Anwalt aktuell Das Magazin für erfolgreiche Juristen und Unternehmen

Die Seite wird erstellt Hortensia-Luzy Heine
 
WEITER LESEN
Anwalt aktuell Das Magazin für erfolgreiche Juristen und Unternehmen
anwalt                                                                     01/22

                                              aktuell
                                                                                                                         Februar

                                                                                       Das Magazin für erfolgreiche Juristen und Unternehmen
www.anwaltaktuell.at
www.facebook.com/anwaltaktuell

                                              „Vergaberecht
P.b.b. Verlagsort 5020 Salzburg 15Z040584 M

                                                neu denken!“
                                                  Schiefer Rechtsanwälte
                                              GERICHTE                 COVID 1                          COVID 2
                                              Generationen-Uhr tickt   Justiz zu langsam?               Impfstatus und Triage
Anwalt aktuell Das Magazin für erfolgreiche Juristen und Unternehmen
IT FULL SERVICE                                                       ALLES
                                                                     AUS EINER
FÜR ANWALTSKANZLEIEN                                                   H A ND

Vertrauliche
Kommunikation
● Verschlüsselt und vertraulich
● Übersichtlich und einfach kommunizieren
● Absolute Kontrolle

                                      Kanzlei-Software
                                      WinCaus.net
                                      ● Elektronischer Akt
                                      ● Modularer Aufbau
                                      ● Dokumentenmanagement

Digitales Diktieren
und Spracherkennung
● Diktiergeräte mobil (App) oder stationär
● Spracherkennung
● Netzwerk- oder Cloudlösung

                Kompetenz durch Erfahrung.
                Bonygasse 40/Top 2   E office@edv2000.net
                1120 Wien            T +43 (0) 1 812 67 68-0   www.edv2000.net
Anwalt aktuell Das Magazin für erfolgreiche Juristen und Unternehmen
EDITORIAL – Februar
                                                                                                                        TITEL
                                                                                                                            22

Betrifft:
Richter-Nachwuchs,
Justiz-Tempo, Impf-Frage
                                                                      Inhalt                               01/22
                                                                                                                  Februar

                      Abgänge. Die Präsidentin der österreichi-
                      schen Richterinnen und Richter, Sabine Ma-      TITEL
                      tejka, ist spürbar erleichtert über den Ab-       OVER STORY
                                                                       C                                                   6/7
                      gang des justizkritischen Kanzlers S.K.: „Ich    Schiefer Rechtsanwälte
                      bin froh, dass jetzt Ruhe eingekehrt ist. Es    „Vergaberecht neu denken“
                      wird wieder sachlich gearbeitet.“ Zum Ge-
                      setz für Video-Verfahren bei Gerichten          ANWÄLTE
Mag. Sabine Matejka
                      warnt sie: „Für eine Zeugeneinvernahme im
Präsidentin                                                           HOT SPOTS                                       8/14/28
Richtervereinigung    Rahmen einer Videokonferenz gibt es kaum
                      Akzeptanz.“ Nicht ganz zufrieden ist sie         DR. ALIX FRANK-THOMASSER
                      auch mit der Verfahrensdauer in der Co-         „An die Spitze kommen und an
                      vid-Zeit: „Der in Deutschland mögliche Eil-      der Spitze bleiben!“                                16
                      antrag wäre sicher auch in Österreich im         UNIV. PROF. DR. VERICE TRSTENJAK
                      Zusammenhang mit der Impfpflicht interes-       „Auf nationaler Ebene sollte es ebenfalls ein
                      sant gewesen.“ Mehr Tempo verlangt Matej­         Eilverfahren geben“                                20
                      ka vom Justiz-Ministerium, was die Vorbe-
                                                                       DR. JOHANNES SÄÄF
                      reitung auf die Pensionierung von 50 % der
                                                                      „Grüne Atomkraft?“                                   22
                      Richterinnen und Richter innerhalb der
                      nächsten fünf bis zehn Jahre betrifft: „Der      UNIV. PROF. DR. TATJANA HÖRNLE
                      Generationenwechsel ist die größte Heraus-      „Impfstatus und Corona-Triage“                       30
                      forderung der nächsten Jahre.“ (S. 10 – 12)
                                                                       MAG. DANIEL GREEN, LL.M.
                                                                      „Diktatur und Rechts-Sprache“                        32
                      Zu langsam? Als ehemalige slowenische
                      Staatssekretärin und Generalanwältin des        ÖRAK
                      EUGH kann die EU-Rechtsprofessorin ­Verica
                      Trstenjak sicher ganz gut beurteilen, wie        PRÄSIDENT DR. RUPERT WOLFF
                                                                      „Rechtsstaat bedeutet auch, die erforderlichen
                      die Grundrechte in der Covid-Zeit beachtet
                                                                       Mittel bereitzustellen“                              9
                      wurden. Sie findet, dass die einschränken-
                      den Maßnahmen angesichts der außerge-           GROSSES INTERVIEW
Univ. Prof. Dr.
Verica Trstenjak      wöhnlichen Dimension der Corona-Anste-
Europarechtlerin      ckung im Großen und Ganzen verhältnismä-          AG. IUR SABINE MATEJKA,
                                                                       M
                      ßig waren. Dennoch erwartet sie eine große       PRÄS. ÖSTERR. RICHTERVEREINIGUNG
                                                                      „Generationenwechsel ist die größte
                      Zahl von Klagen sowohl beim EUGH wie auch
                                                                       Herausforderung der nächten Jahre“ 10–12
                      beim EGMR. Als Insiderin reagiert sie zuerst
                      verblüfft auf die Frage, ob die Gerichte in     RAK WIEN
                      der Krise nicht insgesamt zu langsam waren,
                      um sogleich anzuregen: „Auf nationaler           PRÄS. UNIV.-PROF. DR. MICHAEL ENZINGER
                      Ebene sollte es ebenfalls ein Eilverfahren      „Für Rechtsstaat und Demokratie“         15
                      geben.“ (S. 20)                                 BRIEF AUS NEW YORK

                      Ethik konkret. Wie soll sich ein Triage-Team     STEPHEN M. HARNIK
                      an der Intensiv-Station entscheiden, wenn       „Making Democracy Impotent“                       18/19
                      es um den „letzten Platz“ geht? Für den (be-
                      wusst) ungeimpften oder für den (bewusst)       PANORAMA
                      geimpften Patienten? Die Freiburger Straf-      ARS AKADEMIE                                          8
                      rechts-Professorin Tatjana Hörnle sorgte
                      mit ihrem Text auf dem „Verfassungsblog“        UNTERNEHMENSJURIST
Univ. Prof. Dr.                                                       Jörg Siegmund, Getzner Textil AG                     24
Tatjana Hörnle        ordentlich für Wirbel. Im Gegensatz zur
Strafrechtlerin       „Deutschen Interdisziplinären Vereinigung       ANWALTSAKADEMIE
                      für Notfall- und Intensivmedizin“ verlangt       Erben & Vererben                                    29
                      sie klar die Bevorzugung von Geimpften bei
                      der Entscheidung um den Intensiv-Pfle-          BÜCHER                                     34/36/38
                      ge-Platz. Denn: „Die Präferenz, Impfrisiken     IMPRESSUM                                           38
                      zu entgehen“ bringe es „zwangsläufig mit
                      sich, das Restrisiko einer Erkrankung hin-         Die nächste Ausgabe von Anwalt Aktuell erscheint
                      zunehmen.“ (S. 30)                                                              am 15. April 2022

                                                                                                   anwalt aktuell 01/22          3
Anwalt aktuell Das Magazin für erfolgreiche Juristen und Unternehmen
KOLUMNE

                                                               DIETMAR DWORSCHAK
                                                               Herausgeber & Chefredakteur
                                                               dd@anwaltaktuell.at

              Covid & die vierte Gewalt

I
      st Österreich „am besten durch die Krise“ gekommen, wie es       Apropos „über die Grenzen schauen“: Informationsweitergabe kann
      ein legendärer Alt-Kanzler verkündete? Nein. In Sachen Lock-     neben der Verbreitung von Angst und Schrecken theoretisch auch
      downs ringen wir mit Australien um die Weltmeisterschaft, beim   aufklärerische Funktion haben. Beispielsweise dadurch, dass es
      Testen wurden wir hinter ­Zypern nur Vizeweltmeister. Vermut-    intensive Berichterstattung über „bessere Wege aus der Krise“ gibt.
lich haben wir aber die höchsten Schulden aller EU-Länder gemacht.     Mir wäre nicht aufgefallen, dass sich Österreichs Medien massiv
Gleichzeitig, so sagt die OECD, ist die Bevölkerung in der Krise im    damit befasst hätten, dass man in Spanien die Bevölkerung per
Schnitt um fast sechs Prozent ärmer geworden. Richtig toll sind nur    SMS-Nachricht zum Impfen brachte, oder dass in Italien die Impf-
zwei Branchen ausgestiegen: Die Testlabors und die M ­ edien.          bereitschaft in luftige Höhen gesteigert wurde, nachdem man die
                                                                       Covid-­Tests kostenpflichtig machte. Beides wären feine Anregungen
Politik: Das Ende der Reputation                                       für eine effektivere österreichische Covid-Politik gewesen. Inklu­sive
Obwohl in anderen Ländern wesentlich höhere Infektionszahlen           Vermeidung der Impfpflicht.
wüteten beachtete man dort von Anbeginn den
Vorrang der Fach-Kompetenz. Nicht ein paar                                              Die Emanzipation des Zauberlehrlings
maskierte Politiker mit Schreckensnachrichten         „Neben Exekutive,                 Stattdessen suhlen sich ORF und praktisch sämt-
und ständig gezückter Maßnahmenkeule be-          Legislative und Judikative            liche Me­dien Österreichs seit März 2020 im gru-
stimmten die Kommunikation, sondern Leute mit          gibt es die Medien,              seligen Machtgefühl von „Only bad news are good
professionellem Background bzw. exekutiver                                              news“. Was anfangs der einzig mögliche Weg zu
                                                 die zwar keine eigene Gewalt
Kompetenz.                                                                              sein schien, Informationen der Regierung an die
Schweden präsentierte den Staatsepidemiologen   zur Änderung der Politik oder           Bevölkerung zeitnah weiterzugeben, das entwi-
Anders Tegnell als Leitfigur, in Deutschland be-     zur Ahndung von Machtmiss­         ckelte sich zu einem Vorzeige­beispiel der media-
stimmte die sorgenvolle Miene von Lothar Wieler       brauch besitzen, aber durch       len Machtausübung. Mithilfe der bis März 2020
das Pandemie-­Geschehen.                                 Berichterstattung und          unbekannten Wesen des „Virologen“ (hauptsäch-
Während in Österreich verzweifelte Landespoli-                                          lich Virologin) und des „Komplexitätsforschers“
                                                       öffentliche Diskussion das
tiker zugeben mussten, dass ihre Beamten die                                            begannen die Medien, ihre Macht so richtig mas-
Impf- und Testangebote komplett versemmelt                politische Geschehen          siv auszubauen und auszukosten. Ruhig-sachli-
hatten (Ausnahme Wien!!!), machten sich in Ita-          beeinflussen können.“          che Information (die es ohnehin nie gegeben
lien General Francesco Figliuolo und in Portugal                                        hatte) wurde a­ bgelöst vom Stakkato des täglichen
                                                                Wikipedia
Vize­admiral Henrique Gouveia e Melo ans Werk,                                          ­Alarmismus. Nicht nur unter den beteiligten Jour-
die Nation nachhaltig durchzuimpfen. Mission                                            nalisten, sondern auch im Lager der „Fachmedi-
accomplished.                                                                           ziner“ entbrannte der ­Wettbewerb um die scho-
Portugal ist Impfweltmeister, Österreich Demonstrationswelt­ ckierendste Prophezeiung. Damit wurden sämtliche Bemühungen
meister.                                                              handelnder Politiker erledigt. Beispiel: Landeshauptmann fordert
                                                                      in der „ZIB 2“ raschere Öffnungsschritte… Zack, bekommt er im
Die News-Zwillinge als Krisen-Gesichter                               nächsten Morgenjournal schon einen Virologen drübergebraten.
Dass der doppelte Altkanzler den ORF als Untersektion seiner Kom- Je länger dieses Spiel dauert, umso dringender wird die Frage, ob
munikationsabteilung betrachtete ist inzwischen historisch gesi- die Menschen in diesen Redaktionen noch Kontakt mit dem wirk-
chert. Es verwundert also nicht, wie er die Krisen-Information lichen Leben haben. Interessiert man sich in diesem Kokon über-
anlegte: Kassandra 19.30. Sobald die News-Zwillinge der „ZIB 1“ haupt dafür, wie es in Büros, Geschäften und Betrieben tatsächlich
erscheinen weiß ganz Österreich, dass es ungemütlich wird. Nach aussieht und welche wirtschaft­lichen und psychischen Probleme
einem kurzen Einleitungstext stürmt meist der männliche Teil der dort herrschen?
News-Zwillinge an die Grafik-Wand, um den neuesten Infektions-­ Und dann gibt es aktuell noch eine spannende Frage: Wie gehen
Rekord zu referieren. Informationsauftrag des Staatsmediums? War Österreichs Medien damit um, dass offenbar einige ihrer Virolo-
das nur so gestaltbar oder hätte man die Überbringung der schlech- gen-Freundinnen und -Freunde geschäftlich an Testlabors beteiligt
ten Nachrichten nicht neutraler gestalten können? Siehe Schweden, sind? Denn diese Industrie macht umso mehr Umsatz, je düsterer
siehe Deutschland, ­siehe Dänemark…                                   die Prophezeiungen der einschlägigen „Fachmediziner“ sind. AA

4     anwalt aktuell 01/22
Anwalt aktuell Das Magazin für erfolgreiche Juristen und Unternehmen
Ihre verlässliche Stimme
 im Insolvenzverfahren

                              Heutzutage unterscheiden die
                         modernen Gläubigerschutzverbände
                                       nur Kleinigkeiten …
                                    Aber diese machen den
                                     großen Unterschied …

                             Schenken Sie uns Ihr Vertrauen.

   RECHTSANWALT SERVICE
   Telefon: 05 04 1000
   www.akv.at

                                  Auf Kompetenz Vertrauen …
Anwalt aktuell Das Magazin für erfolgreiche Juristen und Unternehmen
TITELSTORY

                            „Vergaberecht
                             neu denken!“
                             WEISSE FLECKEN. Vergaberechts-Experte Martin Schiefer konstatiert den
                             Bewusstseinsmangel in Sachen Vergaberecht, speziell auch in der Pandemie.
                             Seine Kanzlei mit fünf Standorten expandiert demnächst auch nach Linz und
                             sucht bundesweit engagierte Juristinnen und Juristen.
                                                                                                       Interview: Dietmar Dworschak

                             ANWALT AKTUELL: Obwohl das Thema Ver­                 nen und Mitarbeitern, davon 16 Juristinnen und
                             gaberecht seit über 20 Jahren als sogenanntes         Juristen. Da muss man schon gut zu tun haben.
                             „Nischenthema“ am Markt bekannt ist habe ich          Was sind Kernthemen und Kernbereiche?
                             nach wie vor den Eindruck, dass die Wichtigkeit
                             dieses Rechtsbereichs noch nicht wirklich erkannt     Mag. Martin Schiefer: Wir leben die Regionalität,
                             wird. Stimmt das – und gibt es Akzeptanzunter­        daher die Standorte direkt bei den Mandanten.
                             schiede in gewissen Bereichen?                        Wir dürfen fröhlich mitteilen, dass wir demnächst
                                                                                   auch in Linz eröffnen. Die Expansion geht also
                             Mag. Martin Schiefer: Stimmt zu 100 Prozent,          weiter, weil im Föderalismus viele Dinge dort ent-
                             wir unterschreiben das nachdrücklich. Gerade in       schieden werden, wo sie auch hingehören, näm-
                             der Pandemie hat man gesehen, wie wichtig ein         lich auf Landes- und Gemeindeebene. Unser Spe-
                             gut funktionierender Einkauf ist, der Vertrauen       zifikum – die Nähe zum Mandanten – kann man
                             zu den Lieferanten aufbaut und auch die Bestel-       nur abbilden, wenn man vor Ort ist. Die großen
                             ler gut abholt sowie die Bedürfnisse der Anwen-       Infrastrukturvorhaben wie Regionalstadtbahn
                             der checkt. Das alles hat in der Pandemie nicht       Salz­burg, wie LASK-Stadion, wie die Wien-Arena
                             funktioniert und daher haben wir auch ein neues       sind alles Projekte, die spezifisch auf Stadtent-
                             Produkt entwickelt, das „Procurement 360 Grad“        wicklung abzielen. Da muss man das Lokalkolorit
                             heißt und die Fähigkeiten des Einkäufers stärken      und die lokalen Ansprechpartner kennen.
                             soll. Wir fordern auch, dass der Einkäufer, die
                             Einkäuferin als Strategieabteilung direkt neben       ANWALT AKTUELL: Wollen Sie nicht nur geo­
                             dem Vorstand angesiedelt werden muss. Einkauf         grafisch, sondern auch personell expandieren?
                             darf kein Nischenthema bleiben, es ist ein we-
                             sentlicher Teil der Strategie.                        Mag. Martin Schiefer: Es ist jede und jeder aufge-
                                                                                   fordert, sich bei uns zu bewerben. Wir freuen uns
                             ANWALT AKTUELL: Schiefer Rechtsanwälte be­            sehr über interessante Bewerbungen aus allen
                             treiben aktuell die Standorte Wien, Graz, Klagen­     österreichischen Bundesländern.
                             furt, Salzburg und St. Pölten mit 35 Mitarbeiterin­
                                                                                   ANWALT AKTUELL: Wenn man an das von der
                                                                                   Bundeswettbewerbsbehörde aufgedeckte Baukar­
                                                                                   tell denkt, stellt sich die Frage: Wie ist so etwas zu
                                                                                   verhindern, speziell durch ein eindeutiges und gut
                                                                                   angewendetes Vergaberecht?

                                                                                   Mag. Martin Schiefer: Das Vergaberecht ist ja
                                                                                   schon ein Compliance-getriebenes Recht, was
                                                                                   man aber tun muss: die kartellrechtlichen Be-
                                                                                   stimmungen mit den vergaberechtlichen Rege-
                                                                                   lungen verheiraten.

                                                                                   ANWALT AKTUELL: Möglicherweise noch viel
                                                                                   größere Dimensionen des Unrechts könnten im
                                                                                   Rahmen der Vergaben in der Corona-Pandemie
                                                                                   geschehen sein. Zum Stichwort Testanbieter hört
                                                                                   man, dass hier einiges überhaupt ohne Ausschrei­
                                                                                   bungen gelaufen sei. Haben Sie das auch mitbe­
                                                                                   kommen?

                                                                                   Mag. Martin Schiefer: Man muss da unterschei-
MAG. RUDOLF PEKAR                                                                  den. Es gab die erste Phase der Pandemie, wo

6    anwalt aktuell 01/22
Anwalt aktuell Das Magazin für erfolgreiche Juristen und Unternehmen
TITELSTORY

                            niemand gewusst hat, in welche Richtung die
                            Reise geht. Damals waren aus unserer Sicht die
                            Notvergaben durchaus argumentierbar. Mittler-
                            weile sind wir allerdings schon gleich im dritten
                            Jahr der Pandemie und da ist schon kritisch zu
                            fragen, warum nach wie vor mit Notvergaben ge-
                            arbeitet wird.

                            ANWALT AKTUELL: Unter anderem der Bundes­
                            präsident pflegt des Öfteren zu sagen, dass uns
                            nach Überwindung der Pandemie ein weiteres
                            ungelöstes Problem bleibt: die Klimakrise. Welche
                            Bedeutung hat der neue Begriff „ESG – Environ­
                            mental Social Governance“ im Vergaberecht?

                            Mag. Rudolf Pekar: Einer der wesentlichsten As-
                            pekte in der Vergabe ist die Nachhaltigkeit. Es
                            gibt einen eigenen Grundsatz, der besagt, dass
                            die Nachhaltigkeit, die Umweltgerechtheit im
                            Vergaberecht abzubilden ist. In unseren Aus-
                            schreibungen erleben wir dies tagtäglich in den
                            verschiedensten Aspekten. Diese Aspekte entwi-
                            ckeln wir kontinuierlich weiter, auch im Hinblick
                            auf die EU-rechtlichen Vorgaben.

                                                                                                                                                 MAG. MARTIN SCHIEFER
                            Mag. Martin Schiefer: ESG ist im Grunde das,           gagierten Anwältinnen und Anwälten. Da kann
                            was wir als DNA der Kanzlei haben, nämlich die         man nicht drauf warten, bis man 60 ist.
                            Regionalität. In der Pandemie war zu sehen, dass       Das ist ein Prozess, das ist eine Transition, die die
                            man krisenfest ist, wenn man auf Vertrauen in          Kanzlei belebt und motiviert. Auch mich selbst
                            Form lokaler Netzwerke bauen kann. Deshalb             motiviert dieser Vorgang. Es ist nichts schlimmer,
                            war auch die Bauwirtschaft von der Pandemie            als einsam alt zu werden. Deswegen freue ich
                            nur relativ leicht betroffen, weil sie ihre Netzwer-   mich, mit Magister Rudolf Pekar einen jungen
                            ke statistisch gesehen im Radius von 180 Kilome-       Kollegen zu haben, der die Visionen teilt und mit
                            tern hat. ESG heißt nachhaltig sein, ESG heißt         mir gemeinsam die Kanzlei in die Zukunft führen
                            geringer CO²-Ausstoß, das ist für uns die Welt der     wird.
                            Regionalität. Es heißt immer, Vergaberecht darf
                            keine Regionalvorgaben berücksichtigen. Das            ANWALT AKTUELL: Wie sehen Sie diese Zukunft?
                            werden wir jetzt aber müssen.
                                                                                   Mag. Rudolf Pekar: Wenn man die Möglichkeit
                            ANWALT AKTUELL: Eine andere dunkle Wolke               bekommt, mit einer der schillerndsten Persön-
                            über Österreich trägt den Namen „Inseraten­            lichkeiten des Vergaberechts zusammenzuarbei-
                            korruption“. Sehen Sie irgendwo am Horizont            ten und gemeinsam eine unternehmerische Zu-
                            das Interesse oder die Bemühung, diese Praxis          kunftsperspektive zu gestalten, dann ist das ein
                            einzustellen, beispielsweise durch ordentliche         Angebot, das man sicher nicht ablehnen kann.
                            Vergabe-Richtlinien?                                   Für mich ist das sehr spannend.

                            Mag. Martin Schiefer: Ich habe in diesem Zusam-        ANWALT AKTUELL: Zurück zur Eingangsfrage,
                            menhang bereits sehr viel gemacht, weil wir als        wie stark das Vergaberecht im öffentlichen Be­
                            Kanzlei Vorreiter in Sachen Transparenz sein wol-      wusstsein denn verankert sei. Meine Frage: Ist die
                            len. Es gibt infolge der bekannten Turbulenzen         Thematik schon bei allen Amtsleitern Österreichs
                            um frühere Inseratenvergaben bereits erste Vor-        angekommen?
                            schläge, die Medienpolitik anders zu gestalten.
                            Am Vergaberecht scheitert es nicht. Inserate sind      Mag. Martin Schiefer: Definitiv nein! Es gibt im-
                            nach vergaberechtlichen Regeln zu vergeben.            mer noch Menschen, die Vergaberecht mit „F“
                                                                                   schreiben. Es gibt noch großen Schulungs- und
                            ANWALT AKTUELL: Ihre Kanzlei ist relativ jung –        Fortbildungsbedarf. Es ist aber jedem, der bei
                            und dennoch denken Sie bereits an Ihre Nachfolge?      den diversen Gebietskörperschaften Geld in die
                                                                                   Hand nimmt, dringend zu empfehlen, sich aus
                            Mag. Martin Schiefer: Relativ jung ist gut (lacht).    Gründen der Transparenz und Nachvollziehbar-
Entgeltliche Einschaltung

                                                                                                                                           SCHIEFER Rechtsanwälte
                            Ich bin relativ alt in einer jungen Kanzlei. Die       keit auch bei kleinen Beträgen mit dem Vergabe-
                            Nachfolgeregelung ist für mich deshalb ein The-        recht zu beschäftigen.                                  Wien · St. Pölten · Salzburg
                            ma, weil ich sage: das Netzwerk, das ich als                                                                   Graz · Klagenfurt
                            35-jähriger Anwalt gerne gehabt hätte, das             Herr Magister Schiefer, Herr Magister Pekar,            www.schiefer.at
                            möchte ich übergeben und teilen mit jungen, en-        danke für das Gespräch.

                                                                                                                                               anwalt aktuell 01/22       7
Anwalt aktuell Das Magazin für erfolgreiche Juristen und Unternehmen
HOT SPOTS – Juristen und Kanzleien

                                                                             FSM hat das Wiener
                                                                             Gesundheits-Start-Up myReha
                                                                             bei 2,2 Millionen Euro
                                                                             Financing-Round beraten

       WISSEN                                                                FSM Rechtsanwälte (FSM) beriet die myReha GmbH (myReha), ein
                                                                             österreichisches Start-Up im Bereich der digitalen Schlaganfall­
       MACHT                                                                 therapie, beim Einstieg mehrerer Investoren im Zuge einer Pre Seed
       ERFOLG                              Gesamtprogramm unter ars.at
                                                                             Runde in der Höhe von EUR 2,2 Mio.
                                                                             myReha ist eine auf Künstlicher Intelligenz basierende, digitale
                                                                             Therapieplattform, die es Schlaganfallpatient*innen ermöglicht,
          JETZT DURCHSTARTEN                                                 gezielt und individuell an persönlichen Schlaganfallfolgen zu ar-
          MIT DER ARS AKADEMIE                                               beiten.
                                                                                                                       „Herzliche Gratulation
                                                                                                                       an myReha und an das
      11097          Tagung Insolvenzrecht – Treffpunkt
                                                                                                                       gesamte Gründerteam
                     der Insolvenzrechts Community
    04.–06.10.22,                                                                                                      zu diesem strategischen
    Saalfelden       Hon.-Prof. Dr. Mohr u. a.                                                                         Investment. Wir freuen
                                                                                                                       uns, unsere Expertise bei
                                                                                                                       der rechtlichen Beglei­
      10358          Lehrgang Stiftungen                                                                               tung von Start-Ups er­
                     Vermögen optimal veranlagen                             folgreich eingebracht zu haben und myReha auch bei kommenden
    07.–22.03.22,
    Wien             RA Dr. Eiselsberg | RA DDr. Müller, TEP u. a.           Wachstumsschritten rechtlich zu beraten“, erklärt FSM Rechtsan-
                                                                             walt Felix Augustus Kirkovits.
                                                                             Das FSM-Team stand unter der Führung von Rechtsanwalt Felix
                                                                             Augustus Kirkovits. Außerdem beteiligt waren Partner Hannes
                               Jetzt anmelden:
                                                                             ­Havranek, Rechtsanwalt Marvin Neuhauser und Rechtsanwalts-
                    ARS Akademie, 1010 Wien
                                                                              anwärter Kevin Bley.
             office@ars.at | +43 (1) 713 80 24-0

                                                                         Wagner Rechtsanwälte wird
Schindler Attorneys berät Immo­                                          mit Jahreswechsel zu WAGNER
bilien­entwickler Helios Real Estate                                     VIRTBAUER Rechtsanwälte
Schindler Attorneys hat den Immobilientwickler Helios Real               Der Wirtschaftsanwalt Mag. Peter Virtbauer, LL.B. kehrt nach
­Estate beim Erwerb einer rund 21 Hektar großen und unmittelbar          ­mehrjähriger Tätigkeit bei renommierten Wirtschaftskanzleien in
 an den Flughafen Wien angrenzenden Liegenschaft beraten, auf             Wien in seine Heimatstadt Schärding zurück und verstärkt die
 der ein 70.000 m² großes Logistikzentrum errichtet wird. Diese           ­Wagner Rechtsanwälte GmbH als neuer Partner.
 Betriebsneuan­siedlung in der AirportCity schafft rund 1.000 neue         Mag. Peter Virtbauer, LL.B. hat umfassende Erfahrung in den Berei-
 Arbeitsplätze.                                                            chen Unternehmens-, Gesellschafts- und Insolvenzrecht, Vertrags-
                          Das Transaktions-Team bei Schindler              errichtungen aller Art, Immobilienrecht, Z
                                                                                                                    ­ ivil-, Straf- und Wirtschafts-
                         ­Attorneys unter der Federführung der             strafrecht sowie in dem Bereich Blockchain und Kryptowährungen.
                          Partner Martin Abram (Immo­bilienrecht)          Weitere Verstärkung des Teams bildet Mag. Eva Maria Seeburger, die
                          und Clemens Philipp Schindler (Gesell-           Erfahrung in den Bereichen Zivil-, Erb-, Familien- und Scheidungs-
                          schaftsrecht/M&A und Steuer­recht) be-           recht sowie Schadenersatz- und Reiserecht aufweist.
                          stand ferner aus Isolde Klinger (Senior          Mag. Roman Wagner ist Ende des Jahres aus der Kanzlei ausge­
                          Associate, Gesellschaftsrecht/M&A), Da-          schieden.
                         niel Kropf ­(Senior Associate, Steuerrecht)       Dr. Karl Wagner freut sich, mit Mag. Eva Seeburger und Mag. Peter
                         und Simon Fehlhofer (Associate, Gesell-           Virtbauer, LL.B. die Kanzlei zu verstärken und das bisherige, umfas-
                         schaftsrecht/M&A).                                sende Leistungsspektrum sowie die fachkompetente Vertretung vor
 Martin Abram
                         Ein Team um Christoph U  ­ rbanek (Partner        allen Gerichten und Behörden für die Mandanten/innen sicher zu
                         Immobilienrecht und F   ­ inanzierung) ist        stellen.
                          mit der Finanzierungsberatung betraut.
                          Schindler Attorneys begleitete die Trans-
                          aktion als Lead Counsel, English Counsel
                          von Helios Real Estate war die Kanzlei
                         Macfarlanes aus London. Die Verkäufer
                         wurden von PwC Legal beraten.                                                             Stehend: Mag. Roman Wagner
                                                                                                                   (ausgeschieden), Mag. Eva Maria
                                                                                                                   Seeburger
                                                                                                                   Sitzend: Dr. Karl Wagner,
                          Clemens Philipp Schindler                                                                Mag. Peter Virtbauer,

8     anwalt aktuell 01/22
Anwalt aktuell Das Magazin für erfolgreiche Juristen und Unternehmen
ÖRAK

„Rechtsstaat bedeutet auch, die er-
  forderlichen Mittel bereitzustellen“
 ÖRAK-Präsident Dr. Rupert Wolff im Gespräch mit Anwalt Aktuell über die
 kürzlich beschlossene Impfpflicht, Postenvergaben in der Justiz und die Not-
 wendigkeit der Bereitstellung budgetärer Mittel für den Rechtsstaat.

 Anwalt Aktuell: Die COVID-19-Pandemie hält uns        ANWALT AKTUELL: Apropos Gericht: Die jüngs­
 auch nach dem Jahreswechsel weiter in Atem. Ein       ten Veröffentlichungen von Chat-Protokollen le­
 Thema, das in diesem Zusammenhang besonders           gen nahe, dass auch im Justizbereich nach frag­
 die Gemüter erregt, ist die vom Nationalrat be­       würdigen Kriterien Posten vergeben wurden. Wie
 schlossene Impfpflicht. Halten Sie diese Maßnah­      beurteilen Sie die publik gewordenen Vorgänge?
 me für verfassungskonform?
                                                       Rupert Wolff: Die Grundvoraussetzung für das
 Rupert Wolff: Wenn Bedenken bezüglich der Ver-        Funktionieren der Justiz und unseres Rechtsstaa-
 fassungskonformität eines Gesetzes bestehen,          tes ist das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger.
 gibt es dafür einen klar vorgezeichneten Rechts-      Wird dieses Vertrauen beschädigt, gefährdet man
 weg und es ist wohl davon auszugehen, dass die-       damit automatisch die Funktionsfähigkeit des
 ser im konkreten Fall – von wem auch immer –          Rechtsstaates. Meiner Ansicht nach sind die pub-
 beschritten werden wird. Ich maße mir nicht an,       lik gewordenen Vorgänge durchaus geeignet, das
 an dieser Stelle eine allfällige Entscheidung des     Vertrauen der Bevölkerung in die unabhängige
 Verfassungsgerichtshofes zu prognostizieren. Mir      Justiz zu beschädigen. Daher bin ich ganz bei
 ist etwas anderes wichtig: Das von mir oft ins Feld   OGH-Präsidentin Elisabeth Lovrek, die die richti-
 geführte Vertrauen der Bürger in die Institutio-      gen Maßnahmen ergriffen hat. Und ich unter-
 nen verlangt vor allem bei hochgradig umstritte-      stütze die Forderung des Obersten Gerichtshofes,
 nen Fragen wie der Impfpflicht nach schneller         auch für die Auswahl der Präsidentin und der Vi-
 Klärung und der Schaffung von Rechtssicherheit.       zepräsidenten einen Senatsvorschlag vorzuse-
                                                                                                             DR. RUPERT WOLFF
 Wie ich bereits vor knapp zwei Jahren angeregt        hen. Es ist aber genauso unschön, dass Richter-       Präsident des Österreichischen
 habe, sollten wir durchaus darüber diskutieren,       stellen am Verfassungsgerichtshof in geheimen         Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK)
 wie man künftig ein Eilverfahren beim Verfas-         Sidelettern von Regierungsübereinkommen ab-
 sungsgerichtshof analog zu jenem beim deut-           getauscht werden. Ich halte das für respektlos ge-
 schen Bundesverfassungsgericht ermöglichen            genüber dieser zentralen Institution unserer Re-
 könnte. Wobei ich festhalten möchte, dass der         publik und absolut entbehrlich.
 Verfassungsgerichtshof gerade in den letzten Jah-
 ren eindrucksvoll bewiesen hat, dass er rasche        ANWALT AKTUELL: Bleiben wir abschließend
 Entscheidungen treffen kann.                          noch bei der Justiz. Was wünscht sich der Rechts­
                                                       anwälte-Präsident im neuen Jahr von der Justiz­
 ANWALT AKTUELL: Viele Menschen fühlen sich            ministerin?
 durch die Coronamaßnahmen zunehmend einge­
 schränkt. Manche Rechtsanwältinnen und Rechts­        Rupert Wolff: Die Zeit der Weihnachtswünsche
 anwälte positionieren sich bewusst als Vertreter      haben wir bereits hinter uns. Wir erwarten aller-
 von Maßnahmengegnern. Finden Sie diese Ent­           dings in hoffentlich naher Zukunft ein Berufs-
 wicklung besorgniserregend?                           rechtsänderungsgesetz, mit dem unter anderem
                                                       die Ruhendstellung der Rechtsanwaltschaft auf-
 Rupert Wolff: Ich fände es besorgniserregend,         grund Elternschaft eingeführt werden soll. Das
 wenn Menschen keinen Rechtsbeistand für ihr           wäre eine wichtige Maßnahme mit Symbolkraft.
 Anliegen fänden, unabhängig davon, worum es           Außerdem fordern wir eine Anpassung der tarif-
 sich handelt. Wir müssen die Diskussion und           lichen Beträge im Rechtsanwaltstarifgesetz. Hier
 auch den Streit in den dafür vorgesehenen Struk-      gilt es, die Inflation der letzten Jahre auszuglei-
 turen und Ebenen zulassen, um danach wieder           chen und die Rahmenbedingungen für vernünf-
 zueinander zu finden. Oft kann man erst nach-         tige rechtsstaatliche Standards sicherzustellen.
 dem ein Gericht Recht gesprochen hat seinen           Auch der Verteidigungskostenersatz bei Frei-
 Frieden finden. Die Bürgerinnen und Bürger ha-        spruch bedarf endlich einer massiven Erhö-
 ben ein Recht darauf, ihre berechtigten oder          hung. Rechtsstaatlichkeit bedeutet eben auch,
 manchmal auch nicht berechtigten Ansprüche            die dafür erforderlichen Mittel bereitzustellen.
 vor Gericht einzufordern. Wir Rechtsanwältinnen       Nicht nur im Bereich der ordentlichen Justiz,
 und Rechtsanwälte unterstützen bei der Inan-          sondern vor allem dort, wo es um die Durchset-
 spruchnahme dieses Rechtes. Das Gericht ent-          zung der Rechte von Bürgerinnen und Bürgern
 scheidet. So ist das in einem guten Rechtsstaat.      geht.

                                                                                                                    anwalt aktuell 01/22       9
Anwalt aktuell Das Magazin für erfolgreiche Juristen und Unternehmen
GERICHTE

                            „Generationenwechsel ist
                              die größte Herausforderung
                             der nächsten Jahre“
                             50 PROZENT ABGANG. Innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre geht die
                             Hälfte der österreichischen Richterinnen und Richter in den Ruhestand.
                             S abine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung, mahnt das Justiz­
                             ­
                             ministerium, sich dringend um den Nachwuchs zu kümmern. Massive
                             ­Personalengpässe befürchtet sie auch infolge der Klagen rund um Covid und
                              die Impfpflicht.
                                                                                                       Interview: Dietmar Dworschak

                             ANWALT AKTUELL: Frau Präsidentin, sind Sie             gibt, für die andere gesetzliche Bestimmungen
                             ­eigentlich froh, dass jene Kerntruppe der ÖVP, die    gelten, die den Zugang zu diesen Akten be-
                              immer wieder die Justiz attackiert hat, aus der Po­   schränken. Die treten ja nicht außer Kraft. Indem
                              litik verschwunden ist?                               man die Gerichte hier mit hinein nimmt sugge-
                                                                                    riert man, dass ein Informationszugang besteht,
                             Mag. Sabine Matejka: Ich bin froh, dass jetzt          man müsste solche Anträge aber aufgrund ande-
                             Ruhe eingekehrt ist. Es wird wieder sachlich ge-       rer Bestimmungen ablehnen.
                             arbeitet. Im Moment bin ich optimistisch.
                                                                                    ANWALT AKTUELL: Bleiben wir gleich bei Ein­
                             ANWALT AKTUELL: Eine der ewigen Baustellen             sprüchen gegen Gesetzesvorhaben. Im Justizmi­
                             der österreichischen Politik ist das Informations­     nisterium kann man sich die Etablierung soge­
                             freiheitsgesetz. Dass hier nichts weitergeht liegt     nannter Video-Gerichtsverhandlungen auch in
                             unter anderem an der negativen Stellungnahme           Zeiten ohne Pandemie vorstellen. OGH-Präsiden­
                             der Richtervereinigung. Was gefällt Ihnen nicht        tin Lovrek hat dazu gemeint: „Gerichtsverfahren
                             am Entwurf?                                            sind keine Online-Yogastunde“. Sehen Sie Video-­
                                                                                    Verfahren ebenfalls kritisch?
                             Mag. Sabine Matejka: Ich glaube nicht, dass es
                             primär wegen unserer Stellungnahme hakt, son-          Mag. Sabine Matejka: Die Video-Verfahren waren
                             dern hauptsächlich wegen der Einwände von              und sind auch jetzt noch durchaus hilfreich. Sie
                             Gemeinden und anderen Behörden, die einen              kommen tatsächlich nur in einem eingeschränk-
                             hohen Verfahrensaufwand fürchten. Wir haben            ten Maß zum Einsatz. Richterinnen und Richter
                             unter anderem darauf hingewiesen, dass dort,           sowie auch die Anwaltschaft sind sich einig, dass
                             wo die Gerichte betroffen sind, das Gesetz ohne-       die unmittelbare Beweisaufnahme vor Gericht et-
                             hin ins Leere geht, da die Gerichte aufgrund an-       was ist, auf das man nicht verzichten möchte. Für
                             derer Bestimmungen keine Einsicht gewähren             eine Zeugeneinvernahme im Rahmen einer Video­
                             dürfen bei Personen, die nicht selbst Verfah-          konferenz gibt es kaum eine Akzeptanz.
                             renspartei sind. Außer Verwaltungsaufwand der          Für eine Erörterung der Rechtslage oder die Gut-
                             Gerichte, die die Anträge ablehnen müssen,             achtenserörterung mit einem Sachverständigen
                             schaut dabei nichts raus. Diesen unnötigen Auf-        ist es aber durchaus ein adäquates Mittel, das vie-
                             wand sollte man den Gerichten ersparen.                le Wege ersparen könnte. Für Teile des Verfahrens
                                                                                    sehe ich durchaus eine gewisse Berechtigung. Das
                             ANWALT AKTUELL: Ihnen geht es hauptsächlich            Problem des Entwurfs des Justizministeriums war,
                             um den persönlichen Datenschutz?                       dass die aktuellen Covid-Regelungen eins zu eins
                                                                                    ins Dauerrecht übernommen werden sollten. Es
                             Mag. Sabine Matejka: Es geht darum, dass es in         gibt keine generelle Ablehnung, aber noch einigen
                             Gerichtsverfahren viele parteienbezogene Daten         Gesprächsbedarf.

10   anwalt aktuell 01/22
GERICHTE

                                                                       SABINE MATEJKA
                                                                       Magistra iuris, Richterin,
                                                                       seit 2017 Präsidentin der
                                                                       österreichischen Richter­
                                                                       vereinigung, seit 2021 auch
                                                                       Vizepräsidentin der
                                                                       internationalen und der
                                                                       europäischen Richter­
                                                                       vereinigung. Vorsteherin
                                                                       des BG Floridsdorf.

ANWALT AKTUELL: Rechtssicherheit entsteht            Ich glaube aber, dass man aus der Situation he-
nicht zuletzt durch Entscheidungen und Urteile       raus keine vorschnellen Änderungen vornehmen
ganz oben. Der OGH hat über ein Jahr gebraucht,      kann und soll. Man vergleicht die Situation im-
um eine Grundsatzentscheidung zum Thema              mer mit Deutschland. Dort sind am Bundesver-
Geschäftsmieten im Lockdown herbeizuführen.          fassungsgericht jedoch Berufsrichter mit einem
Der Verfassungsgerichtshof lässt uns interessiert    anderen Apparat und einer anderen Verfügbar-
warten, ob es zulässig war, 1,2 Millionen Bürge­     keit.
rinnen und Bürger in den Lockdown zu schicken,
obwohl sie bereits geboostert waren. Wie wirken      ANWALT AKTUELL: Wie sehen Sie im Moment
sich solche Zeitabläufe auf die Gerichtsbarkeit      den Zustand des Rechtsstaates? Da ziehen mehre­
aus?                                                 re 10.000 Demonstranten ohne Abstand und ohne
                                                     Maske durch die Städte – und vielleicht ein Dut­
Mag. Sabine Matejka: Die angesprochene               zend wird angezeigt. Anderes Thema: Lockdown
OGH-Entscheidung ist eine, auf die die erstin­       für Ungeimpfte. Der ist verordnet – und keiner
stanzlichen Gerichte mit Spannung gewartet ha-       hält sich dran. Ist das die „neue Normalität“ des
ben, da hier noch viele Verfahren in der Pipeline    Rechts?
                                                                                                         Es gibt

                                                                                                              “
sind. Für die Gerichte ist das weniger ein Prob-
lem als für die vom Verfahren betroffenen Partei-
en, die entsprechende Verzögerungen in Kauf
                                                     Mag. Sabine Matejka: Ich glaube, dass wir uns
                                                     derzeit in einer Art Ausnahmezustand befinden
                                                                                                         kaum eine
nehmen müssen.                                       und dass es nachvollziehbar für Frustrationen       Akzeptanz
                                                     sorgt, wenn Regeln von einem Teil der Bevölke-      für die Zeugen-
ANWALT AKTUELL: Ist es nicht geradezu logisch,       rung nicht eingehalten werden. Auf der anderen
dass das Vertrauen der Menschen in die Justiz ero­   Seite habe ich auch ein gewisses Verständnis für
                                                                                                         einvernahme
diert, wenn das so lange dauert, Stichwort VfGH –    die Exekutive, wenn sie mit Umsicht vorgeht, um     per Video.
Wegsperrren der Geimpften?                           Konflikte nicht noch weiter hochzuschaukeln.

Mag. Sabine Matejka: Zur Verfahrensdauer am          ANWALT AKTUELL: Vor ziemlich genau einem
Verfassungsgerichtshof kann ich nicht so viel sa-    Jahr waren Sie einigermaßen besorgt über eine
gen. Grundsätzlich trifft der VfGH seine Ent-        damals drohende Insolvenzwelle. Diese ist nicht
scheidungen relativ rasch. Es gibt immer wieder      gekommen. Dafür gibt es jetzt voraussichtlich
Stimmen, die eine Vorabprüfung fordern. Der in       einen Klage-Tsunami zum Thema Impfpflicht.
                                                     ­
Deutschland mögliche Eilantrag wäre sicher           Was erwarten Sie hier?
auch in Österreich im Zusammenhang mit dem
Gesetz zur Impfpflicht interessant gewesen. Man      Mag. Sabine Matejka: Die Insolvenzen sind nicht
könnte sich im Nachhinein möglicherweise eini-       angekommen, wie damals befürchtet. Zum Jah-
ges Ungemach ersparen.                               resende haben wir allerdings einen leichten An-

                                                                                                             anwalt aktuell 01/22   11
GERICHTE

                            stieg bemerkt. Ich denke, da wird schon noch et-        und auszubilden, um die einschneidenden Pen-
                            was kommen. Dadurch, dass sich das Pandemie-            sionierungslücken aufzufüllen. Dieser Generati-
                            geschehen in die Länge gezogen hat und es               onenwechsel wird eine der größten Herausforde-
                            einige Förderungen gegeben hat wurde sicher             rungen der nächsten Jahre.
                            einiges auf die lange Bank geschoben.
                            Hinsichtlich der Impfpflicht ist tatsächlich mit        ANWALT AKTUELL: Haben Sie den Eindruck,
                            vielen Verfahren zu rechnen. Das Impfpflichtge-         dass hier die nötigen Zukunftsinitiativen gesetzt
                            setz sieht einen Drei-Stufen-Plan vor. Da es somit      werden?
Momentan

       “
                            nicht von Anfang an ein flächendeckendes                Mag. Sabine Matejka: Im Moment sind wir in ei-
werden viele                Screening gibt wird die Situation für die Gerichte
                            etwas einfacher.
                                                                                    ner Phase, wo wir zu wenig gut ausgebildeten
                                                                                    Nachwuchs haben. Die Ursachen dafür liegen in
Quereinsteiger              Wenn also anfangs nur im Einzelfall kontrolliert        der Sparpolitik der Vorjahre. Dann hat man ja im
aus der                     wird kommt nicht gleich eine große Welle auf die        letzten Jahr mehr oder weniger unvorhergesehen

Anwaltschaft
                            Gerichte zu. Sollte man sich dann entscheiden,          zusätzliche Stellen bei der Staatsanwaltschaft ge-
                            die Phase drei mit dem allgemeinen Screening für        schaffen, die den Pool der jungen Kolleginnen
aufgenommen.                alle, die nicht geimpft sind, anzusetzen, dann wer-     und Kollegen in der Richterschaft verringert ha-
                            den voraussichtlich sehr viele Einsprüche auf           ben. Das trifft jetzt die Gerichte. Momentan wer-
                            einmal auf die Landesverwaltungsgerichte zu-            den viele Quereinsteiger aus der Anwaltschaft
                            kommen. Das wäre dann eine enorme Belastung.            aufgenommen, die dann die Ergänzungsprüfung
                            Man muss sehen, dass die Landesverwaltungsge-           ablegen und nach kurzer Übergangszeit zu Rich-
                            richte bereits jetzt schon extrem belastet sind, weil   tern ernannt werden. Grundsätzlich ist das posi-
                            alle Strafbescheide im Zusammenhang mit Coro-           tiv und erfolgreich. Damit können wir aber nur
                            na-Maßnahmen dort bekämpft werden. Außer-               einen Teil des Bedarfs kompensieren.
                            dem gibt es noch tausende Verfahren, die noch
                            bei den Behörden liegen.                                ANWALT AKTUELL: Sollte die Pandemie irgend­
                                                                                    wann ein Ende finden grüßt wieder das alte The­
                            ANWALT AKTUELL: Gerade kürzlich haben Sie in            ma der ungleichen Kommunikation zwischen der
                            einem Interview bemerkt, die Personalsituation          Angeklagten-Seite und den Gerichten.
                            an den Gerichten sei – speziell nach der Warnung        Gerade hat sich ein renommierter Ex-Staatsan­
                            vor dem „stillen Tod der Justiz“ – besser geworden?     walt an der größten PR-Agentur Österreichs betei­
                                                                                    ligt. Haben Gerichte und Staatsanwälte ähnliche
                            Mag. Sabine Matejka: Es ist insofern besser ge-         Kaliber zur Hand, um sich gegen sogenannte Liti­
                            worden als die Einsparungen insbesondere im             gation-PR zu wehren?
                            nichtrichterlichen Bereich vor zwei Jahren ge-
                            stoppt worden sind und auch zusätzliche Stellen,        Mag. Sabine Matejka: Im aktuellen Budget wur-
                            vor allem im Kanzleibereich, geschaffen wurden.         den drei Stellen für Medienarbeit geschaffen.
                            Nach wie vor gibt es das grundsätzliche Problem,        Meines Wissens ist dafür gerade die Ausschrei-
                            diese Stellen auch tatsächlich zu besetzen. Die         bung im Gange. Die ausgewählten Personen sol-
                            Arbeitsbedingungen in der Justiz sind offenkun-         len bei besonders medienträchtigen Behörden
                            dig nicht ganz so attraktiv. Man tut sich manch-        eingesetzt werden. In diesem Pilotprojekt will
                            erorts schwer, geeignete Mitarbeiterinnen und           man testen, wie so eine Arbeit funktioniert. Bei
                            Mitarbeiter zu finden.                                  Erfolg sollen solche Positionen später auch aus-
                            Ein anderes Problem wird sich in der nahen Zu-          gebaut werden. Das ist sicher ein guter Weg, auf
                            kunft stellen: In den nächsten fünf bis zehn Jahren     dem das Justizministerium versucht, die Me-
                            werden wir durch Pensionierung einen massiven           dienarbeit auf professionellere Beine zu stellen.
                            Abgang an Richterinnen und Richtern haben. Wir
                            machen das Justizministerium regelmäßig darauf          ANWALT AKTUELL: Was antworten Sie „gestande­
                            aufmerksam, rechtzeitig Personal aufzunehmen            nen“ Anwälten, männlich, die sich über die weibli­
                                                                                    che Mehrheit in der Richterschaft beschweren und
                                                                                    unverhohlen eine „Männerquote“ fordern?

                                                                                    Mag. Sabine Matejka: Ich kann verstehen, dass
                                                                                    die Männer dieselben Chancen haben wollen
                                                                                    wie die Frauen, in die Justiz aufgenommen zu
                                                                                    werden. Allerdings glaube ich, dass es den Frau-
                                                                                    enbonus zum Eintritt in die Justiz nicht mehr
                                                                                    gibt, auch aufgrund der Tatsache, dass wir ein
                                                                                    ausgewogenes Geschlechterverhältnis in der
                                                                                    Richterschaft haben. Ich kann jedem Mann ga-
                                                                                    rantieren, dass er bei seinem Versuch, in die Jus-
                                                                                    tiz aufgenommen zu werden, keine Benachteili-
                                                                                    gung erfahren wird.

                                                                                    Frau Präsidentin, danke für das Gespräch.

12   anwalt aktuell 01/22
©JAMJAM | HWB: 17,18 KWH/M 2 A , FGE E 0,698

                           KETTENBRÜCKENGASSE 22 · WIEN IV

                46 EXKLUSIVE EIGENTUMSWOHNUNGEN UND 2 GESCHÄFTSOBJEKTE
                       GRÖSSEN VON 50 BIS 170 M² MIT 2 BIS 4 ZIMMERN
                                 LUXURIÖSE AUSSTATTUNG
                     BALKONE, TERRASSEN, DACH- UND GARTENTERRASSEN

                                      T H E - F U S I O N . AT

                                           +43 1 315 72 80 870         +43 1 596 60 20 616
VERKAUF DURCH                              cd@winegg-makler.at         dk@jpi.at
                                           www.winegg.at               www.jpi.at
­

HOT SPOTS – Juristen und Kanzleien

Deloitte Legal vermeldet                                                        CHG Rechts­­anwälte ruft
neue Rechtsanwältin für                                                         neue Praxisgruppe ins Leben
Corporate/M&A-Bereich

                                                                                                                                                     © Charly Lair - Die Fotografen
                                       Jank Weiler Operenyi, die öster-
                                       reichische Rechtsanwaltskanz-
                                       lei im globalen Deloitte Legal
                                       Netzwerk, baut das Team junger
                                       Rechtsanwälte weiter aus: Ab
                                       sofort verstärkt Yvonne Gutsohn
                                       als Rechtsanwältin den Bereich
                                       Corporate/M&A.
                                       Yvonne Gutsohn (32) verstärkt
                                       als eingetragene Rechtsanwältin
                                       den Bereich Corporate/M&A
                                       von Jank Weiler Operenyi/De-
                                       loitte Legal. Sie ist seit Oktober
                                       2021 Teil des Teams und war zu-
                                                                                v.l.n.r: Katharina Schwager, Dietmar Czernich, Daniel Tamerl
                                       vor in einer renommierten Wirt-
Yvonne Gutsohn                         schaftskanzlei als Rechtsan-             Das Beratungsportfolio umfasst das Bankvertragsrecht, insbeson-
waltsanwärterin tätig. Sie absolvierte nach ihrem Jus-Studium in Wien           dere das Darlehens- und Kreditsicherungsrecht, Banken-AGB
ein weiterführendes internationales Masterstudium (International                sowie das Wertpapierrecht. Der neuen Praxisgruppe gehören
Commercial Law with Professional Skills) in Aberdeen, Schottland.               ­Daniel Tamerl und Dietmar Czernich an, auch die Rechtsanwalts-
Ihre fachlichen Schwerpunkte liegen in den Bereichen Gesellschafts-              anwärterin Katharina Schwager wechselt in das Bankrechtsteam.
recht sowie Mergers & Acquisitions.                                              Gründungspartner und Rechtsanwalt Dietmar Czernich begleitet
„Wir gratulieren Yvonne Gutsohn zur Eintragung als Rechtsanwältin                seit vielen Jahren nationale und internationale Mandanten bei
und freuen uns sehr, dass sie uns als ausgewiesene Expertin für Gesell­          Unternehmenstransaktionen und Finanzierungsfragen. Rechts-
schaftsrecht und M&A in Zukunft unterstützt.”                                    anwalt und Partner Daniel Tamerl leitet
                                                                                 die Gruppe. Er ist Experte im Verbraucher- und Kreditrecht, zudem
                                                                                 bringt er umfassende Erfahrungen und Expertise aus dem Immo-
Beförderung zum Head of                                                          bilienrecht in die Praxisgruppe ein.

New Technologies bei der
Kanzlei EY Law
                                                                            Neuer Rechtsanwalt bei
                                     Rechtsanwalt Dr. Martin Hanzl
                                                                            CERHA HEMPEL
                                     (29) leitet seit Dezember 2021
                                     den Bereich New Technologies                                                Seit Januar 2022 verstärkt Dr.
                                     bei der Kanzlei EY Law – Pelz-                                              Christoph Schimmer, MSc, als
                                     mann Gall Größ Rechtsanwälte.                                               Rechtsanwalt und Steuerbera-
                                     Sein Verantwortungsbereich                                                  ter die Corporate und Steuer-
                                     umfasst unter anderem aufstre-                                              praxis von CERHA HEMPEL im
                                     bende Technologien wie Block-                                               Team von Dr. Benjamin Twar-
                                     chain & andere Distributed-                                                 dosz, LL.M.
                                     Ledger-Tech­nologien und damit                                              Dr. Christoph Schimmer ist so-
                                     zusammenhängende Rechtsfra-                                                 wohl als Rechtsanwalt als auch
                                     gen (etwa im Zusammenhang                                                   als Steuerberater zugelassen
                                     mit Kryptowährungen, Non-fun-                                               und verfügt über mehrere Jahre
                                     gible Tokens (NFT) oder Decen-                                              Erfahrung in beiden Berufen.
                                     tralized Finance) sowie zivil-,                                             An der Schnittstelle zwischen
 Martin Hanzl
                                   urheber- und lizenzrechtliche                                                 der Corporate-Praxis und der
Fragen rund um den Einsatz künstlicher Intelligenz. Darüber hinaus                                               Tax-Praxis berät er fachüber-
                                                                            Christoph Schimmer
berät er insbesondere auch Start-ups hinsichtlich eines Markteintritts,                                          greifend in den Bereichen Un-
bei Finanzierungsrunden und auf dem Weg zu einem erfolgreichen              ternehmensrecht, Gesellschaftsrecht, Konzernsteuerrecht und in-
Exit.                                                                       ternationales Steuerrecht. Die Schwerpunkte seiner Beratungs­tä­
Auf europäischer Ebene ist Martin Hanzl Projektverantwort­licher            tigkeit umfassen dabei insbesondere M&A-Transaktionen,
des Forschungsprojektes „Blockchain and Smart Con­tracts“ des               Umgründungen und Steuerstrukturierungen.
­renommierten European Law Institute. Ziel der international hoch-          Dr. Christoph Schimmer ist promovierter Jurist der Universität Wien
karätig besetzten Projektgruppe ist es – in enger Zusammenar-               (Dr. iur. 2016, Mag. iur. 2012) und verfügt auch über betriebswirt-
beit mit Vertretern der Europäischen Kommission – rechtliche Prin-          schaftliche Abschlüsse der Wirtschaftsuniversität Wien (M.Sc. 2012,
zipien für den Umgang mit Blockchain und Smart Contracts auszu-             B.Sc. 2010). Er war als Universitätsassistent am Institut für Finanz-
arbeiten.                                                                   recht der Universität Wien tätig.

14    anwalt aktuell 01/22
RAK Wien

Für Rechtsstaat
und Demokratie
Wir alle hatten die Hoffnung, dass nach dem Pandemie-Jahr 2020 durch die
von der Wissenschaft rasch gefundenen Impfstoffe die Zeit der Beschränkun-
gen der Vergangenheit angehören würde und dass wir die gewohnten Frei­
heiten wiedererlangen würden. Zum Jahreswechsel müssen wir zur Kenntnis
nehmen, dass Corona ein ständiger Begleiter unserer Gesellschaft geworden
ist. Und das wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern.

D
             ie Pandemie hat tiefe gesellschaftliche      Die Standesvertretung blickt aber auch verant-
             Gräben durch Agitation, fake news und        wortungsbewusst in die eigene Zukunft. Der Ge-
             radikale Elemente aufgetan. Diese dür-       nerationenvertrag als Fundament der sozialen
             fen keine Zukunft in unserer Demokratie      Absicherung darf auch trotz des demoskopischen
 und unserem Rechtsstaat haben. Man kann zu               Wandels nicht in Frage stehen, auch wenn die
 staatlichen Zwangsmaßnahmen und aktuell zur              Zahl der Leistungsempfänger steigt, während die
 Frage der Impfpflicht verfassungsrechtlich oder          Zahl der Beitragszahler sinkt und die Budgets der
 rechtspolitisch unterschiedlicher Meinung sein.          Finanzminister klamm und klammer werden. Die
 Meinungsvielfalt ist nämlich das Fundament einer         Überlegungen zur Stabilisierung der autonomen
 Demokratie. Niemals darf das Argument der                Altersvorsorge der Rechtsanwaltschaft haben in
                                                                                                               UNIV.-PROF. DR.
­Worte durch Gewalt auf der Straße, vor Spitälern,        der Zeit der Pandemie Fahrt aufgenommen und          MICHAEL ENZINGER
 Schulen oder Gerichten ersetzt werden. Das ist           zu konkreten Ergebnissen geführt:                    Präsident der RAK Wien
 das Wesen eines Rechtsstaates, für den wir, die          Wir wollen durch eine Vergrößerung der Versi-
 Anwaltschaft, eintreten.                                 chertengemeinschaft und Zusammenführung der
 Das Recht auf Wahrung der Privatsphäre wurde             Reserven Risiken minimieren und Unterschiede
 durch das Öffentlichmachen interner Kommuni-             in der demoskopischen Entwicklung des Berufs-
 kation gröblich verletzt. Der Gesetzgeber ist daher      standes in den einzelnen Länderkammern aus-
 aufgerufen, diese Lücke rasch und nachhaltig zu          gleichen. Diese treffen nämlich die RAK Wien
 schließen. Das, was offenbart wurde, hat freilich        genauso wie andere Kammern. Wir wollen aus
 das Ansehen der Justiz bis in höchste Kreise be-         ökonomischen Gründen einen eigenständigen
 schädigt. Die Justiz ist somit gefordert, verlorenes     Rechtsträger für die gesamte Verwaltung der der-
 Vertrauen wieder herzustellen.                           zeit regionalen Versorgungseinrichtungen mit
 Wir sehen aber auch, dass die Rechte von Be-             gleichen Beiträgen und Leistungen für alle Kolle-
 schuldigten durch manche Fehlentwicklungen               ginnen und Kollegen. Wir wollen sowohl in Teil A,
 der ­jüngeren Vergangenheit bei behördlichen             als auch in Teil B eine einheitliche Veranlagungs-
 Verfolgungsmaßnahmen und durch mediale                   strategie vor dem Hintergrund des gleichbleibend
 ­Vorverurteilungen mit Füßen getreten werden.            niedrigen Zinsniveaus.
  Wer dagegen öffentlich auftritt, bringt berechtig-      Zur Verwirklichung dieser Ziele bedarf es des Ge-
  te Kritik vor und darf deswegen nicht kritisiert        setzgebers und der Zustimmung der Kammermit-
  werden.                                                 glieder. Die Funktionäre haben dankenswerter
  Die Unschuldsvermutung muss das bleiben, was            Weise ungezählte Stunden für das Projekt inves-
  sie ist. Sie darf nicht zur öffentlichen Schuldver-     tiert. Wir werden die Kollegenschaft laufend über
  mutung werden. Öffentliche Vorverurteilung ist          den Status des Projektes und die Parameter infor-
  die moderne Form der Lynchjustiz. Und das gilt          mieren, damit alle Entscheidungen faktenbasiert
  auch für selbsternannte Plagiatsjäger. fair trial       getroffen werden.
  muss auch für Großverfahren gelten: Zivil- oder         Das Kammeramt und die Kammeramtsdirekto-
  Strafverfahren in kleinen Verhandlungssälen bei         rin, Frau Mag. Schuh, haben die RAK Wien kri-
  geöffnetem Fenster und Minusgraden sind inak-           senfest durch die Pandemie geführt. Die Funk­
  zeptabel. Überlange Verfahrensdauer darf im             tionärinnen und Funktionäre im Ausschuss,
  Zeitalter der Digitalisierung nicht mit Ressour-        Disziplinarrat der Kammeranwaltschaft und die
 cenknappheit oder zigtausend Aktenseiten                 Kammerkommissäre sowie die Prüfer haben
  ­beschönigt werden. Das ist nicht tolerierbar. Ge-      trotz der Mühsal unzähliger Zoom-Termine ihren
   richtsverfahren sind auch keine online Yogastun-       Beitrag für das Kammergeschehen geleistet. Das
   de. Was ein Rechtsstaat ist, zeigt sich nämlich erst   lässt zuversichtlich ins nächste Jahr der Pande-
   in der Krise.                                          mie blicken.

                                                                                                                      anwalt aktuell 01/22   15
WOMEN IN LAW

                                                             Die Stimme der Frau in der Anwaltschaft

                                                             An die Spitze kommen und
                                                             an der Spitze bleiben!
                                                             Es ist eine Sache, an die Spitze zu kommen, aber          und vor allem freundlichem Stehvermögen heißt.
                                                             noch eine ganz andere, an der Spitze zu bleiben.          Wir bedauern sehr, dass Österreich offenbar noch
                                                             An Hand von Frauen wie Angela Merkel und                  nicht reif genug für eine Bundeskanzlerin in deut-
                                                             ­Brigitte Bierlein wird dies gleich viel besser           lich längerer Funktionsperiode ist.
                                                              ­verständlich.                                           Mit wie viel Kritik und Gegenwind eine Frau, wie
                                                                                                                       Pamela Rendi-Wagner schon allein in den eigenen
                                                             Angela Merkel wurde 2005 die erste Bundeskanz-            Reihen zu kämpfen hat, obwohl sie seit 24. No-
Foto: Fotostudio Huger

                                                             lerin der Bundesrepublik Deutschland und prägte           vember 2018 Bundesparteivorsitzende der Sozial­
                                                             in ihrer Amtszeit bis zum 8. Dezember 2021 neben          demokratischen Partei Österreichs und damit die
                                                             der Politik Deutschlands auch die von Europa. Sie         erste Frau an der Spitze der österreichischen So-
                                                             wird gerne als eine der weltweit mächtigsten              zialdemokratie ist, mag nicht der einzige Grund
                                                             ­Frauen beschrieben. Diesen Platz machte ihr in           sein, warum sie ihr politisches Karriereziel noch
DR. ALIX FRANK-THOMASSER                                      ihrer gesamten Amtszeit laut dem Wirtschaftsma-          nicht erreicht hat. Im Vergleich zu Frau Merkel
                                                              gazin Forbes nur 2010 die Frau des US Präsidenten,       fehlt ihr auf den ersten Blick aber deren gerad­
                                                              Michele Obama, streitig. Aber was genau ist das          linige und sachlich ruhige Beharrlichkeit.
                                                             Geheimnis, das Angela Merkel so viele Jahre un-
                                                             bestreitbar an der Spitze bleiben ließ? Sie hat es        Wie sieht es mit einer weiblichen Spitze in
                                                             mir natürlich nicht verraten. Aber wer ihre Bio­          unserem Berufsstand aus?
                                                              graphie und ihre vielen Interviews verfolgt, be-         Bereits drei von neun regionalen Rechtsanwalts-
                                                             greift, dass Frau Merkel mit (freundlich) bestimm-        kammern werden von Frauen als Präsidentinnen
                                                             ter Beharrlichkeit – und ganz sachlich – ihre Mei­        geleitet, Präs. Dr. BREINBAUER Birgitt (Vorarlber-
                                                              nung immer durchgesetzt hat. Das begann schon            ger Rechtsanwaltskammer), Präs. Mag. Dr. KRENN
                                                              vor ihrer Amtszeit, als sie sehr überzeugend für die     Gabriele (Steiermärkische Rechtsanwaltskammer)
                                                              „privilegierte Partnerschaft“ anstelle einer Vollmit-    und Präs. Dr. STREIF Birgit (Tiroler Rechtsan-
                                                              gliedschaft der Türkei warb, oder sich 2003 gegen        waltskammer). In der Wiener Rechtsanwaltskam-
                                                              die Stimmen der eigenen Partei im Dritten Golf-          mer gibt es schon viele Jahre Frauen im Amt der
                                                             krieg demonstrativ auf die Seite der USA mit dem          Präs. Stellvertreterin, wie ehemals Dr. RECH Eli-
                                                             Argument stellte: „…es sei unverantwortlich, den          sabeth, heute Dr. BIRNBAUM Brigitte und Mag.
                                                              Einsatz militärischer Gewalt als das letzte Mittel       KNÖTZL Bettina, aber trotzdem gab es noch nie
                                                              kategorisch auszuschließen.“ Genauso beharrlich          eine Frau an der Spitze, als Präsidentin der Wiener
                                                              hielt sie an der „deutschen Willkommenspolitik“          Rechtsanwaltskammer. Im österreichischen
                                                              2015 fest, als hunderttausende Menschen aus              Rechtsanwaltskammertag fungiert Rechtsanwäl-
                                                              ­Syrien, Afghanistan und dem Irak in Deutschland         tin Dr. Marcella Prunbauer-Glaser M.C.J. (N.Y.U)
                                                               Zuflucht suchten. Dabei war ihr Stehsatz, „wir          als Präs. Stellvertreterin des Österreichischen
                                                               schaffen das“ beim besten Willen nicht unumstrit-       Rechtsanwaltskammertages. Sie ist aber auch Vi-
                                                               ten, schon gar nicht im eigenen Land. Trotzdem,         zepräsidentin des Österreichischen Juristentags
                                                               sie schaffte auch 2018 neuerlich die Wahl zur Bun-      und Past President des CCBE – Rat der Europäi-
                                                             deskanzlerin (https://www.hdg.de/lemo/biogra-             schen Anwaltschaften (2012). Damit hat sie als
                                                             fie/angela-merkel.html).                                  zweite Frau in der damals 50-jährigen Geschichte
                                                             Blicken wir auf die Exbundeskanzlerin Dr. B   ­ rigitte   des CCBE das Gesicht von mehr als einer Million
                                                               Bierlein. Der Weg dieser Vorbildjuristin führte ziel-   Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten Europas
                                                               gerade steil bergauf. Nach dem Studium in den           geprägt.
                                                               Jahren 1975 bis 1990 zunächst als Richterin, dann       Eigentlich wäre es doch jetzt auch Zeit für eine
                                                               als Staatsanwältin und schließlich Oberstaatsan-        Frau an der Spitze des Österreichischen Rechts-
                         Die Autorin:                          wältin. 1990 wird sie zur Generalanwältin in der        anwaltskammertages.
                         Gründerin der Alix Frank              Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof             Die Initiative Women in Law – Frauen im Recht
                         Rechtsanwälte GmbH in Wien,           ernannt. Sie fungiert ab 2003 als Vizepräsidentin       www.womeninlaw.info wird sich im Rahmen der
                         spezialisiert auf M&A, Gesell­
                         schaftsrecht, Restrukturierungen,     und 2018 dann als Präsidentin des Verfassungsge-        Dritten Internationalen Konferenz vom 15. bis 17.
                         Europäisches Vertragsrecht etc.       richtshofes und beschließt ihre berufliche Kar­riere    September 2022 unter anderem auch mit dem
                         diverse Funktionen in der           mit einem politischen Mandat, als interimistische         Thema remaining at the top beschäftigen und da-
                         Standes­­vertretung national und
                                                             Bundeskanzlerin vom 03.06.2019 bis 07.01.2020             mit nicht nur praktische Tipps für die Karrierelei-
                         international.
                         Gründerin und Obfrau des            und damit als erste Frau in diesem Amt in Öster-          ter mitgeben, sondern aus erster Hand sowohl
                         Vereins „Women in Law“              reich. Auch sie hat eindrücklich unter Beweis ge-         Hürden als auch Wegbereiter für ein Verbleiben in
                                                             stellt, was an der Spitze bleiben mit sachlichem          Spitzenpositionen vermitteln.                  AA

16                         anwalt aktuell 01/22
Sie können auch lesen