Aufbruch - Hochschule Luzern Das Magazin
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Hochschule Luzern JUNI 2016 Das Magazin INTERVIEW Keine Kompromisse: Irène Schweizer über den Jazz und ihr Leben LUFTFAHRT Mit Powerline Communication leichter fliegen STUDIE ZUR SOZIALEN ARBEIT Wenn Misstrauen zur Routine wird NEULAND EROBERN Aufbruch
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2 / 16 Inhalt 04 SPEKTRUM News und Namen DOSSIER: AUFBRUCH 30 HILFE FÜR START-UPS Das Geheimnis ihres Erfolgs 32 ALPINE SIEDLUNGEN Architektur meets Archäologie 33 ZEITGENÖSSISCHE MUSIK Offene Ohren für Neue Musik 34 LUFTFAHRT Leichter fliegen dank Luzerner Technologie 38 SOZIALE ARBEIT 10 UMZUG AUF EIN INDUSTRIEAREAL 20 ORTSWECHSEL Wenn Misstrauen zur Routine Und dann kam Design & Schöne Aussichten wird Kunst 24 CHANGE MANAGEMENT 42 GEMEINDEPLANUNG 14 INFORMATIK AN EINEM ORT Reiseleitung gesucht Immer einen Schritt voraus Neustart im Garten 26 INTERVIEW IRÈNE SCHWEIZER 44 WERKSCHAU 2016 16 INFOGRAFIK ZU DEN STANDORTEN «Das sollte verboten sein!» Ganz schön sozialbewusst Es kommt zusammen, was zusammengehört 29 UMFRAGE Wann haben Sie zuletzt etwas 18 PLÄDOYER zum ersten Mal gemacht? Verortung schafft Identität Fotos: Dmitr y A . Mottl / Pr iska Ketterer 46 AGENDA 49 MEDIENECHO Titelillustration: Philip Schaufelberger schloss 2010 das Bachelor-Studium an der Hochschule Luzern im Fachbereich Illustration mit dem Schwerpunkt Fiction ab. Er lebt und arbeitet als freischaffender Illustrator. 50 ABSOLVENT www.daslip.ch Hochschule Luzern 2 | 2016 3
SPEKTRUM Ausgezeichneter 44 Prozent aus der Zentralschweiz Kundennutzen 323 Ausland Im letzten Jahr wurde die Hochschule Luzern nach dem international aner- 94 5 kannten Excellence-Modell der Euro- 75 N S, B h ic or L, 8 B pean Foundation for Quality Manage- r dw S O Zü es , AG ment (EFQM) beurteilt und aufgrund ts ch we des positiven Assessments für den zi ESPRIX Swiss Award for Excel- 6’044 lence 2016 nominiert – dies als erste 619 Studierende an der Hochschule Luzern 486 Schweizer Hochschule. Der Preis gilt Bern Ostschweiz, als höchste nationale Auszeichnung Fürstentum Liechtenstein AR, AI, GL, GR, SG, SH, TG im Bereich Qualitätsmanagement. Bei 2’634 der Verleihung erhielt die Hochschule Zentralschweiz Luzern den Preis in der Kategorie «Nut- LU, UR, SZ, S zen für Kunden schaffen». Parallel dazu ,V 2 E, z OW, NW, ZG VD , N ei 27essin 25 JU w erreichte sie als erste Hochschule in E, ch T , G ts FR es der Schweiz und in Deutschland die W Stufe «Recognised for Excellence 5*» im Im vergangenen Jahr besuchten 6’044 Studierende einen Bachelor- oder Master- EFQM-Modell. www.efqm.org Studiengang an der Hochschule Luzern, das sind rund zwei Prozent mehr als 2014. Aufgeteilt auf die sieben Fachhochschul-Regionen der Schweiz zeigt sich, dass die meisten Studierenden, nämlich knapp 44 Prozent, aus den sechs Zentralschweizer Kantonen kommen. Recognised for excellence 5 star - 2015 Internet der Dinge: Stromfresser entlarvt Lampen und Storen kommunizieren mit- weltweite Stand-by-Verbrauch von heute dererseits werden stromsparende Techno- einander, um sich je nach Lichtsituation jährlich knapp 10 Terawattstunden (TWh) logien unsachgemäss verwendet, womit sie automatisch abzustimmen, der Backofen bis 2025 auf 46 TWh ansteigen – das sind wirkungslos bleiben. Viele Netzteile sind in- kann per Smartphone gesteuert werden: rund drei Viertel des heutigen elektrischen effizient, wenn sie nur die geringe Leistung Immer mehr Alltagsgegenstände, aber auch Energieverbrauchs der Schweiz. Das Prob- für den Ruhezustand von der Steckdose Systeme zur Verkehrssteuerung werden lem ist, dass bei kabelgebundenen Geräten zum Gerät liefern müssen. Die Studie, die vernetzt und bilden das Internet der Dinge. Kommunikationstechnologien eingesetzt vom Technology Cooperation Program Dies soll nicht nur den Komfort oder die werden, die nicht stromsparend sind. An- 4E der Internationalen Energieagentur Sicherheit erhöhen, sondern vor allem (IEA) in Auftrag gegeben und vom im Bereich der Heimautomation hel- Bundesamt für Energie unterstützt fen, Energie zu sparen. Eine Studie des wurde, zeigt Lösungen auf: Bei den iHomeLab der Hochschule Luzern hat batteriebetriebenen Geräten kommen nun aber gezeigt, dass viele vernetzte schon gut funktionierende Techno- Geräte im Ruhezustand unnötig viel logien zum Einsatz, die wenig Strom Energie verbrauchen, zumindest jene, verbrauchen. «Werden diese bei den die nicht mit Batterie, sondern per Ka- kabelgebundenen Geräten eingesetzt, bel mit Strom versorgt werden. Weil könnte der Stand-by-Verbrauch mas- die Anzahl vernetzter Alltagsgegen- siv gesenkt werden», sagt Alexander stände stark ansteigen wird, könnte der Studienleiter Lukas Kaufmann im iHomeLab. Klapproth, Leiter des iHomeLab. 4 Hochschule Luzern 2 | 2016
SPEKTRUM Fruzsina Korondi und Anna Deér Forschung auf den Strich gebracht Forschungsprojekt «Silk Memory» in ein farbenfrohes Gemälde: fliessend der Stoff im Vordergrund, den die etwas hochmütig dreinblickende Dame vor dem Computer begutachtet. Die Forscherinnen im Projekt «Silk Memory» wollen in einer Design datenbank Seidenstoffe online zugänglich machen. Fruzsina Korondi und Anna Deér haben für das Pilotprojekt «Zeichnen über die For- schung» Forschenden des Departements Design & Kunst der Hochschule Luzern über die Schulter geschaut, sich in die Un- terlagen und Forschungsberichte vertieft und dann zum Stift gegriffen, um ihre Eindrücke zu illustrieren. Die Bandbreite der Bilder – von einfachen Illustrationen bis zu aufwendig kolorierten Bildern – spie- Die Bachelor-Studentinnen Anna Deér und Fruzsina Korondi (von links) illustrieren gelt auch die Vielfalt der Forschung wider. Forschungsprojekte. Anna Deér genoss die Arbeit daran, weil Die Illustratorin Fruzsina Korondi kann mit Begriffe genial-einfach illustriert: Das ist das sie ihre Vorliebe für die Designforschung, Sprühdosen alles ausdrücken. Auf einem Erfolgsrezept von Korondis Illustrationen zum die Freude an «geistig-theoretischer Bild nebeln sich zwei Dosen aggressiv in Projekt «What can art do?», in dem Forschen- Nahrung» mit der für Illustratoren typi- Farbe ein. Titel: «Konflikt». Eine Dose, de Aspekte politischer Kunst und deren Be- schen Suche nach passender Technik und weiss-rot-geringelt wie ein Leuchtturm, deutung für die Gesellschaft untersuchten. Bildsprache zusammenbringen konnte: bringt auf einem anderen Bild mit hellen Anna Deér, wie Fruzsina Korondi Absol- «Das war absolut erfüllend.» Sie hofft, das Sprühstreifen Licht ins Dunkel. Titel: ventin des Bachelor Illustration Fiction an Projekt in Zukunft mit anderen Studien «Vermittlung». Schwierig zu definierende der Hochschule Luzern, verwandelt das fortsetzen zu können. Fotos: Melk Imboden, Mar tin Vogel Komplexe Sachverhalte auf den Punkt gebracht: Illustration «Vermittlung» von Fruzsina Korondi und «Silk Memory» von Anna Deér. Hochschule Luzern 2 | 2016 5
SPEKTRUM Engagement in Südosteuropa Ein Tool für umweltfreundlichere Das Departement Soziale Arbeit der SAC-Hütten Hochschule Luzern will helfen, die Ju- gendarbeitslosigkeit in Mazedonien zu Viele Hütten des Schweizer Alpen- rechnen und vergleichen. Dazu sind im senken. Deshalb beteiligt es sich als Clubs (SAC) stehen auf über 2000 Me- Tool verschiedene Standardwerte hin- Teil eines Konsortiums an einem von tern und sind extremen klimatischen terlegt, zum Beispiel Kilowattstunden der Direktion für Entwicklung und Zu- Bedingungen ausgesetzt. Ihre Energie- pro Mittagessen oder die Nutzungs- sammenarbeit (DEZA) lancierten Pro- versorgung ist deshalb nicht einfach. grade der Raumheizung. Wichtigste jekt – das später eventuell auf weitere Strom liefern meistens Generatoren, Vergleichsgrösse in der Bewertung der Balkanstaaten ausgeweitet wird. «Wir Wasserkraft- und Photovoltaikanla- Varianten ist der CO2-Ausstoss. Der erarbeiten nun die Details. Wir wollen gen. Doch Generatoren sorgen für SAC will die Emissionen seiner 152 eng mit der lokalen Wirtschaft zusam- einen hohen CO2-Ausstoss, Wasser ist Unterkünfte reduzieren. Das SAC- menarbeiten», sagt Soziologe Bernard nicht überall genügend verfügbar, und Hütten-Energie-Tool liefert wichtige Wandeler von der Hochschule Luzern. Photovoltaikanlagen erfordern Batte- Entscheidungsgrundlagen, wenn es Dabei können er und sein Team auf die rien, um die Energie zu speichern. Ste- darum geht, zwischen betriebswirt- Erfahrungen zurückgreifen, welche hen also Um- oder Neubauten an, muss schaftlichen und ökologischen Aus- sie in Albanien gesammelt haben: Seit vor allem die Energieversorgung gut wirkungen abzuwägen. 2010 bildete das Departement Soziale geplant werden. Das Zentrum für In- Arbeit im Balkanstaat 40 Coachs von tegrale Gebäudetechnik ZIG der Hoch- lokalen Hilfsorganisationen und der schule Luzern hat in Zusammenarbeit staatlichen Arbeitsvermittlungsstelle mit Fachleuten des SAC ein einfaches aus, die Jugendliche aus Randgruppen Energie-Tool entwickelt, das die Hüt- wie den Roma bei der Integration in tenwartin und die Baukommission ein- den Arbeitsmarkt unterstützen. Das setzen können. Nach der Eingabe der Projekt mit der Stiftung Swisscontact Gebäude- und Betriebsdaten lassen sich wurde ebenso von der DEZA ins Leben Varianten der Energieversorgung be- gerufen. Die Kontakte führten dazu, dass Albanien auch bei der Reform Wie viele SAC-Hütten setzt auch des Sozialwesens auf das Know-how die Blüemlisalp auf Strom gewinnung aus Sonnenenergie. der Hochschule Luzern setzt: Jüngst reiste eine 19-köpfige Delegation in 308 die Zentralschweiz, um zu sehen, wie die Soziale Arbeit organisiert ist. Insbesondere interessierten sich die Sozialarbeitenden, die Fachpersonen diverser Ministerien sowie die Poli- tikerinnen und Politiker für die Zu- sammenarbeit von staatlichen Stellen mit Nichtregierungsorganisationen. Forschungsprojekte «Wir müssen das Rad nicht neu er- finden, sondern können gute Ansätze wurden an der Hochschule Luzern im Jahr 2015 mit nationalen und anderer Länder übernehmen», sagt internationalen Partnerinnen und Partnern neu gestartet. Das Forschungs- Delegationsleiterin Shpresa Spahiu, volumen betrug insgesamt mehr als 51 Millionen Franken. Direktorin von «Help for Children». Mit der Forschung & Entwicklung leistet die grösste Bildungsinstitution Das Programm führte die Delegation unter anderem zur Luzerner Sozial- der Zentralschweiz einen Beitrag zur Stärkung der Innovationskraft direktion, wo sie von Stadtrat Martin von Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. Merki empfangen wurde. 6 Hochschule Luzern 2 | 2016
SPEKTRUM Wohneigentum macht glücklich Flurin Müller Wohneigentümerinnen sind glücklicher als Mieter. Das zeigte vor zwei Jahren seit Jahren konstant», sagt Wanzenried. Um dem möglichen Umstand Rechnung Auf der Erfolgsschiene eine Umfrage des Bundesamts für Sta- zu tragen, dass die Kausalität allenfalls in tistik (BFS). Lässt diese Erkenntnis nun die andere Richtung gehen könnte, d.h., den Schluss zu, dass Wohneigentum dass nicht Wohneigentum die Zufrie- glücklich macht? Oder ist die allgemeine denheit bestimmt, sondern dass zufrie- Lebenszufriedenheit von Wohneigentü- denere Menschen eher Wohneigentum merinnen und Wohneigentümern hö- erwerben, tätigten die Forscherinnen her, weil sie in den meisten Fällen mehr zusätzliche Untersuchungen. Konkret verdienen, materiell besser gestellt und betrachteten sie die Zufriedenheit jener eher verheiratet sind – alles Faktoren, die Haushalte in der Stichprobe, die von das Glücklichsein positiv beeinflussen Mietern zu Eigentümern bzw. von Ei- können? Yvonne Seiler Zimmermann gentümern zu Mietern wurden – und bei und Gabrielle Wanzenried von der denen gleichzeitig alle anderen Faktoren Hochschule Luzern wollten es genauer der Zufriedenheit, wie Familienstruk- wissen. Sie analysierten Datensätze aus tur, Gesundheitszustand, Einkommen, den Jahren 2000 bis 2014 des Schweizer konstant blieben. Die Ergebnisse bestä- Im Frühling kaufte Xing das Zürcher Haushalt-Panels (SHP), einer Langzeit- tigen das Resultat, dass der Erwerb von Start-up BuddyBroker für 3,2 Millionen studie zum sozialen Wandel und zu den Wohneigentum einen positiven Einfluss Franken. Grund ist dessen Produkt eqipia, Lebensbedingungen der Bevölkerung in auf die Zufriedenheit hat. Wanzenried ein intelligentes Mitarbeitenden-Empfeh- der Schweiz. Sie kontrollierten den Ein- plädiert dafür, diese Resultate in die po- lungsprogramm: So können Unternehmen fluss von Wohneigentum mit anderen litischen Diskussionen zur Förderung die Empfehlungen und Netzwerke der Glücksfaktoren wie Haushaltseinkom- von Wohneigentum in der Schweiz ein- eigenen Mitarbeitenden beim Besetzen men, Familienstruktur, Wohnqualität zubeziehen. «Zumal die hiesige Wohnei- offener Stellen besser nutzen. Mit dieser und Gesundheitszustand. «Die Resul- gentumsquote mit rund 37 Prozent im Übernahme ihrer Firma landeten die tate erbringen empirische Evidenz, dass internationalen Vergleich niedrig ist und beiden Gründer Flurin Müller (30) und Wohneigentum die Zufriedenheit von die Schweiz den geringsten Anteil unter Patrick Mollet (39) einen Coup. «Es ist eine Schweizerinnen und Schweizern signifi- allen europäischen Ländern aufweist.» sehr schöne Bestätigung für unsere Arbeit kant erhöht. Und dieser positive Effekt ist www.hslu.ch/wohneigentum-zufriedenheit in den vergangenen Jahren», sagt Müller. «Wir hatten äusserst heikle Situationen zu überstehen.» Den Grundstein für seinen Erfolg als Unternehmer legte der gebürtige Bündner vor vier Jahren an der Hochschule Luzern: Für seine Bachelor-Arbeit in Wirtschaftsinformatik erarbeitete er einen Fotos: Hochschule Luzer n, zVg, Stocksy / Mattia Pelizzar i Businessplan und baute darauf sein Start-up auf. Doch seine Geschäftsidee – ein öffentliches Job-Empfehlungsnetzwerk – funktionierte nicht wie erhofft. «Wir konnten uns zu wenig von der Konkurrenz abgrenzen.» Deshalb schloss er sich mit Mollet zusammen, der mit seiner Firma ebenfalls im Personalbereich tätig war. Gemeinsam lancierten sie eqipia – u.a. bei Migros, Swisscom und SBB im Einsatz. Müller: «Seit wir zu Xing gehören, werden wir am Markt anders wahrgenommen.» Trautes Heim: Der Erwerb von Wohneigentum beeinflusst die Zufriedenheit positiv. Hochschule Luzern 2 | 2016 7
Aufbruch- stimmung In den nächsten Wochen wird mit rund 350 Studierenden und 110 Mitarbeitenden knapp die Hälfte des Departements Design & Kunst nach Emmen in die Viscosistadt ziehen. Zur gleichen Zeit packen auch die Informatikerinnen und Informatiker in Horw sowie ihre Kolleginnen und Kollegen der Wirtschaftsinformatik in Luzern die Kartons, um in Rotkreuz ein gemeinsames Gebäude zu beziehen. Bei beiden Departementen geht es im Herbst 2016 um mehr als um einen Umzug von A nach B. Das Departement Design & Kunst gibt mit der Übersiedlung nach Emmen mehrere kleinere Standorte auf. Und die verschiedenen Informatikdisziplinen, bisher erst organisa- torisch zu einem neuen Departement Informatik zusammengeführt, werden in Rotkreuz schliesslich auch räumlich zusammenfinden. Gemeinsame Orte schaffen Identität. Sie erleichtern die Zusam- menarbeit, verkürzen die Wege und machen auch ökonomisch Sinn. Bis 2019 wird die Hochschule Luzern ihre Standorte von 24 auf rund die Hälfte reduzieren und in Emmen, Rotkreuz und Luzern moderne Gebäude beziehen – in Zeiten wachsender Konkurrenz und schrumpfen- der Budgets der öffentlichen Hand ein Zeichen des Aufbruchs und des Optimismus. «Den Wind können wir nicht ändern», soll Aristoteles gesagt haben, «aber wir können die Segel richtig setzen.» Sigrid Cariola, Chefredaktorin Illustration: Philip Schaufelberger 8 Hochschule Luzern 2 | 2016
AUFBRUCH Das Hochschulgebäude wird neue Heimat für 350 Studierende und 110 Mitarbeitende. Direkt an der Kleinen Emme entsteht ein öffentlicher Park. Und dann kam Design & Kunst Im Sommer 2016 wird die Hälfte des Departements Design & Kunst in die Viscosistadt nach Emmen umziehen. Für das klassische Industrieareal ein Zeichen des Aufbruchs. Und für angehende Designerinnen und Künstler eine Chance, ihre Arbeit mitten in die Gesellschaft zu tragen. «Bau 745?» Die Frau in dem kleinen Der Zaun, der das 80’000 Quadratmeter herziehen. Studentinnen und Studenten Gebäude hinter der Abschrankung steckt grosse Industrieareal umgibt, wird abge- der Studienrichtungen Animation, Video, den Kopf aus der Tür und weist mit dem rissen, und im westlichen Teil, am Ufer der Camera Arts, Digital Ideation, Kunst & Finger auf die Strasse zwischen zwei Kleinen Emme, entsteht ein öffentlicher Vermittlung sowie des Master Fine Arts grauen, hohen Gebäuden. «Vorbei an 736 Park. werden in Bau 745 eine neue Wirkungs- und dann links. Passen Sie auf die Lastwa- Die Viscosistadt ist im Umbruch. Und stätte finden. gen auf.» Wer die Viscosistadt in Emmen sie ist ein Ort des Aufbruchs. Ab Septem- betritt, ist im Moment noch so etwas wie ber werden 110 Mitarbeitende und rund Ein Quartier entwickelt sich In den ein Eindringling. Das soll sich in den 350 Studierende – das ist rund die Hälfte 1960er-Jahren, zur Blütezeit der syntheti- nächsten Monaten ändern. Grundlegend. des Departements Design & Kunst – hier- schen Garnherstellung, haben rund 3’500 10 Hochschule Luzern 2 | 2016
AUFBRUCH Menschen bei der Viscosuisse ihr Brot ver- Unterrichtsräume, Ateliers und Werkstät- Wiedmer spürt, dass seine Ausführun- dient. Heute produziert und verarbeitet die ten sowie eine moderne technische Inf- gen im Moment noch einiges an Vorstel- Nachfolgerin Monosuisse auf dem Gelände rastruktur mit Film- und Tonstudios. Ein lungskraft erfordern. Er geht mit langen mit noch rund 200 Arbeitsplätzen Spezi- Ort, der Studierenden und Dozierenden Schritten quer durch die Halle und breitet algarne, und die Firma Swissflock stellt eine inspirierende Atmosphäre bietet zum die Arme aus. «Hier werden Studierende weiterhin Flock für den internationalen Lernen, Lehren und Forschen. Ihre neue der verschiedenen Studienrichtungen ihre Markt her. In umgenutzten Gebäu- Arbeiten ausstellen können. Wir wol- den haben sich in den vergangenen len zeigen, was wir machen. Uns und Jahren Dutzende von Freischaffenden natürlich auch allen, die uns besuchen aus der Kreativwirtschaft und viele – Gästen, Passanten, Menschen, die Gewerbebetriebe angesiedelt – Grafik- auf dem Areal arbeiten.» und Architekturbüros, Druckereien, Eine Bibliothek und eine Cafeteria Aus- und Weiterbildungsbetriebe, sollen für Publikumsverkehr sorgen Handwerker. Auch die Kunstplatt- und natürlich der kleine Kinosaal. form Akku ist in der Viscosistadt Seine Nutzung wird nicht allein den domiziliert. Studierenden des Bereichs Film vor- «Dass die Hochschule Luzern hier- behalten sein, sondern auch Kleinver- herzieht, wird der Entwicklung weiter anstaltern und kulturinteressierten Schub verleihen», sagt Alain Homber- Menschen aus der Umgebung zur Ver- ger, Geschäftsführer der Viscosistadt fügung stehen. Möglichkeiten für öf- AG. Er sieht das Departement Design fentliche Veranstaltungen bietet auch & Kunst als Knotenpunkt eines kreati- eine Aktionshalle auf der Nordseite ven Netzwerks und als Katalysator für des Gebäudes. die Öffnung eines Areals, das während Jahrzehnten Teil der Stadt Emmen und Spuren der Vergangenheit An der doch von ihr abgeschirmt war. «Wir wollen nicht nur einen Decke sind noch alte Krananlagen zu Dialog ermöglichen, sondern sehen, und der ockerfarbene Boden Kreative Arbeitsumgebung Von geradezu provozieren.» weist an einigen Stellen dunkelrote aussen sieht es aus, als sei Bau 745 Martin Wiedmer, Einlassungen auf. Eine Art modernes schon fertig. Doch beim Öffnen der Vizedirektor Design & Kunst Mosaik? Wiedmer lacht und schüttelt Tür schlägt einem aus dem Treppen- den Kopf. «Dort standen ursprünglich haus ein Hämmern und Klopfen ent- Webmaschinen und Testaufbauten für gegen und der Geruch nach frischer die Versuche. Die Vertiefungen, die sie Farbe. Herunterhängende Plastikfolie hinterlassen haben, wurden aufgefüllt. versperrt die Sicht. Martin Wiedmer Die Böden im Gebäude sind lediglich schiebt sie wie einen Vorhang beiseite. abgeschliffen, hier und da sieht man Die Ausdehnung der Eingangshalle ist Gebrauchsspuren.» gewaltig: knapp 800 Quadratmeter, Das ist nur ein Beispiel von vielen, auf beiden Seiten hohe Fensterfron- das zeigt, unter welcher Prämisse der ten, durch die das Licht hereinflutet. Umbau stand: «Es galt, das Optimum Martin Wiedmer ist Vizedirektor Computervisualisierung des Baus 745. aus dem Vorhandenen herauszuho- Fotos: Pr iska Ketterer, Visualisier ung: EM 2N am Departement Design & Kunst, er len», erklärt Alain Homberger. In den ist ausgebildeter Architekt und Mitglied Wirkungsstätte soll kein abgeschlossener Umbau des fünfstöckigen Gebäudes, das des vierköpfigen Projektleitungsteams Ort sein, sondern durchlässig nach aussen. über eine Nutzfläche von 12’500 Quadrat- auf Seiten der Hochschule Luzern. Er lässt «Für viele unserer Studienrichtungen metern verfügt, investierte die Viscosistadt den Blick zufrieden zur fünf Meter hohen ist der Austausch mit der Öffentlichkeit AG rund 24 Millionen Franken. Das Ge- Decke schweifen und sagt: «Bei einem von zentraler Bedeutung und Teil des Un- bäude soll kein Prestigeobjekt sein, sondern Neubau könnte sich das heute kein terrichtskonzepts», erklärt Martin Wied- zweckmässig, da waren sich Viscosistadt Mensch mehr leisten.» mer. Das offen gestaltete Erdgeschoss soll und Mieterin einig. «Ausstrahlung wollen Innerhalb eines Jahres entstanden in diesen Dialog nicht nur ermöglichen, son- wir nicht über edlen Innenausbau errei- dem 60 Jahre alten Fabrikbau grosszügige dern geradezu provozieren. chen», betont Martin Wiedmer, «sondern Hochschule Luzern 2 | 2016 11
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AUFBRUCH über das, was hier geschieht, was Stu- bewegen uns aus unserer Vergangen- dierende und Dozierende schaffen.» heit in die Zukunft und wollen das Ein grosszügig gestaltetes Erd- Gute hinüberretten.» geschoss, drei Stockwerke mit Un- terrichtsräumen und Ateliers, ein Platz im Zentrum Die Referenz Obergeschoss, in dem Dozierende, an die Geschichte spiegelt sich nicht Forschende sowie Mitarbeitende nur in der Architektur. Sie offenbart der Verwaltung und die Direktion sich auch in der Signaletik – etwa in ihre Arbeitsplätze haben – das ist, der pragmatischen Bezeichnung der was Besucherinnen und Besucher als Gebäude nach ihrer Assekuranznum- Erstes von Bau 745 wahrnehmen. Der mer – und in der Namensgebung für heimliche Nucleus des Gebäudes, der die Strassen und Gassen des Areals. Sound- und Technikcluster, befindet So wird es eine «Spinnereistrasse» sich jedoch im Untergeschoss. und eine «Polymerstrasse» geben, eine Der Gegensatz zu den lichten «Fadengasse» und eine «Zettelgasse». und luftigen Räumen in den oberen Das Departement Design & Kunst Stockwerken könnte kaum grösser wird die vornehme Adresse «Nyl- sein. Hier unten soll konzentriert suisseplatz 1» führen. Ein Name, und abgeschirmt von der Aussenwelt der an goldene Zeiten erinnert, als gearbeitet werden: im Filmstudio Viscosuisse die europaweit grösste mit seinen abgerundeten Wänden, Herstellerin von Nylon war. «In der einer sogenannten «Hohlkehle». Im weiteren Entwicklung des Areals», so «Schwarzraum», wo Animationsfil- Alain Homberger, «wird dieser Platz merinnen und -filmer unter Schein- eine Zentrumsfunktion erhalten.» – werferlicht ihre Figuren zum Leben Was für die Zürcher Bahnhofstrasse erwecken. Oder an den zahlreichen Mit Liebe zum Detail: die Planung der der Paradeplatz, wird für die Viscosi Schnittplätzen – kleine Zellen mit Oberlichter im Bau 745 in der Viscosistadt. stadt dereinst der Nylsuisseplatz. schmalen hohen Fenstern und Wän- Sigrid Cariola den, die in einem speziellen Grauton ge- ein «Raum-im-Raum-Konzept» verhin- strichen wurden, damit Farben und Licht dern, dass der Schall aus dem übrigen auf dem Bildschirm so erscheinen, wie Gebäudeteil nach innen dringt. Eröffnungsfest 23./24.9.2016 sie sind. «Für eine Hochschule zu bauen, dazu Das zweitägige Fest mit Ausstellun- für den Bereich Design und Kunst mit gen, Führungen und Konzerten Ein Bau mit vielen Funktionen «Die seinen spezifischen Anforderungen an beginnt am 23.9. um 16:00 Uhr. grösste Herausforderung stellte für die das Raumkonzept, war eine besondere www.hslu.ch/viscosistadt Architekten, die Ingenieure und die Hand- Herausforderung», sagt Alain Homberger. werker allerdings das Aufnahmestudio Mit EM2N beauftragte die Viscosistadt AG ein Architekturbüro, das Erfahrung Save «Wir bewegen uns aus hat mit komplexen Umbauten und der the Date Metamorphose von industriell genutz- unserer Vergangenheit in die ten Arealen. EM2N verwandelte bereits Zukunft und wollen die Grossmolkerei Toni in Zürich in eine das Gute hinüberretten.» Freitag 23. September moderne Hochschule für Musik, Kunst 2016 Fotos: Pr iska Ketterer, Randy Tischler Alain Homberger, Geschäftsführer und Theater. der Viscosistadt AG Auch beim Umbau in der Viscosistadt erhielten die Architekten die Vorgabe, dass dar», sagt Wiedmer. Um Geräusche fern- der industrielle Charakter des Gebäudes Eröffnung des neuen zuhalten, wurde es in der Mitte des Grund- erhalten bleiben soll. Das war Homberger Standorts der Hochschule Luzern – Design & Kunst risses platziert und von einem «Speckgür- eine Herzensangelegenheit. «Wir wollen in der Viscosistadt hslu.ch/viscosistadt Foto: EM2N Architekten tel» umgeben, von Lagerräumen etwa, die nicht alles niederreissen und neu begin- als Geräuschpuffer dienen. Zusätzlich soll nen, als hätten wir keine Geschichte. Wir Hochschule Luzern 2 | 2016 13
AUFBRUCH Neustart im Garten Im September startet das neue Departement Informatik auf dem Suurstoffi-Areal in Rotkreuz. Die Hochschule Luzern bündelt damit ihre Informatik-Kompetenzen an einem Standort. Ein Ortsbesuch in einem ungewöhnlichen, sich stark wandelnden Quartier. Fotos: Mar tin Vogel 14 Hochschule Luzern 2 | 2016
AUFBRUCH Wer Rotkreuz besucht, er- tiven Eventraum», der ausgefallene lebt einen Ort im Wandel. Wo sich Präsentationstechniken ermögliche, vor wenigen Jahren ein paar Häuser etwa, wenn grosse Datenmengen in die Wiesen duckten, ragen heute visualisiert werden oder Lernstoff Neubauten in die Höhe. Deutlichs- mit Mitteln der Kunst oder des tes Zeichen der Veränderung: das Theaters veranschaulicht wird. Quartier hinter den Gleisen. Wer Aber diesen «Eventraum» gibt den Bahnhof verlässt, läuft zwi- es erst ab 2019. Denn die Räume schen Hecken und Wiesen direkt in dem Kastenbau, S 41, und dem auf die schwarzen Buchstaben zu, Stelzenbau, S 12, sind eben eine die «Suurstoffi» in die Luft schrei- Übergangslösung. Direkt vorne ben. Der Name geht zurück auf das am Bahnhof, wortwörtlich auf der «Sauerstoff- und Wasserstoff-Werk Die Leuchtschriften sind Vorboten für den Einzug der grünen Wiese, wird ein weiterer AG Luzern», das bis 1966 hier Gas Hochschule Luzern. Neubau errichtet. Dann wird auch herstellte. Auf einen «Unort» sei der Bereich Finance des Departe- man gestossen, sagt Hannes Wüest. Der sie doch permanent auf der Suche nach ments Wirtschaft, namentlich das Institut Verwaltungsratspräsident von Zug Esta- Informatikerinnen und Informatikern. für Finanzdienstleistungen Zug IFZ, nach tes, die die Suurstoffi entwickelt, verweist Noch sieht man keine Studierenden, Rotkreuz zügeln. Das Gebäude mit einem auf die Rangiergleise und die Tanklager doch weisen schon einige Spuren auf ihr flacheren und einem Hochhausteil bietet auf der anderen Bahnseite. Heute lenken Kommen hin. Etwa die hochschultypischen auf rund 14’000 Quadratmetern Platz für den Blick Neubauten ab: Auf Stelzen Buchstaben, die mit «Hochschule Luzern» 1’300 Studierende mit Hörsälen, Unter- scheinen das rote und das beige Haus und «Informatik» einen Teil des beigen richtsräumen und Büros für 200 Mitarbei- an den Gleisen zu stehen, so auffällig Stelzenbaus und einen benachbarten kas- tende. Daneben entstehen eine Bibliothek, schmal ist der untere und so kräftig der tenförmigen Neubau in Besitz nehmen. eine Mensa und auf dem Suurstoffi-Areal obere Teil. Dahinter: der Neubau von Im Erdgeschoss entstehen fünf Hörsäle, im 100 Wohnplätze für Studierende. Novartis. Dazwischen: moderne Wohn- anderen Gebäude bezieht das Departement Das ist noch Zukunftsmusik. Aber wer häuser. Darum herum: geschwungene auf drei Stockwerken über der Internatio- nach Rotkreuz kommt, der weiss, dass er Fusswege. Ein Garten mit roten Tulpen nalen Schule eine Übergangslösung. die hier förmlich hören kann. Bis 2022 ent- und hohen Gräsern, Wasserfontänen, ein stehen zehn neue Gebäude, inklusive 200 Spielplatz. Eine attraktive Ausstattung Alle Ge- Wohnungen. Aber irgendwas fehlt doch Diesen Blick werden in naher Zu- bäude werden nach den Bedürfnissen des hier. Aber was? Und dann fällt es auf: Auf kunft die Gäste des «Creabeck» geniessen Departements eingerichtet: Büros für Do- dem ganzen 100’000 Quadratmeter gros- können, der auch im Garten des roten zierende und Verwaltung, Computerlabors sen Suurstoffi-Gelände ist keine einzige Gebäudes Pizzen, Panini und Snacks an- und kleinere Vorlesungssäle. Dazu Aufent- Strasse, das ganze Gebiet ist verkehrsfrei. bieten will. Die Gäste werden vor allem haltsräume, eine Cafeteria, Besprechungs- Natürlich gibt es Parkplätze, selbstver- Studierende sein, Informatikstudierende räume. Nein, sagt Departementsleiter René ständlich können die Gebäude beliefert des neuen Departements Informatik der Hüsler, Informatiker bräuchten keine werden. Aber das ist alles – unter der Erde. Hochschule Luzern. Das führt die Infor- «fancy» Ausstattung. Klar, attraktiv soll sie Valeria Heintges matiker aus dem Departement Technik & sein, eine ordentliche Internetverbindung, Architektur in Horw mit den Wirtschafts- ein funktionierendes Wärme- und Kühlsys- informatikern aus dem Departement tem für die Studierenden und all die Geräte. Eröffnung Wirtschaft in Luzern zusammen. In Rot- Und Plätze für Gruppenarbeit, darauf legt 19. September 2016: Übergangs- kreuz werden ab Herbst die Studierenden Hüsler besonderen Wert. Aber auch die lösung für das neue Departement zu System- und Applikationsentwicklern, Computersysteme müssten nicht vor Ort Informatik in den Bestandsge- zu Wirtschaftsinformatikern oder Infor- sein, Hauptsache, der Zugriff darauf klappe bäuden S 12 und S 41 im Quartier matikdesignerinnen ausgebildet; hier kön- reibungslos. Eine «flexible, inspirierende, Suurstoffi, Rotkreuz nen sie auch Digital Ideation studieren, das kreative Lehr- und Lernumgebung» sei Herbst 2019: Neubauten für das Informatik mit Design aus dem Departe- wichtig, sagt Hüsler und verweist darauf, Departement Informatik und den ment Design & Kunst verbindet. Man hofft dass man neue Formen ausprobieren wolle, Bereich Finance des Departements auf 1’000 Studierende in naher Zukunft – um «auch didaktisch einen Schritt nach Wirtschaft, v.a. das Institut für eine Zahl, die die Wirtschaft erfreut, ist vorn zu machen». Er nennt einen «interak- Finanzdienstleistungen Zug IFZ Hochschule Luzern 2 | 2016 15
AUFBRUCH Es kommt zusammen, was zusammengehört Aktuell ist die Hochschule Luzern mit ihren über 6’000 Bachelor- und Master-Studierenden auf 24 Standorte verteilt. Im Jahr 2019 sollen es nur noch halb so viele sein. Die Departemente Design & Kunst, Musik sowie Informatik und Teile des Departements Wirtschaft werden neue Gebäude beziehen – in Emmen, Luzern und Rotkreuz. Emmen D&K – Design & Kunst Viscosistadt 2016 Umzug der Hälfte des Departements* in den Umbau: 6020 Emmenbrücke, Nylsuisseplatz 1 Raum für rund 350 Studierende und 110 Mitarbeitende Luzern Fläche: rund 12’500 Quadratmeter Eigentümer / Investor: Viscosistadt AG Umbaukosten: rund 24 Mio. CHF Architekten: EM2N, Zürich *Der Konkordatsrat hat die Hochschule Luzern beauftragt, die Verschiebung der 2. Hälfte des Departements nach D&K – Emmen zu planen. Sentimatt 1 D&K – Lädelistrasse 12 D&K – Baselstrasse 61/61A/61B Horw W – Frankenstrasse 7/9 D&K – Grossmatte 28/30 M – Zentralstrasse 18 T&A – Technikumstrasse 21 M – Obergrundstrasse 13 T&A – Ebenaustrasse 14/20 Technik & Architektur 2024 Sanierung und Er- weiterung Campus Horw, Technikumstrasse 21 Ein Masterplan ist beim Kanton Luzern in Arbeit. Musik M – Kriens Hergiswil 2019 Umzug in den Neubau: 6010 Kriens, Arsenalstrasse Raum für rund 500 Studierende und 200 Mitarbeitende T&A – Seestrasse 41 Fläche: rund 9’000 Quadratmeter Kriens Eigentümer / Investor: Luzerner Pensionskasse Baukosten: 70 Mio. CHF (exkl. Land) Architekten: Enzmann Fischer & Büro Konstrukt AG, Zürich / Luzern 16 Hochschule Luzern 2 | 2016
2016 Umzug 2019 Umzug R&S – Rektorat & Services Zug T&A – Technik & Architektur W– W – Wirtschaft Grafenauweg 10 I – Informatik S – Soziale Arbeit D&K – Design & Kunst Informatik (Etappe 1: Übergangslösung) M – Musik Rotkreuz 2016 Umzug: 6343 Rotkreuz, Suurstoffi 12/41 Raum für rund 500 Studierende und 80 Mitarbeitende der Bereiche Informa- tik (Horw) und Wirtschaftsinformatik I – Suurstoffi 12/41 (Luzern) I, W – Suurstoffi Neubau Informatik (Etappe 2) und Teile des Departements Wirtschaft (Bereich Finance) 2019 Umzug in den Neubau: 6343 Rotkreuz, Suurstoffi Raum für rund 1’400 Studierende und 200 Mitarbeitende Fläche: rund 14’000 Quadratmeter M – Dreilindenstrasse 93 Eigentümer / Investor: Zug Estates AG Baukosten: offen Architekten: Büro Konstrukt AG & Manetsch Meier AG, Luzern / Zürich Infografik: Robert Bossart, Dozent der Hochschule Luzern; Gisela Buob, Reflector Visuelle Gestaltung; Quellen: Hochschule Luzern M – Mariahilfgasse 2A D&K – Rössligasse 12 S – Inseliquai 12B W – Zentralstrasse 9 S – Werftestrasse 1 R&S – Werftestrasse 4 ZG LU W – Rösslimatte 48 SZ NW OW UR Mehr zur Infrastrukturent- wicklung sehen Sie im Film «Hochschule im Aufbruch»: www.hslu.ch/mz2201 Hochschule Luzern 2 | 2016 17
PLÄDOYER Verortung schafft Identität Designerinnen und Künstler sind spezialisiert auf die Zukunft, sie erproben leidenschaftlich das Neue und wissen, dass die Welt auch eine andere sein könnte. Das notwendige Gegenstück zu dieser Leidenschaft für das Künftige ist die Verortung, sei dies an einem Ort, in einer Haltung oder in einer Tradition. Erst aus diesen Verortungen heraus schöpfen Designer und Künstlerinnen ihre Kraft, die Region mit der Welt und das Lokale mit dem Globalen zu verbinden. Verortung ist wichtig für Institutionen und Men- schen. Der Pass mit Heimatort und Nationalität gibt wichtige Hinweise zur Identität einer Person. Aber auch Gabriela Christen, Direktorin des Departements Design & Kunst der Hochschule Luzern, plädiert Institutionen brauchen Identität und Verortung. Für für eine Entwicklung, die auf Tradition basiert, die älteste Kunstgewerbeschule der Deutschschweiz, das durch Innovation vorangetrieben wird und sich in der Zukunft verortet. heutige Departement Design & Kunst der Hochschule Luzern, war diese Verortung nun beinahe 140 Jahre lang in der Rössligasse, mitten in der Altstadt von Luzern. Informatikern werden sich hier 2019 auch Teile des In einem ehemaligen Kloster hatte die gestalterische Departements Wirtschaft ansiedeln. Und das Departe- Ausbildung der Zentralschweiz 1877 ihre erste Heimat. ment Musik erhält in Kriens einen inspirierenden Dieses Mutterhaus verlässt Design & Kunst nun end- Neubau. Die Fachhochschule der Zentralschweiz verteilt gültig, um nordwärts aufzubrechen. Ab dem Sommer sich künftig neben Luzern auch auf die Agglomerations- 2016 zieht rund die Hälfte der Studierenden, der Mitar- gemeinden und den Kanton Zug. Diese breite Aufstel- beitenden und der Direktion von Design & Kunst in lung der Hochschule in alten Industriearealen und neuen die Viscosistadt in Emmenbrücke, während die andere Entwicklungsgebieten verläuft parallel zur wirtschaft- Hälfte vorerst in der Baselstrasse / Sentimatt bleibt. lichen Entwicklung der Region: Wo früher in Textil- Sich neu verorten heisst aber nicht nur, sich neue fabriken und Stahlwerken die industrielle Revolution Territorien anzueignen, sondern auch frische Bande zu stattgefunden hat, ziehen heute gleichzeitig Unterneh- Menschen und Unternehmen zu knüpfen. Und auch die men, Start-ups, Bildungs- und Forschungsinstitutionen bestehenden Freunde und Kooperationspartner müssen ein. Auf diesen ehemaligen Industriearealen entwickeln auf diesen Weg mitgenommen werden. Diese Aufgabe wir uns als Fachhochschule der Zentralschweiz gemein- der Verortung gilt ebenso für die Hochschule Luzern als sam mit unserer Region: Basierend auf der Tradition, Foto: Ingo Höhn Ganzes: Auch das Departement Informatik lässt sich an bewegt durch Innovation, treiben wir die Entwicklung einem neuen Ort nieder – in Rotkreuz, im Kanton Zug. der Region voran und verorten uns gemeinsam in der Unter einem Dach mit den Informatikerinnen und Zukunft: nordwärts, ostwärts, südwärts und westwärts. 18 Hochschule Luzern 2 | 2016
Informieren Sie sich. Das Departement Informatik stellt sich vor Flyer nicht mehr vorhanden? Schreiben Sie eine E-Mail mit Ihrer Adresse an info@hslu.ch. Wir liefern ihn nach.
AUFBRUCH Schöne Aussichten Die Hochschule Luzern konzentriert ihre Standorte. Das bedeutet Umzüge und Veränderungen für Studierende und Mitarbeitende. Aber es löst auch ausserhalb der Hochschule viel aus. Sechs Beteiligte beleuchten den Aufbruch aus ihrer Sicht. 20 Hochschule Luzern 2 | 2016
AUFBRUCH Urs Schmidiger, Umzugs- Vorgabe beschriften und befüllen. «Dafür 600 Laufmeter Bücher, dazu x Umzugsbo- koordinator Hochschule Luzern müssen wir wiederum frühzeitig infor- xen mit den Unterlagen und dem Material mieren und die Regeln bekanntgeben», der Mitarbeitenden. «Damit nur das mit- sagt er. Sein Ziel ist klar: «Wir möchten die genommen wird, was am neuen Stand- Als Erstes: entrümpeln Arbeitsunterbrüche für die Mitarbeiten- ort auch gebraucht wird, gab es für beide Gute Vorbereitung ist die halbe Miete. Das den so kurz wie möglich halten.» Deshalb Departemente Entsorgungstage. Dafür weiss auch Urs Schmidiger, Leiter Gebäude wird jeweils Donnerstag und/oder Freitag dienste der Hochschule Luzern und Verant- gezügelt. «So könnten wir bei einer Ver- wortlicher für die anstehenden Umzüge der zögerung auch auf das Wochenende aus- «Wir möchten die Arbeits- Departemente Informatik sowie Design & weichen.» Für den Umzug der rund 80 Ar- unterbrüche für die Kunst diesen Sommer. Ihm zur Seite stehen beitsplätze des Departements Informatik Mitarbeitenden so kurz Mitarbeitende der beteiligten internen Ab- nach Rotkreuz ist ein Tag vorgesehen. Für wie möglich halten.» teilungen und die Umzugsunternehmen. den des Departements Design & Kunst un- Urs Schmidiger Gemeinsam planen sie die Details: von der gefähr zehn. «Von 5 Standorten werden Beschriftung der Zügelboxen bis zur Instal- 96 Arbeitsplätze, 64 Ateliers, 25 Werk- hatten wir grosse Mulden bestellt», sagt lation der IT-Geräte am neuen Ort. Schmi- stätten, 14 Sitzungs- und Seminarräume, Schmidiger und lacht. So unterscheiden diger betont, dass auch die Mitarbeitenden 1 Bibliothek und unzählige Stellwände sich zumindest in dieser Hinsicht die zwei viel dazu beitragen können, damit die Um- verpackt, eingeladen und nach Emmen- Grossumzüge der Hochschule Luzern gar züge reibungslos über die Bühne gehen – brücke transportiert», sagt Schmidiger. Ins- nicht so sehr von einem privaten Umzug. beispielsweise indem sie ihre Boxen nach gesamt sind es fast 4’000 Möbelstücke und Auch hier heisst es als Erstes: entrümpeln! Fabian Kaufmann, Gesamtleiter erst in der Bauphase», erklärt Kaufmann, kommt, dass ein öffentliches Musik- und Generalplaner Neubau Departement der seit über zwei Jahren am Projekt ar- Hochschulgebäude besonderen Anforde- Musik, ab 2019 in Kriens beitet. «Besonders herausfordernd war, rungen gerecht werden muss. «Ein Pianist dass dem Bauplatz und dem Budget re- hat andere Bedürfnisse als eine Forscherin, Ein Gebäude, das lativ enge Grenzen gesetzt sind.» Hinzu ein administrativer Mitarbeiter oder eine Konzertbesucherin», so Kaufmann. klingt Grösster Knackpunkt: die Bau- und Schon bald beginnen in Luzern Süd Raumakustik. Sie muss «top» sein. die Bauarbeiten für den Neubau des Gleichzeitig dürfen sich Geräusche Departements Musik. «Das wird nicht nicht über Wände und Decken aus- irgendein Gebäude, sondern ein wah- breiten. «Dafür braucht es geeignete res Kraftwerk für die Musik», freut Materialien und eine optimale Schall- sich Architekt Fabian Kaufmann. dämmung. Wir lösen das beispiels- Spürbar werde dies nicht nur in den weise mit speziellen Akustikziegeln Foto: Angel Sanchez, Texte: Yvonne Anliker, Simone Busch vielen Probe- und Unterrichtsräu- und einem Haus-im-Haus-Konzept.» men, sondern auch in den Foyers je- Trotzdem solle das Gebäudeinnere des Stockwerks, die mit vier «Klang- nicht komplett schalldicht sein, türmen» eingefasst sind. Sie sollen betont Kaufmann. «Man darf mer- den «Sound» im Gebäude durch das ken, dass darin musiziert wird.» Auf Haus tragen und Studierende so- einen Moment freut sich Kaufmann wie Mitarbeitende auf dem Weg in besonders: «Wenn ich das erste Mal den Übungsraum oder zum Arbeits- im grossen Konzertsaal sitze, dem platz begleiten. Bis der Entwurf eine eigentlichen Herzstück des Neubaus, fassbare Gestalt annimmt, dauert es und erlebe, wie die Musik, das Publi- aber noch: «Wie gut die Denkarbeit kum und das Gebäude zusammen im Vorfeld wirklich war und wo es klingen.» noch Anpassungen braucht, zeigt sich «Das wird ein wahres Kraftwerk der Musik.» www.hslu.ch/neubau-musik Hochschule Luzern 2 | 2016 21
AUFBRUCH Christoph Lengwiler und Linard Nadig, Co-Leiter Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ Standort mit Ausstrahlung Nächstes Jahr wird das Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern 20 Jahre alt. Es ist ein Jubiläum unter besonderen Vor- zeichen: Das Institut, das seit seinen Anfängen quasi als «Aussenposten» des Departements Wirtschaft vis-à-vis dem Bahnhof Zug zu Hause ist, wird 2019 nach Rotkreuz in einen Neubau ziehen, gemeinsam mit dem Departe- ment Informatik. Die beiden Institutsleiter Christoph Lengwiler und Linard Nadig machen keinen Hehl daraus, dass sie ursprüng- lich lieber am angestammten Ort ge- blieben wären. «Das IFZ ist in der Stadt Zug etabliert», sagt Nadig. «Wir fra- gen uns, wie sich der Standortwechsel auf die Nachfrage nach unseren Aus- und Weiterbildungen auswirken wird.» Doch die beiden wollen vor allem nach vorne schauen. «Unsere Inhalte müs- sen gesamtschweizerisch so attraktiv und die Reputation des IFZ so gut sein, dass es zweitrangig ist, wo wir sie an- bieten», so Lengwiler. Und schliess- lich liegt Rotkreuz nur wenige Bahn- oder Autominuten von Zug entfernt, direkt auf der Achse Luzern – Zürich, und ist auch aus dem Aargau rasch zu erreichen. Die beiden Institutsleiter haben sich «Arbeiten wir ab 2019 mit der Christoph Lengwiler. «Arbeiten wir un- vorgenommen, in den nächsten drei Jah- Informatik unter einem ter einem Dach, steigen die Chancen für ren noch einmal richtig Schwung zu ho- Dach, steigen die Chancen für gemeinsame Projekte – in der Forschung len, um dann den Standortwechsel gut sowie in der Aus- und Weiterbildung.» gemeinsame Projekte.» meistern zu können. Das IFZ will für Die Institutsleiter setzen zudem auf Christoph Lengwiler das Departement Wirtschaft ein starkes die Attraktivität des neuen Gebäudes, das Standbein im Kanton Zug sein und das direkt neben dem Bahnhof Rotkreuz ent- Angebot sogar noch ausbauen. Für min- steht. Linard Nadig: «Mit einem modernen destens eines der Themenfelder, die es be- die Digitalisierung im Bank- und Finanz- Hochschulgebäude an dieser Lage erhof- reits seit einigen Jahren intensiv bearbei- wesen. «Wir sehen hier diverse Anknüp- fen wir uns mehr Sichtbarkeit und eine tet, ergeben sich mit der räumlichen Nähe fungspunkte mit den Kolleginnen und Kol- stärkere Ausstrahlung in die benachbar- zur Informatik zusätzliche Perspektiven: legen des Departements Informatik», so ten Kantone.» 22 Hochschule Luzern 2 | 2016
AUFBRUCH Rolf Born, Gemeindepräsident Weihnachten 2013 klar war, dass ein von Emmen ganzes Departement der Hochschule Luzern zu uns zügeln würde, war das Von der «Bronx» zum für mich das schönste Geschenk», sagt Born noch heute. «Jetzt erwarten wir Kreativviertel mit grosser Offenheit, wie der Um- Um zu erklären, was der Umzug des De- zug Emmen und besonders die Vis- partements Design & Kunst für Emmen cosistadt verändern wird.» Die Studie- bedeutet, muss Gemeindepräsident Rolf renden werden Leben in das vorher Born ein wenig zurückschauen. 2004 ha- abgesperrte Areal bringen. Denn die ben 40 Personen aus Politik, Verwaltung, Viscosuisse, die ihm den Namen gab, Wirtschaft und Vereinen in einem Seminar benötigt nur noch ein Viertel des Ge- der Hochschule St. Gallen darüber nach- ländes. Emmen kann das Image «Em- gedacht, wie man das Bild der Gemeinde menbronx» neu deuten, wenn der Emmen verbessern könnte. Das Ergeb- Ausdruck in Zukunft nicht mehr nur nis war ein Katalog mit 72 Massnahmen mit den vielen Arbeitern und der In- und Zielen. Ein Punkt lautete: eine Hoch- dustrie, sondern mit Design & Kunst schulinstitution nach Emmen holen. «Als in Verbindung gebracht wird. «Wir haben die Talsohle durchschritten», sagt Born, schliesslich habe Emmen «ei- Hochschule zieht, beginne das neue Ne- «Wir erwarten mit grosser nen Haufen Qualitäten»: die Lage, die In- ben- und Miteinanders von Industrie und Offenheit, wie der Umzug frastruktur, den Ruf als Wirtschaftsstand- Bildung in Emmen. Denn, sagt Born, und der Hochschule Luzern ort und das Entwicklungspotenzial der jetzt hört man den Stolz deutlich, «nicht Emmen verändern wird.» Viscosistadt, eines Areals so gross wie die jede Gemeinde unserer Grösse hat eine Rolf Born Luzerner Altstadt. Im Bau 745, in den die Hochschule». Fotos: Angel Sanchez, Texte: Yvonne Anliker, Simone Busch, Sigr id Car iola, Valer ia Heintges Hannes Wüest, Verwaltungs- ten», sagt Wüest. Auch in einem Haus ratspräsident Zug Estates gleiche kaum eine Wohnung der an- deren. «Und wir verfolgen die Vision Zukunftsquartier eines Zero-Zero-Konzepts, mit erneu- erbarer Energie und ohne CO2-Emis- mit Grünfaktor sionen.» Immer mehr Firmen suchten Man spüre es heute fast nicht mehr, den Standort danach aus, ob der öko- aber vor sechs, sieben Jahren noch sei logische Footprint hohen Standards die Suurstoffi in Rotkreuz ein «Unort» entspricht und in einem attraktiven gewesen, sagt Hannes Wüest, Ver- Umfeld liegt. Das hat Novartis ebenso waltungsratspräsident Zug Estates, überzeugt wie die Carsharing-Firma gegenüber dem grossen Tanklager, Mobility, die Swiss International neben dem SBB-Abspannwerk und hin- School und das Meinungsforschungs ter den riesigen Rangieranlagen, die vor institut GfK. «Eine hochrangige Bil sich hin lärmten. «Für uns von Zug Esta- «Für uns war klar: Wir dungsinstitution als Ankermieter wie die tes war klar, dass wir nur eine Chance ha- können hier nur ein Hochschule Luzern mit dem Departement ben, ein Quartier zu entwickeln, wenn wir Quartier entwickeln, wenn Informatik und dem Finance-Bereich des weiter gehen als der Durchschnitt, mit ei- wir weitergehen Departements Wirtschaft dynamisiert den nem verkehrsfreien Quartier, eigenständi- als der Durchschnitt.» ganzen Prozess und stärkt das Image der ger Architektur, einem einladenden Gar- Hannes Wüest Suurstoffi», gibt sich Wüest überzeugt. Hochschule Luzern 2 | 2016 23
AUFBRUCH Reiseleitung gesucht Die einen sind in Aufbruchsstimmung, andere skeptisch: Verändern Organisationen sich, ist dieser Weg ins Unbekannte für viele eine Belastung. Erik Nagel, Spezialist für Change Management an der Hochschule Luzern, weiss, wie es gelingt, in der Veränderung eine Chance zu sehen. Erik Nagel, wann Führungsgremiums. Menschen haben Sie zuletzt gedacht: lassen sich einfach nur ungern wie «Oh nein, nicht schon wieder Objekte hin und her schieben. alles anders!»? Daran kann ich mich nicht er- Wie können die Verantwortli- innern. Veränderungen machen chen bei Mitarbeitenden Neu- mich in der Regel neugierig. Ich gier wecken? denke, das geht den meisten Menschen Das sehe ich nicht so. Meistens sind nicht Indem sie sie in den Veränderungsprozess Foto: Stocksy / Guille Faingold, Hochschule Luzer n so. Und gerade Neugier ist ein wichtiger die Veränderungen selbst das Problem, son- einbinden, sie auffordern, sich zu äussern. Faktor beim Change Management. dern die Art und Weise, wie sie gestaltet Top-down-Entscheide, also «Vorgaben von werden. Wenn jemand einfach übergan- oben», sind kontraproduktiv und stossen Inwiefern? gen oder vor vollendete Tatsachen gestellt auf wenig Akzeptanz – und sind oft der Wenn eine Organisation sich neu aufstel- wird, provoziert das Widerstand unter den Grund, warum ein Change Management len will, muss sie bei den Mitarbeitenden Mitarbeitenden oder auch innerhalb eines harzt. Die Mitarbeitenden müssen in Work- die Lust auf das Neue wecken. shops oder Diskussionsrunden ihre Mei- nung sagen können. Oft provozieren Veränderungen wie «Eine Organisation muss Umstrukturierungen doch eher Ängste Mitarbeitenden eine Heimat Werden solche Workshops und Diskus- und Widerstand. bieten.» sionsrunden nicht oft als Alibiübungen 24 Hochschule Luzern 2 | 2016
AUFBRUCH wahrgenommen? Die Mitarbeiten- Was waren die grössten Auslöser für Wie kann eine Organisation Wider- den können ja selten wirklich mitbe- Änderungsprozesse im Unternehmen? stand bei einem Veränderungspro- stimmen, wohin die Reise geht. 37 % zess produktiv nutzen? Nur dann, wenn die Führung sie als Ali- Veränderungen in der Unternehmensstruktur Der grosse Vorteil von Widerstand ist, biübung inszeniert. Die Mitarbeitenden 37 % dass er etwas zum Vorschein bringt: sollten nicht einfach auf eine Reise ge- Führungswechsel Unzufriedenheit, andere Wertvorstel- schickt werden, sondern eine «Reise- 36 % lungen, sachliche Differenzen. Nur in- route» und ein «Reiseziel» tatsächlich Neuausrichtung durch Veränderungen dem man das erkennt, kann man damit mitdiskutieren oder mitgestalten kön- der Märkte arbeiten und daraus lernen. nen – selbst dann, wenn schmerzhafte 36 % Einschnitte wie etwa der Abbau von Einführung neuer Informationstechnologien Kann Widerstand einen Verände- Stellen vorgenommen werden müssen. 35 % rungsprozess auch hemmen oder Programme zur Effizienzsteigerung zum Erliegen bringen? Was sollten Führungskräfte in Verän- 19 % Auf jeden Fall. Widerstand kann eine derungsprozessen grundsätzlich tun? Fusion oder strategische Kooperation ganze Organisation lähmen, nämlich Sie sollten bereit sein, sich zu exponie- 15 % dann, wenn er als Verhalten «kultiviert» ren, mit den Mitarbeitenden zu disku- Internationalisierung des Unternehmens wird, es beispielsweise zum guten Ton tieren, zuzuhören und eine ernsthafte, 6% gehört, alles, was vom Management echte Auseinandersetzung zu führen. Druck durch Börsenanalysten kommt, abzulehnen. Daraus lässt sich Und sich besinnen. Veränderungen wer- aber nicht schlussfolgern, dass die den zu häufig mit Reorganisation gleich- 300 Führungskräfte aus Deutschland Widerstandbietenden Unrecht haben. gesetzt, in kurzen Abständen werden nannten Auslöser für Veränderungen bestehende Bereiche und Teams immer innerhalb des Unternehmens (Mehrfach- Gehen Organisationen mit einer fla- wieder aufgelöst und neue gebildet. nennung möglich). QUELLE: OSB INTERNATIONAL chen Hierarchie besser mit Verände- rungen um als solche, die stark hier- Warum ist das unangemessen? archisch aufgebaut sind? Dynamik erfordert Stabilität. Eine Organi- Wenn sie dazu noch kollaborativ arbei- sation muss Mitarbeitenden eine Heimat Was hat Sie irritiert? ten und gemeinsam die Spielregeln entwi- bieten. Sie ist ein lebendiger Organismus mit Er machte einen schweren Fehler. Anstatt ckeln, ja. Dann funktioniert der Austausch sozialen Einheiten und verlässlichen Bezie- die Ängste ernst zu nehmen und mit den von Wissen, und die Mitarbeitenden lösen hungen. Finden immer wieder Reorganisati- Mitarbeitenden die Situation zu klären, anstehende Probleme auch gemeinsam. onen statt, müssen diese Beziehungen stän- hat er das Problem nicht nur unter den Doch in einem Veränderungsprozess ist dig neu aufgebaut werden. Organisationen Teppich gekehrt, sondern noch verschlim- nicht allein die Durchlässigkeit zwischen sind aber insbesondere dann leistungsfähig, mert. Als Führungskraft hätte er dafür den Hierarchiestufen wichtig. Es braucht wenn sie «wie geschmiert» laufen. Gerade sorgen müssen, dass die Angstkultur ab- auch die Bereitschaft, über fachliche und dann kann sich ihr Potenzial entfalten. gebaut und eine Vertrauenskultur aufge- kulturelle Grenzen hinweg zusammen- baut wird. zuarbeiten. Interview: Sarah Nigg Manche Mitarbeitenden schweigen vielleicht lieber, weil sie Angst davor Wie entsteht eine Vertrauenskultur? haben, sich zu exponieren oder ihren Lässt sich diese von «oben» entwickeln? Buchtipp zum Thema Job zu verlieren. Wie kann eine solche Vertrauen entsteht dann, wenn Einfluss Erik Nagel, Glücksfall Wider- Situation verhindert werden? genommen werden kann – zwischen Mit- stand: Vom produktiven Ich habe einen solchen Fall tatsächlich arbeitenden und zwischen Mitarbeitenden Umgang mit ganz normalen einmal erlebt, als ich ein Seminar in einer und Führungspersonen. Führungskräfte Ausnahmen. Verwaltungsabteilung leitete. Die Mitar- müssen beispielsweise auch die Grösse beitenden gaben zu verstehen, dass sie haben, bei gewichtigen Gegenargumen- Erik Nagel Angst haben, ihrem Chef ihre Meinung ten Entscheidungen anzupassen oder gar Co-Leiter Institut für mitzuteilen. Der Chef war auch im Raum zurückzunehmen. Natürlich nicht ständig Betriebs- und und hörte sich das an. Am Schluss stand er – aber es muss möglich sein. Ganz zentral Regionalökonomie auf und sagte: «Es gibt hier keine Angst.» ist, dass ein konstruktiver Umgang mit IBR der Hochschule Ich war völlig irritiert – alle waren es. Widerstand stattfindet. Luzern Hochschule Luzern 2 | 2016 25
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