildung 1: Von Fischereinetz strangulierter Seehund
                                                        der Schiffsdichte und der Mülldichte festgestellt.
             (Quelle: Salko de Wolf, EcoMare)
                                                        Dieser Zusammenhang wurde schon 1991 in
                                                        einer Untersuchung der Zusammensetzung
Plastikmüll ist mit etwa 70 Prozent des eingetra -
                                                        angespülten Mülls nachgewiesen: Es zeigte sich,
genen Abfalls besonders bedeutend, denn die
                                                        dass der größte Müllanteil mit südöstlichen bis
Abbauzeit beträgt hier bis zu 450 Jahren. Das
                                                        südwestlichen Winden von den so genannten
wird lediglich von Aluminiumdosen mit bis zu
                                                        Verkehrstrennungsgebieten in die deutsche
500 Jahren überboten. Plastik wird beim Abbau
                                                        Bucht getrieben wird (Vauk & Vauk-Hentzelt
durch physikalische, biologische und chemische
                                                        1991). Auch die Herkunftsanalyse der Abfälle
Degradation in immer kleinere Teile zersetzt.
                                                        zeigt: Schifffahrt und Fischerei sind die wichtigs-
Die mikroskopisch kleinen Partikel (Mikroplastik)
                                                        ten Eintragswege marinen Mülls in die Gewässer
haben eine weitere negative Eigenschaft: Sie
                                                        der deutschen Nordsee. Diese Wahrnehmung
konzentrieren gefährliche Chemikalien in der
                                                        wird durch die Auswertung verfügbarer Litera-
marinen Umwelt auf ihrer Oberfläche und stel-
                                                        tur zu Müll auf dem Meeresgrund als globaler
len damit eine potenzielle Eintragsroute für die-
                                                        Trend bestätigt: 16 von 26 ausgewerteten Studi-
se Stoffe in das marine Nahrungsnetz dar.
                                                        en identifizieren die Fischerei und den Schiffs-
Eine weitere negative Folge marinen Mülls sind          verkehr als Hauptherkunftsquellen (Spengler &
die hohen Kosten der Abfallbeseitigung für die          Costa 2008). Dabei haben Kunststoffe den größ-
Küstengemeinden und betroffenen Wirtschafts-            ten Anteil an der „Vermüllung“ der Meere.
zweige, einschließlich des Tourismus.
                                                        3.1   Ostsee
                                                        Bislang wird mariner Abfall nicht als ein wesent-
3. Ist-Zustand der Meeresumwelt – Welche Rolle          liches Problem der baltischen Meeresumwelt
   spielen Abfälle in Nord- und Ostsee?                 betrachtet. Allerdings wurde bisher auch keine
                                                        umfassende Studie durchgeführt, so dass ein
2012 müssen die EU Mitgliedstaaten nach Art. 5          Defizit an vertrauenswürdigen sowie vergleich-
(2) EG-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL)          baren Daten besteht.
eine Anfangsbewertung der Meeresumwelt
                                                        1980 trat das regionale Übereinkommen für den
durchführen. Hier ist auch über das Abfallauf-
                                                        Schutz der baltischen Meeresumwelt vor Ver-
kommen im Meeresbereich und seine Auswir-
                                                        schmutzungen jeglicher Art in Kraft. Unter der
kungen zu berichten.
                                                        Helsinki-Kommission, die besser bekannt ist als
Eine aktuelle Studie hat eine hohe Mülldichte in        HELCOM, fand das „Marine Litter Project“ statt –
der deutschen Nord- und Ostsee bestätigt (Herr          co-finanziert vom Umweltprogramm der Verein-
2009). Dabei erfolgten flächendeckende Beflie-          ten Nationen. Damit wurde eine erste Auswer-
gungen der gesamten deutschen Nord- und Ost-            tung des Abfallproblems in der Ostsee vorge-

2
nommen; mit Hilfe von Literaturstudien, Bünde-                           Stück pro Hektar waren die Zahlen mit den
lung der Informationen, Versendung von natio-                            Ergebnissen aus der Nordsee vergleichbar (Gal-
nalen Fragekatalogen, Identifizierung von Maß-                           gani et al. 2000).
nahmen und der Erarbeitung sowie Implemen-
                                                                         Eine andere internationale Umweltorganisation,
tierung regionaler Strategien (UNEP 2007 &
                                                                         die „Ocean Conservancy“, schlussfolgerte aus
2009a). Folgende Informationen wurden in die-
                                                                         den Ergebnissen von jährlichen Küstenreini-
ses Projekt eingespeist:
                                                                         gungsaktionen, dass fast 58 Prozent des gesam-
Die Umweltschutzorganisation WWF hat über                                melten Mülls durch menschliche Aktivitäten an
den Zeitraum 1998 bis 2005 Informationen über                            der Küste verursacht wird (inklusive Freizeitakti-
marinen Abfall mittels des „Naturewatch Baltic                           vitäten).
Network“ gesammelt. Die jährlichen Berichte
                                                                         Der Informationsstand über die Effekte von
beschreiben die Abfallmengen, die an den Strän-
                                                                         marinem Abfall in der Ostsee ist nach wie vor
den und Küsten der Ostsee gefunden wurden.
                                                                         sehr gering. Schwedische Studien (Larsson et al.
Plastikabfälle stellten durchschnittlich 30-60 Pro-
                                                                         2003, Tschernij & Larsson 2003 und Swedish
zent des Abfallgewichts bzw. der Abfallprodukte
                                                                         Board of Fisheries 2004) konzentrierten sich auf
dar, wobei in der Zusammensetzung Plastikfla-
                                                                         bestimmte Gebiete, in denen das Risiko des Vor-
schen und -tüten dominierten (siehe Abbildung 2).
                                                                         handenseins verloren gegangener Netze sehr
Bei Strandsäuberungsaktionen wurde der Anteil                            hoch ist. Im Jahr 2004 wurden 24 Kilometer
von Müllteilchen pro 500 m Küstenlinie sowie                             Fischernetze gefunden, welche die marine Fauna
die Angabe der Müllmenge in kg oder m3 durch                             insgesamt und ohnehin bedrohte Arten zusätz-
die Gemeinden bewertet. Diese Informationen                              lich gefährden.
sind allerdings nicht standardisiert und beschrei-
ben die Situation in Einzelgebieten als Augen-
blicksaufnahme.                                                          3.2   Nordsee
                                                                         Der Informationsstand über Abfall in der Nord-
                                                                         see ist weitaus umfassender. Über die ökologi-
                                                                         schen Auswirkungen - mit Ausnahme der Belas-
                                                                         tung der Eissturmvögel mit Plastikmüll – liegen
                                                                         jedoch auch hier nur wenige Erkenntnisse vor.
                                                                         Es wird geschätzt, dass sich allein 600.000 m3
                                                                         Müll auf und im Meeresboden der Nordsee
                                                                         befinden. Etwa 20.000 Tonnen Abfall werden
                                                                         jährlich in die Nordsee eingetragen, wovon 15
                                                                         Prozent im Wasser, 70 Prozent auf dem Meeres-
Abbildung 2: Anzahl der Abfallteile unterschiedlicher Herkunft auf 500
             m Küstenlinie der Ostsee im Zeitraum 1999 – 2005 (WWF
                                                                         boden und 15 Prozent an den Stränden verblei-
             Naturewatch Baltic)                                         ben (OSPAR 1995). In der niederländischen Nord-
                                                                         see sind beispielsweise zu jeder Zeit 6,6 Millio-
Das Ergebnis wird zusätzlich von der Anzahl der                          nen Müllteile (8.600 t) vorhanden (OSPAR QSR
Menschen, die am „Naturewatch“ teilnehmen,                               2000).
und deren Schulungsstand, in Bezug auf marine
                                                                         Der Großteil des Mülls, der an deutschen Nord-
Abfälle, beeinflusst. In den Anrainerstaaten der
                                                                         seestränden gefunden wird, stammt sehr wahr-
Ostsee variierten die gefundenen Müllmengen
                                                                         scheinlich aus der Schifffahrt, mit einem erhebli-
zwischen 2 und 328 Kilogramm (4 - 181 Stück)
                                                                         chen Anteil aus der Fischerei (Fleet 2003). Mit
pro 500 Meter Küstenabschnitt. Die höchsten
                                                                         neuen Forschungsprojekten hat das UBA in den
Abfallmengen betrugen 700 und 1.200 Stück pro
                                                                         letzten Jahren den Müll an den Spülsäumen der
100 m Küstenlinie, vergleichbar mit den Men-
                                                                         deutschen Nordseeküste kartieren und untersu-
gen, die an der nördlichen Nordsee gefunden
                                                                         chen lassen (Fleet 2003 & 2007). Damit hat
wurden (OSPAR 2007). In anderen Fällen variier-
                                                                         Deutschland einen wesentlichen Beitrag zum
te die Abfallmenge hingegen lediglich zwischen
                                                                         Pilotprojekt unter OSPAR (Komission für den
6 und 16 Abfallteilen auf 100 Meter Strandab-
                                                                         Schutz und Erhalt des Nordostlatlantiks) „Marine
schnitt.
                                                                         Beach Litter Monitoring“ (Untersuchung des
In den Gewässern der westlichen Ostsee wurde                             Nordostatlantiks im Zeitraum 2000-2006) im
1996 über Schleppnetzuntersuchungen der Müll                             Rahmen des „Biodiversity Committees“ (BDC)
am Meeresboden quantifiziert. Mit 1,26 ± 0,82                            geleistet (OSPAR 2007a).

                                                                                                                           3
Das OSPAR-Pilotprojekt lieferte erstmals eine                          erfolgreich umgesetzt wurde. Insbesondere trei-
gute Gesamtübersicht über die Müllbelastung                            bende Netzteile, die in der Untersuchung etwa
des Nordostatlantiks. Die Ergebnisse zeigen: Plas-                     fünf Prozent des Mülls ausmachen, stellen eine
tik ist der dominante Anteil des Mülls. Während                        Gefahr dar. Sie können zum Verfangen und
die Müllbelastung aus dem Bereich Fischerei                            Ertrinken von Meeressäugern und Vögeln führen
und Aquakultur im Nordostatlantik in den Jah-                          (Dayton et al. 1995, OSPAR QSR 2000).
ren 2000 bis 2006 stark zugenommen hat, zeigte
                                                                       Derzeit weisen Strände in der OSPAR-Region
die Analyse anderer Müllquellen (etwa nicht
                                                                       eine durchschnittliche Anzahl von 712 Mülltei -
betriebsbedingter Abfall aus der Schifffahrt,
                                                                       len pro 100 Meter Küstenlinie auf, wobei die
Fischereifahrzeuge, Offshore-Anlagen) weder Zu-
                                                                       Belastung in den vergangenen zehn Jahren kon-
noch Abnahmen. Auch auf regionaler Ebene
                                                                       stant hoch geblieben ist (Textentwurf für OSPAR-
wurde keine signifikante Zu- oder Abnahme in
                                                                       QSR 2010). Sowohl die Bestimmungen des MAR-
der Anzahl der Müllteile aus letztgenannten
                                                                       POL Annex V und die Ausweisung der Nordsee
Quellen registriert.
                                                                       als Sondergebiet für MARPOL Annex 5 im Jahre
Im Rahmen der genannten Forschungsprojekte                             1991 als auch die Einführung von Entsorgungs-
wurde der Müll in Kategorien, wie Plastik, Styro-                      regelungen im Rahmen der RL 2000/59/EG über
por, Holz-, Tau- und Netzteile unterteilt. 59 Pro-                     Hafenauffangeinrichtungen für Schiffsabfälle
zent der gefundenen Müllteile waren aus Plastik                        und Ladungsrückstände in 2000 haben bisher zu
und/oder Styropor (Abbildung 3). Die Herkunft                          keiner Reduktion des an der Küste ange-
der Abfälle lässt sich jedoch meist nicht eindeu-                      schwemmten Mülls geführt. In der IMO wird
tig zuordnen.                                                          derzeit an einer Aktualisierung des Annex V
                                                                       gearbeitet, jedoch liegen noch keine konkreten
Gleichzeitig sollte mit dem Spülsaummonitoring
                                                                       Vorschläge zur Verbesserung vor (Stand
untersucht werden, wie sich das Einbringungs-
                                                                       09/2009).
verbot für Seeschiffe auf die Verschmutzung der
Spülsäume auswirkt. (Nord- und Ostsee sind Son-                        Die ökologischen Auswirkungen der Aufnahme
dergebiete nach MARPOL Annex V Regel 5                                 von Plastikmüll durch Seevögel wurden intensiv
Absatz 1: Es dürfen nur Lebensmittelabfälle ab                         dokumentiert. Eissturmvögel verwechseln Plas-
einer Entfernung von mehr als zwölf Seemeilen                          tikstücke mit Nahrung und Teile, die größer als
von der Küste über Bord gegeben werden) Seit                           3 cm sind, mit den Sepiaschalen von Tintenfi-
1989 das „Internationale Übereinkommen zur                             schen. Durch das Picken der Sepiaschale neh-
Verhütung der Meeresverschmutzung durch                                men die Vögel Kalziumcarbonat auf, das sie für
Schiffe“ (MARPOL 73/78) in Kraft trat, ist in der                      das Skelett und die Eischalenausbildung benöti-
Nordsee sogar die Entsorgung jeglicher Schiffs-                        gen. Von 100 eingesammelten Plastikpartikeln
abfälle ins Meer verboten (MARPOL 73/87                                wiesen 80 Prozent Schnabelabdrücke auf. Die
Anhang V). Die Ergebnisse der Forschungspro-                           Eissturmvögel nehmen somit Plastikteilchen auf,
jekte wie auch der Studie von Herr (2009) zei-                         die jedoch weder Nährstoffe noch Kalziumkarbo-
gen, dass dieses Übereinkommen bislang nicht                           nat enthalten und verspüren dadurch ein

Abbildung 3: Müll-Zusammensetzung an der deutschen Nordseeküste                        Nahrungsmittel; 0,7
             im Zeitraum 1991 bis 2002 (n = 93.341) (Fleet, D. 2003.
             Nationalparkamt Tönning)                                                    Bekleidung; 1,0

                                                                                            Metall; 2,1

          Plastik, Styropor,
                                                                                             Papier, Pappe; 3,0
        Schaumgummi; 59,2
                                                                                             Glas; 3,6

                                                                                             Fischerei; 5,8

                                                                                       Sonstiges; 10,5

                                                                          Holz; 14,1

4
beständiges Sättigungsgefühl. Die Kondition und
Fitness dieser Tiere wird signifikant beeinträch-
tigt und viele von ihnen verhungern. Untersu-
chungen an verendeten Eissturmvögeln ergaben
einen Durchschnitt von 32 Plastikteilen in den
Mägen (Van Franeker et al. 2002). Im Zeitraum
von 2002-2006 untersuchten IMARES (Institute
for Marine Resources and Ecosystem Studies) und
das FTZ (Forschungs- und Technologiezentrum
Westküste) 304 verendete Eissturmvögel. Bei 95
Prozent waren Plastikteile vorhanden, mit einer        Abbildung 5: Prozentzahl der Top-12 verhedderter und an der nieder-
Durchschnittsanzahl von 31 Teilen und einem                         ländischen Küste gestrandeter Seevogelarten. Files
                                                                    NZG/NSO (Beached bird survey programme) 1979-2007.
Durchschnittsgewicht von 0,30 Gramm Plastik
pro Vogel (Van Franeker 2006).
Im Zeitraum 1970-2007 wurden 215 347 Kadaver
gestrandeter Seevögel an der niederländischen          3.3     Externe Kosten der Verunreinigung der Meere
Küste untersucht, 513 davon hatten sich in Net-                mit Müll
zen verstrickt (0,2 Prozent). Die Hälfte davon
                                                       Eine Studie der sozioökonomischen Auswirkun-
waren Nördliche Basstölpel (pelagischer Seevo-
                                                       gen marinen Abfalls für die Küstengemeinden
gel) und Heringsmöwen (Küstenseevogel) (Camp-
                                                       der Nordsee illustriert, dass es eine große Band-
huysen 2008). In den letzten Jahren (2004-2007)
                                                       breite an Effekten gibt, die immense Kosten für
wurden höhere Verstrickungsraten verzeichnet
                                                       die Gemeinden nach sich ziehen (Hall 2000).
(0,75 ± 0,10 Prozent pro Jahr). An der deutschen
                                                       Betroffene Sektoren sind die Fischerei (zum Bei-
Nordseeküste betrug die Rate im Zeitraum 1992-
                                                       spiel Schäden an Netz und Boot), die Aquakultur
2003 0,23 ± 0,11 Prozent (170 verstrickte Vögel
                                                       (Säuberung der Käfige), der Tourismus (Verluste
von 69.508 untersuchten), in den Jahren 2004-
                                                       durch Wegbleiben der Gäste), die Schifffahrt
2007 war ebenfalls eine Zunahme 0,35 ± 0,06
                                                       (Reinigung der Häfen), das Militär (Behinderung
Prozent (60 verstrickte auf 17.566 untersuchte)
                                                       der Navigation), die Energieerzeugung (Säube-
zu verzeichnen (Camphuysen 2008).
                                                       rung der Filter), Hochwasserschutz (Blockaden)
                                                       und die Landwirtschaft (Aufnahme des Mülls
                                                       durch Vieh auf Inseln). Weiterhin kommen Kos-
                                                       ten für Erhebungen der Müllbelastung und Vor-
                                                       sorge- und Aufklärungsprogramme dazu. Allein
                                                       die Kosten der Strandsäuberungen für die
                                                       Gemeinden im Untersuchungsgebiet belaufen
                                                       sich auf etliche Millionen Euro jährlich. In Ost-
                                                       holstein entstehen Kosten zwischen 750 000 und
                                                       1,2 Millionen Euro jährlich (Kieler Nachrichten
                                                       2006). Die Reinigung des fast sieben Kilometer
                                                       langen Westerländer Badestrands auf Sylt, an
                                                       dem täglich bis zu zwei Tonnen Müll anfallen
                                                       (dies entspricht jährlich circa 23 000 Müllsäcken)
                                                       wird aus der Kurabgabe finanziert (Preißler
                                                       2008).
                                                       Andernorts sind die finanziellen Belastungen
                                                       ähnlich hoch. So betragen die jährlichen Kosten
Abbildung 4: In Fischereinetz verfangener Basstölpel
             Quelle: Jan van Franeker, IMARES
                                                       der Effekte marinen Abfalls in einer kleinen
                                                       Gemeinde wie den Shetland Inseln rund 6 Mil-
                                                       lionen Euro.

Lange Beobachtungsreihen (1976-1985) auf Hel-
goland zeigen, dass sich die Todesrate der in
Netzresten verstrickten Basstölpel auf 29 Prozent
an den Todfunden und Lebendverletzten beläuft
(Schrey & Vauk 1987).

                                                                                                                             5
4. Beschreibung des „Guten Zustands“ für den       i. Es ist schwierig, eine derart heterogene Ein-
   Deskriptor „D10“ und mögliche Qualitätsziele         tragsquelle zu quantifizieren, die darüber
                                                        hinaus nicht hinreichend durch reguläre
Der bis 2020 zu erreichende „Gute Zustand“ ist          Monitoring- und Bewertungsverfahren abge-
für den Deskriptor „Abfälle im Meer“ (D10) nach         deckt ist.
MSRL (Anhang I, Punkt 10) wie folgt definiert:     ii. Derzeit existiert kein normativer Ansatz, bei
„Die Eigenschaften und Mengen der Abfälle im            dem die Präsenz von marinem Abfall auf der
Meer haben keine schädlichen Auswirkungen               skalierten Basis der sich daraus ergebenden
auf die Küsten- und Meeresumwelt.“                      Auswirkungen bewertet wird. Ein solcher
                                                        Ansatz müsste auch der großen Variabilität
Die entscheidende Frage, die es zu beantworten          hinsichtlich der potenziellen Gefährlichkeit
gilt, ist: Welche Abfallarten und Abfallmengen          der verschiedenen Müllkategorien gerecht
stellen keine Gefährdung für den „Guten Zustand“        werden.
dar und welche Auswirkungen sind tolerabel?        iii. Die Herkunft von Müll ist nicht standortge-
Daraus ist abzuleiten, in welcher Form die              bunden, die Verteilung zeigt (sub-)regionale
                                                        Verteilungsmuster (Mittelmeer und Nordostat-
Datenerhebung und Bewertung erfolgen muss.
                                                        lantik scheinen besonders betroffen) und die
Neben der Erfassung der Müllelemente pro Flä -
                                                        Küsteneffekte werden als lokales Problem
cheneinheit sind Erhebungen nach Herkunft,              wahrgenommen.
Gewicht und Volumen sowie eine Bewertung
der möglichen und tatsächlichen Auswirkungen
                                                   Als Bewertungssystem für die ökologischen Aus-
auf die Meeresökosysteme wichtig. Die Erhebung
                                                   wirkungen von Abfällen in Meeren standen bis-
nach Gewicht und Volumen muss standardisiert
                                                   her die Müllaufnahme durch Organismen (inklu-
werden, um die Auswertungen vergleichbar zu
                                                   sive Mikroplastik) und das Verfangen/Verhed-
machen (Nass- oder Trockengewicht, gewaschen
                                                   dern von Meereslebewesen in Müllteilen (wie
oder ungewaschen, zusammengepresst oder
                                                   Netzresten) im Fokus. Bislang liegen nur wenige
nicht zusammengepresst). Es könnten Müllarten
                                                   Informationen über die direkte Beziehung (zum
definiert (OSPAR 2007a) und gegebenenfalls ein
                                                   Beispiel korrelativer Art) zwischen Müllmenge
größenselektives Abfallmonitoring durchgeführt
                                                   und ökologischer Wirkung vor. Ein geeignetes
werden. Ein Monitoring nach Müllart-Gefahren-
                                                   Kriterium für ein ökologisches Qualitätsziel
klassen (gestaffelt nach der negativen Bedeutung
                                                   wäre, die Anzahl der „Plastikpartikel in den
für Organismen) wäre ebenfalls denkbar.
                                                   Mägen von Eissturmvögeln“ verbunden mit der
Bei einer kumulativen Betrachtung der Auswir-      Fragestellung, ab wann hier ein Anlass zur
kungen anthropogener Belastungen auf die Mee-      Besorgnis für die gesundheitliche Gefährdung
resumwelt dürfen nicht nur solche betrachtet       gegeben ist. Möglicherweise ist dieses Qualitäts-
werden, deren Auswirkungen auf Populations-        ziel auch auf andere Arten übertragbar.
ebene bereits bekannt sind. Es wird nach derzei-
                                                   Zu anderen ökologischen Folgen von Abfällen
tigem Wissensstand in vielen Fällen auch noch
                                                   wie dem Verheddern von Meeresorganismen in
nicht möglich sein, Populationseffekte durch
                                                   Müllteilen (wie Netzresten, Sixpacks etc.) auf
den Eintrag von Abfällen in die Meeresumwelt
                                                   Populationsebene ist wenig bekannt, obwohl
nachzuweisen. Daher muss es unter Vorsorgege-
                                                   klar ist, dass es sich hierbei um ein ernstzuneh-
sichtspunkten zunächst darum gehen, allen
                                                   mendes Problem handelt.
beschriebenen negativen Auswirkungen auf
Meereslebewesen zu begegnen.                       Für die Bewertung marinen Abfalls ist ebenfalls
                                                   von Bedeutung, ob sich der Müll bereits in einer
Um dem Problem Abfall in den Meeren langfris-
                                                   wirklichen Senke befindet oder an einem belie-
tig gerecht werden zu können, müssen For-
                                                   bigen Punkt des Verbreitungspfades. Die Quellen
schungslücken insbesondere im Hinblick auf die
                                                   des auftauchenden Mülls befinden sich oft weit
ökologischen Auswirkungen auf Populationsebe-
                                                   entfernt. Olin et al. (1995) zeigten zum Beispiel,
ne geschlossen werden. Weiteres Augenmerk
                                                   dass über 50 Prozent des an der schwedischen
müsste auf der Betrachtung der Auswirkungen
                                                   Westküste vorhandenen Mülls britischer Her-
von Meeresmüll auf geschützte Arten liegen.
                                                   kunft ist, wobei dazu auch verlorengegangenes
Auch ein Papier der europäischen Kommission        Gut (britischen Ursprungs) von Schiffen anderer
vom 14. Mai 2009 (Document WG-GES May 09           Nationen gehört. Ein Problem ist, dass der größ-
3/3) macht die Schwierigkeiten im Umgang mit       te Anteil (über 38 Prozent) des globalen Müllauf-
Deskriptor 10 deutlich:                            kommens keiner genauen Quelle zugeordnet
                                                   werden kann (MaLiTT 2002).

6
In absehbarer Zeit wird es nicht möglich sein,        5. Monitoring – Methoden zur
einen wirkungsbasierten Ansatz für marinen               Überwachung von Meeresmüll
Müll zu entwickeln. Als erster Schritt könnte die
Festlegung des „Guten Zustands“ auf dem Trend         Folgende Areale kommen für eine Überwachung
des Meeresmüllaufkommens basieren (Status ist         von Meeresmüll in Frage:
gut, wenn Vorkommen von Abfällen verschiede-               Spülsaum
ner Herkunft (geringer (x) und/oder Trend rück-            Meeresoberfläche
läufig ist (mit Attributen y, z)). Das entsprechen-
                                                           Wassersäule
de Monitoring muss an den Senken und Indika-
torlebewesen für die Müllbelastung ansetzen.               Meeresboden
Dabei hält es das UBA für notwendig, weitere          Methodische Ansätze sind verfügbar für:
geeignete Indikatoren zu entwickeln (Verfan-
                                                       Belastung der Sedimente und des Wassers
gen/Verheddern von Tieren in Müllteilen, Mikro-
                                                        mit Mikroplastik
plastik in Sedimenten).
                                                       Ökologisches Effektmonitoring: Belastung von
                                                        Seevögeln mit Plastik, Verfangen/Verheddern
                                                        von Seevögeln in marinem Abfall
Empfehlungen: Das UBA empfiehlt, über einen
festgelegten Zeitraum in regelmäßigen Abstän-
                                                      Am weitesten ist die Methodik der Überwa-
den und an definierten Küsten-Strandabschnit-
                                                      chung des Spülsaums der deutschen Nord- und
ten angeschwemmte Eissturmvögel einzusam-
                                                      Ostseeküste entwickelt. Mittelfristig jedoch muss
meln. Deren Mägen sind auf Müll zu untersu-
                                                      das Müllmonitoring sowohl im Küstenbereich als
chen und dabei zunächst dem vom OSPAR defi-
                                                      auch im Bereich der deutschen AWZ im Rah-
nierten Qualitätsziel (EQO QO) zu folgen. Die
                                                      men des Bund/Länder-Messprogramms (BLMP)
Nutzbarkeit des Qualitätsziels für die Umsetzung
                                                      institutionalisiert werden.
der MSRL (Bewertung des Meereszustands) und
die Entwicklung eines Indikators für das Verfan-      Neben den Spülsaumuntersuchungen ist noch zu
gen/Verheddern von Seevögeln sollten geprüft          prüfen, ob und wie es möglich ist, auch Müllvor-
werden. Strandzählungen zur quantitativen und         kommen an der Meeresoberfläche, in der Was-
qualitativen Bestimmung marinen Abfalls haben         sersäule und am Meeresboden zu erfassen.
sich bewährt und sollten an ausgewählten deut-        Dabei könnten möglicherweise laufende Monito-
schen Strandabschnitten fortgeführt und ggf.          ringaktivitäten zu anderen Zwecken wie etwa
methodisch weiterentwickelt werden. Sie sind          Schleppnetzauswertungen der Fischereifor-
unverzichtbar, da sie gute Informationen über         schung adaptiert werden. Das UBA empfiehlt die
die Zusammensetzung hinsichtlich Quellen, der         Prüfung, ggf. Weiterentwicklung und Standardi-
potenziellen Gefährlichkeit und dem Auftauchen        sierung der nachfolgend behandelten Monito-
neuer, potenziell problematischer Müllteile           ringansätze.
geben. Sie können Grundlage für die Entwick-
lung gezielter Maßnahmen zur Verminderung
des Problems sein. Zur fortlaufenden Erfassung        5.1     Spülsäume
des an der Meeresoberfläche treibenden Mülls          Das UBA unterstützt den aktuellen Vorschlag des
könnte der von Herr (2009) praktizierte Ansatz        Nationalparkamtes Schleswig-Holsteinisches Wat-
weiterentwickelt werden.                              tenmeer (David Fleet LKN-SH GB3 09/2009) zur
Zudem gibt es Forschungsbedarf, wie Informa-          Weiterführung der Spülsaumkartierungen der
tionen zu Müll am Meeresboden gewonnen wer-           Nordsee und einer Übertragung dieses Konzepts
den könnten, da sich dort - insbesondere für den      auf die Ostsee. In diesem Zusammenhang sind
Bereich der AWZ - die dominante Senke befin-          eine Reihe Koordinierungs- und Harmonisie-
det. Einige der in regelmäßigen Abständen             rungsarbeiten zu leisten: Bestimmung der Erfas-
durchgeführten Fischereisurveys könnten gleich-       sungstermine, Vereinbarungen mit erfassenden
zeitig Müll im pelagischen Raum (in der Wasser-       Organisationen/Institutionen, Aufbau und Auf-
säule) erfassen. Zur Entwicklung eines Indikators     rechterhaltung des Erfassungssystems, Schulun-
zu Mikroplastik wäre weitere Forschung erfor-         gen der Zähler, Eingabe und Pflege der Daten,
derlich.                                              Datenauswertung, Berichterstattung, (Weiter-)
                                                      Entwicklung der Methodik, Teilnahme an natio-
                                                      nalen und internationalen Workshops, Arbeits-
                                                      gruppen usw. Aktuell laufen Planungen, das
                                                      Konzept der Spülsaumkartierungen, die an der

                                                                                                      7
Nordsee durchgeführt werden, auf die Ostsee zu      5.3   Müll in der Wassersäule und am Meeresboden
übertragen.
                                                    Das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven
Erfassungen für die deutsche Ostseeküste könn-      untersucht seit vielen Jahren die Müllbelastung
ten im Rahmen der Betreuung von Schutzgebie-        am Meeresboden im Bereich der deutschen
ten und nach Absprache von den vor Ort tätigen      Nordsee. Die Daten basieren auf rund 25 Hols
Naturschutzvereinen, der Nationalpark- und Bio-     (Einholen des Netzes) mit zwei Netztypen (Baum-
sphärengebietsverwaltung und staatlichen Ein-       kurre auf dem Meeresboden und Grundschlepp-
richtungen durchgeführt werden - wie an der         netz, welches teilweise im Meeresboden zu fin-
deutschen Nordseeküste bereits praktiziert. Wäh-    den ist) auf drei Fahrten im Jahr. Eine Differen-
rend der Erfassungen können weiterhin parallel      zierung des Mülls wird seit Frühling 2007 ana-
gestrandete Seevögel geborgen, verpackt, etiket-    log zu den Spülsaumuntersuchungen vorgenom-
tiert, in Kühltruhen zwischengelagert und auf       men.
die Todesursache hin untersucht werden (Eissturm-
                                                    Das BLMP und das Thünen-Institiut führen regel-
vögel – Sektionen zur Ermittlung der Plastikteile
                                                    mäßig Schleppnetzuntersuchungen zu Fischbe-
im Magen durch IMARES und FTZ). Zudem könn-
                                                    ständen und fischereiliche Untersuchungen in
ten etwa Heringsmöwen und Basstölpel nach der
                                                    der Freiwasserzone durch. Diese könnten um
Anzahl der Individuen registriert werden, die
                                                    Mülluntersuchungen ergänzt werden (Seezun-
sich verfangen/verheddert haben. Es bleibt zu
                                                    gensurvey, International Beam Survey, German
prüfen, ob neben diesen beiden Arten (Hochsee-
                                                    Small Scale bottom trawl etc.).
vogel- und Küstenvogelart) weitere Indikatorar-
ten für eine Auswertung in Betracht kommen.         In Flachwasserbereichen empfehlen sich syste-
                                                    matische Tauchuntersuchungen, wie sie vor Hel-
                                                    goland bereits exemplarisch durchgeführt wer-
5.2   Treibender Müll an der Meeresoberfläche       den, um einer Zerstörung des Benthals durch
Ein Monitoring des schwimmenden Mülls kann          Schleppnetzuntersuchungen vorzubeugen.
nur über kontinuierliche Befliegungen erfolgen,     Schleppnetze sind zudem nicht überall einsetz-
wie sie ohnehin im Rahmen von Schweinswal-          bar (zum Beispiel über Riffen). Tauchuntersu-
Flugzählungen erfolgen (FTZ Büsum – Nord- und       chungen haben zusätzlich den Vorteil, dass sie
Ostsee). Sowohl aus den Daten dieser Zählungen      eine `in situ` Beobachtung zulassen, die auch
als auch aus der automatisierten Fischereiüber-     die Erfassung von kleinen Partikeln ermöglicht.
wachung (VMS) lassen sich Korrelationen zwi-        Ein Nachteil ist, dass der Einsatz von Tauchern
schen Müllvorkommen und Schiffsdichte herstel-      räumlich und hinsichtlich der Tiefe begrenzt ist,
len und Küstenabstand und Wassertiefe ableiten.     so dass Tauchfahrzeuge besser geeignet sind.
                                                    Synergien könnten bei den mit Unterwasserka-
Weiterhin wird vom Bundesamt für Seeschiff-         mera überwachten Seekabeln genutzt werden.
fahrt und Hydrographie (BSH) das Flachwasserin-     Müllteile können während der Videoaufnahmen
formationssystem Gewässerverunreinigung (FIS        erfasst werden.
GVU) betrieben, mit dem durch Flugüberwa-
chungen auch Müll - nach Position und Art - im      Das UBA empfiehlt den Ländern, dass sich die
deutschen Hoheitsgebiet und der AWZ erfasst         Koordinationsstellen auch am „Fishing for Lit-
wird. Das ist allerdings kein Monitoring im         ter“-Projekt der KIMO beteiligen. Dazu wären
eigentlichem Sinne, sondern ein Instrument, mit     Kontakte mit Fischern und Häfen vor Ort herzu-
dem Verstöße gegen die Vorschriften des MAR-        stellen, Fischer mit den nötigen Mitteln zu ver-
POL-Übereinkommens 1973/78 (in Verbindung           sorgen (Behälter zur Aufbewahrung des Mülls,
mit der MARPOL-Owi-Vo) und des Helsinki-Über-       etc.) und in den Häfen für die kostenfreie unpro-
einkommens (in Verbindung mit der 1. und 2.         blematische Abgabemöglichkeit zu sorgen. Wei-
Ostseeschutzänderungsverordnung) geahndet           terhin könnte von hier aus die Presse- und
werden. Es ist zu prüfen, ob dieses Kontrollin-     Öffentlichkeitsarbeit erfolgen, um das Thema
strument weiter ausgebaut werden könnte.            Meeresabfall besser zu kommunizieren und den
                                                    am „Fishing for Litter“ partizipierenden Fischern
Auch aus der automatisierten Fischereiüberwa-       einen Sympathiebonus bei Touristen und
chung (VMS-System) und aus dem „German              Gemeinden zu verschaffen (siehe auch 6.).
Small Scale Bottom Trawl Survey“ sind Informa-
tionen zu gewinnen. Über Letzteren können
Müllmengen und -arten am Meeresboden erfasst
werden (siehe 5.3).

8
5.4     Ökologisches Effektmonitoring: Müll in Mägen      derlanden analysiert, die gefundenen Müllparti-
        von Eissturmvögeln                                kel sortiert, kategorisiert und gewogen, um den
                                                          aktuellen Belastungsstatus in Bezug zum Ziel-
Vor dem Hintergrund einer anhaltend hohen
                                                          wert festzustellen und die Müllquellen zu identi-
Verschmutzung der Nordsee wurden auf der
                                                          fizieren.
Nordsee-Ministerkonferenz in Bergen im März
2002 ökologische Qualitätsziele (Ecological Qua-          Als weiterführendes Effektmonitoring kommt ein
lity Objectives = EcoQOs) vereinbart, um politi-          geeignetes Monitoring von in Müll verfange-
sche Zielvorgaben messbar zu machen. Hierzu               nen/verhedderten Basstölpeln und Heringsmö-
wurde in einem von der EU von 2002 bis 2004               wen in Betracht.
geförderten Projekt (Fulmar Litter EcoQO Study)
der Parameter „Anzahl von Plastikmüllteilen in
                                                          5.5   Monitoring von Mikroplastikteilen im Wasser
Eissturmvogelmägen“ als Indikator der Belas-
                                                                und in Sedimenten
tung der Nordsee mit Plastikmüll untersucht
und für die internationale Implementierung die-           Mikroskopische Plastikfragmente und -fasern
ses EcoQOs durch OSPAR weiterentwickelt. Als              sind mittlerweile in der marinen Umwelt weit
Zielwert (EcoQO) für die Plastikmüllbelastung             verbreitet und reichern sich in der Freiwasserzo-
der Nordsee wurde empfohlen: „Weniger als                 ne und in den Sedimenten der verschiedenen
10 % der Eissturmvögel sollten 0,1 g oder mehr            Habitate an. Aufgrund der hohen Persistenz der
Plastikmüll im Magen haben; innerhalb einer               Plastikpartikel unter zwei Zentimetern Größe,
Stichprobe von 50-100 Eissturmvogel-Spülsaum-             haben diese möglicherweise auch ein Risikopo-
funden für jede von 5 verschiedenen Nordseere-            tenzial für Amphipoden, Kiemenringelwürmer
gionen über einen Zeitraum von mindestens 5               und Seepocken, die Plastik innerhalb weniger
Jahren.“ Der Eissturmvogel wurde als geeigneter           Tage aufnehmen. Bei Muscheln konnte sogar
Indikator gewählt, weil er ein typischer Hochsee-         gezeigt werden, dass die Plastikpartikel durch
vogel ist, der in der Nordsee weit verbreitet und         die Magenwand ins Blut gelangen. Mikroplastik
häufig vorkommt, seine Nahrung überwiegend                absorbiert chemische Substanzen, die so in die
an der Meeresoberfläche aufnimmt und dabei                Organismen gelangen. Hier bleibt zu prüfen, ob
auch umher treibende Müllteile frisst. Zudem              die Entwicklung einer Monitoring-Strategie
werden tote Eissturmvögel in ausreichendem                erforderlich ist.
Stichprobenumfang entlang der Nordseeküste
gefunden. Aufgrund umfangreicher Vorarbeiten
aus den Niederlanden (IMARES) liegen für die-
                                                          6. Maßnahmen in Schifffahrt und Fischerei zur
sen Teil der Nordsee bereits Langzeitdaten vor,
an denen sich deutliche Trends in der Plastik-
                                                             Begrenzung des Mülleintrags
müllbelastung erkennen lassen. Die toten Eis-             Die Anwendung des Prinzips „Verursacher zahlt“
sturmvögel werden bei regelmäßigen Spülsaum-              und die Identifizierung der wahren Kosten des
kontrollen eingesammelt, abtransportiert und              marinen Abfalls könnten marktbasiert und effek-
fachgerecht untersucht. Die entnommenen                   tiv kontrolliert erfolgreich zum Adressieren der
Magenproben werden durch IMARES in den Nie-               Problematik beitragen (UNEP 2009). Während
                                                          das Verursacherprinzip vor allem durch effekti-
                                                          vere Kontrollen auf See und entsprechende Ahn-
                                                          dung bei Vergehen zu erreichen wäre, handelt
                                                          es sich bei dem Zweiten Prinzip um ein ökono-
                                                          misches Instrument. Dies müsste die externen
                                                          Kosten der gesamten Produktkette erfassen. Ins-
                                                          gesamt liegen jedoch noch zuwenig ausreichend
                                                          wissenschaftliche Informationen über die ökono-
                                                          mischen und sozialen Schäden durch marinen
                                                          Müll vor (EU-Commission Document WG-GES
                                                          May 09 3/3).
                                                          Aufgrund des diffusen Eintrags des marinen
                                                          Mülls ist es schwierig, geeignete Maßnahmen zu
                                                          identifizieren, die an den Quellen ansetzen.
Abbildung 6: Plastikmüll im Magen eines toten Seevogels   Gegenwärtig konzentrieren sich die Maßnahmen
             Quelle: Jan van Franeker, IMARES             teilweise auf Vorsorge (Abnahme des Mülls in

                                                                                                              9
Abfallart                                        Schiffstyp                                        Erzeugter Abfall

    Schlamm *                                        Schiffe mit Schwerölantrieb                       1,5 – 2 % des Verbrauchs
                                                     Schiffe mit Dieselantrieb                         0,5 % des Verbrauchs

    Ölhaltiges Bilgenwasser                          Durchschnittliches Schiff                         Ca. 20 m3/Monat
                                                     (ca. 30 000 dwt)

    Abfälle der Mannschaft                           Alle                                              3 kg/Person/Tag

    Ladungsbedingte Abfälle **                       Typischer Stückgutfrachter ***                    49,3 kg/Tag

Abbildung 7: Von Schiffen durchschnittlich erzeugte Abfallmenge (aus EMSA: Mehr Sicherheit und Sauberkeit im Seeverkehr in der Europäischen Union)

*        Ein durchschnittlicher Panamax-Massengutfrachter (35.000 gt) (ein typisches Durchschnittsschiff):
               – verbraucht etwa 35 t Treibstoff pro Tag,
               – erzeugt etwa 0,7 t Schlamm pro Tag.
**       Dies bezieht sich auf Anhang V des MARPOL-Übereinkommens.
               Anmerkung: Ladungsrückstände sind nicht Bestandteil der von Schiffen erzeugten Abfälle.
***      Andere Schiffstypen erzeugen wesentlich weniger ladungsbedingte Abfälle.

Quellen: Vereinigung der europäischen Seehäfen:
 - Waste Management Plan for Ship Generated Waste (Abfallwirtschaftsplan für Schiffsabfälle) (2000);
 - Workshop on Port Reception Facilities for Ship Generated Waste and Cargo Residues (Workshop über Hafenauffanganlagen
   für Schiffsabfälle und Ladungsrückstände (2001).

Häfen), vor allem aber auf Nachsorge (Sammeln                                    Müll nicht mehr identifizierbar) an Bord sowie
im Meer und am Strand). Es muss eine deutliche                                   ausreichend Stauraum für die Abfälle. Diese Fak-
Verstärkung der Vorsorge angestrebt werden, da                                   toren können das – illegale – Einbringen redu-
Sammlungen in den Meeresökosystemen deut-                                        zieren.
lich aufwendiger und damit kostspieliger sind.
                                                                                 Neben diesen technischen Verbesserungen sind
Die Nachsorge erreicht auch nur einen Teil des
                                                                                 besonders die Sensibilisierung und Schulung des
Mülls, der Großteil verbleibt in der Umwelt.
                                                                                 Bordpersonals entscheidend. Dies ist bereits in
Nord- und Ostsee sind als MARPOL Anhang V als                                    den IMO-Richtlinien zur Umsetzung von MAR-
Sondergebiete ausgewiesen. Für die Schifffahrt                                   POL Annex V (IMO1997) genannt, aber offenbar
(inklusive Fischerei) ist das Einbringung von Müll                               noch nicht erfolgreich umgesetzt. Beim Festle-
verboten. Dennoch hat sich die Müllbelastung                                     gen der Minderungsmaßnahmen für den
der Nord- und Ostsee seit ihrer Ausweisung als                                   „Deskriptor Müll“ der MSRL sollte sich Deutsch-
Sondergebiete nicht verbessert: Die Schifffahrt                                  land deshalb verstärkt für die Verbesserung der
trägt rund 70.000 m3 Abfälle im Jahr in der                                      Schulungs- und Trainingsmöglichkeiten einset-
Nordsee ein. Einen Überblick über die von Schif-                                 zen. Zwar gibt es auf allen Schiffen (inklusive
fen durchschnittlich erzeugte Abfallmenge gibt                                   Fischereifahrzeugen) Aushänge, welcher Müll
Abbildung 7.                                                                     über Bord gegeben werden darf, doch muss das
                                                                                 Thema auch adäquat in dem Bewusstsein der
Die bisherigen Forschungsprojekte zeigten kei-
                                                                                 Mannschaft verankert sein.
nen Rückgang des angespülten Abfalls. Deshalb
sind in folgenden Bereichen weitere Maßnah-                                      Zur Umsetzung der genannten Maßnahmen
men zu entwickeln und umzusetzen:                                                kann die aktuell laufende Revision des MARPOL
                                                                                 Annex V beitragen. Sinnvoll erscheint auch die
                                                                                 in der „Correspondence Group“ diskutierte
6.1       Maßnahmen an Bord / Schiffsbetrieb
                                                                                 Änderung der rechtlichen Situation, ein generel-
Die Müllmenge auf See ließe sich reduzieren                                      les Verbot des Einbringens von Abfall ins Meer
durch: verstärkten Einsatz von Recycling-, Dosier-                               zu vereinbaren („zero discharge“), für das bei
und Nachfüllsystemen, etwa für Reinigungsmit-                                    Notwendigkeit Ausnahmen definiert werden
tel und Verpackungen. Auch durch Mülltren-                                       können (MEPC 59/6/3: “Consider options whet-
nung, eine Volumenreduzierung der Reststoffe                                     her or not to include a general prohibition on
(Müllpresse, nicht Schredder, denn dann ist der                                  the discharge of garbage, except where allowed

10
in the regulations of Annex V”). Zurzeit wird im      zeigte, dass strengere und einheitliche Vorgaben
Annex V nur aufgeführt, was nicht eingebracht         von den Hafenbehörden gewünscht werden. In
werden darf.                                          einigen Häfen werden zusätzlich Anreizsysteme
                                                      für Schiffe mit dem „Green Award“ angeboten,
Es ist zu prüfen, ob die Ausstattung der Netze
                                                      zum Beispiel reduzierte Hafengebühren oder die
mit elektronischen Sendern sinnvoll sein könnte,
                                                      günstigere Nutzung der Entsorgungseinrichtun-
um verlorene Netze a) orten und b) Verstöße bes-
                                                      gen
ser ahnden zu können. Dies könnte im Verbund
                                                      (http://www.greenaward.org/defaulthome.htm
mit der Implementierung eines verpflichtenden
                                                      „All members of Euroshore, the association of
Meldesystems von verloren gegangenem Fische-
                                                      port reception facilities, provide a 5% discount
reigerät erfolgen.
                                                      in 9 countries“).
2007 publizierte OSPAR Leitlinien für die Imple-
                                                      Positive Beispiele sind die “Baltic Strategy on
mentierung eines „Fishing for Litter“- Projekts in
                                                      Port Reception Facilities for Ship-generated Was-
der OSPAR-Region (2007b). Diese Initiative ist
                                                      tes”, die ein “no-special-fee”-System für die Ost-
sehr erfolgreich - mit ihr ist eine Müllreduktion
                                                      seehäfen eingeführt hat und das Konzept Däne-
durch die Fischindustrie erreichbar. Dabei wird
                                                      marks: Die Entsorgungsgebühren sind hier
der Abfalleintrag in signifikanten Mengen aus
                                                      bereits in den Hafengebühren enthalten
der marinen Umwelt entfernt und es wird
                                                      (http://www.helcom.fi/shipping/waste/en_GB/was
gleichzeitig das Bewusstsein einer der wichtigs-
                                                      te/).
ten in das Problem involvierten Personengruppe
gestärkt - das der Fischer. Die Idee ist so einfach   Solange die Müllannahme in europäischen
wie effektiv: An die partizipierenden Fischerei-      Häfen nicht generell kostenfrei gestellt wird,
fahrzeuge werden robuste große (1m3) Säcke ver-       wird sich die Einstellung der Seeleute nur
teilt, in denen sie Müll, der während des             schwer ändern lassen. So stehen beispielsweise
Fischens in ihren Netzen landet, einsammeln           in Dänemark in den Häfen LKW-große Container
und verstauen können. Die vollen Säcke können         bereit, in denen aller Müll inklusive alten Netz-
kostenfrei im Anlandehafen entsorgt werden.           materials kostenfrei entsorgt werden kann.
Die Hafenaufsicht kategorisiert den Müll.             Zusätzlich kann man Kanister Altöl an die Pier
Momentan partizipieren etwa 100 Schiffe in den        stellen, die ebenfalls kostenlos entsorgt werden.
OSPAR-Regionen III und II (Nordsee). Würden
                                                      Ökonomische Maßnahmen (wie etwa Gebühren,
500 Schiffe teilnehmen, könnten jährlich rund
                                                      Strafen, Fördergelder, handelbare Zertifikate),
2.000 Tonnen Müll als Sammlungsrate erreicht
                                                      die Anreize zur Müllvermeidung / -abgabe in
werden, der durch die Fischerei vom Meeresbo-
                                                      den Häfen erzeugen, sind ebenfalls sinnvoll und
den geborgen würde. Das sind immerhin zehn
                                                      sollten Bestandteile in eines künftigen Maßnah-
Prozent der jährlich in die Nordsee eingebrach-
                                                      menpakets sein.
ten 20.000 Tonnen (Oslo and Paris Conventions
for the Prevention of Marine Pollution 1995).         Strengere Kontrollen der Mülltagebücher durch
                                                      die Hafenstaatkontrollen sowie höhere Strafen
                                                      bei illegaler Entsorgung auf dem Meer sind
6.2   Maßnahmen im Hafen                              zusätzlich notwendig, um den Druck zu erhö-
                                                      hen. Durch die zulässige Verbrennung von
Vielfach werden unzureichende Entsorgungs-
                                                      Abfällen (auf Passagierschiffen) sowie das erlaub-
möglichkeiten in den Häfen als Problem
                                                      te Überbordwerfen - zum Beispiel von Essensres-
genannt. Auch unterschiedliche und/oder hohe
                                                      ten - ist jedoch eine Kontrolle der Abfallmengen
Entsorgungsgebühren, komplizierte Logistik
                                                      äußerst schwierig. Hier sollte sich Deutschland /
(Anmeldung, Zeitaufwand) sind Hemmnisse für
                                                      die EU bei der Überarbeitung des MARPOL
die Nicht-Nutzung der Entsorgungseinrichtun-
                                                      Annex V für eine umweltorientierte Problemlö-
gen.
                                                      sung (etwa Verbot der Verbrennung auf See) ein-
Eine Untersuchung der Hafenauffangeinrichtun-         setzen. Die Praktikabilität dieses Vorschlags soll-
gen für Schiffsmüll in der EU (EMSA 2005)             te jedoch zuvor in einer Studie untersucht wer-
ergab, dass die entsprechende EG-Richtlinie           den.
2000/59/EG in den verschiedenen Ländern
unterschiedlich ausgelegt wird. Dies gilt vor
allem in Bezug auf die Entsorgungsgebühren als
Anreizsystem zur Abgabe des Abfalls in den
Häfen. Eine Umfrage in 50 europäischen Häfen

                                                                                                      11
7. Zusammenfassung                                  Überwachung
                                                     Mit dem vorliegenden Bericht unterbreitet
Der Bericht, enthält eine erste Zusammenstel-
                                                      das UBA erste Vorschläge zur künftigen Über-
lung der verfügbaren Forschungsergebnisse und
                                                      wachung von Meeresmüll im Spülsaum, an
Bewertungsansätze zur Thematik. Kurz gefasst          der Meeresoberfläche, in der Wassersäule
ergibt sich folgender Sachstand:                      und am Meeresgrund; von Mikroplastik in
                                                      Sedimenten und zum ökologischen Effektmo-
                                                      nitoring und stellt diese zur Diskussion.
Situationsbeschreibung
 Die wichtigsten Eintragsquellen des marinen       Maßnahmen
  Mülls sind die Seeschifffahrt und die Fische-
  rei, nachgewiesen für die südliche Nordsee.        Der vorliegende Bericht stellt Vorschläge für
                                                      Maßnahmen zur Reduzierung des Müllein-
 Das Müllaufkommen an der deutschen Nord-
                                                      trags über die Eintragspfade Schifffahrt und
  seeküste ist weitaus besser dokumentiert als
                                                      Fischerei vor.
  an der Ostseeküste. In der Ostsee ist das Müll-
  Problem vermutlich signifikant geringer als
  in der Nordsee. Um dies abschließend beur-        Bisher konnte nicht geprüft werden, ob sich die
  teilen zu können, ist eine Gesamtschau der        dargestellten methodischen Ansätze für das
  Mülleinträge für die Ostsee zu erarbeiten.        Monitoring für eine Routineüberwachung eig-
 Die Belastung mit Müll ist besonders in der       nen. Vor allem der Wirkungsbezug und die
  Nordsee in den vergangenen zehn Jahren            Ursachenzuordnung bleiben ein unzureichend
  unverändert hoch geblieben. Die Regelungen        gelöstes Problem.
  unter MARPOL und der RL 2000/59/EG führ-
  ten nicht zu einer nennenswerten Reduktion        Derzeit ist es uns noch nicht möglich zu ent-
  des an der Küste angeschwemmten Mülls.            scheiden, ob ein Monitoring flächendeckend
 Abfall in den Meeren hat deutliche negative       erforderlich ist, oder ob ein oder zwei Ansätze
  Auswirkung auf marine Organismen, insbe-          als Indikator für die Abschätzung der Belas-
  sondere in Folge der Aufnahme von Partikeln       tungsentwicklung und der Gefährdung der Mee-
  und des Verfangens in Müll- oder Netzteilen.      reslebewesen ausreichen. Insbesondere muss zu
 Besondere Bedeutung kommt Plastikmüll mit         diesem Zeitpunkt offen bleiben, ob eine direkte
  einer sehr langen Abbauzeit zu. Er zersetzt       Überwachung in der AWZ sinnvoll und praktika-
  sich zum Teil in mikroskopisch kleine Teile,      bel ist, oder ob zum Beispiel auf der Basis von
  die zudem chemische Substanzen absorbieren        Spülsaumuntersuchungen Rückschlüsse auf die
  und in das Nahrungsnetz eintragen können.         AWZ möglich sind.
 Die Folgekosten des Müllvorkommens und
                                                    Das UBA wird im Rahmen der übertragenen Auf-
  der Beseitigung sind regional unterschiedlich,
                                                    gaben Methoden der Müllbewertung weiter ent-
  insgesamt aber erheblich.
                                                    wickeln, Daten aufbereiten, Bewertungen erstel-
                                                    len und diese in der Gesamtbewertung des öko-
Bewertungsansätze                                   logischen Zustands der MSRL mit seinen 11
                                                    Deskriptoren angemessen berücksichtigen.
 Bisher gibt es keine Bewertungsansätze zu
  den ökologischen Auswirkungen von Meeres-
  müll die geeignet wären, einen „Guten Mee-
  reszustand“ festzulegen. Das UBA empfiehlt,
  die Erarbeitung von Bewertungsansätzen als
  Arbeitsschwerpunkt in die EU Arbeitsgruppe
  GES einzubringen.
 Die Eignung der bisher vorliegenden Ergeb-
  nisse langjähriger Spülsaum- und Grund-
  schleppnetzuntersuchungen für die deutsche
  Nordseeküste sowie die Untersuchungen zur
  Anzahl von Plastikpartikeln in Seevögelmä-
  gen zur Bewertung der Müllproblematik
  muss geprüft und die Methoden ggf. weiter
  entwickelt werden. Ferner wurde eine Reihe
  neuer vielversprechender Ansätze für Müllun-
  tersuchungen identifiziert und dargestellt.

12
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