ARBEITEN IN DER DIGITAL VERNETZTEN WELT - Mittelstand-Digital Magazin WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS - Mittelstand Digital
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ARBEITEN IN DER DIGITAL VERNETZTEN WELT Mittelstand-Digital Magazin WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS Ausgabe 11
Impressum Herausgeber/Redaktion: Begleitforschung Mittelstand-Digital WIK GmbH Rhöndorfer Straße 68 53604 Bad Honnef HRB: Amtsgericht Siegburg, 7225 Tel. +49 (0)2224-9225-0, Fax +49 (0) 2224-9225-68 E-Mail: mittelstand-digital@wik.org www.mittelstand-digital.de Verantwortlich: Martin Lundborg Redaktion: Peter Stamm Satz und Layout: Karin Wagner Urheberrechte: Namentlich gekennzeichnete Texte geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Für den Inhalt der Texte sind die jeweiligen Autorinnen und Autoren verantwortlich. Bildnachweis: Titel: auremar - fotolia Seite 5: nutthaseth - fotolia Seite 8/9/10: Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Kaiserslautern/ A. Sell Seite 12: SITRA Spedition GmbH, Fotograf:http://www.hoefemann.de/ seite/business_impressum.html Seite 20: Henry Krause Seite 23: Stefan Veres Seite 24: nd3000 - fotolia Seite 32/34/35/36/37: Institut für Innovations- und Informations- management GmbH Seite 39: pixabay Seite 45: Carlos Yudica - fotolia Seite 50: Elnur - fotolia Seite 56: enzozo - fotolia Seite 66/68/69: IHK Siegen Seite 67: Sonja Riedel Seite 72: IHK Akademie OWL Seite 77: ITA Seite 83/85/86: LPS an der Ruhr-Universität Bochum Seite 89: Gorodenkoff - fotolia Stand: Januar 2019 Druck: Medienhaus Plump GmbH Rolandsecker Weg 33, 53619 Rheinbreitbach ISSN (Print) 2198-8544 ISSN (Online) 2198-9362
Arbeiten in der digital vernetzten Welt 1 Mittelstand-Digital Magazin WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS – Ausgabe 11 ARBEITEN IN DER DIGITAL VERNETZTEN WELT Inhalt Editorial 3 Christian K. Bosse, Viola Hellge, Delia Schröder Partizipation als Schlüssel zum Erfolg 5 Florian Dörries, Merlin A. Müller, Henning Schöpper, Wolfgang Kersten Wie bereite ich Führungskräfte auf die digitale Transformation vor? 12 Christoph Krause Die digitale Welt und die nötige Gelassenheit 20 Michael Minge, Philipp Günther Agile Entwicklung mitgestalten – Chancen und Herausforderungen für Kunden und Endnutzer 24 Jochen Scheeg, Michaela Scheeg Digitale Lösungen passend für den Nutzer gestalten 32 Christina Buchwald, Rebekka Heyme, Susanne Kaufmann, Stefan Voigt Orts- und zeitflexibles Arbeiten mit digitalen Kommunikationstechnologien 39 Katharina Rönick, Christopher Stockinger Gestaltung für den Mitarbeiter – Akzeptanz als Voraussetzung in der Arbeitswelt 4.0 45 Achim Gilfert, Carmen Poszich-Buscher, Tobias Wolff Bleib mir weg mit Digitalisierung, ich muss mich um meine IT kümmern 50 Carsten Kunkel, Andreas Johannsen, Olga Kunkel Digitalisierung first – Beschäftigtendatenschutz second? 56 Thomas Ludwig, Sonja Riedel Digital Scouts – Fit für die Digitalisierung 66 Sait Başkaya, Nazanin Budeus, Rainer Pivit Fit für die digitale Transformation – Der Blended Learning-Lehrgang „Digital Manager Industrie“ 71 Wolfgang Merx, Anna Eva Majchrzak, Mario Löhrer, Fabian Schreiber, Ye-One Rhie Neue soziale Infrastrukturen der Arbeit, Qualifikation und lebenslanges Lernen 77 Henning Oberc, Dominik Lins, Christopher Prinz, Bernd Kuhlenkötte Menschliche Arbeit in der vernetzten Produktion 83 Frank Hartmann, Marko Berndt Digitalisierung: Welche Kompetenzen werden gebraucht? 89
Arbeiten in der digital vernetzten Welt 3 Editorial Die Einführung digitaler Produktions- und Dienstleistungsprozesse bringt für die Menschen in den Unterneh- men einen grundlegenden Wandel ihrer Arbeitswelten mit sich. Am erfolgreichsten gelingt die digitale Trans- formation dort, wo die Belegschaft diese Veränderungen selbst aktiv anstößt und mitgestaltet. Bevor sich aber ein derartiger konstruktiver Prozess in Gang setzt, ist ein Kulturwandel im Betrieb erforderlich, der nicht über Nacht herbeizureden ist. Stattdessen sind gezielte Maßnahmen durchzuführen sowie Methoden anzuwenden, die in dieser neuen Ausgabe des Mittelstand-Digital Magazins vorgestellt werden. Die Schlüsselbegriffe sind hierbei Change Management, neue Arbeitsmethoden, Akzeptanz und Qualifikation. Change Management Schon der erste Beitrag bringt das Thema dieser Ausgabe auf den Punkt: Die Partizipation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist der Schlüssel zum Erfolg von Veränderungsprozessen. Anhand von vier Praxisbeispielen zeigen Christian K. Bosse, Viola Hellge und Delia Schröder vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Kaiserslau- tern, wie Unternehmen durch Einbindung und Beteiligung der Belegschaft in unterschiedlichen Phasen der digitalen Transformation positive Erfahrungen gesammelt haben. Dass insbesondere die Führungskräfte ihre Führungs- und Kommunikationsstile partizipativer ausgestalten müssen, um sowohl heute in die Digitalisierung als auch künftig in der Digitalisierung zu führen, betonen Florian Dörries, Merlin A. Müller, Henning Schöpper und Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Kersten aus dem Mittel- stand 4.0-Kompetenzzentrum Hamburg. Am Beispiel einer Spedition werden die spezifischen Schulungs- bedarfe und -möglichkeiten des Führungspersonals dargestellt. Auch in kleinen Handwerksunternehmen können die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezielt im digitalen Wandel mitgenommen werden. Christoph Krause vom Kompetenzzentrum Digitales Handwerk schlägt relativ einfache, aber effektive Maßnahmen und Tools vor, um das Wissen zu erschließen, das manche zumeist jüngere Kolleginnen oder Kollegen bereits besitzen. Neue Arbeitsmethoden Wie hat man sich eigentlich die viel beschworenen agilen Arbeitsweisen im digitalen Unternehmen konkret vorzustellen? Dr. Michael Minge und Philipp Günther vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Usability verdeut- lichen dies am Beispiel der Entwicklung einer Software in enger Abstimmung mit den künftigen Anwenderinnen und Anwendern. Hierbei werden die Prinzipien sowie unterschiedliche Ansätze agiler Software-Entwicklung vorgestellt und es wird deutlich, dass eine erfolgreiche digitale Transformation von Prozessen eine intensive Einbindung der Beschäftigten erfordert. Ein weiteres Beispiel dafür, wie die Digitalisierung von Prozessen nur gemeinsam mit den Nutzerinnen und Nutzern im Unternehmen optimal gelingt, stellen Prof. Dr. Jochen Scheeg und Michaela Scheeg vor. Das Umsetzungsprojekt des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Berlin zur Einführung eines digitalen Kontrollzent- rums für die Warenannahme zeigt, dass eine frühzeitige und intensive Einbindung der Mitarbeitenden nicht nur Ängste und Widerstände abbaut, sondern sogar gestalterische Impulse liefert und letztlich zur Identifikation mit der Lösung führt. Wie das digital vernetzte Arbeiten eine zeit- und ortsunabhängige Gestaltung bei wissenszentrierten Tätigkei- ten ermöglicht, skizzieren Christina Buchwald, Rebekka Heyme, Susanne Kaufmann und Dr.-Ing. Stefan Voigt vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Magdeburg. Sie klassifizieren in ihrem Artikel die hierfür benötigten Werkzeuge und zeigen, wie geeignete Rahmensetzungen, beispielsweise in Betriebsvereinbarungen, dabei helfen, die Herausforderungen zu meistern.
4 Mittelstand-Digital Magazin | Ausgabe 11 Akzeptanz Der beste digitale Prozess kann für ein Unternehmen zum Misserfolg werden, wenn die Akzeptanz der Mitarbei- tenden nicht gegeben ist. Daher muss bei der digitalen Transformation das Thema Akzeptanz von Anfang an mitberücksichtigt werden. Katharina Rönick und Christopher Stockinger vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzent- rum Darmstadt beschreiben an zwei Praxisbeispielen einen menschenzentrierten Gestaltungsprozess, bei dem die späteren Nutzerinnen und Nutzer konsequent einbezogen werden. Sehr konkret auf Basis einer fiktiven, aber durchaus realistischen Geschichte schildern Achim Gilfert, Dr. Carmen Poszich-Buscher und Tobias Wolff wie punktuelle Veränderungen oft unerwartete Auswirkungen auf andere Bereiche haben. Sie plädieren für eine ganzheitliche Betrachtung von Wirkungen und eine klare Analyse von Konfliktpotenzialen, bei der die Belegschaft mitgenommen und transparent informiert wird. Dadurch können Blockaden gelöst sowie Unsicherheiten und Ängste bei den Menschen im Betrieb reduziert werden. Dass von gesetzlicher Seite bereits viel für die Rechte der Beschäftigten im digitalen Arbeitsumfeld geregelt wurde, stellen Prof. Dr. Carsten Kunkel, Prof. Dr. Andreas Johannsen und Olga Kunkel dar. Es gilt der Grundsatz, dass personenbezogene Daten nur erhoben und verarbeitet werden dürfen, soweit es für das Beschäftigungs- verhältnis erforderlich und angemessen ist. In ihrem Beitrag wird dies an den beiden Beispielen „Bring your own device“ und „Digitaler Fußabdruck“ durchgespielt. Qualifikation Wie können kleine Unternehmen ihre Mitarbeiter qualifizieren, damit diese dann im Betrieb der Digitalisierung den Weg ebnen? Jun.-Prof. Dr. Thomas Ludwig und Sonja Riedel berichten über die Digital Scouts Workshop- Reihe des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Siegen, die genau diesen Bedarf erfolgreich adressiert. Da sich das Wissen zu Digitalisierungsthemen sehr dynamisch verändert, ist es entscheidend das Personal zu befähigen, Veränderungen innerhalb ihres Unternehmens selbst anzustoßen und zu gestalten. Dies ist der Kern der Blended Learning-Lehrgänge des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Dortmund, die Sait Başkaya, Nazanin Budeus und Rainer Pivit vorstellen. Wie in der Gesamtgesellschaft spielt der demographische Wandel auch in kleinen und mittleren Unternehmen eine zunehmende Rolle. Qualifikation von älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Hilfe von Assistenz- systemen ist das Thema des Artikels von Wolfgang Merx, Anna Majchrzak, Mario Löhrer, Dr. Fabian Schreiber und Ye-One Rhie aus dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Textil vernetzt. Betriebsräte sind sehr wichtige Partner für die partizipative Umsetzung von Digitalisierungsprojekten in ihren Unternehmen. Zur Qualifizierung von Betriebsräten und Arbeitgebervertretern kooperiert das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Siegen eng mit der IG Metall. Henning Oberc, Dominik Lins, Dr.-Ing. Christopher Prinz und Prof. Dr.-Ing. Bernd Kuhlenkötter stellen die hierbei erfolgreichen Schulungskonzepte vor. Wie stellt sich die gegenwärtige Fachkräftesituation in Bezug auf die digitale Transformation dar? Welche Quali- fikationen und Kompetenzen werden für Digitalisierungsprozesse in Unternehmen besonders gebraucht? Diese Fragen beantworten Dr. Frank Hartmann und Marko Berndt vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum IT- Wirtschaft auf Basis von Literaturanalysen. Mit diesem breiten Spektrum an Beiträgen hoffen wir Ihnen einen interessanten Einblick in die vielfältigen Themen und Fragestellungen bezüglich einer partizipativen Gestaltung der digitalen Transformation zu geben. Lassen Sie sich von den vorgestellten Vorgehensweisen und Methoden für Ihr Unternehmen inspirieren. Wenn sich daraus weitergehende Fragen und Unterstützungsbedarfe ergeben, stehen Ihnen die Kompetenzzentren von Mittelstand-Digital mit weiteren Informationen und vielfältigen konkreten Angeboten gerne zur Verfügung. Peter Stamm Begleitforschung Mittelstand-Digital
Arbeiten in der digital vernetzten Welt 5 Christian K. Bosse, Viola Hellge, Delia Schröder Partizipation als Schlüssel zum Erfolg Die Veränderung der Arbeitswelt, ausgelöst durch intelligenter machen – jedoch bergen sie auch Risi- die Digitalisierung, stellt viele mittelständische ken in sich. Digitalisierung im Unternehmen bedeu- Unternehmen vor eine große Herausforderung. tet nicht nur die Einführung einer neuen Technologie, Ein Schlüssel zur erfolgreichen digitalen Trans- sondern ist als ein tiefgreifender Veränderungspro- formation sind die Mitarbeiter, die gut vorberei- zess zu verstehen. Das komplexe Zusammenwir- tet und an den richtigen Stellen in den Prozess ken von technischem, organisationalem und sozia- eingebunden, eine tragende Rolle einnehmen. lem System wird oftmals nicht ausreichend beachtet, Geschieht dies nicht oder nicht in einem ausrei- wodurch es zu Schwierigkeiten bei der Umsetzung chenden Maß, so können mangelnde Akzeptanz kommt: Die ausgewählte Technologie entspricht und Ablehnung auf Seiten der Mitarbeiter ent- nicht den Anforderungen der Anwender, Mitarbeiter stehen und den Transformationsprozess hemmen wurden nicht rechtzeitig geschult und sind überfor- oder gar gänzlich blockieren. Im Rahmen des Bei- dert oder der Betriebsrat sieht Datenschutzbestim- trags werden Möglichkeiten und Potenziale einer mungen in Gefahr und bringt Einwände gegen den erfolgreichen Einbindung der Mitarbeiter in die Einsatz der neuen Technologie vor. In der unterneh- verschiedenen Phasen des digitalen Transforma- merischen Praxis sind viele Szenarien vorzufinden, tionsprozesses aufgezeigt und mit Hilfe von ver- in denen ein effektiver Einsatz und das Ausschöpfen schiedenen Praxisbeispielen aus den Aktivitäten des vollen Potenzials neuer Technologien nicht gelin- des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Kaisers- gen. lautern veranschaulicht. Werden die Mitarbeiter von Beginn an in den Prozess der digitalen Transformation eingebunden, steigt die Die digitale Transformation als Change-Prozess Akzeptanz der neuen Technologie und des damit ein- im Unternehmen hergehenden Wandels im Unternehmen. Darüber hinaus birgt die Partizipation weitere Vorteile. So ken- Neue Technologien und digitale Lösungen können nen die Mitarbeiter die bestehenden Prozesse und sowohl die Abläufe im Unternehmen an vielen Stellen Problemstellungen im Arbeitsalltag am besten und optimieren als auch Produkte und Dienstleistungen können auch die Anforderungen an eine digitale
6 Mittelstand-Digital Magazin | Ausgabe 11 Auswertungs- und Planungsphase Anpassungsphase Digitaler Transformationsprozess Inspirations- und Realisierungsphase Orientierungsphase Abbildung 1: Phasen im digitalen Transformationsprozess Lösung konkret benennen. Dadurch kann bereits in ► Bietet die Digitalisierung das Potenzial für neue den frühen Phasen des Transformationsprozesses Geschäftsmodelle? der Grundstein für die Einführung einer passgenauen Technologie gelegt werden, die die Mitarbeiter bei ► Können bestehende Prozesse und organisatori- ihren Tätigkeiten optimal unterstützt. Je nach Unter- sche Abläufe durch den Einsatz von neuer Tech- nehmen und den jeweiligen Rahmenbedingungen nologie verbessert werden? bieten sich in den einzelnen Phasen des digitalen Transformationsprozesses verschiedene Formen der ► Ermöglicht der Einsatz neuer Technologie eine Mitarbeiterbeteiligung an. Um diese praxisnah zu Verbesserung der Arbeitsbedingungen? veranschaulichen, werden im Folgenden die Phasen des digitalen Transformationsprozesses beschrieben Vor allem kleinen und mittleren Unternehmen man- und mit Beispielen aus den Unterstützungsleistun- gelt es jedoch an klaren Bewertungskriterien für die gen des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Kaisers- Auswahl von Technologien und deren finanzielle lautern illustriert. Konsequenzen, was in der Anfangsphase digitaler Transformationsprozesse sowie bei der Umsetzung von Pilotprojekten notwendig ist. Auch Innovationen Der digitale Transformationsprozess im Bereich der unternehmensspezifischen Anwen- dung neuer Technologien, der Organisationsgestal- Der digitale Transformationsprozess steht auf Unter- tung und des Know-how-Gewinns lassen sich bisher nehmensebene für die schrittweise Einführung digi- nur schwer in eine Beurteilung und damit in die Aus- taler Technologien und die damit verbundenen gestaltung der verschiedenen Phasen digitaler Trans- Wandlungsprozesse. Im Idealfall werden zunächst formation auf Unternehmensebene einbeziehen.1 die Ausgangslage und Entwicklungspotenziale im Unternehmen ermittelt, um daraus den individuellen Die Gestaltung eines digitalen Transformationspro- Weg der Digitalisierung abzuleiten. Hierbei ist stets zesses kann in vier Phasen gegliedert werden (Abbil- die enge Verknüpfung der verschiedenen Ebenen dung 1), auf die im Folgenden eingegangen wird.2 eines sozio-technologischen Systems zu beachten. Zudem verdeutllichen Praxisbeispiele mögliche Akti- Für die Umsetzung einer Digitalisierungslösung sind vitäten, die von Unternehmen in den Phasen umge- nicht nur technologische, sondern auch organisatio- setzt wurden. nale und soziale Ziele zu berücksichtigen. Im Zentrum dieses mehrdimensionalen Veränderungsprozesses 1 Fraunhofer IPA (2016). stehen beispielsweise Fragen wie: 2 Hellge, Schröder & Zink (2017).
Arbeiten in der digital vernetzten Welt 7 39% 24% 14% 12% 11% nein, derzeit nein, aber Planung Planung ja, Umsetzung ja, Umsetzung keine Planung angestoßen abgeschlossen gestartet läuft Reifegrade: Erkunder Einsteiger Fortgeschrittener Experte Vorreiter n Gesamt 211 335 103 118 95 862 24% 39% 12% 14% 11% Abbildung 2: Ergebnisse des Readiness-Checks Digitalisierung zu „Haben Sie eine Digitalisierungsstrategie mit konkreten Zielen und Zielwerten in Ihrem Unternehmen definiert?“ 1. Inspirations- und Orientierungsphase Eine Digitalisierungsstrategie bildet die Grundlage für die Umsetzung des digitalen Transformationspro- Für ein Unternehmen beginnt die digitale Transforma- zesses. Die Analyse des digitalen Reifegrades eines tion in der Regel durch eine Phase der Inspiration und Unternehmens kann dabei in die Entwicklung einer Orientierung. Die Suche nach Erfolgsbeispielen in Digitalisierungsstrategie einfließen und als Aus- einem vergleichbaren betrieblichen Umfeld hilft, eine gangspunkt für eine systematische Auseinanderset- Vision für das eigene Unternehmen zu entwickeln.3 Es zung mit den Verbesserungspotenzialen dienen.8 ist „essenziell, eine Art von Zukunftsbild zu entwerfen“4, das sowohl Kunden als auch Partner und Mitarbeiter nachvollziehen können. Insbesondere die Chancen, ► Praxisbeispiel: Gienanth GmbH aber auch die Herausforderungen für das eigene Unternehmen sind hierbei in Betracht zu ziehen. Ein solches Vorgehen wählte bspw. die Gießerei Gienanth GmbH aus Eisenberg in der Pfalz, die den Neben der Inspiration steht eine Standortbestimmung Readiness-Check als Grundlage für die Definition der digitalen Reife des Unternehmens im Mittel- srategischer Handlungsfelder bzgl. Digitalisierung punkt. Hinzu kommt eine Ausrichtung der bestehen- im Unternehmen nutzte. Mehrere Führungskräfte den Unternehmensstrategie auf Digitalisierungsthe- und Mitarbeiter aus relevanten Unternehmensberei- men.5 Studien zufolge verfügt bisher nur ein Fünftel chen führten die Reifegradbestimmung durch. Das der mittelständischen Unternehmen in Deutschland Kompetenzzentrum stellte eine aggregierte Reife- über eine Digitalisierungsstrategie, mit deren Hilfe gradeinordnung zur Verfügung, die die unterschied- (Pilot-) Projekte systematisch geplant und umgesetzt lichen Sichten auf das Unternehmen berücksichtigt. werden.6 Ergebnisse des Readiness-Checks Digitali- Diese wurden im Rahmen eines gemeinsamen Stra- sierung des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Kai- tegie-Workshops diskutiert und für weitere Planungs- serslautern zeigen, dass nur 37 Prozent der teilneh- schritte herangezogen. Ergebnis des Workshops war menden Unternehmen (n=862; Stand September eine Sammlung an strategischen Handlungsfeldern, 2018) über eine definierte Digitalisierungsstrategie die weiter für die Umsetzung bzgl. ihrer Wirkungen mit konkreten Zielen und Zielwerten verfügen.7 und zeitlichen Dringlichkeit priorisiert wurden. 3 Bruch (2016). 4 Spielberg (2015), S. 8. 5 Merz (2016). 6 Saam, Viete & Schiel (2016). 8 Universität St. Gallen Institut für Wirtschaftsinformatik und 7 Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Kaiserslautern (2018). Crosswalk (2016).
8 Mittelstand-Digital Magazin | Ausgabe 11 Das partizipative Vorgehen mit Einbindung der Mit- Themen Digitalisierung und Industrie 4.0 von Anfang arbeiter ermöglichte eine frühzeitige Akzeptanz der an mit einbezogen“, so Geschäftsführer Ralph Effgen. Handlungsfelder über alle Abteilungen hinweg. „Gerade als Traditionsunternehmen wollen wir den Die Unternehmensleitung entwickelte im Anschluss digitalen Wandel für uns aktiv gestalten und neue partizipativ mit Vertretern der zentralen Unterneh- Möglichkeiten effizient nutzen. Die Impulse aus der mensbereiche eine Vision für das Unternehmen für Ideenwerkstatt sind ein wertvoller Beitrag und Weg- das Jahr 2025 sowie eine Digitalisierungsstrategie. weiser zu unserem Ziel Gienanth 4.0“, hält Simon Das Team des Kompetenzzentrums moderierte die- W. Geib, Head of PMO & Business Development sen Prozess der Visions- und Strategieentwicklung. Gienanth GmbH, fest. Aufbauend auf den Ergeb- Im Fokus stand dabei zunächst die Formulierung kon- nissen wurden ein als besonders relevant priorisier- kreter Ziele und Zielwerte, an denen das Unterneh- tes Handlungsfeld hinsichtlich Problemstellungen men die Aktivitäten in Sachen Digitalisierung in den und Verbesserungspotenzialen im Detail aufgearbei- nächsten Jahren ausrichten wird. Das Leitungsteam tet und Maßnahmen für die Umsetzung eines Pilot- priorisierte die abgeleiteten Maßnahmen und wählte projektes, der Einführung eines Product-Lifecycle- ein Pilotprojekt aus, das mit Unterstützung des Kom- Management-Systems (PLM-Systems), definiert. Ein petenzzentrums realisiert wurde: die digitale Vernet- PLM-System organisiert Produkte und Prozesse wäh- zung der IT-Systeme von Konstruktion, Arbeitsvorbe- rend des gesamten Produktlebenszyklus. reitung und Qualitätssicherung. ► Praxisbeispiel: Günter Effgen GmbH Ein weiteres Beispiel für einen gelungenen Auftakt in den digitalen Transformationsprozess liefert die Gün- ter Effgen GmbH. Der Schleifwerkzeughersteller mit ca. 300 Mitarbeitern aus Rheinland-Pfalz hat, unter- stützt durch das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Kaiserslautern, erfolgreich seine digitale Reife bestimmt und die Umsetzung eines Pilotprojektes gestartet. Im Rahmen der Orientierungsphase nahm das Unter- nehmen Kontakt zum Kompetenzzentrum auf und Abbildung 3: Übernahme von Daten am Maschinen- führte den Readiness-Check Digitalisierung durch, terminal bei der Günter Effgen GmbH um für sich relevante Themen bzgl. Digitalisierung zu identifizieren. „Dabei wurde uns klar, dass wir in Sachen Digitalisierungsstrategie noch wenig vorzu- 2. Planungsphase weisen hatten. Auch bei einigen technischen Aspek- ten, wie der Vernetzung von Maschinen, leiteten wir Die zweite Phase im digitalen Transformationspro- aus dem Vergleich zu den Reifegraden anderer Unter- zess, die sogenannte Planungsphase, fokussiert den nehmen Handlungsbedarf für die Zukunft ab, damit Zielkorridor des Unternehmens zum Beispiel durch die Günter Effgen GmbH weiterhin wettbewerbsfähig die Ausarbeitung einer Digitalisierungs-Roadmap fertigen kann“, äußert sich Michael Schneider, Lei- und die Untermauerung durch Pilotprojekte in den tung Fertigungsplanung und Controlling bei Effgen. kommenden Jahren.9 Die Ziele für die digitale Trans- formation in einem Strategieteam zu vereinbaren und Der Unternehmensleitung war es wichtig, die digitale festzuschreiben, schafft Verbindlichkeiten. Maßgeb- Transformation mit einem offenen Mitarbeiter-Dialog lich für ein erstes Pilotprojekt ist, dass es zu einem zu starten. Zunächst wurden daher die Mitarbeiter schnellen Handeln und sichtbaren Erfolgen führt. des Unternehmens in Kooperation mit dem Kompe- Entsprechend sind Projektziele aus den strategischen tenzzentrum über die geplante Industrie 4.0-Initiative Zielen abzuleiten und Zeithorizont, konkrete Maß- im Rahmen einer Betriebsversammlung informiert nahmen sowie Verantwortlichkeiten festzulegen. und für die Herausforderungen, denen sich Effgen Auch ein überschaubares Set von Indikatoren, die ein aufgrund von Digitalisierung gegenüber sieht, sensi- kurzzyklisches Monitoring möglich machen, ist Teil bilisiert. „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt und der Planungsphase. es herrscht ein sehr gutes Betriebsklima. Darum haben wir unsere Mitarbeiter bei den nicht so greifbaren 9 Merz (2016).
Arbeiten in der digital vernetzten Welt 9 ► Praxisbeispiel: PS Automation GmbH Basierend auf den Ergebnissen der Anforderungser- hebung wurden in Kooperation mit dem ERP-Anbie- Die PS Automation GmbH, ein Hersteller von elektro- ter des Unternehmens Ziele und Meilensteine verein- nischen Stellantrieben zur Steuerung und Regelung bart, um eine individualisierte Shopfloor-App zu von Gasen oder Flüssigkeiten mit ca. 35 Mitarbeitern entwickeln und an einem Montagearbeitsplatz pilot- aus Bad Dürkheim, stand vor den Herausforderun- haft umzusetzen. „Im ERP-System bereits vorhandene gen einer flexiblen Produktion. Insbesondere aus den Informationen konnten entsprechend der Anfor- Kundenwünschen resultierende Änderungen an der derungen und Bedürfnisse an den verschiedenen Konstruktion und in der Montage der verschiedenen Arbeitsstationen aufbereitet werden. So können die elektronischen Stellantriebe galt es den Produktions- Mitarbeiter mit Hilfe der neuen Web-Anwendung mitarbeitern schnellstmöglich bereitzustellen. Ins- optimal bei ihren Tätigkeiten unterstützt werden“, gesamt werden so über 1.500 verschiedene Varian- erklärt Christian Schmidhuber den Vorteil und Mehr- ten produziert, die sich teilweise nur anhand kleiner wert der digitalen Lösung. Details, wie einem anderen Material bei einem Zahn- rad oder anderen Schrauben, unterscheiden. Hier einen Überblick zu behalten und die Informationen 3. Realisierungsphase zu Änderungen den Produktionsmitarbeitern immer aktuell bereitzustellen, ist eine zeitaufwändige Auf- In der Realisierungsphase, der dritten Phase im digi- gabe. Zudem sollte die Weitergabe von Wissen zwi- talen Transformationsprozess, werden die geplanten schen den Mitarbeitern vereinfacht werden. Maßnahmen schrittweise umgesetzt und anhand abgestimmter Indikatoren verfolgt. Es empfiehlt sich Das Unternehmen ging dazu im Rahmen der Pla- hierbei, Projektmanagementmethoden anzuwenden, nungs- und Realisierungsphase des digitalen Trans- um den Projekterfolg objektiv vergleichbar zu formationsprozesses einen sehr partizipativen Weg machen.10 In der Realisierungsphase gehen die tech- gemeinsam mit dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzent- nologischen Maßnahmen idealerweise Hand in Hand rum Kaiserslautern: Als Grundlage der Technologie- mit organisationalen und prozessualen Veränderun- auswahl und -einführung wurden zunächst die Anfor- gen sowie der Einbindung der betroffenen Mitarbei- derungen der Produktionsmitarbeiter durch eine ter. Die Mitarbeiter sind dabei als zentraler Erfolgsfak- Befragung und Prozessanalyse erhoben. Die Ergeb- tor bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten nisse flossen u. a. in die Ausarbeitung und Auswahl zu sehen. Eine fehlende Sensibilisierung für die Not- einer digitalen Lösung zur Verbesserung des Wis- wendigkeit der Veränderung und Einbindung in die sensmanagements in der Produktion ein, das im Rah- Veränderungsprozesse kann zu einer generellen men eines Pilotprojektes im Unternehmen entwickelt Ablehnung sowie ein Scheitern des Digitalisierungs- und eingeführt wurde. „In einer Produktion, in der fast vorhabens führen. Ein Augenmerk sollte stets auch ausschließlich manuell gefertigt wird, nehmen die auf der Qualifikation der Mitarbeiter liegen, um sie Mitarbeiter eine zentrale Rolle ein. Sie müssen opti- auf den Einsatz neuer Technologie oder Software vor- mal unterstützt und motiviert werden“, bekräftigt zubereiten. Das Ausbleiben von entsprechenden Geschäftsführer Christian Schmidhuber die Entschei- Qualifizierungsmaßnahmen führt in der Praxis häufig dung zur Einführung eines digitalen Wissensma- dazu, dass die vollen Möglichkeiten einer digitalen nagements. Lösung nicht effizient ausgeschöpft werden oder sie sogar gänzlich abgelehnt wird. ► Praxisbeispiel: Gebrüder Mayer GmbH & Co. KG Die Bedeutung der Mitarbeiterorientierung und -qualifizierung in der Realisierungsphase von Digi- talisierungsprojekten lässt sich anhand des Logistik- unternehmens Gebrüder Mayer GmbH & Co. KG aus Zweibrücken zeigen. Das Familienunternehmen nutzt eine mobile App basierend auf dem im Unterneh- men genutzten Kommissionierungssystem zur Opti- mierung der Liefer- und Zustellprozesse. Ab dem Abbildung 4: Vorbereitung der Montage eines Antriebs bei der PS Automation GmbH 10 Merz (2016).
10 Mittelstand-Digital Magazin | Ausgabe 11 Zeitpunkt, an dem sich die Ware auf dem Fahrzeug 4. Auswertungs- und Anpassungsphase befindet, kommt die App ins Spiel, die das erste Digi- talisierungsprojekt im Unternehmen ist. Sie ermög- In der Praxis empfiehlt es sich, an die Realisierung licht, verschiedene Daten zur Ware und zum Fahrer eines Pilotprojekts stets eine Auswertungs- und digital zu speichern. Die Fahrer erhalten zum einen Anpassungsphase anzuschließen. Sie bildet optima- die Routeninformationen direkt über die App, erfas- lerweise den Übergang zu anknüpfenden Digitalisie- sen zum anderen ihre Pausenzeiten darüber und die rungsprojekten bzw. einem weiteren Voranschreiten Kunden unterschreiben bei der Übergabe der Ware der digitalen Transformation. Dies wird häufig ver- auf dem Smartphone. nachlässigt, sodass kein systematischer Verbesse- rungsprozess etabliert werden kann. Zum einen lässt sich auf der Ebene des Projektmanagements die Umsetzungsqualität reflektieren, zum anderen die Entwicklung der digitalen Reife des Unternehmens dokumentieren. Hierbei ist es sinnvoll, die Ausgangs- messung zu wiederholen, um im besten Fall positive Trends aus dem Ergebnisvergleich ableiten zu kön- nen oder Anpassungen der Digitalisierungsstrategie zu identifizieren. Fazit Die digitale Transformation generell ebenso wie die Durchführung konkreter Digitalisierungsprojekte Abbildung 5: Einsatz der eingeführten Logistik-App bei bieten viele Stolpersteine. Neben einer guten Sensi- der Gebrüder Mayer GmbH & Co. KG bilität für das Thema in der Geschäftsführung und einem strukturierten Vorgehen, trägt die Einbindung und Beteiligung der Mitarbeiter grundlegend zum Um die Akzeptanz der mobilen App bei den Spediti- Gelingen bei. Durch ihre oftmals von der Geschäfts- onsfahrern zu erhöhen, unterstützte das Mittelstand führung abweichende Sichtweise können Mitarbeiter 4.0-Kompetenzzentrum Kaiserslautern den Spediteur die Anforderungen an neue technologische Lösun- bei einer Schulung der Mitarbeiter zu den unter- gen praxisnah formulieren und Optimierungspoten- schiedlichen Einsatzmöglichkeiten der App. Dazu ziale in ihren operativen Tätigkeiten benennen. Tech- wurden Vorteile und Nutzen mit der Geschäftsfüh- nikaffine Mitarbeiter können darüber hinaus als rung, den Mitarbeitern aus der Kommissionierung Unterstützer im Unternehmen agieren und ihre Kolle- sowie den Fahrern gemeinsam erarbeitet. Nutzen, gen bspw. bei einer Technologieeinführung bestär- Vorteile und die Funktionen der App wie Chat- und ken. Einer generell ablehnenden Haltung von Mitar- GPS-Funktion wurden zusammen mit den unter- beitern gegenüber neuen digitalen Lösungen kann schiedlichen Spracheinstellungsoptionen den Fah- so frühzeitig entgegengewirkt werden. rern erläutert. Neben einer bebilderten Nutzeranlei- tung setzt Gebrüder Mayer inzwischen ein kurzes Lernvideo ein, in dem ein Fahrer die App in seinem Berufsalltag einsetzt. Zum einen werden die einzel- nen Schritte erklärt, die der Fahrer auf der App zu erledigen hat, z. B. seine Pausenzeiten eingeben oder die Kunden unterschreiben lassen. Das etwa zweimi- nütige Video kann von den Fahrern jederzeit auf dem Smartphone angeschaut werden. Der Fahrer im Film dient dabei als Vorbild, denn er zeigt, wie die App im Alltag unterstützen kann. Mit Hilfe der Schulung sowie des Videos konnte begleitend zum Digitalisie- rungsprojekt eine Steigerung der Akzeptanz sowie ein effizienter Einsatz der neuen digitalen Lösung erreicht werden.
Arbeiten in der digital vernetzten Welt 11 Literatur Autoren Bruch, H. (2016): Suchen Sie Erfolgsbeispiele. In: Dipl.-Kfm. techn. Christian K. Bosse Google (Hrsg.): Aufbruch München, Juni 2016, studierte Betriebswirtschaftslehre mit S. 8-9. technischer Qualifikation im Fach In- formatik an der Technischen Univer- Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automa- sität Kaiserslautern und der Auckland tisierung (IPA) (2015): Industrie 4.0 - Chancen und University of Technology (AUT) in Perspektiven für Unternehmen der Metropolregion Neuseeland. Seit September 2011 ist Rhein-Neckar. Studie im Auftrag der Industrie- und Herr Bosse als wissenschaftlicher Mit- Handelskammern Rhein-Neckar, Pfalz und Darm- arbeiter am Institut für Technologie stadt, Rhein/ Main/Neckar. und Arbeit tätig. Als Teil seiner Forschungs- und Bera- Hellge, V.; Schröder, D.; K.J. Zink (2017): Der Readiness- tungstätigkeiten unterstützt Herr Bosse als Experte im Check „Digitalisierung“ als Instrument im digitalen Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Kaiserslautern Transformationsprozess. In: Lingnau, V., Müller-Seitz, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei ihrer digi- G., Roth, S. (Hrsg. 2017): Management der digitalen talen Transformation. Unter anderem leitet er in die- Transformation: Interdisziplinäre theoretische Pers- sem Kontext Kooperationsprojekte mit KMU, deren pektiven und praktische Ansätze. Vahlen. Ziel die Unterstützung bei der Suche, Auswahl, Umset- zung und partizipativen Einführung digitaler Lösungen Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Kaiserslautern im Unternehmen ist. (2018): Kurzbericht zum Readiness-Check Digitalisie- rung. September 2018. Kaiserslautern. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Viola Hellge stu- Merz, S. L. (2016): Industrie 4.0-Strategie: So geht man dierte bis November 2011 Diplom- bei der Einführung vor. In: Roth, A.: Einführung und Wirtschaftsingenieurwesen mit Fach- Umsetzung von Industrie 4.0. Berlin, Heidelberg, richtung Chemie an der Technischen 2016, S. 83-110. Universität Kaiserslautern und der St. Saam, M.; Viete, S.; Schiel, S. (2016): Digitalisierung im Ambrose University in Davenport, Mittelstand. Status Quo, aktuelle Entwicklungen und Iowa. Seit Februar 2012 ist Frau Hell- Herausforderungen. Forschungsprojekt im Auftrag ge als wissenschaftliche Mitarbeiterin der KfW. ZEW Zentrum für Europäische Wirtschafts- am Institut für Technologie und Ar- forschung GmbH. KfW Bankengruppe. beit beschäftigt. Aktuell arbeitet Frau Hellge als Exper- tin im Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Kaiserslau- Spielberg, H. (2015): Digitalisierung braucht Ehrlichkeit. tern und unterstützt KMU bei der Bestimmung des di- In: Zeitschrift Organisationsentwicklung: Zeitschrift gitalen Reifegrades der Unternehmen mit Hilfe des für Unternehmensentwicklung und Change Manage- Readiness-Checks Digitalisierung. Sie leitet u. a. Pro- ment, Ausgabe Nr. 3/2015, S. 6‑10. jekte mit KMU bzgl. der Gestaltung digitaler Transfor- mationsprozesse sowie der Auswahl und Einführung Universität St. Gallen Institut für Wirtschaftsinformatik digitaler Technologien (z. B. ERP-Systeme). und Crosswalk (Hrsg.) (2016): Digital Maturity & Transformation Report 2016. Dipl.-Soz. Delia Schröder, MBA stu- dierte an der Universität des Saarlan- des Soziologie mit den Nebenfä- chern Sozialpsychologie sowie Ar- beits- und Sozialrecht. Seit 2006 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeite- rin am Institut für Technologie und Das Institut für Technologie und Arbeit ist Arbeit beschäftigt. Im Januar 2007 Konsortialpartner im Mittelstand 4.0-Kompetenz- hat Delia Schröder ihr berufsbeglei- zentrum Kaiserslautern. Dieses bietet u. a. tendes Studium an der Hochschule Pforzheim mit dem Expertenwissen zu: MBA in "Human Resources Management and Consul- ►► Partizipativer Prozessgestaltung bei Einführung ting" abgeschlossen. Derzeit liegt einer ihrer Arbeits- neuer Technologien schwerpunkte auf arbeits- und organisationswissen- schaftlichen Dimensionen der Digitalisierung. Sie lei- ►► Begleitung von Veränderungsprozessen im tet in diesem Kontext u. a. das Teilprojekt „Sozio-tech- Unternehmen nologische Arbeitssystemgestaltung“ des Mittelstand ►► Veränderung von Kompetenzprofilen und Ablei- 4.0-Kompetenzzentrums Kaiserslautern. tung notwendiger Qualifikationsmaßnahmen www.kompetenzzentrum-kaiserslautern.digital
12 Mittelstand-Digital Magazin | Ausgabe 11 Florian Dörries, Merlin A. Müller, Henning Schöpper, Wolfgang Kersten Wie bereite ich Führungskräfte auf die digitale Transformation vor? Die digitale Transformation von Unternehmen rein physikalische Produkterstellung und deren tech- und Organisationen ist weiterhin eines der zentra- nische Ausgestaltung. In Bezug auf den Menschen len Themen, welches sowohl die Wissenschaft als und die Organisation bleibt vielfach offen, welche auch die Praxis diskutieren. Dieser Beitrag zeigt Auswirkungen und notwendigen Voraussetzungen Herausforderungen des Wandels für Führung und sich aus dem technologischen Wandel für die Arbeit Führungskräfte sowie die dadurch entstehenden in einem zunehmend digital vernetzten Umfeld erge- Qualifikationsbedarfe auf. Wie ein mittelständi- ben.2 sches Unternehmen selbst solchen Bedarfen ent- sprechen kann, zeigt das gewählte Praxisbeispiel. Die Arbeit selbst betreffende Themenfelder wer- den auch als die weichen Faktoren der digitalen Transformation bzw. als Arbeit 4.0 bezeichnet.3 Im Einleitung Rahmen der Hamburger Dialogplattform Indust- rie 4.0 wurde der Begriff Arbeit 4.0 für ein differen- Die digitale Vernetzung ist aus unserer Gesellschaft zierteres Verständnis in die Arbeitsbereiche Füh- nicht mehr wegzudenken. Die Vision der Industrie 4.0 rung, Qualifikation und Organisation unterteilt.4 fokussiert sich auf das Vernetzen von Prozessen, Pro- Der Führung kommt bei dem digitalen Transforma- dukten und damit auch von Akteuren in Wertschöp- tionsprozess eine besondere Bedeutung zu, denn fungsnetzwerken.1 Bei der Diskussion der Begriffe sie verantwortet sowohl die Entwicklung von Pers- Industrie 4.0 und digitale Transformation wird häufig pektiven als auch die Orchestrierung des Wandels.5 in erster Linie über die technischen Ausprägungen dieser Entwicklungen gesprochen. Dabei beeinflusst die digitale Transformation weit mehr als bspw. die 2 Becker (2015). 3 Schöpper et al. (2018). 4 Hamburger Dialogplattform Industrie 4.0 (2016). 1 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (2018). 5 von See und Kersten (2018).
Arbeiten in der digital vernetzten Welt 13 Diese zwei Aufgabenfelder fordern den Führungs- Wissen über technologische Weiterentwicklungen kräften u. a. eine starke Kommunikationsfähigkeit ab; sowie aktuelle Trends. Eine Führungskraft muss bis zu eine Studie der Staufen AG (2015) hat für ebendiese einem gewissen Grad in der Lage sein, mit der IT intu- Kompetenz einen besonderen Aufholbedarf bei den itiv umzugehen. Darüber hinaus müssen Inhaber lei- Führungskräften identifiziert.6 Es wird deutlich: Qua- tender Positionen technisches Detailwissen besitzen, lifizierte und motivierte Führungskräfte stellen einen welches u. a. bei der datenbasierten Entscheidungs- wesentlichen Erfolgsfaktor für die digitale Transfor- findung unterstützt, sofern es im Unternehmen keine mation dar. Bislang existieren nur wenige Beiträge, zuständigen Mitarbeiter mit ebendiesen Fähigkeiten welche die Bedeutung der Führungskräfte in der gibt. Insbesondere für kleine und mittlere Unterneh- digitalen Transformation beleuchten. Zudem fehlt es men (KMU) dürfte dieser Umstand oft zutreffen. an realen Praxisbeispielen, anhand derer Rahmenbe- dingungen aufgezeigt, Erfolgsfaktoren identifiziert Sind die richtigen Perspektiven gefunden, ist dies und konkrete Umsetzungsvorhaben entwickelt wer- jedoch kein Garant für deren erfolgreiche Einführung den können. Diese Lücke soll dieser Beitrag adressie- bzw. Umsetzung. Die gezielte Steuerung des Wan- ren und erste konkrete Ansätze liefern. dels ist ein unumgänglicher, anschließender Arbeits- schritt (siehe Abbildung 1). Ausgehend von den Pers- pektiven gilt es den gewünschten Zielzustand zu Digitale Transformation führt zu Qualifikations- definieren, den Weg dorthin zu ebnen und die Mitar- bedarfen bei Führungskräften beiter einzubinden. So fordert die Steuerung des Wandels, also der Umsetzung der digitalen Transfor- Die konkrete Ausgestaltung der digitalen Transfor- mation, andere Kompetenzen, im Vergleich zur Ent- mation eines Unternehmens lässt sich leider nicht wicklung von Perspektiven. Es helfen bspw. offene pauschal beantworten. Allerdings gibt es erste allge- und sensible Führungs- und Kommunikationsstile, meine Gestaltungshinweise und Handlungsrahmen. um Mitarbeiter mitzunehmen und zu motivieren. Die Autoren von See und Kersten diskutieren die zen- Einerseits kann die digitale Transformation also nur tralen Aufgaben Entwicklung von Perspektiven und mit motivierten Führungskräften gelingen. Anderer- Orchestrierung des Wandels, was die Grundlage für seits dürfte allein das „Schritthalten“ mit der techno- die folgenden Ausführungen darstellt.7 Im ersten logischen Entwicklung und die Weiterentwicklung Schritt müssen sich Führungskräfte mit der Aufgabe von Führungs- und Kommunikationsstilen bei vielen der Entwicklung von Perspektiven auseinanderset- Führungskräften bereits Qualifikationsbedarfe erzeu- zen. Die Führung muss entscheiden können, welche gen. (technologischen) Entwicklungen für das Unterneh- men unabdingbar sind bzw. erfolgsfördernd. Weiter Neben diesen auf die Führungskraft zentrierten sind diese mit der aktuellen Vision des Unterneh- Aspekten, ergeben sich aus dem digitalen Wandel mens in Einklang zu bringen. Weitsichtiges Handeln darüber hinaus Spannungsfelder, welche ebenfalls und Fokussierung des Kundennutzens sind somit die Anforderungen an die Führung erkennbar ver- gegenüber unreflektierter und spontaner Einführung ändern können. Die Autoren Rump, Zapp und Eilers von neuer Technologie zu priorisieren. Um Perspekti- diskutieren in Ihrem Beitrag zehn für den betrach- ven für den digitalen Transformationsprozess zu ent- teten Kontext relevante Spannungsfelder.8 Bei- wickeln, bedarf es gewisser IT-Kompetenzen und spiele aus dieser Liste sind (1) Generation Y und Z vs. 6 Staufen AG. 7 von See und Kersten (2018). 8 Rump et al. (2017). Zentrale Aufgaben der Führung 1. Entwicklung von Perspektiven 2. Orchestrierung des Wandels Abbildung 1: Zentrale Aufgaben der Führung
14 Mittelstand-Digital Magazin | Ausgabe 11 Generation Baby Boomer und X sowie (2) stationäre einer gemeinsamen Arbeitskultur und -atmosphäre vs. mobile Arbeit. Im ersten Beispiel (1) stehen die sichern daher eine erfolgreiche gemeinsame Arbeit verschiedenen Generationen von Mitarbeitern ein- ab. Klar ist: Es steigen nicht nur die Kompetenzanfor- ander gegenüber. Generation Y und Z, auch Digital derungen an Führungskräfte, diese müssen darüber Natives genannt, sind mit Computern und den umge- hinaus lernen, ihre Stile situationsbedingt anzupas- benden digitalen Medien direkt aufgewachsen und sen, um die Balance in den verschiedenen Span- pflegen mit diesen folglich i. d. R. einen intuitiveren nungsfeldern zu gewährleisten.9 Umgang. Weiter werden diesen Generationen im Vergleich zu den Generationen X und Baby Boomer Damit Führung die vielfältigen und i. d. R. nicht zu andere Wertvorstellungen und Erwartungen gegen- umgehenden Herausforderungen meistern kann, über Leben und Arbeit nachgesagt. Die Digital Immi- bedarf es also einer Vielzahl an Kompetenzen. Inner- grants gehen demnach weniger intuitiv mit digita- halb der Hamburger Dialogplattform Industrie 4.0 len Endgeräten um und sind häufig vergleichsweise wurden die wichtigsten Kompetenzen einer Füh- erwerbsorientierter. Die Bereiche des zweiten Span- rungskraft im digitalen Wandel im Allgemeinen dis- nungsfeldes (2) – stationäre und mobile Arbeit – sind kutiert. Ausgangsbasis der Diskussion stellte eine relativ selbsterklärend. Im Vergleich zur stationären Sammlung von 64 verschiedenen Kompetenzen dar, Arbeit, quasi der Führung „auf Zuruf“, benötigt es bei welche zunächst erweitert und abschließend gewich- der mobilen Arbeit u. a. mehr Vertrauen und mediale tet wurden. Die höchste Gewichtung sprachen die Kommunikationskompetenz auf Seiten der Führungs- Teilnehmenden den folgenden fünf Kompetenzen zu: kraft. Weiter muss diese die durch die Ausübung der Entscheidungsfähigkeit, Glaubwürdigkeit, Kooperati- mobilen Arbeit bedingten Qualifikationsbedarfe der onsfähigkeit, Konfliktlösungsfähigkeit und ganzheitli- Mitarbeiter erkennen und sie dementsprechend trai- ches Denken. Eine pauschale und unternehmensspe- nieren. zifische Vorhersage, was das Kompetenzprofil einer Führungskraft genau beinhalten sollte, ist nur schwer Die Liste der Spannungsfelder lässt sich (je nach möglich. Konkret benötigte Kompetenzen leiten sich Unternehmen) erweitern bzw. abwandeln. Beispiels- aus den situativen Rahmenbedingungen des Unter- weise leitet sich aus dem technischen Aspekt der nehmens bzw. der Arbeit ab. Es ist jedoch anzuneh- digitalen Transformation das Spannungsfeld Schritt- men, dass aktuell viele Führungskräfte nicht über alle halten mit der technologischen Entwicklung vs. durch benötigten Kompetenzen verfügen. Die Qualifikati- Investition Kundennutzen erzeugen ab. Dieses Span- onsbedarfe liegen entsprechen auf der Hand. nungsfeld ergibt sich aus der bereits diskutierten Auf- gabe der Führung, Perspektiven zu entwickeln. Es müssen bspw. technologische Trends bewertet und Der Wandel der Führung durch die digitale zukunftsorientiertes Handeln (in Abstimmung mit der Transformation Vision des Unternehmens) sowie der Kundennutzen in den Fokus gerückt werden. Die Betrachtung der Im zeitlichen Kontext der digitalen Transformation hat drei genannten Spannungsfelder offenbart sofort die Führung zwei Leitlinien: (1) Führung in die und (2) sich hieraus ergebenden Herausforderungen für die Führung in der Digitalisierung (siehe Abbildung 2). Führungskräfte. Diese Unterscheidung ist notwendig, da es zunächst Herausforderungen zu meistern gilt, welche durch Erfolgt die Betrachtung der einzelnen Teile je Span- die digitale Transformation aufkommen und für diese nungsfeld isoliert, wird klar, dass diese (teilweise) auch zwingend erforderlich sind, also die Führung in neue Kompetenzanforderungen an die Führungs- die Digitalisierung. Ein Beispiel ist die Einführung kräfte erzeugen. So (er)fordert die Generation Z ggf. neuer Technologien, welche u. a. Veränderungsbe- einen Führungsstil, welchen die erfahrene Führungs- reitschaft sowie -fähigkeit und gegebenenfalls kraft bisher wenig oder nicht beherrscht und sich externe Unterstützung erfordert. Die Führungskraft deutlich vom Führungsstil der Generation Baby Bom- trifft demnach nicht nur die Entscheidung, eine neue mer unterscheidet. Eine Führungskraft muss dem- Technologie einzuführen, sondern ist ebenfalls für nach nicht nur lernen, die Generation Z zu motivieren den erfolgreichen Einführungsprozess verantwort- und erfolgreich in das Unternehmen einzubinden, lich. Mit fortschreitender Transformation nehmen sondern ebenfalls den Spagat zwischen den ver- ebendiese Aufgaben ab, da die technische Grund- schiedenen Generationen schaffen. Im Falle der stati- lage für die Digitalisierung zunehmend erfüllt ist. onären und mobilen Arbeit können in gemischten Teams Vorurteile oder Misstrauen zwischen den bei- den Gruppen entstehen. Sensibilisierung der Mitar- beiter, Aufstellen von Leitlinien und Entwicklung 9 Rump et al. (2017).
Arbeiten in der digital vernetzten Welt 15 Führung in der Digitalisierung Führung Führung heute morgen Führung in die Digitalisierung Abbildung 2: Leitlinien der Führung Gleichzeitig nimmt die Bedeutung von Führung in Die meisten dieser Projekte können mit internen der Digitalisierung zu. Beispielsweise geht die Füh- Kapazitäten und Fähigkeiten bzw. durch Mitwirkung rung verschiedener Generationen mehr in den Alltag von externen IT-Dienstleistern realisiert werden. Bei über, Agilität etabliert sich als Grundfeste der Unter- der Weiterbildung und Qualifizierung der Mitarbei- nehmen und Führungskräfte müssen fortan mehr ter und insbesondere der Führungskräfte gibt es Coach als Kommandant sein. Es wird deutlich, Füh- jedoch keine praktikable interne Lösung. Da der rung bzw. Führungskräfte müssen sich qualifizieren, Erfolg der Digitalisierung aber maßgeblich davon um die heraufkommenden Herausforderungen zu abhängt, inwiefern nicht nur die Führungskräfte, son- meistern. Neue Kompetenzen sind zu erlernen und dern alle Mitarbeiter des Unternehmens den Wandel mit den bisherigen zu kombinieren. Zusätzlich gilt es, leben, ist sicherzustellen, dass die Anstrengungen die Fragen „Wie kann man die sinnvollste Möglichkeit zielführend sind. Weiter sieht SITRA bei der Qualifika- für das eigene Unternehmen auswählen, um die Digi- tion von Mitarbeitern und Führungskräften in KMU talisierung umzusetzen?“ oder „Wie kann man sich eine zusätzliche Hürde. Die wenigsten Führungs- und seine Mitarbeiter auf ein dauerhaftes (Arbeits-) kräfte haben eine formale Qualifizierung zur Führung Leben in dieser veränderlichen Umwelt einstellen?“ erhalten und sind oftmals über die Dauer der zu beantworten. Wird weiter davon ausgegangen, Betriebszugehörigkeit auf eine Führungsposition dass durch gut geschulte, proaktive und entwick- befördert worden. Dementsprechend liegen die letz- lungsaffine Mitarbeiter und Führungskräfte Wettbe- ten Lernphasen dieser Mitarbeiter weit zurück; das werbsvorteile entstehen, ist die Qualifikation dieser Lernen fällt deshalb nicht mehr so leicht. Des Weite- der entscheidende Stellhebel für den Erfolg. ren sind die personellen Kapazitäten in KMU in vielen Fällen so knapp bemessen, dass es nicht möglich ist, Führungskräfte für mehrwöchige Schulungen freizu- Praxisbeispiel: edu.DIGITAL – Mitarbeiter auf stellen. die Digitalisierung vorbereiten Nach einer intensiven Prüfung des Schulungsange- Die SITRA Spedition GmbH ist ein 1994 gegründeter botes verschiedener Bildungsträger und einer Eva- Logistikdienstleister und bietet speditionelle Dienst- luation der bisherigen Erfahrungen mit dieser Art leistungen verschiedener Art an. Die 28 Mitarbeiter von Unternehmensschulung wird deutlich, dass es und acht Auszubildenden sind in fünf Teams geglie- am Markt für SITRA keine passenden Lösungen gab. dert und werden von Teamleitern geführt. Der Digita- Parallel suchte das Institut für Berufliche Bildung lisierung begegnet das Unternehmen durch eine (IBB), ein deutschlandweit tätiger privater Bildungs- breit angelegte Innovations- und Modernisierungs- träger, einen Kooperationspartner zur Abstimmung strategie. Ziel ist, eine ganzheitliche Veränderung im und Konsultation für den Bereich Digitalisierung. Unternehmen hervorzurufen, um dadurch gut für die Gemeinsam wird eine auf die Bedürfnisse des Mittel- digitale Zukunft aufgestellt zu sein. stands abgestimmte moderne Schulung erarbeitet. Es gilt, diesen Herausforderungen zu entsprechen Seit Ende 2016 laufen deshalb verschiedene inner- und ein Schulungsprogramm zu entwickeln, sodass betriebliche Projekte in fünf Bereichen: (1) Führung es auch KMU ermöglicht wird, ihre Mitarbeiter auf und Personal, (2) Bildung, (3) Unternehmenskultur, (4) die Besonderheiten der digitalen Arbeitswelt vorzu- Prozessmanagement und (5) IT. bereiten.
16 Mittelstand-Digital Magazin | Ausgabe 11 Im Februar 2018 begannen das IBB und SITRA die In mehreren Runden klassischen Brainstormings wur- Entwicklung der Schulung edu.DIGITAL. Die Arbeit den die Anforderungen sowohl inhaltlicher als auch am Schulungsprogramm war von Kompetenzentei- didaktischer Natur zusammengestellt und anschlie- lung geprägt: Das IBB steuerte Fachwissen aus Didak- ßend in mehreren Bewertungsrunden kategorisiert. tik, Schulungsaufbau und Fortbildungsorganisation, Im Anschluss wurden die fachlichen Inhalte geclustert die SITRA aus den Bereichen Digitalisierung und Füh- und in passende Ausbildungsabschnitte aggregiert. rung bei. Das Grundkonzept wurde anschließend mit Didaktisch sollten moderne Unterrichtsformen wie wissenschaftlichen Mitarbeitern der Technischen Uni- Blended Learning (eine Kombination aus Präsenzver- versität Hamburg (TUHH) im Rahmen ihrer Tätigkeit anstaltungen und Online-Modulen) Anwendung fin- im Projekt Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Ham- den, um den thematischen und didaktischen Anschluss burg sowie Experten aus dem Bereich IT in Feed- zu schaffen und auf die besonderen Herausforderun- back-Gesprächen diskutiert. Dadurch wurde sicher- gen von KMU einzugehen. Neben den fachlichen und gestellt, dass die Endfassung allen Anforderungen didaktischen Aspekten stand die Änderungswirkung entspricht und auch auf andere KMU angewendet der Schulung im Vordergrund. Gefordert sind eine werden kann. Für die inhaltliche Umsetzung gab es anhaltende Wirkung und eine grundsätzliche Verän- ein Kernteam aus zwei Personen, je einem SITRA- und derung der Einstellung der Teilnehmenden zum IBB-Mitarbeiter, sowie Unterstützung aus Fachabtei- Thema (Fort-)Bildung. Die Erfahrungen des IBB zei- lungen und durch Testnutzer aus den Unternehmen. gen: Dies kann nur geschehen, wenn sich die Fortbil- Innerhalb von nur drei Monaten konnte die Konzept- dungsmaßnahme an den einzelnen Teilnehmenden phase abgeschlossen und die Pilotschulung für das orientiert und den Lernenden in den Mittelpunkt rückt. Schulungsprogramm edu.DIGITAL gestartet werden. Dies lag zum einen an der gemeinsamen Kooperati- Das Ergebnis wird allen gestellten Anforderungen onserfahrung im Bereich der Umschulung, zum ande- gerecht. Es ist innerhalb von drei Monaten ein Schu- ren in der Nutzung von Onlineräumen, der soge- lungsprogramm entstanden, das Führungskräfte in nannten Virtuellen Online Akademie (VIONA®), für KMU (und mit geringen Anpassungen auch Mitarbei- eine effiziente und regelmäßige Meetingkultur. Hinzu ter) individuell und auf Unternehmensebene auf die kam eine deutliche Zeitersparnis durch Onlinearbeit digitale Arbeitswelt vorbereitet. In fünf verschiedenen mit cloudbasierten und geteilten Dokumenten. Ausbildungsabschnitten lassen sich die wichtigsten edu.LEAD: Unsere Gesellschaft ändert edu.DIGITAL: Die Vorbereitung für Individuelle sich, unser Umfeld ändert sich, die Technik Mitarbeiter und Führungskräfte auf Schulungen ändert sich. Warum nicht auch die Führung? die digitale Arbeitswelt edu.IT: Neue Technologien warten auf den Einsatz in allen Branchen. Man muss sie nur kennen. edu.COMM: Die Zukunft wird den vernetzten Teams gehören. Wir müssen besser kommunizieren. edu.SKILLS: Die wichtigsten Fähigkeiten für die digitale Transformation und Arbeit 4.0 Moderne edu.LIFE: Die Lebens- und Arbeitswelten Lern- und ändern sich. Wie kann ich mich und mein Schulungs- Team vorbereiten? Methoden Basic Intermediate Advanced Abbildung 3: Bestandteile des Schulungsprogramms
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