Forschung und Entwicklung
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Industrie- und Handelskammer Frankfurt am Main 136. Jahrgang 07. | 08.13 IHK WirtschaftsForum Unternehmermagazin für die Region FrankfurtRheinMain www.frankfurt-main.ihk.de A 4836 Forschung und Entwicklung 08-29 hightech-strategie 2020 – innovationsmanagement – hessen modellprojekte – kooperationsverträge JETZT Standortpolitik finanzplatz Ausbildung Main-Taunus-Kreis: Landtagswahl 2013: Ausbildungsumfrage: AUCH Branchenporträt Mit dem Finanzplatz Beste Chancen auf DIGITAL ! Einzelhandel 30 punkten 42 Übernahme 50
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Vorwort Persönlichkeit statt Funktionäre Liebe Leserinnen, liebe Leser! A ls die New York Times Ende vergangenen Jahres der Goethe- Universität bescheinigte, sie sei international eine der zehn Universitäten, deren Absolventen führende Wirtschaftsunter- nehmen weltweit besonders gern einstellen, war dies zugleich auch ein Kompliment an die Stadt Frankfurt. Die Internationalität Frankfurts spiegelt sich auch in der Exzellenz seiner Universität wider. Frankfurt bietet ein in Deutschland einzigartiges Potenzial an hoch- klassigen Arbeitsplätzen, und die Goethe-Universität bildet ihre Stu- dierenden auf hohem Niveau aus. Dabei scheint es Arbeitgebern nicht mehr nur auf die rein fachlichen Qualifikationen anzukommen: Mehr „Die Internationalität denn je erwarten sie heute Fähigkeiten wie Reflexionsvermögen, Me- thodenkompetenz, strategisches Denken und Verantwortungsbereit- Frankfurts spiegelt sich schaft. Kurz: Fähigkeiten, die in besonderem Maße auch im Mittel- auch in der Exzellenz punkt einer wissenschaftsorientierten Lehre stehen, zu der sich die seiner Universität wider.“ Goethe-Universität bekennt. Ein forschender Geist muss heute nicht mehr nur an der Universi- tät zu Hause sein. Er ist inzwischen auch in vielen Unternehmen will- kommen, wo es darum geht, größere Zusammenhänge zu erfassen und kritisch zu analysieren, aber auch zukunftsfähige Konzepte oder welt- markttaugliche Produkte zu entwickeln. In diesem Sinne haben Unter- nehmen in Frankfurt und dem RheinMain-Gebiet einen echten Nutzen davon, dass die Goethe-Universität nicht Funktionäre ausbildet, son- dern Persönlichkeiten. Prof. Werner Müller-Esterl Präsident, Goethe-Universität, Frankfurt IHK WirtschaftsForum 07.|08.13 3
08-29 INHALT 07. | 08.13 vorwort 3 03 Persönlichkeit statt Funktionäre Prof. Werner Müller-Esterl, Präsident, Goethe-Universität, Frankfurt 06 Kurzmeldungen 3 special Forschung und entwicklung 3 08 Hightech-Strategie 2020 Tragfähiges Zukunftsmodell? 10 Forschungsstandort Mehr Mut zur Innovation 12 Peiker Ideen wachsen lassen 14 Hessen ModellProjekte Fördermittel für innovative Ideen 16 Kooperationen Konfliktpotenziale minimieren 18 Kartellrecht Verschärfter Rechtsrahmen 20 Integrierte Bioindustrie Ungewöhnliche Allianzen 22 Technika Verlängerte Werkbank 24 Innovectis Mit Kooperationen zum Erfolg 26 Merck Serono Neue Wege zu neuen Produkten 28 Climate-KIC Center Hessen Innovationen stimulieren 4 IHK WirtschaftsForum 07.|08.13
54 57 32 67 Standortpolitik 3 innovation und umwelt 3 30 Main-Taunus-Kreis Branchenporträt Einzelhandel 52 Online-Marketing-Tag Vom Besucher zum Kunden 32 Wolkenkratzerfestival Baumeister der Lüfte 54 Technologietransfer Hightech-Standort Israel 34 Landtagswahl Vernachlässigte Verkehrswege 36 Frankfurter Immobilienbörse Gewerbemarktbericht 2013 International 3 38 Infrastruktur Mehr Planungssicherheit 55 Hessischer Exportpreis 2013 Grenzenlos erfolgreich 40 IHK-Konjunkturumfrage Hessen Industrie ist wieder 57 Slowenien Konjunkturstütze Tourismus Zugpferd recht und steuern 3 Unternehmensförderung und Starthilfe 3 59 Stiftung Warentest Werben mit gutem Namen 42 Landtagswahl Mit dem Finanzplatz punkten 44 Integrierter Einkauf Beschaffungsprozesse optimieren IHK-Ehrenamt 3 Aus- und weiterbildung 3 66 Versicherungsausschuss Nicht in Aktionismus verfallen 67 Großhandelsausschuss Mittler zwischen den Branchen 48 IHK-Bildungszentrum 50 Ausbildungsumfrage Beste Chancen auf Übernahme 75 vorschau | Beim Namen genannt 3 Beilagenhinweis: Einem Teil dieser Ausgabe liegen Beilagen der Zarbock Media GmbH/Frankfurt bei, wir bitten um freundliche Beachtung! IHK WirtschaftsForum 07.|08.13 5
Kurzmeldungen International Deutsche Unternehmen halten Europa die Treue Platz zwei bei den Destinationen gegenüber Deutschland schrump- von Auslandsinvestitionen deut- fen und machen die Standorte at- scher Unternehmen nehmen die traktiver. Fast jedes fünfte befragte EU-15-Staaten ein, direkt nach Unternehmen will im Europa der China und vor dem Aufsteiger USA. 15 aus Gründen der Kostenerspar- Dies ist das Ergebnis einer DIHK- nis investieren – so viele wie seit Umfrage unter 2 500 deutschen fünf Jahren nicht mehr. Allerdings Foto: Manfred Opitz Unternehmen. Die in den Krisen- läuft das Investitionsengagement staaten angestoßenen Reformen in Westeuropa noch mit angezo- und sinkende Kosten vor Ort ma- gener Handbremse – und bleibt chen viele Standorte allmählich deutlich unter dem Durchschnitt wieder attraktiver. So gewinnt das aller untersuchten Regionen. Das Kostenmotiv bei Investitionen in Engagement der Unternehmen in Standortpolitik den alten EU-Ländern an Bedeu- den neuen EU-Beitrittsländern von 2. Oberurseler Werte- und tung – anders als in allen ande- ren Weltregionen. Die bislang dort 2004 und 2007 bleibt konstant. Je- der vierte befragte Betrieb möchte Wirtschaftskongress vorherrschenden Kostennachteile in der Region investieren. ❙ Pater Anselm Grün, Benedik- rin des Kongresses war die IHK Innovation und Umwelt tinerpater und Erfolgsautor, Frankfurt. Hauptgeschäftsführer war einer der Keynotespeaker Matthias Gräßle hob in seinem Schnelle Netze für alle des 2. Oberurseler Werte- und Grußwort hervor, dass bereits Wirtschaftskongresses, der am im Mittelalter das Leitbild des Die EU-Kommission hat einen Ver- aufwendigen Genehmigungsverfah- 17. Mai stattfand. „Nur Werte ehrbaren Kaufmanns als Symbol ordnungsentwurf beschlossen, mit ren will die Kommission durch Bear- machen Firmen wertvoll“, sagte für die verantwortliche Teilnah- dem die Kosten für den Ausbau von beitungsfristen von sechs Monaten er. Manager und Führungskräf- me am Wirtschaftsleben stand. Hochgeschwindigkeitsnetzen um bis und durch eine zentrale Anlaufstel- te seien gut beraten, das rich- „Dem ehrbaren Kaufmann geht zu 30 Prozent gesenkt werden sollen. le vereinfachen. Alle Netzbetreiber tige Maß ihrer Kraft und ihren es um nachhaltigen wirtschaft- Einsparpotenziale sieht die Kommis- sollen Vereinbarungen mit anderen Rhythmus zu kennen und zu le- lichen Erfolg und nicht um den sion vor allem, wenn Bauvorhaben Infrastrukturbetreibern aushandeln ben: „Es geht darum, selber zu schnellen Gewinn“, so Gräßle. besser koordiniert, bestehende Inf können. Die Kommission will zudem leben, statt gelebt zu werden.“ Er erinnerte daran, dass sich die rastrukturen wiederverwendet so- gewährleisten, dass neue und reno- Wer viel arbeite, brauche je- IHKs diesem Leitbild verpflichtet wie Leerrohre gemeinsam genutzt vierte Gebäude von vornherein mit den Tag eine heilige Zeit, in der haben. Von links: Anke Berger- werden. Außerdem sollen alle Be- einer „hochgeschwindigkeitsfähigen er aufatmen und er selber sein Schmitt, Kongress-Mitinitiatorin, teiligten stärker zusammenarbei- Breitbandinfrastruktur“ ausgestattet könne. Hilfreich im Alltag seien Fokus O. – Forum der Selbststän- ten. Zugleich sollen Netzbetreiber werden. Die meisten vorgesehenen auch Rituale: „Sie öffnen und digen Oberursel, Pater Anselm und Bauträger verpflichtet werden, Instrumente hat der deutsche Ge- schließen Türen.“ Wer immer im Grün und Michael Reuter, Kon- den Zugang zu „fairen und angemes- setzgeber bereits mit der jüngsten Durchzug stehe, schade schluss gress-Mitinitiator und Vorsitzen- senen Bedingungen und Preisen“ zu Reform des Telekommunikationsge- endlich seiner Seele. Schirmher- der, Fokus O. ❙ gewähren. Die komplexen und zeit- setzes implementiert. ❙ 6 IHK WirtschaftsForum 07.|08.13
Arbeitsmarkt Kultur Infokampagne zur Hans Thoma: Lieblingsmaler Fachkräftesicherung des deutschen Volkes Im Rahmen der Fachkräfte-Of- und IHK-Organisation aufmerksam Bis 29. September zeigt das Stä- Foto: Städel Museum / Artothek fensive der Bundesregierung ha- zu machen. Dem Schreiben war die del Museum die Überblicksaus- ben DIHK-Präsident Eric Schweit- gemeinsame Broschüre „Fachkräf- stellung „Hans Thoma. Lieblings- zer und Bundesarbeitsministerin te-Check“ von DIHK und Bundes- maler des deutschen Volkes“, die Ursula von der Leyen bundesweit arbeitsministerium beigelegt. Die- sich mit dem Lebenswerk des be- knapp 290 000 Unternehmen aus se ermöglicht Unternehmen einen kannten deutschen Malers und verschiedenen Branchen ange- Selbsttest, wie gut sie hinsicht- Grafikers befasst. Die Präsen schrieben. Ziel ist es, insbesondere lich der bevorstehenden Heraus- tation spürt der Frage nach, kleine und mittlere Unternehmen forderungen des demografischen warum der einst von Publikum auf die Informations- und Unter- Wandels aufgestellt sind und bie- und Kunstkritik als „größter stützungsangebote von Bundesre- tet hilfreiche Tipps und Informati- deutscher Meister“ bezeichnete gierung, Bundesagentur für Arbeit onen zur Fachkräftesicherung. ❙ Hans Thoma (1839–1924) um die Jahrhundertwende enorme Popu- larität erlangte, und sucht nach Standortpolitik Erklärungen dafür, weshalb Tho- ma nach 1945 zunehmend an- Arbeitswelten: Tage der ders bewertet wurde. Anhand Ritt auf dem Vogel (1885). Industriekultur Rhein-Main von über 100 Werken zeigt die erste museale Überblicksausstel- en Sachlichkeit vorweg. Diese ternehmenskultur: Vor 150 Jah- lung zu Hans Thoma in Deutsch- künstlerische Vielfalt und Tho- ren, 1863, trafen sich nämlich land seit über 20 Jahren, dass mas Rolle als Schlüsselfigur ei- Foto: picture-alliance / Hans-Peter Merten zum ersten Mal Arbeiterbildungs- Thoma weit mehr war als nur der ner deutschen Kunst um 1900 – vereine aus ganz Deutschland in Maler pittoresker Schwarzwald- eine Deutung, die sich als Instru- Frankfurt, unter Leitung von Leo- Landschaften, mit denen er heu- mentalisierung bis in den Natio- pold Sonnemann. Im Dreieck von te vielfach verbunden wird. Sei- nalsozialismus fortsetzte – ma- Staat, Wirtschaft und Zivilgesell- ne Malerei verbindet realistische chen ihn zu einem Phänomen, schaft nahmen diese Organisati- und symbolistische Tendenzen das eine Neubewertung erfor- onen wichtige Aufgaben wahr: und nimmt wichtige Elemente dert. Infos online unter www. Bildung, Sport, Sozial- und Er- des Jugendstils sowie der Neu- staedelmuseum.de. ❙ holungseinrichtungen, Kleingär- ten, Wohnungsbau. Im selben Jahr übrigens nahm die „Theer- farbenfabrik Meister, Lucius & Innovation und Umwelt Co“, Vorläufer der Farbwerke Hoechst, ihren Betrieb auf. Die EU-Sondergipfel für niedrige Tage der Industriekultur Rhein- Energiepreise Main bieten über 300 Möglich- keiten, die Vielfalt von Arbeits- Der DIHK unterstützt die Pläne der Regierungschefs auf dem jüngsten und Unternehmenskulturen in der EU-Staats- und Regierungschefs, EU-Gipfel im Mai erstmals mit der Region zu entdecken: Ob bei Füh- Steuerhinterziehung zu bekämp- Bezahlbarkeit von Energie. Laut rungen durch Unternehmen oder fen, zum Beispiel durch einen auto- DIHK ein positives Signal, denn Depots, Rundfahrten durch In- matischen Austausch von Steuer- die hohen Energiepreise gefähr- dustrieparks und Hafenanlagen, daten. Vor anderen Vorhaben – wie deten die Wettbewerbsfähigkeit Schiffs-, Radtouren, Spaziergän- der Einführung eines Schnellreakti- Europas – vor allem gegenüber gen und Open-Air-Kino-Komö- onsmechanismus gegen Mehrwert- den USA. Der gemeinsame EU- Die 11. Tage der Industriekultur dien, bei denen verschiedene Ar- steuerbetrug oder des Country-by- Energiemarkt sei deshalb notwen- widmen sich vom 13. bis 18. Au- beitswelten dargestellt werden. Country-Reporting – warnt der dig – und ein Paradigmenwechsel gust aus historischem Anlass Infos und Programm online un- Wirtschaftsverband hingegen. Zu- weg von unnötigen Kosten, hin zu dem Thema Arbeitskultur – Un- ter www.krfrm.de. ❙ dem befassten sich die Staats- und mehr Markt. ❙ IHK WirtschaftsForum 07.|08.13 7
Foto: Gettyimages/photocanal25 Die Innovationspolitik ist für den Mittelstand nicht transparent. Förderprogramme des Bundes oder der Länder werden daher oft nicht genutzt, weil sie nicht bekannt oder Unternehmer mit der Bürokratie bei der Antragstellung überfordert sind. Hightech-Strategie 2020 Tragfähiges Zukunftsmodell? Welche innovationspolitischen Impulse sind langfristig notwendig, damit Deutschland in Sachen Wettbewerbsfähig- keit weiterhin zu den internationalen Spitzenreitern zählt? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigt sich die Bun- desregierung in ihrer Hightech-Strategie 2020. K urz vor den Bundestagswahlen im Herbst wurde die Hightech- den zusammen mit der Verbesserung der Rahmenbedingungen betrach- Strategie noch einmal überarbeitet und in der Hightech-Konfe- tet. Einzelne Technologiefelder werden als Beitrag zur Lösung wichtiger renz von April vorgestellt. Kernpunkt ist die Definition der fünf gesellschaftspolitischer Zielstellungen verstanden, die auch als Innova forschungspolitischen Handlungsfelder: Klima und Energie, Mobilität, tionstreiber an anderer Stelle (Schlüsseltechnologien) wirken. Gesundheit und Ernährung, Kommunikation sowie Sicherheit. Ziel der Mit ihrem globalen Ansatz wird die Hightech-Strategie zum zent Hightech-Strategie ist es, Deutschland zum Vorreiter bei der Lösung ralen Verteilungsplan für die Forschungs- und Innovationsförderung dieser globalen Herausforderungen zu machen. Die fünf Bedarfsfelder durch den Bund. Es geht also auch darum, die Mittel des Bundes mög- sollen deshalb auch dazu dienen, die Märkte der Zukunft für die deut- lichst effizient und zukunftsgerichtet einzusetzen. Immerhin summieren sche Wirtschaft zu erschließen. Wertschöpfungspotenziale für die Wirt- schaft sollen erschlossen, qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen und die Talente in Deutschland besser genutzt werden. Link zum Thema Dabei verfolgt die Hightech-Strategie einen integrativen Ansatz, das Das Positionspapier „Wie Forschung und Innovation Deutschland stark heißt, die Strategie versteht sich als ressortübergreifende, inhaltliche machen" kann online unter www.dihk.de heruntergeladen werden. Klammer zu allen innovationspolitischen Themen. Förderaspekte wer- 8 IHK WirtschaftsForum 07.|08.13
Forschung und Entwicklung sich die Investitionen des Bundes in den Ausbau von Schlüsseltechnolo- puting oder dem Technologieprogramm Theseus. Diese Fokussierung gien für die Jahre 2010 bis 2013 auf insgesamt 27 Milliarden Euro. Da- verhindert jedoch, dass bessere und umfassendere Lösungen gefunden bei geht es um virtuelle Datenspeicher, ebenso wie neue Logistikketten werden. Zudem bleibt das Zusammenspiel der zahlreichen technologie- oder Datenschutz in der digitalen Welt. Die geförderten Projekte unter- orientierten Programme unklar. Dies benachteiligt besonders kleine und stützen CO2-arme Lebensstile, haben die Entwicklung neuer Werkstoffe, mittlere Unternehmen, die ihre Geschäftsaktivitäten nicht nach einzel- Medikamente oder Therapien zum Gegenstand. Egal ob bei Elektronik, nen Technologien ausrichten und auf mehreren Wertschöpfungsstufen Mikrosystemtechnik, Nanotechnologie, Biotechnologie, Pharmakologie gleichzeitig agieren. oder Werkstoffforschung: In allen Bereichen sollen am Ende aus For- Grundsätzlich sollte sich eine künftige Hightech-Strategie explizit schung und Entwicklung Hightech-Produkte Made in Germany werden. und eindeutig zum Wissens- und Technologietransfer in die Wirtschaft Konkret sollen in zehn ausgewählten Zukunftsprojekten Lösungen bekennen. Eine größere Transparenz der öffentlichen Forschungsland- und Antworten auf die globalen Herausforderungen unserer Zeit gesucht schaft wäre hier ein wichtiges Signal. Kleine und mittlere Unternehmen werden. Ein Beispiel hierfür ist das Projekt Morgenstadt. Dabei geht es sollten bei der Zusammenarbeit mit Hochschulen stärker in die Dritt- um die Zukunftsvision einer „CO2-neutralen, energieeffizienten und kli- mittelforschung eingebunden werden und mit kleineren Forschungs- maangepassten Stadt“. 30 deutsche Städte sollen in die Lage versetzt projekten zum Zuge kommen können. Bei Hightech-Gründungen sollten werden, bis zum Jahre 2020 klimaneutral zu sein. Dafür stehen im Rah- die Potenziale kommunaler Technologie- und Innovationszentren stär- men der Hightech-Strategie bis zu 560 Millionen Euro zur Verfügung. ker genutzt beziehungsweise – je nach regionalem Bedarf – neu ein- Doch wohin fließt das Geld? Projektbeteiligte sind in erster Linie Uni- gerichtet werden. versitäten und Forschungsinstitute sowie Kommunen und einige große Die Hightech-Strategie geht darüber hinaus von einem überhol- Unternehmen. Kleine und mittlere Unternehmen, die als die Innovati- ten und technologiezentrierten Innovationsverständnis aus. Nicht nur onstreiber in Deutschland gelten, sind nicht mit dabei. neue Produkte, sondern auch Geschäftsmodelle und Dienstleistungen Nach Ansicht der IHK-Organisation muss sich vor allem die Inno- stehen im Fokus von Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen der vationspolitik – weniger die Forschungspolitik – in Deutschland daher Unternehmen. Zudem beziehen Unternehmen immer häufiger Ideen- auch anderen Herausforderungen stellen, als in der Hightech-Strategie geber von A wie Azubi bis Z wie Zulieferer in ihre Überlegungen ein. vorgegeben. Zunächst sollte Innovationspolitik sehr viel technologie- Innovationspolitik muss dieser unternehmerischen Wirklichkeit Rech- offener und stärker Hand in Hand mit der Wirtschaft weiterentwickelt nung tragen und darf nicht allein auf technologische Neuerungen aus- werden, will man vor allem mittelständische Unternehmen stärker in die gerichtet sein. So benötigt Deutschland bei der Energiewende vor allem Innovationspolitik miteinbeziehen. Innovative Lösungen entstehen hier sichere und bezahlbare Versorgungslösungen. Neue Technologien sind nicht durch sektorale Auswahl von oben, sondern in einem von Kunden- dabei die eine Seite, Geschäfts- und Kooperationsmodelle sowie inno- wünschen getriebenen technologieoffenen Such- und Entdeckungsver- vative Dienstleistungen die andere. fahren. Eine Festlegung auf Schlüsseltechnologien und Zukunftsprojekte Schließlich misst die Hightech-Strategie dem Akzeptanzthema zu ist somit immer kritisch zu sehen, da sie den Kunden als wichtigsten In- wenig Bedeutung bei. Die Unternehmen in Deutschland sehen die feh- novationstreiber in einer Marktwirtschaft ausblendet. lende Akzeptanz von Innovationen zunehmend als Hemmnis, sich selbst Zudem muss die Innovationspolitik der Bundesregierung gerade für und damit den Wirtschaftsstandort zukunftsfest zu machen. Die Stra- den Mittelstand transparenter sein, und es sind die bürokratischen Hür- tegie sollte daher um ökonomische und gesellschaftliche Fragestel- den für den Antrag auf Forschungsförderung zu senken. Schließlich sind lungen erweitert werden und die Akzeptanzsteigerung für Innovati- gerade kleine und mittlere Unternehmen häufig mit der Förderbüro- onen zum Ziel haben. kratie überfordert. Denn nicht alle Programme zur Förderung von For- In ihrer jetzigen Form wird die Hightech-Strategie demnach ihrem schung und Entwicklung sind so unternehmensfreundlich ausgestaltet hohen Anspruch, Zukunftsmodell für Deutschland zu sein, nur unzu- wie das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundes- reichend gerecht. Doch bleibt bis 2020 noch etwas Zeit, die Strategie ministeriums für Wirtschaft und Technologie. im Dialog mit der Wirtschaft weiterzuentwickeln. Mit dem DIHK-Posi- Als zentraler Kritikpunkt an der Hightech-Strategie 2020 bleibt je- tionspapier „Wie Forschung und Innovation Deutschland stark machen" doch, dass der Mittelstand als Treiber und Träger von Innovationen in hat die IHK-Organisation hierzu ihre Bereitschaft signalisiert. ❙ Deutschland vernachlässigt wird. Kleine und mittlere Unternehmen sind nicht nur die größte Gruppe bei Anbietern von Innovationen, sondern stellen auch als Abnehmer einen großen Markt für innovative Lösungen Autor dar. Die Defizite der Hightech-Strategie an dieser Stelle werden am Bei- Dr. Thomas spiel des Handlungsfelds Kommunikation deutlich. Die Strategie sollte steigleder Stellvertretender hier sehr viel stärker branchenübergreifend und auf die gesamte Wert- Leiter, Innovation schöpfungskette ausgerichtet werden – das bezieht den Mittelstand und Umwelt, IHK Frankfurt, t.steig- frühzeitig in technologische Veränderungsprozesse ein. leder@frankfurt- Stattdessen werden über die Hightech-Strategie ausgewählte Tech- main.ihk.de nologien gefördert – so etwa mit dem Aktionsprogramm Cloud Com- IHK WirtschaftsForum 07.|08.13 9
Foto: Gettyimages / muharrem öner Forschungsstandort Mehr Mut zur Innovation Deutschland ist in Forschung und Entwicklung traditionell gut aufgestellt. Will es den Anschluss an die Spitzen- gruppe der Innovationsstandorte nicht verlieren, sind Reformen vor allem in den Bereichen Finanzierung, Bildung und Bürokratie notwendig. D eutschland ist zwar gut im Erfinden, aber weniger gut im Kom- wicklung (FuE) bezogen auf die Wirtschaftsleistung herangezogen. Die merzialisieren der Erfindungen. Dies betrifft vor allem neue Tech- EU-Staats- und Regierungschefs haben sich 2000 in der Lissabon-Stra- nologien wie die Informations- und Kommunikationstechnologie tegie darauf geeinigt, dass bis 2010 alle EU-Länder mindestens drei Pro- oder die Biotechnologie. Beispielsweise wurden das Fax-Gerät und der zent ihrer Wirtschaftsleistung für FuE ausgeben sollen. MP3-Standard in Deutschland erfunden, jedoch in Japan und den USA Geschafft haben dies nach Angaben des „Bundesbericht Forschung zum wirtschaftlichen Erfolg geführt. Auch in der Biotechnologie gelten und Innovation 2012“ nur Finnland, Schweden und Dänemark. Außer- die USA und andere Länder als führend, während Deutschland sich eher halb der EU weisen Japan, Südkorea und Israel ebenfalls Werte über drei im Mittelfeld bewegt. Ähnlich verhält es sich mit vielen anderen Er- Prozent auf. Knapp unter der Drei-Prozent-Marke rangieren die Schweiz, findungen; die wirtschaftliche Umsetzung findet woanders statt. Nicht Taiwan und die USA. Dann erst folgt Deutschland mit rund 2,8 Prozent. selten fehlt es deutschen Unternehmen am Mut, wirklich große Inno- Dabei hat sich Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich verbes- vationen auch umsetzen zu wollen. sert – nämlich von 2,3 Prozent in 1996 auf 2,9 Prozent in 2011. Hes- Dies spiegelt sich auch in internationalen Rankings zur Forschungs- sen hat das Lissabon-Ziel allerdings bereits vor der Zeit erreicht: Schon und Innovationsstärke einzelner Länder wider. Hier landet Deutschland in 2009 wurden in Hessen 3,1 Prozent der Wirtschaftsleistung für For- zwar stets auf einem der vorderen Plätze, jedoch nie auf dem Spitzen- schung und Entwicklung ausgegeben. Hier liegt der Regierungsbezirk platz. Als einfachstes Maß zur Beurteilung der Forschungs- und Innova- Darmstadt mit 3,6 Prozent an der Spitze, gefolgt von Gießen mit 2,2 tionsstärke eines Landes werden die Ausgaben für Forschung und Ent- Prozent und Kassel mit 1,5 Prozent. 10 IHK WirtschaftsForum 07.|08.13
Forschung und Entwicklung Als Stärken des deutschen anhand ihrer Chancen beurteilt. Forschungs- und Innovations- Dies führt nicht selten zu einer standorts gelten eine erfin- verhältnismäßig starken Regu- dungsfreudige und innovations- lierung und damit zu hohen Kos- orientierte Industrie, eine hohe ten für Unternehmen in diesen Anzahl an Absolventen in den Bereichen. Mint-Fächern (Mathematik, In- Es ist kein Zufall, dass viele formatik, Naturwissenschaften, weltbekannte IT-Unternehmen, Technik) sowie eine gute Vernet- wie Microsoft, Apple, Amazon zung von Wirtschaft und Wis- oder Google, die mit ihren inno- senschaft bei Forschungskoope- vativen Produkten und Dienstleis rationen und Auftragsforschung. tungen mittlerweile den Alltag Auch der effiziente Umgang mit prägen, nicht in Deutschland ge- Forschungsgeldern ist in Deutsch- gründet wurden. Noch fußt das land vorbildlich geregelt. Laut ei- deutsche Innovationsmodell zu ner Untersuchung des Deutschen stark auf den etablierten Bran- Instituts für Wirtschaftsforschung DIW aus dem Jahr 2009 hat Deutsch- chen, wie Automobil, Elektrotechnik, Maschinenbau, Chemie und Phar- land nach Schweden die höchste Forschungseffizienz – gefolgt von den ma. Allein diese fünf Branchen vereinen laut Stifterverband für die USA, Belgien und den Niederlanden. Südkorea, Japan und Dänemark lie- Deutsche Wissenschaft 64 Prozent des wirtschaftlichen Forschungs- gen dagegen weit abgeschlagen im Mittelfeld. personals auf sich. Als Schwächen des deutschen Forschungs- und Innovationsstand Damit Deutschland in Zukunft weiter zur Weltspitze aufrücken kann, orts gelten die Bereiche Finanzierung, Bildung, Kultur und Bürokra- müssen die Rahmenbedingungen für Forschung und Innovation hier- tie. Eine Unterfinanzierung ist sowohl bei den Bildungs- und Wis- zulande nachhaltig verbessert werden. Angefangen bei der finanziellen senschaftseinrichtungen als auch bei der Innovationsförderung des Ausstattung der Bildungseinrichtungen und der Innovationsförderpro- Mittelstands auszumachen. Die Bildungsdefizite betreffen vor allem die gramme des Mittelstands über die Verbesserung des Wissens- und Tech- Qualität der wirtschaftlichen und mathematisch-naturwissenschaft- nologietransfers zwischen Unternehmen und Hochschulen bis hin zu lichen Lehre in der Schule. Zudem werden in Deutschland neue Tech- einer wirklichen Innovationskultur, in der Fehler erlaubt und Innovati- nologien, wie die Biotechnologie oder die Informations- und Kommu- onen möglich sind. Gefragt ist eine Kultur der zweiten Chance, wie sie nikationstechnologie, in erster Linie anhand ihrer Risiken und weniger zum Beispiel in den USA weit verbreitet ist. Im Bereich des Wissens- und Technologietransfers wäre es hilfreich, wenn Wissenschaftler ihre Ideen selbst in der unternehmerischen Pra- xis umsetzen könnten, indem sie zum Beispiel für eine bestimmte Zeit Leitfaden „Innovationsmanagement im Mittelstand“ in ein Unternehmen wechseln und dann wieder in die Wissenschaft zu- Der Leitfaden bietet praxisnahe Lösungen, wie bei Innovationsprojekten Kosten eingespart, Zeiten reduziert und Fehlschläge vermieden werden rückkehren können. Auch in der Finanzierung von Innovationen sollte können. Die wichtigsten Bausteine sind eine sinnvolle Innovationsstra- die steuerliche Förderung von Risikokapital für Hightech-Gründungen tegie, ein durchdachter Innovationsprozess und eine gelebte Innovati- sowie für Forschung und Entwicklung ernsthaft in Erwägung gezogen onskultur. Mit zahlreichen Praxisbeispielen, Abbildungen, Tabellen und werden. Hier könnte ein deutlicher Impuls für mehr Innovationen ge- Checklisten. Bestellung zum Preis von 24,50 Euro online unter www.itb- hessen.de/downloads. setzt werden. Nicht zuletzt die Politik ist dazu aufgerufen, verlässliche und wettbewerbliche Rahmenbedingen zu schaffen, damit Unterneh- Zertifikatslehrgang „Innovationsmanager (IHK)“ men ihre Investitionsentscheidungen ohne politisches Risiko treffen Der Zertifikatslehrgang vermittelt Methodenkompetenzen, wie sich In- können. Ob Politik, Wirtschaft und Wissenschaft die Zeichen der Zeit novationsprozesse erfolgreich gestalten und neue Produkte systematisch planen und umsetzen lassen. Die Teilnahme schließt mit dem Zertifi- erkannt haben, wird sich in den nächsten Jahren auch am Gelingen der kat „Innovationsmanager (IHK)“ ab. Der Lehrgang beginnt am 1. Novem- Energiewende zeigen. ❙ ber, die Teilnahme kostet 2 940 Euro. Infos und Anmeldung online unter www.itb-hessen.de/lehrgaenge. Autor IHK-Innovationsberatung Hessen Dr. Carsten Die IHK-Innovationsberatung Hessen fördert die Innovationsfähigkeit Lohmann Referent, IHK-Inno- der regionalen Unternehmen durch Beratung, Information und Weiter- vationsberatung bildung in den Themenfeldern Innovations- und Qualitätsmanagement, Hessen, Frankfurt Technologietransfer und Patente, Produktsicherheit und technologieori- c.lohmann@frank- entierte Gründungen sowie Fördermittel für Innovationen. Vereinbarung furt-main.ihk.de von Beratungsterminen online unter www.itb-hessen.de. IHK WirtschaftsForum 07.|08.13 11
Foto: Peiker Falk Ißmer (l.), Referent Presse & Verbände, und Wolfgang Förderer (r.), Koordinator Simultaneous Engineering, Peiker. Peiker Ideen wachsen lassen Ein Gespräch mit Falk Ißmer, Referent Presse & Verbände, und Wolfgang Förderer, Koordinator Simultaneous Enginee- ring, Peiker, Friedrichsdorf, über die Entwicklung zukunftsweisender Technologien und die Bedeutung von Innovationen. Herr Ißmer, welche Bedeutung haben Innovationen für ein mittel- Herr Förderer, der Begriff Innovation ist im täglichen Sprach ständisches Unternehmen wie Peiker? gebrauch mittlerweile ein überstrapaziertes Modewort. Was neu ISSmer: Wir sind von Innovationen abhängig. Kleinere oder mittel- ist, muss nämlich nicht auch zwingend innovativ sein. Wie de große Fertigungsbetriebe sind hierzulande nicht mehr handlungs- und finieren Sie den Begriff? konkurrenzfähig, wenn nicht auch innovative Produkte selber entwi- Förderer: Neuentwicklungen müssen die Qualität einer Vorreiter- ckelt werden. Produzieren können Unternehmen in einigen europäi schaft vorweisen, um tatsächlich Innovationen zu sein. Unsere Stra- schen Nachbarländern oder in Asien nämlich deutlich kostengünstiger. tegie ist es, mit zukunftsweisenden Produkten der Erstausrüster zu Wenn wir unseren Firmenstandort in Deutschland sichern wollen, müs- sein. Wir warten nicht darauf, dass Unternehmen bei uns anklopfen sen wir innovativ sein. und Neuentwicklungen beauftragen. Wir entwickeln zukunftswei- sende Produkte auf eigene Kosten und bieten sie dem Markt an. Wir greifen Ideen auf und generieren daraus einen neuen Mehrwert, den Peiker wir den Kunden frühzeitig in funktionstüchtigen Prototypen präsen- tieren können. Paul Beerwald und sein Schwiegersohn Heinrich Peiker gründeten das Unternehmen am 1. Oktober 1946 in Bad Homburg. Im Laufe der Jahr- zehnte wandelte sich der Spezialanbieter von Mikrofonen und akusti- Mit anderen Worten: Hinter jeder neuen Entwicklung steht bei schen Geräten vornehmlich für Behörden und Rettungsdienste zu einem Peiker eine bekannte Technologie? internationalen Zulieferer für moderne Kommunikationstechnologien ISSmer: So ist es. Wir sind kein Forschungsunternehmen. Echte Grund- (Sprach- und Datenanwendungen) im Fahrzeug. Die Peiker-Gruppe lagen- und Schlüsseltechnologieentwicklungen, die nobelpreisfähig zählt weltweit rund 900 Mitarbeiter, darunter 560 am heutigen Unter- nehmenssitz in Friedrichsdorf. Vorsitzender der Geschäftsführung ist sind, können wir nicht stemmen. Dafür ist Peiker immer noch zu klein. Andreas Peiker. Infos: www.peiker.de. Aber wir sind kreativ und innovativ im Bereich der Anwendungen. Wir bringen bekannte Technologien so zusammen, dass daraus ein völ- 12 IHK WirtschaftsForum 07.|08.13
Forschung und Entwicklung lig neuer Nutzen entsteht. In diesem Bereich sind wir fit, das begrün- Welche Erfahrungen haben Sie bei den Antragsstellungen gemacht? det unseren Ruf. Förderer: Durchaus positive, aber einfach und schnell geht es nicht. Nehmen wir als Beispiel unser aktuelles Projekt, die beiden abgeschlos- Wie sichern Sie sich einen Wettbewerbsvorsprung? senen ZIM-Projekte sind da durchaus vergleichbar. Im August vergan- Förderer: Bei den wichtigsten Automobilisten haben wir Residential genen Jahres habe ich bei der Hessen Agentur einen Antrag auf För- Engineers vor Ort platziert, um das Ohr direkt am Kunden zu haben. dermittel für unser Projekt „Wireless Charging“ gestellt. Nach positivem Dort erfahren wir, wie die Unternehmen ticken. Zudem gibt es bei Pei- Bescheid der Projektskizze wurde der eigentliche Antrag ausgearbeitet ker die sogenannten Innovations-Scouts. In dieser kleinen, aber feinen und Ende des Jahres eingereicht. Bewilligt wurde das Fördervorhaben Abteilung arbeiten Kollegen aus Entwicklung und Vertrieb zusammen. dann im März, was durchaus eine zügige Bearbeitung darstellt. Unter- Sie wurden systematisch ausgebildet, um den Markt genau beobach- stützt wurden wir im Antragsverfahren durch wertvolle Hinweise vom ten und analysieren zu können. Sie jetten um die Welt, von einer Mes- betreffenden Betreuer von der Hessen Agentur. Viele Unternehmer stel- se zur nächsten, um Ideen und Trends aufzugreifen. Derzeit entwickelt len sich das zu leicht vor, so nach dem Motto „Ich stelle einen Antrag das Team eine Strategie, um künftig parallel zur Automobiltechnolo- und schon fließt das Geld“. Aber zwischen dem einen und dem anderen gie, die rund 70 Prozent unseres Umsatzes ausmacht, neue Segmente liegen Monate. Man muss für diese Verfahren und die Projektdokumen- erschließen zu können – mit dem Ziel, von der Schmalbandigkeit eines tation ausreichend Zeit und Personalkapazitäten einplanen. Förderpro- Autozulieferers ein Stück weit wegzukommen. jekte kann man nicht nebenher erledigen. Inwieweit bildet die Unternehmenskultur den Nährboden für Wirken die administrativen Hürden nicht abschreckend? Forschung und Entwicklung? Förderer: Wer sich darauf einlässt, betritt als aus der Entwicklung ISSmer: Natürlich gibt es eine Unternehmensstrategie und Leitlinien, kommender Ingenieur eine neue Welt, die anfangs durchaus befremdet. aber rechts und links davon sind wir offen für Neues. Peiker ist inzwi- Aber ich habe inzwischen das dritte Projekt auf den Weg gebracht und schen so groß, dass wir im Hochtechnologiebereich mit Konzernen mit- festgestellt, dass es bei allen Förderprogrammen grundlegende Struk- spielen können. Aber wir sind so klein, dass wir uns genügend Flexibili- turen gibt, die man kennen und bei der Antragstellung beherzigen muss. tät bewahrt haben. Wir geben Raum, um Ideen und Visionen wachsen Da die Vorgehensweise bei allen Programmen ähnlich ist, weiß man ir- zu lassen. Jeder Mitarbeiter bekommt die Möglichkeit, gedanklich aus- gendwann, wie die Argumentationsschienen verlaufen und welche In- zubrechen und Neues auszuprobieren. Viele unserer Kollegen beschäfti- formationen der Fördermittelgeber benötigt. gen sich auch in der Freizeit mit neuen Ideen. Ein Ingenieur hört nämlich nicht um 16 Uhr auf, Ingenieur zu sein. Der ist rund um die Uhr Ingenieur. Unternehmer klagen häufig, dass es für ihr spezielles Vorhaben nicht die passende Fördermaßnahme gibt. Mussten Sie das aktuelle Wie hoch ist die derzeitige Forschungs- und Entwicklungs- Projekt modifizieren und dessen Ausgestaltung den Förderricht Intensität bei Peiker? linien unterordnen? Förderer: Für einen Mittelständler sind unsere Entwicklungskapazi- Förderer: Nein, die technische Idee ist geblieben wie sie ist. Da war täten erstaunlich hoch: Bei einem Umsatz von 140 Millionen Euro in der Fördermittelgeber keinesfalls drangsalierend. Allerdings hat er an- 2012 haben wir 17 Millionen Euro in die Entwicklung investiert, das geregt, über eine Kooperation mit einer Hochschule nachzudenken, die sind 12,2 Prozent des Umsatzes. Da unsere Kunden neben der Zuliefe- dann auch zustande kam. Das erhöht zunächst den Aufwand, denn die rung von Komponenten auch zunehmend komplette Systemlösungen er- Projektarbeit muss mit dem betreuenden Professor und den Studenten warten, wird der Entwicklungsaufwand vor allem im Software-Bereich synchronisiert werden. Zeitaufwendig ist bei dieser Konstellation auch weiter zunehmen. Am Unternehmenssitz in Friedrichsdorf sind rund ein die Ausgestaltung eines Kooperationsvertrags, der detailliert regelt, wer Drittel der Mitarbeiter in der Entwicklung tätig. welche Arbeitsergebnisse wie verwerten darf. ISSmer: Auch wenn Hochschulen nur begrenzt Manpower in solche Ko Nutzen Sie angesichts der immensen FuE-Anstrengungen auch operationen investieren können, so bringen die jungen Menschen neue staatliche Förderprogramme? Ideen in den Prozess ein und das Unternehmen lernt mit. Ein weiterer, beid- ISSmer: In der Vergangenheit haben wir das Instrument der staatlichen seitiger Benefit, der sich daraus ergeben hat: Die beiden Studenten, die in Fördermittel nicht konsequent ausgeschöpft. Vor 30 Jahren haben wir das Projekt eingebunden sind, haben bei dieser Gelegenheit einen Mittel- ein Programm des Bundes genutzt, um Zuschüsse auf Entwicklerstun- ständler kennengelernt, der vielleicht ihr erster Arbeitgeber sein wird. ❙ den zu bekommen. Und vor fünf Jahren wurden zwei technologieori- entierte Projekte über das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand autoren ZIM vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert. Bis dato haben wir HELMUT SCHMITT PETRA MENKE vornehmlich Finanzierungshilfen und zinsvergünstigte Kredite von Ban- Stellvertretender Chefredakteurin, Geschäftsführer, IHK Wirtschafts- ken zur Finanzierung herangezogen. Aber künftig wollen wir systema- IHK-Innovations- Forum, Unterneh- tischer nach Förderprogrammen recherchieren und diese ausschöpfen. beratung Hessen, mermagazin der Frankfurt, h.schmitt IHK Frankfurt Oft ist Mittelständlern aber gar nicht bekannt, welche Programme und @frankfurt-main. p.menke@frank- Fördertöpfe es im Einzelnen überhaupt gibt. Denn im Alltagsgeschäft ihk.de furt-main.ihk.de übersieht man manchmal den Stein am Wegesrand. IHK WirtschaftsForum 07.|08.13 13
Forschung und Entwicklung Hessen ModellProjekte Fördermittel für innovative Ideen Das Land Hessen fördert Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, die in Kooperation mehrerer Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft durchgeführt werden. Im Folgenden ein Überblick über die Förderprogramme. Wie kommt es zu einer Förderung? Foto: Gettyimages / Fanatic Studio Erster Schritt zur Förderung ist das Einreichen einer aussagekräftigen Projektskizze vor Projektstart bei der Hessen Agentur. Dies ist über das ganze Jahr hinweg fortlaufend möglich. Das Team von Hessen Modell- Projekte steht als Ansprechpartner bei der Projektanbahnung und wäh- rend der gesamten Projektdauer gerne zur Verfügung. Förderprogramm Loewe Derzeit stehen im Rahmen von Hessen ModellProjekte zwei Maßnah- men zur Verfügung: Das Forschungsförderungsprogramm Loewe (För- derlinie 3) steht für exzellente Forschung für Hessens Zukunft. Dieses Förderprogramm besteht seit 2008 und wird aus Landesmitteln finan- ziert. Die Hessen Agentur fungiert als Projektträger für das hessische Wissenschaftsministerium. Die Mittelausstattung in der laufenden Le- gislaturperiode beträgt etwa 32,8 Millionen Euro. Förderprogramm MPP Für das Förderprogramm KMU – Modell- und Pilotprojekte, kurz MPP, stehen Mittel des Landes Hessen zur Verfügung, die durch den Europäi schen Fonds für Regionale Entwicklung (Efre) kofinanziert werden. Die Hessen Agentur fungiert als projektdurchführende Stelle für das hes- sische Wirtschaftsministerium. Die Mittelausstattung für die Jahre 2008 bis 2013 liegt bei etwa 14,1 Millionen Euro. Wer kommt für eine Förderung infrage? Hierzu zählen kleine und mittlere Unternehmen, Hochschulen sowie Fakten zur Landesförderung sonstige Forschungseinrichtungen mit Sitz in Hessen. Die Förderung Von 2008 bis 2012 wurden etwa 200 angewandte F&E-Projekte mithilfe der ist für alle Branchen und Anwendungen offen. Beispielsweise kommen Landesförderung auf den Weg gebracht. Die technologieorientierten Vor- sowohl Projekte aus der Biotechnologie, optischen Technologien, Um- haben umfassen Gesamtausgaben in Höhe von rund 98,5 Millionen Euro, welt- und Energietechnologien, neuen Medien als auch Produktions- wovon etwa 46,2 Millionen Euro durch das Land Hessen bezuschusst wer- und Verfahrenstechnologien für eine Förderung infrage. Voraussetzung den. Im Bezirk der IHK Frankfurt kamen knapp 20 Verbundvorhaben zu- für eine Förderung ist, dass die Vorhaben sich durch einen hohen Inno- stande, das entspricht Gesamtausgaben in Höhe von rund 9,1 Millionen vationsgrad auszeichnen. Sie können ein wissenschaftlich-technisches Euro und einer Fördersumme von etwa 4,5 Millionen Euro. ❙ oder unternehmerisches Risiko mit sich bringen. Welchen Umfang hat die Förderung? Weitere Infos Ist der Antragsteller ein hessisches Unternehmen, beträgt die Förde- HA Hessen Agentur rung des Vorhabens 30 bis 49 Prozent der Gesamtausgaben. Förderfä- Innovations- und Nachhaltigkeitsprojekte hig sind im Wesentlichen Personalausgaben, Verbrauchsmaterialien und Dr. Claudia Männicke, Themenfeldleitung Hessen ModellProjekte Betriebsmittel. Die nötige Kofinanzierung der Gesamtausgaben stammt Konradinerallee 9, 65189 Wiesbaden Telefon 06 11 / 950 17 86 91 aus den Eigenanteilen aller Projektpartner. Die maximale Förderhöhe für E-Mail claudia.maennicke@hessen-agentur.de ein Vorhaben ist auf 500 000 Euro begrenzt. In der Regel haben die Pro- Internet www.innovationsfoerderung-hessen.de jekte eine Laufzeit von einem Jahr bis zu drei Jahren. 14 IHK WirtschaftsForum 07.|08.13
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Forschung und Entwicklung Kooperationen Konfliktpotenziale minimieren Forschungs- und Entwicklungsverträge in Kooperationen spielen in der Wirtschaft eine immer größere Rolle. In der Praxis wird zwischen Auftragsforschung und Forschungskooperationen unterschieden. N ach dem Forschungs- und Entwicklungs-Datenreport 2012 des rer und dem jeweiligen Industriepartner der Hochschule abbedungen Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, hat die deutsche werden. Unternehmen sollten daher die Hochschulen unbedingt in die Wirtschaft externe Forschungsaufträge mit einem Volumen von Forschungs- und Entwicklungsverträge einbeziehen und verpflichten, 11,2 Milliarden Euro vergeben. Am größten war der Anteil der exter- Diensterfindungen im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsver- nen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen im Bereich Kfz-Bau, trags in Anspruch zu nehmen und diese (vorab) dem Unternehmen zu Luft- und Raumfahrzeugbau, Pharmazie sowie Elektrotechnik. Circa 20 übertragen. Zusätzlich sollte mit dem Hochschullehrer eine vertrag- Prozent dieser externen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen liche Einigung über den Verzicht der negativen Publikationsfreiheit er- fließen hierbei in Forschungsaufträge und Forschungskooperationen zielt werden. zwischen Unternehmen und Hochschulen und deren Forschungsinsti- Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Hochschulen kann tute. Forschungs- und Entwicklungskooperationen und Verträge zur in Form einer Auftragsforschung oder einer Forschungskooperation Auftragsforschung können für die betroffenen Parteien einen großen ausgestaltet werden. Bei der Auftragsforschung erteilt das Unterneh- Mehrwert bedeuten. Andererseits bergen sie auch Konfliktpotenzial, das men der Hochschule einen bestimmten Forschungsauftrag, übernimmt bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen so weit wie möglich mi- die vollen Kosten und lagert somit die Forschung auf die Hochschule nimiert werden sollte. aus. Bei einer Forschungskooperation erfolgt von jeder der Vertragspar- In jedem wirtschaftlichen Bereich werden bei Vertragsverhand- teien ein bestimmter Beitrag, der für den Erfolg des Kooperationspro- lungen von Forschungs- und Entwicklungskooperationen oder Auf- jekts notwendig ist. In der Praxis haben sich für die Zusammenarbeit tragsforschungsverträgen insbesondere die Aufteilung und Vergütung zwischen Industrie und Hochschulen insbesondere drei Vertragsmo- solcher gewerblicher Schutzrechte im Mittelpunkt stehen, die im Laufe delle etabliert, die sich in ihrer Ausgestaltung wesentlich voneinan- der Forschung und Entwicklung entstehen können (Neuschutzrechte). der unterscheiden. Hier stellt sich die Frage, wem das Recht an Erfindungen, die im Rah- men der vertraglichen Zusammenarbeit gemacht werden, zusteht und Münchener Vertragsmodell wie gegebenenfalls die Vergütung für solche Erfindungen ausgestal- Das Münchener Vertragsmodell wird nur zwischen der Hochschule und tet sein soll. Als Folgefrage gilt es dann zu klären, ob der anderen Par- dem jeweiligen Industriepartner geschlossen. Hierbei sollen die Neu- tei ein Nutzungsrecht an solchen gewerblichen Schutzrechten gewährt schutzrechte aus einer getätigten Erfindung im Rahmen der Koope- werden soll. Auch die Interessen beider Parteien hinsichtlich einer Ver- ration grundsätzlich der Hochschule zustehen. Eine Ausnahme gibt öffentlichung der Ergebnisse der Forschungs- und Entwicklungsarbeit es für gemeinschaftlich erzielte Erfindungen. Rechte an diesen stehen sollten vertraglich geregelt werden. beiden Vertragspartnern gemeinsam zu. Die Patentierung erfolgt durch Bei der Zusammenarbeit von Unternehmen und Hochschulen in For- die Hochschule, der Industriepartner kann die Patentrechte gegebenen- schungs- und Entwicklungsprojekten ist zu beachten, dass seit dem Weg- falls nachträglich erwerben. Jedoch enthält dieses Muster keine aus- fall des Hochschullehrerprivilegs im Jahr 2002 Hochschullehrer nicht reichenden Regelungen für zukünftige Lizenzerteilungen. Zudem ist es mehr frei über ihre Erfindungen verfügen können. Wie andere Arbeitneh- mangels Einbeziehung des Hochschullehrers nicht möglich, einen Ver- mer sind sie nun verpflichtet, solche Erfindungen ihrem Arbeitgeber zu zicht des Hochschullehrers auf seine negative Publikationsfreiheit zu melden, soweit der Hochschullehrer die Erfindung publizieren möchte. vereinbaren. Hierfür bedarf es eines gesonderten Vertrags zwischen dem Ist die Erfindung für die Hochschule interessant, wird sie die Erfindung Hochschullehrer und dem Industriepartner. in Anspruch nehmen und kommerziell verwerten. Hat die Hochschu- le keine Verwendung für die Erfindung, wird sie diese dem Hochschul- Hamburger Vertragsmodell lehrer freigeben, sodass dieser frei über seine Erfindung verfügen kann. Das Hamburger Vertragsmodell sieht vor, dass alle Forschungsergebnisse Nach dem Gesetz über Arbeitnehmererfindungen hat der Hochschul- Eigentum des Industriepartners sein sollen. Die Übertragung der For- lehrer sowohl die Möglichkeit, eine von ihm getätigte Erfindung zu of- schungsergebnisse wird dergestalt sichergestellt, dass die Hochschu- fenbaren (positive Publikationsfreiheit), als auch nicht zu veröffentli- le gegenüber dem Hochschullehrer auf ihr Recht der Inanspruchnahme chen (negative Publikationsfreiheit). Macht der Hochschullehrer von der Erfindung verzichtet und der Hochschullehrer die Rechte an allen seinem negativen Publikationsrecht Gebrauch, ist er nicht verpflich- zukünftigen Erfindungen an den Industriepartner abtritt. Zusätzlich be- tet, der Hochschule seine Erfindung zu melden. Dieses Recht kann nach stimmt das Modell, dass der Hochschullehrer auf seine negative Publi- herrschender Meinung nur in Verträgen zwischen dem Hochschulleh- kationsfreiheit verzichtet. 16 IHK WirtschaftsForum 07.|08.13
Bei Forschungskooperationen zwischen Unternehmen und Hochschulen sollten schon im Vorfeld die Nutzungsrechte an den Erfindungen oder Forschungsergeb- nissen vertraglich geregelt werden. Foto: Gettyimages / Yagi Studio Berliner Vertragsmodell dung hat. Das Berliner Vertragsmodell ist das ausgewogenste Modell, Das Berliner Vertragsmodell unterscheidet zwischen Forschungskoopera- jedoch ist die Zuteilung der Ergebnisse sehr aufwendig und zum Teil tionen und Auftragsforschung. Bei einer Auftragsforschung stehen dem schwierig zu bewerkstelligen. Zudem ist nicht sichergestellt, dass der Industriepartner umfassende Rechte an den getätigten Erfindungen zu. Industriepartner nur solche Erfindungen erwirbt und vergüten muss, Bei einer Forschungskooperation ist wiederum zwischen Industriepart- die für ihn von Nutzen sind. nerergebnissen, Gemeinschaftsergebnissen sowie Hochschulergebnissen Ein Mustervertragsmodell kann somit immer nur als Ausgangspunkt zu differenzieren. Die Einteilung und die Rechte an den Erfindungen er- der Vertragsgestaltung dienen. Es kann nicht allen Interessen in jeder folgen dann je nach Höhe des Erfindungsanteils der Hochschule bezie- Situation gerecht werden. Zusätzlich muss stets eine umfassende Inte- hungsweise des Industriepartners. Dies macht eine sehr aufwendige Dif- ressenabwägung und individuelle Betrachtung der jeweiligen Koopera- ferenzierung notwendig. tion sowie der jeweiligen Branche erfolgen und in die Vertragsgestal- tung einfließen. Die Beurteilung hat dabei auf der Basis der finanziellen Bewertung der Modelle und intellektuellen Beiträge der jeweiligen Parteien zu erfolgen. ❙ Das Münchener Vertragsmodell wird von Unternehmen sehr zurück- haltend verwendet. Neben dem für die Unternehmen umständlichen Autor nachträglichen Erwerb der Neuschutzrechte bietet es ein erhebliches Peter Homberg Konfliktpotenzial hinsichtlich nachträglich zu vereinbarender Lizenz- Rechtsanwalt, Dentons, Frankfurt rechte. Das Hamburger Vertragsmodell kann als Modell zur verein- peter.homberg@ fachten Ausgestaltung der Zusammenarbeit zwischen Industriepartner dentons.com und Hochschule angesehen werden. Jedoch kann eine Vorabübertra- gung aller Forschungsergebnisse dazu führen, dass der Industriepart- ner auch solche Erfindungen vergüten muss, für die er keine Verwen- IHK WirtschaftsForum 07.|08.13 17
Foto: Gettyimages / Tom Grill Kartellrecht Verschärfter Rechtsrahmen Der neue Rechtsrahmen für Kooperationen im Bereich Forschung und Entwicklung bringt deutliche Verschärfungen mit sich. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, auch bestehende FuE-Vereinbarungen überprüfen zu lassen, um rechtliche Risiken auf ein Minimum zu reduzieren. V ereinbarungen im Bereich Forschung und Entwicklung (FuE) be- genstand solcher Vereinbarungen sind, sich aber unmittelbar auf deren finden sich meist am Rande des Kartellverbots und bieten für die Umsetzung beziehen und dafür erforderlich sind. beteiligten Partner viele Fallstricke, die gemeistert werden müssen. Die FuE-GVO ist anwendbar auf Vereinbarungen, die eine gemein- Da es bei FuE-Kooperationen naturgemäß zu einer engen Zusammenar- same Forschung und Entwicklung mit oder ohne sich anschließender ge- beit zwischen den beteiligten Unternehmen kommt, fällt eine derartige meinsamer Verwertung der Ergebnisse zum Gegenstand haben. Unter Ge- Kooperation schnell unter das Kartellverbot. Hierfür kann es beispielswei- meinsamkeit versteht der Verordnungsgeber, dass die Tätigkeiten durch se ausreichen, wenn sich Wettbewerber gegenseitig Gebiete und / oder entweder ein gemeinsames Team beziehungsweise Organisation oder ein Kunden zuweisen oder Absatzquoten festlegen. Vom Kartellverbot frei- gemeinsames Unternehmen, einen gemeinsam bestimmten Dritten oder gestellt sind allerdings solche FuE-Vereinbarungen, die den Anforderun- durch die Parteien im Wege der Spezialisierung ausgeführt werden. Eine gen der Gruppenfreistellungsverordnung (FuE-GVO) und den Horizontal- Vereinbarung mit gemeinsamer Verwertung kann nur dann unter der FuE- leitlinien der Kommission genügen. GVO freigestellt sein, wenn die Vereinbarung spätestens ab dem Ende der Ein Verstoß gegen das Kartellverbot kann schlimmste wirtschaftliche gemeinsamen Verwertungsphase eine uneingeschränkte Verwertungsmög- Folgen zeitigen, denn es drohen die Nichtigkeit der getroffenen FuE-Ver- lichkeit aller Endergebnisse für jede Vertragspartei vorsieht und den dazu einbarung sowie Bußgelder der Kartellbehörden. FuE-Vereinbarungen kön- notwendigen Zugang zu den Endergebnissen verschafft, was üblicherweise nen nur dann vom Kartellverbot freigestellt sein, wenn sie den gesetz- durch Lizenzen geschieht. Aber auch hier sind Ausnahmen zu beachten. lichen Anforderungen genügen und sich die Vertragsbestimmungen auf Zudem gilt der Grundsatz, dass die FuE-GVO nur dann anwendbar die Übertragung von Rechten des geistigen Eigentums oder die Erteilung ist, wenn entweder die FuE-Partner keine tatsächlichen oder potenziellen diesbezüglicher Lizenzen an eine oder mehrere der Parteien oder an eine Wettbewerber sind oder es sich um Wettbewerber handelt und diese über von den Parteien für die Durchführung der gemeinsamen FuE, der Auf- einen gemeinsamen Marktanteil von höchstens 25 Prozent verfügen. Be- tragsforschung und -entwicklung oder der gemeinsamen Verwertung ge- reits die Frage, ob es sich um (potenzielle) Wettbewerber handelt, ist häufig gründete Einheit beziehen, sofern diese Bestimmungen nicht Hauptge- schwierig zu beantworten. Aber auch die vorzunehmende Marktabgren- 18 IHK WirtschaftsForum 07.|08.13
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