Der Mittelstand macht's einfach - Haufe
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05.2018 | 13.50 EUR www.personalmagazin.de MATERIAL-NR. 04062-5211 Digital HR Technol ogien, Prozess e, Praxi S . 52 s Der Mittelstand macht‘s einfach Passgenaue Lösungen statt Buzzword-Strategien S. 14 ENTWICKLUNG Mit Kompetenz- PRÄVENTION Mit Gesundheits- TRANSFORMATION Mit Screenings lebensphasenorien- management den Wandel der Qualifizierungssozialplänen tierte Karrierewege gestalten S. 36 Arbeitswelt begleiten S. 42 Kündigungen vermeiden S. 66
EDITORIAL 3 Liebe Leserinnen und Leser, der deutsche Mittelstand schöpft nur zehn Prozent seines Digita- lisierungspotenzials aus und liegt unter dem europäischen Durch- schnitt, kritisierten jüngst die McKinsey-Berater. Eine „rückläufige Innovationsdynamik“ diagnostiziert der DIHK und die FAZ sieht im Mittelstand schon das „neue Sorgenkind“ der Wirtschaft. Während in der politischen Debatte um den Mittelstand ein Alarmismus zu beobachten ist, sehen sich die Geschäftsführer gut gerüstet für die Herausforderungen der Zukunft – so das Ergebnis „Warum re- einer Studie des Demogra- phie-Netzwerks ddn und den Mittel- der Unternehmensbera- ständler so tung EY zu Betrieben bis selten über 250 Mitarbeitern, die wir Disruption, in diesem Heft vorstellen. Agilität und Wie sind die Widersprüche Digitalisierung?“ zu erklären? Reiner Straub, Herausgeber Die Studie bringt zunächst einmal ein Sprachproblem ans Licht. Während die ak- tuelle Managementdebatte um Begriffe wie Agilität, Digitalisierung oder Diversity kreist, kommen diese im Wortschatz der Mittelständler eher selten vor. Viele reden von „Innovation“ statt von „Disruption“. Sie gründen keine „Hubs“ und „Labs“, sondern treiben Innovationen in Kundenprojekten voran. Diversity-Konzepte sind ihnen fremd. Als Erfolgsfaktoren sehen die Geschäftsführer nicht „Agilität“, sondern „Nähe zum Kunden“ und „Nähe zum Mitarbeiter“. Das klingt manchmal traditionell, bisweilen auch etwas langweilig, ist aber doch zukunftsorientiert, wie die Studienautoren Rudolf Kast vom ddn und Eva Voss von EY lakonisch feststellen: „Im Konzept der Nähe steckt vieles, was sich Großunternehmen in umfangreichen Programmen ständig selbst wieder beibringen müssen.“ Während Konzerne Transformationsprojekte zu „Customer Centricity“ aufset- zen, macht‘s der Mittelstand einfach – in doppeltem Wortsinn. 05 / 18 personalmagazin
4 INHALT_MAI 2018 Stolze Sieger 100 Firmen erhielten vom Great Place to Work Institute das Siegel „Deutschlands Beste Arbeitgeber 2018“. Diese Symbole weisen © GERO BRELOER FÜR GREAT PLACE TO WORK DEUTSCHLAND auf Add-Ons in der Personalmagazin-App hin. Video Audio Bildergalerie Umfrage Rechner 10 14 Zusatzinfo SZENE MANAGEMENT ORGANISATION 06 News und Events 26 News und Dienstleistungsmarkt 40 News und Softwaremarkt 10 Ausgezeichnete 28 Mehr als Messen 42 Engagiert das Ziel verfehlt Arbeitgeber Die Biotest AG will eine neue Warum das Betriebliche In Berlin wurden wieder „Deutsch- Unternehmenskultur etablieren. Gesundheitsmanagement einen lands Beste Arbeitgeber“ gekürt Mit regelmäßigen Puls-Checks Paradigmenwechsel braucht wird der Veränderungsprozess überwacht 44 Vergiss digitale BGF TITELTHEMA Warum die Betriebliche Gesund- 32 Deutsche Erfolgsgeschichte heitsförderung auch künftig 14 Der Mittelstand macht‘s einfach Die Kellogg-WHU brachte nicht ohne analoge Angebote Was ist das Erfolgsrezept mittel- 1997 den Executive MBA nach auskommt ständischer Unternehmen? Eine Deutschland. Ihr Programm Studie hat Antworten gefunden zieht seither Führungskräfte 48 Mobiler und zufriedener aus aller Welt an Die Initiative „mobil gewinnt“ zeigt, 20 „Flexibel und pragmatisch“ wie Firmen passende Mobilität- Mittelstandsforscher Jörn 34 „Der ROI ist entscheidend“ sangebote für ihre Mitarbeiter Hendrich Block über die Stärken Vor 75 Jahren startete die Chi- entwickeln können und Schwächen mittelständi cago Booth School of Business scher Unternehmen das weltweit erste Executive- 50 Zukunftsorientierte HR-Arbeit MBA-Programm. Zum Jubiläum Mit Workforce-Management- 23 Ideen und Ideale zieht Direktorin Rachel Waites Software attraktive Arbeitszeit- Mit welchen HR-Strategien Bilanz modelle gestalten begegnen Mittelständler den Herausforderungen des Digital 36 Kompetent und gut zeitalters und der Arbeitswelt eingesetzt 4.0? Beispiele aus der Praxis Zwei Anwendungsbeispiele für ein „Competence Screening“ personalmagazin 05 / 18
5 © SEB_RA/ISTOCK Neue Rechtslage beim Bereitschaftsdienst Ein aktuelles EuGH-Urteil bringt neue Risiken bei der Vereinbarung von Rufbereitschaft mit sich. Einfach machen! Pragmatische Hands- on-Mentalität statt Buzzword-Strategien: Unser Titelthema beleuchtet, wie mit- telständische Unter- nehmen in Deutschland den Herausforderungen des Digitalzeitalters und der Arbeitswelt 4.0 begegnen – und worauf 69 ihr Erfolgsrezept beruht. SPEZIAL RECHT PERSÖNLICH 52 „Digital HR“ gestalten 62 News 76 News und Weiterbildung Wie sich HR-Prozesse vor dem Hintergrund der technologi 63 Aktuelle Urteile 78 Buchtipps schen, strategischen und sozio- kulturellen Konsequenzen des 64 Vision von weniger Bürokratie 82 Ganz persönlich digitalen Zeitalters verändern Zwei Onlineportale könnten Ralf Heyen, Head of Corporate künftig den Datenaustausch für Human Resources der Faber- 58 Den Gesamtprozess im Blick Arbeitnehmer und Arbeitgeber Castell AG, beantwortet diesmal Digitalisierung lohnt sich vor erleichtern unseren Fragebogen allem dann, wenn Teilschritte zu automatisierten Prozessketten 66 Qualifizieren statt kündigen zusammengeführt werden – Was Sie bei der Gestaltung von RUBRIKEN auch über Abteilungsgrenzen Qualifizierungssozialplänen hinweg beachten sollten 03 Editorial 60 „Das Gespräch bleibt zentral“ 69 Neues Risiko bei Rufbereitschaft 79 Impressum Ausgerechnet ein Software Ein neues EuGH-Urteil ver- anbieter mahnt umsichtigen schiebt die Rechtslage beim 82 Vorschau Umgang mit Digitalisierung an. Bereitschaftsdienst Eligo-Geschäftsführer Christian Montel meint: Im Recruiting 72 Steuerfrei für Alt und Jung wird der Mensch immer die Ein neues Gesetz erweitert entscheidende Rolle spielen den Spielraum für steuerfreie Arbeitgeberzuschüsse zur bAV. Neben der Altersversorgung gibt es auch Optionen für Mitarbeiter mit Kindern 05 / 18 personalmagazin
6 SZENE_NEWS Stellenwechsel CHRISTIAN ILLEK © DEUTSCHE TELEKOM AG Als Beförderung wird der für den Jahresanfang 2019 avisierte Wechsel von Christian P. Illek aus dem Personalressort in das Finanzressort der Deutschen Telekom angesehen. Der studierte Chemiker und Betriebswirt übernimmt den Vorstandsposten von Thomas Dannenfeldt, der nach 26 Jahren im Konzern freiwillig ausscheidet. Mit diesem Wechsel wird Illek zum zweitwichtigsten Manager nach Telekom-Chef Timotheus Höttges. Seit seinem Berufsstart hat Christian P. Illek seine Tätigkeitsbereiche häufig gewechselt. Ab 2007 war er unter anderem Bereichsleiter von T-Home, von 2010 bis 2012 verantwortete er das Marketing der Telekom in Deutschland und von 2012 bis 2015 fungierte er als Deutschlandchef von Microsoft. Über seine Nachfolge im Personalvorstand der Telekom ist noch nichts bekannt. © THYSSENKRUPP BERND HARTMANN Am 1. März folgte Bernd Hartmann auf Sabine Maaßen als Chief Human Resources Officer und Arbeitsdirektor bei Thyssenkrupp Marine Systems. Der 56-Jährige kam 2013 von der Howaltswer- ke-Deutsche Werft (HDW) GmbH in den Thyssenkrupp-Konzern. Bei HDW arbeitete Bernd Hart- mann als Personalleiter. Nach seinem Wechsel zu Thyssenkrupp hatte er verschiedene Führungspo- sitionen inne. Zuletzt war er Personalchef bei Thyssenkrupp Industrial Solutions. Seine Nachfolge in dieser Position trat der Jurist Garrelt Duin an, der von 2005 bis 2012 Mitglied des Deutschen Bundestags war und danach fünf Jahre als Wirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen fungierte. © JANSSEN-CILAG SIBYLLE ZIEBURG Seit Februar leitet Dr. Sibylle Zieburg den Personalbereich beim forschenden Pharmaunternehmen Janssen. In dieser Rolle ist sie zuständig für die strategische Personalarbeit, Talent Management, Coaching und Business Partnering. Die 43-Jährige folgte auf Dr. Frank Zils, der jetzt als Leiter Personal Deutschland und Österreich beim Mutterkonzern Johnson & Johnson arbeitet. Sie begann ihre Karriere bei Janssen 2005 im Bereich Klinische Forschung und wechselte 2012 in den Perso- nalbereich. Dort war sie zunächst als HR-Projektmanager und später als HR Business Partner tätig. Zuletzt verantwortete sie in der Konsumgütersparte die HR-Strategie am Standort Wuppertal. SUSANNE JUNG PETER PIRKNER Im Februar übernahm Susanne Jung die Leitung des Holdingbereichs Seit Februar arbeitet Peter Pirkner als Senior Director Human Personal beim Energiedienstleister SWB AG. In dieser Funktion Resources & Internal Communications bei A1 Telekom Austria. Der berichtet sie an den Vorstand Vertrieb, Personal und IT Frank Priewe. 49-Jährige war zuletzt Partner im Bereich People Advisory Services Die 48-Jährige kam von Fraport, wo sie ebenfalls in leitenden Po- bei Ernst & Young. Zuvor leitete er das strategische Konzernperso- sitionen tätig war. Unter anderem verantwortete sie die Abteilung nalmanagement bei der ÖBB Holding. Davor war er unter anderem Personal, Führungskräfte In- und Ausland. Personalleiter bei der Unicredit Leasing Unternehmensgruppe. KATHARINA NAGY JESKO SCHÄFERMANN Am 1. Mai übernimmt Katharina Nagy die Verantwortung für das Seit Anfang Februar trägt Jesko Schäfermann als Vice President Digital Marketing der Abteilung „University & Talent Relations“ im People, Organization & Culture die Gesamtverantwortung für den Personalmarketing von Bayer. Die 34-Jährige ist derzeit noch Head Personalbereich der Scout24 AG. Der 41-jährige Jurist kommt von of Employer Branding & HR Communications bei Heraeus. Zuvor The Boston Consulting Group, wo er seit 2010 den Personalbereich arbeitete sie als Global HR Communications Manager bei Covestro. in Deutschland und Österreich verantwortet. Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de personalmagazin 05 / 18
7 SUSANNE GROTH, Gründerin und Geschäftsführerin des Corporate Learning Unternehmens Artaro, sagt: Führungskräfte und Mitar- beiter müssen das Lernen neu erlernen, damit Weiterbildung nachhaltig wirkt und Unternehmen innovativ und erfolgreich sind. Drei Fragen an ... ... Susanne Groth, Gründerin und Geschäftsführerin Frage eins: Normalerweise bekommen ners, überhaupt eine Erwartung zu Kinder das Lernen in der Schule ver- wecken. Nach dem Seminar kehren mittelt. Warum müssen Arbeitnehmer die Mitarbeiter ins Tagesgeschäft das Lernen neu erlernen? zurück, werden aber nicht von der Susanne Groth: Dass Kinder das Ler- Führungskraft gefragt, ob ihre Lern- nen lernen, ist längst nicht Usus an ziele erreicht wurden, wie sie den allen Schulen, hält aber immer mehr Transfer gestalten können und ob Einzug. Wenn diese Menschen dann sie hierbei Unterstützung benötigen. in die Unternehmen kommen, gilt es Im Grunde sind hierbei vor allem die zunächst eine Brücke zum berufli- Führungskräfte gefordert. chen Lernen zu schlagen. Nach mei- ner Erfahrung sind viele Mitarbeiter Frage drei: Heißt das: Lernen ist vor- nicht in der Lage, ihre Wissensdefizi- nehmlich eine Führungsaufgabe? te zu erkennen und Lernziele daraus Groth: Es ist eine Führungsaufgabe zu formulieren. Gleichzeitig gilt: Der und vor allem ein Bestandteil der stetige Wandel ist mittlerweile fast Unternehmenskultur, der von ganz zum Alltag geworden. Trotzdem stel- oben vorgelebt werden muss. Wenn len die wenigsten Unternehmen die im Unternehmen die Auffassung vor- Überlegung an, welchen Lernbedarf herrscht, dass die Mitarbeiter alles diese Veränderungen generieren können müssen, wenn sie eingestellt und wie sie damit umgehen. werden, dann wird Weiterentwick- lung gemieden. Dann werden auch Frage zwei: Haben Sie ein Beispiel? die Führungskräfte keinen Lernpro- Groth: Bei Seminaren gibt es die zess anstoßen oder begleiten. Ich traditionelle Eröffnungsrunde mit wage die These, dass viele Führungs- der Frage: Warum sind Sie da? Da kräfte ihr Lernen selber nicht reflek- kommt ganz häufig die Antwort: tiert haben. Sie müssen zunächst für „Ich weiß nicht genau. Ich schaue sich klären, welche Bedeutung sie mal, was für mich dabei ist.“ Viele dem Lernen am Arbeitsplatz beimes- Teilnehmer kommen ohne konkre- sen. Danach gilt es, mit dem Team ge- tes Ziel. Sie haben keine Vorstel- meinsam zu überlegen, wie Lernen lungen und Erwartungen. Sie sind künftig gestaltet werden soll, wie nicht gut auf das Lernen vorbereitet. wichtig es ist, voneinander zu lernen, Ganz oft ist es Aufgabe des Trai- und was das Team dafür braucht. 05 / 18 personalmagazin
8 SZENE_NEWS SZENE_EVENTS Astronautin Insa Thiele-Eich hält einen Impulsvortrag auf dem DGFP-Congress im Planetarium Berlin. © 2017 BY MARKUS GLOGER/DIE ASTRONAUTIN DGFP-Congress blickt in die Zukunft U nter dem Motto „Navigating the future“ bereitet der DGFP-Congress 2018 seine Teilnehmer auf die digitale und agile Transformation vor. Der Kongress, der am 3. und 4. Mai im Kühlhaus und im Planetarium Berlin stattfindet, beinhaltet auch einen Eintritt zur Re:Publica 2018. So erhalten TERMINE die Teilnehmer die Gelegenheit, Digitalisierung, Transformation und weitere Themen aus verschiedenen Blickwinkeln kennenzulernen. Auf dem Programm 15. bis 16. 2. DGFP-Jahrestagung des DGFP-Congress stehen unter anderem ein World Café zu den Themen Arbeit Mai, Köln HR Business Partner 4.0, Lernen 4.0 und HR-Innovation sowie ein Dialog mit bekannten Web-HR- Tel. 069 713785-225 www.dgfp.de Bloggern. Fünf Experten beleuchten verschiedene Themen und die angehende Astronautin Insa Thiele-Eich hält einen Impulsvortrag „Einfach machen – meine 15. bis 16. Zukunft Personal Nord Reise ins All“. Die Mission wird mit diversen Angeboten mit agilen und digitalen Mai, Tel. 0621 70019-0 Methoden vom 5. bis 17. September sowie mit einem dritten Teil des DGFP-Con- Hamburg www.nord.zukunft-personal.com gress am 18. und 19. September fortgesetzt. www.congress.dgfp.de 15. bis 16. Employer Brand Experience Mai, Tel. 0621 70019-0 Hamburg www.eb-x.de 1. Juni Hoffest bei HR Pepper Tel. 030 25935750 www.hrpepper.de 7. Juni, Kienbaum People Ehreshoven Convention 2018 #RC18: Recruiting Convent geht Tel. 0211 80172-716 www.kienbaum.com runderneuert an den Start 14. Juni, Hamburg New Work Future – Konferenz für neues Arbeiten U nter dem Motto „Innovate & schäft weiterlaufen muss. Am 6. und Tel. 040 27151530 Survive“ geht der 11. Recrui 7. Juni im Boui Boui Bilk Düsseldorf www.newworkfuture.de ting Convent komplett er- geht es unter anderem um Fragen zur 21. Juni, HR Executive Konferenz neuert an den Start. „Innovate“, weil Zukunft der Arbeit und die Antworten Frankfurt nora.roeller@ Personaler in den Themenfeldern Em- der Politik (Sahra Wagenknecht, Die willistowerswatson.com ployer Branding, Personalmarketing Linke, Thomas Sattelberger, FDP). Es www.willistowerswatson.com und Recruiting durch Digitalisierung gibt Workshops zu Design Thinking und demografische Entwicklung ge- und SEO für Recruiting, eine Panel- 21. Juni, Digital Leadership Summit zwungen sind, neue Wege zu gehen. diskussion zum Aufeinandertreffen Köln #3 Tel. 0160 90967353 „Survive“, weil bei aller Fokussierung von „Tech & HR“ und die Verleihung www.digital-leadership- auf neue Technologien und Kanäle des Queb Award für die beste HR-Tech- summit.de trotzdem das Brot-und-Butter-Ge- Innovation. www.recruiting-convent.de Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de personalmagazin 05 / 18
10 SZENE_ARBEITGEBERATTRAKTIVITÄT © GERO BRELOER FÜR GREAT PLACE TO WORK Grund zur Freude hatten die Preis- träger von „Deutschlands Beste Arbeitgeber“ bei der Prämierung. Ausgezeichnete Arbeitgeber AWARD. 100 Unternehmen aller Branchen, Größen und Bundesländer dürfen für ein Jahr das Gütesiegel „Deutschlands Beste Arbeitgeber 2018“ tragen. Von Daniela Furkel (Red.) Im Vordergrund des Arbeitgeber- stattfand, brachte auch eine inhaltliche wettbewerbs, der in diesem Jahr zum Premiere mit sich: Erstmals wurden die S o viele Arbeitgeber wie noch nie 16. Mal stattfand, stehen die Kriterien besten Arbeitgeber in sechs Größen- – insgesamt 740 Unternehmen – Fairness und Innovation. Laut Frank klassen ausgezeichnet. Die bisherige haben sich der Herausforderung Hauser ist das gleichzeitig eine wich- Größenklasse von 50 bis 500 Mitarbei- gestellt und ihre Arbeitsplatz- tige Botschaft an alle Unternehmen: tern wurde stärker differenziert, da der kultur beim Arbeitgeberwettbewerb von Zu einem guten Arbeitgeber gehöre es Wettbewerb immer mehr auch von klei- Great Place to Work durchleuchten las- nicht nur, fair zu sein und auf die Mitar- neren Unternehmen gut angenommen sen. „Das zeigt uns, dass das Thema Ar- beiter einzugehen. Vielmehr müsse er wird. Darüber hinaus trägt die Differen- beitsplatzkultur immer wichtiger wird“, auch Innovationskraft zeigen und seine zierung einer besseren internationalen sagte Geschäftsführer Frank Hauser bei Prozesse regelmäßig auf den Prüfstand Vergleichbarkeit Rechnung. der Prämierungsveranstaltung in Berlin. stellen. „Das heißt aber auch, dass die Konkur- Die Gewinner der Größenklassen renz um die 100 Plätze von ‚Deutsch- Fairness und Innovation Bei den kleinen Unternehmen mit 50 bis lands Beste Arbeitgeber‘ größer wird“, Die Preisverleihung, die am 15. März 100 Mitarbeitern erreichte das Tagungs- ergänzte er. im Premierenkino „Kosmos“ in Berlin hotel Schindlerhof Platz eins. Die Plätze Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de personalmagazin 05 / 18
12 SZENE_ARBEITGEBERATTRAKTIVITÄT BILDERGALERIE In der Personalmagazin-App sehen Sie Impressionen von der Preisverleihung im Kosmos Berlin. zwei und drei gingen an die IT-Unterneh- Konkurrenz. Es konnte jedoch nur ein ADD-ON men QA Ware und Workday. Die ersten Unternehmen die Auszeichnungsschwel- drei Plätze der Unternehmen mit 101 le von Great Place to Work erreichen: Der Eine alphabetische Liste der 100 prä- bis 250 Beschäftigten belegen in diesem Hausgerätehersteller Miele ist der einzige mierten Arbeitgeber stellen wir in der Jahr die IT-Beratung Mindsquare, das Preisträger bei den Großunternehmen. App zur Verfügung. Pharmaunternehmen Pascoe Naturmedi- zin und die Technologieberatung Netlight Das zeichnet Top-Arbeitgeber aus Consulting. Bestplatzierte in der Größen- Der Prämierung geht ein umfangreiches klasse der Unternehmen mit 251 bis 500 Bewertungsverfahren voraus, das im Auch in vielen einzelnen Aspekten der Mitarbeitern sind der Softwareentwickler ersten Schritt eine anonyme Mitarbeiter- Arbeitsplatzkultur liegen „Deutschlands Maiborn Wolff, die gemeinnützigen St. befragung beinhaltet. Diesmal wurden Beste Arbeitgeber 2018“ im Vergleich Gereon Seniorendienste und das IT-Bera- insgesamt rund 310.000 Beschäftigte zu zum Durchschnitt vorn, etwa in puncto tungshaus Iteratec. Qualität und Attraktivität ihres Arbeitge- kompetentes Führungsverhalten (83 Pro- In der Kategorie der Unternehmen mit bers befragt. Im zweiten Schritt findet ein zent gegenüber 56 Prozent Zustimmung), 501 bis 2.000 Beschäftigten führen der Kultur-Audit statt. Die Ergebnisse beider bei der Unterstützung der beruflichen Altenpflegedienstleister Domino-World, Instrumente werden im Verhältnis zwei Entwicklung (77 Prozent gegenüber 44 das IT-Unternehmen Adobe Deutschland zu eins gewichtet und führen im Ver- Prozent), bei der Gesundheitsförderung und der Personaldienstleister DIS AG die gleich mit den Resultaten der anderen (78 Prozent gegenüber 38 Prozent) und Liste der besten Arbeitgeber an. Die drei Wettbewerbsteilnehmer zur Siegerliste. bei der Anerkennung für gute Arbeit (76 Top-Platzierungen in der Größenklasse Interessante Einblicke in die Arbeit- Prozent gegenüber 36 Prozent). Bei den der Unternehmen mit 2.001 bis 5.000 geberqualität in Deutschland geben ausgezeichneten Firmen kommen 84 Pro- Mitarbeitern erreichten der Finanz- auch die gesammelten Ergebnisse der zent der Mitarbeiter (gegenüber 50 Pro- dienstleister Daimler Financial Services, Mitarbeiterbefragungen: 83 Prozent zent bei „normalen“ Unternehmen) gern der Nahrungsmittelproduzent Mars und der befragten Beschäftigten der ausge- zur Arbeit. 86 Prozent der Mitarbeiter das Bauunternehmen Hilti. zeichneten Firmen bescheinigen ihrem der diesjährigen Preisträger zeigen sich Eine Besonderheit ergab sich in der Ka- Unternehmen eine vertrauensvolle und bereit, ihr eigenes Unternehmen als Ar- tegorie der Großunternehmen mit über förderliche Qualität als Arbeitgeber. Zum beitgeber weiterzuempfehlen (57 Prozent 5.000 Beschäftigten: In dieser Größen- Vergleich: Im repräsentativen Durch- beim Unternehmensdurchschnitt). klasse hatten sich sieben Unternehmen schnitt „normaler“ Unternehmen sagen beteiligt, davon aber auch einzelne außer dies nur 56 Prozent der Mitarbeiter. Die Anmeldung für 2019 ist eröffnet Partner des Great-Place-to-Work-Wett- bewerbs sind das Personalmagazin, das Handelsblatt, das Demographie Netz- © GERO BRELOER FÜR GREAT PLACE TO WORK werk (DDN) sowie die Initiative Ludwig- Erhard-Preis. Die 100 Gewinner aus Deutschland sind automatisch für den europaweiten Wettbewerb „Europas Bes- te Arbeitgeber 2018“ qualifiziert. Die Sie- ger aus den rund 20 Teilnehmerländern werden zur Jahresmitte ausgezeichnet. Die Anmeldephase für den Folgewett- bewerb „Deutschlands Beste Arbeitgeber 2019“ hat bereits begonnen. Mitmachen können Unternehmen aller Branchen, Größen und Regionen sowie Non-Profit- Organisationen und öffentliche Arbeitge- ber. Auch 2019 verspricht die Konkurrenz um die 100 Spitzenplätze wieder groß zu werden. Mitte März hatten sich bereits über 100 Unternehmen für die nächste Seit Jahren unter den Top-Platzierten: Die St. Gereon Seniorendienste. Runde eingeschrieben. personalmagazin 05 / 18
13 „Seit neun Jahren ohne Pause“ INTERVIEW. Die St. Gereon Seniorendienste erreichten mit Platz zwei in ihrer Größen- klasse nicht zum ersten Mal eine Top-Platzierung. Ein Interview über Kontinuität. personalmagazin: Glückwünsche zur wie- sechs Wochen Urlaub. Diese Zeiten sind derholten Auszeichnung als einer der bes- schwer zu überbrücken. Wenn jemand ten 100 Arbeitgeber in Deutschland. Seit auch von zu Hause aus arbeiten kann, wann beteiligen Sie sich am Wettbewerb? stellt das eine große Erleichterung dar. Gerd Palm: Wir beteiligen uns seit neun In IT-Firmen sind Homeoffices gang und Jahren und sind damit einer der Teil- gäbe, aber in der Pflege noch nicht. nehmer, die am längsten ohne Pause mit dabei sind. Im Gegensatz zu anderen personalmagazin: Inwiefern nutzen Sie das Unternehmen, die nur jedes zweite oder Arbeitgebersiegel für das Recruiting? dritte Jahr mitmachen, halten wir es für Palm: Wir sind in der glücklichen Situ- wichtig, das Feedback unserer Mitarbei- ation, dass wir nicht mehr unbedingt ter jährlich einzuholen. Stellenanzeigen schalten müssen. In den neun Jahren hat sich unser Enga- personalmagazin: Was war der Auslöser für gement regional herumgesprochen. Wir Ihre erste Teilnahme? haben das Siegel auf unserer Home- Palm: Vor neun Jahren fing nicht nur page und unseren Briefköpfen, aber die Pflegebranche an, über Fachkräfte- das Recruiting läuft bei uns stark über GERD PALM ist stellvertretender Geschäfts- mangel zu sprechen. Wenn ein Mangel Mundpropaganda. Es ist nicht unsere ei- führer der St. Gereon Seniorendienste mit eintritt, macht man sich verstärkt Ge- gentliche Zielsetzung, den Preis für die 450 Mitarbeitern, darunter 200 Azubis. danken. Unser Ansatz war: Wir wollten Mitarbeitersuche zu nutzen, sondern es nicht nur eine gute Pflegeeinrichtung geht grundsätzlich darum, ein differen- sein, sondern auch ein guter Arbeitge- ziertes Feedback der Mitarbeiter zu be- ber. Bei der Suche nach einem geeigne- wir 200 Azubis im Pflegebereich, was kommen. Der positive Nebeneffekt ist, ten Strukturmodell sind wir auf Great darauf zurückzuführen ist, dass wir ein dass wir entgegen der Branchentendenz Place to Work gestoßen. guter Arbeitgeber sind. Dadurch ergab keinerlei Personalprobleme haben. Wir sich eine deutliche Verjüngung. Junge haben auch schon alle Ausbildungsplät- personalmagazin: Was hat sich bei Ihnen in Mitarbeiter haben andere Schwerpunk- ze für das Jahr 2018 besetzt. den neun Jahren verändert? te und definieren gute Arbeit ganz an- Palm: Wir haben uns kontinuierlich nach ders als die Babyboomer-Generation. personalmagazin: Sind Sie bei der nächsten vorn entwickelt – auch aufgrund der Darauf müssen wir uns einstellen. Runde wieder mit dabei? Rückmeldungen durch die Mitarbeiter- Palm: Ja, wir sind schon wieder angemel- befragung, die wir jedes Jahr erhalten. personalmagazin: Welche Maßnahmen det. Die Teilnahme ist zeitaufwendig. Dadurch wissen wir genau, wo wir uns haben Sie in jüngster Zeit eingeführt? Aber durch die Kontinuität ist es mitt- noch verbessern können. Aber unser Palm: Wir führten zum Beispiel Home- lerweile zur Betriebsroutine geworden Niveau ist mittlerweile sehr hoch und offices für die Pflegefachkräfte ein. So und das Management setzt sich perma- es gilt, dieses zu halten. Deshalb müs- können sie ihre Tätigkeiten auch zu nent und intensiv mit diesen Themen sen wir neue Maßnahmen initiieren, Hause dokumentieren. Bei uns arbei- auseinander. Ich glaube, das ist der damit kein Gewöhnungseffekt eintritt. ten viele alleinerziehende Mütter. Die Schlüssel zur Nachhaltigkeit. Was sich geändert hat, ist unsere Aus- Kinder haben zwölf Wochen Schulfe- bildungssituation. Im Moment haben rien, aber ein Arbeitnehmer hat nur Das Interview führte Daniela Furkel. 05 / 18 personalmagazin Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de
14 TITEL_PERSONALSTRATEGIE IM MITTELSTAND Der Mittelstand macht‘s einfach STUDIE. Der Erfolg mittelgroßer Unternehmen hat gute Gründe. Flexibilität, Nähe zu Markt und Beschäftigten sowie eine unaufgeregte Zuversicht sind die Grundlagen. Von Eva Voß und Rudolf Kast Unsere Ausgangsfrage lautete: Wo- aufgrund der Größenklasse Gemeinsam- rauf basiert eigentlich der Erfolg der keiten zwischen Pflegediensten und Bau- I rgendwo zwischen den Zukunfts- mittelgroßen Unternehmen heute und unternehmen, Handwerksbetrieben und hoffnungen der Start-up-Szene in Zukunft? Doch würden diese uns das IT-Beratern, Hotels und industriellen Pro- und der überzeugenden Präsenz überhaupt offenlegen wollen? Um tat- duzenten geben? Tatsächlich stellten alle der vielen Weltmarktführer über- sächlich vertrauliche Einblicke in diese Befragten von sich aus die Qualität ihrer sieht man diejenigen, die tagtäglich als und andere Fragen zu erhalten, haben Produkte oder Leistungen und die damit Bindeglied zwischen groß und klein die wir in unserer Studie einen qualitativen verbundene Kundenzufriedenheit in den Dinge am Laufen halten: Mittelgroße Ansatz gewählt und eine Art „Blackbox“ Mittelpunkt. Bei genauerer Betrachtung Unternehmen. Fast 70.000 an der Zahl geschaffen; einen geschützten Raum, in lassen sich fünf verschiedene Muster sind es im Deutschland. Mittelstand im dem Informationen aufgezeichnet wer- in unserer Gruppe erkennen, aber dazu besten Sinne. den. Durch Zwischenschaltung eines später. Denn noch eines wird klar: Nähe externen Marktforschers haben wir und Persönlichkeit entscheiden. Worauf basiert der Erfolg des Mittel- Anonymität sichergestellt. In Tiefenin- stands heute und in Zukunft? terviews von einer knappen Stunde mit Nähe und Persönlichkeit entscheiden Was sie erfolgreich macht, wie die Un- 30 Inhaber/innen und Geschäftsführer/ Dass Nähe gut fürs Geschäft ist, gehört ternehmensleitung denkt, wo die He- innen aus unterschiedlichen Branchen zum Standardwissen von Ökonomen. rausforderungen liegen, dem sind wir und Regionen haben wir einerseits Zeit Doch jenseits der geografischen Nach- erstmals in einer gemeinsamen Studie zum Reflektieren ermöglicht und ande- barschaft spielt Nähe bei unseren Be- von Ernst & Young (EY) und Das Demo- rerseits einen Rahmen geschaffen, in fragten in zwei Richtungen eine Rolle: graphie Netzwerk (ddn) nachgegangen. dem auch kritische Aspekte offen ange- Die Nähe zu Kunden und die Nähe zu Mit teilweise überraschenden Ergebnis- sprochen wurden. Mitarbeitern. Und hätten wir nicht noch sen – und der Empfehlung zu einer neu- Eine spannende Frage, die wir uns zahlreiche weitere Einblicke bekom- en Perspektive. im Vorfeld gestellt haben: Kann es rein men, könnten wir es mit diesem Punkt beinahe schon bewenden lassen. Denn im Konzept der Nähe steckt vieles, was sich Großunternehmen in umfangrei- METHODE chen Programmen ständig selbst wieder beibringen müssen, weil es wohl irgend- Das Institut Reimund Research aus Darmstadt hat für uns im Zeitraum von Januar bis wann einmal verloren ging. Ein paar März 2018 telefonische Tiefeninterviews/Explorationen mit n=30 mit Inhabern, CEOs beispielhafte Zitate: und Geschäftsführern mittelgroßer Unternehmen aus 13 verschiedenen Branchen und •„Gute Mittelständler haben hohe Pro- verschiedenen Regionen Deutschlands geführt. Diese entsprachen der EU-Definition duktaffinität, kennen ihre Mitarbeiter mittelgroßer Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten bei einem Umsatz zwischen persönlich und pflegen intensive Kun- 10 und 50 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme zwischen 10 und 43 Millionen Euro. denbeziehungen.“ Die durchschnittliche Dauer der Interviews lag bei circa 50 Minuten. Ausgangspunkt der •„Der Mittelstand hat eine besonders Befragung waren die Erfolgsfaktoren aktuell sowie für die Zukunft. Im Laufe der Gesprä- intensive Kundenbeziehung, ich ken- che lag zudem ein Schwerpunkt auf den Themen Demografischer Wandel, Diversity und ne unsere Kunden persönlich.“ Digitalisierung. •„Bis zum letzten Mitarbeiter kennen wir jeden.“ personalmagazin 05 / 18
15 Mit dieser Nähe einher geht die ent- umzusetzen, von denen manch anderer bundenheit mit ihrer Aufgabe, mitunter scheidende Eigenschaft der Unterneh- sich zunächst fragt, ob das was wird!“ sogar eine Vision, zumindest aber eine men: Flexibilität. klare Richtung und einen langen Atem. •„Ich bin flexibel und entscheide schnel- Freiheit, Unabhängigkeit und Verantwortungsgefühl und Loyalität ler als ein Konzernvorstand, dem die Handlungsfähigkeit kommen zusammen mit Offenheit und Bedenkenträger viele Ideen ausreden, Klar wird auch: Wir haben es mit star- Pragmatismus und schaffen so erst die bevor er diese erst in Erwägung zieht.“ ken Unternehmerpersönlichkeiten zu Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit •„Mittelstand ist mutiger, agiler, ent- tun. Freiheit, Unabhängigkeit, Hand- am jeweiligen Markt. Im Vorfeld hatten scheidet notfalls in Minuten.“ lungsfähigkeit ist diesen Männern und wir die Hypothese, unterschiedliche Ty- •„Typisch Mittelstand ist, neue Ideen Frauen wichtig. Sie haben eine tiefe Ver- pen an Unternehmerpersönlichkeiten Einfach machen, statt lange diskutieren: Der Erfolg des Mit- telstands beruht auf pragmati- schen Hands-on-Lösungen. © SEB_RA/ISTOCK 05 / 18 personalmagazin Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de
16 TITEL_PERSONALSTRATEGIE IM MITTELSTAND FÜNF MARKTZUGÄNGE Produktorientiertes Menschenbezogenes Systemisches Digitales Kulturbasierter Marktumfeld Marktumfeld Marktumfeld Marktumfeld Marktzugang Branchen- Diese Unternehmen sind In dieser Perspektive Diese Unternehmen Diese Unternehmen sind Diese Gruppe stellt eine profil oft klassische Produzenten finden sich eher Dienst- befinden sich oft selbst in geprägt von Innovations- vergleichsweise kleinere aus Industrie und Hand- leistungsunternehmen. Transformationsprozessen. themen und neuesten und heterogene Minderheit werk, Zulieferbetriebe Man bedient Endverbrau- Man bietet inzwischen Entwicklungen, da diese dar, die stark angetrieben ist für große Unternehmen, cher insbesondere in den mehr Lösungen als wiederum selbst ihre von Visionen und Werten der kommen aber auch aus Bereichen Hotellerie/ dingliche Produkte an. Ein Produkte und Leistungen, Unternehmensführung. Diese Bereichen wie Konsum- Gastronomie, Freizeit, dreistufiges B2B2C-Den- sprich ihr eigener Markt, können beispielsweise in güter oder Hoch- und Mode und Lifestyle, ken bestimmt: „Was muss sind. einer besonderen Familient- Tiefbau. Sie haben einen aber auch Finanzen und ich tun, damit mein Kunde Dazu zählen insbesonde- radition genauso wie in einer hohen Anteil gewerblich- Gesundheit. Für diese seine Kunden überzeugen re die „neue Industrie“ religiösen oder humanis- technischer Arbeitneh- Unternehmen ist das kann?“ Branchenbei- für IT-Lösungen, aber tischen Grundausrichtung mer. Weniger als andere schnelle Aufgreifen spiele sind Architektur, auch Unternehmensbe- begründet liegen. Sie stellen sind sie eingebunden gesellschaftlicher Trends Immobilien- und Facility- ratungen, Forschungs- insofern – abweichend von in Leistungsprozesse, und daraus resultieren- Management, genauso unternehmen oder den anderen – am ehesten vielmehr wird von ihnen der Endkundenbedürfnis- jedoch Fachgroßhandel, Kommunikationsagen- einen eigenen Typus dar. In die Ablieferung eines se wichtig. Medien oder Logistik, teil- turen. Ein hoher Grad unserer Stichprobe waren Un- einwandfreien Produkts weise auch produzierende an Immaterialität der ternehmen aus IT, Handwerk erwartet. Industrie. Leistungen herrscht vor. und Pharmazie vertreten. Markt- „liefern können“ „leisten können“ „integrieren können“ „verwandeln können“ „inspirieren können“ anforderung Kernthema Zuverlässigkeit Motivation Transformation Innovation Kultur Der Markt entscheidet: Für fast alle Studienteilnehmer waren die Marktvoraussetzungen die Grundlage ihrer Strategie, der Betriebsorganisation und der Führung. Hier liegen die Gründe für unterschiedliche Herausforderungen und Lösungsansätze. QUELLE: KAST/VOSS identifizieren zu können. Diese muss- betroffen. Und pauschale Antworten für kommen, dass Anbieter aus dem digi- ten wir verwerfen. Denn so prägend alles und alle gibt es nicht – selbst in talen Marktumfeld mit ihrem Wissen einerseits der Faktor Persönlichkeit für unserer größenmäßig eng begrenzten und ihren Produkten und Leistungen alle Befragten gleichermaßen wirkt, so Gruppe. Werfen wir aber einmal einen bei genau diesem produktorientierten unterschiedlich sind andererseits die Blick auf die Unterschiede – wir haben Marktumfeld auf Granit beißen – und Marktvoraussetzungen. sie als „Fünf Marktzugänge“ bezeichnet den Unternehmen vermeintliche (siehe Tabelle oben). Rückständigkeit attestieren, wo diese Der Markt entscheidet Würde man auf den ersten Blick vielleicht selbst gerne weiter wären, Und genau diese Marktvoraussetzungen möglicherweise noch unterschiedliche ihr Markt aber noch nicht bereit ist. sind für fast alle unserer Gesprächspart- „Reifegrade“ in Sachen Modernität ner die Grundlage ihrer Strategie, der zwischen den Unternehmen erken- Digitalisierung heißt Innovation Betriebsorganisation und der Führung. nen, so wird man im Detail in den mei- Und damit stecken wir mitten im prä- Hier liegen die Gründe für unterschied- sten Fällen eines Besseren belehrt. Zu genden Wirtschaftsthema der Zeit: Di- liche Herausforderungen und Lösungs- Recht weist beispielsweise die Unter- gitalisierung. Bei unseren Befragten ansätze. Und unter anderem genau nehmensführung in manchen produ- zeigt sich, dass nicht alle praktisch rele- deshalb kann man „den Mittelstand“ zierenden Unternehmen darauf hin, vanten Fragen unter dieser Überschrift als solchen nicht über einen Kamm dass weder der Markt noch die Pro- diskutiert werden. Auch der Begriff „In- scheren. Nicht jedes Unternehmen ist duktgattung in besonderem Maße von dustrie 4.0“ wird kaum verwendet, man gleichermaßen von Digitalisierung, Digitalisierung betroffen wären. Und spricht ganz praktisch von Automati- Fachkräftemangel oder Wertewandel so kann es durchaus zu der Situation sierung oder Innovation. Und hier ent- personalmagazin 05 / 18
17 scheidet wiederum ganz klar der Markt, Die meisten Befragten sehen in der nen gelegt. Entscheidungen werden oft was gemacht wird. Verlangt ein Kunde Digitalisierung insgesamt deutliche gemeinsam und konsensual getroffen, eine bestimmte Software-Einbindung, Wachstumschancen und erkennen Po- selbst strategische Weichenstellungen dann wird diese Investition pragmatisch tenzial für Innovation und neue Märkte. werden vorab sehr sensibel intern son- und eben nicht ideologisch getätigt. Ge- Von Silvia Hernandez, Partnerin bei diert und verifiziert. Beispielhaft hier nerell lässt sich Digitalisierung in drei EY und für den Bereich Future of Work drei Zitate: Handlungsstränge aufteilen. zuständig, leihen wir uns einen aktuell •„Wir hören unseren Mitarbeitern im- Erstens: gerne verwendeten Begriff: „Augmented mer sehr genau zu. Ich höre mir auch •Automatisierung in Administration Humanity“. Unsere Befragten würden immer gerne neue Vorschläge an.“ oder Produktion zwar mehrheitlich skeptisch die Stirn •„Man macht keinen Plan von oben •Die Notwendigkeit zur Digitalisierung runzeln, dem dahinter liegenden Gedan- nach unten, sondern man motiviert wird erkannt. ken aber zustimmen: Digitalisierung seine Leute persönlich.“ •Man achtet auf die Veränderungen am ist kein Selbstzweck. Und Technik al- •„‚Ich bin der, der was zu sagen hat‘, Markt, die den internen Arbeitsauf- leine macht noch keine Digitalisierung. das gibt es bei uns nicht wirklich.“ wand rechtfertigen. Sie muss dazu dienen, die Menschen In unserer Gruppe von 30 Befragten •Aber: Digitalisierung muss sich leistungsfähiger zu machen. Und so haben wir so, entsprechend der Marktsi- rechnen. bedeutet Digitalisierung am Ende Hu- tuation, fünf verschiedene Führungsstile Zweitens: manisierung. angetroffen (siehe Tabelle auf Seite 18). •Aufbau von Kenntnissen und Fähig- keiten für neue Systeme New Work ist oft nichts Neues Personalengpässe und Wertewandel •Digitalisierung ist Herausforderung Vieles von dem, was in der Diskussion Bei der Frage nach den entscheidenden für die Beschäftigten. um „New Work“ auftaucht, ist für die Faktoren für den zukünftigen Erfolg •Qualifikation ist Investition in die Befragten nicht wirklich neu. Manches kommt die Unternehmensführung in Zukunft. praktizieren sie schon lange, manches drei der fünf Marktumfelder direkt zum •Aber: Auch Ängste bei Beschäftigten haben sie versucht und verworfen, Thema Personal. So wird vor allem im gilt es, zu überwinden. manches würde aus Sicht der Unterneh- menschenbezogenen Marktumfeld der Drittens: mensleitung gar nicht funktionieren. Bedarf an „fähigen“ Beschäftigten geäu- •Eigene Produktentwicklung als Anbie- Dennoch herrscht Offenheit gegenüber ßert, die neue Ideen und Leistungsinno- ter digitaler Lösungen oder beteiligtes neuen Ansätzen, sofern sie auf die kon- vationen mit entwickeln können. Man Unternehmen krete eigene Geschäftstätigkeit einge- muss am Puls der Zeit bleiben. Unter- •Digitalisierung ist der Zukunftsmarkt hen und Verbesserungspotenziale plau- nehmen im systemischen Marktumfeld schlechthin. sibel machen können. Als vom Markt spüren besonders den Druck in Sachen •Man fühlt sich mit dem eigenen Ge- verordnete Grundregel könnte auch hier Qualifikation und sehen Engpässe. Und schäftsmodell gut aufgestellt. gelten: „Form follows function“. Aus Unternehmen mit einem kulturell ge- •Aber: Die Prophezeiungen von Dis- der Unternehmensgröße selbst ergeben prägten Marktzugang, die ihr Geschäfts- ruption prallen oft an Kunden ab. sich dabei einige nützliche Rahmenbe- modell zu einem guten Teil auf beson- dingungen: Flache Hierarchien, kurze dere Formen der Mitarbeitereinbindung Digitalisierung ist kein Selbstzweck Wege, intensive Kommunikation, dazu und -führung aufbauen, denken in den Für die kommenden Herausforde- in Teilen projektbezogenes Arbeiten Dimensionen von Kompetenzentwick- rungen fühlten sich die Befragten und partizipative Entscheidungen. An- lung und Selbstorganisation. selbst gut gerüstet und sehen Probleme dererseits liegen in der Größe auch Li- Bei Vertiefung des Themas Personal eher bei anderen. Vereinzelt mischt mitierungen, insbesondere hinsichtlich ist die Herausforderung in der Rekru- sich Skepsis darunter, sofern im eige- Flexibilisierung von Arbeit oder der Ar- tierung bei allen Unternehmen sichtbar. nen Markt kein wirklicher Umbruch beitszeiten. Man tut hier, was man kann Dabei sehen sich die Befragten einer erkennbar ist. Alarmszenarien beein- und wo man es kann. ganzen Bandbreite an einschränkenden drucken die Befragten indessen nicht. Bemerkenswert ist die Selbsteinschät- Faktoren ausgesetzt: Zum rein quanti- Wenn überhaupt, sehen sie dezidiert zung der Befragten zur Art der Zusam- tativen Bewerberengpass in bestimmten negative Auswirkungen eher im gesell- menarbeit und damit auch zu ihren Berufsfeldern und bei der Zahl ausge- schaftspolitischen Kontext, beispiels- Führungsstilen. Es wird tatsächlich viel bildeter Berufsanfänger kommen ge- weise in der Auflösung des sozialen Wert auf die Meinungen und Einschät- stiegene Qualifikationsanforderungen Zusammenhalts. zung der Beschäftigten auf allen Ebe- bei gleichzeitigen spürbar werdenden 05 / 18 personalmagazin Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de
18 TITEL_PERSONALSTRATEGIE IM MITTELSTAND Mängeln des Bildungswesens hinzu. es den Nachwuchs eher in die großen Bemerkenswert: Was den Unterneh- Der Nachwuchs ist nach Ansicht der Be- Lifestyle-Metropolen, was die Rekrutie- mensverantwortlichen an den Jungen fragten oft nicht gut auf die Erfordernisse rung abseits der Ballungszentren er- fehlt, wird – trotz gelegentlicher Ent- der Praxis vorbereitet. Zuletzt erhöhen schwert. Aufhorchen lässt die Kritik am täuschung - nicht als moralische Kritik steigende Gehaltserwartungen und ge- Bildungssystem. Ein beispielhaftes Zitat vorgebracht, sondern als Umweltverän- nerell Ansprüche an die Arbeitgeber im zur Ausbildungsfähigkeit illustriert dies: derung zu Kenntnis genommen. Zuge des Wertewandels die Herausfor- „Oft bringen die Bewerber nicht die not- derung noch einmal. Unattraktiv emp- wendige Ausbildung aus der Schule mit, „Run for Experience“ fundene Images einzelner Branchen, die können trotz Handy kein Excel-Sheet Ältere Arbeitskräfte erscheinen so mehr Schichtbetrieb oder der Standortwettbe- erstellen, ganz zu schweigen von ausrei- und mehr in einem positiven Licht. werb mit Großunternehmen erschweren chenden Englisch-Kenntnissen.“ Auch Überspitzt formuliert könnte man sa- die Rekrutierung zusätzlich. Lediglich wird bei nachkommenden Generationen gen, zum „War for Talent“ kommt zu- im digitalen Umfeld scheint die Drama- geringere Loyalität und Identifikation künftig der „Run for Experience“ hinzu. tik geringer auszufallen. Man kann die festgestellt: „Die Jungen haben einen Erfahrung wird geschätzt, immer öfter Traumberufe und Arbeitsbedingungen Schalter, wenn die ins Unternehmen können und wollen Ältere auch selbst der nachkommenden Generationen of- reingehen, wird er eingeschaltet, wenn länger erfolgreich im Arbeitsprozess ge- fensichtlich besser erfüllen. sie rausgehen, wieder umgelegt. Ich will halten werden. Und auch wenn Vollzeit Als problematisch wird allerdings die nicht sagen, das sei schlecht. Aber das nicht mehr drin ist, ist man doch froh, zunehmende Erwartungshaltung in mo- Gemeinschaftsgefühl im Unternehmen wenn die Erfahrenen noch in Teilzeit netärer Hinsicht bewertet. Zudem zieht ändert sich dadurch schon!“ oder mit Minijob dabeibleiben. Bei Äl- FÜNF FÜHRUNGSSTILE Produktorientiertes Menschenbezogenes Systemisches Digitales Kulturbasierter Marktumfeld Marktumfeld Marktumfeld Marktumfeld Marktzugang Führungsstil konsensual integrativ interaktiv konsultativ gemischt – von kon- sensual über integrativ oder interaktiv bis zu konsultativ Hierarchie Es existieren wenige Wenige Hierarchieebenen, Unternehmen in Transfor- Juristische/disziplinari- Branchenbedingt hetero- Hierarchieebenen. Teamwork zwischen Un- mation bewegen sich weg sche Verantwortung bei gene Ansätze. Oben wird starkes Team- ternehmensführung und von starren Kompetenz- der Unternehmensleitung Gemeinsam starke Beto- work praktiziert. Darunter Abteilungsleitungsebene. verteilungen top-down zu oder zweiter Ebene. nung auf der Bedeutung liegende Ebenen (z.B. Oft Feedback-Schleifen projektorientierten Teams. Ansonsten flexible Teams, jeder/jedes einzelnen Industriemeister) werden zu den (Nicht-Vorgeset- Nur juristische/diszipli- die sich je nach Projekt Beschäftigten. flexibel einbezogen, wenn zen) Beschäftigten als narische Verantwortung verändern. Kompetenz und Expertise „Kenner“ der Kunden bleibt bei der Unterneh- sinnvoll sind. und deren dynamischer mensleitung oder zweiter Bedürfnisse. Ebene. Flexible Ar- Im operativen Bereich ge- Im operativen Bereich ge- Flexibilität bei Arbeitsort Sehr hohe Flexibilität ins- Unterschiedliche Modelle, beitsformen ring ausgeprägt, da wenig ring ausgeprägt, da weni- und Arbeitszeit nimmt zu. besondere bei Arbeitszeit, teilweise auch stark mit den Produktionsanfor- ge mit den Anforderungen Zugleich auch Restriktio- aber auch bei Teilzeit oder experimentelle und indivi- derungen vereinbar. an Service vereinbar. nen dann, wenn Projek- Homeoffice-Modellen. duelle Ansätze bezogen Stärker im administrativen Stärker im administrativen tarbeit Präsenz vor Ort Zudem starke Kollaborati- auf Einzelpersonen. Bereich. Bereich. oder bei Kunden erfordert. on und Verwebung in die Kundenorganisation. Führungsstil, Organisationsstruktur, Arbeitsformen: Unter den 30 Befragten wurden entsprechend ihrer Marktsituation fünf verschiedene Führungsansätze angetroffen. Was diese jeweils auszeichnet, ist in dieser Tabelle zusammengefasst. QUELLE: KAST/VOSS personalmagazin 05 / 18
19 teren sind es mitunter die „Soft Skills“, keinen handfesten Nutzen. Zugespitzt zu Wort kommen lassen. Wir haben die den Ausschlag geben, zum Beispiel formuliert es ein/e Gesprächspartner/ nach Erfolgsfaktoren gefragt und insbe- die Souveränität im Umgang mit Kun- in: „Wenn ich mich vor meine Mitar- sondere die Themen Demografie, Diver- den. Ein Beispiel: „Heute haben wir beiter stellen würde und würde sagen, sity und Digitalisierung näher beleuch- ganz andere Alte, Best Ager und da ist ab heute ist hier Diversity, die würden tet. Vieles andere, was vielleicht auch es von Vorteil auch Best Ager im Kun- mich mit großen Augen und ratlos an- noch unter den Nägeln brennen könnte, denkontakt zu haben.“ schauen!“ Man merkt: Diversity als Be- haben wir ausgeklammert. Wir haben Die Schattenseite gibt es auch. Vor griff steht sich in diesen Unternehmen nicht über Internationalisierung gespro- allem dort, wo es handfest um System offensichtlich selbst im Weg. chen, obwohl wir viele international gut umstellung, Digitalisierung oder kom- Dabei ist die Praxis vielschichtiger aufgestellte Gesprächspartner gefunden plett neue Technologie geht, sind Ältere und tatsächlich auch vielfältig. Die Her- haben. Wir haben auch nicht über Fi- oft verängstigt und resigniert. Trotz kunft spielt oftmals keine Rolle und wird nanzierung gesprochen oder über Nach- Hilfestellungen und großer Nachsicht: nicht als Problem gesehen, weder in der folge. Unser Ziel war es zudem nicht, Nicht alle können oder wollen die Verän- betrieblichen Praxis („Wir sind interna- bei unseren Gesprächspartnern für derungen mitgehen. Das führt im Zwei- tional aufgestellt. 16 Nationen sind im bestimmte Konzepte zu werben, ihnen felsfall dazu, dass man sich trennt oder Team.“) noch in der Rekrutierung: „Wis- vermeintlich kluge Ratschläge zu er- auf neue Einsatzbereiche verständigt. sen Sie, wir sind doch schon froh, wenn teilen oder im Nachgang eine kritische Im digitalen Marktumfeld sind Ältere wir überhaupt genug fähige Mitarbeiter Analyse anzuhängen. (noch) kein Thema. Die Altersstruktur kriegen.“ An zwei weiteren Zitaten wird Diese Studie ist mit voller Absicht der Unternehmen ist insgesamt deut- deutlich, wie sich die Unternehmen ori- voreingenommen in einer Hinsicht: Wir lich jünger, Nachwuchssorgen gibt es entieren: haben nach Erfolgsfaktoren gefragt. 30 weniger – man schwimmt auf der Ju- •„Wir haben im operativen Bereich 50 respektable Persönlichkeiten haben uns gendwelle. Die meisten Unternehmen Prozent Frauen. Die Altersgruppen dankenswerterweise Zeit eingeräumt sehen jedoch im Ausscheiden älterer sind gemischt, passend zu unseren und ihre Erfahrungen und Einschät- Beschäftigter einen Verlust an Wissen Kunden.“ zungen mit uns geteilt. Wir nehmen und Erfahrung, worauf allerdings nur •„Ich muss sehen, dass die Chemie zwi- diese ernst. Wenn unsere Befragten re- eine Minderheit tatsächlich schon mit schen Projektleiter und dem Kunden präsentativ für diese Größenklasse sind, vorbereitenden Maßnahmen reagiert. stimmt. Darum geht es. Passt ein Mit- dann muss man sich keine Sorgen um Wo Transformation stattfindet, ändert arbeiter zum Kunden.“ die Unternehmen machen. Sie kennen sich dies gerade. Man darf davon ausge- Kritisch müssen wir die Frage stehen die Herausforderungen, sie kennen ihre hen, dass neben Wissenstransfer auch lassen: Haben die mittelgroßen Unter- Stärken und sie verfügen über ein ge- lebenslanges Lernen und lebenslange nehmen hier einen blinden Fleck? Wis- sundes Selbstbewusstsein und viel Zu- Beschäftigung in diesen Unternehmen sen sie beispielsweise, woran es liegt, versicht. verstärkt Thema werden. wenn sie nicht genügend Frauen rekru- Am Ende wirken diese Unternehmen tieren können? Umgekehrt wird aber auf uns als die Prototypen jener Flexibi- Diversity – ein blinder Fleck? auch ein Schuh draus. Als Unternehmen lität, von der derzeit so viel die Rede ist. Eine große Überraschung hat uns wie auch als Unternehmensnetzwerk, Und es stellt sich unmittelbar die Frage: der Umgang mit dem Thema Diversi- die wir sehr viel Engagement in das The- Müssten nicht große Unternehmen und ty beschert. Lediglich die von einem ma Diversity stecken, müssen wir uns an Konzerne mehr von ihnen lernen? kulturellen Marktzugang geprägten dieser Stelle selbstkritisch fragen: Kön- Unternehmensführungen erkannten nen wir gut genug erklären, was wir da DR. EVA VOSS ist als Mana- im Begriff Diversity Vorzüge, die sich machen und wozu es gut sein soll? gerin Diversity & Inclusive- auch ökonomisch rechnen. Die große Doch auch wenn Diversity als Begriff ness verantwortlich für die Mehrheit der Gesprächspartner jedoch nicht überzeugt: Dem Zitat „Wir müssen Region Deutschland, Schweiz kann mit dem Thema und oft auch innovativ sein, und dazu brauchen wir in und Österreich bei EY. schon mit dem Begriff nichts anfangen. Zukunft mehr unterschiedliche Mitarbei- Das Konzept wird als akademisch emp- ter!“ konnten alle Befragten zustimmen. RUDOLF K AST ist selbststän- funden und lässt sich nicht in Deckung diger Berater und Vorstands- mit der betrieblichen Realität bringen. Ausblick vorsitzender des Demogra- Man betrachtet es als Image-Thema von In unserer Studie haben wir eine be- phie-Netzwerks ddn. Konzernen und sieht für sich selbst stimmte Größenklasse an Unternehmen 05 / 18 personalmagazin Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de
20 TITEL_PERSONALSTRATEGIE IM MITTELSTAND „Flexibel und pragmatisch“ INTERVIEW. Dem Mittelstand geht es gut – vielleicht zu gut? Volle Auftragsbücher könnten dafür sorgen, dass strategische Themen wie Digitalisierung und New Work verschlafen werden. Ein Gespräch mit Mittelstandsforscher Jörn Hendrich Block. personalmagazin: Herr Professor Block, personalmagazin: Die Themen Digitalisie- die Mittelstandsforschung hat eine lange rung und Industrie 4.0 fehlen in keinem Tradition in Deutschland – erst kürzlich Tagungsprogramm zum Personalmanage- feierte das IfM Bonn sein 60-jähriges ment. In der Regel sind es Konzerne, die Bestehen. Welche Schwerpunkte prägen die Diskussion anführen: Sie flankieren aktuell die Mittelstandsforschung? technologische Innovationen mit HR- Jörn Hendrich Block: Das lässt sich nur Maßnahmen, um sicherzustellen, dass schwer zusammenfassen, da es ja „die“ der Mensch der Technologie gewachsen Mittelstandsforschung so nicht gibt. bleibt. Können mittelständische Unter- Seit ihren Anfängen hat sich die Mit- nehmen in diesem Prozess Schritt halten? telstandsforschung sehr stark in Teil- Block: Die Frage ist ja nicht, ob sie es bereiche ausdifferenziert, wie KMUs, können. Sie müssen es. Andernfalls Start-ups, Entrepreneurship, Hidden werden sie mittel- bis langfristig vom Champions, Selbstständigkeit und Fa- Markt verschwinden beziehungsweise milienunternehmen. In jedem dieser an Bedeutung verlieren. Auch die ver- Teilgebiete gibt es wiederum eigene meintlich sicheren Nischen – Stichwort Schwerpunkte. Hidden Champions – bieten da keinen PROF. DR. JÖRN HENDRICH BLOCK ist Schutz. Die aktuell gute Konjunktur ist Professor für Unternehmensführung und personalmagazin: Können Sie ein Beispiel für die Bewältigung eines solchen Wan- Sprecher der Forschungsstelle Mittelstand herausgreifen? dels leider nicht nur förderlich, viel- der Universität Trier. Block: Im Bereich Familienunterneh- leicht sogar trügerisch. Ich beobachte, men, die ja einen Großteil des Mittel- dass viele Mittelständler aufgrund der stands in Deutschland ausmachen, aktuell guten Auftragslage sich mit dem gibt es aktuell viel Forschung rund um Wandel umgehen und die Herausforde- Thema Digitalisierung und Wandel der das Thema Innovation und Wandel in rungen meistern – oder eben auch nicht. Berufswelt noch nicht so intensiv befas- Familienunternehmen. Das Thema ist Im Bereich Selbstständigkeit und En- sen, wie sie es eigentlich müssten. Dazu aus praktischer wie aus wissenschaftli- trepreneurship liegt ein Schwerpunkt der kommt, dass bei einigen Mittelständlern cher Perspektive gleichermaßen span- Forschung auf neuen Formen von Selbst- das Thema Unternehmensnachfolge nend, da Familienunternehmen, wie ständigkeit wie Teilzeitselbstständigkeit noch im Raum steht und nicht geklärt andere Unternehmen auch, aufgrund oder Social Entrepreneurship. Beide Phä- ist. Das lähmt natürlich diese Unterneh- vielfältiger technologischer und gesell- nomene gewinnen aufgrund einer verän- men und verhindert im Einzelfall, dass schaftlicher Trends zum Wandel an- derten Berufswelt und sich verändernden die Herausforderungen rund um die von gehalten oder sogar gezwungen sind. Berufs- und Lebenszielen – Stichwort Ihnen angesprochenen Themen Digitali- Aus wissenschaftlicher Hinsicht ist es Generation Y – vermehrt an Bedeutung sierung und Industrie 4.0 beherzt ange- spannend zu sehen, wie Familienunter- und lassen sich mit der Forschung zu gangen werden. nehmen, die oft viel Wert auf Tradition, „klassischem“ Unternehmertum bezie- Generell bin ich aber zuversichtlich, Langfristigkeit und generationenüber- hungsweise zur klassischen Vollzeit dass der Mittelstand die Situation des greifendes Handeln legen, mit diesem selbstständigkeit nicht gut erklären. technologischen Wandels und der Di- Bei Fragen wenden Sie sich bitte an redaktion@personalmagazin.de personalmagazin 05 / 18
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