MITGEMACHT! LICHT UND SCHATTEN VON PARTIZIPATION - DAS KUBIA-MAGAZIN / 20
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DAS KUBIA-MAGAZIN / 20 INHALT 25 Gestalten statt teilnehmen Kulturelle Partizipation von Menschen mit Demenz Michael Ganß 28 Lieblingsstück: Frau Hansens smarter Robbie 29 »Wege nach Frankfurt« Migrationsgeschichten in der »Bibliothek der Generationen« Angela Jannelli 03 32 ENTRÉE »AsseFadenFindung« Ein partizipatorisches Projekt an der Schnittstelle von 05 künstlerischem und sozialem Raum FOYER Sabine Baumann Loss mer jet noh Neppes jon … Neues Haus für kubia im Kölner Clouth-Quartier 36 Almuth Fricke Aber … wie … Sie sehen doch die Bilder nicht! Chancengleichheit am Arbeitsplatz Museum 07 Annalena Knors Happy Birthday Kulturgeragogik Zehn Jahre Fortbildung für Kulturarbeit mit Älteren 39 Imke Nagel ATELIER Praxistipps // Veranstaltungen // Neuerscheinungen // 11 Auszeichnungen // Wettbewerb Neues von kubia Weiterbildung // Förderfonds Kultur & Alter // 43 Rückblicke // Veröffentlichungen // GALERIE Netzwerke und Kooperationen // Veranstaltungen Künstlerin bin! Über die Preisträgerin der »CityArtists« 2020 15 Susanne Kümpel SALON Annette Ziegert Partizipation im Alter Begriffliche K lärungen und kritische Rückfragen 47 Mirko Sporket Partizipativer Parcours der Erkenntnis Wirkungsmessung als dialogischer Prozess 19 Anke Coumans Großmütter mit Superkräften Zur Fotostrecke von Yoseba MP in diesem Heft 50 LOUNGE 20 Lesetipp: »Wie ein Maultier, das der Sonne Eis bringt« Prekärer Ruhestand und Altersarmut von Frauen Ausflugstipp: Radeln ohne Alter mit Rikscha Erika Konsequenzen für kulturelle Altersbildung in Museen 52 Esther Gajek IMPRESSUM kubia – Kompetenzzentrum für Kulturelle Bildung im A lter und Inklusion: w w w.ibk-kubia.de
E N T R É E // 03 ENTRÉE Liebe Leserinnen und Leser, mitgemacht! Was einigen als Gestaltungsmöglichkeiten verheißender, freudiger Aufruf in den Ohren klingt, mag anderen als mahnender Imperativ mit einem erhobenen Zeigefinger vol ler Ansprüche und Pflichten erscheinen. Mitmachen kommt von Machen, kann aber auch mit Macht und Ohnmacht zu tun haben. Den Licht- und Schattenseiten von Partizipation – nicht nur – im Alter spüren wir in dieser Ausgabe der Kulturräume+ nach. Im Salon eröffnet der Soziologe und Altersforscher Mirko Sporket die Debatte über unsere gesellschaftliche Entwicklung, in der Partizipation als Normalfall gilt, aber paradoxerweise auch zu neuen Ausschlüssen führt. Die Kulturwissenschaftlerin Esther Gajek untersucht, inwieweit Altersarmut von Frauen deren kulturelle Teilhabe behindert. Sie zeigt, wie Museen ihnen ein Stück Normalität ermöglichen und mitunter zu einer späten Bildungsgerechtigkeit beitragen können. Der Frage, wie die gelebte Realität der Partizipation von Menschen mit Demenz in der Kultur aussieht, geht der Gerontologe, Kunsttherapeut und Bildende Künstler Michael Ganß nach. Angela Jannelli, Kuratorin für partizipative Museumsarbeit im Historischen Museum Frankfurt, widmet sich den Migrationsgeschichten in der dortigen »Bibliothek der Genera tionen«, während Sabine Baumann das partizipatorisch-künstlerische Häkel-Strick-Projekt »AsseFadenFindung« in seinen Verknüpfungen von künstlerischem und sozialem Raum be schreibt. Welche Rahmenbedingungen und Maßnahmen es braucht, um die Berufsperspektiven von Menschen mit Behinderung an der Institution Museum chancengleich zu gestalten, erläu tert die Museumsberaterin Annalena Knors. Im Foyer stimmt kubia-Leiterin Almuth Fricke den Neppes-Rap an, voller Freude über das neue kubia-Domizil im Clouth-Quartier in Köln-Nippes. Mit einem herzlichen Happy Birthday zum zehnten Geburtstag des Zertifikatslehrgangs »Kulturgeragogik« fällt Imke Nagel ein. Betrachten Sie in der Galerie das Porträt der Künstlerin und »Cit yA RTists«-Preisträgerin Susanne Kümpel und schauen Sie Anke Coumans vom Research Centre Art & Society über die Schulter, wie in den Niederlanden Projekte kultureller A ltersbildung partizipativ evaluiert werden. In der Fotostrecke würdigt der spanische Street-Art-Künstler Yoseba MP die Großmütter seiner Heimat in humorvollen Wandgemälden als Heldinnen mit Superkräften. Wir ziehen mit ihm den Hut vor diesen starken Frauen und winken Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, immer noch auf Distanz, aber umso herzlicher zu: Schön, dass Sie dabei sind! Ihr kubia-Team
F O Y E R // 05 FOYER LOSS MER JET NOH NEPPES JON … NEUES HAUS FÜR KUBIA IM KÖLNER CLOUTH-QUARTIER Von Almuth Fricke Am 1. April war es endlich soweit. Nach zwei Jahren Planungsphase und 15 Monaten Bauzeit ist das Haus an der Seekabelstraße in Köln-Nippes bezugsfertig. Gemeinsam mit dem jfc Medienzentrum, dem Bundesverband Theaterpädagogik und dem Kölner Institut für Kulturarbeit und Weiterbildung bezieht kubia barrierefreie Räume inmitten des neu entstandenen Stadtquartiers mit bedeutender industrieller Vergangenheit. Im Jahr 1868 hatte ein Kölner Unternehmer hier Kölner Spielewerkstatt sind vor Ort. Im letzten die Clouth Gummiwerke AG gegründet, die mit Bauabschnitt sollen bis 2024 an der ehemaligen ihren Produkten deutsche Industriegeschichte denkmalgeschützten Unternehmenshauptverwal geschrieben haben: In den angeschlossenen Ka tung aus den 1920er und 1950er Jahren unter an belwerken wurde ab 1898 das erste Seekabel von derem noch ein Theatersaal und eine Musicalaka Emden nach New York gefertigt, das 1900 in Be demie hinzukommen. trieb genommen wurde und erstmals eine transat lantische Telegrafen- und Fernsprechkommunika … EN NEPPES KRIGE MER SPASS tion ermöglichte. Im selben Jahr entwickelte und produzierte Clouth die gummierte Seide für die Zu diesem Ort der geballten Kreativität steuern die Außenhülle des ersten Zeppelins LZ1. An die glo vier Mietparteien des neuen Hauses künftig ihre riose Vergangenheit erinnern heute im Quartier Expertise und Kompetenz in den Bereichen von nicht zuletzt der als Park gestaltete Luftschiffplatz Medien, Kultur, Bildung und Vermittlung bei. und die Seekabelstraße, nunmehr die neue Adres Das Erdgeschoss und erste Obergeschoss nutzt se von kubia. das jfc Medienzentrum, dem Ende 2016 per Rats Seit 2013 entsteht auf dem 14,5 Hektar gro beschluss der Stadt Köln die neue Immobilie ge ßen Industrie-Areal, das 2008 stillgelegt wurde, widmet wurde. Seit über 45 Jahren vermittelt diese Wohnraum für über 3.000 Personen – von öffent Kölner Facheinrichtung jungen Menschen Mög lich geförderten Wohnungen, über WG-Konzepte lichkeiten, mit digitalen Medien kritisch und kre für Studierende, Baugruppen bis hin zu Eigen ativ umzugehen und schult Fachkräfte. Die neuen tumswohnungen. Daneben stehen über 25.000 Räume sind nach neuesten digitalen Trends ausge Quadratmeter Gewerbeflächen zur Verfügung, stattet. Neben einem attraktiven Multimedia-Saal in denen sich Unternehmen der Kulturwirtschaft stehen auch ein Medienstudio, ein Maker-Space wie Warner Bros., Architekten- und Designbüros, und Co-Working-Plätze zu Verfügung. Ebenfalls IT-Start-ups oder ein Konzept-Hotel angesiedelt im ersten Stock befinden sich die Seminarräume haben. Auch vom Kulturamt der Stadt geförderte des Kölner Instituts für Kulturarbeit und Weiter Ateliers für Künstlerinnen und Künstler und die bildung. Kulturschaffende können sich hier in den
06 // F O Y E R w w w.herkrath-architekten.de Das neue kubia-Domizil an der Seekabelstraße 4 Bereichen Kulturmanagement, Kunstpädagogik, ein Aufzug und eine behindertengerechte Toilette Kulturvermittlung und Museumspädagogik wei fehlen nicht in dem vom Aachener Architektur terqualifizieren. büro Herkrath + Herkrath geplanten Gebäude. In die zweite Etage ist neben kubia der Bundes Das entstandene Cluster für Kulturelle Bil verband Theaterpädagogik gezogen, der sich um dung, Medienarbeit und Weiterbildung, das sich die Zertifizierung von Ausbildungsinstituten und unter dem gemeinsamen Dach versammelt, ver Weiterbildung in der Sparte Theaterpädagogik spricht eine Menge Synergieeffekte für die The kümmert. kubia freut sich über vier helle Büroräu men Partizipation, Inklusion, Digitalisierung und me und einen großzügigen Open-Space auf 120 Nachhaltigkeit für alle Generationen. Die Eröff Quadratmetern rollstuhlgerechter Fläche. Auch nung ist für August dieses Jahres geplant. af
F O Y E R // 07 HAPPY BIRTHDAY KULTURGERAGOGIK ZEHN JA HRE WEITERBILDUNG FÜR KULTUR ARBEIT MIT Ä LTEREN Von Imke Nagel Mit Gründung des Zertifikatslehrgangs »Kulturgeragogik«, der gemeinsam von kubia und dem Fachbereich Sozialwesen der FH Münster im Jahr 2011 aus der Taufe gehoben wurde, bekam Kul turarbeit mit Älteren erstmals einen Namen. Auf Basis der seit 2004 an der FH angebotenen Wei terbildung »Musikgeragogik« legte die neue Qualifizierung die Grundlagen für eine kunstsparten übergreifende, professionelle künstlerisch-kulturelle Praxis mit Älteren. Anlässlich des Jubiläums sprach kubia-Mitarbeiterin Imke Nagel, selbst zertifizierte Kulturgeragogin, mit Mitbegründer Hans Hermann Wickel und Absolventinnen. Am 23. Mai 2011 ging erstmals der einjährige Zer RAN AN DIE ALTEN tifikatskurs »Kulturgeragogik – Kulturarbeit mit älteren Menschen« mit 16 Teilnehmenden und Die Lebensphase des Alters bringt spezifische The einem interdisziplinären Team von Dozentinnen men mit sich: die Frage nach sinnhafter Lebensge und Dozenten aus Theorie und Praxis an den Start. staltung im Ruhestand, nach Möglichkeiten bür Ziel der Zusammenarbeit von kubia mit der FH gerschaftlichen Engagements, aber auch danach, Münster war und ist es, durch Professionalisierung wie Kulturteilhabe trotz Armut, Einsamkeit oder und Weiterbildung von Fachkräften mehr und besonderer Bedarfe aufgrund veränderter körperli qualitätsvollere Teilhabemöglichkeiten an Kunst cher Konstitution gelingen kann. und Kultur für ältere Menschen zu schaffen – für Kulturgeragogin und Musikjournalistin Anja mehr Lebensqualität und Lebenszufriedenheit. Renczikowski, die Konzertbesuche und Konzert In dem berufsbegleitenden Zertifikatskurs er vermittlung für Menschen mit Demenz organi halten Fachkräfte fundiertes Rüstzeug für ihren siert, ärgert es, dass Ältere als Zielgruppe oftmals beruflichen Alltag bzw. ihre Berufsfelderweiterung: nicht so ernst genommen werden wie Jüngere. Die Sie erlernen Grundlagen der Gerontologie, Ge bildungspolitischen Forderungen nach Chancen ragogik und Geriatrie, nehmen Einblick in die Me gleichheit und Bildungsgerechtigkeit dürften Men thoden verschiedener Kunstsparten und erproben schen im Alter nicht ausschließen. Kulturgeragogin das Erlernte in einem selbst durchgeführten Pra und Kulturmanagerin Ulrike Ritter, Leiterin der xisprojekt. Inzwischen haben sich 117 Absolven Abteilung Lebenslanges Lernen im Kulturzentrum tinnen und Absolventen in acht Kursdurchläufen Bürgerhaus Wilhelmsburg in Hamburg, unter zu Kulturgeragoginnen und -geragogen qualifiziert streicht diese Beobachtung mit einem Bericht aus und praktizieren seitdem Kulturarbeit mit Älteren, der Stadtteilkultur: »Lange Zeit ging es nur darum, unter anderem in Museen, Theatern, Literaturhäu Jüngere zu erreichen, um nicht altbacken zu sein sern und Kunstateliers. und neuen Generationen zu entsprechen.« Im Bür gerhaus plant sie inzwischen sensibel für Menschen mit Demenz und mit anderen durch Hochaltrigkeit
08 // F O Y E R Vorteil, dass die Absolventinnen und Absolventen des Münsteraner Zertifikatslehrgangs aus unter schiedlichen Berufsfeldern kommen. Klassische Kultur- und Kunstvermittler, Kulturmanagerin nen, Kultur- und Theaterpädagogen sowie Tän zerinnen sind ebenso vertreten wie Tätige aus der Sozialen Altenarbeit oder Pflege. Durch sie ist Kulturgeragogik zum Bestandteil zahlreicher Ar beitsbereiche geworden. Für die heterogene Grup pe der alten Menschen entstehen entsprechend vielgestaltige Angebote. Die Qualifizierung »Kulturgeragogik« vermit telt ein breit gefächertes Wissen zur A ltenkultur arbeit, aus dem sich die Studierenden die für ihre jeweiligen Bedarfe geeigneten A rbeitswerk zeuge zusammenstellen und weiterentwickeln können. So inspiriert die Teilnahme häufig zu einem neu Kulturgeragogin und Musikerin Annie Windgätter en A rbeitsschwerpunkt oder zur Erfindung neuer beim Freiluftkonzert vor einer A lteneinrichtung A ngebotsformen. So wie bei der Theaterpäda bedingten Einschränkungen. Bereits bei der Pla gogin, Musikerin und Kulturgeragogin Annie nung von Veranstaltungen legt sie ihr Augenmerk Windgätter. Freiberuflich plant sie aktuell eine auf mit Sorgfalt ausgewählte Inhalte sowie auf die offene Bühne, auf der Jung und A lt ihre Stand Gegebenheiten, wie hinreichende Beleuchtung und punkte in Theater übersetzen. akustisch gut verständliche Redebeiträge. Auch der Die Qualifizierung ist europaweit nach wie Tanztee ist inklusiv: Neben körperlich fitten Tanz vor einzigartig. Die Sprachtherapeutin Priscilla lustigen sind auch jene mit Rollstuhl oder Rollator Cassar nahm sogar den Weg von Malta nach dabei. Christiane Maaß, Kulturgeragogin und Pro Münster auf sich, um sich als Kulturgeragogin jektmanagerin für Kulturelle Bildung und Teilhabe weiterzubilden. »Professionell und akademisch hat im Kulturbüro der Stadt Oldenburg, initiierte 2019 mich die Qualifizierung weit gebracht«, so Cassar. erstmals das blue OL Kulturfestival 55+, speziell für Sie forschte für den Master of Gerontology and Menschen ab 55 bis hin zur Hochaltrigkeit, und ent Geriatrics zum Lernen im vierten Lebensalter und wickelte im Folgejahr coronabedingt ein Konzept Kulturgeragogik. Dafür erhielt sie den Dean’s für Außenveranstaltungen. Sie organisierte mehr als Award – eine Auszeichnung für hervorragende 50 Balkon- und Freiluftaufführungen von Musike Leistungen für Studierende der Geisteswissen rinnen, Zirkuskünstlern und Schauspielerinnen vor schaften; eine Veröffentlichung ihrer A rbeit im Pflegeeinrichtungen und Behindertenwohnheimen. »International Journal of Education and Ageing« Das Credo der Kulturgeragogin: »Wir müssen an (2019) folgte. Neben ihrer Tätigkeit als Sprachthe die Alten ran!« rapeutin im Mater Dei Hospital in Malta arbeitet sie mit Älteren dialogisch zu Kunstwerken, Poesie BERUFLICH NEUE WEGE und Büchern sowie zum kreativen Schreiben. Die Kompetenzen und Perspektiven, die Kul »Die« Alten gibt es natürlich nicht: Jeder Jeck turgeragoginnen und -geragogen aus verschiedens ist anders, egal wie alt er ist. Deshalb ist es von ten Berufen mitbringen, befruchten das Tätigkeits
F O Y E R // 09 Dialogische Vermittlung mit Kulturgeragogin Sophie Voets-Hahne (4. v. l.) im Heimatmuseum Düsseldorf-Unterbilk und Forschungsfeld und spiegeln »die Komplexität Ein offener und ressourcenorientierter Blick auf die der Kulturgeragogik und die Heterogenität der Menschen ist für kulturelle Bildungsarbeit mit Äl Zielgruppe« wider, so Mitbegründer der Qualifi teren unerlässlich. zierung Hans Hermann Wickel, der bis im vergan Querschnittsthemen Kultureller Bildung, wie genen Jahr die Professur für Ästhetik und Kom Inklusion, Interkultur und intergenerationelle munikation am Fachbereich Sozialwesen mit dem Arbeit, beleuchten die Kulturarbeit mit Älteren Schwerpunkt Musik der FH innehatte. mit unterschiedlichem Fokus. Sie sind aus dem kulturgeragogischen Diskurs und Handeln nicht EMPOWERMENT OHNE SCHABLONEN wegzudenken. In ihren Qualitätsstandards richtet sich die kulturgeragogische Arbeit sowohl an den Grundlegend für die kulturgeragogische Arbeit ist in der Wissenschaft von Bildung und Lernen im die Reflexion der Haltung zum eigenen Alter und Alter – der Geragogik – beschriebenen Qualitäts persönlicher Altersbilder. Die Kulturgeragogin und zielen (vgl. Bubolz-Lutz et al. 2010) als auch an den Kunstpädagogin Sophie Voets-Hahne beobachtet kulturpädagogischen Handlungsprinzipien (vgl. in ihrer Arbeit, dass Ältere häufig in eine Rolle Braun / Schorn 2013 / 2012) aus. gebracht würden, die ihnen nicht angemessen sei. Zu oft werde in der Kulturarbeit dann »unten an ZUGEHÖRIGKEIT UND VERNETZUNG gesetzt«, statt Lebenswerk und Erfahrungsschatz anzuerkennen. In den vergangenen zehn Jahren sind Berufsprofile Priscilla Cassar sieht es als Notwendigkeit – so geschärft, gezielte Fort- und Weiterbildung in An eine ihrer wichtigsten Erkenntnisse aus der Quali spruch genommen und berufliche Heimaten gefun fizierung –, »immer wieder darüber nachzudenken, den worden. Kulturgeragogin Annie Windgätter was die älteren Erwachsenen selbst brauchen und formuliert dazu: »Ich kann mich beruflich zugehö wollen und sie in diesem Prozess zu empowern«. rig fühlen; ich bin nicht allein.«
10 // F O Y E R Um der Kulturgeragogik auch auf Verbands Ein großes Bündel an guten Wünschen lässt ebene ein Dach zu geben, hat sich 2014 der Fach sich unter der Überschrift Teilhabegerechtigkeit verband Kunst- und Kulturgeragogik gegründet. zusammenfassen. Sophie Voets-Hahne stellt fest, Hier sind Absolventinnen und Absolventen, Dozie dass die »Bildende Kunst oftmals bürgerlich kon rende und Leitende der Weiterbildungen »Kultur-« notiert« sei und wünscht sich von Museen eman sowie »Kunstgeragogik« an der Bundesakademie zipatorische, partizipative Zugänge für Menschen für Kulturelle Bildung Wolfenbüttel organisiert. ohne eine klassische Bildungsbiografie. Christiane Ziel des Fachverbands ist eine verstärkte Wahrneh Maaß merkt an, dass es in Pflegeheimen an Perso mung und höhere Relevanz der Kunst- und Kul nal für Kulturarbeit fehle und setzt fest angestell turgeragogik in der Gesellschaft. Durch Forschung te Kulturgeragoginnen und -geragogen auf ihre sowie Fort- und Weiterbildungen soll die qualitäts Wunschliste. Anja Renczikowski fordert mehr volle Bildungsarbeit mit Älteren weiterhin beför Projekte zum Musikfundus von Älteren mit Ein dert und gesichert werden. Bislang haben sich im wanderungsgeschichte. Und Annie Windgätter Fachverband zwei Regionalgruppen in West- und spricht sich für mehr generationsübergreifende Süddeutschland gegründet, die sich zum regelmä und künstlerisch-handwerkliche Angebote insbe ßigen Austausch treffen. Die Gründung einer wei sondere für Männer aus. teren Regionalgruppe ist geplant. Zu wünschen bleibt dem Geburtstagskind, dass Hans Hermann Wickel stellt rückblickend auf es im neuen Lebensjahrzehnt weiter so gut reift die Entwicklung der Kulturgeragogik fest: »Die und sich bis ins hohe Alter den frischen und for gesamte Szene ist wissenschaftlich breiter unterfüt schenden Blick bewahrt. in tert, wird gesellschaftlich oder auch in den Verbän den stärker wahrgenommen und hat sich zuneh LITER ATUR: Tom Braun / Brigitte Schorn (2013 / 2012): Ästhetisch mend differenziert.« Auch die Anzahl an Fort- und kulturelles Lernen und kulturpädagogische Bildungs Weiterbildungen und Fachtagen sowie das Litera praxis. In: Wissensplattform Kulturelle Bildung turangebot zum Arbeitsfeld sei gewachsen. Online. w w w.kubi-online.de. Elisabeth Bubolz-Lutz / Eva Gösken / Cornelia Kricheldorff / Renate Schramek (2010): Geragogik. WENN DU MAL GROSS BIST Bildung und Lernen im Prozess des Alterns. Das Lehrbuch. Stuttgart: Kohlhammer. Bei aller positiven Entwicklung gibt es dennoch Almuth Fricke / Theo Hartogh (Hrsg.) (2016): Wünsche für ein weiteres Gedeihen des Geburts Forschungsfeld Kulturgeragogik – Research in Cultural Geragogy. Schriftenreihe Kulturelle Bildung, Vol. 52. tagskinds. Beim Auspusten der Geburtstagskerzen München: kopaed. denken nicht wenige an angemessene Honorare. Hans Hermann Wickel (2011): Auch alte Hunde können Hans Hermann Wickel unterstreicht: »Was ganz neue Kunststücke erlernen. Eine Standortbestimmung klar besser werden muss, ist das Bewusstsein bei zur Kulturgeragogik. In: Kulturräume+. Das kubia- Magazin, Heft 1, S. 13–17. vielen Trägern, dass auch Kunst Arbeit macht und einer speziellen Expertise bedarf.« Eine angemesse W EITERE INFORMATIONEN: ne Bezahlung qualitätsvoller Kulturarbeit mit Älte Der nächste Zertifikatskurs »Kulturgeragogik« startet am 6. September 2021. Bewerbungen sind noch möglich. ren ist vielerorts noch keine Normalität. w w w.kulturgeragogik.de
F O Y E R // 11 NEUES VON KUBIA WEITERBILDUNG VON KUNST AUS KULTURKOMPETENZ+ INKLUSIVE KULTURPRODUKTION IN NRW PRA XISWISSEN FÜR KULTURELLE BILDUNG Veranstaltungen in der ersten Jahreshälfte 2021 IM ALTER UND INKLUSION Chancengleichheit von Menschen mit Behinderung im Online- und Präsenz-Veranstaltungen Kunst- und Kulturbetrieb, Barrierefreiheit, neue künst im zweiten Quartal lerische und kulturelle Ausdrucksformen von Kultur Coronabedingt terminiert kubia seine Veranstaltungen schaffenden mit und ohne Behinderung – diese und auch in diesem Halbjahr kurzfristig. An dieser Stelle weitere Themen beleuchtet die kubia-Veranstaltungsrei finden Sie einen Überblick über geplante Inhalte unserer he »Von Kunst aus« am Beispiel konkreter nordrhein Qualifizierungsreihe »KulturKompetenz+« für die kom westfälischer Kulturproduktionen aus allen Kunst- und menden Monate: Kultursparten. Ende April wird Kulturgeragogin Angelika Speigl Im April sucht kubia gemeinsam mit dem Theater online das »Wanderkino mit Bettgeflüster« vorstellen. In Oberhausen und weiteren Häusern Ant worten auf die der Präsentation mit anschließendem Gespräch geht es Frage, wie Schauspiel und gehörlose Theaterinteressier darum, wie Kino im Altenheim am Tisch – aber auch im te besser zueinander finden können. Die Theater stellen Bett – verzaubern kann. Um Artotheken, ihre Möglich ihre aktuelle Arbeit an barrierefreien Inhalten und par keiten und Methoden sowie um Vermittlungs- und Be tizipativen künstlerischen Angeboten vor. Teilnehmen gegnungsformate zur geliehenen Kunst geht es im Work de – Mitarbeitende nordrhein-westfälischer Theater und shop »Kunst kommt nach Hause«, den wir im Mai in gehörlose Menschen – sind dazu eingeladen, darüber zu Kooperation mit der Artothek in Köln veranstalten. Im diskutieren, wie sich A ngebote und Öffentlichkeitsar Juni ist dann Gelegenheit, sich bei einem Mini-Barcamp beit verbessern ließen. in der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund damit zu Im Mai stehen die DIN A13 tanzcompany sowie beschäftigen, wie mit bürgerschaftlichem Engagement das Professionalisierungsprogramm M.A.D.E im Zent Bibliotheken zu einem dritten Ort für Ältere werden, der rum der Veranstaltung. Im coronabedingten Lockdown ihrer möglichen Einsamkeit entgegenwirken kann. Wei entstand 2020 mit vier mixed-abled Tänzerinnen und terhin ist eine Zoom-Veranstaltung in Planung, die den Tänzern, gefilmt von acht Kameras, die internationale Umgang mit den Einschränkungen durch die Corona- digitale Live Performance »cellar & secrets BEYOND Pandemie zum Thema macht und geeignete Formate für R E ASON«. Wie aus der Begrenztheit der Produktions die Kulturarbeit mit Älteren vorstellt. Der genaue Ter bedingungen künstlerische Innovation entstanden ist, min wird auf unserer Internetseite bekannt gegeben. welche Bedeutung Digitalität gerade auch für Künst WANDERKINO MIT BETTGEFLÜSTER: KINO IM ALTENHEIM lerinnen und Künstler mit Behinderung hat, ergründet 29. April 2021 // 14.00 bis 15.00 Uhr // online das Gespräch mit der Choreografin Gerda König und Ensemblemitgliedern. Außerdem steht die Suche nach KUNST KOMMT NACH HAUSE: ARTOTHEK Möglichkeiten der Professionalisierung für Tänzerin TRIFFT ALTENARBEIT nen und Tänzer mit Behinderung auf dem Programm. 19. Mai 2021 // 10.00 bis 16.30 Uhr // artothek // Köln WIE FINDEN WIR ZUSAMMEN? THEATER UND GEHÖRLOSE THEATERINTERESSIERTE MEDIENBOTEN: BÜRGERSCHAFTLICHES ENGAGEMENT 26. April 2021 // 18.00 bis 20.30 Uhr // online IN BIBLIOTHEKEN 22. Juni 2021 // 10.00 bis 17.00 Uhr // Stadt- und DIGITALE PRODUKTION UND PROFESSIONALISIERUNG: Landesbibliothek Dortmund DIE MIXED-ABLED TANZCOMPANY DIN A13 26. Mai 2021 // 14.30 bis 17.00 Uhr // online KONTAKT UND WEITERE INFORMATIONEN: Imke Nagel KONTAKT UND WEITERE INFORMATIONEN: nagel@ibk-kubia.de Annette Ziegert w w w.ibk-kubia.de/qualifizierung ziegert@ibk-kubia.de w w w.ibk-kubia.de/vonkunstaus
12 // F O Y E R FÖRDERFONDS KULTUR & ALTER 18 PROJEKTFÖRDERUNGEN IM JAHR 2021 SCHRIT TE – FÜR VIELFÄLTIGE BE WEGER*INNEN Mit dem Förderfonds Kultur & Alter unterstützt das Mi Inklusives Tanztheaterprojekt zur Vielfalt von nisterium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nord Bewegungen // Nicole Schillinger, Oberhausen rhein-Westfalen auch 2021 Projekte, die zeitgemäße und THE DI STA NT BODY innovative Formen der Kulturarbeit von und mit älteren Tanzperformance-Labore zur Auswirkung von Social Menschen sowie im Generationendialog entwickeln. Der Distancing // Silke Z. resistdance, Köln Förderschwerpunkt 2021 lautet »Neue Formate in der Al ICH WAR EIN MENSCH, DER VIELES WUSSTE tenkulturarbeit«. Von den 91 für das Jahr eingereichten Projektvorhaben erhalten 18 eine Förderung: Intergenerationelles Schreibprojekt für Menschen mit Demenz // Helen Brecht, Köln WHEN YOU’RE SMILING … PORTR ÄT IN BEWEGUNG – WA S VON UNS BLEIBEN SOLL Gesangsprojekt für sozial isolierte Menschen // Konzerthaus Dortmund Film- und Bewegungsprojekt zu Lebensporträts // MIR A – Julia Riera-Kresser, Köln ALT SEIN HEISST NICHT STUMM SEIN SILENCE Ein theaterpädagogisches Projekt zu Alltags- und Altersrassismus // ko-labor, Bochum Experimentalchorprojekt zum Verstummen in der Corona-Zeit sowie zu Stücken von John Cage // SCHWIERIG, RUF T DER CHOR IN DIE WELT UND MEINT UNS Experimentalchor Alte Stimmen, Köln Sprechchor-Theaterprojekt zu Spaltung der Gesellschaft // N ACH GE TA NER A RBEIT vier.D – Verein zur Förderung von spartenüber greifendem Tanz und Theater, Dortmund Immersive Theaterspaziergänge auf dem Gelände des Freudenthaler Museums Sensenhammer // Senioren ALLE ZEIT DER WELT theaterensemble Silberdisteln, Leverkusen Theaterprojekt zum Thema Zeit im Historischen MISSING YOU AND YOU AND YOU AND … Museum // Freya-Maria Müller, Bielefeld Theaterprojekt zu Verlusten durch Demenz und zur GE S CHICHT S OR T JOH A NNISK IRCHHOF Corona-Pandemie // Freudige Füße – Ensemble für Intergenerationelles, interkulturelles Dokumentar Kunst und Demenschen, Havixbeck filmprojekt // Kulturzentrum BÜZ Minden KONTAK T UND WEITERE INFORMATIONEN: WIR HAT TEN DIE ZEIT UNSERES LEBENS Imke Nagel Performanceprojekt zu Körper und Altersbildern // foerderfonds@ibk-kubia.de Community Projekt, Stefan Mießeler, Bielefeld www.ibk-kubia.de/foerderfonds DREI S CH W E S TERN N ACH A NTON T SCHECHOW Hybrides Theaterprojekt zu fehlenden Perspektiven // Seniorentheater SeTA e. V., Düsseldorf RÜCKBLICKE 2186 – NEME SIS TEILHABE STATT AUSGRENZUNG Intergenerationelles Tanzperformanceprojekt zum 5. Fachtagung Kunst- und Kulturgeragogik Klimawandel // COBR A Kulturzentrum gGmbh, Rund 90 Akteurinnen und Akteure aus Wissenschaft Solingen und Praxis der Kulturarbeit mit Älteren nahmen am 26. POLIS – DIE GESICHTER DER STADT November 2020 an der 5. Fachtagung Kunst- und Kul Crossmediales Theaterprojekt über Menschen, die das turgeragogik online teil. Veranstaltet wurde der Tag von Ruhrgebiet oder die Stadt Köln prägten // VolXbühne, kubia gemeinsam mit der FH Münster und der Akade Mühlheim an der Ruhr mie Franz Hitze Haus in Kooperation mit dem Fachver band Kunst- und Kulturgeragogik. TONSPUR(EN) Unter dem Titel »Teilhabe statt Ausgrenzung« wur Musikalisch-künstlerisch-experimentelle und intergene den diversitätssensible und inklusive Ansätze in der kul rationelle Werkstatt an der Schnittstelle zwischen Digi turellen Altersbildung vorgestellt und diskutiert: Wie talem und Analogem // Caritasverband Düsseldorf e. V. fördert die Kunst- und Kulturgeragogik kulturelle Teil N AK TEF – V ERDREHTE FAK TEN ODER DIE N ACK TE WA HRHEIT habe für ältere Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft, Experimentelles Videoperformanceprojekt über das geringer Bildung oder Behinderung Diskriminierung Flunkern und Märchen-Erzählen // Werkhaus e. V., erleben? Wie bringt sie Menschen trotz gegenseitiger Krefeld
F O Y E R // 13 Vorbehalte miteinander ins Gespräch und wirkt so spal VERÖFFENTLICHUNGEN tenden Tendenzen in unserer Gesellschaft entgegen? Und wie kann kulturelle Altersbildung Zugänge für die AGE MATTERS! wachsende Gruppe von alten Menschen schaffen, die In der neuen Ausgabe der »Kulturpolitischen Mitteilun von ökonomischer Armut betroffen sind? Mit welchen gen« zum Schwerpunkt Diversität und Soziale Arbeit Methoden arbeitet eine diversitätssensible Kunst- und haben A lmuth Fricke und Miriam Haller einen Bei Kulturgeragogik? trag zum Alter als diskriminierte Diversitätsdimension Die Tagung gab Impulse aus der Wissenschaft, stell veröffentlicht. Nicht nur im kulturpolitischen Diskurs te Ansätze aus der Praxis vor und bot Raum, diese zu wird das A lter häufig marginalisiert und gerät leicht aus diskutieren. Mit partizipativen Methoden kamen die dem Blick. Dabei ist die Diversitätsdimension A lter in Teilnehmenden auch im digitalen Raum miteinander ins ihren intersektionalen Verschränkungen nicht nur für Gespräch. Kulturschaffende von existenzieller Bedeutung, son dern betrifft darüber hinaus die Kultureinrichtungen, WEITERE INFORMATIONEN: ihre Angebote und deren Vermittlung. www.ibk-kubia.de/fachtagung Almuth Fricke / Miriam Haller (2021): Age matters! NETZWERK KULTUR UND INKLUSION Alter als Dimension kultureller Diversität. In: Kulturpo Bundesnetzwerktreffen 2021 litische Mitteilungen 172-I, S. 65– 66. Wie steht es aktuell um die gleichberechtigte Förderung der Kulturellen Bildung von Menschen mit und ohne Be hinderung in den Programmen des Bundes und der Län NETZWERKE UND KOOPERATIONEN der? Was müssen Förderkonzepte berücksichtigen, damit FACHVERBAND KUNST- UND KULTURGERAGOGIK die Zahl der beantragten und geförderten barrierefreien Imke Nagel neues Vorstandsmitglied Projekte steigt und Menschen mit Behinderung, sowohl als Projektleitende als auch als Teilnehmende, tatsächlich Bei der Mitgliederversammlung des Fachverbands erreicht werden? Wie können bestehende Fördermaß Kunst- und Kulturgeragogik am 25. November 2020 nahmen entsprechend optimiert, welche begleitenden übergab nach vier Jahren Vorstandstätigkeit Kim de Maßnahmen können ergriffen werden? Diesen Fragen Groote ihren Posten an Imke Nagel, Kulturpädagogin, widmete sich das diesjährige Online-Bundesnetzwerk Kulturgeragogin und Bildungsreferentin bei kubia. Sie treffen Kultur und Inklusion der Akademie der Kultu bildet nun gemeinsam mit Sabine Baumann und Anke rellen Bildung des Bundes und des Landes NRW am Böhm den Vorstand. 18. März 2021 mit Anregungen aus Theorie und Pra Der Fachverband Kunst- und Kulturgeragogik e. V. xis. Zu den Gästen gehörten Fachkräfte der Kulturellen hat sich 2014 gegründet und ist ein Zusammenschluss Bildung aus den Kulturverwaltungen der Ministerien von Absolventinnen und Absolventen, Dozierenden des Bundes und der Länder, der Bundes- und Landes und Leitenden der Qualifizierungen »Kulturgeragogik« programme und -organisationen zur Förderung Kultu und »Kunstgeragogik«. Der Verband vertritt die Inter reller Bildung sowie Expertinnen und Experten aus der essen der ausgebildeten und im Verband organisierten inklusiven Kulturpraxis. Die Leiterin von kubia, Almuth Kunst- und Kulturgeragoginnen und -geragogen und Fricke, brachte die Erkenntnisse des Kompetenzzent gestaltet den Diskurs Kunst / Kultur und A lter(n) mit. rums aus der Begleitung des Förderfonds Kultur & Alter WEITERE INFORMATIONEN: ein. Sie betonte die Bedeutung von flankierenden Maß w w w.fachverband-kkg.de nahmen wie Konzeptlabore und Fortbildungsveranstal DIALOG-PRAXISNETZWERK FÜR WISSENSTRANSFER tungen zur Sicherung der Qualität inklusiver Projekte. UND INNOVATION WEITERE INFORMATIONEN: kubia als Partner aufgenommen ww w.kultur-und-inklusion.net kubia ist unter den 25 ausgewählten Einrichtungen des neuen bundesweiten Netzwerks DIALOG-Praxis netzwerk für Wissenstransfer und Innovation, das vom Deutschen Institut für Er wachsenenbildung (DIE) ins Leben gerufen wurde. Das DIE hat Partner für einen intensiven Forschung-Praxis-Dialog gewonnen, die ein hohes Interesse an der Integration von forschungsba siertem Wissen in ihre Praxis haben und ihrerseits die Forschung des DIE durch die Öffnung ihrer Einrich tungen ermöglichen wollen. WEITERE INFORMATIONEN: www. die-bonn.de/li/280
14 // F O Y E R DEUTSCHER GENERATIONENFILMPREIS VER ANSTA LTUNGEN Imke Nagel ist neues Jurymitglied PLAY! WILDWEST 2021 kubia-Mitarbeiterin Imke Nagel ist in die fünf köpfige Alles könnte anders sein Jury des Deutschen Generationenfilmpreises 2021 beru 22. bis 25. Juni 2021 // online fen worden. Der Wettbewerb wird seit 1998 vom Deut schen Kinder- und Jugendfilmzentrum (KJF) veranstaltet Der erneute Anlauf für das fünfte WILDwest-Festival und vom Bundesjugendministerium gefördert. Er ist eine wird nach aktuellem Planungsstand vom 22. bis 25. Juni in Deutschland einzigartige Plattform für Filmschaffen im digitalen Raum unternommen. Unter dem Motto de unterschiedlicher Generationen. In den Kategorien »A lles könnte anders sein« verbindet das veranstaltende »Team Award«, »50plus«, »Generationenübergreifend« Theater Bielefeld das nordrhein-westfälische Senioren und »Über Arbeit ( Jahresthema)« wurden zum aktuel theatertreffen mit dem Festival Junges Theater PLAY! len Wettbewerb insgesamt 165 Beiträge eingereicht. Die und eröffnet für alle einen spannenden Dialog der Ge prämierten Filme werden im Bundes.Festival.Film vom nerationen auf der virtuellen Bühne statt wie ursprüng 11. bis 13. Juni in Wuppertal zu sehen sein. Die Mitglie lich vorgesehen im Theater am Alten Markt. Welche der der Fachjury werden von der Bundesfamilienministe Seniorentheater-Ensembles mit ihren herausragenden rin Franziska Giffey berufen. Inszenierungen dabei die Qualität und Vielfältigkeit der Szene NRWs vertreten, hat die Jury bereits Anfang WEITERE INFORMATIONEN: 2020 entschieden: Es sind artscenico (Dortmund) mit www.deutscher-generationenfilmpreis.de »Choose Your Granny«, Go.old Seniorcompany Gudrun FACHMAGAZIN PROALTER Wegener (Bonn) mit »FR AGILE – handle with care«, Miriam Haller im Herausgeberrat The Groove@Grufties (Bonn) mit »The Rock ’n Rollator Show« und das SeTA (Düsseldorf ) mit »Der Struw wel kubia-Mitarbeiterin Miriam Haller ist neues Mitglied peter«. Auch Workshops sowie die Zusammenarbeit der Herausgeberschaft von »ProA lter«, dem Fachmaga mit Studierenden des Instituts für Theaterwissenschaft zin vom Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA). »Pro- (ITW) der Universität Leipzig und des Fachbereichs A lter« informiert viermal jährlich mit Berichten, Re »Szenische Forschung« der Ruhr-Universität Bochum portagen, Interviews und Kommentaren zu wichtigen sind geplant. und aktuellen Fragen rund ums A lter und Ä lterwerden. Auch 2021 ist kubia Kooperationspartner des lan A llen, die sich beruflich, ehrenamtlich oder privat mit desgeförderten Festivals. Fragen des Ä lter werdens beschäftigen, gibt das Fach magazin wertvolle A nregungen und Impulse für ihre WEITERE INFORMATIONEN: Arbeit oder für den A lltag. w w w.wildwest-nrw.de Miriam Haller vertritt im Herausgeberrat den Be KULTUR, DIGITALITÄT UND INKLUSION reich der Kulturellen Bildung im Alter. Die Ausgabe LVR-Kulturkonferenz 2021 2 / 2021 von »ProAlter« wird sich der kulturellen Teil 28. Juni 2021 // online habe älterer Menschen widmen. Thema der Konferenz sind die Chancen von Digitalität WEITERE INFORMATIONEN: für die kulturelle A ktivität und Teilhabe von Menschen www.kda.de/service/proalter mit Behinderung ebenso wie das Potenzial der Perspek FORUM HABITATS – tive Barrierefreiheit für künstlerisch-kulturelle Innova WIE WOLLEN WIR IM ALTER LEBEN? tion. In Vorträgen, Kurzpräsentationen, Gesprächsrun- Almuth Fricke im Kernteam den und Workshops diskutieren die Teilnehmenden, wie Barrierefreiheit und Ink lusion zum Motor von Die frankokanadische Theater-Compagnie Un et un font Kunst und Kultur avancieren. Wie sich durch digitale mille hat im Oktober 2020 in Zusammenarbeit mit dem Angebote Menschen unterschiedlicher Voraussetzun Goethe-Institut Montréal ein multidisziplinäres Projekt gen begegnen können, wird dabei ebenso Thema sein gestartet, das sich drei Jahre lang in einem künstleri wie die Frage, warum Digitalität nicht per se barriere schen, wissenschaftlichen und zivilgesellschaftlichen frei ist. Die Tagung wird von Ninia la Grande mode Labor mit Fragen des Lebens und Wohnens im A lter riert und fachlich durch kubia-Mitarbeiterin Annette beschäftigt. Expertinnen und Experten aus Kunst und Ziegert begleitet. Kultur, Philosophie, Wissenschaft, Urbanistik und Ge Die Kulturkonferenz ist eine Kooperationsveranstal rontologie aus Kanada und Deutschland sind Teil die tung von kubia und dem Landschaftsverband R heinland ses Thinktanks, darunter auch kubia-Leiterin A lmuth (LV R). Fricke. WEITERE INFORMATIONEN: WEITERE INFORMATIONEN: www.kulturkonferenz.lvr.de w w w.forum-habitats.com, www.un-et-un-font-mille.com
S A L O N // 15 SALON PARTIZIPATION IM ALTER BEGRIFFLICHE KL ÄRUNGEN UND KRITISCHE RÜCKFR AGEN Von Mirko Sporket In unserer Gegenwartsgesellschaft scheint Partizipation der Normalfall zu sein, denn anders als vormoderne Gesellschaften ist die Jetztgesellschaft auf die Partizipation ihrer Mitglieder angewiesen. Der Soziologe und Altersforscher Mirko Sporket beleuchtet Licht- und Schattenseiten dieser gesellschaft lichen Entwicklung. Ließe man sich auf das Spiel der sogenannten keiten geregelt, so muss Partizipation heute durch Bindestrich-Gesellschaften ein und legte ein die Individuen selbst hergestellt werden. recht breites Verständnis von Partizipation zu grunde, könnte man unsere Gegenwartsgesell FREIHEIT UND ERSCHÖPFUNG schaft mit einiger Plausibilität als »Partizipa tions-Gesellschaft« bezeichnen. Gesellschaftliche Dieser Prozess geht auf der einen Seite natürlich Teilhabe, Einbindung oder eben Partizipation mit neuen Freiheiten, neuen Möglichkeiten der war bis etwa in die 1970er Jahre vor allem über Mitgestaltung, Mitwirkung und Selbstverwirk eher traditionale Formen der Vergemeinschaf lichung einher. Auf der anderen Seite ist jedoch tung geprägt: durch die Familie, die Nachbar auch klar, dass dieser neue Möglichkeitsraum schaft, die Kirche, Gewerkschaften oder auch nicht von allen Mitgliedern der Gesellschaft auf die Schicht- bzw. Klassenzugehörigkeit. Der von gleiche Art und Weise genutzt werden kann. Die Ulrich Beck (1986) beschriebene Prozess der In Anforderungen, selbst tätig zu werden und Ent dividualisierung und Pluralisierung hat hingegen scheidungen zu treffen, können bisweilen auch zu einer Herauslösung aus eben diesen traditio zu einer Überforderung führen. Der französi nalen Formen der Vergemeinschaftung und zu ei sche Soziologe A lain Ehrenberg (2008) hat diese ner »Entzauberung« der dort gültigen Wert- und Überforderungstendenzen recht eindrücklich in Normvorstellungen geführt. Diese sind nicht seinem Buch »Das erschöpfte Selbst« dargestellt. gänzlich verschwunden, jedoch hat ihre Bedeu Das Selbst erschöpft sich daran, es selbst werden tung mit Blick auf das, was wir gesellschaftliche zu müssen. Teilhabe oder Einbindung nennen, beträchtlich abgenommen. Die spät- oder auch postmoderne RECHT AUF TEILHABE Gesellschaft muss grundsätzlich auf die Mitwir kung und Beteiligung ihrer Mitglieder setzen, Aus diesen hier nur sehr holzschnittartig skizzier denn anders kann sie sich nicht in Gang halten. ten sozialen Veränderungsprozessen erwächst je Sie ist auf die Eigeninitiative sowie das Tätigwer doch nicht nur der an die Individuen adressierte den und Tätigsein der Menschen angewiesen. Anspruch, sich einzubringen und sich zu betei War Partizipation zuvor durch soziale Zugehörig ligen, sondern ebenso der normative Anspruch
16 // S A L O N unseres Gemeinwesens, dass jeder Mensch ein Frage, inwiefern sich Menschen mit Demenz in Recht auf Teilhabe, auf Partizipation hat. Kommunikations- bzw. Interaktionssituationen Dieser normative Anspruch findet sich mitt »gesehen«, anerkannt und berücksichtigt fühlen) lerweile in ganz unterschiedlichen Feldern unserer bis hin zur Makroebene gesellschaftlicher Struk Gesellschaft wieder, zum Beispiel als Patientinnen- turen und Funktionssysteme. Und vermutlich, und Patientenpartizipation im Gesundheitswesen, würde man quantifizieren, finden sich die meisten als partizipative Erziehung in der Pädagogik oder partizipativen Projekte und Prozesse auf der Me als partizipative Forschung in der Wissenschaft. soebene der Organisationen und Institutionen, des Zu denken ist zudem natürlich an den vielfach Stadtteils und der Kommune. beschriebenen dynamisierten Ausbau von Beteili gungsmöglichkeiten auf unterschiedlichen Ebenen VERWANDTE BEGRIFFE des Politischen. Genannt werden können hier Bür gerhaushalte, Schulparlamente, Migrationsbeiräte, Dies zeigt: Partizipation und ihre begriffl ichen aber auch Seniorenvertretungen, Online-Beteili Schwestern Teilhabe, Integration, Beteiligung, gungsportale, Bürgerwerkstätten oder Zukunfts Mitbestimmung, Mit wirkung, Mitsprache, Mit und Stadtteilkonferenzen, Bürgerentscheide und gestaltung, A nerkennung und Ink lusion sind vieles andere mehr. Die Forderung nach Partizi mittler weile in das öffentliche Gemeinvokabular pation erscheint uns im Grunde immer plausibel eingegangen. Sie kommen vor allem zur Sprache, und muss selbst nicht weiter begründet werden. wenn vermutet wird, dass es davon zu wenig gebe; Wir finden sie – im Sinne der W HO-Definition also: zu wenig Partizipation, zu wenig Teilhabe, (2005), die Teilhabe als das Einbezogensein in zu wenig Integration oder zu wenig Inklusion. eine Situation begreift – auf der sozialen Mikro Bei aller begriffl ichen Unterschiedenheit – die ebene der unmittelbaren Lebenswelt und der so bisweilen eine lediglich nuancierte Unterschie zialen Interaktion (zum Beispiel mit Blick auf die denheit ist – stellt der Gebrauch dieser Begriffe
S A L O N // 17 zumeist eine Problemanzeige dar, die mit spezi fragen, von welchem Verständnis von Partizipa fischen Forderungen verknüpft wird. Im Zent tion ausgegangen wird, da ansonsten partizipati rum der Problemanzeigen steht zumeist nicht ein ve Prozesse zu Enttäuschung, Demotivation und generell diagnostiziertes Defizit an gesellschaft Desillusionierung führen können. licher Teilhabe, sondern es rücken bestimmte so Zweitens bedeutet Partizipation nicht Harmo ziale Gruppen in den Blick, die entweder selbst nie, sondern Konflikt. Konflikte sind der Form mehr Teilhabe fordern oder für die diese Forde der Partizipation gleichsam eingelagert. Inter rung in anwaltschaftlicher Funktion von Dritten essen werden in partizipativen Prozessen nicht vorgetragen wird. Zumeist kommen dann auch aufgehoben, sondern bearbeitet. Das gilt für alle die begrifflichen Stiefschwestern der Partizipa Ebenen der Partizipation. Partizipative Erzie tion ins Spiel: Ausgrenzung, Diskriminierung, hung, die Beteiligung von Betriebsräten an un Missachtung, Stigmatisierung, Marginalisierung ternehmerischen Entscheidungen oder Auseinan oder auch Einsamkeit. dersetzungen um die »richtige« Klimapolitik sind Beispiele hierfür. Letztlich bedeutet das, dass FALLSTRICKE UND PARADOXIEN Partizipation immer auch mit Konflikt rechnen muss, also anstrengend ist. Der Partizipation wird dabei einiges zugemutet: Drittens ist Partizipation sozial selektiv, es Sie soll die Politik aus der Legitimitätskrise füh gibt also das Risiko der Nicht-Beteiligung. Die ren, den Individuen Selbstverantwortung und Möglichkeit, sich zu beteiligen, sich einzubrin Selbstverwirklichung ermöglichen und schließ gen oder sich einbezogen zu fühlen, erfordert lich benachteiligten sozialen Gruppen zu mehr eine Reihe von Ressourcen und Kompetenzen, Beteiligung und weniger Diskriminierung ver die jedoch sozial ungleich verteilt sind. Daten helfen. Es überrascht nicht, dass sich so etwas wie zum bürgerschaftlichen Engagement zeigen, dass ein Partizipationsoptimismus breitmacht, also unter anderem Bildung, Gesundheitszustand und die Idee, dass partizipative Prozesse zu guten und Alter einen großen Einfluss darauf haben, ob sich vielleicht auch gerechten Entscheidungen führen eine Person engagiert oder nicht. Es sind vor al würden. Und natürlich ist Beteiligung, ist Mit lem solche Personen und Gruppen, die nicht an sprache, ist Teilhabe gut. Aber mit Partizipation Partizipationsprozessen teilhaben, die ohnehin sind auch einige Fallstricke und Paradoxien ver bereits sozial benachteiligt sind. bunden, die sich nicht einfach auflösen lassen, die Dies führt uns zum vierten Punkt, dem wir aber in unser Partizipationskalkül einrechnen Partizipationsparadox. Die eben beschriebene müssen. Partizipation ist nicht banal, sondern vo soziale Benachteiligung im Rahmen von Par raussetzungsvoll. Hierzu vier Punkte: tizipationsprozessen kann zu (weiteren) Margina Erstens ist Partizipation nicht gleich Partizi lisierungs- und Ausgrenzungstendenzen führen, pation. Bei der Betrachtung gängiger Stufenmo die gleichzeitig – und das ist das Perfide am Par delle lassen sich unterschiedliche Stufen der Par tizipationsparadox – durch die Form der Partizi tizipation hinsichtlich ihres Partizipationsgrads pation legitimiert werden. So zeigt zum Beispiel unterscheiden. Je nachdem, welches Modell hier die Analyse des Wahlverhaltens beim Bürgerent zugrunde liegt, reichen die Stufen von der bloßen scheid über die Verlängerung der Grundschulzeit Information (sehr niedriger Partizipationsgrad) in Hamburg im Jahr 2010, dass hier aufgrund bis hin zur Entscheidungsmacht (sehr hoher der höheren Wahlbeteiligung der bildungsnahen Partizipationsgrad). Geht es also darum, Partizi Milieus eine Entscheidung herbeigeführt wurde, pation zu ermöglichen, so ist immer danach zu die dem eigentlichen Ansinnen nach besseren
18 // S A L O N Bildungschancen zuwiderläuft. Gleichzeitig wird Einsamkeitstendenzen, insbesondere im höhe diese aber aufgrund des partizipativen Charak ren Alter, an die Verschärfung der Altersarmut, ters der Entscheidungsfindung legitimiert. vor allem für ältere Frauen, sowie an die immer noch mangelnde Integration von an Demenz BEDEUTUNG FÜR DAS ALTER erkrankten Menschen. Hier sind vorzugsweise von den Akteurinnen und Akteuren der (Sozia Was bedeutet dies alles nun für die Lebenspha len) Altenarbeit weitaus größere Anstrengungen se Alter? Zunächst einmal ist festzustellen, dass erforderlich, um auch diesen Gruppen – unter viele Ältere von den anfangs beschriebenen neu Berücksichtigung der genannten Paradoxien und en Möglichkeitsräumen Gebrauch machen – die Fallstricke der partizipativen Praxis – ein Mehr Lebensstile älterer Menschen haben sich verviel an gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen. fältigt, sie partizipieren an der Gesellschaft nach DER AUTOR: ihren eigenen Vorstellungen und Wünschen. Mirko Sporket lehrt und forscht als Professor für Sozio Kennzeichnend für diese Gruppe sind ein guter logie mit den Schwerpunkten Altern und Demografie am Gesundheitszustand, eine ausreichende finan Fachbereich Sozialwesen der FH Münster. zielle Sicherheit sowie ein vergleichsweise hohes LITER ATUR: Bildungsniveau. Gleichzeitig – vermutlich in Ulrich Beck (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in der derzeitigen gesellschaftlichen Krise mehr als eine andere Moderne. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. zuvor – wird deutlich, dass ein großer Teil der Alain Ehrenberg (2008): Das erschöpfte Selbst: Depression und Gesellschaft in der Gegenwart. älteren Menschen von gesellschaftlichen Ent Frankfurt a. M.: Suhrkamp. scheidungsprozessen faktisch ausgeschlossen ist WHO (World Health Organization) (2005): bzw. nur eingeschränkten Zugang zu sozialer, Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, politischer oder kultureller Partizipation hat. Zu Behinderung und Gesundheit. Genf: World Health Organization. denken ist hier unter anderem an pflegebedürfti ge Menschen in Pflegeeinrichtungen und der ei genen Häuslichkeit, an die vielfach diskutierten
GROSSMÜTTER MIT SUPERKRÄFTEN ZUR FOTOSTRECKE VON YOSEBA MP IN DIESEM HEFT Fliegend wie Mary Poppins, als Ninja Naruto, der von Fels zu Fels springt, oder als Lady Falcon auf einem Was sertank – der aus Galizien im Nordwesten Spaniens stammende Street-Art-Künstler Yoseba MP würdigt die Groß mütter seiner Heimat in humorvollen Wandgemälden als Heldinnen mit Superkräften. In einer Kombination aus Realität und Fantasie zollt der Künstler der außergewöhnlichen Stärke dieser Generation von Frauen Anerkennung, die sehr hart auf dem Feld, dem Meer und im Haus arbeiten musste, um ihre Familien zu versorgen. Aufgewachsen im Bürgerkrieg und unter der Franco-Diktatur kamen sie selten in den Genuss formaler Bildung. Mit ihren karierten Kittelschürzen prägen sie bis heute das Bild der ländlichen Region. Mit seinen großformatigen Bildern möchte der Künstler Geschichten erzählen. Er nimmt sich viel Zeit, um seine Modelle persönlich kennenzulernen, bevor er sie im Überformat auf bis zu 15 Meter hohen Hauswänden verewigt. Jede Frau setzt er mit einer zu ihr passenden Superkraft in Szene – im Stil der Comics und Mangas, mit denen der Künstler groß geworden ist. af WEITERE INFORMATIONEN: www.instagram.com/yoseba_mp
20 // S A L O N PREK ÄRER RUHESTAND UND ALTERSARMUT VON FRAUEN KONSEQUENZEN FÜR KULTURELLE ALTERSBILDUNG IN MUSEEN Von Esther Gajek Wie wirtschaften ältere alleinlebende Frauen in einer teuren Großstadt ? Wie kommen sie in ihrem Alltag zurecht, wenn ihre Rente im Durchschnitt niedriger ist als die Miete einer Einzimmerwoh nung? Mit welchen Strategien können sie einen Mangel kompensieren ? Was bleibt aber – gerade in puncto (kulturelle) Teilhabe – auf der Strecke ? Die Kulturwissenschaftlerin Esther Gajek, die dieses Thema untersucht hat, sieht ein großes Potenzial, Museen als inklusive Orte zu öffnen und älteren Menschen, die prekär leben, ein Stück Normalität zu ermöglichen. Die gesellschaftliche Spaltung im Alter wird in den Weise vorherrschende Stereotype aufzulösen und letzten Jahren im Bild deutscher Großstädte sicht Tabus aufzubrechen. bar: Zum Beispiel in Form neuer Sozialfiguren, wie etwa die der Flaschensammlerin. Gut betuchte ALTERSARMUT – VOR ALLEM BEI FRAUEN Männer und Frauen können sich hingegen nach dem Berufsleben an den sonnigen Plätzen der Welt »Wir haben es hier mit einem armutspolitischen ihr Paradies suchen. Diese fitten, aktiven, selbst Erdrutsch zu tun,« mahnte der Hauptgeschäfts vorsorgenden Rentnerinnen und Rentner haben führer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrts lange das Bild des Alters hierzulande dominiert verbands, Ulrich Schneider, schon 2015. Der Ar und die Altersarmut unsichtbar gehalten. mutszuwachs bei Menschen im Ruhestand ist seit 2006 um 48 Prozent gestiegen. In den vergangenen FORSCHEN ZUM PREKÄREN ALTER sieben Jahren hat sich die Zahl derjenigen Verbrau cherinnen und Verbraucher ab 70, die überschul Das prekäre Alter in den Blick zu nehmen und det sind, mehr als vervierfacht, und zwischen 2010 über Konsequenzen nachzudenken, war Ziel eines und 2019 ist die Zahl der Männer und Frauen, Forschungsprojekts, das zwischen 2014 und 2018 die im Ruhestand einer Erwerbsarbeit nachge an den Universitäten München und Regensburg hen, um 45 Prozent gestiegen. Die Situation für stattfand und von der Deutschen Forschungsge Frauen stellt sich besonders dramatisch dar: Der meinschaft gefördert wurde. In München, einer Gender-Pay-Gap – immer noch 19 Prozent weniger der teuersten Städte Deutschlands, wurden mehr Gehalt durch geschlechterspezifische Berufswahl stündige biografische Interviews mit alleinstehen und ungleiche Bezahlung während der Berufstä den Frauen, die als besonders armutsgefährdet tigkeit – mündet in einen Gender-Pension-Gap: galten, geführt. Ihre Namen wurden anonymisiert. Jahre der Kindererziehung und / oder Pflege von Ziel war es, in einer qualitativen Forschung exem Angehörigen führen zu einer geringeren Rentenan plarisch vorzuführen, wie sich das Leben in finan wartschaft. Weitere Dispositionen, wie mangelnde zieller Knappheit im Detail darstellt, um auf diese Kenntnisse um Finanzen, verschärfen die Situation
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