Anhänge Das Lehrkonzept"Wirtschaftswissenschaften als Gegenstand Ökonomischer Bildung"
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Anhänge Das Lehrkonzept„Wirtschaftswissenschaften als Gegenstand Ökonomischer Bildung“ Hier in der Kernversion des Jahrgangs 2018, erstmals veröffentlicht in Cas- per, Marc; Tramm, Tade; Thole, Christiane (2020): Universitäre Lehrerbil- dung: Kritisch-reflexiv, multiperspektivisch, gestaltungsorientiert. Konzept und Erfahrungen aus der Veranstaltung „Wirtschaftswissenschaften als Gegenstand Ökonomischer Bildung“ an der Universität Hamburg. In: Christian Fridrich, Rein- hold Hedtke und Walter-Otto Ötsch (Hg.): Grenzen überschreiten, Pluralismus wagen. Perspektiven sozioökonomischer Hochschullehre. Wiesbaden: Springer VS, S. 265–290. Die Lernimpulse sind in den nachfolgenden Jahrgängen gering- fügig angepasst worden, im Jahr 2020 wurde erstmals eine rein virtuelle Version des Seminars erprobt, siehe dazu den letzten Abschnitt dieses Anhangs. Es emp- fiehlt sich, die grafische Übersicht, den tabellarischen Ablauf und die einzelnen Lernimpulse verzahnt zu lesen, um die einzelnen Impulse immer wieder an ihren übergeordneten Kontext zurückzubinden. Sollten Sie Interesse an der aktuellen Version der Lernmaterialien oder an Kooperationen in der Lehre haben, nehmen Sie gern Kontakt auf, z. B. per E-Mail an post@marccasper.de. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch 93 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 M. Casper, Lebendige Wirtschaftsdidaktik, Sozioökonomische Bildung und Wissenschaft, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32751-4
94 Anhänge Auszug aus der Modulbeschreibung aus dem Veranstaltungsverzeichnis der Universität Hamburg Qualifikationsziele: Die Studierenden sind in der Lage, das Erkenntnisinteresse und das Erkenntnis- und Gestaltungspotenzial der Wirtschaftswissenschaften kritisch zu reflektieren und paradigmatisch einzuordnen. Auf dieser Grundlage können sie deren Rele- vanz für Ökonomische Bildungsprozesse im Kontext beruflicher und allgemeiner Bildung einschätzen. Sie verstehen die Problematik der didaktischen Reduktion und Transformation ökonomischer Bildungsgegenstände. Sie sind in der Lage, exemplarische Inhalte der Wirtschaftswissenschaften didaktisch zu modellieren und dies in Bezug auf ihr persönliches Bildungsverständnis zu begründen. Inhalte: • Wissenschaftstheoretische und methodologische Orientierungen in den Wirt- schaftswissenschaften • Verhältnis Fachwissenschaft und Fachdidaktik • curriculare Relevanzkriterien, Sequenzierungsprinzipien • Kompetenzorientierung und Lernzielformulierung • Reflexion des Hochschulcurriculums aus curriculumtheoretischer Perspektive • didaktische Reduktion • Didaktische Transformation und Modellierung • Didaktische Analyse: Kategoriale Bildung, kategoriale Probleme und die Struktur der Disziplin • Didaktische Transformation an einem exemplarischen wirtschaftswissenschaft- lichen Gegenstand Lehrformen: • Seminar (2 SWS): Zwei Blockseminare und vier Vorlesungen • Unterrichtssprache: Deutsch • Voraussetzungen für die Teilnahme: Keine • Verwendbarkeit des Moduls: Das Modul ist Pflichtmodul für das Fach Wirt- schaftswissenschaften im Studiengang BSc Lehramt an Beruflichen Schulen – Berufliche Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften der Studienrichtung II • Art, Voraussetzungen und Sprache der (Teil)- Prüfung: Das Modul wird mit einer schriftlichen Prüfung in Form einer 90-min. Klausur abgeschlossen. • Credits: 3,0
Grafische Veranstaltungsübersicht Anhänge Block 1 Block 2 Mi., 11.04.2018 Fr., 20.04.2018 Fr., 22.06.2018 Mi., 11.07.2018 12:00 – 14:00 09:00 – 18:00 Vorlesungen 09:00 – 18:00 12:00 – 14:00 Hörsaal ESA K Sed. 19, R. 160 jeweils Mi., 12:00 – 14:00 in Hörsaal ESA K Sed. 19, R. 160 Hörsaal ESA K 25.04.2018 02.05.2018 09.05.2018 30.05.2018 Klausur Vorstellung des Mein Verständnis Leitbilder und mit Bezug auf Veranstaltungs- von Wirtscha Konzepte Versteckte und persönliches konzepts und Ökonomischer verantwortungs- Porolio ökonomischem Welten des Ökonomisierung Bildung Handeln Ökonomik und volle Ökonomischen und Wirtschas- Gender Ökonomische Zweiter Versuch: Denkens ethik Bildung Mi., 26.09.2018 Prof. Dr. Ulrike 12:00 – 14:00 Prof. Dr. Andreas Dr. Maximilian Meine Postulate Knobloch Marc Casper, ESA K Fischer Schormair Ökonomischer Ökonomische Prof. Dr. Tade Bildung Denksle und Tramm Orienerungen Desiderate und Entwicklungsziele Krische Rekonstrukon der eigenen Ökonomischen Bildung Perspekvische Konstrukon der künigen Lehrertägkeit Ablauf der Lehrveranstaltung 2018, © Marc Casper, Tade Tramm und Christiane Thole 95
96 Anhänge Tabellarischer Ablaufplan der Blockseminare Block 1 – Freitag, 20.04.2018, 09:00 – 17:00 Uhr 08:00 – 09:00: Vorbereitung Buffet und Bibliothek im Plenumsraum aufbauen, Beamer/ppt vorbereiten; in Räumen für „Runde Tische“ Sitzkreise und 4 Gruppentische, Pinnwände und Material 09:00 – 09:15: Auftakt im Plenum, Begrüßung, Warmwerden, Gruppeneinteilung Ziel: Die Studierenden wissen, wer sich mit ihnen im Seminar befindet und haben den Tagesablauf vor Augen. Lehrimpulse/Material: ppt mit Ablauf und Gruppeneinteilung; Aktivierungsübung „Lehrer(arche)typen“ 09:15 – 09:30: Wechsel in „Runde Tische“, Anwesenheit prüfen, Vorstellungsrunde 09:30 – 11:00: Gesprächskreis: unser Verständnis von Wirtschaft und ökonomischem Handeln Ziele: Studierende haben ein Bewusstsein Ihres Verständnisses von Wirtschaft und ökonomischem Handeln ausgebildet. Sie sind sich der diversen Quellen, Verwertungsinteressen und Widerspruchspotenziale/Rollenkonflikte dieses Verständnisses bewusst. Lehrimpulse/Material: Partnerarbeit – LI 02, Metaplankarten, ggf. Folie „Gegenstände ökonomischer Bildung“; Anschließend Diskussion mit Impulsen (Beispiele): Wie lassen sich die Beiträge ordnen/clustern? Welches Gesamtbild entsteht für diesen „Runden Tisch“? Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sind auffällig? Aus welchen Quellen stammen die unterschiedlichen Verständnisse? Welche (Verwertungs-)Interessen stecken dahinter? Aus welchen Rollen/Perspektiven heraus wird hier Ökonomie betrachtet (als Konsument, Familienmensch, Berufsmensch, Pädagoge…)? Gibt es Unterschiede? Welche Erfahrungen mit Rollenkonflikten haben Sie gemacht (Identifikation mit wirtschaftlichen Rollen)? Wie gehen Sie damit um? 11:00 – 11:15: Kaffeepause 11:15 – 13:00: Gesprächskreis: Ökonomische Haltungen und Denkstile (Archetypen) Ziele: Studierende können sich zu Archetypen unterschiedlicher ökonomischer Perspektiven positionieren und haben verstanden, dass sinnvolles ökonomisches Handeln verschiedenen Denkstilen/Paradigmen, gesellschaftlichen Normen und subjektiver Interpretation unterliegt. Lehrimpulse/Material: Lernimpuls 03 – Think, Pair, Square, Share, Druckvorlage mit Archetypen an vier Tischen oder an den Wänden; Diskussion mit Impulsen (Beispiele): Welche eigenen Prinzipien haben Sie in der Auseinandersetzung entdeckt, die Ihnen zuvor nicht bewusst waren? Was schätzen Sie: Zu welchem Anteil sind Ihre ökonomischen Überzeugungen unbewusst? Welche Widersprüche zeigen sich und wie lässt sich damit umgehen? Wie entstehen diese unterschiedlichen Denkstile/Überzeugungen, denen wir hier begegnen? Welchen Einfluss hat ökonomische Bildung, in welchen Institutionen oder informellen Rahmen? Welche (unbewussten) Überzeugungen werden z. B. in Schule und Universität sozialisiert (ggf. unterschwellig)? 13:00 – 14:00: Mittagspause
Anhänge 97 14:00 – 15:00: Gesprächskreis: Prinzipien und Orientierungen für wirtschaftliches Handeln in schwierigen Situationen (Dilemmata) Ziele: Studierende haben erkannt, dass es für wirtschaftliches Handeln selten eine eindeutig optimale Lösung gibt. Sie können Entscheidungsprobleme und Gestaltungsprobleme unterscheiden. Sie können diese Erkenntnis kritisch auf das Erkenntnispotenzial der Wirtschaftswissenschaften beziehen; haben erkannt, dass ökonomisches Handeln nicht allein mit Rationalmodellen zu erklären ist und dass rein am Eigennutz orientiertes ökonomisches Handeln zur Unvereinbarkeit privater und beruflicher Rollen führen kann. Lehrimpulse/Material: Vorab Klärung: Was genau ist ein Dilemma? Lernimpuls 04 (30 Min.) – drei Dilemmata zur Bearbeitung in Gruppen, danach Vorstellung und vertiefende Diskussion im Plenum (30 Min.); Diskussion mit Impulsen (Beispiele): Welche Rolle spielen Ihre Erkenntnisse aus der Wirtschaftswissenschaft/Berufsschule/Universität bei Ihren Entscheidungen? Wie beziehen Sie Ihre Entscheidungen auf die bisherigen Impulse und Diskussionen des heutigen Tages? Handelt es sich hier um ‚reine‘ Entscheidungsprobleme? Wenn alle Alternativen unbefriedigend sind, kann/muss man nicht befriedigendere Lösungen schaffen? Wie? Wie geht die Wirtschaftswissenschaft mit solchen Gestaltungsfragen um? 15:00 – 15:15: Kaffeepause 15:15 – 16:45: Den Sinn des Wirtschaftens konstruieren Ziel: Studierende haben ein persönliches Fazit aus den vorangegangenen Überlegungen gezogen, dieses visualisiert und diskursiv reflektiert. Lehrimpulse/Material: Lernimpuls 05, Collagen-Elemente; 15 Min. Auswertung im Plenum; Abschluss an den jeweiligen Runden Tischen. Wichtig: Lese-Auftrag geben (LI 06)! Block 2 – Freitag, 22.06.2018, 09:00 – 17:00 Uhr 08:00 – 09:00: Vorbereitung wie beim ersten Block 09:00 – 09:30: Begrüßung, Warmwerden, Gruppeneinteilung Ziel: Die Studierenden wissen, wer sich mit ihnen im Seminar befindet und haben den Tagesablauf vor Augen. Lehrimpulse/Material: ppt mit Ablauf, Klausurinfos und Gruppeneinteilung; Aktivierungsübung; danach Wechsel in „Runde Tische“ 09:30 – 11:00: Gesprächskreis: Gemeinsames Bildungsverständnis Ziele: Studierende können ihr subjektives Bildungsverständnis formulieren, mit dem anderer abgleichen und in Bezug zu normierten Bildungsaufträgen setzen. Lehrimpulse/Material: (Anwesenheit prüfen, bisherige Eindrücke rekapitulieren); LI 09, Ausdrucke HambSchG und KMK; Flipchartblätter und Stifte; Gruppenarbeit (60 Min.) und Vorstellung im Plenum (30 Min.) 11:00 – 11:15: Kaffeepause
98 Anhänge 11:15 – 13:30: Gesprächskreis: Leitbilder und Orientierungen ökonomischer Bildung Ziele: Phase 1 (ca. 30 Min.): Studierende kennen die curricularen Relevanzkriterien „Wissenschaftsorientierung, Situationsorientierung und Subjektorientierung“ und können ihr persönliches Bildungsverständnis zu diesen Kriterien in Bezug setzen. Phase 2: Studierende haben einen Eindruck über unterschiedliche Leitbilder ökonomischer Bildung gewonnen und können ihr Bildungsverständnis vor diesem Hintergrund ausdifferenzieren Lehrimpulse/Material: Ausdruck „Curriculare Relevanzkriterien“ (mit Rückseite „Lernhandlungsmodell“ für später); Diskussion im Plenum: Welche Rolle spielten diese Kriterien bislang (unbewusst) in der Diskussion der Studierenden? Wie können Sie die Elemente Ihres Bildungsverständnisses zuordnen/neu ordnen? LI 10, Ausdrucke Leitbildtexte; 45 Min.: Bearbeitung der einzelnen Texte in Expertengruppen; 60 Min.: Diskussion aller Texte in Stammgruppen 13:30 – 14:30: Mittagspause 14:30 – 16:00: Gesprächskreis: Vom Bildungsverständnis zu Unterrichtszielen Ziele: Studierende können unter Bezug auf ihr Bildungsverständnis Ziele für ein konkretes Unterrichtsthema formulieren und diese differenziert über ihr Bildungsverständnis, die curricularen Relevanzkriterien und das Hamburger Lernhandlungsmodell begründen. Lehrimpulse/Material: LI 11, Rückgriff auf LHM; 60 Min. Arbeit in Kleingruppen – ggf. nach der Hälfte neue Impulse/weiteres Material geben (Ziele WuS, Schulbuchauszüge, auf Lernhandlungsmodell hinweisen); 30 Min. Präsentation & Diskussion als Galeriegang 16:00 – 16:15: Kaffeepause 16:15 – 16:45: Zusammenfassung, Auswertung, Feedback Ziele: Studierende haben die Veranstaltung individuell reflektiert und können eine zentrale Erkenntnis für sich formulieren. (Sie haben an der Evaluation teilgenommen). Lehrimpulse/Material: LI 12, Zugang zur Online-Evaluation klären; Ggf. Blitzlicht zum Abschluss; Abschluss an den jeweiligen Runden Tischen. Wichtig: An Evaluation erinnern, falls nicht im Seminar erfolgt. Lernimpulse WiGÖB beginnt mit einer kurzen Einführungsveranstaltung zum Problemzusam- menhang und zur Organisation. Hierbei werden auch die Zugangsdaten zum digitalen Lernraum vergeben, über die wir mit den Studierenden kommunizie- ren und Materialien austauschen (an der Universität Hamburg wurde dafür die Plattform „EduCommSy“ genutzt). Zeitplan und Konzept werden vorgestellt und der erste Lernimpuls wird gegeben:
Anhänge 99 Lernimpuls 1: Mein Verständnis von Wirtschaft und ökonomischem Handeln Zeit: zwischen der Einführungsveranstaltung und dem ersten Block (ca. 1 – 2 Wochen) Ihre Vorstellung von ökonomischem Denken und Handeln hat sich in vielen Zusammenhängen entwickelt: In Ihrem Studium, Ihrer beruflichen Tätigkeit, Ihrem Privatleben als Wirtschaftsteilnehmer*in... Resümieren Sie: • Was haben Sie in Ihrem Leben über „Wirtschaft“ und „ökonomisches Handeln“ gelernt? • Wie bedeutsam sind diese Erfahrungen/dieses Wissen/Können für Sie? • Was möchten Sie mehr/anderes über „Wirtschaft“ lernen? Verschriftlichen Sie Ihre Überlegungen in einem Fließtext (ca. eine DIN A4-Seite). Stellen Sie diesen am Tag vor Ihrem ersten Blockseminar in EduCommSy ein. Bringen Sie den Text in Ihr erstes Blockseminar mit. Diese Texte dienen als Vorbereitung für den ersten Gesprächskreis am ersten Blockseminartag. Dort teilen sich die Studierenden nach einer kurzen Begrüßung und einer Aktivität zum Kennenlernen in Kleingruppen von 12–16 Personen auf. In den Kleingruppen wird dann in mehreren Gesprächskreisen eine gemeinsame kritische Rekonstruktion der eigenen ökonomischen Bildung angestrebt. Lernimpuls 2: Unser Verständnis von Wirtschaft und ökonomischem Han- deln Zeit: 30 Min. 1. Diskutieren Sie in Zweiergruppen Ihrer Wahl. Stellen Sie sich gegen- seitig Ihre Überlegungen aus Lernimpuls 01 vor. Machen Sie sich gegenseitig deutlich, auf welche Erfahrungen und Beispiele Sie sich stützen. Klären Sie Gemeinsamkeiten und Widersprüche. 2. Halten Sie gemeinsame, vor allem aber strittige Sichtweisen auf Wirt- schaft und ökonomisches Handeln auf Moderationskarten fest. 3. Bereiten Sie sich auf eine Vorstellung und Diskussion im Plenum vor. Ziel dieser Phase ist, dass sich die Studierenden der diversen Quellen, Ver- wertungsinteressen und Widerspruchspotenziale unterschiedlicher Verständnisse von Wirtschaft bewusstwerden. Eine Lösung der Widersprüche ist an dieser
100 Anhänge Stelle noch nicht beabsichtigt, stattdessen soll ein Resonanzraum für kognitive Konflikte entstehen. Im folgenden Gesprächskreis werden die subjektiven Über- zeugungen dann typischen Denkstilen gegenübergestellt, in Form von Archetypen ökonomischer Haltungen. Lernimpuls 3: Archetypen ökonomischer Haltungen Zeit: 90 Min. 1. Zweiergruppen (ca. 10 Minuten) Lesen Sie die Aussagen und Zitate zu den verschiedenen Archetypen. Machen Sie sich Notizen: a) Welchen Aussagen würden Sie zustimmen, welchen widersprechen? Welche Aussagen regen Sie zum Denken an oder erzeugen Emotionen? b) Haben Sie Erfahrungen mit Personen gemacht, die diese oder ähnliche Aussagen verwenden? Wie haben Sie sich zu jenen Personen verhalten? c) Können Sie sich zu einem Archetyp oder einer Mischung aus mehreren zuordnen? d) Fallen Ihnen weitere Archetypen bestimmter ökonomischer Haltun- gen und typische Aussagen ein (historische oder fiktionale Figuren, Wissenschaftler, Politiker, ‚Typen‘, die jeder kennt)? Diskutieren Sie Ihre Überlegungen mit einem Partner. 2. Vierergruppen (ca. 20 Minuten) Arbeiten Sie heraus, welche Kernideen hinter den unterschiedlichen Arche- typen stehen und wie sich diese zueinander verhalten. Visualisieren Sie dies auf einem Flipchart. 3. Plenum (ca. 60 Minuten) Stellen Sie Ihr Flipchart im Plenum vor und beantworten Sie Rückfragen der anderen Teilnehmenden. Die vorgestellten ‚Archetypen‘ sind als idealtypische Vertreter*innen zu verste- hen, als merkmaltragende Figuren, die tradierte bzw. typische Denkstile reprä- sentieren (oder direkt kritisieren). Auf je einem DINA4-Blatt sind Name, Portrait und Zitate der ‚Archetypen‘ ausgehängt. Im Folgenden sind [in Klammern] die jeweiligen Denkstile ergänzt, die sich an diesen Beispielen thematisieren lassen: • Milton Friedman [Neoliberalismus] • Gordon Gecko (aus dem Film Wallstreet) [Materialismus/Egoismus]
Anhänge 101 • Johann Buddenbrook (aus Thomas Manns Roman) [klassische (hanseatische) Kameralisten/ehrbare Kaufleute] • Götz Werner [humanistische/progressive Unternehmer] • Familie Müller-Malewski (fiktionale moderne Familie aus sozialökologi- schem Milieu mit einer Collage aus Popkultur-Zitaten) [Postmodernis- mus/Bricolage/Eklektizismus] • Oscar Wilde [Hedonismus] • Arno Dübel (Trash-TV-Hartz-IV-Promi aus Hamburg) [Opportunismus, Tritt- brettfahrertum] • Dagi Bee (Youtube-Star) [Individualismus, klassischer American Dream] • Ariadne von Schirach (mit Zitaten aus ihrem Buch „Du sollst nicht funktio- nieren“) [(Anti-)Konformismus] • Karl Marx [(Anti-)Kapitalismus] Diese Liste ist bewusst offen, um die Studierenden zur Ergänzung zu provozie- ren. Sie wird jährlich leicht verändert. Im Gespräch über die Archetypen soll klar werden, dass es Begriffe und Traditionen für bestimmte Denkstile gibt, und dass sich diese Stile oft konkurrierend gegenüberstehen. Dies leitet über in die Auseinandersetzung mit Dilemmata. Lernimpuls 4: Dilemmata Zeit: 30 Min. Dilemma: „Die Wahl zwischen zwei Verhaltensalternativen, wenn beide eigenen moralischen Prinzipien widersprechen und es keine dritte Alter- native gibt.“ (Lind, 2009, S. 79). Bilden Sie Vierergruppen. Lesen Sie die drei Dilemmata auf der Rückseite und entscheiden Sie sich für eines, dass Sie gemeinsam besprechen wollen. Diskutieren Sie unter den Leitfragen: a) Worin genau besteht das Dilemma bzw. der unauflösliche Widerspruch? b) Welche Handlungsoptionen bestehen? Welche Vor- und Nachteile sind damit verbunden? c) Wie würden Sie sich verhalten und warum? Entspricht dieses Verhal- ten den Kriterien und Maximen, welche Sie in Studium und Beruf kennengelernt haben?
102 Anhänge Halten Sie Stichworte fest, um den anderen Gruppen später einen zusam- menfassenden Einblick in Ihre Diskussion geben zu können. […] An dieser Stelle soll eines der drei Dilemmata als Beispiel genügen: […] 3. Umweltsiegel Jasmin ist Verkäuferin in einem Drogerie-Einzelhandelsgeschäft. Im Sor- timent befindet sich eine umsatzstarke Spielzeug-Produktlinie mit hoher Marge und GS-Gütesiegel. Sie verfolgt die Webseite change.org und liest dort seit einiger Zeit Aufrufe zu Petitionen, die darauf hindeu- ten, dass der Hersteller das Gütesiegel zu Unrecht verwendet: Es sollen gesundheitsgefährdende Weichmacher im Spielzeug enthalten sein. Von der Geschäftsleitung erhält Jasmin weiterhin hohe Umsatzziele für die margenstarken Produkte. Von der Erreichung dieser Ziele hängt ihre Bonuszahlung ab. Sie selbst hat zwei kleine Kinder und achtet beim Kauf von Spielzeug akribisch darauf, mögliche Schadstoffe auszuschließen. Dieser Impuls ist zunächst an die Dilemmamethode von Lind (2009), zurückge- hend auf Kohlberg (1996), angelegt. Die Studierenden sollen erkennen, dass es für wirtschaftliches Handeln selten eine eindeutig optimale Lösung gibt. Der folgende Gesprächskreis geht dann über die Grenzen der Dilemmamethode hinaus, indem er den Raum des Gestaltbaren öffnet. Wo alle gegebenen Alternativen unbefrie- digend sind, kann es sich nicht um ein Entscheidungsproblem handeln, sondern um ein Gestaltungsproblem: Statt möglichst rational zwischen Gegebenem abzu- wägen, gilt es, Synthesen und neue Wege zu erdenken. Moralische Dilemmata haben in diesem Sinne eine politische Dimension. Indem die Studierenden diese gestaltungsorientierte Dialektik auf das Erkenntnispotenzial der Wirtschaftswis- senschaften beziehen, sollte deutlich werden, dass wirtschaftliches Handeln nicht allein mit Rationalmodellen zu erklären ist. Stattdessen ist Wirtschaft, als „Mit- telsystem zur Selbstverwirklichung des Menschen“ (Nell-Breuning, 1980, S. 142) verstanden, stets an individuelle und gemeinschaftliche Absichten, Gestaltungs- interessen und Sinnfragen gebunden. Daher schließt auch der erste Blocktag mit einer kreativen Auseinandersetzung mit der Sinnfrage:
Anhänge 103 Lernimpuls 5: Der Sinn des Wirtschaftens – mein Bild Zeit: 75 Min. 1. Einzelarbeit (ca. 30 Minuten) Was ist der Sinn des Wirtschaftens? Visualisieren Sie Ihre Gedanken auf einem DIN-A3-Bogen und lassen Sie die Gespräche des heutigen Tages einfließen. Arbeiten Sie so kreativ, unabhängig und assoziativ, wie Sie möchten. Sie können auch „Mosaiksteine“ für eine Collage nutzen. 2. Partnerarbeit (ca. 15 Minuten) Stellen Sie Ihr Bild einem selbstgewählten Partner vor. Vergleichen Sie Ihre beiden Arbeiten. Was ist anders, was ist gleich? Fragen Sie nach, wenn Ihnen Aspekte undeutlich oder auffällig sind. Klären Sie im Gespräch, inwieweit Sie Übereinstimmungen finden. 3. Gallery Walk (ca. 30 Minuten) Stellen Sie Ihr Bild im Raum auf. Sehen Sie sich die Bilder der anderen an und kommen Sie ins Gespräch. Als ‚Mosaiksteine‘ werden Zitatsammlungen und eine Auswahl an Cartoons und Illustrationen zur Verfügung gestellt. Dieser Impuls schafft eine kreativ verdichtende und tendenziell kognitiv entlastende Zusammenfassung des ersten Tags. Es folgt die Phase der Gastvorträge zwischen den beiden Blocktagen. Diese wird von zwei Impulsen mit Leseaufträgen begleitet, wobei die Online-Plattform EduCommSy als Forum genutzt wird. Lernimpuls 6: Lektüre und Kommentar zu Graupe (2013) und Engelhardt (2016) Zeit: während der Vorlesungsphase, ca. 2 – 3 Wochen Lesen Sie die bei EduCommSy unter „Diskussionen“ eingestellten Texte von Graupe (2013) und Engelhardt (2016). Tragen Sie mit einem Kom- mentar zur Diskussion bei, indem Sie zu folgenden Aspekten Stellung beziehen: 1. Was sind Ihrer Meinung nach die zentralen und diskussionswürdigsten Aussagen der Texte?
104 Anhänge 2. Inwieweit spiegeln die Überlegungen in diesen Texten Ihre Erfahrungen aus Schule, Beruf und Studium? 3. Welche Beispiele für und gegen das dort beschriebene Ökonomie- Verständnis kennen Sie? Berichten Sie mindestens von einem. Sie können gern auf die Kommentare anderer Teilnehmenden reagie- ren, sollten dabei aber nicht versäumen, die drei Fragen individuell zu beantworten („Ich schließe mich dem Vorredner an“ ist keine Option). Hier setzen sich die Studierenden mit zugänglichen Texten zur Kritik am neoli- beralen Mainstream und der Lehrbuchökonomik auseinander. Im Anschluss daran folgt der zweite Impuls mit Leseauftrag. Lernimpuls 7: Lektüre und Kommentar zu Ulrich (2001) und Homann (2008) Zeit: während der Vorlesungsphase, ca. 2–3 Wochen Lesen Sie die bei EduCommSy unter „Diskussionen“ eingestellten Texte von Ulrich (2001) und Homann (2008). Tragen Sie mit einem Kommentar zur Diskussion bei, indem Sie zu folgenden Aspekten Stellung beziehen: […] Bis auf die neuen Texte/Themen ist dieser Auftrag identisch zum vorigen. Bei Ulrich (2001) und Homann (2008) werden Institutionenethik und Individualethik gegenübergestellt, Ulrich (2001) erwähnt auch das Spannungsfeld Aspektlehre – Bereichslehre. Jedes Jahr werden Lektüre und Gastvorträge aufeinander abge- stimmt, sodass ein roter Faden entsteht, der sich von den eigenen Erfahrungen mit ökonomischer Bildung bis zur künftigen Lehrtätigkeit und deren Gestaltungs- fragen zieht. In diesem Sinne leiten wir auch den zweiten Blocktag mit einem Schreibauftrag ein, der einen reflexiven und einen konstruktiven Teil verbindet und in den Kontext des Seminarverlaufs stellt: Lernimpuls 8: Bildende Momente und mein Verständnis von kaufmännisch- ökonomischer Bildung Zeit: zwischen der letzten Vorlesung und dem zweiten Block, ca. 3 – 4 Wochen
Anhänge 105 1. Erzählen Sie von einer Erfahrung, durch die Sie „wirtschaftlich gebil- det“ wurden. Vielleicht möchten Sie auch von einem Impuls durch einen besonderen Menschen berichten. Sie können sowohl positive als auch negative Erfahrungen schildern. Leitfragen für Ihren Text können sein: • Was ist geschehen, wann, wo und mit welchen Beteiligten? • Was war das „Bildende“ an dieser Erfahrung? • Wie hat sich Ihre Einstellung zu Wirtschaft bzw. Ihre Haltung in wirtschaftlichen Situationen dadurch verändert? Gestalten Sie Ihren Text biographisch-erzählend (wie z. B. einen Tage- bucheintrag, einen Brief an einen Freund oder eine Kurzgeschichte), kreativ und detailreich. Bitte schreiben Sie hierzu ca. eine DIN A4-Seite. 2. Was ist Ihr subjektives Verständnis von „Kaufmännisch-Ökonomischer Bildung“? Formulieren Sie dieses Bildungsverständnis als Grundlage für die Gruppenarbeit im zweiten Block aus. Berücksichtigen Sie hierbei • Ihr Erfahrungswissen (wie es beispielsweise unter 1. zur Geltung kommt), • Ihre Reflexionen und Diskussionen über ökonomisches Handeln im ersten Blockseminar, • die Impulse der vier Vorlesungen und • die Überlegungen und Argumentationen der Texte (aus den Lernim- pulsen: Ulrich, Homann, Graupe und Engelhardt). Schreiben Sie in Ihrer Sprache, meiden Sie Leerformeln und direkte Zitate. Der Text sollte Ihnen als Richtschnur Ihres eigenen didak- tischen Handelns dienen können (Was will ich als Wirtschaftspäd- agog*in bei meinen Lernenden erreichen? Worin zeigt sich die Qualität meiner Bildungsarbeit?). Bitte schreiben Sie auch hierzu ca. eine DIN A4-Seite. Wir bitten Sie, beide Texte in einem offenen Format (.doc oder ähn- liches) in EduCommSy einzustellen (unter Angabe Ihres Namens) und im Blockseminar verfügbar zu haben (ausgedruckt oder digital). Wir würden diese Beiträge gern zu Forschungszwecken anonymisiert auswerten. Bitte kennzeichnen Sie zu Beginn Ihres Dokuments, wenn Sie nicht möchten, dass Ihr Text hierfür genutzt wird.
106 Anhänge Dieser Lernimpuls (bzw. seine Abwandlungen in Vorjahren) ist gleichzeitig Basis der qualitativen Forschungsstränge zu WIGÖB. Der zweite Blocktag setzt hier an und beginnt analog zum ersten Blocktag mit der Suche nach einem gemeinsamen Verständnis: Lernimpuls 9: Gemeinsames Bildungsverständnis Zeit: 60 Min. 1. Tauschen Sie sich mit einem Partner über Ihr subjektives Bildungs- verständnis aus, wie Sie es im Rahmen von Lernimpuls 8 zu heute vorbereitet haben. Klären Sie Unterschiede und Gemeinsamkeiten und prüfen Sie, ob Sie sich auf ein gemeinsames Verständnis einigen können. 2. Setzen Sie Ihr jeweiliges Bildungsverständnis in Bezug zum Bildungs- auftrag des Hamburger Schulgesetzes und zum Bildungsauftrag der Berufsschule, auf den sich die KMK verständigt hat [hierzu werden Handouts ausgeteilt]. 3. Bilden Sie drei Gruppen und versuchen Sie, sich auch in Ihrer Gruppe auf ein gemeinsames Bildungsverständnis zu verständigen. Falls Ihnen dies nicht gelingen sollte, halten Sie fest, wo Ihre Gemeinsamkeiten und wo Ihre Differenzen liegen. 4. Formulieren Sie Ihr gemeinsames Bildungsverständnis so, dass es Ihnen als Bezugspunkt für Unterrichtsplanung dienen kann. Visualisieren Sie Ihr Arbeitsergebnis auf Flipchartblättern, um es im Anschluss im Plenum vorstellen zu können. Diese Bildungsverständnisse sollen also im Laufe des Tages ausgearbeitet wer- den, bis sie als Orientierung für die berufs- und wirtschaftspädagogische Praxis dienlich sind. Der nächste Schritt ist der Bezug auf verschiedene Diskurse um ökonomische Bildung, beginnend mit einem kurzen Gesprächsimpuls zu den curricularen Relevanzkriterien Wissenschaftsorientierung, Situationsorientierung und Subjektorientierung nach Reetz (1984). Im Anschluss daran setzen sich die Teilnehmenden im Gruppenpuzzle mit Literaturauszügen auseinander.
Anhänge 107 Lernimpuls 10: Leitbilder ökonomischer Bildung Zeit: 105 Min. 1. 45 Min. in Expertengruppen: Verteilen Sie die Mitglieder Ihrer Gruppe auf die drei angebotenen Leitbilder ökonomischer Bildung („Kaufmän- nische Bildung“, Reinisch, 2013; „Ökonomische Bildung“, May, 2007 und „Sozio-Ökonomische Bildung“, Engartner, 2018). Diskutieren Sie und halten Sie in Stichpunkten fest: • Was sind die Kernaussagen, Kategorien und Argumente des jeweili- gen Leitbildes? • Wie verhält sich das Leitbild zur Wirtschaftswissenschaft/den Inhal- ten Ihres wirtschaftswissenschaftlichen Studiums? • Inwieweit ist das Leitbild vereinbar mit Ihrem eigenen Bildungsver- ständnis und dem Bildungsauftrag (gem. HambSG und KMK)? • Welche Impulse für die kaufmännische Berufsbildung ergeben sich daraus? 2. 60 Min. in Stammgruppen: Kehren Sie zurück in Ihre Stammgruppen und stellen Sie sich dort gegenseitig alle Texte und die Diskussionser- gebnisse vor. Diskutieren Sie dann: • Wie verhalten sich die drei Leitbilder zueinander? Wo sehen Sie Ergänzungen, wo Widersprüche? • An welchen Punkten ist es notwendig, sich zu entscheiden/Stellung zu beziehen? Welche Positionen gibt es dazu in Ihrer Gruppe? Durch diesen Gesprächskreis soll das subjektive Verständnis kaufmännisch- ökonomischer Bildung theoriebezogen ausdifferenziert werden. Im letzten inhalt- lichen Impuls folgt der Realitätscheck: Wie können die diskutierten Ansprüche und Orientierungen Eingang in die Unterrichtspraxis beruflicher Bildung finden? Lernimpuls 11: Vom Bildungsverständnis zu Unterrichtszielen Zeit: 60 Min. Gruppenarbeit + 30 Min. Präsentation und Diskussion als Galeriegang Bearbeiten Sie in Vierergruppen den folgenden Fall: Sie unterrichten an einer beruflichen Schule. Eine Kollegin hat Sie für die kommende Woche mit einem 90-minütigen Vertretungsunterricht
108 Anhänge betraut. Die Schüler des Ausbildungsgangs „Kaufleute für Büromanage- ment“ befinden sich zurzeit in Lernfeld 5 „Kunden akquirieren und binden“. Ihre Kollegin bittet Sie, mit der Klasse das Thema „Preisdifferenzierung“ zu behandeln. Formulieren Sie klare Effektziele*, die Ihrem heute entwickelten Bil- dungsverständnis gerecht werden: • Welche Fähigkeiten, Erkenntnisse, Haltungen sollen bei den Schü- ler*innen entwickelt werden? • Welches Wissen muss hierfür aufgebaut werden? • Wie lassen sich diese Ziele bündeln, ordnen und im Kontext Ihres Bildungsverständnisses als bedeutsam begründen? Visualisieren Sie Ihre Ziele mit Bezug auf Ihr Bildungsverständnis. * Bitte formulieren Sie keine Prozessziele („Was sollen die Lernen- den im Unterricht tun?“), sondern Effektziele („Was ist das angestrebte innere Ergebnis nach dem Unterricht, was sollen die Lernenden für sich mitnehmen?“) Hier zeigt sich, ob die Studierenden curricular-didaktische Entscheidungen über das in WiGÖB ausdifferenzierte Bildungsverständnis begründen können. Als zusätzliches Material halten die Dozenten u. a. Schulbuchauszüge (z. B. Be Part- ners von Bodamer et al., 2014), Internetmaterial (z. B. von der Webseite www. wirtschaftundschule.de) und ein Handout zum Hamburger Lernhandlungsmodell bereit (Tramm & Naeve, 2007; Augsdörfer & Casper, 2018; Casper, Augsdör- fer, & Benton, 2019). In der Diskussion sind insbesondere Schwierigkeiten und Herausforderungen herauszugreifen und gemeinsam zu reflektieren. Am Ende der Veranstaltung steht die Frage, wie sich unterschiedliche Modellierungen von Wirt- schaft auf die Modellierungen von Lerngegenständen auswirken. Dies führt zu einer abschließenden Gesamtreflexion von WiGÖB: Lernimpuls 12: Reflexion der Veranstaltung und persönliche Ausblicke Zeit: 15 Min. Think, Pair, Share: Beschäftigen Sie sich zunächst allein mit den Teilfragen, diskutieren Sie dann mit einem Partner und zuletzt im Plenum. Reflektieren Sie den Verlauf der Veranstaltung entlang der einzelnen Termine sowie rückblickend als Ganzes:
Anhänge 109 • Was war neu und interessant für Sie, worüber haben Sie sich gewundert? • Was sind ihre zentralen Erkenntnisse der einzelnen Veranstaltungen und von „WiGÖB“ insgesamt? • Welche Fragen und Interessen nehmen Sie für Ihre weitere Entwicklung mit? Klausur Als abschließende bewertete Studienleistung wird in WiGÖB eine 90-minütige Klausur in Form eines Essays geschrieben. Die Gegenstände ändern sich jährlich, doch die Struktur bleibt ähnlich: Es sind ein bis zwei Textauszüge mit kontrastieren- den Positionen zu einem Gegenstand aus dem Kontext der Veranstaltung gegeben. In drei Teilfragen sollen 1. die Kernaussagen und Intentionen der Texte sowie das mit ihnen markierte Spannungsfeld identifiziert werden (multiperspektivischer Anspruch), 2. diese mit Bezug auf eine persönliche Erfahrung beurteilt werden (kritisch- reflexiver Anspruch) 3. und in Konsequenz daraus Handlungsempfehlungen/Selbstansprüche an beruf- liche Bildung formuliert werden (gestaltungsorientierter Anspruch). Die Klausur ist als open book exam gestaltet; jegliches Material aus der Ver- anstaltung kann mitgebracht und genutzt werden. Es ist also weder nötig noch sinnvoll, für diese Prüfung zu ‚büffeln‘, wenn man an den jeweiligen Veranstaltun- gen teilgenommen hat. Dies hat den positiven Nebeneffekt, dass sich auch stark anreizorientierte Studierende besser auf die reflexive Portfolioarbeit einlassen und für sie selbst relevante Handlungsprodukte erstellen. Zur Bewertung wird ein stan- dardisiertes qualitatives Raster genutzt, das im Rahmen von WiGÖB entwickelt wurde. Kategorien sind hier z. B. „argumentative Stringenz“ oder „konkrete Bei- spiele“. Auch dieses Raster und vergangene Klausuraufgaben sind auf Anfrage beim Autor erhältlich.
110 Anhänge Anmerkungen zu einer Online-Version der Veranstaltung Im Jahr 2020 wurde WiGÖB aufgrund der COVID-19-Bedingungen in einer Online-Version durchgeführt. Dabei handelte es sich um eine kurzfristige Not- lösung im Sinne von Emergency Remote Teaching (= ERT, Hodges et al., 2020), eine elaborierte Online-Version der Veranstaltung gilt es noch zu entwickeln. Der Durchgang 2020 hat dafür jedoch eine Reihe eindrücklicher Erfahrungen ermöglicht, auf die aufgebaut werden kann: • Die Grundstruktur des Seminars mit zwei diskursiven Blöcken und vier Impulsen dazwischen konnte grundsätzlich beibehalten werden. • Durch inverted classroom-Elemente (Sperl & Handke, 2012) wurden die synchronen Veranstaltungen zeitlich stark entlastet, um durchgängige Bild- schirmphasen möglichst kurz zu halten. So wurden die vier Vorlesungsimpulse von Gästen als Videoaufzeichnungen bzw. Foliensätze mit Audiokommentar in mehreren Teilen asynchron zur Verfügung gestellt. Zu jedem Gastbeitrag gab es dann eine kürzere synchrone Veranstaltung (im Schnitt ca. 60 Minuten) mit Interaktionsaufgaben, die von den Studierenden zunächst in Kleingrup- pen bearbeitet und schließlich im Plenum mit den Gästen der jeweiligen Impulse diskutiert wurden. Die Impulsgäste meldeten geschlossen zurück, dass das inverted classroom-Modell eine Kondensierung ihrer Beiträge unterstützte und die Studierenden setzten sich merklich intensiver und diskursiver damit auseinander, als es in den klassischen Vorlesungen der Vorjahre der Fall war. • Die zwei „Blocktage“ wurden in Form synchroner Videokonferenzen durch- geführt, wobei auch hier durch asynchrone Elemente vor- und nachentlastet wurde, z. B. wurde die Lektüre der Leitbilder im zweiten Block durch einen entsprechenden asynchronen Auftrag vorgezogen. Beide Blockveranstaltungen wurden auf je 3 Stunden mit Pause reduziert, in denen die Arbeit in Klein- gruppen von 3–4 Studierenden und der Plenardiskurs in Gruppen von ca. 12 Studierenden fokussiert wurden. Unterstützt wurde dies durch kollaborative Online-Tools wie virtuelle Whiteboards, Kartenabfragen sowie kollaborativ nutzbare Office-Software. • Auch die Klausur wurde Online im Rahmen von zwei parallelen Videokon- ferenzen durchgeführt. Aufgrund des üblichen open book-Modus waren keine zusätzlichen Aufsichts- bzw. Überwachungstechniken notwendig, die Studie- renden schrieben ihre Essays bei eingeschalteten Webcams und Mikrofonen, aber ausgeschaltetem Sound, sodass die Umgebungsgeräusche der anderen keine Ablenkung darstellten. Die Aufgabenstellung wurde zu Beginn der Kon- ferenz über das Videokonferenzprogramm übermittelt. Die Klausuren wurden
Anhänge 111 in Textverarbeitungsprogrammen verfasst und noch während der Klausurzeit als .pdf per Mail an die Klausuraufsicht gesandt. Die Leistungen befanden sich im üblichen Spektrum der Veranstaltung mit einem „guten“ Durchschnitt. Das formative und summative Feedback der Studierenden zu diesem ERT-Format war durchweg positiv und unterschied sich nicht merklich von den Evaluatio- nen vorangegangener Jahrgänge, die WiGÖB in Präsenz erlebt hatten. Nach der internen Evaluation der Anbieter in 2020 zeichnen sich drei merkliche Vorteile ab, WiGÖB auch in Zukunft zumindest im Sinne eines blended learning mit digitalen Elementen zu gestalten: • Gute Impulse lassen sich materialisieren und in mehreren Kontexten verwen- den (z. B. Video-Gastbeiträge auch in Folgejahren) • Die Vorproduktion asynchroner Impulse und deren gezielte Ergänzung um vorentlastete synchrone Formate steigert auf beiden Seiten die Qualität. • Die Veranstaltung gewinnt durch mehr asynchrone Angebote für Studierende insgesamt an Flexibilität und fördert Eigeninitiative.
112 Anhänge Arbeitsblätter zur Lebendigen Wirtschaftsdidaktik Werte- und Entwicklungsquadrat der Lebendigen Wirtschaftsdidaktik „Lebendiges Lernen“ Balance durch Dienst am „Kompetenzorienerung“ als Prinzip der Berufsbildung Menschen als Lernenden als Prinzip der Berufsbildung Metapher posives Spannungsverhältnis Definion Emoonalität Raonalität Improvisaon Struktur Übertreibung Übertreibung entwertende entwertende konträre Gegensätze Ubiquität Überkompensaon Redukon Irraonalität Verzweckung Willkür Starrheit Werte- und Entwicklungsquadrat zur Lebendigen Wirtschaftsdidaktik „Achtung vor dem Leben ist wichtig. Fähigkeiten und Wissen sind wichtig. Wissen ohne Achtung vor den Menschen baut Gaskammern und Napalmfabriken. Menschlich- keit ohne Wissen kann kein Brot backen, keine Häuser, Spitäler oder Schulen bauen und keine gebrochenen Knochen oder Seelen heilen.“ (Cohn, 2016, S. 109) Mit einem Werte- und Entwicklungsquadrat lassen sich Übertreibungen iden- tifizieren und wieder ins Gleichgewicht bringen (vgl. Schulz von Thun, 2018/1989). Ein Beispiel für übertriebene ‚Kompetenzorientierung‘ wäre eine dogmatisch verfolgte Geschäftsprozessorientierung, die den Lernenden letzt- endlich als Geschäftsprozess-des-orientierung erscheint: Wenn Lernfelder im kaufmännischen Unterricht ausschließlich als Lernbüros oder -firmen umgesetzt werden, die Arbeits- und Geschäftsprozesse abbilden und deren technisch-tüchtige Bewältigung trainieren, so mögen Struktur, Definition und Verwertbarkeit für
Anhänge 113 betriebliche Interessen gegeben sein – allerdings in ihren entwertenden Über- treibungen: Die Lernenden erleben reduzierte statt vieldeutige Lernsituationen, eine mechanische Verzweckung ihres Könnens für betriebliche Prozesse und ein starres Regelwerk, das Kreativität eher bestraft als belohnt. Hier kann durch die „Schwestertugenden“ des Lebendigen Lernens eine neue Balance hergestellt werden: Durch Metaphern (die nicht ubiquitär sind, also „alles-und-nichts“ bedeu- ten!), durch Emotionalität (die nicht irrational ist!) und durch Improvisation (die nicht willkürlich ist!). Schon einfache Reflexionsimpulse können im laufenden Unterricht Anstöße hierfür sein: • Womit kann man das vergleichen (Metapher)? • Was fühlst du dabei (Emotionalität)? • Was könnten wir hierbei mal ganz anders versuchen (Improvisation)? positives Spannungsverhältnis Positiver Gegenwert Positiver Wert („Schwestertugend“) (z. B. Sparsamkeit) (z. B. Großzügigkeit) Übertreibung Übertreibung entwertende entwertende konträre Gegensätze Überkompensation Unwert Gegen-Unwert (z. B. Geiz) (z. B. Verschwendung) Grundmodell des Werte- und Entwicklungsquadrats (nach Schulz von Thun, 2018/1989, S. 44) Wenn sich Ihr Unterricht anfühlt, als wären Sie in eine Sackgasse geraten, suchen Sie nach positiven Werten. Versuchen Sie, sich weg von Übertreibungen und hin zur balancierten Spannung zu bewegen. Diese Blanko-Version eines Werte- und Entwicklungsquadrat können Sie nutzen, um die Übertreibungen und positiven Werte in einem konkreten Fall zu benennen, der Sie beschäftigt.
114 Anhänge Didaktische Analyse mit der„Acht der Macht“ und der „Unterdrückungsunterscheidung“ Worin liegt die Bedeutung eines gegebenen Unterrichtsgegenstands für die Ler- nenden, heute und in Zukunft? Welche fundamentalen Fragen und welche Formen von Entfremdung sollten besprochen werden? Für eine kritisch-emanzipatorische didaktische Analyse können die „Acht der Macht“ und die „Unterdrückungsun- terscheidung“ genutzt werden. Abhängigkeit von Natur und Herrschaft von Menschen über Menschen Freiheit VON Macht ÜBER Spirale irrationaler Autorität (Emanzipation) (Herrschaft) Freiheit ZU (Ermächtigung) als persönliches Potenzial Freiheit VON Macht ZU (Emanzipation) (Kompetenz) Spirale rationaler Autorität Teilautonomie in der freien Gemeinschaft “ Acht der Macht“ Analyse der Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung des Unterrichtsgegenstands mit der „Acht der Macht“: a) Von welchen Abhängigkeiten können sich die Lernenden befreien, wenn sie den Unterrichtsgegenstand durchdrungen haben (Freiheit VON)? b) Welches Potenzial wird dadurch in ihnen geweckt, wozu werden sie ermächtigt (Freiheit ZU)? c) Wie kann dieses Potenzial kompetent und verantwortlich ge-braucht werden (Macht ZU)? d) Welche Möglichkeiten eines unverantwortlichen Miss-brauchs dieses Potenzials sollten kritisch diskutiert werden, um die Lernenden davor zu bewahren, in die Spirale irrationaler Autorität zu fallen (Macht ÜBER)?
Anhänge 115 Schichten existenzieller Unterdrückung Realisierung: „der Wahrheit ins Auge sehen“, Ambiguitätstoleranz, Eigenverantwortung Hoffnung Rückzug Wille Zwang Entschlusskraft Hemmung Kompetenz Leben Tod Trägheit Treue Gemeinschaft Einsamkeit Zurückweisung Liebe Exklusivität Fürsorge Abweisung Weisheit Hochmut Schichten historischer Unterdrückung Überwindung: Emanzipation, Kompetenzentwicklung, Mitgestaltung „Unterdrückungsunterscheidung“ Analyse der exemplarischen Bedeutung mit der „Unterdrückungsunterschei- dung“: e) Von welchen Widersprüchen und Konflikten wird der Gegenstand bestimmt, für welche Probleme bietet er Lösungen? f) Worin liegt der existenzielle Kern dieser Widersprüche, den man nicht dauerhaft lösen kann? Welchen ursprünglichen Aspekt des menschlichen Lebens trifft er (in Klafkis Sinne das ‚Fundamentale‘)? g) Welche historischen, kulturellen, gesellschaftlichen Wege haben die Menschen gefunden, mit dem Problem (e) hinter dem Gegenstand umzugehen? h) Inwieweit sind diese historischen, kulturellen, gesellschaftlichen Wege men- schenwürdig? Welche menschenwürdigeren Veränderungen und Alternativen wären denkbar (Bezug zu c und d)? i) Welche Kompetenzen müssten gefördert werden, um menschenwürdige Alter- nativen zu ermöglichen (Zielformulierung, die über den einzelnen Unterrichts- gegenstand hinausweist)?
116 Anhänge Gestaltungskriterien und Leitfragen für lebendigen Unterricht Lernende a) sind grundsätzlich neugierig und lernbereit Didaksche Planung Lernprozesse Ergebnisse e) zielt auf selbstbesmmtes und g) orieneren sich an Erfahrungen i) sind nur parell eigenverantwortliches Lernen und Handlungen vorhersehbar f) berücksichgt die Unvorhersehbarkeit h) nutzen die Gruppe als Lernquelle von Interakon Lehrende b) verantworten die dynamische Balance zwischen ICH, WIR und ES c) bauen zugunsten der Themen- zentrierung Abhängigkeiten ab d) sind immer auch Lernende Leitbild des Lebendigen Lernens, eigene Darstellung nach Merkmalen von Stollberg und Schneider-Landolff (2010, S. 152-153) Lernende a) sind grundsätzlich neugierig und lernbereit: „Der Lehrer, der lebendiges Lernen fördert, fragt nicht, wie [Lernende] motiviert werden können, sondern wie er ihre Motivation finden kann. Die Ausgangsfrage des Lehrers lautet nicht: »Wie motiviere ich die Schüler?«, sondern: »Wo und wie leben sie?« »Woran sind sie interessiert?« »Woran liegt mir?« »Wo liegen die Interessen des Gemeinwesens, in dem wir leben, und der Gesellschaft?« (Cohn 2016, S. 167) Eine Lebendige Wirtschaftsdidaktik vertraut auf die Lernbereitschaft des Men- schen und setzt interessante, relevante Probleme an den Anfang und in den Fokus des Unterrichts. Verschwenden Sie Ihre Energie nicht darauf, künstlich mit Tech- niken zu motivieren, wo keine ursprüngliche Motivation ist, sondern nutzen Sie diese Energie lieber dafür, das wirklich Interessante ausfindig zu machen. Lehrende b) verantworten die dynamische Balance zwischen ICH, WIR und ES: Lebendiger Unterricht lässt spontane Bewegungen zwischen Sachfokus, persön- licher Ansprache und Gruppenerlebnissen zu. Das kann über Methoden(wechsel)
Anhänge 117 vorgeplant werden, hängt aber letztlich von der Erfahrung und dem daran gewachsenen Gespür der Lehrenden ab. Reflektieren Sie regelmäßig, wie gut Ihnen die dynamische Balance gelingt und suchen Sie nach Impulsen für Ihre weitere Professionalisierung. c) bauen zugunsten der Themenzentrierung Abhängigkeiten ab: „Lebendiges Lernen ist emanzipatorisch, indem es die Selbstleitung und Eigenverantwortung für den Lernprozess fördert und die Abhängigkeit von der Lehrperson zugunsten der Themenzentrierung abbaut“ (Stollberg und Schneider-Landolf 2010, S. 153). Lebendige Wirtschaftsdidaktik ermöglicht den Lernenden eigene, forschende Zugänge zum Thema. Überprüfen Sie, ob Sie sich unbewusst ‚zwischen‘ die Schüler und den Lerngegenstand stellen (ein Symptom hierfür wäre z. B. ‚bohrendes Fragen‘). d) sind immer auch Lernende: Wenn sich Lehrende als ‚Hüter der Wahrheit‘ verstehen, entstehen höchstens Echos, aber keine Resonanzen. Gehen Sie stattdessen gemeinsam mit den Ler- nenden auf die Suche: Was interessiert Sie selbst an einem Lerngegenstand, was können Sie selbst noch herausfinden, wie können Sie sich von den Lernenden begeistern und belehren lassen? Didaktische Planung e) zielt auf selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Lernen: Lebendiges Lernen braucht Raum zur Selbstbestimmung und Improvisation. Planen Sie genügend Freiheitsgrade ein? Können Lernende eigene Schwer- punkte verfolgen? Dürfen sie Fehler machen und aus diesen Fehlern wertvolle Erkenntnisse ziehen (statt gescholten zu werden)? f) berücksichtigt die Unvorhersehbarkeit von Interaktionen: Ganz pragmatisch bedeutet das: Planen Sie nicht zu viel und mit großzügigen Zeiten, denn was und wie lange genau die Lernenden brauchen, entscheidet sich spontan. Unterricht zu voll zu stopfen führt vielleicht dazu, dass man mit ‚seinem‘ Stoff durchkommt – ob die Lernenden sich irgendetwas davon zu eigen machen können, sei dahingestellt. Lernprozesse g) orientieren sich an Erfahrungen und Handlungen: Können die Lernenden an eigene Erfahrungen anknüpfen oder während des Unterrichts neue Erfahrungen machen? Erleben sie sich dabei als Handelnde, die eigene Ziele verfolgen und ihren Fortschritt reflektieren? Entsteht Wissen,
118 Anhänge Können und Wollen, das den Lernenden zukünftig erfolgreichere, sinnvol- lere Handlungen ermöglichen? Alles im Unterricht, was nicht erfahrungs- und handlungsrelevant ist, könnte Ballast sein und sollte kritisch geprüft werden. h) nutzen die Gruppe als Lernquelle: Einsam Lernen kann man auch an anderen Orten als der Schule. Erhalten die Lernenden Möglichkeiten, sich über Erfahrungen, Gedankengänge und Schwie- rigkeiten auszutauschen, gegenseitig zu beraten und an ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu wachsen? Ergebnisse i) sind nur partiell vorhersehbar: Dieser Punkt ist wohl der wichtigste für eine Lebendige Wirtschaftsdidaktik. In der wirtschaftlichen Realität gibt es sowohl „gut-strukturierte“ als auch „schlecht- strukturierte Situationen“ (die letzteren sind wesentlich häufiger). Entsprechend können im Unterricht „durch-strukturierte“ oder nur „an-strukturierte Aufgaben“ bzw. Impulse gegeben werden (Gerdsmeier 2004, S. 31). Ist der Unterricht so gestaltet, dass er Freiheit in den Ergebnissen und Produkten ermöglicht? Fordert er zum Denken in Alternativen auf? Hält er eine positive Spannung im Sinne des Werte- und Entwicklungsrahmens, oder presst er die komplexen, denkwürdigen und zur Mitgestaltung aufrufenden Phänomene des Wirtschaftens in reduzierte, verzweckende, starre Modelle?
Anhänge 119 Lebendige Methoden Methoden einer Lebendigen Wirtschasdidakk... …betreffen das (eigene) Leben, …bejahen das Leben und unterschiedliche Lebenswelten ermöglichen ehrfürchge, und Lebensentwürfe staunende Beziehungen …sind belebend, akv, sinnlich und abwechslungsreich Dreifache Bestimmung für Methoden einer Lebendigen Wirtschaftsdidaktik Lebendiges Lernen hat keine spezifischen Methoden. Stattdessen lassen sich alle erdenklichen Methoden im Hinblick auf diese dreifache Bestimmung des Leben- digen einschätzen. Es folgen ein paar Beispiele, die lediglich als Anstöße zu verstehen sind: • Reflexives Schreiben („Erinnere dich an… berichte von…“) ermöglicht Ler- nenden, über Erlebnisse und Erfahrungen zu reflektieren, implizites Wissen zugänglich zu machen und sich in Folge der Versprachlichung mit anderen auszutauschen. • Das Eintauchen in fremde Lebenswelten kann nicht nur über eigene Texte geschehen, sondern über alle erdenklichen Kulturgüter: Film, Musik, Lite- ratur und Photographie als Lernmedien ermöglichen Lernenden nicht nur Weltverstehen und Orientierung in ihrer Kultur, sondern bieten Projektions- fläche für den eigenen Lebensentwurf. Hierzu kann es sich auch anbieten, sich an bestimmten „Typen“ und Klischees zu spiegeln, um den eigenen Stand- punkt auszuloten. Auch im wirtschaftsberuflichen Unterricht sind Deuten und Philosophieren bildende Tätigkeiten. • Bewegung und Aufstellung sind gerade im kaufmännischen Unterricht ange- brachte Gegenpole zur Zivilisationskrankheit der Bürostarre. Neben Aktivie- rungsübungen und Rollenspielen lassen sich z. B. Meinungsbilder nutzen („stimme stark zu“ steht ganz rechts, „lehne stark ab“ steht ganz links), um
120 Anhänge abstrakt-kognitiven Prozessen mit geringem Aufwand ein körperliches Gegen- gewicht zu verleihen. Für die Auseinandersetzung mit komplexen und wider- sprüchlichen Sachverhalten können auch in der Berufsbildung systemische Aufstellungen genutzt werden. • Kreativität durch Restriktion fördert nicht nur Problemlösungsfertigkeiten, sondern erlaubt das ästhetisch-sinnliche Durchdringen von Lerngegenstän- den. Beispiele hierfür sind das Erstellen von Collagen mit gegebenen Text- und Bild-Mosaiksteinen oder projektive Visualisierungsmethoden, z. B. mit Naturgegenständen, Knete, Spielzeug usw.
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