AMTLICHES BULLETIN - BULLETIN OFFICIEL - Parlament CH

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AMTLICHES BULLETIN – BULLETIN OFFICIEL
               Nationalrat • Frühjahrssession 2001 • Dreizehnte Sitzung • 23.03.01 • 08h00 • 99.458
            Conseil national • Session de printemps 2001 • Treizième séance • 23.03.01 • 08h00 • 99.458

 99.458

Parlamentarische Initiative
Vollmer Peter.
Reform
der Nationalratswahlkreise

Initiative parlementaire
Vollmer Peter.
Réforme des circonscriptions
électorales du Conseil national
Erste Phase – Première étape

CHRONOLOGIE

NATIONALRAT/CONSEIL NATIONAL 23.03.01 (ERSTE PHASE - PREMIÈRE ÉTAPE)

Präsident (Hess Peter, Präsident): Die Kommission beantragt mit 12 zu 8 Stimmen, der Initiative keine Folge
zu geben.
Eine Kommissionsminderheit (Bühlmann, Aeppli Wartmann, de Dardel, Hubmann, Janiak, Lustenberger, Till-
manns, Vollmer) beantragt, der Initiative Folge zu geben.

Vallender Dorle (R, AR), für die Kommission: Diese Parlamentarische Initiative geht davon aus, dass bei Na-
tionalratswahlen in dem Sinne Verzerrungen auftreten können, als die proportionale Vertretung einer Partei im
Nationalrat nicht ihrem tatsächlichen Wähleranteil entspricht. Zusätzlich zur so genannten Proporzgerechtig-
keit sollten bei nationalen Wahlen alle Wählerinnen und Wähler in der ganzen Schweiz dieselbe Möglichkeit
haben, Kandidaten und Parteien verschiedener Gesinnung auszuwählen. Nach Meinung des Initianten ist dies
heute vor allem in Kantonen in einem Wahlkreis dann nicht möglich, wenn Kandidaten ohne Gegenkandidaten
antreten.
Ihre Kommission hat sich an zwei Sitzungen mit dieser Parlamentarischen Initiative befasst und die vorliegende
wissenschaftliche Studie der Wahlen 1991 diskutiert. Sie hat zudem mit zusätzlichen Gutachten abklären
lassen, wie eine neue Wahlkreiseinteilung die Ergebnisse der Wahlen 1995 und 1999 verändert hätte.
Diese in Auftrag gegebene Modellstudie hat in verschiedenen Modellen neue Wahlkreise gebildet und dann
die Ergebnisse der beiden letzten Nationalratswahlen hochgerechnet. Die wichtigsten Modelle für die neuen
Wahlkreise sehen wie folgt aus:
Beim Modell A würden fünf neue Wahlkreise mit mindestens sechs Sitzen gebildet. Der Wahlkreis Zentrum
würde mit den Kantonen Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden und Zug entstehen. Der Wahlkreis Ost würde
die Kantone Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden und St. Gallen umfassen, der Wahlkreis Nord-
ost Schaffhausen und Thurgau, der Wahlkreis Südost Glarus und Graubünden, und der Wahlkreis Nordwest
Neuenburg und Jura. Alle übrigen Kantone bzw. Wahlkreise würden nicht verändert.
Beim Modell B wären dagegen noch grössere Eingriffe nötig. Die Wahlkreise hätten neu mindestens elf Sitze.
Wir hätten dann neu den Wahlkreis Zentrum mit den Kantonen Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden,
Glarus und Zug, den Wahlkreis Nordwest mit den Kantonen Solothurn, Basel-Stadt und Baselland, den Wahl-
kreis Ost mit den Kantonen Schaffhausen, Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, St. Gallen und
Thurgau. Es gäbe zudem den Wahlkreis Süd mit den Kantonen Graubünden, Tessin und Wallis sowie den
Wahlkreis Romandie mit den Kantonen Freiburg, Neuenburg und Jura. Die Wahlkreise Zürich, Bern, Aargau,
Waadt und Genf würden keine Änderungen erfahren.
Bei den Modellen D und E geht es dann noch zusätzlich um die Verteilung der Restmandate.
Sie werden es ohne visuelle Hilfsmittel sehr schwer finden, diese verschiedenen Modelle auseinander zu hal-
ten. Dies ist denn auch der erste, wenn auch nicht der wichtigste Grund, warum Ihre Kommission mehrheitlich
zur Auffassung gelangte, dass der Parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben ist. Das System ist kom-
pliziert und für die Bürgerinnen und Bürger wenig verständlich. Dazu treten aber noch gewichtigere Gründe

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             Conseil national • Session de printemps 2001 • Treizième séance • 23.03.01 • 08h00 • 99.458

als die der Zahlenakrobatik:
1. Die Kantone stellen gewachsene politische Einheiten in unserem Staat dar. Hier finden verschiedene Wahlen
statt, Regierungsratswahlen, Wahlen in den Kantonsrat und in die Gerichte. Die Wählerinnen und Wähler ken-
nen die Leute in ihrem Kanton, die sich politisch betätigen, und – dies ist fast noch wichtiger – sie identifizieren
sich mit ihrem Kanton.
2. Diese Identifikation mit dem eigenen Wohnsitzkanton könnte dazu führen, dass bei Wahlen die Wahlfreiheit
der Bürgerinnen und Bürger erheblich eingeschränkt würde. Um sicher zu sein, dass ein Kandidat eines klei-
neren Kantons auch tatsächlich gewählt würde, müssten die Stimmbürger und Stimmbürgerinnen ihre Stimme
einer bestimmten Partei abgeben, welcher sie nicht unbedingt nahe stehen – dies damit wenigstens ein Vertre-
ter oder eine Vertreterin aus ihrem Kanton ein Mandat erhielte. So würde die Proporzgerechtigkeit schliesslich
mit der Einschränkung der Wahlfreiheit erkauft.
3. Die Kandidaten der kleineren Kantone, z. B. Appenzell Innerrhoden und Ausserrhoden, müssten zudem mit
denen der grösseren Einheiten wie St. Gallen im Wahlwettbewerb antreten. Dies bedeutet, dass die Vertreter
von Ausserrhoden und Innerrhoden – um bei diesem Beispiel zu bleiben – einen "Wettbewerbsnachteil" hätten,
weil sie in St. Gallen weniger bekannt sind. Um diesen Wettbewerbsnachteil auszugleichen, müssten sie ent-
weder einem finanzstarken Verband verbunden sein oder selber einen aufwendigen Wahlkampf finanzieren.
Damit ist auch gesagt, dass in den kleineren Kantonen die einzelnen Kandidaten bekannt sind. Wahlen sind
hier noch mehr als in grossen Kantonen Persönlichkeitswahlen.
Eine neue Wahlkreiseinteilung nach dem Modell B würde unweigerlich dazu führen, dass die Metropolen bei
Wahlen grosse Vorteile hätten und die Vertreter aus Uri, Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Glarus und Zug ge-
genüber der Metropole Luzern benachteiligt wären. Daher befürchtet Ihre Kommission eine weitere Anonymi-
sierung, eine weitere Entfremdung von Politik und Wählerinnen und Wählern. Mittel- bis langfristig würde die
Bildung von kantonsübergreifenden Wahlkreisen zudem die einzelnen Kantone schwächen und die Bildung
von Grosskantonen begünstigen. Und warum, so stellt sich die Frage, sollen die neuen Wahlkreise Ost oder
Zentrum nur bei Nationalratswahlen gelten?
4. Um die kleinen Kantone in grösseren Wahlkreisen weniger zu diskriminieren, müssten ihnen im Falle der
Neubestimmung von Wahlkreisen Sitzgarantien abgegeben werden. Dies würde aber nur bewirken, dass die
Einer-Wahlkreis-Kantone nach der Reform höchstens gleich dastünden wie vorher. Kleine Kantone mit heute
zwei oder drei Parlamentssitzen würden ihre Sitze mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an Metro-
polen wie St. Gallen und Luzern verlieren. Diese Kantone wären nach der Reform schlechter gestellt.
5. Besondere Probleme stellten sich zudem in mehrsprachigen Kantonen. In einem Wahlkreis Süd mit den
Kantonen Tessin, Wallis und Graubünden müssten neue Wahlungerechtigkeiten mit sprachregionalen Garan-
tien verhindert werden.
                                         AB 2001 N 349 / BO 2001 N 349
Ziel der Initiative ist mehr nationale Proporzgerechtigkeit. Damit kommen wir zurück zur eingangs erwähnten
Studie. Diese ergab, dass bei den Wahlen 1991, 1995 und 1999 im Fall einer Einführung der neuen Wahlkrei-
seinteilung keine signifikanten Änderungen hinsichtlich Parteizugehörigkeit aufgetreten wären. Die grossen
Parteien hätten plus/minus einen Sitz gewonnen oder verloren. Mit Sicherheit verloren aber hätten die kleinen
Parteien. Dies jedoch unter dem Vorbehalt, dass sich die Wählerinnen und Wähler im Fall der Reform bei der
Wahl gleich verhalten hätten.
Aufgrund der schwer wiegenden Vorbehalte und der zu erwartenden geringen Auswirkungen hat sich Ihre
Kommission mit 12 zu 8 Stimmen gegen die Parlamentarische Initiative Vollmer entschieden. Sie beantragt
Ihnen, der Initiative keine Folge zu geben.

Beck Serge (L, VD), pour la commission: L'auteur de l'initiative parlementaire demandant une réforme des
circonscriptions électorales du Conseil national estime que les circonscriptions actuelles qui sont équivalentes
au territoire des cantons portent atteinte, dans les plus petits cantons, au système d'élection selon le mode
proportionnel prévu dans la constitution.
La question de la pertinence de la composition des Chambres fédérales, analysée à l'aune du principe de
l'élection proportionnelle, est un problème qui a été soulevé de manière répétée au cours des dernières dé-
cennies. Il convient en préambule de rappeler que notre pays est une Confédération d'Etats souverains que
sont les cantons, même si les tendances centralisatrices tendent malheureusement à se multiplier. Il convient
de garder à l'esprit que le fédéralisme est un élément déterminant de la cohésion nationale, qui permet d'har-
moniser les intérêts des différentes composantes – culturelle, linguistique et économique – de notre pays.
Le problème soulevé par l'auteur de l'initiative a été examiné dans un rapport d'août 1972 par une commission

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d'étude présidée par M. Walter Buser. Dans un chapitre dudit rapport intitulé "Points de vue généraux pour
l'appréciation de la grandeur des arrondissements électoraux", les auteurs émettaient les considérations sui-
vantes, qui gardent toute leur pertinence au début du XXIe siècle: "Il est hors de doute qu'au-delà d'un certain
nombre de candidats, il devient difficile pour l'électeur de procéder à un choix sérieux entre les candidats.
C'est pourquoi il n'existe presque plus, dans les grands arrondissements, de relation entre électeurs et candi-
dats. L'électeur tâtonne dans l'ombre et éprouve un sentiment d'impuissance dans la méconnaissance totale
où il se trouve de la personne des candidats et de leurs chances de succès." Plus loin: "Plus le nombre des
candidats prenant part à la lutte électorale est élevé, plus faible est la possibilité que l'électeur connaisse
personnellement les candidats. L'intérêt du citoyen faiblit et disparaît pour faire place à un sentiment de rési-
gnation, voire de malaise. Il en résulte que la crédibilité de l'élection est mise en cause." Plus loin encore: "Mais
plus les arrondissements électoraux sont étendus, moins grande est leur homogénéité. Dans les grands arron-
dissements, le danger existe que des minorités linguistiques, confessionnelles ou sociales – ville/campagne –
voient leurs intérêts particuliers négligés parce que les électeurs, pour des raisons inhérentes au système de
la représentation proportionnelle, donnent en premier lieu leur suffrage aux représentants d'un parti et moins
à ceux d'une région, d'une confession ou d'une communauté linguistique déterminée."
La Commission des institutions politiques estime que la pesée d'intérêts entre les inconvénients découlant du
système actuel et ceux qui seraient issus d'une application de l'initiative parlementaire penche nettement en
faveur du statu quo pour les raisons suivantes:
Les circonscriptions cantonales sont les territoires naturels dans lesquels les candidats au Conseil national
font connaître leur engagement politique, et donc, sont identifiés et appréciés par les électeurs au travers des
activités déployées et des responsabilités assumées. Plus les arrondissements électoraux sont étendus, plus
la distance entre les candidats et les électeurs s'accroît, ainsi que l'a pertinemment relevé le rapport Buser.
Ainsi, plus la connaissance des candidats est diffuse, plus la campagne de présentation de ceux-ci devra
être importante et donc coûteuse, et finalement plus l'image publicitaire forgée deviendra prioritaire sur la
perception pragmatique de la personnalité et des actions des candidats. Les comparaisons que nous pouvons
faire entre les candidats des petits cantons et ceux du canton de Zurich, par exemple, au cours des dernières
élections confirment ces faits.
Un autre inconvénient notoire est la perte de cohésion des arrondissements électoraux, qui est proportion-
nelle à la grandeur de ceux-ci, avec son impact dommageable pour la représentation des minorités. Ainsi,
dans l'arrondissement regroupant les six cantons de Suisse centrale, tel que proposé par l'auteur de l'initiative
– Lucerne, Uri, Schwytz, Obwald, Nidwald et Zoug; circonscription qui compterait 19 sièges –, il n'est pas du
tout assuré qu'Obwald soit représenté et la dominance des villes de Lucerne et de Zoug est prévisible, avec la
conséquence d'une marginalisation des régions à moindre densité démographique et à structure économique
rurale. La mise en place de mesures correctives pour éviter ces marginalisations découlant de grands arron-
dissements devrait également tenir compte des minorités linguistiques ou religieuses, et les superpositions
de garanties de sièges créeraient de nouvelles distorsions à la représentation proportionnelle souhaitée et
entraveraient d'autant le choix des électeurs.
L'étude réalisée en 1994 par l'Université de Berne dans le cadre des travaux de la sous-commission "Réforme
du Parlement", et complétée à la demande de la commission, démontre que les effets sur la représentation
des partis au Conseil national sont minimes, variant sur les trois derniers scrutins fédéraux de 1991, 1995 et
1999 dans une fourchette maximum de plus ou moins deux sièges pour chaque parti.
L'agrandissement des circonscriptions électorales accroît l'importance des partis par rapport à celle des per-
sonnalités. Pourtant, les partis ne sont pas plus importants dans l'esprit des citoyens que les cantons, les
régions linguistiques ou les religions. Si l'on demandait à un échantillon de citoyens de se définir en quelques
mots, le parti apparaîtrait sans doute en dernière position, pour autant qu'il apparaisse! Les partis ne sont
finalement qu'un instrument d'identification d'un courant d'idées. Et encore! Puisque notre système politique
ne connaît pas d'appellation d'origine contrôlée, reconnaissons qu'il y a parfois de l'escroquerie à l'étiquette.
Augmenter l'importance des partis en agrandissant les circonscriptions électorales, c'est aller à l'encontre des
souhaits des citoyens et des tendances qu'ils ont manifestées ces dernières années. La commission Buser ne
s'y était d'ailleurs pas trompée, puisqu'elle avait davantage examiné le partage des grandes circonscriptions
plutôt que le regroupement des petites.
La commission a également examiné l'opportunité des regroupements de circonscriptions pour la répartition
des restes, système qui crée également des distorsions puisque, par exemple, les suffrages de certains ci-
toyens seraient comptabilisés pour élire des candidats qui n'étaient pas proposés à leur choix.
On pourrait encore citer, comme exemple de bon fonctionnement de petites circonscriptions, l'exemple valaisan
qui comporte une circonscription électorale avec seulement sept sièges; ces sept sièges sont repartagés par

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les partis, dans un souci de représentation des différentes minorités.
Finalement, la Commission des institutions politiques a constaté que les inconvénients d'un regroupement des
circonscriptions électorales pour les élections au Conseil national l'emportent largement sur les avantages.
Elle vous invite, par 12 voix contre 8, à rejeter l'initiative parlementaire Vollmer pour ne pas introduire des
discriminations géographiques, linguistiques ou socioéconomiques au profit des seules minorités politiques.

                                        AB 2001 N 350 / BO 2001 N 350

Vollmer Peter (S, BE): Dieses Anliegen, mit dem wir uns heute hier beschäftigen, ist nicht neu. Bereits 1972
hat der Bundesrat von einem Bericht einer Expertenkommission unter der Leitung des späteren Bundeskanz-
lers Walter Buser Kenntnis genommen, der sich mit dieser Problematik auseinander setzte. Bereits 1972 hat
diese Expertenkommission konkrete Vorschläge gemacht, wie das heutige, teilweise eben unfaire Wahlverfah-
ren korrigiert werden könnte. Was ist mit diesem Bericht und mit diesen Vorschlägen passiert? Es ist genau
das passiert, was mit vielen Reformvorschlägen in diesem Lande geschieht: Sie sind schlicht und einfach in
den Mühlen des Bundesrates und der Verwaltung versickert. Der Bundesrat selber hat nach einem Vernehm-
lassungsverfahren mit den Kantonen kalte Füsse bekommen, die Sache einfach schubladisiert und gedacht,
man lasse Gras darüber wachsen, vielleicht werde das später wieder aufgenommen. Ein typischer Weg, den
Reformen in unserem politischen System nehmen.
Worum geht es im Kern bei dieser Parlamentarischen Initiative? Es geht darum, dass wir unser Nationalrats-
wahlsystem möglichst fair ausgestalten. Ein faires Wahlrecht ist meines Erachtens ein Kern- bzw. ein Herzstück
jedes demokratischen politischen Systems.
Das heutige Wahlrecht, wie wir es auf der Nationalratsebene kennen, das eigentlich eine proportionale Ver-
tretung der Bevölkerung gewährleisten müsste, ist sehr, sehr verzerrt. Das zeigen auch diese schon alten
Expertenberichte. Diese Verzerrung kommt daher, dass wir Wahlkreise von 1 bis 34 Sitzen haben, dass wir in
bestimmten Kantonen überhaupt keine proportionale Vertretung haben, sondern dass dort – man könnte sa-
gen – eine Hürde von 50 Prozent besteht. Mit anderen Worten: Politische Minderheiten haben überhaupt keine
Chance, diesen Sitz zu erringen. Es macht für sie nicht einmal Sinn, an der politischen Auseinandersetzung
teilzunehmen und zu kandidieren, weil eine Kandidatur völlig chancenlos ist.
Das ist die Situation, wie wir sie heute in einem Land kennen, in dem wir alle, aus allen Parteien – bis auf die
Vertreter weniger Kantone –, Minderheiten darstellen. Es ist auch eine Qualität unserer politischen Kultur und
Tradition, dass wir für Minderheiten sensibilisiert sind, genauso wie wir heute in Lugano tagen, weil wir damit
auch der italienischsprachigen Minderheit unsere Reverenz erweisen. Wir zeigen damit, dass sie gleichberech-
tigter Teil dieses Bundesstaates ist. Hier haben wir eine hohe Sensibilität entwickelt, was eine Voraussetzung
für den Zusammenhalt unseres Landes darstellt.
Ausgerechnet beim Kernstück unseres Wahlsystems, bei den Nationalratswahlen, haben wir eine verzerrte
Situation. Was heisst das in praktischer Hinsicht? Ich habe in der Begründung meiner Parlamentarischen
Initiative Beispiele angeführt. Man muss diese Beispiele nicht parteipolitisch werten. Ich kann Ihnen viele
Gegenbeispiele aufzeigen, beispielsweise in der Innerschweiz. Wenn man die Innerschweizer Kantone zu-
sammenzählt, sind 19 Nationalratssitze zu vergeben. Wenn Sie den Ständerat dazurechnen, kommen Sie
auf 29 Vertreter der Innerschweizer Kantone in der Bundesversammlung; darunter befinden sich gerade mal
ein einziger Sozialdemokrat und eine einzige Grüne. Sie werden jetzt sagen, diese Parteien seien halt nicht
stark genug. Das stimmt in keiner Weise. Das ist ein Ergebnis dieser Verzerrung, ausgelöst durch diese vielen
zerstückelten Wahlkreise mit einer Hürde von mindestens 50 Prozent.
Das ist im Grunde genommen eine Missachtung des Grundgedankens der Repräsentation der Minderheiten.
Dass das kein parteipolitisches Anliegen ist, kann ich Ihnen auch damit zeigen, dass beispielsweise die Sozial-
demokraten während Jahren in der Region Nordwestschweiz stark überrepräsentiert waren, weil sie aufgrund
bestimmter personeller Umstände beide Ständeräte in den Halbkantonen stellen und dank Listenverbindungen
im Vergleich mit dem Wähleranteil eine bessere Repräsentation erreichen konnten.
Die von der Universität Bern gemachten Untersuchungen über die letzten zwei Wahlen haben gezeigt, dass es
in Bezug auf die Minderheiten und die Mehrheiten durchaus immer wieder zu einem Ausgleich kommt, wenn
man das in einer gesamtschweizerischen Betrachtung analysiert.
Aber – und das scheint mir eben wichtig zu sein, und das wurde ja gerade von den Kommissionssprechern so
beschworen – in unserem Land wurzeln die politische Heimat, die Verankerung und der Kern der Beteiligung
am demokratischen Prozess in den Kantonen. Deshalb ist es stossend, wenn ausgerechnet dort, wo diese
politische Verankerung wurzelt, diese grossen Verzerrungen stattfinden. Den Bürgern in einem Kanton nützt

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es nichts, wenn man ihnen sagt, dass ihre entsprechende Partei in einem ganz anderen Landesteil vielleicht
übervertreten ist. Gerade die Argumentation der Kommissionsmehrheit also zeigt, dass diese gesamtschwei-
zerische Kompensation in der Betrachtungsweise fragwürdig ist.
Sie haben von den Kommissionssprechern jetzt die Argumente gegen diese Initiative gehört. Ich würde einmal
sagen, es war schon beinahe erfrischend einseitig, was hier aufgetischt wurde. Erfrischend einseitig ist es
deshalb, weil die Kommissionssprecher die Umsetzung meines Anliegens in ihrer Argumentation hier in be-
stimmten Modellen vorgetragen haben, wobei sie sozusagen ein Horrormodell ausgewählt haben, um dann an
diesem Modell zu zeigen, dass der Wählerwille dadurch eben nur verfälscht werden könnte. Die Kommissions-
mehrheit, das lesen Sie auch im Bericht, argumentiert damit, dass als zwingende Folge dieser Initiative grosse,
überkantonale Wahlkreise gebildet würden, in denen man dann wählen müsste. Lesen Sie bitte den Text der
Parlamentarischen Initiative; diese verlangt das keineswegs! Die Parlamentarische Initiative schlägt vor, dass
man diese Korrektur, die Schaffung eines fairen Wahlrechtes, beispielsweise auch durch die Schaffung von
Wahlkreisverbänden vornehmen könnte.
Mit anderen Worten: Der einzelne Wähler wählt weiterhin in seinem Kanton seine kantonalen Vertreter. Dort
treten die Kandidaten an, dort stellen sie sich dem Wähler, dort finden der politische Prozess und die Aus-
einandersetzung statt. Die Korrektur betreffend die Minderheiten, die durch diese hohe Hürde in den kleinen
Kantonen nicht erfolgen kann, erfolgt dann im Wahlkreisverband, weil dort ein Stimmenaustausch stattfinden
kann. Das ist übrigens ein Modell, das im Kanton Bern seit einigen Jahren mehr oder weniger erfolgreich zur
Anwendung kommt. Es ist also keineswegs so, dass der Wählerwille durch die Möglichkeit einer Wahlkreisver-
bindung verfälscht würde oder, noch viel besser gesagt, dass damit eine Entfremdung zwischen den Wählern
und den politischen Kandidaten stattfinden würde. Ich glaube, wir müssen uns gegenüber solchen Vorschlägen
fair verhalten, weil gerade auch dieser Vorschlag ein faires Wahlrecht fordert.
Die Parlamentarische Initiative schlägt ausdrücklich vor – sie bevorzugt kein bestimmtes Modell –, dass man
beispielsweise ein Wahlkreismodell wählt, mit welchem eine bessere proportionale Vertretung möglich ist. Das
ist die Voraussetzung dafür, dass auch die Bürger, die einer politischen Minderheit angehören, die Chance
haben, sich in ihrem Kanton bei den Nationalratswahlen zur Wahl zu stellen, sich auch mehreren Parteien ge-
genüber konfrontiert zu sehen, damit überhaupt ein politischer Wettbewerb überall in diesem Lande stattfinden
kann und dieser nicht nur in den grossen Kantonen stattfindet.
Ich bitte Sie deshalb, dieser Initiative Folge zu geben. Wenn Sie der Initiative Folge geben, stimmen Sie nicht
einem der Horrormodelle zu, die vorhin geschildert wurden, sondern Sie bestätigen damit lediglich den Re-
formbedarf. Sie bestätigen damit, dass wir hier eine gewisse Korrektur anbringen müssen. Es ist dann Aufgabe
der Kommission, entsprechende Modelle auszuarbeiten und sie Ihnen wieder zu unterbreiten. Sie kaufen al-
so keine Katze im Sack, sondern Sie haben die Möglichkeit, jetzt zu sagen, dass wir hier einen Reformweg
beschreiten wollen.
In diesem Sinne bitte ich Sie, dieser Initiative im Interesse einer Korrektur zugunsten eines fairen Wahlrechtes
Folge zu geben.

                                         AB 2001 N 351 / BO 2001 N 351

Vallender Dorle (R, AR), für die Kommission: Nachdem Herr Vollmer versucht, mit dem Ausdruck "Horrormo-
dell" die Kommissionsmehrheit zu desavouieren, muss dem widersprochen werden. Herr Vollmer beantragt
eine Reform der Wahlkreise. Diese Reform der Wahlkreise ist mit zwei Modellen (A und B) umgesetzt worden,
um die Folgen einer Reform der Wahlkreise abschätzen zu können. Eine Modellannahme ist u. a. die Schaf-
fung von natürlichen geographischen Einheiten, wie z. B. Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden und
St. Gallen als ein Wahlkreis Ost. Es macht wohl kaum Sinn, Appenzell Innerrhoden mit dem Wallis in einem
Wahlkreis zu vereinen. Die so erläuterten Modelle A und B sind natürliche, logische Konsequenzen der Reform
der Wahlkreise, wie sie Herr Vollmer verlangt.

Beck Serge (L, VD), pour la commission: L'essentiel des arguments vous ont été donnés dans les interventions
des rapporteurs de la commission tout à l'heure. Pour revenir sur les propos de M. Vollmer, l'auteur de l'initiative
se soucie de la représentation des minorités. C'est justement la raison de notre système fédéraliste et de
l'existence de nombreuses circonscriptions électorales. Si l'on poussait la volonté de M. Vollmer au bout – il
le sait très bien –, ce serait la constitution d'un seul arrondissement électoral qui prendrait toute la Suisse,
et l'on sait très bien ce qu'il adviendrait de la représentation des minorités qui est la garantie de cohésion
pour notre pays. Ne jouons pas, comme certain pays voisin, avec la taille des circonscriptions électorales
pour favoriser, à tel ou tel moment, tel ou tel parti. Finalement, vous pouvez constater qu'une fois de plus, ce

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sont les représentants des grands cantons qui viennent nous expliquer comment cela ne marche pas dans
les petits cantons, alors que l'exemple valaisan que je vous ai signalé tout à l'heure démontre très bien un
fonctionnement d'une petite circonscription électorale avec le souci de la représentation des minorités.
La majorité de la commission vous invite donc à ne pas donner suite à l'initiative parlementaire Vollmer.

Abstimmung – Vote
Für Folgegeben .... Minderheit
Dagegen .... offensichtliche Mehrheit

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