ARBEITS MARKT KULTUR 4/4 - Deutscher Kulturrat
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ARBEITS MARKT KULTUR — № 4/4 WEITER BILDUNG Mit Beiträgen von: Jens Brandenburg, Birke Bull-Bischoff, Beate Darius, Tobias Ehinger, Andrea Ehlert, Yasmin Fahimi, Nicole Höchst, Lutz Kaube, Stefan Kaufmann, Susanne Keuchel, Monika Kolb, Martina Lenk, Hans Lochmann, Wesko Rohde, Sabrina Sadowska, Siegfried Schmauder, René Schuh, Anne Schulz, Gabriele Schulz, Katrin Staffler, Danilo Vetter, Beate Walter-Rosenheimer, Anna Wiechern, Olaf Zimmermann und Marc-Cliff Zofall
IMPRESSUM Politik & Kultur Dokumentationen erscheinen als Beilage zu Politik & Kultur, herausgegeben von Olaf Zimmermann und Theo Geißler. FÖRDERUNG Die Dokumentation ist Teil des Projektes »Aus- und Weiterbildung für den Arbeitsmarkt Kultur«. Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. ERSCHEINUNGSORT Berlin KONTAKT Deutscher Kulturrat e. V. Taubenstraße 1, 10117 Berlin Telefon: 030 . 226 05 28 - 0 Fax: 030 . 226 05 28 - 11 post@kulturrat.de www.kulturrat.de REDAKTION Olaf Zimmermann (Chefredakteur, V.i.S.d.P.), Gabriele Schulz (Stv. Chefredakteurin), Anna Wiechern REDAKTIONSASSISTENZ Maike Karnebogen REDAKTIONSSCHLUSS 9. Januar 2019 GESTALTUNG 4S Design, Berlin VERLAG ConBrio Verlagsgesellschaft mbH Brunnstraße 23, 93053 Regensburg Telefon: 0941 . 945 93 - 0 Fax: 0941 . 945 93 - 50 info@conbrio.de www.conbrio.de DRUCK Freiburger Druck GmbH & Co. KG, Freiburg ISBN 978-3-947308-16-3 HINWEIS Sollte in Beiträgen auf das generische Femininum verzichtet worden sein, geschah dies aus Gründen der besseren Lesbarkeit. Selbstverständlich sind immer weibliche als auch männliche Gruppenange- hörige einbezogen.
MAN LERNT NIE AUS: GLÜCKLICHERWEISE! Man lernt nie aus. Dieses Sprichwort ist zwar Ein wichtiger Erfolg für den Deutschen Kultur- Diese wenigen Beispiele zeigen, dass es mit ei- eine Binsenweisheit, bringt aber auf den Punkt, rat war seinerzeit, dass der Begriff kulturelle Bil- ner guten Ausbildung im Kultur- und Medien- worum es geht: lebenslanges Lernen. Lebens- dung und der Weiterbildungsbedarf in diesem bereich längst nicht getan. Es bedarf der kon- langes oder wie manche, denen der Begriff le- Feld erstmals in einem Dokument des Bundes- tinuierlichen Weiterbildung. Welche Anforde- benslang zu sehr mit Zwang verbunden ist, sa- bildungsministeriums erwähnt wurde, das ge- rungen bestehen und welche Weichen gestellt gen, lebensbegleitendes Lernen ist die Heraus- meinsam mit anderen Akteuren wie beispiels- werden müssen, kommt in den nachfolgenden forderung der Zeit und Weiterbildung das Ge- weise den Sozialpartnern erarbeitet worden war. Beiträgen zum Ausdruck. bot der Stunde. Heute stehen wir wieder vor der Herausfor- Lernen dürfen, ist eines der großen Auf- Dabei ist das Thema keineswegs neu. In den derung gemeinsam mit anderen Akteuren für stiegsversprechen unserer Gesellschaft an ihre 1980er Jahren berief der damalige Bundesbil- die Stärkung der Weiterbildung einzutreten. Im Bürgerinnen und Bürger. Vieles ist in unserem dungsminister Jürgen Möllemann die Konzer- Kultur- und Medienbereich ist der Weiterbil- Bildungswesen trotzdem nicht optimal. Noch tierte Aktion Weiterbildung ein. An der Kon- dungsbedarf nicht zuletzt durch die Digitalisie- immer erleben viel zu viele Menschen, dass die zertierten Aktion Weiterbildung waren die So- rung deutlich gestiegen. Aber auch andere Fak- Gesellschaft dieses Versprechen bricht. Und zialpartner, die Volkshochschulen, die Kirchen, toren spielen eine Rolle, unsere Gesellschaft ist trotzdem, nehmen wir sie beim Wort und kämp- aber auch zivilgesellschaftliche Akteure wie der diverser geworden, Menschen unterschiedlicher fen wir um bessere Lernbedingungen für Alle in Deutsche Kulturrat beteiligt. In diversen Ar- Herkunft leben in Deutschland. Kultureinrich- jedem Lebensalter. Denn es gilt: Man lernt nie beitsgruppen wurde analysiert, welcher Wei- tungen sowie Einrichtungen der kulturellen Bil- aus: Glücklicherweise! terbildungsbedarf besteht, wie die Weiterbil- dung sind gefordert, ihre bestehenden Angebote dungsbereitschaft gestärkt werden kann und zu überprüfen und ggfs. anzupassen. Die demo- Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer welche gesetzlichen und finanziellen Rahmen- grafische Veränderung mit einem wachsenden des Deutschen Kulturrates und Herausgeber bedingungen für mehr Weiterbildung geschaf- Anteil älterer Menschen, die durchaus körper- von Politik & Kultur fen werden müssen. lich und geistig fit sind und als Zielgruppe kul- tureller Bildung bedeutsamer werden, verlangt, dass die Kulturarbeit mit Älteren an Gewicht ge- winnt und hierfür die Fachkäfte entsprechend ausgebildet sind. Sowohl die Teilhabe von Men- schen mit Einschränkungen an Kulturangebo- ten als auch deren eigene künstlerische Arbeit verlangen nach neuen Vermittlungs- und Prä- sentationsformen. Was wiederum heißt, dass das pädagogische und künstlerische Personal der Weiterbildung bedarf.
INHALT EDITORIAL MADE IN L IBERIA WEICHEN STELLEN MAN LERNT NIE AUS: WITH LOVE. DIE ENQUETE- GLÜCKLICHERWEISE! Anne Schulz 17 KOMMISSION »BERUF- Olaf Zimmermann 3 LICHE BILDUNG DAVOR UND IN DER DIGITALEN EINLEITUNG MITTENDRIN: EIN ARBEITSWELT« ZEIT, GELD UND NEUES BERATUNGS- Die Redaktion 31 QUALITÄT ANGEBOT Gabriele Schulz 5 Marc-Cliff Zofall im Gespräch 18 UPDATE FÜR DAS BERUFLICHE RAHMEN- ZUKUNFTSMUSIK BILDUNGSSYSTEM BEDINGUNGEN THESEN ZUR Stefan Kaufmann 32 BESSERE WEITERBILDUNG 4.0 VERZAHNUNG Susanne Keuchel 21 ERFOLGSFAKTOR VON NÖTEN IN ZEITEN DER Siegfried Schmauder und Lutz Kaube 7 WAS MUSS EIN DIGITALISIERUNG JOURNALIST Katrin Staffler 33 HÜRDENLAUF IN FÜNF JAHREN DURCH KÖNNEN? EIN WEITERBILDUNGS- DIE LÄNDER Martina Lenk 22 GESETZ FÜR MEHR Andrea Ehlert im Gespräch 8 UND BESSERE WIR BRAUCHEN QUALIFIZ IERUNG DIGITALISIERUNG EINE (NEUE) Yasmin Fahimi 34 AKADEMIE FÜR WEITERBILDUNGS- DIGITALITÄT KULTUR ENTWICKLUNGEN UND THEATER René Schuh 23 WURDEN Tobias Ehinger 11 VERSCHLAFEN KREATIVE ORTE Nicole Höchst 35 MEDIENVIELFALT VS. FACHKRÄFTE- BRINGT VIELE MANGEL DEN DIGITALEN CHANCEN Wesko Rohde 25 WANDEL ALS Monika Kolb 12 CHANCE ERGREIFEN WEITERBILDUNG Jens Brandenburg 36 NEUORIENTIERUNG FÜR MUSEUMS- DIE ARBEIT PERSONAL LEBENSL ANGES DER ZAV-KÜNSTLER- Hans Lochmann 26 LERNEN FÜR VERMITTLUNG ALLE SICHERN! Beate Darius 15 EINMAL AARHUS Birke Bull-Bischoff 37 UND ZURÜCK TANZ UND ODER WENN EINER DER GENDER- DANACH? EINE REISE MACHT … ASPEKT Sabrina Sadowska 16 Danilo Vetter 28 Beate Walter-Rosenheimer 38 4 ARBEITSMARKT KULTUR — № 4/4
ZEIT, Drei Begriffe durchziehen viele Beiträge in die- sem Heft: Zeit, Geld und Qualität. In vielen Kul- tur- und Medienbetrieben ist die Personalde- GELD cke so dünn, dass kaum Zeit für Weiterbildung bleibt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können UND sich kaum aus dem laufenden Betrieb herauszie- hen. Die Weiterbildung der einen, geht auf Kos- ten der anderen. Und auch die monetären Kos- QUALITÄT ten belasten. Freiberuflerinnen und Freiberufler müssen nicht nur für die Kosten der Weiterbil- dung aufkommen, sie können zusätzlich wäh- GABRIELE SCHULZ rend der Weiterbildung weder Aufträge wahr- nehmen noch neue akquirieren. Viele Freiberuf- lerinnen und Freiberufler können sich die Wei- terbildung kaum oder gar nicht leisten. Die Sicherung der Qualität von Weiterbil- dung ist ein weiterer Aspekt. Am Markt exis- D tiert eine Vielzahl von Weiterbildungsangebo- as vorliegende Heft bildet den Abschluss ten. Doch welche sind Weiterbildungsangebote der vierteiligen Reihe zur Aus- und Wei- führen tatsächlich weiter, welche sind gut? Hier terbildung im Kultur- und Medienbe- den Überblick zu behalten, ist kaum möglich. reich. Im ersten, inzwischen als Druckexemp- Mehr Transparenz und Austausch über Quali- lar vergriffenen und Anfang 2016 erschienen tätskriterien fordern verschiedene Autorinnen Heft wurde das gesamte Thema Aus- und Wei- und Autoren in diesem Heft. Ebenso wird ein- terbildung in Kultur und Medien aus verschie- gefordert, dass auch Weiterbildnerinnen und denen Seiten beleuchtet. Dieses Heft bietet ei- Weiterbildner sich kontinuierlich weiterbilden nen ersten Einstieg und macht auf das Thema müssen. Als Zukunftsperspektive wird eine Wei- neugierig. Das zweite, Anfang 2017 erschiene- terbildungspflicht skizziert. Nur so, so einige ne Heft stellte die universitäre Ausbildung in Autorinnen und Autoren, kann gewährleistet den Mittelpunkt. Es wurde sich mit der Aus- werden, dass Angebote kultureller Bildung tat- bildung an Kunst- und Musikhochschulen, der sächlich auf der Höhe der Zeit sind. Letzteres Arbeit der Begabtenförderungswerke und dem gilt sowohl für pädagogische als auch künstle- Übergang von der Hochschule in den Beruf be- rische Qualifikationen. fasst. Das dritte, Anfang 2018 erschienene Heft Aufgrund der Digitalisierung entstehen neue widmete sich der Ausbildung im dualen Ausbil- Anforderungen an Mitarbeiterinnen und Mit- dungssystem. Hier wurden die Chancen dieses arbeiter in Kunst, Kultur und Medien. Zugleich vielfach wenig beachteten Feldes ausgeleuch- erwachsen neue Chancen in der Vermittlung tet und sich mit dem Fachkräftemangel in eini- sowie in der Bildung. Wie sich Kultur- und Bil- gen Feldern auseinandergesetzt. Im Mittelpunkt dungseinrichtungen hier positionieren, zeigen dieses Heftes steht die berufliche Weiterbildung. Autorinnen und Autoren auf. Dabei geht es um die Weiterqualifizierung Dass Weiterbildung als vierte Säule der Bil- in vorhandenen Berufen, um Anpassungsqua- dung gestärkt und weiter ausgebaut werden lifikationen genauso wie die Qualifizierung aus muss, darüber geben die Obfrauen und Ob- dem vorhandenen Beruf heraus in einen neu- männer der Enquete-Kommission »Berufliche en. Manche Berufslaufbahn im Kulturbereich ist Bildung in der digitalen Arbeitswelt« des Deut- von vorneherein begrenzt. Geradezu paradig- schen Bundestags Auskunft. Hier wird deutlich, matisch hierfür ist der Tanzberuf. Auch wenn dass Weiterbildung alle Berufe und alle Erwerbs- Tänzerinnen und Tänzer heute ihren Beruf län- tätigen betrifft. Um dem Fachkräftemangel ent- ger ausüben können als es noch vor zehn Jah- gegen zu wirken, sind verstärkte Investitionen ren der Fall war, fällt dennoch das Laufbahn in Weiterbildung erforderlich, so die Obleute. ende vieler Tänzerinnen und Tänzer in einen Auch wenn das vom BMBF geförderte Projekt Lebensabschnitt, in dem andere Berufstätige »Aus- und Weiterbildung im Kultur- und Medi- die nächsten Schritte auf der Karriereleiter er- enbereich« mit diesem Heft ein Ende findet, blei- klimmen und erste Führungsaufgaben über- ben die Aufgaben bestehen. Der Deutsche Kul- nehmen. Transition heißt für Tänzerinnen und turrat wird sich weiter des Themas annehmen. Tänzer sich neu zu orientieren und neue be- rufliche Wege einzuschlagen. Dass Transition Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäfts längst nicht mehr nur ein Thema für Tänzerin- führerin des Deutschen Kulturrates. Sie hat nen und Tänzer ist, sondern auch andere Beru- das vom BMBF geförderte Projekt »Aus- und fe wie Schauspiel oder Gesang erfasst, wird in Weiterbildung im Kultur- und Medienbereich« diesem Heft gezeigt. geleitet. EINLEITUNG 5
RAHMEN- BEDINGUNGEN 6 ARBEITSMARKT KULTUR — № 4/4
BESSERE U nter dem Eindruck der teilweise sehr kri- Die Initiative für den ersten Deutschen Weiter- tischen öffentlichen Berichterstattung bildungstag 2007 ging von den beiden Verbän- über die sogenannte »Arbeitslosenindus- den BBB und DVV aus. In den Jahren 2008, 2010, VER- trie« in Folge der Hartz-Gesetzgebung und des kontinuierlichen Rückgangs der 2012, 2014 und 2016 gab es weitere Weiterbil- dungstage mit einem jeweils erweiterten Ver- ZAHNUNG finanziellen Förderung der abschlussorientier- ten beruflichen Weiterbildung im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik sowie wegen des von der anstalterkreis. Die Initiatoren und bisherigen Veranstalter sind der Überzeugung, dass es zu- sätzlicher Anstrengungen und weitergehender VON Politik kaum beachteten »Berichts der Exper- tenkommission zur Finanzierung des Lebens- Kooperationen bedarf, um der Bildung und ins- besondere der Erwachsenen- und Weiterbildung NÖTEN langen Lernens« (kurz: Timmermann-Kommis- sion), befasste sich der Vorstand des Bundesver- bandes der Träger beruflicher Bildung (BBB) in den Stellenwert in Politik und Gesellschaft zu verschaffen, den sie dringend benötigen. S I E G F R I E D S C H M AU D E R den Jahren 2005/2006 intensiv mit Möglich- U N D LU T Z K AU B E keiten und Maßnahmen, um auf die wachsen- FORUM FÜR AKTUELLE de Bedeutung einer nachhaltigen Förderung der W EITERBILDUNGSPOLITISCHE beruflichen Weiterbildung aufmerksam zu ma- ENTWICKLUNGEN chen und sie in den gesellschaftlichen Fokus Der Deutsche Weiterbildungstag versteht sich zu rücken. aber immer auch als Forum einer konstruktiv- »Weiter mit Bildung« in Anlehnung an einen kritischen Auseinandersetzung mit den aktu- gleichnamigen Kongress, welchen die Bundes- ellen Entwicklungen und Rahmenbedingungen agentur für Arbeit wenige Jahre vorher gemein- der Aus- und Weiterbildung in unserem Land, sam mit Weiterbildungsträgern in Berlin durch- denn die Innovations- und Zukunftsfähigkeit führte, entstand die Idee einer Imagekampagne, Deutschlands hängen in hohem Maße von den die für den Frühsommer 2007 den ersten »Deut- Kompetenzen und Qualifikationen der Men- schen Weiterbildungstag« (DWT) vorbereiten schen ab, gerade in Zeiten fortschreitender Di- sollte. Der Deutsche Volkshochschul-Verband gitalisierung. Dazu ist es notwendiger denn je (DVV), eine Mitgliedsorganisation des BBB und und zugleich eine langjährige Forderung von zu dieser Zeit im dortigen Vorstand vertreten, Weiterbildungsverbänden und Gewerkschaf- zeigte großes Interesse an der Rolle eines Co- ten, bundesweit einheitliche Regelungen für Veranstalters, was im Hinblick auf die flächen- das Weiterbildungssystem zu schaffen. Sehr er- deckende Präsenz und die finanziellen Möglich- mutigend ist es deshalb, dass die Bundesregie- keiten der Volkshochschulen auf große Zustim- rung kürzlich ankündigte, alle relevanten ge- mung stieß. Der grundsätzliche Beschluss wur- sellschaftlichen Kräfte für die Erarbeitung einer de sodann dahingehend erweitert, dass der DWT Nationalen Weiterbildungsstrategie zu bündeln, in gemeinsamer Trägerschaft von BBB und DVV in deren Mittelpunkt Qualifizierung und Kom- durchgeführt wird. petenzentwicklung sowie die Sicherung beruf- licher Mobilität stehen sollen. Die ARGE Deut- scher Weiterbildungstag und die sie tragenden GRUNDSÄTZE Verbände und Organisationen begrüßen und DER ZUSAMMENARBEIT unterstützen dieses Vorhaben und bringen hier- Der Wortlaut des Statuts der Arbeitsgemein- zu gerne ihre Expertise ein. schaft Deutscher Weiterbildungstag lautete Das Netz der Veranstalter und Kooperati- 2018: »Ziel des Deutschen Weiterbildungsta- onspartner des Deutschen Weiterbildungstages ges ist es, die öffentliche Wahrnehmung dafür hat sich über einen Zeitraum von mehr als zehn zu schärfen, was berufliche, politische, kulturel- Jahren kontinuierlich weiterentwickelt und in le und allgemeine Erwachsenen- und Weiterbil- der konzeptionellen und praktischen Zusam- dung in unserem Land leistet: etwa, wenn sie menarbeit bewährt. Das ist einzigartig in der Teilhabe am öffentlichen Leben stärkt, die eige- deutschen Weiterbildungslandschaft, denn wo nen Kompetenzen erweitert, neue Optionen in sonst arbeiten die unterschiedlichen Akteure der Erwerbstätigkeit ermöglicht, zu mehr Tole- der beruflichen, kulturellen und politischen ranz beiträgt oder gesundheitsförderliches Ver- Weiterbildung und Erwachsenenbildung in ei- halten stärkt. Zugleich versteht sich der Deut- nem wiederkehrenden konkreten Projekt so eng sche Weiterbildungstag als Kommunikations- und vertrauensvoll zusammen. plattform, die bildungspolitische Diskussio- Inhaltliches Kernstück eines jeden Weiterbil- nen anstößt, Entwicklungen aufgreift und ggf. dungstages ist die sogenannte politische Platt- Handlungsbedarf aufzeigt.« form, die sich mit dem von den Veranstaltern gemeinsam ausgewählten Schwerpunktthema auseinandersetzt. → 2007 fand der erste Aktionstag für Weiterbildung statt. Seit dem gibt es ihn alle zwei Jahre und er hat sich als Plattform der Auseinandersetzung mit aktuellen bildungs-, sozial- und gesellschaftspolitischen Themen etabliert. WEITERBILDUNG: RAHMENBEDINGUNGEN 7
Darüber hinaus werden regelmäßig in der zent- ralen Auftaktveranstaltung zum deutschen Wei- terbildungstag »Vorbilder der Weiterbildung« Der Deutsche Weiterbildungstag ist auch in Zukunft ein offenes Forum, um übergreifende weiterbildungspolitische Debatten anzustoßen, HÜRDEN- geehrt und bekannt gemacht. Es kann sich hier- bei um einzelne Personen, Gruppen oder auch Konzepte zu entwickeln und Einfluss zu neh- men. Er stellt insofern ein wirkungsvolles Bünd- LAUF Unternehmen handeln, die sich in besonderer Weise um oder durch die Weiterbildung eine Vorbildfunktion erarbeitet haben, die es lohnt, nis dar, in dem die unterschiedlichen Weiterbil- dungsbereiche und ihre wichtigsten Akteure re- gelmäßig zusammenfinden, nämlich: DURCH DIE sie bekannt zu machen. ԁԁ Berufliche Weiterbildung LÄNDER ԁԁ (Inter-)Kulturelle Weiterbildung A N D R E A E H L E RT AUSBLICK UND ԁԁ Wissenschaftliche Weiterbildung I M G E S P R ÄC H PERSPEKTIVEN ԁԁ Allgemeine Erwachsenenbildung Die Erkenntnisse aus der gesellschaftlichen ԁԁ Politische Bildung und politischen Analyse und die Zustandsbe- schreibung der (Weiter-) Bildung, die 2007 zur ganz im Sinne der (ehemals) großen bildungs- Initiierung des Deutschen Weiterbildungsta- politischen Vision, die Weiterbildung als vierte ges geführt haben, sind größtenteils auch heu- Säule des Bildungssystems in öffentlicher Ver- D te noch gültig. Es gibt nach wie vor zu viele Zu- antwortung auszubauen. ie Bundesakademie für kulturelle Bil- ständigkeiten für die Weiterbildung auf den un- Mit der Initiative zur »Reformierung, Systema- dung in Wolfenbüttel, Niedersachsen, terschiedlichen staatlichen Ebenen. Es mangelt tisierung und Stärkung einer Weiterbildungspo- bietet berufliche Fort- und Weiterbil- noch immer an einer nachhaltigen Finanzie- litik« auf Bundesebene entspricht die Bundes- dung für Kulturschaffende- und vermittelnde rung insbesondere bei der Weiterbildung im regierung Forderungen, die schon seit vielen aus ganz Deutschland und einigen Nachbar- Rahmen der Arbeitsmarktpolitik; die Verzah- Jahren von den im Bundesverband der Träger staaten an. Das Programm deckt von den klas- nung der unterschiedlichen Weiterbildungsbe- beruflicher Bildung (BBB) organisierten Bil- sischen Künsten über Kulturmanagement bis reiche im Sinne einer übergreifenden Interes- dungsanbietern formuliert werden. hin zu Museum nahezu alle Bereiche ab. Neben senwahrnehmung gegenüber Politik und Ver- Die derzeitigen Herausforderungen, was Di- einmaligen Veranstaltungen oder Seminaren waltung ist ebenfalls noch nicht erreicht. Hin- gitalisierung und Strukturwandel, demografi- stehen auch umfassenderen Qualifizierungsrei- zugekommen sind weitere Herausforderungen sche Entwicklung und Fachkräftemangel betrifft, hen zur Auswahl, an deren Abschluss ein Zer- für die Weiterbildner wie die zunehmende Glo- sind immens, und es ist sehr positiv zu bewer- tifikat steht. Damit die Inanspruchnahme sol- balisierung, die digitale Transformation von ten, dass Ministerien, Bund, Länder, Kommunen, cher Angebote gefördert wird, beispielsweise Wirtschaft und Gesellschaft oder die Migrati- aber auch die Akteure der Weiterbildung selbst Bildungsurlaub beim Arbeitgeber in Anspruch onsbewegungen mit den daraus resultierenden mit ihren Trägern und Verbänden hier zusam- genommen werden kann, müssen die Program- gewachsenen Aufgaben in der Bildungs- und In- menarbeiten wollen. me in den einzelnen Bundesländern anerkannt tegrationsarbeit. Ein entscheidender Schlüs- Die Initiative der Ministerien ist für uns auch sein. Andrea Ehlert, Leiterin des Programmbe- sel zur Lösung der damit verbundenen Proble- Ausdruck der Wertschätzung und der Anerken- reichs Kulturmanagement, -politik, -wissen- me liegt in der Ausweitung, Verbesserung und nung der hohen gesellschaftlichen Bedeutung schaft, schildert, was dies für die Arbeit der Bun- Harmonisierung unseres Weiterbildungssys- der Weiterbildung. desakademie – wie auch der anderen bundes- tems sowohl in Deutschland als auch auf euro- weit arbeitenden Fort- und Weiterbildungsein- päischer Ebene. Hier sehen die Veranstalter ein Siegfried Schmauder ist Sprecher der Arbeits richtungen im Kulturbereich bedeutet. großes Betätigungsfeld für die Zukunft, wel- gemeinschaft Deutscher Weiterbildungstag. ches sie mit bewährten Formaten und verstärkt Lutz Kaube ist Geschäftsführer der Arbeits- mit unterjährigen Fachveranstaltungen bear- gemeinschaft Deutscher Weiterbildungstag und beiten werden. stellvertretender Geschäftsführer des Bundes verband der Träger beruflicher Bildung (Bildungs- verband) e. V. 1.057.000 € flossen 2017 vom Land Niedersachen an die Bundesakademie Wolfenbüttel. Das entspricht rund 43 Prozent des gesamten Finanzbedarfs. 8 ARBEITSMARKT KULTUR — № 4/4
Wiechern: Bei wie vielen der von Ihnen ange- Ehlert: Die Kriterien legt jedes Bundesland in Der Bildungsscheck wird allerdings ausschließ- botenen Kurse können die Teilnehmenden von einem eigenen Bildungsurlaubsgesetz fest. In lich für die Seminargebühren im engeren Sinn ihrem Recht auf Bildungsurlaub Gebrauch ma- der Regel stehen einer Arbeitnehmerin bzw. angerechnet. Kosten für Übernachtung und Ver- chen? einem Arbeitnehmer fünf Tage bezahlter Bil- pflegung sowie Fahrtkosten werden nicht bezu- dungsurlaub in einem Jahr zu kumulierend in- schusst. Der Bund fördert Weiterbildung unter Ehlert: Von unseren rund 180 Veranstaltungen nerhalb von zwei aufeinanderfolgenden Jahren. anderem mit dem Prämiengutschein der Bil- pro Jahr nur an recht wenigen, nämlich an all Und wie gesagt, ab zwei Tage aufwärts. dungsprämie. Dabei übernimmt der Bund die denjenigen, die drei Tage und mehr dauern, das Hälfte der Weiterbildungsgebühren bei Veran- sind dann zumeist unsere Qualifizierungsrei- Wiechern: Wie lang ziehen sich aus Ihrer Er- staltungskosten von höchstens 1.000 Euro. Der hen. Hierzu gehören z. B. das 4-phasige Qua- fahrung die jeweiligen Prüfungsprozesse in den Gutscheinwert beträgt maximal 500 Euro. Einen lifizierungsangebot »Führung für sich und an- einzelnen Bundesländern hin? Prämiengutschein kann man erhalten, wenn dere übernehmen« oder »Jazz- und Popchorlei- man älter als 25 Jahre ist, mindestens 15 Stun- tung Stufe B«. Ehlert: Das kann ich nicht für alle Bundesländer den in der Woche arbeitet oder sich in Eltern- Für Lehrende für musische Fächer an Schu- sagen, in Niedersachsen dauert es eine gute Wo- oder Pflegezeit befindet und wenn man maximal len oder diejenigen Lehrerinnen und Lehrer, die che, in Berlin 14 Tage, vermutlich liegt die Dau- 20.000 Euro im Jahr an Einkommen versteuern ihren Unterricht mit Mitteln der Kulturellen Bil- er im Schnitt bei ein bis zwei Wochen. Wenn es muss (gemeinsam 40.000 Euro). dung gestalten wollen, wird es noch ein biss- sich um Lehrer und Lehrerinnen handelt, dann Der Prämiengutschein wird ausschließlich chen komplizierter. Diese Lehrer und Lehrerin- ist die Akkreditierung ein langwieriger Prozess. für die Seminargebühren im engeren Sinn an- nen gehören im Prinzip zu unseren Zielgrup- Eine Anerkennung wird für einige Jahre verge- gerechnet. Kosten für Übernachtung und Ver- pen. Jedes Bundesland bietet Lehrerfortbildung ben und muss dann erneuert werden. pflegung sowie Fahrtkosten werden nicht be- an, die meist von einer nachgeordneten Behörde zuschusst. getragen wird. In Niedersachsen z. B. das Nieder- Wiechern: Haben Sie konkrete Anregungen, sächsisches Landesinstitut für schulische Quali- die diesen Prozess beschleunigen und verein- Wiechern: Welche Art der Unterstützung für tätsentwicklung (NLQ) oder in Hessen die Hes- fachen würden? Selbständige und Arbeitnehmende im Bereich sische Lehrkräfteakademie. Wenn nun ein Leh- Kultur und Medien würden Sie sich zukünftig rer aus Hessen einen Workshop der Bundeakade- Ehlert: Vereinfachte und vereinheitlichte Re- von Bund und Ländern wünschen? mie Wolfenbüttel als Bildungsurlaub besuchen gelungen wären wundervoll. Im Fall der ba•: möchte, dann muss die Bundesakademie für kul- Ist die Genehmigung in Niedersachsen verant- Ehlert: Ich wünsche mir exakt das, worauf sich turelle Bildung Wolfenbüttel (ba•) in Hessen bei wortungsvoll geprüft und erteilt, dann könnte die Arbeitsgruppe »Aus- und Weiterbildung für der Hessischen Lehrkräfteakademie akkreditiert sie doch auch in allen anderen Bundesländern den Arbeitsmarkt Kultur und Medien« des Deut- sein. In Niedersachsen ist die ba• generell akkre- gelten. Ebenso ließe sich mit den Fortbildun- schen Kulturrates hat einigen können. Hier wur- ditiert und pflegt ihr für Lehrerinnen und Leh- gen für Lehrer und Lehrerinnen verfahren: ein de von Expertinnen und Experten aus der Pra- rer geeignetes Programm in die entsprechende Land akkreditiert, die andern übernehmen die xis zusammengetragen, was erforderlich ist, um Datenbank des Landesservers ein. Entscheidung und bieten die passenden Kurse die Weiterbildungsmöglichkeiten in Kultur und für ihre Lehrer und Lehrerinnen an. Medien zu verbessern und die Weiterbildungs- Wiechern: Welche Instanzen entscheiden da- einrichtungen zu stärken. Ich freue mich auf die rüber, ob eine Weiterbildungsmaßnahme sich Wiechern: Wie wichtig ist der Faktor der Frei- Veröffentlichung und hoffe dann auf die Umset- für die Freistellung qualifiziert? stellung für die potenziell Interessierten? zung möglichst vieler Vorschläge. Ehlert: Der Bearbeiter bzw. die Bearbeiterin des Ehlert: Nun, sehr wichtig, bekommen sie die Andrea Ehlert leitet den Programmbereich Antrags, den wir zunächst in Niedersachsen ein- Freistellung nicht, müssen Sie Urlaub nehmen, Kulturmanagement, -politik, -wissenschaft der reichen müssen – in Niedersachsen ist die Agen- und eine Woche Urlaub, das überlege ich mir Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfen tur für Erwachsenen- und Weiterbildung in Han- schon genauer. büttel — Anna Wiechern ist Referentin für nover dafür zuständig. Das bei Genehmigung er- Kultur und Bildung beim Deutschen Kulturrat haltene Aktenzeichen teilen wir dem Teilneh- Wiechern: Gibt es neben dem Bildungsurlaub menden mit, der dann Bildungsurlaub z. B. in noch weitere gesetzliche Fördermaßnahmen, Thüringen bei der dort verantwortlichen Stel- die die Inanspruchnahme von Weiterbildung le beantragen muss. erleichtern? Bei den Lehrerinnen und Lehrern ist die zu- ständige Person in der zuständigen Behörde des Ehlert: Ja, es gibt zum Beispiel noch die Bil- Informationen zu Bildungsgutscheinen der jeweiligen Bundeslandes, sofern die ba• dort ak- dungsgutscheine der Arbeitsagentur. Sie kön- Arbeitsagentur: www.ibb.com/bildungsgutscheine/ kreditiert ist. nen beispielsweise für berufsbegleitende oder bildungsgutschein-der-arbeitsagentur-und-des- zum Beruf qualifizierende Angebote der Aus- jobcenters Wiechern: Gibt es eine Art Kriterienkatalog, an und Weiterbildungsdatenbank KURSNET ge- dem sich bereits in der Konzeption eines Pro- nutzt werden. Das Land Nordrhein-Westfalen Informationen zum Bildungsscheck NRW: gramms orientiert werden kann? gibt Bildungsschecks aus, die vom Europäi- www.weiterbildungsberatung.nrw/foerderung/ schen Sozialfonds finanziert werden. Das Land bildungsscheck fördert damit Weiterbildungsmaßnahmen für kleine Unternehmen in NRW. Gefördert wer- Informationen zur Bildungsprämie des Bundes: den 50 Prozent der Weiterbildungskosten bis https://www.bildungspraemie.info/de/ maximal 500 Euro pro Teilnehmer bzw. Teil- der-pr-miengutschein.php nehmerin. Die Bundesakademie Wolfenbüttel erkennt diese Bildungsschecks an. Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus NRW also können die Schecks bei uns einlösen. WEITERBILDUNG: RAHMENBEDINGUNGEN 9
DIGITALISIE- RUNG 10 ARBEITSMARKT KULTUR — № 4/4
AKADEMIE M it der »Akademie für Digitalität und Darüber hinaus werden tradierte Arbeitsstruk- Theater« entsteht in Dortmund ein eu- turen und -hierarchien an den Theatern ana- ropaweit einzigartiges Modellprojekt lysiert und im Hinblick auf den digitalen Wan- FÜR für Digitale Innovation durch Künstle- rische Forschung und Technikorientierten Wis- del neu gedacht. Die Weiterbildungen werden von renommierten Experten aus Wissenschaft, DIGITALITÄT senstransfer. Dafür vernetzt sie in einer völlig neuartigen Struktur Partner aus Wirtschaft, Kul- tur und Wissenschaft. Strukturell ist die Akade- Wirtschaft und Kultur geleitet. Halbjährlich vergibt die Akademie neun For- schungsstipendien an herausragende Künst- UND mie als sechste Sparte in das Theater Dortmund eingebunden – Partner sind die Wirtschaftsför- ler, Techniker oder Wissenschaftler. Voraus- setzung ist ein abgeschlossenes Studium, rei- THEATER derung Dortmund, der Deutsche Bühnenverein und die Deutsche Theatertechnische Gesell- schaft (DthG). che Berufserfahrung und/oder eine besondere künstlerisch-technische Begabung in den Berei- chen Digitalität und/oder Darstellender Kunst. TO B I A S E H I N G E R Die Digitalisierung der Technik und der Ar- Zielsetzung ist die Anwendung und Entwick- beitsabläufe in den großen Veranstaltungshäu- lung von innovativer, digitaler Veranstaltungs- sern wie z. B. den Stadttheatern geht derzeit nur technik auf höchstem technologischem Niveau, schleppend voran. Weiterbildung, Qualifizie- um einerseits neue künstlerische Ausdrucksfor- rung der Mitarbeiter und Wissenstransfer zwi- men (Digitale Narration) und andererseits das schen der freien Wirtschaft, wissenschaftlichen effektive Zusammenwirken von traditionellem Einrichtungen und Kulturanbietern findet viel und modernem Bühnenhandwerk zu ermögli- zu wenig statt, um den Herausforderungen ad- chen (Prozessoptimierung). äquat zu begegnen und Veranstaltungstechnik Langfristig geht es um die Entwicklung und auf notwendigem Niveau zu entwickeln. Verbreitung von innovativen Lösungen für die Ziel der Akademie ist es die deutschen Thea- stark wachsenden Bedarfe der Darstellenden ter und Kulturinstitute für die kommenden He- und Bildenden Künste in den Bereichen »Vir- rausforderungen in der Digitalen Moderne zu tual Reality«, »Augmented Reality«, »Motion qualifizieren und die Möglichkeiten der digita- Capture«, »3D-Animation«, »Sensorik«, »Robo- le Narration zu erkunden. Die Akademie vereint tik« und »Künstliche Intelligenz«. technisch künstlerische Forschung mit Weiter- Ein zeitgenössisches und zukunftsweisen- bildung und der unmittelbaren praktischen An- des Theater für die Digitale Moderne verlangt wendung im Kulturbetrieb – in Dortmund, in neue Methoden und Inhalte in der Ausbildung, Nordrhein-Westfalen und weit darüber hinaus. ergänzend zu den traditionellen Studiengän- Am Theater Dortmund hat Schauspiel-Inten- gen in der Darstellenden Kunst. Deswegen soll dant Kay Voges mit seinem Team in den vergan- mittelfristig als dritter Schwerpunkt in Koope- genen Jahren Pionierarbeit auf dem Gebiet der ration mit den Hochschulen ein künstlerisch- Digitalisierung des Theaters geleistet und mit technologischer Master-Studiengang »Theater digitalen, interdisziplinären Arbeiten überre- und Digitalität« eingeführt werden, der Spezi- gional beachtete Erfolge gefeiert (z. B. Die Bor- alisten für das Theater der kommenden Gene- derline Prozession, Die Parallelwelt). rationen ausbildet. Der Zeitpunkt für eine solche Gründung könnte besser nicht sein. Die Politik hat die Di- Tobias Ehinger ist Geschäftsführender gitalisierung als das zukunftsweisende The- Direktor des Theater Dortmund ma schlechthin erkannt. Auch die Stadt Dort- mund setzt seit Jahren auf die Unterstützung und Ansiedelung von Unternehmen im Bereich IT und hat mit dem Hardware Medienkunstver- ein (HMKV) einen der progressivsten Ausstel- lungsorte für Medienkunst Europas direkt im Herzen der Stadt. Inhaltlich gliedert sich die Akademie in die Bereiche Weiterbildung, Forschung und Studi- um. In bundesweit ausgeschriebenen Blockse- minaren für die technisch-handwerklichen und technisch-künstlerischen Berufe am Theater werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit den neuesten Entwicklungen in Soft- und Hardware vertraut gemacht. 1904 wurde das Theater Dortmund bereits eröffnet. Es hat als erstes Theater in Deutschland mit der Akademie für Digitalität und Theater eine 6. Sparte. WEITERBILDUNG: DIGITALISIERUNG 11
MEDIEN- A ls ich vor über 20 Jahren in die Bildungs- Eine repräsentative Umfrage zur Digitalisie- branche kam, hatte ich das große Glück rung der Bildungsbereiche, in deren Rahmen in einem sehr visionär geführten Bil- das mmb Institut Personen, Lehrende, Einrich- VIELFALT dungsunternehmen arbeiten zu dür- tungsleiter und Experten befragt hat, zeigt die fen. Neben vielen persönlich/berufli- Instrumente des e-Learnings auf. Als das belieb- BRINGT chen Highlights war die Auseinandersetzung mit »Telelearning«, »Telearbeit« (ja, so hieß das teste Medium stehen für 60 Prozent der Befrag- ten Videoangebote an erster Stelle, darüber hi- seinerzeit) besonders spannend. Die Learntec, naus werden soziale Netzwerke und Lern-Apps VIELE deren zentrale Themen seit ihrem Gründungs- genannt. Die Formate, die das berufliche Lernen jahr computergestütztes Lernen und Multime- dominieren, sind WBTs, Webinare und Power- CHANCEN dia sind, floriert bis heute. Auch wir gehörten zu point-Präsentationen. Blended Learning Kon- den frühen Anbietern, die kreative und innova- zepten, also die kluge Kombination von Präsenz- tive Ideen und Lösungen angeboten haben. Sehr und e-Learning Angeboten, wird von überwäl- M O N I K A KO L B teuer waren virtuelle Lerneinheiten und -um- tigenden 97 Prozent der Befragten in den kom- gebungen seinerzeit und natürlich beherrsch- menden drei Jahren eine zentrale Bedeutung te eine ganz zentrale Frage die Szene: Wird es zugesprochen. Darüber hinaus erweist sich KI- denn Trainer, den Klassen-/Seminarraum und basiertes Lernen als der Trend schlechthin, um bestehende Lernkonzepte in Zukunft noch ge- Lernsituationen noch individueller zuschnei- ben oder wird zukünftig alles durch virtuelle den zu können. Lösungen ersetzt werden? Vor knapp 18 Jahren Als zentrale Aus- und Weiterbildungseinrich- entwickelten wir also schon teure Lerneinhei- tung der Buchbranche integrieren auch wir am ten (cbts), zum Beispiel um eine fünftägige Prä- mediacampus frankfurt in nahezu allen Forma- senzschulung für eine SAP-Einführung zu kür- ten e-Learning Angebote. Die Präsenzphasen zen oder wir beschäftigten uns mit einem Pi- sowohl unserer verschiedenen Fachwirtfortbil- lotprojekt »Abitur Online«, des Landes Nord- dungen als auch des Studiums werden jeweils rhein-Westfalen, für das wir ein pädagogisches durch zahlreiche Webinare flankiert. Der Ein- Konzept entwickelten. Bei diesem Pilotprojekt satz der Lernplattform Moodle bietet die Mög- ging es darum, dass es berufstätigen oder fami- lichkeit, hochgeladene Aufnahmen von Webi- liär eingebundenen Erwachsenen möglich sein naren und ergänzendes Unterrichtsmaterial ab- sollte, einen höherwertigen Bildungsabschluss zurufen, um ein qualitativ hochwertiges und mit zu erwerben. Der Lehrgang musste also ein ho- der eigenen Lebenssituation vereinbares Ler- hes Maß an zeitlicher Flexibilität bieten. Dies nen zu ermöglichen oder sie wiederholt zur Prü- wurde dadurch gewährleistet, dass die Hälf- fungsvorbereitung als Lernangebot anzusehen. te des Präsenzunterrichts durch computerge- Unser Weiterbildungsangebot wartet unter an- stützte Angebote ersetzt wird und die Teilneh- derem mit vielfältigen Webinaren auf und bie- mer Selbststudium betreiben oder sich in vir- tet ebenso Videokurse, die individuell abgeru- tuellen Lerngruppen austauschen. Das war im fen werden können. Unsere Fortbildung »Füh- Jahr 2000! ren im Digitalen Zeitalter« macht ihrem Namen Die aufgewühlte Diskussion um das e-book alle Ehre: Sie umfasst fünf Online-Videokurs- und klassische Printbuch erinnerte mich in den reihen, in denen Experten zu verschiedenen Be- letzten Jahren sehr stark an die ebenso emo- reichen ihr Wissen weitergeben. Diese sind fle- tionalen und fast schon erbitterten Diskussi- xibel von überall aus abrufbar und lassen sich so onen, die seinerzeit geführt wurden. Bei bei- gut in den Berufsalltag eingliedern. In drei We- den Diskussionen kam – Stand heute – heraus, binaren und Expertengespräche sind die Teil- dass das eine Medium nicht das andere Medi- nehmer dazu aufgerufen, interaktiv zu lernen um ersetzen wird. Im Gegenteil. Die Medien- und vom Schreibtisch aus mit anderen Teilneh- vielfalt bringt viele Chancen für Nutzer, Leh- mern und den Experten zu diskutieren. rer und Trainer und natürlich Bildungsanbie- Blickt man zurück, kann man den anfänglich ter. Was aber genau versteht man heute unter erbitterten Diskussionen rund um das e-Lear- e-learning Lösungen? Für wen konkret bringen ning viel Positives abgewinnen: Die Aufmerk- sie einen Nutzen? samkeit, die diesem Thema geschenkt wurde Die durch e-Learning ermöglichte zeit- und – natürlich aber auch die technische Entwick- ortsunabhängige Bereitstellung von Lernma- lung – , hat zu immer neuen Innovationen ge- terialien in einer virtuellen und didaktisch führt und die Angebote und Chancen zur Indi- gut aufbereiteten Lernumgebung, ermöglicht vidualisierung verbessert, sodass lebenslanges die individuelle Anpassung an den jeweili- Lernen für jeden möglich ist. gen Wissensstand und die Lerngeschwindig- keit der Teilnehmenden. Inhalte können inter- Monika Kolb ist Geschäftsführerin aktiv mitgestaltet und stets wiederholt wer- des mediacampus frankfurt und den, da der Stoff online dokumentiert ist. Den Bildungsdirektorin vom Börsenverein unterschiedlichen Herausforderungen für die des Deutschen Buchhandels Weiterbildung kann so mit individualisierten, handlungsorientierten und effizienten Lösun- gen begegnet werden. 12 ARBEITSMARKT KULTUR — № 4/4
35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bilden das feste Team des mediacampus frankfurt plus 22 feste Dozenten und Dozentinnen. WEITERBILDUNG: DIGITALISIERUNG 13
NEU ORIENTIERUNG 14 ARBEITSMARKT KULTUR — № 4/4
DIE ARBEIT Um als Berufsanfänger in die Vermittlungskar- tei der ZAV-Künstlervermittlung im Bereich der darstellenden Kunst sowie der Orchester- Die herkömmlichen beruflichen Alternativen für Schauspieler, Tänzer und Sänger, als Dozen- ten, Choreografen, Logopäden, Yogatrainer o.ä. DER ZAV- musik zu gelangen, ist ein einschlägiger quali- fizierender Studienabschluss notwendig oder, unterzukommen reichen aber bei weitem nicht aus oder bieten, wie das Angebot als Callcen- KÜNSTLER- bei bereits berufsausübenden Künstlern, der Nachweis professioneller Berufserfahrung in der jeweiligen Sparte. Die Qualitäten, Fähig- ter-Agent zu arbeiten, für künstlerisch qualifi- zierte Menschen keine befriedigende Berufs- perspektive bis zum Renteneintritt. Um bessere VER- keiten und Eigenschaften der zu vermitteln- den Künstlerinnen und Künstler lernen die Ar- Optionen für einen qualifizierten Berufsumstieg aus dem Künstlerbereich aufzuzeigen, wurde MITTLUNG beitsvermittler der ZAV-Künstlervermittlung bei branchenüblichen Präsentationen (z. B. Vor- sprechen, Vorsingen etc.) und durch Vorstel- vor 1 1/2 Jahren das Beratungsportfolio der ZAV- Künstlervermittlung durch das ZAV-Transition Projekt erweitert. B E AT E DA R I U S lungsbesuche kennen. Eine Aufnahme von Ar- Die Arbeitshypothese ist: Menschen mit breit beitsuchenden in den Bereichen Unterhaltung, aufgestellten künstlerischen Biographien verfü- Werbung und Stab/Technik erfolgt nach bran- gen über zahlreiche Qualifikationen, die in an- chenspezifischen Kriterien im Rahmen eines deren Betätigungsfeldern gewinnbringend ein- Aufnahmegespräches. gesetzt werden können. Aufgabe des Transition- Die Anforderungen der zu besetzenden Stel- Teams war es zunächst, Kompetenzprofile aus len werden individuell und in enger Abstim- den künstlerischen Berufen zu erstellen, sich D ie ZAV (Zentrale Arbeits- und Fachver- mung mit den Arbeitgebern erfasst. Die ZAV- mit diesem Kompetenzangebot an den Arbeit- mittlung) ist mit ihren verschiedenen Künstlervermittlung erfüllt so die erforderli- geberservice der Agenturen für Arbeit zu wen- Fachbereichen eine spezielle Einrich- che und von den Arbeitgebern gewünschte Fil- den und Quereinstiegsmöglichkeiten in Indus- tung der Bundesagentur für Arbeit. Der Schwer- terfunktion und kann begründet und passgenau trie und Wirtschaft zu eruieren. Daneben wur- punkt liegt auf der Beratung und Vermittlung Vermittlungsvorschläge unterbreiten. de eine Recherche angestoßen, ob und inwie- besonderer Zielgruppen. Die ZAV-Künstlerver- Anders als bei handwerklich-technischen Be- weit Künstler bereit und in der Lage sind, sich mittlung betreut an bundesweit sieben Stand- rufen im Kulturbetrieb, bei denen mittlerwei- beruflich mit einer Entwicklungsperspektive orten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerkunden le Fachkräftemangel herrscht, ist im künstleri- in kunstfernen Institutionen oder Unterneh- aus den Sparten Sprechtheater, Musikthea- schen Bereich – insbesondere bei Schauspielern – men einzubringen. ter (Oper, Musical, Tanz, Orchester), Film/TV ein Überangebot an Bewerbern zu konstatieren. Das ZAV-Transition-Projekt ist vom gleichen (Schauspiel, Stab/Technik) sowie Show, Musik, Das Angebot an Jahres- oder Stückverträgen an Leitbild wie die ZAV-Künstlervermittlung getra- Fashion, Werbung, Komparserie und Statisterie. Theatern, an Drehtagen ebenso wie an Jahres- gen: »Experten beraten Experten«. Die Transi- Die ZAV-Künstlervermittlung vermittelt darstel- verträgen für TV Serien ist durch stagnierende tion-Berater verfügen selbst über langjährige lende Künstlerinnen und Künstler sowie Bewer- Budgets begrenzt und in den letzten Jahren so- Berufserfahrung innerhalb und außerhalb des berinnen und Bewerber aus künstlerisch-tech- gar rückläufig. Dem steht eine Vielzahl an Be- Kulturbereichs und bieten den Beratungskun- nischen Berufen rund um Bühne und Kamera. werbern nicht nur der Staatlichen Hochschulen, den ihre Expertise auf der Suche nach berufli- Die Arbeitsvermittler der ZAV-Künstlerver- sondern auch der privaten Schauspielschulen, chen Alternativen an. mittlung arbeiteten vor ihrer Tätigkeit bei der Musical- und Filmakademien gegenüber. Wün- Künstler können hier ihre Gedanken zur be- ZAV in ihrer jeweiligen Sparte mehrjährig in schenswert wäre eine Qualitätssicherung der ruflichen Neuorientierung besprechen und sich etablierten kulturellen bzw. medialen Einrich- Ausbildung, also die Festschreibung gewisser über Umsetzungs- und Fördermöglichkeiten tungen und verfügen über eine fundierte fach- Ausbildungsstandards. Hierzu gibt es bereits austauschen. Der Vermittlung auf eine Stelle liche Expertise. Mit Marktbeobachtung und ak- eine Initiative seitens des Deutschen Bühnen- findet gegebenenfalls in Kooperation mit dem tiver Netzwerkarbeit in der Branche verschaffen vereins. Arbeitgeberservice der jeweiligen Agentur für sie sich einen Überblick über die Entwicklun- Aufgrund der Vielzahl an Bewerbern auf ei- Arbeit statt. Das Transition-Projekt, das erfreu- gen in der jeweiligen Sparte im deutschspra- nem begrenzten Kulturmarkt ist auch ein im- licherweise unter der Schirmherrschaft von Kul- chigen Raum. mer breiteres Fort- und Weiterbildungsange- turstaatsministerin Monika Grütters steht, be- bot entstanden, das die Berufschancen steigern findet sich noch in der Aufbauphase, zeigt aber soll. Für Künstler, denen der Berufseinstieg auf- bereits erste Erfolge. grund der Marktsituation nicht gelingt und für diejenigen, die aus persönlichen oder Karrie- Beate Darius ist Arbeitsvermittlerin regründen ihren jeweiligen künstlerischen Be- bei der ZAV-Künstlervermittlung im ruf nicht mehr existenzsichernd ausüben kön- Bereich Schauspiel/Bühne nen, was bei bei Tänzern und Sängern im mitt- leren Lebensalter evident ist, ergibt sich unter Umständen die Notwendigkeit zur beruflichen Umorientierung. 289 Absolventinnen und Absolventen der Musik- und Theaterhoch- schulen im deutschsprachigen Raum des Jahrgangs 2018/2019 sind bei der ZAV verzeichnet. WEITERBILDUNG: NEUORIENTIERUNG 15
TANZ Eine Studie in Zusammenarbeit mit Cornelia Dümcke, gefördert u. a. vom Fonds Darstellen- de Künste und ein Workshop mit den relevanten In den letzten Jahre konnten viele positive Entwicklungen angestoßen werden, allerdings bleibt noch vieles zu tun. Ein Dauerthema ist UND Ministerien und Institutionen unterstützt von Tanzplan Deutschland, einer Initiative der Kul- die Bundesagentur für Arbeit: Weiterbildungen werden nur für zwei Jahre finanziert, was jedoch DANACH? turstiftung des Bundes, bestärkten Inka Atassi und Sabrina Sadowska, dass es an der Zeit war in Deutschland mit bürgerschaftlichem Enga- bei unverkürzbaren Ausbildungsdauern wie z. B. für Physiotherapie nur in Ausnahmefällen rea- lisierbar ist – es muss sich also ein Träger finden, S A B R I N A S A D OWS K A gement aktiv zu werden. der nach der Ausbildung auch direkt eine An- Am 17. Dezember 2009 reichten die beiden stellung anbietet und das dritte Ausbildungsjahr ehemaligen Tänzerinnen die Satzung der Stif- finanziert. Für eine Verbesserung bedarf es ei- tung TANZ – Transition Zentrum Deutschland ner Änderung im SBG II. Das Transition Modell beim Berliner Senat ein und am 19. Januar 2010 in Holland ermöglicht den Bezug von Arbeitslo- wurde die Stiftungsurkunde vom Berliner Se- sengeld I auch während eines Studiums. Dazu nat ausgestellt. Namhafte Persönlichkeiten aus müsste eine Ausnahmeregelung in der Sozial- J ahrzehntelang wurde das Thema Transiti- Kultur, Politik und Gesellschaft konnten für gesetzgebung ermöglicht werden. Häufig wer- on von Tänzern innerhalb der Tanzwelt ta- den Vorstand und Kuratorium gewonnen wer- den für Tänzer spezifische Berufskrankheiten buisiert, verdrängt und gesellschaftlich als den. Kuratoriumsvorsitzender ist seither John nicht anerkannt, seltener sind es Berufsunfäl- nicht relevant erachtet. Philippe Braun- Neumeier le. In allen Fällen eine Odyssee für jeden Tän- schweig, der große Mäzen, Gründer des Prix de Im August 2010 wurde die Geschäftsstelle zer durch den deutschen Bürokratendschungel. Lausanne und Förderer des Bejarts Balletts in am Kollwitzplatz in Berlin eröffnet. Dipl. Psy- Aber auch die Bühnen, Tanzhäuser wie auch die Lausanne, brachte 1993 die bereits existieren- chologin Heike Scharpff wurde engagiert und Tänzer selber müssen sich dem Thema Lifelong den Transition Zentren Großbritanniens, Ka- nahm die ersten Beratungen auf. Die Stiftung Learning stellen. Zur Selbstbestimmung gehö- nadas, Hollands und den USA zusammen und TANZ bietet nun seit bald zehn Jahren unent- ren mehr Eigenverantwortung, Selbstorganisa- gründeten die International Organisation for geltliche Beratung, Einzelcoaching, verschie- tion, die deutsche Sprache erlernen, Weiterbil- the Transition of Professional Dancer (IOTPD) dene Workshops zu Visionsentwicklung sowie dungsangebote in den eigenen Reihen ermögli- in Lausanne. 1995 und 1998 wurden die ersten Jahresgruppen zur Begleitung von Tänzern in chen, den Ausstieg aus der aktiven Karriere als internationalen Symposien in Lausanne und Transition, Vorträge in Kompanien und Tanz- Arbeitgeber begleiten und unterstützen. Tran- Den Haag organisiert, um Politik und Gesell- häusern mit anschließenden Beratungsmöglich- sition ist keine Einbahnstraße sondern ein ste- schaft aber vor allem auch das eigene Umfeld keiten so auch die Stipendien für Weiterbildun- tiger Dialog. für das Thema zu sensibilisieren. gen. Weit über 1.000 Tänzer und Tänzerinnen Die Stiftung TANZ ist inzwischen der An- Unbefriedigend war in Deutschland das Re- haben seit Stiftungsgründung das Angebot in sprechpartner für alle Institutionen und Minis- sultat der ersten Befassung durch den Deut- Anspruch genommen. terien in Sachen »Transition«. Sie ist weltweit schen Bundestag in der 14. Wahlperiode Druck- So verschieden und einmalig jeder Tänzer mit den anderen Transitionzentren und Pro- sache 14/6693 sowie 14/6493: Kleine Anfrage und jede Tänzerin ist, so individuell ist für je- grammen vernetzt und steht Pate bei auslän- zu »Ausbildung, Umschulung und sozialer Ab- den einzelnen der Transition Prozess. Für den dischen Initiativen, eigene Stiftungsprogram- sicherung von Tänzerinnen und Tänzer«. Weder einen beginnt der Prozess schon während der me zu entwickeln so in Polen, Tschechien, Slo- Bund noch Länder wollten sich zu dem Thema Ausbildung, für den anderen während der Kar- vakei oder Spanien. engagieren. Seit 1998 engagierte sich Sabrina riere oder für manche erst am Ende der Kar- Sadowska sowohl als Mitglied der Bundesdeut- riere. Einige finden mühelos den Übergang in Sabrina Sadowska ist Stifterin und Vorstands schen Ballett- und Tanztheaterdirektorenkonfe- ein neues Leben, andere bedürfen viel Zuwen- vorsitzende Stiftung TANZ-Transition renz (BBTK) und ab 2006 der Ständigen Konfe- dung in schwierigen Phasen von Trauer, Angst Zentrum Deutschland und Ballettdirektorin an renz Tanz e. V. um die Errichtung eines entspre- und Ziellosigkeit. Allen gemeinsam ist die enge der Städtischen Theater Chemnitz gGmbH chenden deutschen Pendants. Erfolgreich konn- Verknüpfung zwischen dem Tänzerberuf und te das Thema Transition im Abschlussbericht der dem daraus entwachsenen Identitätsbewusst- Enquete-Kommission des Deutschen Bundes- sein. Wichtig ist die eigene intensive Auseinan- tags »Kultur in Deutschland« platziert werden dersetzung und Reflektion, zur Klärung der ak- und mit der Handlungsempfehlung an Bund und tuellen psychischen Situation. Die eigenen Be- Länder: »Tänzer während und nach der Tanz- dürfnisse, Kompetenzen und Prioritäten wer- karriere durch die Errichtung einer entspre- den definiert, um darauf basierend eine Vision chenden Stiftung ›Transition‹ … zu unterstüt- aufzubauen. Auf keinen Fall geht es darum, Pro- zen« (BT 16/7000 S. 371) war ein erster Durch- gramme der Arbeitsagentur zu bedienen oder bruch erreicht. dem Dernier Cri der Weiterbildungsangebote nachzukommen. Als zweiten Schritt wird ein Finanzierungskonzept entwickelt, dabei kön- nen auch bis zu dreimal pro Jahr Stipendien be- antragt werden. 16 ARBEITSMARKT KULTUR — № 4/4
MADE D er »Global Compact for Safe, Order- Bei der Bildungs-Beratung herrscht erst einmal ly and Regular Migration«, der auf der Sprachlosigkeit. Nur mühsam lässt sich vermit- UN-Konferenz in Marrakesch im De- teln, dass eindrucksvolle Aufnahmen im neuen IN zember 2018 verabschiedet wurde, nennt 23 Zie- le, darunter die berufliche Integration von Mig- Berufsleben nicht alles sind. Der Fotograf wird sich nur dann in seinem Beruf behaupten, wenn LIBERIA rant und Migrantinnen. Angestrebt werden u. a. Investitionen in Aus- und Weiterbildung sowie »die Erleichterung der gegenseitigen Anerken- er das Regelwerk lernt und beherrscht. Ohne diese Kenntnisse ist er leichte Beute für Bild- diebe oder die Abmahnindustrie. WITH nung von Fertigkeiten, Qualifikationen und Kompetenzen.« Zwei weitere Praxis-Beispiele: Einer arabi- schen Informatik-Lehrerin wird, nach der Aner- LOVE. Was in der Gipfelsprache etwas abstrakt daher kommt und unter dem Schlachtwort des »Migra- tions-Pakts« von rechter Seite scharf bekämpft kennung als Flüchtling, sofort nahe gelegt, ihre berufliche Zukunft in der Altenpflege zu suchen. Offenbar genügt hier das Qualifikationsmerk- ANNE SCHULZ wurde1 ist nichts anderes als geduldige, manch- mal Frau. Dass quer durch die Republik Infor- mal kleinteilige Integrationsarbeit, die beiden matik-Lehrer und Lehrerinnen händeringend zu Gute kommen kann: der Migrantin bzw. dem gesucht werden und Englisch eine Lingua franca Migranten und der Gesellschaft, in der sie leben der IT-Branche ist – geschenkt! Statt Deutsch- werden. Eine Integrationsarbeit, die wertschät- kurs also die Einführung in Gerontologie. Oder: zend mit dem umgeht, was Migranten und Mi- Ein bekannter Kunsthandwerker aus Syrien soll, grantinnen aus ihrem vorherigen Leben retten ohne langes Federlesen, Zweiradmechatroni- konnten: Kenntnisse und Fertigkeiten. In der ker werden. Nichts gegen Fahrräder. Aber wer Bundesrepublik existieren bereits zwei Wege, die Tradition des arabischen Kunsthandwerks Umfang und Wert von Qualifikationen zu er- kennt, wird sich fragen, ob dieses Wissen nicht mitteln. Die Zentralstelle für ausländisches Bil- für Kulturinstitutionen und/oder in Betriebe des dungswesen (ZAB) der Kultusministerkonferenz Kunsthandwerks interessant wäre?! und das Verfahren zur »Feststellung der Gleich- Eine professionelle, branchengerechte Bil- wertigkeit von Berufsqualifikationen« unterstüt- dungsberatung kann die beruflichen Anforde- zen Migranten und Migrantinnen sowie Unter- rungen im Kultur- und Medienbereich einbe- nehmen dabei, realistisch einzuschätzen, ob das ziehen, realistisch Karriereperspektiven abwä- Qualifikationsprofil mit im Inland erworbenen gen und Hinweise geben, wo und wie fehlen- Abschlüssen vergleichbar ist bzw. ob Wissenslü- den Kenntnisse zu erwerben sind. Wird nicht cken bestehen, die etwa durch Fortbildung be- auf dem vorhandenen Wissen aufgebaut, ge- hoben werden können. Für den Kultur- und Me- schieht das, was geradezu die Vernichtung von dienbereich sind hier auch Branchenkenntnisse, beruflichen Fähigkeiten und dem darauf grün- Phantasie und Kontakte gefragt. dendem Selbst-Bewusstsein des Individuum ist. Und letztlich einen Verlust an kulturellem 164 Reichtum für Alle bedeutet. Inzwischen gibt es viele einzelne Beispiele, wie migrierte Kultur- und Medienschaffende mit ihren Qualifikationen wertschätzend auf- genommen werden. Dies muss durch fachliche Beratung und systematische Unterstützung bei Staaten haben den UN-Migrationspakt angenommen und verpflichten der langfristigen beruflichen Integration ergänzt sich die Anerkennung von Qualifikationen von Migranten zu erleichtern. werden. Ein praktisches Beispiel aus dem Beratungs- Anne Schulz ist Referentin für Internationale alltag: ein Fotograf aus Afrika flieht in die Bun- Medien/Europäische Öffentlichkeit desrepublik. Mit Foto-Equipment, Bildbearbei- am Gustav-Stresemann-Institut in Bonn tung, Ästhetik und der Beratung der Kunden und Kundinnen kennt er sich aus. Er ist web- afin und kann grenzüberschreitend arbeiten. Die Sprachprobleme sind gering, mit Englisch und dem neu erworbenen Deutsch kommt er im Berufsalltag gut zurecht. Was ihm aber, buch- stäblich, ein Buch mit sieben Siegeln ist: das deutsche Urheberrecht, das Rechtssystem ins- gesamt. Das ist ihm so fremd, dass er anstelle eines Impressums den wunderbaren Satz ver- wendet: »Made in Liberia with love.« 1 »Pakt« besitzt häufig eine negative Konnotation: vom »Pakt mit dem Leibhaftigen« bis zum »Warschauer Pakt« alias Warschauer Vertrag. WEITERBILDUNG: NEUORIENTIERUNG 17
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