EILDIENST 11/2019 - Landkreistag NRW
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EILDIENST 11/2019 Aus dem Inhalt: ● esetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes NRW an die Gemeinden und G Gemeindeverbände (GFG 2020) und zur Änderung des Stärkungspaktgesetzes ● wanzig Jahre Direktwahl der Verwaltungsspitze in Nordrhein-Westfalen – Z eine historische und funktionale Rekonstruktion ● Schwerpunkt: Digitalisierung in der Kreisverwaltung
EILDIENST 11/2019 Auf ein Wort Grundsteuerreform – der Föderalismus funktioniert doch Nach einem monatelangen politischen Ringen hat der Bundesrat am 8. November 2019 – sogar mit den Stimmen aller Bundesländer – einer vom Deutschen Bundes- tag mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossenen Grundgesetzänderung zugestimmt, mit der die Grundsteuer grundlegend reformiert wird. Das für die Grundsteuer maßgebliche Bewertungsrecht wird dementsprechend neu ausgerichtet – auch dies erhielt eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Dieser Reform lag ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April 2018 zugrunde, das festgestellt hatte, die Regelungen des Bewertungsgesetzes zur Ein- heitsbewertung von Grundvermögen in den „alten“ Bundesländern seien jedenfalls seit dem Beginn des Jahres 2002 mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar und damit verfassungswidrig. Daher bedurfte es einer grundlegenden Überarbei- tung des bisherigen Verfahrens zur Erhebung der Grundsteuer, die derzeit bundes- weit einen Ertrag von jährlich rund 14 Milliarden Euro aufweist. Dem Gesetzgeber hatten die Verfassungsrichter eine Frist zur Neuregelung bis spätestens Ende 2019 gesetzt. Nach langen, zähen und mitunter auch sehr kontroversen Verhandlun- gen unter den Ländern, die ihrerseits unterschiedliche Vorstellungen hatten sowie mit dem Bund ist nun ein Kompromiss zustande gekommen, der sich durchaus sehen lassen kann. Auch künftig soll die Grundsteuer in den bisherigen drei Schritten berechnet werden, beginnend mit der Bewertung des Grundvermögens, deren Multiplikation mit der Steuermesszahl und wiederum deren Multiplikation mit dem jeweiligen Hebesatz der Kommunen. Um den Grundbesitzwert zu berechnen, werden zukünftig verschiedene Faktoren herangezogen, und zwar zunächst der Wert des Bodens (Bodenrichtwert) und eine statistisch ermittelte Nettokaltmiete (Mietniveaustufe). Zudem spielen die Fläche des Grundstücks, die Immobilienart und das Alter des Gebäudes eine Rolle. Die Steuermesszahl soll reduziert werden, um Wertsteigerungen auszugleichen; die Reform insgesamt soll aufkommensneutral ausfallen. Inso- fern sind die Gemeinden hinsichtlich der Hebesätze gehalten, diese gegebenenfalls anpassen, um eine höhere Belastung der Steuerzahler zu vermeiden. Die geplante Reform sieht – und das ist der Kern des Kompromisses – eine Länderöffnungs- klausel vor, die eigene Gestaltungsmöglichkeiten schafft. Es kann auch eine wertunabhängige Variante realisiert werden, die die Fläche der Grundstücke und der Wohnräume berücksichtigt. Mit dieser Option wurde es möglich, auch Bundes länder mitzunehmen, die dieses Modell befürworten. Überdies wurde festgehalten, dass die Entscheidung eines Landes für eine wertunabhängige Variante keine Auswirkung auf den Länderfinanzausgleich haben darf: Denn für die Bestimmung der Finanzkraft der Länder untereinander ist die kommu- nale Finanzkraft von erheblicher Bedeutung, die sich wiederum wesentlich auf den Grundsteuerertrag stützt. Maßgeblich für den Länderfinanzausgleich bleibt also weiterhin der prinzipiell bundesweit geltende wertabhängige Ansatz. Die Gemeinden erhalten zudem die Möglichkeit, für unbebaute, baureife Grundstücke einen erhöhten Hebesatz festzu legen. Diese sog. „Grundsteuer C“ soll dabei helfen, Wohnraumbedarf künftig schneller zu decken. Gesetzgebungstechnisch bedurfte es einer Änderung des Grundgesetzes sowie entsprechender einfacher gesetzlicher Regelungen, wobei mit Blick auf die für Verfassungsänderungen notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheiten im Bundestag und im Bundesrat neben der CDU/CSU und der SPD auch die Grünen und die FDP zu gewinnen waren. Die Bewertung von Grundstücken nach neuem Recht wird dann erstmals zum 01.01.2022 erfolgen. Das gesamte neue Recht wird ab 01.01.2025 gelten, so dass die neu berechnete Grundsteuer ab diesem Datum zu zahlen ist. Am Beispiel der Grundsteuer reform wird deutlich: Es kann nach wie vor gelingen, sich im Föderalstaat Bundesrepublik Deutschland unter mehreren Parteien auf gemeinsame Positionen zu verständigen und praktikable Lösungen zu finden, mit denen die verschiedenen Interessen zum Ausgleich gebracht werden können. Dies sollte ein Vorbild auch für andere Politikfelder sein. Und was macht Nordrhein-Westfalen? Auch hier wird vereinzelt erwogen, die Länderöffnungsklausel zu nutzen und wert unabhängige Verfahren zu realisieren. Aus Sicht der Kreise ist das abzulehnen. Die Einnahmen der Gemeinden aus der Grundsteuer fließen in die Umlagegrundlagen für die Berechnung der Kreisumlage ein. Es ist daher auch für die Kreise wichtig, dass diese Steuerquelle mit den zu beachtenden Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts stabil und verlässlich erhalten bleibt. In Erinnerung zu rufen ist folgendes jahrzehntelang bewährtes Prinzip: An der Refinanzierung von Investi- tionen in kommunale Infrastrukturen, die ihrerseits maßgeblich zur Steigerung von Grundstückswerten beitragen, sollten auch die Eigentümer der insofern begünstigten Immobilien beteiligt werden. Dr. Martin Klein Hauptgeschäftsführer des Landkreistages Nordrhein-Westfalen 553
Inhalt EILDIENST 11/2019 Kavalleriestraße 8 AUF EIN WORT 553 40213 Düsseldorf ______________________________________________________________ Telefon 0211/ 300 491-0 Telefax 02 11/ 300 491-660 E-Mail: presse@lkt-nrw.de Internet: www.lkt-nrw.de AUS DEM LANDKREISTAG IMPRESSUM Schul-, Kultur- und Sportausschuss berät zur kommunalen Schulpsychologie und zum kommunalen Bildungsmanagement 557 EILDIENST – Monatszeitschrift ______________________________________________________________ des Landkreistages Nordrhein-Westfalen Kreiskämmererkonferenzen am 1. und 8. Oktober 2019 557 Herausgeber: ______________________________________________________________ Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Klein Redaktion: THEMA AKTUELL Erster Beigeordneter Dr. Marco Kuhn Beigeordneter Martin Schenkelberg Hauptreferent Dr. Markus Faber Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Zuweisungen des Landes Referentin Dr. Andrea Garrelmann Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände Referentin Dorothée Heimann im Haushaltsjahr 2020 (GFG 2020) und zur Änderung des Pressereferentin Rosa Moya Referent Christian Müller Stärkungspaktgesetzes 559 Hauptreferent Dr. Kai Zentara ______________________________________________________________ Quelle Titelbild: Kreis Paderborn Redaktionsassistenz: SCHWERPUNKT: Gaby Drommershausen Digitalisierung in der Kreisverwaltung Astrid Hälker Heike Schützmann Auf dem Digitalisierungspfad – Herstellung: Digitalisierung in der Kreisverwaltung Wesel 567 ALBERSDRUCK GMBH & CO KG Leichlinger Straße 11 ______________________________________________________________ 40591 Düsseldorf www.albersdruck.de Rhein-Erft-Kreis – amtliche Katasterkarten online kaufen und bezahlen 569 ISSN 1860-3319 ______________________________________________________________ Digitalisierung beim Kreis Soest – wie gehen wir es an? 571 ______________________________________________________________ „Digitale Modellregion OWL“ – Der Kreis Paderborn geht bei der digitalen Transformation voran 575 ______________________________________________________________ Digitalisierung als Gemeinschaftsaufgabe – Kommunen und Kreis Hand in Hand 577 Kreise in Nordrhein-Westfalen ______________________________________________________________ 554
EILDIENST 11/2019 Inhalt Ein beschäftigtenorientiertes Schulungskonzept im Rahmen der Digitalisierung beim Kreis Höxter 579 ______________________________________________________________ Digitalstrategie – Lippes Weg in die digitale Zukunft 580 ______________________________________________________________ Digital durchs Museum, zielgenau ins Kreishaus – Handy-basierte Services im Kreis Viersen 584 ______________________________________________________________ Kommunale Dienstleistungen mit wenigen Klicks erreichbar – Serviceportale werden weiter ausgebaut 585 ______________________________________________________________ Digitale Transformation beim LWL nach einem ganzheitlichen Digitalisierungsleitbild 587 ______________________________________________________________ Wo ist die Fee? – Drei Wünsche zu Internet-Seiten für alle 589 ______________________________________________________________ THEMEN Zwanzig Jahre Direktwahl der Verwaltungsspitze in Nordrhein- Westfalen – eine historische und funktionale Rekonstruktion 591 ______________________________________________________________ Step by „STEP“ zum Betreuungsplatz für Kinder: Neues Online- Vormerkungsverfahren im Kreisjugendamtsbezirk Steinfurt 594 ______________________________________________________________ Afrikanische Schweinepest – Unter der Regie des Rhein-Sieg-Kreises üben sieben Kreise gemeinsam den Ernstfall 596 ______________________________________________________________ Klimaschutz im Kreis Paderborn – Fuhrpark komplett auf Elektro- und Hybridautos umgestellt 599 ______________________________________________________________ DAS PORTRÄT Landrat Stephan Santelmann, Rheinisch-Bergischer Kreis: „Es sind die Menschen, die unseren Kreis lebendig und vielfältig machen!“ 600 ______________________________________________________________ 555
Inhalt EILDIENST 11/2019 IM FOKUS „August Macke – ganz nah“ – Neubau des Sauerland-Museums in Arnsberg eröffnet 603 ______________________________________________________________ MEDIENSPEKTRUM 604 ______________________________________________________________ KURZNACHRICHTEN 606 ______________________________________________________________ PERSÖNLICHES Der Kreis Unna trauert um ehemaligen Oberkreisdirektor Landwehr 613 ______________________________________________________________ HINWEISE AUF VERÖFFENTLICHUNGEN 614 ______________________________________________________________ 556
EILDIENST 11/2019 Aus dem Landkreistag Schul-, Kultur- und Sportausschuss berät zur kommunalen Schulpsychologie und zum kommunalen Bildungsmanagement Ausschuss für Schule, Kultur und Sport des LKT NRW. Quelle: LKT NRW D er Schul-, Kultur- und Sportaus- schuss hat sich in seiner Sitzung am 08.10.2019 in der Geschäftsstelle neben Kreises, standen den Ausschussmitgliedern Rede und Antwort zu den Herausforderun- gen der Schulpsychologie. künftig enger über Fragen des Bildungsma- nagements im kreisangehörigen Raum aus- zutauschen.Weitere Themen waren unter aktuellen Fragen wie dem Start des Digital- anderem die Stärkung der Berufskollegs, Pakts Schule auch mit den Aufgabenfeldern Die Ausschussmitglieder forderten hierbei die Weiterentwicklung der Schulaufsicht, der Schulpsychologie und dem kommu- insbesondere eine Gleichbehandlung der die Novellierung des Landesarchivgesetzes nalen Bildungsmanagement befasst. Anja kommunalen und Landesbeschäftigten sowie des Weiterbildungsgesetzes und der Niebuhr, die Vorsitzende des AK Kom- durch das Land ein. Weitere Gäste waren zu erarbeitende neue Kulturförderplan des munale Schulpsychologie beim Städte tag der Leiter der Transferagentur NRW, Landes. NRW, und ihr Stellvertreter, Hansjürgen Johannes Schnurr, und sein Stellvertreter, Kunigkeit, der Leiter der Schulpsycholo- Dr. Mario Roland. Mit den Vertretern der EILDIENST LKT NRW gischen Beratungsstelle des Rhein-Erft- Transferinitiative wurde vereinbart, sich Nr. 11/November 2019 00.11.02 Kreiskämmererkonferenzen am 1. und 8. Oktober 2019 D ie Vereinigung Westfälisch-Lippischer Kreiskämmerer des LKT NRW und die Rheinische Arbeitsgemeinschaft der bilden sie wichtige Organe der verbands internen Meinungsbildung. Neben aktuel- len Fragestellungen der Finanzpolitik und für die Aufstellung der Kreishaushalte und die kurzfristige kollegiale Abstimmung und gegenseitige Unterstützung bei allen Kreiskämmerer des LKT NRW können des Kommunalhaushaltswesens sind auch Fragen des Finanzwesens der Kreise. Mit- jeweils auf eine lange Sitzungstradition immer wieder die Finanzbeziehungen zu glieder sind im Landesteil Westfalen die zurückblicken. Auch wenn es sich nicht den beiden Landschaftsverbänden Gegen- dortigen Kreiskämmerer sowie ein Ver- um formelle Beratungsgremien des Land- stand der Beratungen. Darüber hinaus treter des Finanz-Dezernates des Land- kreistages Nordrhein-Westfalen handelt, geht es um einen fachlichen Austausch schaftsverbandes Westfalen-Lippe und im 557
Aus dem Landkreistag EILDIENST 11/2019 Sitzung der westfälisch-lippischen Kreiskämmerer am 1.10.2019 im Kreis Siegen-Wittgenstein. Quelle: Kreis Düren Landesteil Rheinland neben den Kreiskäm- Gäste haben Vertreter der Kommunal- lastungsgesetz Pflege“ Gegenstand der merern, dem Städteregionskämmerer, der aufsicht der Bezirksregierungen Köln und Beratungen. Dieser muss leider als Muster- Landschaftsverbandskämmerin auch die Düsseldorf inne. Den Vorsitz führt bei den beispiel dafür gelten, dass andere politi- Kämmereileiter. Einen Status als ständige Westfälisch-Lippischen Kreiskämmerer der sche Ebenen (in diesem Fall der Bund) ver- Kreisdirektor und suchen, unter Missachtung bzw. Umge- Kreiskämmerer des hung des Konnexitätsgrundsatzes („Wer Kreises Warendorf, bestellt, bezahlt“) Politik zum Nachteil Dr. Stefan Funke, kommunaler Kassen zu machen. und im Rheinland der Kämmerer des Der Entwurf der Bundesregierung sieht Kreises Euskirchen, vor, dass die Entlastung von Angehörigen Ingo Hessenius. durch die Kommunen finanziert wird. Das Ziel, Pflegebedürftige und ihre Angehöri- In ihren jüngsten Sit- ge stärker zu entlasten, wurde zwar aus- zungen am 1. und drücklich unterstützt, die damit verbunde- 8. Oktober 2019 ne Kostenüberwälzung auf die Kommunen stand einmal mehr sei aber nicht hinnehmbar. Nach Berech- der Umgang mit nungen der kommunalen Spitzenverbände dem 2. NKF-Weiter- steht zu erwarten, dass das Angehörigen- entwicklungsgesetz Entlastungsgesetz die kommunalen Haus- und der neu gestal- halte bundesweit mit bis zu einer Milliarde teten Kommunal- Euro jährlich belastet. Die nordrhein-west- hauhaltsverordnung, fälischen Kreise sind als Sozialhilfeträger die Weiterentwick- angesichts der im Bundesvergleich hohen lung des Gemein- Heimentgelte besonders betroffen. Wenn definanzierungsge- der Bund aber den Aufwand für die nicht setzes, der künftige von der Pflegeversicherung gedeckten Belastungsausgleich Leistungen noch stärker den Kommunen für die flüchtlings- zuordnet, habe er auch die entstehenden bedingten Kosten Kosten zu ersetzen, war das Fazit der Bera- sowie die Umset- tungen. Zumindest müsse aber eine Revi- zung des § 2b UStG sionsklausel in das Gesetz aufgenommen auf dem Programm. werden, die gewährleistet, dass die Kosten Neben diesen erhoben und dann vom Bund ausgeglichen „finanzpolitischen werden. Dauerbrennern“ war dieses Mal auch der EILDIENST LKT NRW Sitzung der rheinischen Kreiskämmerer am 8.10.2019 im Kreis Entwurf für ein sog. Nr. 11/November 2019 Düren. Quelle: Kreis Düren „Angehörigenent- 20.08.12/20.08.13 558
EILDIENST 11/2019 Thema aktuell Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2020 (GFG 2020) und zur Änderung des Stärkungspaktgesetzes Der Landtag NRW hat mit Drucksache 17/7202 die kommunalen Spitzenverbände aufgefordert, als Sachverständige in der Sitzung des Ausschusses für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen und des Integrationsausschusses am 27. September 2019 ein Votum zum Gesetzentwurf abzugeben. Gemeinsam mit dem Städte- und Gemeindebund NRW wurde die im Folgenden abgedruckte Stellungnahme formuliert: A. Zu Artikel 1 – Unabhängig davon halten wir – wie bereits vertrag aufgeworfenen Frage einer Über- Entwurf eines GFG 2020 in unserer letztjährigen Stellungnahme prüfung eines wesentlichen Bausteins der zum Entwurf eines GFG 2019 ausgeführt Bedarfsermittlung, nämlich der Hauptan- (Stellungnahme Nr. 17/838) – die Emp- satzstaffel (Einwohnerveredelung), verfah- I. Zum aktuellen Stand wissenschaftlicher fehlung der Gutachter für nachvollziehbar ren wird. Das vollziehen wir nach. Überprüfung des kommunalen Finanz- und für nach aktuellem Sachstand alter- ausgleichs nativlos, im Interesse einer Stabilisierung Denn in der Tat liegen grundsätzlich unter- der in Form von Gewichtungsfaktoren zu schiedliche Bewertungen der im Frühjahr Bereits im Rahmen der anfänglichen Pro- ermittelnden Ergebnisse einen Wechsel vorgelegten „Studie“ des ifo-Instituts blembeschreibung in dem Gesetzent- der Regressionsmethodik vom bisherigen München zur „Überprüfung der Einwoh- wurf (S. 2; s. auch S. 51 f.)1 wird darauf pooled OLS-Verfahren zu einer sog. robu- nergewichtung im System des kommunalen hingewiesen, dass der fiktiven Bedarfser- sten Regression unter Beibehaltung des Finanzausgleichs in Nordrhein-Westfalen“ mittlung im GFG 2019 methodisch das Zusammenfassens mehrerer Grunddaten- (i.F. „ifo-Studie“) vor. So sehr wir die im Gutachten der Sonderforschungsgruppe jahrgänge (pooling) vorzunehmen. Koalitionsvertrag zum Ausdruck kommen- Institutionen analyse e.V. der Hochschule de Absicht, das Instrument der Einwoh- Darmstadt (sofia) zu ausgewählten Fragen Im Interesse der von der Systemumstellung nerveredelung im jährlichen Gemeinde und Bestandteilen des Systems des Kom- besonders betroffenen Gemeinden – ins- finanzierungsgesetz wissenschaftlich über- munalen Finanzausgleichs vom August besondere derer, die sich in anspruchs- prüfen zu lassen, weiterhin begrüßen und 2017 zugrunde liegt – selbstverständlich vollen Konsolidierungsprozessen befin- unterstützen, so ernüchtert waren wir vom neben einer Vielzahl anderer Gutachten, den – haben wir im letzten Jahr auch eine methodischen und materiellen Gehalt der deren Ergebnisse in der Vergangenheit in gestufte Umsetzung der neuen Methodik ifo-Studie. Wir sind überzeugt davon, das heutige System eingeflossen sind. mitgetragen, wonach die Differenzen dass sie das im Koalitionsvertrag zu Aus- bei den Regressionsergebnissen für die druck kommende ehrliche Interesse an Wichtig bleibt insoweit die Feststellung, Gewichtungsfaktoren der Nebenansätze einer nachvollziehbaren und überzeugen- dass das sog. sofia-Gutachten in vielfacher gegenüber den Vorjahresergebnissen den Begründung des Instruments jenseits Hinsicht grundlegend zu kritisieren ist und zunächst mit einem Abschlag von 50 % finanzwissenschaftlicher Axiome und Ver- seine Verwendbarkeit für eine verfassungs- versehen und nur insoweit der fiktiven mutungen nicht im Ansatz befriedigen und konforme Weiterentwicklung des GFG Bedarfsermittlung für das GFG 2019 zu der Auftrag des Koalitionsvertrags damit schon deswegen in Frage steht, weil es Grunde gelegt wurden. noch nicht erledigt sein kann. die in NRW vorzufindende verfassungs- rechtliche und kommunalverfassungs- Laut Begründung des vorliegenden Gesetz- Unsere Gründe dafür, die sich auf ein brei- rechtliche Ausgangslage inkl. der vom entwurfs (S. 52 f.) sollen die Regelungen tes wissenschaftliches Schrifttum abstützen Verfassungsgerichtshof in seinem Urteil des GFG 2019 hinsichtlich der aus den können, haben wir in unserer Stellungnah- vom 10. Mai 2016 festgestellten „Verzer- Grunddaten zu entwickelnden Parameter me (Anlage zu Vorlage 17/1975 vom 18. rungen“ und „Verwerfungen“ nicht zur (Gewichtungsfaktoren der Nebenansätze, April 2019) ausführlich dargelegt. Die ifo- Grundlage nimmt, sondern stattdessen Hauptansatzstaffel, fiktive Realsteuerhe- Studie geht einem echten wissenschaft ein finanzwissenschaftliches Idealmodell besätze) nun auch im Rahmen des GFG lichen Diskurs an den entscheidenden Stel- postuliert. 2020 beibehalten werden – mithin auch len schlicht aus dem Weg, woran keinem der 50-%-Abschlag sowie die Verwendung der beteiligten Akteure wirklich gelegen Unsere grundsätzlichen Einwände gegen der Datenjahrgänge 2011-2015. Begrün- sein kann. Ohne einen fairen Diskurs unter das Gutachten erhalten wir daher weiter- det wird dies damit, dass eine Aktualisie- Einschluss aller vertretenen wissenschaft- hin ausdrücklich aufrecht und verweisen rung der für die Bedarfs- und Steuerkraft lichen Auffassungen steht die interkom- insofern auf unsere umfassende Stellung- ermittlung zu verwendenden Grunddaten nahme vom 6. Oktober 2017 (Anlage 1 zu und die daraus resultierenden Verteilungs- 1 Seitenverweise beziehen sich, sofern nicht Stellungnahme Nr. 17/838 vom 27. Sep- effekte nicht angezeigt erscheint, bevor anders angegeben, auf den Gesetzentwurf tember 2018). geklärt ist, wie mit der vom Koalitions- (Drs. 17/7202). 559
Thema aktuell EILDIENST 11/2019 munale Verteilungsgerechtigkeit weiterhin finanzwissenschaftlichen Expertisen umset- usw.) und weiter geplanten (etwa „Gesetz massiv in Frage. Wir bekräftigen daher zen. Denn die notwendige und überfällige zur Entlastung unterhaltsverpflichteter unsere Forderung, das Instrument der Korrektur in Form einer Einführung gestaf- Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Einwohnerveredelung unter gleichberech- felter fiktiver Hebesätze (dazu ausführlich Eingliederungshilfe“) Leistungsausweitung tigtem Einschluss aller vertretenen wissen- unter II. 5.) lässt sich bereits jetzt mit dem durch den Sozialgesetzgeber weiter deutli- schaftlichen Auffassungen überprüfen zu finanzwissenschaftlichen Forschungsstand che Steigerungsraten anzunehmen. Zudem lassen. ohne weiteres in Einklang bringen. werden die Kommunen neben dem Auf- wand für die Unterbringung und gesund- Unterdessen bleibt unsere seit Jahren heitliche Versorgung von Asylbewerbern geäußerte Feststellung aufrecht zu erhal- II. Zum Steuerverbund eines GFG 2020 zusätzlich mit dem Aufwand für eine ten, dass auch das vorliegend skizzierte Integration der Bleibeberechtigten in die GFG 2020 das Ziel interkommunaler Ver- 1. Zur Dotierung und zum Verbundsatz Gesellschaft konfrontiert. Allein mit Blick teilungsgerechtigkeit im kommunalen auf diejenigen Flüchtlinge, die sich aktuell Finanzausgleich verfehlen wird. Die kommunale Haushaltssituation bleibt bereits in NRW-Kommunen befinden, und trotz des Stärkungspaktes Stadtfinanzen einen möglichen Familiennachzug sind mit Die Ergebnisse des FiFo-Gutachtens der und aller weiteren Maßnahmen des Bun- den entsprechenden Finanzierungslasten Landesregierung (Goerl/Rauch/Thöne, des und des Landes sowie einer guten nach wie vor erhebliche Herausforderun- „Weiterentwicklung des kommunalen Konjunktur mit hohem Steueraufkommen gen für die kommunalen Haushalte ver- Finanzausgleichs in Nordrhein-Westfalen“, – auch mittelfristig betrachtet – Besorgnis bunden. Finanzwissenschaftliches Forschungsin- erregend. So hat die neuste Haushaltsum- stitut an der Universität zu Köln [FiFo- frage des Städte- und Gemeindebundes Umso erschreckender ist, dass nach der Institut], Köln 2013 – i.F.: FiFo-Gutachten) NRW unter seinen 360 Mitgliedskommu- Verständigung von Bund und Ländern mögen zwar in die Gemeindefinanzie- nen zwar leichte Verbesserungen beim beim Treffen der Ministerpräsidentenkon- rungsgesetze seit dem GFG 2015 einge- Indikator „struktureller Haushaltsaus- ferenz mit der Bundeskanzlerin am 6. Juni flossen sein. Zu betonen bleibt aber, dass gleich“ ergeben; dennoch erreichen immer 2019 über die Fortführung der Beteiligung die FiFo-Ergebnisse weiterhin nur teilwei- noch – trotz historisch guter konjunktu- des Bundes an den flüchtlingsbezogenen se, nämlich hinsichtlich der Datenbasis zur reller Rahmenbedingungen und diverser Kosten von Ländern und Kommunen die Berechnung der Verteilungsparameter der staatlicher Finanzhilfen – mit 129 nur rund bisherige Integrationspauschale (im Refe- Gemeindeschlüsselmasse, umgesetzt wer- ein Drittel der Mitgliedskommunen einen rentenentwurf des Bundesministeriums den. So werden Parameter für die Vertei- strukturell ausgeglichenen Haushalt und der Finanzen für ein „Gesetz zur Beteili- lung der Mittel von Teilschlüsselmassen damit den eigentlich von der Gemeinde- gung des Bundes an den Integrationsko- genutzt, die nach den wissenschaftlichen ordnung als Normalfall geforderten sten der Länder und Kommunen in den Maßgaben ein deutlich anderes Gewicht Zustand. Jahren 2020 und 2021“ vom 29.08.2019 hätten. Diese Teilumsetzung der wissen- nun als „Pauschale für flüchtlingsbezogene schaftlichen Erkenntnisse führt zu einer Insgesamt bleibt für Nordrhein-Westfalen Zwecke“ tituliert) im Jahr 2020 nur noch Schieflage im kommunalen Finanzaus- festzuhalten, dass fast 40 Jahre struktu- 700 Mio. Euro und im Jahr 2021 sogar nur gleich. reller Unterfinanzierung zu einem erheb- noch 500 Mio. Euro betragen soll. Damit lichen finanziellen Aufholbedarf in vielen würden auf NRW in 2020 nicht mehr wie Die Schieflage wird insbesondere dadurch Kommunen geführt haben, der nur mithil- für 2019 430 Mio. Euro entfallen, sondern besonders ausgeprägt, dass das System fe langjähriger Überschüsse in Zukunft zu nur noch ca. 140 Mio. Euro – also weniger der Einwohnerveredelung einwohnerstar- bewältigen wäre. Angesichts der jüngsten als ein 1/3 des Vorjahres! Für 2021 wären ke Städte durch die Anerkennung (realer) Steuerschätzung sind derartige Überschüs- es sogar nur noch ca. 100 Mio. Euro! Es Ausgaben als Bedarf nach wie vor favo- se allerdings nicht zu erwarten. Auch die bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass risiert, während bei der Berechnung der Meldungen zu bundes- bzw. landesweiten unter diesen Umständen eine Fortsetzung Steuerkraft erhebliche Einnahmevorteile Überschüssen im Rahmen der kommuna- der Integrationsarbeit auf dem bisherigen der größeren Städte durch die Wirkung len Kassenstatistik dürfen nicht darüber Niveau unmöglich wäre. Landesregie- einheitlicher fiktiver Realsteuerhebesätze hinwegtäuschen, dass gerade in Nord rung und Landtag sind nun gefordert zu „weggerechnet“ werden. Dies führt dazu, rhein-Westfalen noch viele Städte und klären, ob Nachverhandlungen mit dem dass die für einen Einwohner im kreisfreien Gemeinden mit erheblichen Finanzproble- Bund in Betracht kommen, eine ergänzen- Bereich und im kreisangehörigen Bereich men zu kämpfen haben und von einem de Finanzierung aus dem Landeshaushalt zur Verfügung stehenden Ressourcen strukturellen Haushaltsausgleich noch weit möglich ist oder die Kommunen darauf immer weiter auseinanderklaffen. Über entfernt sind. verwiesen werden sollen, die gerade (erst- den kommunalen Finanzausgleich erfolgt mals im Jahr 2019) halbwegs auskömm- eine sich verstärkende Umverteilung von In diesem Zusammenhang ist insbesonde- lich gegenfinanzierte Integrationsarbeit Mitteln in den kreisfreien Bereich, die dort re auf die Sozialausgaben der Gemeinden zurückzufahren. Wir halten es weiterhin verausgabt und nach der Logik des Ver- und Gemeindeverbände in NRW hinzu- für zwingend notwendig und angemes- teilungssystems wiederum als Indikatoren weisen. Die jährlichen Aufwendungen für sen, dass die Kommunen, die den Großteil für einen höheren Bedarf gewertet werden soziale Leistungen in Form von Sozialtrans- der Integrationsaufgaben stellvertretend (vgl. zu unserer Kritik am Instrument der ferauszahlungen steigen seit Jahren an und für den Gesamtstaat zu schultern haben, Einwohnerveredelung ausführlich unsere stagnierten für die NRW-Kommunen im eine adäquate und nachhaltige Förderung gemeinsame Stellungnahme zur Studie des Jahre 2018 mit gut 19,4 Mrd. Euro auf sehr durch Land und Bund erhalten. Vor allem ifo-Instituts, Anlage zu Vorlage 17/1975). hohem Niveau. Für die Zukunft sind insbe- das für die Kommunalfinanzierung zustän- Eine Beseitigung der Schieflage bei der sondere angesichts der jüngst verabschie- dige Land muss die Kommunen in die Lage Steuerkraftermittlung schließlich ließe sich deten (Unterhaltsvorschussgesetz, Bun- versetzen, geeignete Rahmenbedingungen schon heute auf Basis der vorliegenden desteilhabegesetz, Pflegestärkungsgesetze für die erfolgreiche Integration vor Ort zu 560
EILDIENST 11/2019 Thema aktuell schaffen. Dabei sind Entlastungsmittel bei Belastung der Kommunen durch Sozial- Daher muss endlich auch das Land seiner den Kommunen auch am wirksamsten leistungen nicht allein auf die Transfer- aus Art. 28 Abs. 2 und 3 GG i. V. m. 79 eingesetzt. Von einer erfolgreichen kom- ausgaben beschränke, sondern zudem Satz 1 Verf. NRW folgenden Verantwor- munalen Integrationsarbeit profitieren mit zusätzlichen Ausgaben im Bereich der tung für die angemessene Finanzaus- schließlich auch die Länder und der Bund Sozialverwaltung verbunden sei, für die stattung der Kommunen nachkommen über Mehreinnahmen bei der Einkommen- es jedoch keine Bundeshilfen gebe. Dem und den Verbundsatz mittelfristig wieder und Umsatzsteuer sowie über Einsparun- ist ausdrücklich zuzustimmen. Anzeichen deutlich anheben. Wir begrüßen daher gen bei den Kosten der Unterkunft nach dafür, dass sich an dieser Situation seit ausdrücklich, dass der Verbundsatz wegen dem SGB II. 2015 etwas grundlegend geändert haben des Wegfalls eines sog. „pauschalen Bela- könnten, liegen nicht vor. Wie bereits stungsausgleichs“ für etwaige Überzahlun- Auch unter Zugrundelegung sonstiger angedeutet, wuchsen die Sozialausgaben gen im Rahmen der kommunalen Beteili- beschlossener und in Aussicht gestellter der Kommunen – trotz der Hochkonjunk- gung an den sog. Einheitslasten des Landes Entlastungen können die zur Verfügung turphase – weiterhin stärker als ihre Ein- „echte“ 23 Prozent erreicht. Gleichwohl stehenden Erträge den finanziellen Bela- nahmen. Beispielhaft für die Kreise ver- kann diese Verbesserung nur ein erster stungsaufwuchs keinesfalls abdecken. deutlicht dies die folgende Grafik (1). Schritt hin zu einer signifikanten Anhebung Die strukturelle Unterfinanzierung bleibt und mittelfristigen Rückkehr zu den Ver- bestehen. Dies bestätigt nicht zuletzt auch Darüber hinaus bereiten vielen Kommunen bundsätzen von Anfang der 1980er-Jahre das zu Beginn erwähnte sofia-Gutachten auch die künftigen Erträge der Gewerbe- sein. Die Absenkung des Verbundsat- (dort S. 28). Danach konnten bis 2015 steuer erhebliche Sorgen, da es vielerorts zes von ursprünglich 28,5 Prozent in den die bisherigen Bundeshilfen den Anstieg konkrete Hinweise darauf gibt, dass mit GFG der Jahre 1982, 1983 und 1986, die der kommunalen Sozialausgaben lediglich signifikanten Ertragsrückgängen oder gar zeitlich auch den Beginn des Aufwuchses dämpfen, bewirkten jedoch keinen Rück- -einbrüchen zu rechnen ist, insbesondere der Kommunalverschuldung in Nordrhein- gang auf das Niveau früherer Jahre. Dies mit Blick auf die Automobil(zulieferer)- Westfalen markiert, entzieht seither den gelte umso mehr, als sich die finanzielle Industrie. Kommunen jährlich – gemessen an der dem aktuellen GFG zugrundeliegenden verteilbaren Finanzausgleichsmasse – rund 3 Mrd. Euro. Sie ist die Hauptursache der strukturellen kommunalen Unterfinanzie- rung in Nordrhein-Westfalen. Trotz der zuletzt eingetrübten Aussichten beste- hen für das Land weiterhin haushaltspo- litische Spielräume, die genutzt werden müssen, um die Generationenaufgabe der Rückführung der (Alt-)Schulden des Lan- des NRW und seiner Kommunen anzu- packen. Zu einer Lösung des Altschulden- problems gehört dabei auch immer und in erster Linie die Verhinderung neuer Schul- den. Dafür wäre die Wiedererhöhung des Verbundsatzes ein ganz wesentlicher Bau- stein. Insofern ist auch dem Eindruck zu wider- sprechen, den die Begründung des vor- liegenden Gesetzentwurfs stellenweise zu vermitteln versucht, wenn es etwa auf S. 49 im letzten Absatz heißt, in Anbetracht der Programme, die aktuell sowohl auf Landes- ebene wie auch auf Bundesebene für die Entlastung und Unterstützung der Kom- munen aufgelegt worden seien bzw. die als Ergebnis der Kommission „Gleichwer- tige Lebensverhältnisse“ auf Bundesebene ggf. erwartet werden dürften, sei künftig eine weitere Verbesserung der finanziellen Situation der Kommunen zu erwarten. Da aber die bisherigen Entlastungen gerade noch nicht ausreichen und die Ergebnisse der Kommission „Gleichwertige Lebens- verhältnisse“ auf Bundesebene bislang ebenso wenig konkret sind wie Maßnah- men des Landes Nordrhein-Westfalen selbst zur Lösung der Altschuldenfrage, kann tatsächlich noch lange keine Entwar- Grafik 1: Entwicklung der Sozialaufwendungen der Kreise. Quelle: LKT NRW nung gegeben werden. 561
Thema aktuell EILDIENST 11/2019 Neben die sachliche Notwendigkeit einer 3. Zu § 6 – 4. Zur Hauptansatzstaffel Erhöhung des Verbundsatzes tritt im Aufteilung der Schlüsselmasse (§ 8 Abs. 3; Anlage 2) Übrigen auch eine rechtliche. Die Arbeits- gemeinschaft der kommunalen Spitzen- Unabhängig von den finanzwissenschaft- Die Einwohnerveredelung in Form der verbände in NRW hat Anfang 2016 ein lich zu begutachtenden Fragestellungen Hauptansatzstaffel ist abzuschaffen. Vor Rechtsgutachten des ehemaligen Präsi- und den Ergebnissen des sofia-Gutach- dem Hintergrund des interkommunalen denten des Staatsgerichtshofes des Landes tens muss ein Einstieg in die vom FiFo- Gleichbehandlungsgebotes sollten alle Ein- Hessen, Herrn Prof. em. Dipl.-Volkswirt Gutachten der Landesregierung (Goerl/ wohner aller Gemeinden stattdessen mit Dr. jur. Klaus Lange, vorgelegt, das sich Rauch/Thöne, a.a.O., S. 115 und 149 f.) einheitlichem Gewicht in die Bemessung differenziert mit der Frage eines verfas- vorgeschlagene Anpassung der Teilschlüs- des Hauptansatzes eingehen. Soweit signi- sungsrechtlichen Anspruchs der Kommu- selmassen für die Kreise/Städteregion und fikante Spezialbedarfe einzelner Gemein- nen auf finanzielle Mindestausstattung Landschaftsverbände auf Grundlage einer den nachweisbar sein sollten, haben diese auseinandersetzt. Relation der Auszahlungen aaD der drei nichts mit der Gemeindegröße (Einwohne- Gebietskörperschaftsgruppen erfolgen. ranzahl) an sich zu tun, sondern mit einer Das Gutachten kommt unter anderem zu näher zu bestimmenden Sondersituation. dem Ergebnis, dass – unabhängig von der Die herausgestellte Erforderlichkeit einer Sie wären ggf. – wie beim Soziallastenan- jeweiligen Landesverfassung – bereits nach Anpassung der seit 1980 nicht mehr satz, Zentralitätsansatz und Flächenansatz Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz ein Anspruch grundjustierten Teilschlüsselmassenauf- – transparent durch entsprechende Neben- der Kommunen gegen ihr jeweiliges Bun- teilung auf die einzelnen Schlüsselmassen ansätze zu berücksichtigen. desland auf finanzielle Mindestausstat- für Gemeinden, Kreise und Landschafts- tung besteht, die unabhängig von der verbände bestätigt sowohl die einstimmi- Die Auswirkungen der Einwohnerverede- Leistungsfähigkeit des jeweiligen Bundes- ge Empfehlung 16 der ifo-Kommission aus lung zeigen sich bei einem Blick auf die landes zu gewähren ist (anders hingegen dem Jahr 2010, die Aufteilung der Schlüs- Verteilung der Schlüsselzuweisungen in der Gesetzentwurf, S. 50) und die es den selmasse auf Grundlage von Daten der Jah- den letzten zwölf GFG-Jahrgängen (siehe Kommunen erlauben muss, nicht nur ihre resabschlussstatistik nach der Relation der Grafik 2). Pflichtaufgaben, sondern darüber hinaus Zuschussbedarfe von Gemeinden, Kreisen auch freiwillige Selbstverwaltungsaufga- und Landschaftsverbänden im GFG jeweils Nimmt man das Jahr 2008 als aus Aus- ben wahrzunehmen. Trotz des guten Jah- im Rahmen der Grunddatenanpassung zu gangspunkt für die Entwicklung der resergebnisses für die Kommunalhaushalte aktualisieren, als auch die wissenschaft- Schlüsselzuweisungen, so stellt man insge- in 2017 zeigt eine langfristige Betrachtung, lichen Ergebnisse von Junkernheinrich/ samt ein deutliches Wachstum fest, wel- dass die Kommunen pflichtige und freiwil- Micosatt aus dem Jahr 2011. ches sich allerdings sehr ungleich verteilt lige Aufgaben nicht ohne Substanzverzehr (siehe Grafik 3). finanzieren konnten. Dies hat zu einer Die damit verbundene Anhebung der Gesamtschuldenlast der NRW-Kommu- Teilschlüsselmassen für die Kreise und die Bei der Einordnung dieser Zahlen muss nen von über 61 Mrd. Euro Ende 2017 Landschaftsverbände wird den Gemeinden berücksichtigt werden, dass rd. 59 Pro- geführt. Insofern bleibt trotz der Recht- nach dem gesetzlich in § 56 Abs. 1 Satz 1 zent der Gesamtbevölkerung des Landes in sprechung des VerfGH NRW (zuletzt KrO NRW und § 22 Abs. 1 Satz 1 LVer- kreisangehörigen Städten und Gemeinden Urteile vom 10.05.2016, Az. VerfGH bO NRW bestimmten Mechanismus über leben. Nach dem Entwurf des GFG 2019 19/13 und 24/13) offen, ob die finanzielle die Umlageeffekte zugutekommen und die würde auf Einwohner des kreisangehöri- Ausstattung der NRW-Kommunen den mit niedrigeren Schlüsselzuweisungen der gen Raums eine durchschnittliche Schlüs- grundgesetzlichen Maßstäben aus Art. 28 kreisangehörigen Gemeinden einherge- selzuweisung von 386 Euro entfallen, Abs. 2 GG genügt. henden Verluste überkompensieren. verglichen mit 691 Euro für die Bewohner kreisfreier Städte. Das dagegen teilweise angeführte Argu- 2. Zu § 3 – ment, dem Gesetzgeber stehe es frei, zu Dass gegen die Hauptansatzstaffel erheb- Vorwegabzug, Voraberhöhung entscheiden, ob er die Kreise und Land- liche und wissenschaftlich vielfach begrün- schaftsverbände eher über Schlüsselzuwei- dete Bedenken bestehen, haben wir zuletzt Die gegenüber der bisherigen Planung sungen oder über Umlagen als „alternati- in unserer bereits erwähnten Stellungnah- vorzeitige und nunmehr vollständige ven Finanzierungskanal“ finanzieren wolle, me zur ifo-Studie (Anlage zur Landtags- Streichung des Vorwegabzugs nach § 2 ist nicht zu Ende gedacht: Denn über Vorlage Nr. 17/1975) skizziert, auf die Abs. 3 Stärkungspaktgesetz, mit der eine Umlagen kann zwischen den Beteiligten wir grundsätzlich verweisen. Bekräftigt sei spürbare Entlastung der Kommunen ver- nur umverteilt werden, was ihnen zunächst hier noch einmal, dass die These, in ein- bunden ist, erkennen wir ausdrücklich zugewiesen wurde. wohnerreicheren Städten und Gemeinden als Leistung der Landesregierung an. Wir seien für die Erbringung öffentlicher Lei- begrüßen sehr, dass damit unserer in den Die einseitige Anpassung allein der Daten- stungen Pro-Kopf per se mehr Finanzmittel letzten Jahren aufgestellten Forderungen basis zur Berechnung der Verteilungspa- notwendig, um die notwendigen Ausga- entsprochen wird und den Kommunen rameter in der Gemeindeschlüsselmasse ben tätigen zu können, wissenschaftlich dringend benötigte Finanzmittel zur Ver- führt jedoch dazu, dass die entsprechenden eindeutig nicht abgesichert, sondern viel- fügung gestellt werden. Die in § 3 Abs. 2 Mittel den kreisangehörigen Gemeinden mehr grundlegend in Frage zu stellen ist. vorgesehene Voraberhöhung in Höhe von entzogen werden, ohne dass die Kreise/ Besonders fragwürdig ist der – lediglich als rund 216 Millionen Euro leitet folgerichtig Städteregion und Landschaftsverbände „Hilfskonstruktion“ etablierte – Verweis für die Kommunen bestimmte und über zusätzliche Mittel erhalten. Was aber eine auf das tatsächliche Ausgabeverhalten und den Länderanteil an der Umsatzsteuer flie- kreisangehörige Gemeinde im GFG nicht der dadurch praktizierte Rückschluss von ßende Mittel aus dem 5-Milliarden-Entla- erhält, kann auch nicht im Wege der Erhe- Ausgabewille auf den Bedarf, wie es der stungspaket des Bundes weiter. bung der Kreisumlage geschaffen werden im GFG seit Jahren praktizierten Methode 562
EILDIENST 11/2019 Thema aktuell Aufgabenspektrum im Bereich pflichtiger Aufgaben gestützt werden. Wir verleihen daher auch an dieser Stelle noch einmal unserer Forderung Nach- druck, das System der Einwohnerverede- lung – wie im Koalitionsvertrag vorgesehen – einer grundlegenden und umfassenden wissenschaftlichen Überprüfung zu unter- ziehen, die auch alternative Grundvertei- lungsmechanismen einbezieht und damit den aktuellen Stand des wissenschaftlichen Diskurses fair und vollständig darstellt. Außerdem erhalten wir unsere im Rah- men der letztjährigen Stellungnahme zum Entwurf eines GFG 2019 geäußerte Kritik an der aktuell linearen Ausgestaltung der Hauptansatzstaffel und daran ausdrück- lich aufrecht, dass sich der 50-prozentige Abschlag im Rahmen der (Teil-)Umstellung auf die robuste Regression nach dem sofia- Gutachten nicht auch auf die Hauptansatz- Grafik 2: Anteil an der Summe der Schlüsselzuweisungen. Quelle: LKT NRW staffel bezieht (zu beiden vgl. ausführlich Stellungnahme Nr. 17/838, dort unter 2. c) bb) (2) und (3)). 5. Zu § 9 – Ermittlung der Steuerkraftmesszahl für die Gemeinden a) Zum derzeitigen System der Einnahmekraftermittlung Die gemeindliche Einnahmekraft sollte dringend unter Nutzung fiktiver Hebe- sätze ermittelt werden, die nach Gemein- degrößenklassen gestaffelt sind. Nach Gemeindegrößenklassen gestaffelte fiktive Hebesätze bildeten die tatsächliche Hebe- satzlandschaft in Nordrhein-Westfalen deutlich realitätsgerechter ab als die aktuell zum Einsatz kommenden einheitlichen fik- tiven Hebesätze. Die Ausführungen des FiFo-Gutachtens bestätigen den Befund, dass es einen signi- fikanten Zusammenhang zwischen der tatsächlichen Hebesatzhöhe und der Ein- Grafik 3: Entwicklung der Schlüsselzuweisungen. Quelle: LKT NRW wohnerzahl gibt. Dem tritt auch das sofia- Gutachten in keiner Weise entgegen. Nach letztlich zugrunde liegt. Ein solcher Ansatz nern gleichwertig zu versorgen (vgl. hierzu entsprechenden Aussagen aus der Recht- bietet nicht nur keinen Anreiz für wirt- den Nachweis entsprechender Positionie- sprechung des Verfassungsgerichtshofs schaftlich sinnvolles Verhalten, sondern im rungen in Literatur und Rechtsprechung NRW ist es eindeutig Aufgabe der Steuer- Gegenteil Anreize zur Erhöhung der Ausga- in unserer Stellungnahme zur ifo-Studie, kraftberechnung im kommunalen Finanz- ben. Dabei liegt es nahe zu vermuten, dass S. 37f., Landtags-Vorlage Nr. 17/1975, ausgleich, die Steuerkraft zwar einerseits durch einen höheren Agglomerationsgrad S. 117f.). Die Aufgaben der Kommunen fiktiv (und damit gestaltungsunabhängig), (etwa Unternehmensansiedlungs- und nach nordrhein-westfälischer Rechtslage auf der anderen Seite aber auch möglichst Arbeitskräftepotential) und Skaleneffekte im kreisangehörigen Raum (Kreise, realitätsnah zu erfassen. bzw. die Fixkostendegression die Bereit- kreisangehörige Gemeinden und Land- stellung öffentlicher Leistungen im städ- schaftsverbände) entsprechen jedenfalls Das mit zunehmender Gemeindegrößen- tischen Bereich kostengünstiger ist als in vollem Umfang denen des kreisfreien klasse steigende Niveau der tatsächlichen in eher ländlich geprägten Regionen, in Raums (kreisfreie Städte und Landschafts- Hebesätze bei der Grundsteuer B und v. denen weitere Wege zurückgelegt werden verbände). Eine Differenzierung bei der a. bei der Gewerbesteuer ist keine Beson- müssen und mehr Standorte erforderlich pauschalierten Abgeltung kann daher auch derheit Nordrhein-Westfalens und damit sind, um die gleiche Anzahl von Einwoh- nicht auf ein angeblich unterschiedliches kein Reflex einer mit der Einwohnerzahl 563
Thema aktuell EILDIENST 11/2019 quasi automatisch größeren Finanznot der Gemeinden hierzulande, sondern ein bundesweites Phänomen, und zwar unab- hängig vom finanzwirtschaftlichen Status der jeweiligen Kommune. Die häufig von interessierter Seite vorgebrachten Argu- mente, − die Haushalts- und Finanzlage der klei- neren und mittleren Gemeinden in Nordrhein-Westfalen sei aufgaben- und strukturbedingt per se günstiger, − sie könnten sich daher im Vergleich zu den größeren, insbesondere kreisfreien Städten deutlich geringere Hebesätze leisten und würden also freiwillig auf Einnahmepotentiale verzichten (kön- nen), − eine solche Strategie dürfe systembe- dingt nicht auch noch durch höhere Schlüsselzuweisungen belohnt werden, sind falsch. Dies belegt schon die hohe Zahl kreisangehöriger Gemeinden im Stär- kungspakt. Tatsächlich müssen gerade Kommunen im kreisangehörigen Raum den Anreiz niedrigerer Hebesätze bieten, damit sie im landesweiten Standortwettbe- werb um Unternehmen, Arbeitskräfte und Wertschöpfungspotentiale, also im Bemü- hen um eine positive Entwicklung ihres Gemeinwesens, mit Aussicht auf Erfolg bestehen und größen- und/oder lageab- hängige Nachteile wenigstens zum Teil kompensieren können. Dass mit der Größe einer Gemeinde auch die Hebesätze steigen, ist also nicht über- raschend, sondern geradezu zwingend. Dass dies auch tatsächlich so ist, ist seit langem nachgewiesen. Die Daten sind in den meisten deutschen Flächenländern eindeutig, wie die Beispiele aus den Län- dern Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz, in denen die Staffelklas- sen ähnlich wie in NRW strukturiert sind, belegen (siehe nebenstehende Grafiken). Für den Referenzzeitraum des GFG 2018 (01.07.2016 bis 30.06.2017) lagen die tatsächlichen Realsteuereinnahmen der Kommunen bei einem Gesamtbetrag von 15,764 Milliarden Euro. Als Finanzkraft angerechnet wurden tatsächlich 13,957 Milliarden Euro. Dieser Umstand wäre für sich genommen noch unkritisch, wenn die Unterzeichnung des tatsächlichen Aufkommens sich gleichmäßig auf die Gebietskörperschaften verteilen würde. Dies ist allerdings nicht der Fall. Tatsäch- lich liegt der nicht berücksichtigte Teil der realen Steuereinnahmen bei den kreisfrei- en Städten um rund 560 Millionen Euro Gewerbesteuerhebesätze im Vergleich. Quelle: LKT NRW 564
EILDIENST 11/2019 Thema aktuell höher als beim kreisangehörigen Raum! Hebesätze nicht der Fall – denn an ihrer zen vorgenommen – für die Grundsteuer Dies ist auch keineswegs ein Sondereffekt Größe kann die Gemeinde nichts ändern. A und B in Höhe von 10%, für die Gewer- des Jahres 2018, sondern wiederholt sich besteuer in Höhe von 6%. Da die Ergeb- von Jahr zu Jahr, wie die nachfolgende Mit einer solchen Staffelung der Hebesätze nisse des GFG 2019 insoweit auch für Grafik belegt (die farbigen Flächen stellen gehen sogar Vorteile einher. Im Landtag den Gesetzentwurf eines GFG 2020 über- jeweils die Differenz zwischen fiktiver und ist wiederholt über die (angeblich) steuer nommen werden (S. 64), setzt sich diese tatsächlicher Steuerkraft dar): treibende Wirkung des fiktiven Hebe- Mechanik fort, die seitens der Landesre- gierung mit einer Bremsung bzw. Reduzie- rung des Anstiegs der fiktiven Hebesätze begründet wird. Wir halten derartige – im Übrigen sehr eng begrenzte – Anreizregelungen für frucht- los und daher verfehlt, weil solche Maß- nahmen aus kommunaler Sicht kaum zu einer Entspannung werden beitragen kön- nen. Schon mit Blick auf eigene Standort- nachteile ist generell jede Kommune nach Kräften bemüht, ihre Hebesätze auf einem möglichst geringen Niveau zu halten. Die aktuellen Hebesätze der NRW-Kommunen sind daher nicht als Resultat einer finanzi- ellen Anreizwirkung der fiktiven Hebesätze des GFG, sondern als unausweichliches Unterschiede zwischen tatsächlicher Realsteuerkraft und fiktiver Steuerkraft. Symptom der bereits beschriebenen struk- Quelle: LKT NRW turellen Unterfinanzierung der kommuna- len Familie zu deuten. Die Tatsache, dass mit der Größe der satzes im GFG diskutiert worden. Dieser Gemeinde auch die Hebesätze steigen, müsse – so die Argumentation – gesenkt Ein nachhaltiger Abbau der realsteuerlichen heißt auch: Diese Gemeinden nehmen werden, um eine vermeintliche Steuer Belastung für die Kommunen und ihre Ein- mehr Steuern ein. Diese Mehreinnahmen erhöhungsspirale in NRW zu stoppen. wohner wie auch für das Land insgesamt werden aktuell aber ignoriert, soweit die Auch wenn wir die Argumente an dieser kann nur gelingen, wenn sich die Haus- Hebesätze über dem fiktiven Einheitshebe- Stelle ausdrücklich nicht teilen: Eine Ermitt- haltssituation der Städte und Gemeinden satz liegen! lung der Finanzkraft anhand nach Größen- dauerhaft normalisiert. Die aktuell man- klassen gestaffelter fiktiver Hebesätze führt cherorts zu beobachtende starke Anspan- Die Notwendigkeit gestaffelter fiktiver dazu, dass sich eine Gemeinde nur noch nung der Hebesätze ist eine erzwungene Hebesätze ergibt sich nicht zuletzt auch an dem für ihre Größenklasse maßgebli- Folge kommunaler Finanznot und wird im aufgrund einer Gesamtbetrachtung des chen fiktiven Hebesatz orientieren müsste. selben Maße verschwinden, in dem sich heutigen Systems der Bedarfs- und Steuer Wenn Gemeinden sich überhaupt an dem die finanzielle Situation der betroffenen kraftermittlung. Aktuell werden kleinere momentanen Hebesatz orientieren – dann Kommunen und der Kommunen in NRW Städte und Gemeinden nicht nur durch nach oben. Dieser Schritt nach oben wäre insgesamt verbessert. die Hauptansatzstaffel, sondern zusätzlich bei gestaffelten Hebesätzen deutlich „kür- auch noch durch einheitliche fiktive Hebe- zer“ als bei Beibehaltung des momentanen Würde es die Landesregierung dagegen sätze benachteiligt. Stattdessen könnte Durchschnittshebesatzes aller Gemeinden. ernst mit einer stärkeren Anreizwirkung fik- sofort und in Einklang mit den vorliegen- tiver Hebesätze nehmen, müsste sie umge- den wissenschaftlichen Gutachten auf der Einer Umsetzung dieses Instruments, hend die Einführung von nach Gemein- Steuerkraftseite ein Gegengewicht zum das zum Austarieren beider Seiten des degröße gestaffelten fiktiven Hebesätzen Hauptansatz geschaffen werden. Der Ausgleichssystems geradezu zwingend vornehmen. Dies würde nicht nur die Hauptansatz stellt nach wie vor mit stei- erscheinen muss, steht nach dem Vorste- Verteilungsgerechtigkeit innerhalb des gender Einwohnerzahl einen steigenden henden also nichts entgegen. Wir fordern kommunalen Finanzausgleichs drastisch „Bedarf“ fest. Spiegelbildlich hieße das für Landesregierung und Landtag daher auf, erhöhen, sondern zugleich auch – soweit die Ermittlung der Finanzkraft, dass mit bereits im Rahmen der Vorbereitung eines derartige Anreizwirkungen überhaupt zur steigendem Hebesatz auch eine steigende GFG 2020 in konkrete Gespräche zur Ein- Steuerung taugen können – eine tatsäch- Finanzkraft festgestellt werden muss. Das führung gestaffelter fiktiver Hebesätze lich wirkungsvolle und sachgerechte Form wäre nicht mehr als gerecht! einzusteigen und diese erstmalig im GFG einer Anreizwirkung schaffen. 2020 vorzusehen. Über die genaue Ausge- Mit einer solchen Staffelung der Hebesätze staltung des Instruments – etwa die Anzahl gehen auch keine Nachteile einher. Richtig und Einteilung der Größenklassen – kann 6. Zu § 16 – Investitionspauschalen, ist, dass im kommunalen Finanzausgleich und sollte im Rahmen dieser Gespräche Tilgung Sondervermögen, Aufwands-/ fiktive Hebesätze zur Anwendung kom- diskutiert werden. Unterhaltungspauschale men müssen, damit einzelne Gemeinden ihre Finanzkraft nicht durch Änderung b) Zu den vorgesehenen fiktiven Wir begrüßen ausdrücklich, dass die pau- ihrer Hebesätze „steuern“ können. Dies Hebesätzen (§ 9 Abs. 2 Nr. 1-3) schalierten Zweckzuweisungen weiter- ist aber auch bei einer Ermittlung anhand Im GFG 2019 wurde erstmalig ein differen- hin bis zum 31.12.2020 für gegenseitig nach Größenklassen gestaffelter fiktiver zierter Abschlag bei den fiktiven Hebesät- deckungsfähig erklärt werden und damit 565
Thema aktuell EILDIENST 11/2019 verbesserte Rahmenbedingungen zur Ver- ihrer Ergänzungs- und Ausgleichsfunktion Finanzierungsstrukturen für die Digitalisie- wendung der Investitionsmittel geschaffen unterhaltenen Einrichtungen und Infra- rung der Schulen aufrecht. und gleichzeitig die pauschalen Zweckzu- strukturen haben. weisungen erhalten werden sollen. Dies entspricht einer Forderung aus der kom- 8. Zu § 19 Abs. 2 Nr. 2 – munalen Familie und folgt dem Programm 7. Zu §§ 17 und 18 – Schulpauschale/ Abwassergebührenhilfe des Koalitionsvertrages, die kommunale Bildungspauschale, Sportpauschale Selbstverwaltung zu achten und wo mög- Das Verfahren im Rahmen der Abwasser- lich zu stärken. Durch die gegenseitige Wir begrüßen ausdrücklich die Dynami- gebührenhilfe, wegen einer grundlegen- Deckungsfähigkeit ist es jeder Kommu- sierung der Schulpauschale/Bildungspau- den Evaluierung den fiktiven Gebührensatz ne eigenständig möglich, die Pauschalen schale und der Sportpauschale. für das Jahr 2020 erstmalig nicht zu erhö- flexibel und genau dort einzusetzen, wo hen, sondern fortzuschreiben, können wir die Mittel jeweils gebraucht werden. Das Außerdem begrüßen wir die geplante – verbunden mit der bekundeten Absicht, Bedürfnis dazu kann von Kommune zu Erweiterung der Verwendungsmöglichkei- keine anspruchsberechtigte Gemeinde Kommune und von Jahr zu Jahr sehr unter- ten der Schulpauschale/Bildungspauscha- schlechter als im Vorjahr zu stellen – nach- schiedlich sein. Die nicht naturgegebene le, die sich einerseits in einer begrifflichen vollziehen. Für die zu erwartende Einbin- und bislang starre Gewichtung der Pau- Öffnung („Schulen“) und andererseits dung in das Evaluierungsverfahren stehen schalen öffnet sich so der Einzigartigkeit in einer Anpassung des sog. „Schulpau- wir gern zur Verfügung. der lokalen Verhältnisse. schalenerlasses“ der Landesregierung niederschlagen soll. Dieses Anliegen der Mit Blick auf eine mögliche Verlängerung Landesregierung werden wir in künftigen III. Zu Teil 5 des Gesetzentwurfs – der gegenseitigen Deckungsfähigkeit dür- Gesprächen zur Anpassung des Erlasses hier: Ermittlung der maßgeblichen fen wir bereits jetzt dafür werben, den gern konstruktiv unterstützen. Es bestärkt Einwohnerzahl (§ 27 Abs. 3) Kommunen insoweit auch künftig das not- uns ganz allgemein in unserer Forderung, wendige Vertrauen für die sachangemesse- die vorhandenen Pauschalen weiter zu Mit dem GFG 2019 wurde in § 27 Abs. 3 ne und ausgewogene Lösung ihrer Belange flexibilisieren und beispielsweise sonstige Satz 1 wieder zu Regelungen der Vorjahre vor Ort zu schenken und die kommunale (konsumtive) Unterhaltungsaufwendun- zurückgekehrt und der 31. Dezember des Selbstverwaltung damit sowohl ernst zu gen in die Förderzwecke einzubeziehen. jeweiligen Vorvorjahres (also 2017) zum nehmen als auch effektiv zu stärken. Eini- Dies gilt momentan insbesondere für die Stichtag für die Einwohnerzahl bestimmt. gen Kommunen, die etwa im Bereich ihrer Verwendungsmöglichkeiten der Schulpau- Im GFG 2018 war angesichts massiver Pro- (wenigen) Schulen bereits viel erreichen schale/Bildungspauschale, deren Einzelhei- bleme bei der Bevölkerungsstatistik, die konnten, werden so dringend notwendi- ten im Erlasswege festgelegt werden. Im möglicherweise auf den Flüchtlingszuzug ge Spielräume für Investitionen an anderer aktuellen Erlass vom 23. Mai 2013 werden ab dem Herbst 2015 zurückzuführen sind, Stelle eröffnet. Und viele weitere Kommu- die Verwendungszwecke u. a. dahinge- der Stichtag 30.06.2016 gesetzt worden. nen, deren Mittelbedarf im Schulbereich hend beschränkt, dass die Schulpauschale/ auch durch zusätzliche Förderprogramme Bildungspauschale nicht zur Deckung von Dem Vernehmen nach konnte IT.NRW als von Bund und Land nicht auskömmlich Aufwendungen und Auszahlungen für zuständige Landesbehörde die erforder- gedeckt werden kann, wären auch weiter- Personal, für Schülerfahrkosten, für Lern- lichen Korrekturen allerdings immer noch hin nicht daran gehindert, über die Schul-/ mittel und für die Beschaffung von nicht nicht abschließen; es existieren immer noch Bildungspauschale hinaus auf weitere Mit- zum Anlagevermögen zählenden beweg- Abweichungen zwischen den örtlichen Ein- tel zuzugreifen, d. h. die Ausstattung ihrer lichen Gegenständen oder sonstigen wohnermeldedaten und den IT.NRW vor- Schulen über das aktuell mögliche Maß Unterhaltungsaufwendungen verwendet liegenden Angaben. Unabhängig von der hinaus zu verbessern. werden darf, die keine Bauunterhaltungs- Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs aufwendungen sind. Diese Beschränkung NRW vom 09.07.2019 (Az. VerfGH 37/14 Die Beibehaltung und Erhöhung der Auf- verhindert vielerorts die Lösung drängen- – zum GFG 2014) sind Melde- und Stati- wands-/Unterhaltungspauschale im GFG der Probleme der Ausfinanzierung laufen- stikbehörden weiterhin aufgerufen, ggf. 2020 ist ebenfalls sehr zu begrüßen. Die den Aufwands – gerade im Bereich einer bestehende Abweichungen aufzuklären Feststellung, dass ein Investitions- und Unterhaltung digitaler Infrastruktur, die und zu korrigieren. Sanierungsstau besteht, der abgebaut erhebliche Dimensionen annehmen kann werden muss, ist richtig. Der Verzicht auf und bei dem Aufbau entsprechender Infra- eine Zweckbindung zugunsten flexibler struktur stets mitgedacht werden muss. Einsatzmöglichkeiten ist ein gutes Zeichen, B. Zu Artikel 2 – Entwurf zur dass die Landesregierung die kommunale Durch die momentane Mittelkumulation Änderung des Stärkungspakt- Handlungsfreiheit und die Eigenverant- aus verschiedenen Quellen im Schulbereich gesetzes wortung der Gemeinden achtet. Auch die – neben der Schulpauschale/Bildungspau- hälftige Verteilung nach den Maßstäben schale stehen Mittel aus dem Kommunalin- Mit der vollständigen Streichung des GFG- Einwohner und Fläche ist beispielgebend. vestitionsförderungsgesetz, aus dem Lan- Vorwegabzugs zur Mitfinanzierung des Das Instrument sollte weiter ausgebaut desprogramm „Gute Schule 2020“ sowie Stärkungspakts korrespondiert auch eine werden. aus dem Digitalpakt zur Verfügung – ver- entsprechende Änderung des Stärkungs- liert der investive Schwerpunkt der Schul- paktgesetzes selbst. Wir dürfen insoweit Der Landkreistag weist darauf hin, dass pauschale/Bildungspauschale zunehmend auf unsere Ausführungen unter A. II. 2. auch die Kreise einen beträchtlichen Sanie- an Bedeutung, sodass eine Öffnung der verweisen. rungs-/Modernisierungsbedarf bei den Verwendungsbreite angemessen erscheint. von ihnen im Rahmen ihrer Allzuständig- Unabhängig davon halten wir aber unsere EILDIENST LKT NRW keit für alle überörtlichen Aufgaben und Forderung nach dauerhaft tragfähigen Nr. 11/November 2019 20.30.00 566
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