Anwalt aktuell Das Magazin für erfolgreiche Juristen und Unternehmen
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anwalt 01/22 aktuell Februar Das Magazin für erfolgreiche Juristen und Unternehmen www.anwaltaktuell.at www.facebook.com/anwaltaktuell „Vergaberecht P.b.b. Verlagsort 5020 Salzburg 15Z040584 M neu denken!“ Schiefer Rechtsanwälte GERICHTE COVID 1 COVID 2 Generationen-Uhr tickt Justiz zu langsam? Impfstatus und Triage
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EDITORIAL – Februar TITEL 22 Betrifft: Richter-Nachwuchs, Justiz-Tempo, Impf-Frage Inhalt 01/22 Februar Abgänge. Die Präsidentin der österreichi- schen Richterinnen und Richter, Sabine Ma- TITEL tejka, ist spürbar erleichtert über den Ab- OVER STORY C 6/7 gang des justizkritischen Kanzlers S.K.: „Ich Schiefer Rechtsanwälte bin froh, dass jetzt Ruhe eingekehrt ist. Es „Vergaberecht neu denken“ wird wieder sachlich gearbeitet.“ Zum Ge- setz für Video-Verfahren bei Gerichten ANWÄLTE Mag. Sabine Matejka warnt sie: „Für eine Zeugeneinvernahme im Präsidentin HOT SPOTS 8/14/28 Richtervereinigung Rahmen einer Videokonferenz gibt es kaum Akzeptanz.“ Nicht ganz zufrieden ist sie DR. ALIX FRANK-THOMASSER auch mit der Verfahrensdauer in der Co- „An die Spitze kommen und an vid-Zeit: „Der in Deutschland mögliche Eil- der Spitze bleiben!“ 16 antrag wäre sicher auch in Österreich im UNIV. PROF. DR. VERICE TRSTENJAK Zusammenhang mit der Impfpflicht interes- „Auf nationaler Ebene sollte es ebenfalls ein sant gewesen.“ Mehr Tempo verlangt Matej Eilverfahren geben“ 20 ka vom Justiz-Ministerium, was die Vorbe- DR. JOHANNES SÄÄF reitung auf die Pensionierung von 50 % der „Grüne Atomkraft?“ 22 Richterinnen und Richter innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre betrifft: „Der UNIV. PROF. DR. TATJANA HÖRNLE Generationenwechsel ist die größte Heraus- „Impfstatus und Corona-Triage“ 30 forderung der nächsten Jahre.“ (S. 10 – 12) MAG. DANIEL GREEN, LL.M. „Diktatur und Rechts-Sprache“ 32 Zu langsam? Als ehemalige slowenische Staatssekretärin und Generalanwältin des ÖRAK EUGH kann die EU-Rechtsprofessorin Verica Trstenjak sicher ganz gut beurteilen, wie PRÄSIDENT DR. RUPERT WOLFF „Rechtsstaat bedeutet auch, die erforderlichen die Grundrechte in der Covid-Zeit beachtet Mittel bereitzustellen“ 9 wurden. Sie findet, dass die einschränken- den Maßnahmen angesichts der außerge- GROSSES INTERVIEW Univ. Prof. Dr. Verica Trstenjak wöhnlichen Dimension der Corona-Anste- Europarechtlerin ckung im Großen und Ganzen verhältnismä- AG. IUR SABINE MATEJKA, M ßig waren. Dennoch erwartet sie eine große PRÄS. ÖSTERR. RICHTERVEREINIGUNG „Generationenwechsel ist die größte Zahl von Klagen sowohl beim EUGH wie auch Herausforderung der nächten Jahre“ 10–12 beim EGMR. Als Insiderin reagiert sie zuerst verblüfft auf die Frage, ob die Gerichte in RAK WIEN der Krise nicht insgesamt zu langsam waren, um sogleich anzuregen: „Auf nationaler PRÄS. UNIV.-PROF. DR. MICHAEL ENZINGER Ebene sollte es ebenfalls ein Eilverfahren „Für Rechtsstaat und Demokratie“ 15 geben.“ (S. 20) BRIEF AUS NEW YORK Ethik konkret. Wie soll sich ein Triage-Team STEPHEN M. HARNIK an der Intensiv-Station entscheiden, wenn „Making Democracy Impotent“ 18/19 es um den „letzten Platz“ geht? Für den (be- wusst) ungeimpften oder für den (bewusst) PANORAMA geimpften Patienten? Die Freiburger Straf- ARS AKADEMIE 8 rechts-Professorin Tatjana Hörnle sorgte mit ihrem Text auf dem „Verfassungsblog“ UNTERNEHMENSJURIST Univ. Prof. Dr. Jörg Siegmund, Getzner Textil AG 24 Tatjana Hörnle ordentlich für Wirbel. Im Gegensatz zur Strafrechtlerin „Deutschen Interdisziplinären Vereinigung ANWALTSAKADEMIE für Notfall- und Intensivmedizin“ verlangt Erben & Vererben 29 sie klar die Bevorzugung von Geimpften bei der Entscheidung um den Intensiv-Pfle- BÜCHER 34/36/38 ge-Platz. Denn: „Die Präferenz, Impfrisiken IMPRESSUM 38 zu entgehen“ bringe es „zwangsläufig mit sich, das Restrisiko einer Erkrankung hin- Die nächste Ausgabe von Anwalt Aktuell erscheint zunehmen.“ (S. 30) am 15. April 2022 anwalt aktuell 01/22 3
KOLUMNE DIETMAR DWORSCHAK Herausgeber & Chefredakteur dd@anwaltaktuell.at Covid & die vierte Gewalt I st Österreich „am besten durch die Krise“ gekommen, wie es Apropos „über die Grenzen schauen“: Informationsweitergabe kann ein legendärer Alt-Kanzler verkündete? Nein. In Sachen Lock- neben der Verbreitung von Angst und Schrecken theoretisch auch downs ringen wir mit Australien um die Weltmeisterschaft, beim aufklärerische Funktion haben. Beispielsweise dadurch, dass es Testen wurden wir hinter Zypern nur Vizeweltmeister. Vermut- intensive Berichterstattung über „bessere Wege aus der Krise“ gibt. lich haben wir aber die höchsten Schulden aller EU-Länder gemacht. Mir wäre nicht aufgefallen, dass sich Österreichs Medien massiv Gleichzeitig, so sagt die OECD, ist die Bevölkerung in der Krise im damit befasst hätten, dass man in Spanien die Bevölkerung per Schnitt um fast sechs Prozent ärmer geworden. Richtig toll sind nur SMS-Nachricht zum Impfen brachte, oder dass in Italien die Impf- zwei Branchen ausgestiegen: Die Testlabors und die M edien. bereitschaft in luftige Höhen gesteigert wurde, nachdem man die Covid-Tests kostenpflichtig machte. Beides wären feine Anregungen Politik: Das Ende der Reputation für eine effektivere österreichische Covid-Politik gewesen. Inklusive Obwohl in anderen Ländern wesentlich höhere Infektionszahlen Vermeidung der Impfpflicht. wüteten beachtete man dort von Anbeginn den Vorrang der Fach-Kompetenz. Nicht ein paar Die Emanzipation des Zauberlehrlings maskierte Politiker mit Schreckensnachrichten „Neben Exekutive, Stattdessen suhlen sich ORF und praktisch sämt- und ständig gezückter Maßnahmenkeule be- Legislative und Judikative liche Medien Österreichs seit März 2020 im gru- stimmten die Kommunikation, sondern Leute mit gibt es die Medien, seligen Machtgefühl von „Only bad news are good professionellem Background bzw. exekutiver news“. Was anfangs der einzig mögliche Weg zu die zwar keine eigene Gewalt Kompetenz. sein schien, Informationen der Regierung an die Schweden präsentierte den Staatsepidemiologen zur Änderung der Politik oder Bevölkerung zeitnah weiterzugeben, das entwi- Anders Tegnell als Leitfigur, in Deutschland be- zur Ahndung von Machtmiss ckelte sich zu einem Vorzeigebeispiel der media- stimmte die sorgenvolle Miene von Lothar Wieler brauch besitzen, aber durch len Machtausübung. Mithilfe der bis März 2020 das Pandemie-Geschehen. Berichterstattung und unbekannten Wesen des „Virologen“ (hauptsäch- Während in Österreich verzweifelte Landespoli- lich Virologin) und des „Komplexitätsforschers“ öffentliche Diskussion das tiker zugeben mussten, dass ihre Beamten die begannen die Medien, ihre Macht so richtig mas- Impf- und Testangebote komplett versemmelt politische Geschehen siv auszubauen und auszukosten. Ruhig-sachli- hatten (Ausnahme Wien!!!), machten sich in Ita- beeinflussen können.“ che Information (die es ohnehin nie gegeben lien General Francesco Figliuolo und in Portugal hatte) wurde a bgelöst vom Stakkato des täglichen Wikipedia Vizeadmiral Henrique Gouveia e Melo ans Werk, Alarmismus. Nicht nur unter den beteiligten Jour- die Nation nachhaltig durchzuimpfen. Mission nalisten, sondern auch im Lager der „Fachmedi- accomplished. ziner“ entbrannte der Wettbewerb um die scho- Portugal ist Impfweltmeister, Österreich Demonstrationswelt ckierendste Prophezeiung. Damit wurden sämtliche Bemühungen meister. handelnder Politiker erledigt. Beispiel: Landeshauptmann fordert in der „ZIB 2“ raschere Öffnungsschritte… Zack, bekommt er im Die News-Zwillinge als Krisen-Gesichter nächsten Morgenjournal schon einen Virologen drübergebraten. Dass der doppelte Altkanzler den ORF als Untersektion seiner Kom- Je länger dieses Spiel dauert, umso dringender wird die Frage, ob munikationsabteilung betrachtete ist inzwischen historisch gesi- die Menschen in diesen Redaktionen noch Kontakt mit dem wirk- chert. Es verwundert also nicht, wie er die Krisen-Information lichen Leben haben. Interessiert man sich in diesem Kokon über- anlegte: Kassandra 19.30. Sobald die News-Zwillinge der „ZIB 1“ haupt dafür, wie es in Büros, Geschäften und Betrieben tatsächlich erscheinen weiß ganz Österreich, dass es ungemütlich wird. Nach aussieht und welche wirtschaftlichen und psychischen Probleme einem kurzen Einleitungstext stürmt meist der männliche Teil der dort herrschen? News-Zwillinge an die Grafik-Wand, um den neuesten Infektions- Und dann gibt es aktuell noch eine spannende Frage: Wie gehen Rekord zu referieren. Informationsauftrag des Staatsmediums? War Österreichs Medien damit um, dass offenbar einige ihrer Virolo- das nur so gestaltbar oder hätte man die Überbringung der schlech- gen-Freundinnen und -Freunde geschäftlich an Testlabors beteiligt ten Nachrichten nicht neutraler gestalten können? Siehe Schweden, sind? Denn diese Industrie macht umso mehr Umsatz, je düsterer siehe Deutschland, siehe Dänemark… die Prophezeiungen der einschlägigen „Fachmediziner“ sind. AA 4 anwalt aktuell 01/22
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TITELSTORY „Vergaberecht neu denken!“ WEISSE FLECKEN. Vergaberechts-Experte Martin Schiefer konstatiert den Bewusstseinsmangel in Sachen Vergaberecht, speziell auch in der Pandemie. Seine Kanzlei mit fünf Standorten expandiert demnächst auch nach Linz und sucht bundesweit engagierte Juristinnen und Juristen. Interview: Dietmar Dworschak ANWALT AKTUELL: Obwohl das Thema Ver nen und Mitarbeitern, davon 16 Juristinnen und gaberecht seit über 20 Jahren als sogenanntes Juristen. Da muss man schon gut zu tun haben. „Nischenthema“ am Markt bekannt ist habe ich Was sind Kernthemen und Kernbereiche? nach wie vor den Eindruck, dass die Wichtigkeit dieses Rechtsbereichs noch nicht wirklich erkannt Mag. Martin Schiefer: Wir leben die Regionalität, wird. Stimmt das – und gibt es Akzeptanzunter daher die Standorte direkt bei den Mandanten. schiede in gewissen Bereichen? Wir dürfen fröhlich mitteilen, dass wir demnächst auch in Linz eröffnen. Die Expansion geht also Mag. Martin Schiefer: Stimmt zu 100 Prozent, weiter, weil im Föderalismus viele Dinge dort ent- wir unterschreiben das nachdrücklich. Gerade in schieden werden, wo sie auch hingehören, näm- der Pandemie hat man gesehen, wie wichtig ein lich auf Landes- und Gemeindeebene. Unser Spe- gut funktionierender Einkauf ist, der Vertrauen zifikum – die Nähe zum Mandanten – kann man zu den Lieferanten aufbaut und auch die Bestel- nur abbilden, wenn man vor Ort ist. Die großen ler gut abholt sowie die Bedürfnisse der Anwen- Infrastrukturvorhaben wie Regionalstadtbahn der checkt. Das alles hat in der Pandemie nicht Salzburg, wie LASK-Stadion, wie die Wien-Arena funktioniert und daher haben wir auch ein neues sind alles Projekte, die spezifisch auf Stadtent- Produkt entwickelt, das „Procurement 360 Grad“ wicklung abzielen. Da muss man das Lokalkolorit heißt und die Fähigkeiten des Einkäufers stärken und die lokalen Ansprechpartner kennen. soll. Wir fordern auch, dass der Einkäufer, die Einkäuferin als Strategieabteilung direkt neben ANWALT AKTUELL: Wollen Sie nicht nur geo dem Vorstand angesiedelt werden muss. Einkauf grafisch, sondern auch personell expandieren? darf kein Nischenthema bleiben, es ist ein we- sentlicher Teil der Strategie. Mag. Martin Schiefer: Es ist jede und jeder aufge- fordert, sich bei uns zu bewerben. Wir freuen uns ANWALT AKTUELL: Schiefer Rechtsanwälte be sehr über interessante Bewerbungen aus allen treiben aktuell die Standorte Wien, Graz, Klagen österreichischen Bundesländern. furt, Salzburg und St. Pölten mit 35 Mitarbeiterin ANWALT AKTUELL: Wenn man an das von der Bundeswettbewerbsbehörde aufgedeckte Baukar tell denkt, stellt sich die Frage: Wie ist so etwas zu verhindern, speziell durch ein eindeutiges und gut angewendetes Vergaberecht? Mag. Martin Schiefer: Das Vergaberecht ist ja schon ein Compliance-getriebenes Recht, was man aber tun muss: die kartellrechtlichen Be- stimmungen mit den vergaberechtlichen Rege- lungen verheiraten. ANWALT AKTUELL: Möglicherweise noch viel größere Dimensionen des Unrechts könnten im Rahmen der Vergaben in der Corona-Pandemie geschehen sein. Zum Stichwort Testanbieter hört man, dass hier einiges überhaupt ohne Ausschrei bungen gelaufen sei. Haben Sie das auch mitbe kommen? Mag. Martin Schiefer: Man muss da unterschei- MAG. RUDOLF PEKAR den. Es gab die erste Phase der Pandemie, wo 6 anwalt aktuell 01/22
TITELSTORY niemand gewusst hat, in welche Richtung die Reise geht. Damals waren aus unserer Sicht die Notvergaben durchaus argumentierbar. Mittler- weile sind wir allerdings schon gleich im dritten Jahr der Pandemie und da ist schon kritisch zu fragen, warum nach wie vor mit Notvergaben ge- arbeitet wird. ANWALT AKTUELL: Unter anderem der Bundes präsident pflegt des Öfteren zu sagen, dass uns nach Überwindung der Pandemie ein weiteres ungelöstes Problem bleibt: die Klimakrise. Welche Bedeutung hat der neue Begriff „ESG – Environ mental Social Governance“ im Vergaberecht? Mag. Rudolf Pekar: Einer der wesentlichsten As- pekte in der Vergabe ist die Nachhaltigkeit. Es gibt einen eigenen Grundsatz, der besagt, dass die Nachhaltigkeit, die Umweltgerechtheit im Vergaberecht abzubilden ist. In unseren Aus- schreibungen erleben wir dies tagtäglich in den verschiedensten Aspekten. Diese Aspekte entwi- ckeln wir kontinuierlich weiter, auch im Hinblick auf die EU-rechtlichen Vorgaben. MAG. MARTIN SCHIEFER Mag. Martin Schiefer: ESG ist im Grunde das, gagierten Anwältinnen und Anwälten. Da kann was wir als DNA der Kanzlei haben, nämlich die man nicht drauf warten, bis man 60 ist. Regionalität. In der Pandemie war zu sehen, dass Das ist ein Prozess, das ist eine Transition, die die man krisenfest ist, wenn man auf Vertrauen in Kanzlei belebt und motiviert. Auch mich selbst Form lokaler Netzwerke bauen kann. Deshalb motiviert dieser Vorgang. Es ist nichts schlimmer, war auch die Bauwirtschaft von der Pandemie als einsam alt zu werden. Deswegen freue ich nur relativ leicht betroffen, weil sie ihre Netzwer- mich, mit Magister Rudolf Pekar einen jungen ke statistisch gesehen im Radius von 180 Kilome- Kollegen zu haben, der die Visionen teilt und mit tern hat. ESG heißt nachhaltig sein, ESG heißt mir gemeinsam die Kanzlei in die Zukunft führen geringer CO²-Ausstoß, das ist für uns die Welt der wird. Regionalität. Es heißt immer, Vergaberecht darf keine Regionalvorgaben berücksichtigen. Das ANWALT AKTUELL: Wie sehen Sie diese Zukunft? werden wir jetzt aber müssen. Mag. Rudolf Pekar: Wenn man die Möglichkeit ANWALT AKTUELL: Eine andere dunkle Wolke bekommt, mit einer der schillerndsten Persön- über Österreich trägt den Namen „Inseraten lichkeiten des Vergaberechts zusammenzuarbei- korruption“. Sehen Sie irgendwo am Horizont ten und gemeinsam eine unternehmerische Zu- das Interesse oder die Bemühung, diese Praxis kunftsperspektive zu gestalten, dann ist das ein einzustellen, beispielsweise durch ordentliche Angebot, das man sicher nicht ablehnen kann. Vergabe-Richtlinien? Für mich ist das sehr spannend. Mag. Martin Schiefer: Ich habe in diesem Zusam- ANWALT AKTUELL: Zurück zur Eingangsfrage, menhang bereits sehr viel gemacht, weil wir als wie stark das Vergaberecht im öffentlichen Be Kanzlei Vorreiter in Sachen Transparenz sein wol- wusstsein denn verankert sei. Meine Frage: Ist die len. Es gibt infolge der bekannten Turbulenzen Thematik schon bei allen Amtsleitern Österreichs um frühere Inseratenvergaben bereits erste Vor- angekommen? schläge, die Medienpolitik anders zu gestalten. Am Vergaberecht scheitert es nicht. Inserate sind Mag. Martin Schiefer: Definitiv nein! Es gibt im- nach vergaberechtlichen Regeln zu vergeben. mer noch Menschen, die Vergaberecht mit „F“ schreiben. Es gibt noch großen Schulungs- und ANWALT AKTUELL: Ihre Kanzlei ist relativ jung – Fortbildungsbedarf. Es ist aber jedem, der bei und dennoch denken Sie bereits an Ihre Nachfolge? den diversen Gebietskörperschaften Geld in die Hand nimmt, dringend zu empfehlen, sich aus Mag. Martin Schiefer: Relativ jung ist gut (lacht). Gründen der Transparenz und Nachvollziehbar- Entgeltliche Einschaltung SCHIEFER Rechtsanwälte Ich bin relativ alt in einer jungen Kanzlei. Die keit auch bei kleinen Beträgen mit dem Vergabe- Nachfolgeregelung ist für mich deshalb ein The- recht zu beschäftigen. Wien · St. Pölten · Salzburg ma, weil ich sage: das Netzwerk, das ich als Graz · Klagenfurt 35-jähriger Anwalt gerne gehabt hätte, das Herr Magister Schiefer, Herr Magister Pekar, www.schiefer.at möchte ich übergeben und teilen mit jungen, en- danke für das Gespräch. anwalt aktuell 01/22 7
HOT SPOTS – Juristen und Kanzleien FSM hat das Wiener Gesundheits-Start-Up myReha bei 2,2 Millionen Euro Financing-Round beraten WISSEN FSM Rechtsanwälte (FSM) beriet die myReha GmbH (myReha), ein österreichisches Start-Up im Bereich der digitalen Schlaganfall MACHT therapie, beim Einstieg mehrerer Investoren im Zuge einer Pre Seed ERFOLG Gesamtprogramm unter ars.at Runde in der Höhe von EUR 2,2 Mio. myReha ist eine auf Künstlicher Intelligenz basierende, digitale Therapieplattform, die es Schlaganfallpatient*innen ermöglicht, JETZT DURCHSTARTEN gezielt und individuell an persönlichen Schlaganfallfolgen zu ar- MIT DER ARS AKADEMIE beiten. „Herzliche Gratulation an myReha und an das 11097 Tagung Insolvenzrecht – Treffpunkt gesamte Gründerteam der Insolvenzrechts Community 04.–06.10.22, zu diesem strategischen Saalfelden Hon.-Prof. Dr. Mohr u. a. Investment. Wir freuen uns, unsere Expertise bei der rechtlichen Beglei 10358 Lehrgang Stiftungen tung von Start-Ups er Vermögen optimal veranlagen folgreich eingebracht zu haben und myReha auch bei kommenden 07.–22.03.22, Wien RA Dr. Eiselsberg | RA DDr. Müller, TEP u. a. Wachstumsschritten rechtlich zu beraten“, erklärt FSM Rechtsan- walt Felix Augustus Kirkovits. Das FSM-Team stand unter der Führung von Rechtsanwalt Felix Augustus Kirkovits. Außerdem beteiligt waren Partner Hannes Jetzt anmelden: Havranek, Rechtsanwalt Marvin Neuhauser und Rechtsanwalts- ARS Akademie, 1010 Wien anwärter Kevin Bley. office@ars.at | +43 (1) 713 80 24-0 Wagner Rechtsanwälte wird Schindler Attorneys berät Immo mit Jahreswechsel zu WAGNER bilienentwickler Helios Real Estate VIRTBAUER Rechtsanwälte Schindler Attorneys hat den Immobilientwickler Helios Real Der Wirtschaftsanwalt Mag. Peter Virtbauer, LL.B. kehrt nach Estate beim Erwerb einer rund 21 Hektar großen und unmittelbar mehrjähriger Tätigkeit bei renommierten Wirtschaftskanzleien in an den Flughafen Wien angrenzenden Liegenschaft beraten, auf Wien in seine Heimatstadt Schärding zurück und verstärkt die der ein 70.000 m² großes Logistikzentrum errichtet wird. Diese Wagner Rechtsanwälte GmbH als neuer Partner. Betriebsneuansiedlung in der AirportCity schafft rund 1.000 neue Mag. Peter Virtbauer, LL.B. hat umfassende Erfahrung in den Berei- Arbeitsplätze. chen Unternehmens-, Gesellschafts- und Insolvenzrecht, Vertrags- Das Transaktions-Team bei Schindler errichtungen aller Art, Immobilienrecht, Z ivil-, Straf- und Wirtschafts- Attorneys unter der Federführung der strafrecht sowie in dem Bereich Blockchain und Kryptowährungen. Partner Martin Abram (Immobilienrecht) Weitere Verstärkung des Teams bildet Mag. Eva Maria Seeburger, die und Clemens Philipp Schindler (Gesell- Erfahrung in den Bereichen Zivil-, Erb-, Familien- und Scheidungs- schaftsrecht/M&A und Steuerrecht) be- recht sowie Schadenersatz- und Reiserecht aufweist. stand ferner aus Isolde Klinger (Senior Mag. Roman Wagner ist Ende des Jahres aus der Kanzlei ausge Associate, Gesellschaftsrecht/M&A), Da- schieden. niel Kropf (Senior Associate, Steuerrecht) Dr. Karl Wagner freut sich, mit Mag. Eva Seeburger und Mag. Peter und Simon Fehlhofer (Associate, Gesell- Virtbauer, LL.B. die Kanzlei zu verstärken und das bisherige, umfas- schaftsrecht/M&A). sende Leistungsspektrum sowie die fachkompetente Vertretung vor Martin Abram Ein Team um Christoph U rbanek (Partner allen Gerichten und Behörden für die Mandanten/innen sicher zu Immobilienrecht und F inanzierung) ist stellen. mit der Finanzierungsberatung betraut. Schindler Attorneys begleitete die Trans- aktion als Lead Counsel, English Counsel von Helios Real Estate war die Kanzlei Macfarlanes aus London. Die Verkäufer wurden von PwC Legal beraten. Stehend: Mag. Roman Wagner (ausgeschieden), Mag. Eva Maria Seeburger Sitzend: Dr. Karl Wagner, Clemens Philipp Schindler Mag. Peter Virtbauer, 8 anwalt aktuell 01/22
ÖRAK „Rechtsstaat bedeutet auch, die er- forderlichen Mittel bereitzustellen“ ÖRAK-Präsident Dr. Rupert Wolff im Gespräch mit Anwalt Aktuell über die kürzlich beschlossene Impfpflicht, Postenvergaben in der Justiz und die Not- wendigkeit der Bereitstellung budgetärer Mittel für den Rechtsstaat. Anwalt Aktuell: Die COVID-19-Pandemie hält uns ANWALT AKTUELL: Apropos Gericht: Die jüngs auch nach dem Jahreswechsel weiter in Atem. Ein ten Veröffentlichungen von Chat-Protokollen le Thema, das in diesem Zusammenhang besonders gen nahe, dass auch im Justizbereich nach frag die Gemüter erregt, ist die vom Nationalrat be würdigen Kriterien Posten vergeben wurden. Wie schlossene Impfpflicht. Halten Sie diese Maßnah beurteilen Sie die publik gewordenen Vorgänge? me für verfassungskonform? Rupert Wolff: Die Grundvoraussetzung für das Rupert Wolff: Wenn Bedenken bezüglich der Ver- Funktionieren der Justiz und unseres Rechtsstaa- fassungskonformität eines Gesetzes bestehen, tes ist das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. gibt es dafür einen klar vorgezeichneten Rechts- Wird dieses Vertrauen beschädigt, gefährdet man weg und es ist wohl davon auszugehen, dass die- damit automatisch die Funktionsfähigkeit des ser im konkreten Fall – von wem auch immer – Rechtsstaates. Meiner Ansicht nach sind die pub- beschritten werden wird. Ich maße mir nicht an, lik gewordenen Vorgänge durchaus geeignet, das an dieser Stelle eine allfällige Entscheidung des Vertrauen der Bevölkerung in die unabhängige Verfassungsgerichtshofes zu prognostizieren. Mir Justiz zu beschädigen. Daher bin ich ganz bei ist etwas anderes wichtig: Das von mir oft ins Feld OGH-Präsidentin Elisabeth Lovrek, die die richti- geführte Vertrauen der Bürger in die Institutio- gen Maßnahmen ergriffen hat. Und ich unter- nen verlangt vor allem bei hochgradig umstritte- stütze die Forderung des Obersten Gerichtshofes, nen Fragen wie der Impfpflicht nach schneller auch für die Auswahl der Präsidentin und der Vi- Klärung und der Schaffung von Rechtssicherheit. zepräsidenten einen Senatsvorschlag vorzuse- DR. RUPERT WOLFF Wie ich bereits vor knapp zwei Jahren angeregt hen. Es ist aber genauso unschön, dass Richter- Präsident des Österreichischen habe, sollten wir durchaus darüber diskutieren, stellen am Verfassungsgerichtshof in geheimen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK) wie man künftig ein Eilverfahren beim Verfas- Sidelettern von Regierungsübereinkommen ab- sungsgerichtshof analog zu jenem beim deut- getauscht werden. Ich halte das für respektlos ge- schen Bundesverfassungsgericht ermöglichen genüber dieser zentralen Institution unserer Re- könnte. Wobei ich festhalten möchte, dass der publik und absolut entbehrlich. Verfassungsgerichtshof gerade in den letzten Jah- ren eindrucksvoll bewiesen hat, dass er rasche ANWALT AKTUELL: Bleiben wir abschließend Entscheidungen treffen kann. noch bei der Justiz. Was wünscht sich der Rechts anwälte-Präsident im neuen Jahr von der Justiz ANWALT AKTUELL: Viele Menschen fühlen sich ministerin? durch die Coronamaßnahmen zunehmend einge schränkt. Manche Rechtsanwältinnen und Rechts Rupert Wolff: Die Zeit der Weihnachtswünsche anwälte positionieren sich bewusst als Vertreter haben wir bereits hinter uns. Wir erwarten aller- von Maßnahmengegnern. Finden Sie diese Ent dings in hoffentlich naher Zukunft ein Berufs- wicklung besorgniserregend? rechtsänderungsgesetz, mit dem unter anderem die Ruhendstellung der Rechtsanwaltschaft auf- Rupert Wolff: Ich fände es besorgniserregend, grund Elternschaft eingeführt werden soll. Das wenn Menschen keinen Rechtsbeistand für ihr wäre eine wichtige Maßnahme mit Symbolkraft. Anliegen fänden, unabhängig davon, worum es Außerdem fordern wir eine Anpassung der tarif- sich handelt. Wir müssen die Diskussion und lichen Beträge im Rechtsanwaltstarifgesetz. Hier auch den Streit in den dafür vorgesehenen Struk- gilt es, die Inflation der letzten Jahre auszuglei- turen und Ebenen zulassen, um danach wieder chen und die Rahmenbedingungen für vernünf- zueinander zu finden. Oft kann man erst nach- tige rechtsstaatliche Standards sicherzustellen. dem ein Gericht Recht gesprochen hat seinen Auch der Verteidigungskostenersatz bei Frei- Frieden finden. Die Bürgerinnen und Bürger ha- spruch bedarf endlich einer massiven Erhö- ben ein Recht darauf, ihre berechtigten oder hung. Rechtsstaatlichkeit bedeutet eben auch, manchmal auch nicht berechtigten Ansprüche die dafür erforderlichen Mittel bereitzustellen. vor Gericht einzufordern. Wir Rechtsanwältinnen Nicht nur im Bereich der ordentlichen Justiz, und Rechtsanwälte unterstützen bei der Inan- sondern vor allem dort, wo es um die Durchset- spruchnahme dieses Rechtes. Das Gericht ent- zung der Rechte von Bürgerinnen und Bürgern scheidet. So ist das in einem guten Rechtsstaat. geht. anwalt aktuell 01/22 9
GERICHTE „Generationenwechsel ist die größte Herausforderung der nächsten Jahre“ 50 PROZENT ABGANG. Innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre geht die Hälfte der österreichischen Richterinnen und Richter in den Ruhestand. S abine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung, mahnt das Justiz ministerium, sich dringend um den Nachwuchs zu kümmern. Massive Personalengpässe befürchtet sie auch infolge der Klagen rund um Covid und die Impfpflicht. Interview: Dietmar Dworschak ANWALT AKTUELL: Frau Präsidentin, sind Sie gibt, für die andere gesetzliche Bestimmungen eigentlich froh, dass jene Kerntruppe der ÖVP, die gelten, die den Zugang zu diesen Akten be- immer wieder die Justiz attackiert hat, aus der Po schränken. Die treten ja nicht außer Kraft. Indem litik verschwunden ist? man die Gerichte hier mit hinein nimmt sugge- riert man, dass ein Informationszugang besteht, Mag. Sabine Matejka: Ich bin froh, dass jetzt man müsste solche Anträge aber aufgrund ande- Ruhe eingekehrt ist. Es wird wieder sachlich ge- rer Bestimmungen ablehnen. arbeitet. Im Moment bin ich optimistisch. ANWALT AKTUELL: Bleiben wir gleich bei Ein ANWALT AKTUELL: Eine der ewigen Baustellen sprüchen gegen Gesetzesvorhaben. Im Justizmi der österreichischen Politik ist das Informations nisterium kann man sich die Etablierung soge freiheitsgesetz. Dass hier nichts weitergeht liegt nannter Video-Gerichtsverhandlungen auch in unter anderem an der negativen Stellungnahme Zeiten ohne Pandemie vorstellen. OGH-Präsiden der Richtervereinigung. Was gefällt Ihnen nicht tin Lovrek hat dazu gemeint: „Gerichtsverfahren am Entwurf? sind keine Online-Yogastunde“. Sehen Sie Video- Verfahren ebenfalls kritisch? Mag. Sabine Matejka: Ich glaube nicht, dass es primär wegen unserer Stellungnahme hakt, son- Mag. Sabine Matejka: Die Video-Verfahren waren dern hauptsächlich wegen der Einwände von und sind auch jetzt noch durchaus hilfreich. Sie Gemeinden und anderen Behörden, die einen kommen tatsächlich nur in einem eingeschränk- hohen Verfahrensaufwand fürchten. Wir haben ten Maß zum Einsatz. Richterinnen und Richter unter anderem darauf hingewiesen, dass dort, sowie auch die Anwaltschaft sind sich einig, dass wo die Gerichte betroffen sind, das Gesetz ohne- die unmittelbare Beweisaufnahme vor Gericht et- hin ins Leere geht, da die Gerichte aufgrund an- was ist, auf das man nicht verzichten möchte. Für derer Bestimmungen keine Einsicht gewähren eine Zeugeneinvernahme im Rahmen einer Video dürfen bei Personen, die nicht selbst Verfah- konferenz gibt es kaum eine Akzeptanz. renspartei sind. Außer Verwaltungsaufwand der Für eine Erörterung der Rechtslage oder die Gut- Gerichte, die die Anträge ablehnen müssen, achtenserörterung mit einem Sachverständigen schaut dabei nichts raus. Diesen unnötigen Auf- ist es aber durchaus ein adäquates Mittel, das vie- wand sollte man den Gerichten ersparen. le Wege ersparen könnte. Für Teile des Verfahrens sehe ich durchaus eine gewisse Berechtigung. Das ANWALT AKTUELL: Ihnen geht es hauptsächlich Problem des Entwurfs des Justizministeriums war, um den persönlichen Datenschutz? dass die aktuellen Covid-Regelungen eins zu eins ins Dauerrecht übernommen werden sollten. Es Mag. Sabine Matejka: Es geht darum, dass es in gibt keine generelle Ablehnung, aber noch einigen Gerichtsverfahren viele parteienbezogene Daten Gesprächsbedarf. 10 anwalt aktuell 01/22
GERICHTE SABINE MATEJKA Magistra iuris, Richterin, seit 2017 Präsidentin der österreichischen Richter vereinigung, seit 2021 auch Vizepräsidentin der internationalen und der europäischen Richter vereinigung. Vorsteherin des BG Floridsdorf. ANWALT AKTUELL: Rechtssicherheit entsteht Ich glaube aber, dass man aus der Situation he- nicht zuletzt durch Entscheidungen und Urteile raus keine vorschnellen Änderungen vornehmen ganz oben. Der OGH hat über ein Jahr gebraucht, kann und soll. Man vergleicht die Situation im- um eine Grundsatzentscheidung zum Thema mer mit Deutschland. Dort sind am Bundesver- Geschäftsmieten im Lockdown herbeizuführen. fassungsgericht jedoch Berufsrichter mit einem Der Verfassungsgerichtshof lässt uns interessiert anderen Apparat und einer anderen Verfügbar- warten, ob es zulässig war, 1,2 Millionen Bürge keit. rinnen und Bürger in den Lockdown zu schicken, obwohl sie bereits geboostert waren. Wie wirken ANWALT AKTUELL: Wie sehen Sie im Moment sich solche Zeitabläufe auf die Gerichtsbarkeit den Zustand des Rechtsstaates? Da ziehen mehre aus? re 10.000 Demonstranten ohne Abstand und ohne Maske durch die Städte – und vielleicht ein Dut Mag. Sabine Matejka: Die angesprochene zend wird angezeigt. Anderes Thema: Lockdown OGH-Entscheidung ist eine, auf die die erstin für Ungeimpfte. Der ist verordnet – und keiner stanzlichen Gerichte mit Spannung gewartet ha- hält sich dran. Ist das die „neue Normalität“ des ben, da hier noch viele Verfahren in der Pipeline Rechts? Es gibt “ sind. Für die Gerichte ist das weniger ein Prob- lem als für die vom Verfahren betroffenen Partei- en, die entsprechende Verzögerungen in Kauf Mag. Sabine Matejka: Ich glaube, dass wir uns derzeit in einer Art Ausnahmezustand befinden kaum eine nehmen müssen. und dass es nachvollziehbar für Frustrationen Akzeptanz sorgt, wenn Regeln von einem Teil der Bevölke- für die Zeugen- ANWALT AKTUELL: Ist es nicht geradezu logisch, rung nicht eingehalten werden. Auf der anderen dass das Vertrauen der Menschen in die Justiz ero Seite habe ich auch ein gewisses Verständnis für einvernahme diert, wenn das so lange dauert, Stichwort VfGH – die Exekutive, wenn sie mit Umsicht vorgeht, um per Video. Wegsperrren der Geimpften? Konflikte nicht noch weiter hochzuschaukeln. Mag. Sabine Matejka: Zur Verfahrensdauer am ANWALT AKTUELL: Vor ziemlich genau einem Verfassungsgerichtshof kann ich nicht so viel sa- Jahr waren Sie einigermaßen besorgt über eine gen. Grundsätzlich trifft der VfGH seine Ent- damals drohende Insolvenzwelle. Diese ist nicht scheidungen relativ rasch. Es gibt immer wieder gekommen. Dafür gibt es jetzt voraussichtlich Stimmen, die eine Vorabprüfung fordern. Der in einen Klage-Tsunami zum Thema Impfpflicht. Deutschland mögliche Eilantrag wäre sicher Was erwarten Sie hier? auch in Österreich im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Impfpflicht interessant gewesen. Man Mag. Sabine Matejka: Die Insolvenzen sind nicht könnte sich im Nachhinein möglicherweise eini- angekommen, wie damals befürchtet. Zum Jah- ges Ungemach ersparen. resende haben wir allerdings einen leichten An- anwalt aktuell 01/22 11
GERICHTE stieg bemerkt. Ich denke, da wird schon noch et- und auszubilden, um die einschneidenden Pen- was kommen. Dadurch, dass sich das Pandemie- sionierungslücken aufzufüllen. Dieser Generati- geschehen in die Länge gezogen hat und es onenwechsel wird eine der größten Herausforde- einige Förderungen gegeben hat wurde sicher rungen der nächsten Jahre. einiges auf die lange Bank geschoben. Hinsichtlich der Impfpflicht ist tatsächlich mit ANWALT AKTUELL: Haben Sie den Eindruck, vielen Verfahren zu rechnen. Das Impfpflichtge- dass hier die nötigen Zukunftsinitiativen gesetzt setz sieht einen Drei-Stufen-Plan vor. Da es somit werden? Momentan “ nicht von Anfang an ein flächendeckendes Mag. Sabine Matejka: Im Moment sind wir in ei- werden viele Screening gibt wird die Situation für die Gerichte etwas einfacher. ner Phase, wo wir zu wenig gut ausgebildeten Nachwuchs haben. Die Ursachen dafür liegen in Quereinsteiger Wenn also anfangs nur im Einzelfall kontrolliert der Sparpolitik der Vorjahre. Dann hat man ja im aus der wird kommt nicht gleich eine große Welle auf die letzten Jahr mehr oder weniger unvorhergesehen Anwaltschaft Gerichte zu. Sollte man sich dann entscheiden, zusätzliche Stellen bei der Staatsanwaltschaft ge- die Phase drei mit dem allgemeinen Screening für schaffen, die den Pool der jungen Kolleginnen aufgenommen. alle, die nicht geimpft sind, anzusetzen, dann wer- und Kollegen in der Richterschaft verringert ha- den voraussichtlich sehr viele Einsprüche auf ben. Das trifft jetzt die Gerichte. Momentan wer- einmal auf die Landesverwaltungsgerichte zu- den viele Quereinsteiger aus der Anwaltschaft kommen. Das wäre dann eine enorme Belastung. aufgenommen, die dann die Ergänzungsprüfung Man muss sehen, dass die Landesverwaltungsge- ablegen und nach kurzer Übergangszeit zu Rich- richte bereits jetzt schon extrem belastet sind, weil tern ernannt werden. Grundsätzlich ist das posi- alle Strafbescheide im Zusammenhang mit Coro- tiv und erfolgreich. Damit können wir aber nur na-Maßnahmen dort bekämpft werden. Außer- einen Teil des Bedarfs kompensieren. dem gibt es noch tausende Verfahren, die noch bei den Behörden liegen. ANWALT AKTUELL: Sollte die Pandemie irgend wann ein Ende finden grüßt wieder das alte The ANWALT AKTUELL: Gerade kürzlich haben Sie in ma der ungleichen Kommunikation zwischen der einem Interview bemerkt, die Personalsituation Angeklagten-Seite und den Gerichten. an den Gerichten sei – speziell nach der Warnung Gerade hat sich ein renommierter Ex-Staatsan vor dem „stillen Tod der Justiz“ – besser geworden? walt an der größten PR-Agentur Österreichs betei ligt. Haben Gerichte und Staatsanwälte ähnliche Mag. Sabine Matejka: Es ist insofern besser ge- Kaliber zur Hand, um sich gegen sogenannte Liti worden als die Einsparungen insbesondere im gation-PR zu wehren? nichtrichterlichen Bereich vor zwei Jahren ge- stoppt worden sind und auch zusätzliche Stellen, Mag. Sabine Matejka: Im aktuellen Budget wur- vor allem im Kanzleibereich, geschaffen wurden. den drei Stellen für Medienarbeit geschaffen. Nach wie vor gibt es das grundsätzliche Problem, Meines Wissens ist dafür gerade die Ausschrei- diese Stellen auch tatsächlich zu besetzen. Die bung im Gange. Die ausgewählten Personen sol- Arbeitsbedingungen in der Justiz sind offenkun- len bei besonders medienträchtigen Behörden dig nicht ganz so attraktiv. Man tut sich manch- eingesetzt werden. In diesem Pilotprojekt will erorts schwer, geeignete Mitarbeiterinnen und man testen, wie so eine Arbeit funktioniert. Bei Mitarbeiter zu finden. Erfolg sollen solche Positionen später auch aus- Ein anderes Problem wird sich in der nahen Zu- gebaut werden. Das ist sicher ein guter Weg, auf kunft stellen: In den nächsten fünf bis zehn Jahren dem das Justizministerium versucht, die Me- werden wir durch Pensionierung einen massiven dienarbeit auf professionellere Beine zu stellen. Abgang an Richterinnen und Richtern haben. Wir machen das Justizministerium regelmäßig darauf ANWALT AKTUELL: Was antworten Sie „gestande aufmerksam, rechtzeitig Personal aufzunehmen nen“ Anwälten, männlich, die sich über die weibli che Mehrheit in der Richterschaft beschweren und unverhohlen eine „Männerquote“ fordern? Mag. Sabine Matejka: Ich kann verstehen, dass die Männer dieselben Chancen haben wollen wie die Frauen, in die Justiz aufgenommen zu werden. Allerdings glaube ich, dass es den Frau- enbonus zum Eintritt in die Justiz nicht mehr gibt, auch aufgrund der Tatsache, dass wir ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in der Richterschaft haben. Ich kann jedem Mann ga- rantieren, dass er bei seinem Versuch, in die Jus- tiz aufgenommen zu werden, keine Benachteili- gung erfahren wird. Frau Präsidentin, danke für das Gespräch. 12 anwalt aktuell 01/22
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HOT SPOTS – Juristen und Kanzleien Deloitte Legal vermeldet CHG Rechtsanwälte ruft neue Rechtsanwältin für neue Praxisgruppe ins Leben Corporate/M&A-Bereich © Charly Lair - Die Fotografen Jank Weiler Operenyi, die öster- reichische Rechtsanwaltskanz- lei im globalen Deloitte Legal Netzwerk, baut das Team junger Rechtsanwälte weiter aus: Ab sofort verstärkt Yvonne Gutsohn als Rechtsanwältin den Bereich Corporate/M&A. Yvonne Gutsohn (32) verstärkt als eingetragene Rechtsanwältin den Bereich Corporate/M&A von Jank Weiler Operenyi/De- loitte Legal. Sie ist seit Oktober 2021 Teil des Teams und war zu- v.l.n.r: Katharina Schwager, Dietmar Czernich, Daniel Tamerl vor in einer renommierten Wirt- Yvonne Gutsohn schaftskanzlei als Rechtsan- Das Beratungsportfolio umfasst das Bankvertragsrecht, insbeson- waltsanwärterin tätig. Sie absolvierte nach ihrem Jus-Studium in Wien dere das Darlehens- und Kreditsicherungsrecht, Banken-AGB ein weiterführendes internationales Masterstudium (International sowie das Wertpapierrecht. Der neuen Praxisgruppe gehören Commercial Law with Professional Skills) in Aberdeen, Schottland. Daniel Tamerl und Dietmar Czernich an, auch die Rechtsanwalts- Ihre fachlichen Schwerpunkte liegen in den Bereichen Gesellschafts- anwärterin Katharina Schwager wechselt in das Bankrechtsteam. recht sowie Mergers & Acquisitions. Gründungspartner und Rechtsanwalt Dietmar Czernich begleitet „Wir gratulieren Yvonne Gutsohn zur Eintragung als Rechtsanwältin seit vielen Jahren nationale und internationale Mandanten bei und freuen uns sehr, dass sie uns als ausgewiesene Expertin für Gesell Unternehmenstransaktionen und Finanzierungsfragen. Rechts- schaftsrecht und M&A in Zukunft unterstützt.” anwalt und Partner Daniel Tamerl leitet die Gruppe. Er ist Experte im Verbraucher- und Kreditrecht, zudem bringt er umfassende Erfahrungen und Expertise aus dem Immo- Beförderung zum Head of bilienrecht in die Praxisgruppe ein. New Technologies bei der Kanzlei EY Law Neuer Rechtsanwalt bei Rechtsanwalt Dr. Martin Hanzl CERHA HEMPEL (29) leitet seit Dezember 2021 den Bereich New Technologies Seit Januar 2022 verstärkt Dr. bei der Kanzlei EY Law – Pelz- Christoph Schimmer, MSc, als mann Gall Größ Rechtsanwälte. Rechtsanwalt und Steuerbera- Sein Verantwortungsbereich ter die Corporate und Steuer- umfasst unter anderem aufstre- praxis von CERHA HEMPEL im bende Technologien wie Block- Team von Dr. Benjamin Twar- chain & andere Distributed- dosz, LL.M. Ledger-Technologien und damit Dr. Christoph Schimmer ist so- zusammenhängende Rechtsfra- wohl als Rechtsanwalt als auch gen (etwa im Zusammenhang als Steuerberater zugelassen mit Kryptowährungen, Non-fun- und verfügt über mehrere Jahre gible Tokens (NFT) oder Decen- Erfahrung in beiden Berufen. tralized Finance) sowie zivil-, An der Schnittstelle zwischen Martin Hanzl urheber- und lizenzrechtliche der Corporate-Praxis und der Fragen rund um den Einsatz künstlicher Intelligenz. Darüber hinaus Tax-Praxis berät er fachüber- Christoph Schimmer berät er insbesondere auch Start-ups hinsichtlich eines Markteintritts, greifend in den Bereichen Un- bei Finanzierungsrunden und auf dem Weg zu einem erfolgreichen ternehmensrecht, Gesellschaftsrecht, Konzernsteuerrecht und in- Exit. ternationales Steuerrecht. Die Schwerpunkte seiner Beratungstä Auf europäischer Ebene ist Martin Hanzl Projektverantwortlicher tigkeit umfassen dabei insbesondere M&A-Transaktionen, des Forschungsprojektes „Blockchain and Smart Contracts“ des Umgründungen und Steuerstrukturierungen. renommierten European Law Institute. Ziel der international hoch- Dr. Christoph Schimmer ist promovierter Jurist der Universität Wien karätig besetzten Projektgruppe ist es – in enger Zusammenar- (Dr. iur. 2016, Mag. iur. 2012) und verfügt auch über betriebswirt- beit mit Vertretern der Europäischen Kommission – rechtliche Prin- schaftliche Abschlüsse der Wirtschaftsuniversität Wien (M.Sc. 2012, zipien für den Umgang mit Blockchain und Smart Contracts auszu- B.Sc. 2010). Er war als Universitätsassistent am Institut für Finanz- arbeiten. recht der Universität Wien tätig. 14 anwalt aktuell 01/22
RAK Wien Für Rechtsstaat und Demokratie Wir alle hatten die Hoffnung, dass nach dem Pandemie-Jahr 2020 durch die von der Wissenschaft rasch gefundenen Impfstoffe die Zeit der Beschränkun- gen der Vergangenheit angehören würde und dass wir die gewohnten Frei heiten wiedererlangen würden. Zum Jahreswechsel müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass Corona ein ständiger Begleiter unserer Gesellschaft geworden ist. Und das wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern. D ie Pandemie hat tiefe gesellschaftliche Die Standesvertretung blickt aber auch verant- Gräben durch Agitation, fake news und wortungsbewusst in die eigene Zukunft. Der Ge- radikale Elemente aufgetan. Diese dür- nerationenvertrag als Fundament der sozialen fen keine Zukunft in unserer Demokratie Absicherung darf auch trotz des demoskopischen und unserem Rechtsstaat haben. Man kann zu Wandels nicht in Frage stehen, auch wenn die staatlichen Zwangsmaßnahmen und aktuell zur Zahl der Leistungsempfänger steigt, während die Frage der Impfpflicht verfassungsrechtlich oder Zahl der Beitragszahler sinkt und die Budgets der rechtspolitisch unterschiedlicher Meinung sein. Finanzminister klamm und klammer werden. Die Meinungsvielfalt ist nämlich das Fundament einer Überlegungen zur Stabilisierung der autonomen Demokratie. Niemals darf das Argument der Altersvorsorge der Rechtsanwaltschaft haben in UNIV.-PROF. DR. Worte durch Gewalt auf der Straße, vor Spitälern, der Zeit der Pandemie Fahrt aufgenommen und MICHAEL ENZINGER Schulen oder Gerichten ersetzt werden. Das ist zu konkreten Ergebnissen geführt: Präsident der RAK Wien das Wesen eines Rechtsstaates, für den wir, die Wir wollen durch eine Vergrößerung der Versi- Anwaltschaft, eintreten. chertengemeinschaft und Zusammenführung der Das Recht auf Wahrung der Privatsphäre wurde Reserven Risiken minimieren und Unterschiede durch das Öffentlichmachen interner Kommuni- in der demoskopischen Entwicklung des Berufs- kation gröblich verletzt. Der Gesetzgeber ist daher standes in den einzelnen Länderkammern aus- aufgerufen, diese Lücke rasch und nachhaltig zu gleichen. Diese treffen nämlich die RAK Wien schließen. Das, was offenbart wurde, hat freilich genauso wie andere Kammern. Wir wollen aus das Ansehen der Justiz bis in höchste Kreise be- ökonomischen Gründen einen eigenständigen schädigt. Die Justiz ist somit gefordert, verlorenes Rechtsträger für die gesamte Verwaltung der der- Vertrauen wieder herzustellen. zeit regionalen Versorgungseinrichtungen mit Wir sehen aber auch, dass die Rechte von Be- gleichen Beiträgen und Leistungen für alle Kolle- schuldigten durch manche Fehlentwicklungen ginnen und Kollegen. Wir wollen sowohl in Teil A, der jüngeren Vergangenheit bei behördlichen als auch in Teil B eine einheitliche Veranlagungs- Verfolgungsmaßnahmen und durch mediale strategie vor dem Hintergrund des gleichbleibend Vorverurteilungen mit Füßen getreten werden. niedrigen Zinsniveaus. Wer dagegen öffentlich auftritt, bringt berechtig- Zur Verwirklichung dieser Ziele bedarf es des Ge- te Kritik vor und darf deswegen nicht kritisiert setzgebers und der Zustimmung der Kammermit- werden. glieder. Die Funktionäre haben dankenswerter Die Unschuldsvermutung muss das bleiben, was Weise ungezählte Stunden für das Projekt inves- sie ist. Sie darf nicht zur öffentlichen Schuldver- tiert. Wir werden die Kollegenschaft laufend über mutung werden. Öffentliche Vorverurteilung ist den Status des Projektes und die Parameter infor- die moderne Form der Lynchjustiz. Und das gilt mieren, damit alle Entscheidungen faktenbasiert auch für selbsternannte Plagiatsjäger. fair trial getroffen werden. muss auch für Großverfahren gelten: Zivil- oder Das Kammeramt und die Kammeramtsdirekto- Strafverfahren in kleinen Verhandlungssälen bei rin, Frau Mag. Schuh, haben die RAK Wien kri- geöffnetem Fenster und Minusgraden sind inak- senfest durch die Pandemie geführt. Die Funk zeptabel. Überlange Verfahrensdauer darf im tionärinnen und Funktionäre im Ausschuss, Zeitalter der Digitalisierung nicht mit Ressour- Disziplinarrat der Kammeranwaltschaft und die cenknappheit oder zigtausend Aktenseiten Kammerkommissäre sowie die Prüfer haben beschönigt werden. Das ist nicht tolerierbar. Ge- trotz der Mühsal unzähliger Zoom-Termine ihren richtsverfahren sind auch keine online Yogastun- Beitrag für das Kammergeschehen geleistet. Das de. Was ein Rechtsstaat ist, zeigt sich nämlich erst lässt zuversichtlich ins nächste Jahr der Pande- in der Krise. mie blicken. anwalt aktuell 01/22 15
WOMEN IN LAW Die Stimme der Frau in der Anwaltschaft An die Spitze kommen und an der Spitze bleiben! Es ist eine Sache, an die Spitze zu kommen, aber und vor allem freundlichem Stehvermögen heißt. noch eine ganz andere, an der Spitze zu bleiben. Wir bedauern sehr, dass Österreich offenbar noch An Hand von Frauen wie Angela Merkel und nicht reif genug für eine Bundeskanzlerin in deut- Brigitte Bierlein wird dies gleich viel besser lich längerer Funktionsperiode ist. verständlich. Mit wie viel Kritik und Gegenwind eine Frau, wie Pamela Rendi-Wagner schon allein in den eigenen Angela Merkel wurde 2005 die erste Bundeskanz- Reihen zu kämpfen hat, obwohl sie seit 24. No- Foto: Fotostudio Huger lerin der Bundesrepublik Deutschland und prägte vember 2018 Bundesparteivorsitzende der Sozial in ihrer Amtszeit bis zum 8. Dezember 2021 neben demokratischen Partei Österreichs und damit die der Politik Deutschlands auch die von Europa. Sie erste Frau an der Spitze der österreichischen So- wird gerne als eine der weltweit mächtigsten zialdemokratie ist, mag nicht der einzige Grund Frauen beschrieben. Diesen Platz machte ihr in sein, warum sie ihr politisches Karriereziel noch DR. ALIX FRANK-THOMASSER ihrer gesamten Amtszeit laut dem Wirtschaftsma- nicht erreicht hat. Im Vergleich zu Frau Merkel gazin Forbes nur 2010 die Frau des US Präsidenten, fehlt ihr auf den ersten Blick aber deren gerad Michele Obama, streitig. Aber was genau ist das linige und sachlich ruhige Beharrlichkeit. Geheimnis, das Angela Merkel so viele Jahre un- bestreitbar an der Spitze bleiben ließ? Sie hat es Wie sieht es mit einer weiblichen Spitze in mir natürlich nicht verraten. Aber wer ihre Bio unserem Berufsstand aus? graphie und ihre vielen Interviews verfolgt, be- Bereits drei von neun regionalen Rechtsanwalts- greift, dass Frau Merkel mit (freundlich) bestimm- kammern werden von Frauen als Präsidentinnen ter Beharrlichkeit – und ganz sachlich – ihre Mei geleitet, Präs. Dr. BREINBAUER Birgitt (Vorarlber- nung immer durchgesetzt hat. Das begann schon ger Rechtsanwaltskammer), Präs. Mag. Dr. KRENN vor ihrer Amtszeit, als sie sehr überzeugend für die Gabriele (Steiermärkische Rechtsanwaltskammer) „privilegierte Partnerschaft“ anstelle einer Vollmit- und Präs. Dr. STREIF Birgit (Tiroler Rechtsan- gliedschaft der Türkei warb, oder sich 2003 gegen waltskammer). In der Wiener Rechtsanwaltskam- die Stimmen der eigenen Partei im Dritten Golf- mer gibt es schon viele Jahre Frauen im Amt der krieg demonstrativ auf die Seite der USA mit dem Präs. Stellvertreterin, wie ehemals Dr. RECH Eli- Argument stellte: „…es sei unverantwortlich, den sabeth, heute Dr. BIRNBAUM Brigitte und Mag. Einsatz militärischer Gewalt als das letzte Mittel KNÖTZL Bettina, aber trotzdem gab es noch nie kategorisch auszuschließen.“ Genauso beharrlich eine Frau an der Spitze, als Präsidentin der Wiener hielt sie an der „deutschen Willkommenspolitik“ Rechtsanwaltskammer. Im österreichischen 2015 fest, als hunderttausende Menschen aus Rechtsanwaltskammertag fungiert Rechtsanwäl- Syrien, Afghanistan und dem Irak in Deutschland tin Dr. Marcella Prunbauer-Glaser M.C.J. (N.Y.U) Zuflucht suchten. Dabei war ihr Stehsatz, „wir als Präs. Stellvertreterin des Österreichischen schaffen das“ beim besten Willen nicht unumstrit- Rechtsanwaltskammertages. Sie ist aber auch Vi- ten, schon gar nicht im eigenen Land. Trotzdem, zepräsidentin des Österreichischen Juristentags sie schaffte auch 2018 neuerlich die Wahl zur Bun- und Past President des CCBE – Rat der Europäi- deskanzlerin (https://www.hdg.de/lemo/biogra- schen Anwaltschaften (2012). Damit hat sie als fie/angela-merkel.html). zweite Frau in der damals 50-jährigen Geschichte Blicken wir auf die Exbundeskanzlerin Dr. B rigitte des CCBE das Gesicht von mehr als einer Million Bierlein. Der Weg dieser Vorbildjuristin führte ziel- Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten Europas gerade steil bergauf. Nach dem Studium in den geprägt. Jahren 1975 bis 1990 zunächst als Richterin, dann Eigentlich wäre es doch jetzt auch Zeit für eine als Staatsanwältin und schließlich Oberstaatsan- Frau an der Spitze des Österreichischen Rechts- Die Autorin: wältin. 1990 wird sie zur Generalanwältin in der anwaltskammertages. Gründerin der Alix Frank Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof Die Initiative Women in Law – Frauen im Recht Rechtsanwälte GmbH in Wien, ernannt. Sie fungiert ab 2003 als Vizepräsidentin www.womeninlaw.info wird sich im Rahmen der spezialisiert auf M&A, Gesell schaftsrecht, Restrukturierungen, und 2018 dann als Präsidentin des Verfassungsge- Dritten Internationalen Konferenz vom 15. bis 17. Europäisches Vertragsrecht etc. richtshofes und beschließt ihre berufliche Karriere September 2022 unter anderem auch mit dem diverse Funktionen in der mit einem politischen Mandat, als interimistische Thema remaining at the top beschäftigen und da- Standesvertretung national und Bundeskanzlerin vom 03.06.2019 bis 07.01.2020 mit nicht nur praktische Tipps für die Karrierelei- international. Gründerin und Obfrau des und damit als erste Frau in diesem Amt in Öster- ter mitgeben, sondern aus erster Hand sowohl Vereins „Women in Law“ reich. Auch sie hat eindrücklich unter Beweis ge- Hürden als auch Wegbereiter für ein Verbleiben in stellt, was an der Spitze bleiben mit sachlichem Spitzenpositionen vermitteln. AA 16 anwalt aktuell 01/22
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