www.aaku.ch Mai 2018 Nr. 15 - Aargauer Kulturmagazin

Die Seite wird erstellt Till Auer
 
WEITER LESEN
www.aaku.ch Mai 2018 Nr. 15 - Aargauer Kulturmagazin
www.aaku.ch
      Mai 2018
       Nr. 15

    FRISCHE KUNST

Die Reihe «Caravan»
 im Aar­gauer Kunst-
haus ist ein Motor für
junge wilde Kreative

   FRISCHER BLUES

Die Kanadierin Rita
 Chiarelli ist heim­
   licher Star des
Bluesfestivals Baden

    FRISCHES BLUT

Theater Tuchlaube
   in Aarau setzt
auf Jugendliche und
  Migrant*innen
www.aaku.ch Mai 2018 Nr. 15 - Aargauer Kulturmagazin
Engagieren auch Sie sich in Ihrer Freizeit für Kultur?
Dann sind Sie eingeladen, 50 Aargauer Museen gratis
neu zu entdecken!

 Willy Nabholz entschlüsselt                                                Ana Schoch sorgt am
 im Freiwilligenprogramm vom                                                Metschgplatsch-Openair
 Museum Aargau Geheimnisse.                                                 für Ordnung hinter der Bar.

                                                   1.4.2018 –31.3.2019
                                                   www.eingeladen.ch

  Istvan Balogh
  «Konfabulation»

  Kunstraum Baden
  29. April bis 8. Juli 2018
  Haselstrasse 15, 5400 Baden, Eingang: Bahnhof West – Toreinfahrt Regionalwerke
  +41 56 200 84 48, kunstraum@baden.ch, wwwkunstraum.baden.ch
  Öffnungszeiten: Mi bis Fr 14-17 Uhr, Sa & So 12-17 Uhr, Eintritt frei
www.aaku.ch Mai 2018 Nr. 15 - Aargauer Kulturmagazin
Herausgegeben von der IG Kultur Aargau                                Mai 18 Aargauer Kulturmagazin                           Editorial

                                         Jung und ja
                                         Hübsch ist sie, die Jugend. Clever und gescheit. Und kreativ sowieso und noch nicht
                                         verstrickt in tausend Abhängigkeiten. Viel Idealismus und Kampfgeist schwingt stets
                                         mit wie auch die Lust auf Risiko. Herausfordernd ist sie – frech, sexy und immer bereit,
                                         die Welt zu verbessern. Darum ist dieses Heft der Jugend gewidmet. Einer Jugend, die
                                         seelenruhig, aber doch verletzlich am Wasser masturbiert. Einer Jugend, die etwas wagt.
                      Corinne Rufli      Einer Jugend, zu der man sich selber auf einmal nicht mehr zählen darf. Gelindert wird
                   Redaktionsleiterin    der Schmerz darüber im Wissen, dass auch der Nachwuchs Rebellion kennt und lebt.
               corinne.rufli@aaku.ch
                                         Dank dem Kampf der jungen und jugendhaften Royals (für nicht Badener*innen: Men­
                                         schen, die das Kulturhaus Royal lieben und sich dafür einsetzen) scheint die Zukunft
                                         des ehemaligen Kinos gesichert. Doch weiterhin muss viel Schweiss und Geld auf­
                                         gebracht werden, um den Erhalt des Lokals die nächsten Jahre zu ermöglichen. An der
                                         grossen musikintensiven Saisonabschlusssause (siehe Seite 10) ist für einmal Zurück­
                                         lehnen erlaubt.

                                         Jugendförderung – woraus die Stars von morgen hervorgehen – gibt es im Aargauer
                                         Kunsthaus. Die Reihe «Caravan» gibt einen Einblick in unterschiedliche Po­sitionen
                                         der jungen Schweizer Kunstszene. Eine davon ist die von Andriu Deplazes. Seine oft
                                         grummeligen, verformten Figuren platziert in ausgiebigen Natursituationen wirken
                                         befremdend und doch anziehend. Das Gemälde «Körper und Hund» des 25-jährigen
                                         Künstlers aus Zürich ziert unser Cover. Einen Rückblick auf 10 Jahre «Caravan» und
                                         seine Bedeutung für junge Kunstschaffende sowie einen Ausblick auf die Jubiläums­
                                         ausstellung gibt es ab Seite 6.

                                         Im Theater Tuchlaube in Aarau werden diesen Frühling etliche Laientheater-Premieren
                                         gefeiert, in denen Jugendliche und junge Migrant*innen sich furchtlos und unerfahren
                                         auf die Bühnen schmeissen, immer mit dem Risiko zu scheitern (Seite 11). Eine Vision ist,
                                         dass die Alte Reithalle ein Zentrum für kulturelle Teilhabe wird, was auch der Kanton
                                         sicherlich sehr schätzen würde.

                                         Damit Sie, verehrte Leser*innen, Ihren Beitrag an den Nachwuchs leisten können, und
                                         wenn Sie bestenfalls in Aarau wohnen, gehen Sie am 10. Juni an die Urne und legen
                                         Sie ein fettes Ja für die Alte Reithalle ein (siehe Leitartikel Seite 22). Ihre Zukunft wird es
                                         Ihnen danken.

                                                                                                                                           3
www.aaku.ch Mai 2018 Nr. 15 - Aargauer Kulturmagazin
KUNSTAUSSTELLUNG 2018
                                                                                                                      Von der Druckgrafik
                                                                                                                      bis zum 3 dimensionalen Druck
                                                                                                                      25 Künstler und 4 Druckwerkstätten
ODEON BRUGG                                                                                                           26. Mai – 10. Juni 2018
das Kulturhaus beim Bahnhof                                                                                           Vernissage Freitag, 25. Mai, 19:00 Uhr
                                                                                                                      im Salzhaus in Brugg

CINEMA                           BÜHNE                     BAR
Info 056 450 35 65               Vorverkauf          Mo – Do 17.30 – 23 Uhr
Tickets                          Mo bis Fr ab 14 Uhr Fr + Sa 17.30 – 24 Uhr
odeon-brugg.ch                   Sa/So ab 10 Uhr     Sonntag 17.30 – 22 Uhr

CINEMA                                                     BÜHNE
MITTWOCH 2. MAI 18 UHR
        CAMPUSCINEMA
SCHULE, SCHULE

                                                                                                                                                                       Wir danken für die Unterstützung:
D 2017 90 Min. D ab 12 Jahren Regie: Hella Wenders                                                Öffnungszeiten:
Der Film begleitet vier Kinder, die an                                                            Freitag  19 – 22 Uhr
der inklusiven Schule Berg Fidel in                                                               Samstag 13 –17 Uhr
Münster zur Schule gehen.                                                                         Sonntag 11 – 17 Uhr
                                                                                                  Mittwoch 19 – 22 Uhr
                                                                                                  Verein Salzhaus Brugg
                                                                                                  Schulthessallee
                                                                                                  CH-5200 Brugg
                                                                                                  www.salzhaus-brugg.ch

                                                           FREITAG 4. MAI 20.15 UHR
SAMSTAG 5. MAI 17.30 UHR                                   CHRISTIAN HALLER
        CINEMA E VINO                                      In seinem Zeitroman «Das unauf-
C'ERAVAMO TANTO AMATI                                      haltsame Fliessen» nähert sich der
I 1975 124 Min. I/df Regie: Ettore Scola                   Autor seiner Zürcher Zeit neu.
Zusammen mit Melillo’s Vineria
laden wir Sie ein zum weinsinnig                                                                                         Aarauerstrasse 26 I 5200 Brugg
unbeschwerten Kinovergnügen mit
Degustation.

                                                                                                              NOCHE L ATIN A

                                                                                                              «ROBERT MARCANO Y SU BANDA»
                                                           DONNERSTAG 17. MAI 19 UHR
                                                           KLAUS MERZ: DIE DICHTERBRÜ-                        Sa 26. Mai | 21 Uhr
                                                           DER KLAUS UND MARTIN MERZ
                                                           Gedichte aus seiner Werkausgabe                    Robert Marcano, Venezuela – in der Schweiz, neben
MITTWOCH 16. MAI 17 UHR                                    sowie aus seinem jüngsten Band                     Picasón – ein Urgestein der Salsa-Szene. Seit 1992 be-
        ODEONKINOREIF?                                     «Helios Transport». Im Gepäck mit                  spielt er in verschiedensten Formationen die Schweizer
IL GATTOPARDO                                              führt er auch «Zwischenland», die                  Bühnen. Freut euch auf eine feurige Latin-Night!
I 1963 183 Min. I/d ab 12 Jahren Regie: Luchino Visconti   Gedichte seines verstorbenen Bruders
Burt Lancaster als Sizilianer, der                         Martin Merz.                                       www.dampfschiff brugg.ch
junge Alain Delon als einäugiger
Liebhaber und die atemberaubende
Claudia Cardinale: Man kann ihnen                                                                            Hol dir deinen kostenlosen Noche-Latina-Drink!
nicht lang und oft genug zuschauen.                                                                          Ausschneiden und mitbringen! (gültig am 26.05.18)
                                                                                                             www.dampfschiff brugg.ch
                                                                                                             www.facebook.com/dampfschiff kultur

MITTWOCH 23. MAI 18 UHR
        CAMPUSCINEMA
PRE CRIME
D 2017 91 Min. D ab 12 Jahren Regie: Heeder/Hielscher
Bei der Methode «Predictive Policing»
wird prognostiziert, wann und wo ein
Verbrecher zuschlägt.
                                                           FREITAG 18. MAI 20.15 UHR
                                                           GORAN KOVACEVIC &
                                                           DIE SCHURKEN: ODYSSEE
                                                           Ein berührender, witziger und fröh-
                                                           licher Musikabend mit vier fantas-
                                                           tischen Musikern.
DIENSTAG 19. JUNI 19.15 UHR
       ODEON OPERA                                         FREITAG 25. MAI 20.15 UHR
DON PASQUALE                                               OHNE ROLF: SEITENWECHSEL
Oper von Gaetano Donizetti live aus der Opéra de Paris     In ihrem vierten Stück wechseln
Mit ODEON OPERA bringen wir die                            OHNE ROLF die Seiten und suchen
bekanntesten Opern von den schöns-                         einen Ersatz, der das Zeug zum
ten Bühnen Europas nach Brugg.                             Blättern hat.
www.aaku.ch Mai 2018 Nr. 15 - Aargauer Kulturmagazin
Herausgegeben von der IG Kultur Aargau                          Mai 18 Aargauer Kulturmagazin                         Inhalt

                                                        VORSCHAU

                     Junge Schweizer Kunst im Fokus 6
        Die Ausstellungsreihe «Caravan» im Aargauer Kunsthaus
                              in Aarau feiert ihr 10-Jahr-Jubiläum
                                                                       MAGAZIN

                                                                       22 Das Aarauer Volk entscheidet über das Schicksal
                                                                          der Alten Reithalle. Bekommt der Aargau endlich
                                                                          seine grosse Bühne?
                                                                          Im Leitartikel wird der mühsame Werdegang und die Bedeutung
                                                                          dieser einzigartigen Bühne von Silvia Dell’Aquila, Kulturaktivistin
                                                                          und «We Love Aarau»-Inhaberin, aufgezeigt. Inklusive Highlights
                                                                          der Sommersaison.

                                Bäderstadt im Bluesfieber 9
  Die kanadische Musikerin Rita Chiarelli am Bluesfestival Baden

                                                     Fête Royale 10
      Das Badener Kulturlokal Royal feiert den Saisonabschluss

                                       Das singende Klavier 10
             Die lettische Pianistin Arta Arnicane spielt in Baden

                                         Hier spielt der Laie 11       26 Backstage
       In der Tuchlaube Aarau stehen Jugendliche auf der Bühne            Von Patti Basler

                   Zwischen Romantik und Moderne 12                    26 Olga Tucek
            Das Mondrian Ensemble in der Pianolounge in Aarau             Kolumne

                                                    «Kaltschale» 12    27 Das Objekt
   Weisse Gipsplastiken in der neuen Ausstellung im Trudelhaus            Sammlerstücke von Rudolf Velhagen

                                                Thik neu im Zelt 13    27 Shirins Welt
                                 Ein Affenhaus und eine irre Messe        Kolumne

                                  Filmmusik vom Feinsten 13            28 Tour de Kaff
Das Blasorchester Baden Wettingen spielt mit dem Vocalino Chor            Nächster Halt: Würenlingen

                                                   Familienseite 15
                                                   Kultursplitter 17
                                                       Filmtipps 19
                                                        Hörtipps 20
                                                       Lesetipps 21
                                                                       AGENDA

                                                                       30	Kultur im Aargau auf einen Blick
                                                                          Veranstaltungen im Mai

                                                                       Cover: Andriu Deplazes, Caravan 1/2018. Ausschnitt aus: «Körper und
                                                                       Hund», 2017. Öl auf Leinwand, 165 × 200 cm

                                                                                                                                   5
www.aaku.ch Mai 2018 Nr. 15 - Aargauer Kulturmagazin
Vorschau                          Mai 18 Aargauer Kulturmagazin

                                                                 TEXT ISABEL ZÜRCHER

                                                        On
                                                        the
                                                       Road
                  KUNST Das Aargauer Kunsthaus feiert den 10. Geburtstag der Ausstellungsreihe «Caravan»
                    mit einem sommerlichen Stelldichein der jungen Schweizer Kunst. Das Kunsthaus baut
             mit der Nachwuchspflege an seiner Zukunft. Was die Beteiligung an dieser Reihe den Künstler*innen
                                           gebracht hat, erzählen sie gleich selber.

Kevin Aeschbacher, Caravan 2/2017, Ausschnitt aus «The Response to Light of Various Parts 4», 2017,

            Als der Maler Andriu Deplazes Anfang dieses Jahres in Aarau           Nebeneinander von Werken aus der Sammlung und tem­po­
            eine Auswahl seiner jüngsten Bilder präsentierte, ragte eine          rären, neuen künstlerischen Interventionen prägt leitmo­
            vielleicht verschneite, vielleicht von weissem Sand verweh­           tivisch die Aus­s tellungsreihe «Caravan». Wandelbar, auf
            te Ebene keck über seine monografische Schau hinaus.                  Zeit und ohne absehbare räumliche Verankerung siedelt
            Spontan hatte der Künstler entschieden, ein Kleinformat in            «Caravan» junge Positionen im Kunsthaus an.
            den angrenzenden Saal zu hängen. Das nackte Dasein, das                    «Diese Ausstellung war in meiner bisherigen Laufbahn
            der verstörende Charme seiner Kunst so gern in unberührte             sicher ein Highlight», meint Katharina Anna Wieser (*1980),
            Landschaften setzt, bekam es mit Bildern zu tun, die das              deren eigens fürs Treppenhaus entwickelte Installation
            Verhältnis zwischen Kultur und Natur im vorigen Jahrhun­              2016 neue Fragen auch an ihren Status als profes­sionelle
            dert noch ganz anders charakterisierten. Die Nachbarschaft            Künstlerin aufwarf. Dass ihr dieses Haus – architektonisch
            zu Ferdinand Hodler oder Cuno Amiet, der Brückenschlag                und mit seiner Sammlung für Wieser ein «Liebling»! –
            zu Bauernporträts oder heroischen Alpenansichten ver­lieh             eine Carte Blanche offerierte, ein öffentliches Gespräch
            dem malerischen Neuland zusätzliche, fragende Pointen.                und damit die immer dringliche Kontextualisierung ihres
            Das war Absicht, und es ist Programm: Das fruchtbare                  Schaffens in Aussicht stellte, war eine Chance. «Die An­

            6
www.aaku.ch Mai 2018 Nr. 15 - Aargauer Kulturmagazin
April 18   Aargauer Kulturmagazin                   Vorschau

frage hat mir einen Schub gegeben, in nur vier Monaten            gen festigt und in die Gunst jener investiert, die sie mögli­
mit einem schlan­ken Budget eine Arbeit zu realisieren, die       cherweise auch in die hauseigene Sammlung aufnehmen
andernorts so nicht entstanden wäre.» Das eigentliche             möchte. «On the Road. 10 Jahre Caravan-Ausstellungsreihe
Kapital des Aargauer Kunst­hauses, seine über Jahrzehnte          für junge Kunst» gibt nun dem rollenden Ausstellungsformat
gewachsenen Bestände an Schweizer Kunst, wird so zum              zum Geburtstag gleichsam einen Stoss: Zehn Gastspiele und
Treiber für neue Interven­tionen. Das Fördergefäss des            damit zehnmal eigens in Aarau konzipierte Werke verteilen
«Caravan» steht für jene Dy­namik, die in den Lebensläufen        sich über die Sommerwochen im Haus. Die Mitwirkenden,
einer vielversprechenden Generation lokale Verankerung            geboren zwischen 1985 und 1989, haben regional und na­
mit inter­nationaler Vernetzung zu paaren weiss. «Caravan»        tional schon von sich reden gemacht: Mit ein- oder mehr­
ist Motor oder Zwischenhalt. «In meinem Fall», so Francis­        maliger Beteiligung an den Swiss Art Awards tragen sie ein
co Sierra (*1977), dessen Beteiligung 2009 in einen ersten        Gütesiegel der Schweizerischen Kunstkommission; sie sind
Museumsankauf mündete, «läuft ‹Caravan› sicher unter der          mit Stipen­dien ausgezeichnet worden, sie leben fast aus­
Kategorie ‹Motor›.» Und auch wenn sich retrospektiv nie           nahmslos in urbanen Zentren, und die Reihe ihrer Ausstel­
genau be­s timmen lasse, was die Weichen für eine Künstler­       lungen und Ausstellungsbeteiligungen reisst nicht ab.
laufbahn stelle, sei Aarau für ihn eine attraktive Destination        War der bereits gesicherte Erfolg ein Auswahlkriterium?
gewesen: «Ich hatte für meine Ideen keinerlei Einschränkun­       Katrin Weilenmann kuratiert das Projekt gemeinsam mit
gen, die Zusammen­arbeit war sehr gut.»                           Yasmin Afschar und fasst zusammen, was die Künstlerliste
    Eines ist klar: Es sind nicht nur die Künstlerinnen und       zur Geburtstagsschau zusammenführte: «Entscheidend
Künstler, denen der ortsspezifische Stopp in Aarau Aufmerk­       war, Positionen zu identifizieren, mit denen wir wirklich gern
samkeit sichert und den Anschluss an eine bereits aner­           einmal etwas in Aarau machen wollten.» Es geht um ein
kannte Kunstgeschichte. Es ist auch die Institution Kunst­        breites Spektrum an Mentalitäten wie um den Blick in alle
haus, die mit der Nachwuchspflege an ihrer Zukunft baut,          Landesteile, wobei die längst fliessend gewordene Kategorie
mit präzisen Setzungen und befristeten Risiken Beziehun­          von Herkunft und regionaler Anbindung von geringerem

                                                     Selina Baumann, Caravan 1/2017, Ausstellungsansicht, Aargauer Kunsthaus. Foto: René Rötheli

                                                                                                                                  7
www.aaku.ch Mai 2018 Nr. 15 - Aargauer Kulturmagazin
Vorschau                          Mai 18 Aargauer Kulturmagazin

Pauline Beaudemont, Caravan 2/2016. Installationsansicht. Foto: David Aebi

            Interesse sei als die Möglichkeit, «Werke im Werden»              Anwesenheit und den Live-Moment setzt; um Beziehung
            im Kunsthaus anzusiedeln. Performances, deren Konjunktur          zwischen heute und damals und um Zusammenarbeit; um
            dem «Caravan» bisher eher entgangen ist, nehmen einen             das Situative wie um das bleibende Haus, das seine Gast­
            festen Platz ein im Programm. Denn junge Kunst will sich          freundschaft im Hier und Jetzt geschickt auf Zukunft richtet.
            nicht nur der individuellen Betrachtung aussetzen. Sie
            stiftet Erlebnisse und schürt so die Wachsamkeit eines Pu­
            blikums, das sich kollektiv auf Situationen, Informationen,       AARAU Aargauer Kunsthaus
            Inter­aktionen einlässt. Wenn zum Beispiel Ariane Koch und        Fr, 4. Mai, 18 Uhr: Vernissage «Caravan».
            Sarina Scheidegger ihre auf Kunst bezogene Sprache                22. September: «Caravan»-Tag: Geburtstagsfeier
            einer Schauspielerin anvertrauen, dann geht es um meh­            5. Mai bis 23. September
            reres: um das Selbstverständnis einer Kunst, die auf

            8
www.aaku.ch Mai 2018 Nr. 15 - Aargauer Kulturmagazin
April 18   Aargauer Kulturmagazin                Vorschau

Lady got the Blues
SOUNDS Eine der Hauptakteur*innen am diesjährigen Bluesfestival Baden ist die Kanadierin
Rita Chiarelli, eine ausdrucksstarke Sängerin, kompetente Gitarristin und eine, die den Blues
mit allen Fasern ihres Seins lebt.

Die «Canadian Encyclopedia» weiss nicht so genau, wie alt
Rita Chiarelli ist: «Born Hamilton, Ontario, 1950 or
                                                                  t
1954?» steht dort, aber so wichtig ist das auch             G ran
                                                          e
nicht. Ist die Frau nun 68 oder erst 64?              nis
                                                 : De
Ein gelebtes Leben steht hinter ihrer         to
                                             Fo
Karriere – ein Leben als Blues­           lli.
                                         re

musikerin, Tourneen durch die
                                       hia
                                     aC

amerikanische und kanadische
                                   Rit

Provinz, Konzerte bei den
Rednecks und in den Metro­
polen, vor Schwarzen und
Weissen, in Konzertsälen
mit Symphonieorchester
und in Gefängnissen
vor den Insassen. Rita
Chiarelli kennt das
Leben und somit kennt
sie auch den Blues
und kann ihn authen­
tisch und «streetwise»
singen und spielen.
     Rita Chiarelli – das
klingt nun eher nach
italienischem Canzone als
nach Blues. Wer aber die
Lady in einem ihrer zahlrei­
chen Youtube-Videos sieht, und
vor allem wer sie sprechen hört,
spürt, dass sie den Blues inhaliert
hat von Kindsbeinen an. Tatsächlich
aber hat Chiarelli einen Teil ihrer Lehrzeit
als Musikerin in Italien verbracht. Nach ersten
Erfahrungen mit lokalen Bands in ihrer Heimat­
stadt Hamilton gründete sie erst ihre eigene R & B-Band
tourte dann mit Rockabilly-Veteran Ronnie Hawkins und
ging schliesslich nach Italien, um als Studiosängerin zu              und mit ihrem eigenen Trio im Prima Vista. Und dann ist da
arbeiten. Nach der Rückkehr schaffte es ihre erste Single in          der Film «Music from the Big House». Seit einigen Jahren
einen Film, was ihrer Karriere Schub gab und dazu führte,             versteht sich Chiarelli ebenso sehr als Musikerin wie auch
dass sie 1992 endlich ihr Albumdebüt realisieren konnte.              als Botschafterin ihrer Musik, als Heilerin fast, denn sie ist
Seither ist Rita Chiarelli Teil der Bluesgemeinde weltweit.           überzeugt, dass Musik für das seelische und körperliche
     Am Bluesfestival Baden, das heuer zum 15. Mal über               Gleichgewicht unabdingbar ist. Der Film zeigt sie bei einem
verschiedene Bühnen der Stadt geht, hat Rita Chiarelli eine           Auftritt im «Angola», dem berüchtigten Hochsicherheits­
besondere Stellung, sie ist so etwas wie Artist in Residence.         gefängnis in Louisiana. Was als normales Konzert geplant
Denn nicht nur einmal ist sie zu sehen. Natürlich: Ihr Auftritt       war, entwickelte sich zu einem Resoziali­sierungsprogramm
mit ihrer Frauenpower-Band Sweet Loretta im Nordportal                für die Insassen. Und damit ist sie mit ihrer Musik an den Ort
ist der Höhepunkt. Chiarelli und ihre sechs Ladys – drei              zurückgekehrt, wo der Blues vor mehr als hundert Jahren
Bläserinnen plus Rhythm Section – werden der Halle mäch­              entstand. Rita Chiarelli, die Kanadierin mit dem italienischen
tig einheizen, der Schweiss wird fliessen auf der Bühne und           Namen, fühlt sich da daheim! Von Beat Blaser
im Parkett, bis die Wände tropfen! Rita Chiarelli ist aber auch
in intimerem Setting zu erleben: im Duo mit dem Gi­tar­­ris­
ten und Sänger­kollegen Morgan Davis im Hotel Du Parc                 BADEN Bluesfestival, Diverse Orte, 19.–26. Mai

                                                                                                                                  9
www.aaku.ch Mai 2018 Nr. 15 - Aargauer Kulturmagazin
Vorschau                            Mai 18 Aargauer Kulturmagazin

            Une Fête Royale
            SOUNDS Zum Saisonende steigt im Badener                             bewegen sie sich in folkigen Gefilden mit Americana-At­ti­
            Kulturlokal Royal ein königliches Fest. Wäh­                        tüde – und das mit Erfolg. So werden sie dieses Jahr sowohl
            rend zweier Tage kann man zu Musik aus                              am Open Air St. Gallen als auch auf dem Gurten zu sehen
            verschiedensten Genres die Hüften schwingen.                        sein. Doch bevor sie die Festivaltour in Angriff nehmen,
                                                                                kommen sie pünktlich zur royalen Saisonabschlussparty
            Einst sollte das geschichtsträchtige Haus ein paar wenigen          nach Baden. Von Philippe Neidhart
            Parkplätzen weichen – doch der Widerstand in der Bäder­
            stadt war heftig. Dann sollte es in ein Baustellenbüro ver­
            wandelt werden – wieder gingen unzählige Badener*innen              BADEN Royal, Fr/Sa, 25./26. Mai
            auf die Strasse, und eine Petition mit 7000 Unterschriften
            wurde eingereicht. Nun scheint die Zukunft des Kulturhau­
            ses Royal – zumindest vorerst – gesichert, denn Ende Januar
            stimmte der Badener Einwohnerrat für einen Verpflich­
            tungskredit von 198 000 Franken und somit für den Erhalt
            des Kulturbetriebs im ehemaligen Kino. Ein Happy End? Wer
            weiss, denn gleich hinter dem Royal ist ein Neubau mit
            18 Luxus-Loftwohnungen geplant. Doch davon lässt man
            sich nicht aufhalten – mit der «Fête Royale» wird für diese
            Saison noch ein letztes Mal auf den Putz gehauen, bevor es
            in die Sommerpause geht – und dies gleich an zwei Tagen.
            Mit dem Ghana Cultural Trio holen die Organisator*innen am
            Freitag westafrikanische Grooves nach Baden. Jede Region
            und jeder Stamm Ghanas haben ihre eigenen Rhythmen und
            Songs, so treffen Klänge verschiedenster Perkussionsinstru­
            mente auf traditionelle Gesänge in diversen Sprachen – ein
            einmaliges Spektakel für Ohr und Auge.
                Doch damit nicht genug, denn auch am Samstag gibt es
            mit The Cavers einen weiteren musikalischen Leckerbissen.
            Schon seit Jahren sind die drei jungen Berner gute Freunde,
                                                                                  Das Berner Trio The Cavers bringt amerikanisches Flair ins Royal. zvg
            seit 2016 stehen sie nun gemeinsam auf der Bühne. Dabei

                                                                   Gefragt ist ein «singendes
                                                                   Klavier»
                                                                   KLASSIK DIE «Wassermusik» stammt von Georg Friedrich Händel.
                                                                   Das Element Wasser hat aber auch viele Kollegen nach ihm fasziniert.
                                                                   So betitelt Luciano Berio eine seiner Kompositionen mit «Wasser­klavier»;
                                                                   so zollen der Lette Janis Kepitis dem Nass mit «Barcarole und Wellenlied»
                                                                   und Frédéric Chopin mit dem Regentropfen-Prélude Reverenz. Leicht
                                                                   zu beantworten ist deshalb die Frage, unter welchem Titel ein Rezital steht,
                                                                   das neben den genannten auch Werke von Ravel, Liszt, Grieg und Schubert
                                                                   vereint – «Aqua». Die famose lettische Pianistin Arta Arnicane bezieht
                                                                   sich in ihrem Badener Programm zwar auf vieles, was auf ihrer gleich­
                                                                   namigen CD zu hören ist – aber nicht nur. Für ihr Konzert in der Druckerei
                                                                   baut sie eigens Martin Schlumpfs «December Rains» (1992/93) ein.
                                                                   Für dieses zeitgenössische Stück ist unter anderem diese Spielqualität
                                                                   erforderlich: «Singendes» Klavier. Ein solches wird sich im Rahmen der
                                                                   Reihe «schlumpf+», die klassische Musik und Jazz mit einem zeit­ge­nös­
                                                                   sischen Werk verbindet, bestimmt ausgezeichnet machen. Von Elisabeth Feller

Die lettische Pianistin Arta Arnicane huldigt
musikalisch dem Wasser. zvg.
                                                                   BADEN Druckerei, Do, 24. Mai, 19.30 Uhr

            10
April 18   Aargauer Kulturmagazin                   Vorschau

Alle Macht den Laien
BÜHNE Am Theater Tuchlaube reiht sich im Frühjahr eine Laientheater-Premiere an die nächste.
Warum man in Aarau auf die Arbeit mit Jugendlichen und Migrant*innen setzt.

 Eine Melange aus Revolution und Punkrock: Junge Marie mit «Heroes of the Overground». zvg

Sie heissen Träumer, Schein_werfer und Die Freispieler und         Die 12- bis 16-Jährigen des Jugendklubs Schein_werfer
sie ermöglichen Kindern und jungen Erwachsenen zwischen            nehmen in ihrem Tanztheater «Wer bin ich» Jostein Gaarders
9 und 21 Jahren das Sammeln erster Bühnenerfahrungen.              Philosophieklassiker «Sofies Welt» zum Anlass, ihre eigene
Zählt man den interkulturellen Generationenklub Bundt              Existenz zu hinterfragen.
hinzu, in dem rund die Hälfte der 30 Mitglieder unbegleitete           «Die jungen Menschen lernen auf diese Weise, dass
minderjährige Asylsuchende sind, und addiert die engen             Gegenwart gestaltbar ist», resümiert Kelting. Die Arbeit der
Ko-Produktionspartner der Tuchlaube wie das Jugendtheater          Jungen Marie, der Jugendgruppe des Theater Marie, geht in
Junge Marie und die B’bühne (Bürgerbühne), gibt es in Aarau        Sachen Professionalität noch weiter. Hier werden die jungen
derzeit sechs Formate mit hundert Laienschauspieler*innen.         Schauspieler*innen gecastet. Einige landen später auch
     Für Tuchlaube-Theaterleiter Peter-Jakob Kelting und           an der Schauspielschule. Das Stück «Heroes of the Over­
Theaterpädagogin Nina Curcio hat dieser Fokus auf Theater­         ground/Die Erben» entstand aus intensiven Diskussionen
formate mit Jugendlichen und Migrant*innen auch strate­            mit Schulklassen und fragt nach den Möglichkeiten des
gische Gründe. Die geplante Institution in der Alten Reit­         Einzelnen, in einen politischen Prozess einzugreifen.
halle, über deren Realisierung das Aarauer Stimmvolk am                Eingreifen müssen regelmässig die vielen Feuerwehr­
10. Juni entscheiden wird, legt in ihrem Betriebskonzept           männer und -frauen, welche die Theaterautorin Anna Papst
einen Schwerpunkt auf kulturelle Teilhabe und auf Theater          für ihr Stück «Katastrophenübung» interviewt hat. Im Juni
in der Mi­grationsgesellschaft. Ende April diskutierten in         wird es von den Laien der B’bühne Aarau in der Alten Reit­
Aarau Kulturvermittlerinnen und Theatermacher darüber,             halle uraufgeführt. Von Julia Stephan
wie das Laientheater-Angebot der Tuchlaube diesem Kul­
turprojekt zugute kommt. «Längerfristig könnten die Alte
Reithalle und das Theater Tuchlaube in der neuen Träger­           AARAU Tuchlaube, «Wer bin ich?»
schaft zu einem Zentrum für kulturelle Teilhabe werden»,           Mi, 23. Mai, 19 Uhr, (Premiere); Sa/So, 26./27. Mai 19 Uhr.
erklärt Kelting.                                                   AARAU Tuchlaube, «Heroes of the Overground/Die Erben»
     Die Vorteile liegen auf der Hand: Laientheater holt           So, 6. Mai, 20.15 Uhr (Premiere); Mo, 7. Mai, 19 Uhr;
theaterferne Bevölkerungsgruppen ins Haus und fördert bei          Di/Mi, 8./9. Mai, 20.15 Uhr.
Jugendlichen kognitive und soziale Fähigkeiten. Spielend           AARAU Alte Reithalle, «Kata­s trophenübung»
lernen sie fremde Perspektiven einzunehmen, sich selbst            Di, 19. Juni, 20.15 Uhr (Premiere); Do–Sa, 21.–23 Juni, 20.15 Uhr;
zu reflektieren. Ein Grund, dass die Spielklubleiter*innen         So, 24. Juni, 17 Uhr.
die Themenwahl mit den Kindern und Jugendlichen treffen.

                                                                                                                                  11
Vorschau                         Mai 18 Aargauer Kulturmagazin

Experimentieren mit
Quer­ver­bindungen
KLASSIK Mit dem Mondrian Ensemble hat sich                         Mozart und Delz stehen zwei Werke einer eher vernachläs­
ein Klavierquartett etabliert, das im klassisch-                   sigten Gattung auf dem Programm, die vor dem Hintergrund
romantischen Repertoire ebenso zu Hause ist wie                    ihrer jeweiligen Zeit auf spannende Weise die Möglichkeiten
in der neuen Musik.                                                des Zusammenspiels der vier Instrumente ausloten.
                                                                       Von anderem Zuschnitt ist «Caprice» für Klaviertrio von
Wer kommt einem beim obigen Namen in den Sinn?                     Jannik Giger. Darin greift der 33-Jährige Formen, Techniken
Piet Mondrian. Ob die geometrische Formensprache des               und Strukturen vergangener Zeiten auf, sodass einzelne
niederländischen Malers die Musikerinnen Ivana Pristasová          Passagen des Trios fast klassisch anmuten. Giger formt die­
(Violine), Petra Ackermann (Viola), Karolina Öhman (Violon­        ses Material aber weiter, indem er es überzeichnet, verfrem­
cello) und Tamriko Kordzaia (Klavier) inspiriert hat, sich als     det und mit zeitgenössischen Einsprengseln versieht.
Mondrian Ensemble zu bezeichnen? Wir rätseln – meinen                Von Elisabeth Feller
aber, dass der Name ausgezeichnet zu diesem Quartett
passt. Die vier spielen ebenso souverän Kompositionen
des klassisch-romantischen Repertoires wie neue Musik.               AARAU Pianolounge, Di, 8. Mai, 19.30 Uhr
Ihre Konzertprogramme sind speziell, ohne
dass sie dies herausstellen müssten.
    Das jüngste Projekt «Sils» steht beispielhaft
für das, was das Mondrian Ensemble pflegt:
Experimentieren mit Querverbindungen. Kein
Zufall also, dass das Klavierquartett g-Moll des
mit 35 Jahren verstorbenen Wolfgang Amadeus
Mozart dem zweiten von Christoph Delz ge­
genübersteht. 2018 jährt sich der 25. Todestag
dieses nur 43 Jahre alt gewordenen Schweizer
Komponisten. Delz liess sich oft von Naturphä­
nomenen, literarischen Texten und anderen
Musikstücken inspirieren. «Sils» für Klavier gibt
dafür ein gutes Beispiel ab, denn hier bezieht
sich der Komponist auf den zugefrorenen Silser­
see im Engadin. Ruhige, dunkle Liegeakkorde,
vereinzelte Cluster und tröpfelnde Tonfolgen
lassen an Spiegelungen und Reflexionen auf               Das Mondrian Ensemble bewegt sich souverän zwischen neuer Musik
                                                         und klassisch-romantischen Kompositionen. Foto: Arturo Fuentes
dem Eis denken. Mit den Klavierquartetten von

Gurgelnder Gips
KUNST «Eine Kaltschale ist eine flüssige sämige Kaltspeise,        Suppe gegessen wird», weiss unser Wikipedia. «Kalt­schale»
süss oder pikant, die vor allem im Sommer anstelle der             ist auch der Titel der neuen Ausstellung im Trudelhaus
                                                                   mit den beiden Zürcher Künstler*innen Sarah Burger und
                                                                   Michael Günzburger. In den abgedunkelten Räumen gibt
                                                                   es weisse Gipsplastiken zu entdecken, die sich ihrer
                                                                   Materialität zu entziehen scheinen. Vor Ort gegossene Fi­
                                                                   guren ragen filigran in die Höhe oder muten an zu schweben,
                                                                   während eine Toninstallation – Kratzen, Reissen, Gur­geln
                                                                   oder Schlummern – über die drei Etagen hinweghallt. cru

                                                                   BADEN Trudelhaus
                                                                   Do, 24. Mai, 18.30 Uhr: Vernissage.
                                                                   Rundgang: Sa, 9. Juni, 13 Uhr. Bis 7. Juli.

  Michael Günzburger, Masse B, 2018, Gips. zvg
Mai 18 Aargauer Kulturmagazin                       Vorschau

           Irrsinnig
           abgründig
           BÜHNE «Urbit et Orbit» von Denise Wintsch er­
           götzt sich an katholischen Ritualen und führt
           das Publikum in Versuchung. Das neue Format
           «Thik im Zelt» zeigt drei körperintensive Per­
           formances bei Zirkusatmosphäre.

           Im Mai geht das Thik auf die Strasse, wie von der Theater­
           leitung, Markus Lerch und Nadine Tobler, schon lange
           ge­­plant. Dass die Räume des Badener Theaters zu klein sind
           für die drei Produktionen, erweist sich als glückliche Fügung.
           Lerch freut sich, zusammen mit der innovativen Truppe
           des Zirkus Fahraway, der etwas vernachlässigten Kunstform
           des modernen Zirkus gebührend Raum geben zu können.
           Die Aufführungen finden im Zelt des Zirkus Fahraway statt.
                In den Stücken verbinden sich Performance, Musik und
           Artistik zu einer zukunftsweisenden Form des modernen
           Theaters; im Vordergrund steht das spielerische und kör­
           perliche Erzählen. Mit ihrer irr-sinnigen Messe «Urbit et
           Orbit» macht Denise Wintsch den fulminanten Auftakt. Als
           Kind empfand sie die sonntäglichen Auftritte der Pfarrer
                                                                             Katholische Messe à la Denise Wintsch. Foto: Tom Davis
           und Ministranten in wehenden Gewändern zu Glocken- und
           Orgelklang als unverständliche Show, so prächtig wie angst­
           einflössend. Spielerisch eignet sie sich die vorgefundenen       nens doch noch so etwas wie die eigene Freiheit gibt. Die
           Rituale an, führt sie ad absurdum, und weist mit einem           Eigenproduktion des Zirkus Fahraway, «Wo ist Tobi?», erzählt
           Lachen auf die menschlichen Abgründe hin, die sich auf der       mit einfachen Mitteln von der Begegnung einer Artistin
           Suche nach Sinn im Leben und Glauben öffnen. Man braucht         und eines Artisten, die für beide einige Überraschungen
           weder katholisch noch gläubig zu sein, um von ihren Bildern      bringt, und versetzt zum Abschluss der Thik-Zirkustage mit
           berührt zu werden und der eigenen, vielleicht uneingestan­       Clownerie, Musik und Akrobatik das Theaterzelt nochmals in
           denen Sehnsucht nach Bedeutung auf die Spur zu kommen.           Schwingung. Von Kristin T. Schnider
                Im «Affenhaus» des Vorstadt­theaters Basel geht es um
           Dressur: Ausser Sprechen, Rechnen und Lesen sollen in
           dieser Affenschule vor allem strenge Benimmregeln gelernt        BADEN «Thik im Zelt» Im Graben
           werden, die angeblich zur Menschwerdung gehören.                 Mi/Do, 2./3. Mai, 20.15 Uhr: «Urbit et Orbit»
           Witzig und poetisch wird infrage gestellt, wie viel Zucht es     Fr/Sa, 4./5. Mai, 20.15 Uhr: «Wo ist Tobi?»
           braucht, um Mensch zu sein, und ob es am Ende des Ler­           So, 6. Mai, 17 Uhr: «Affenhaus»

Das Blasorchester Baden Wettingen                              Wie im Film
stürzt sich ganz in Filmmusik. zvg

                                                               KLASSIK Filmmusik vom Feinsten: Das Blasorchester Baden Wettingen, das gerne
                                                               mit ausgefallenen musikalischen Projekten, wie der «Wassermusik» an der Baden­
                                                               fahrt, auf sich aufmerksam macht, spannt für das neue Projekt mit dem Vocalino Chor
                                                               Zürich zusammen. «Cinema Paradiso» heisst das Konzert in drei Akten mit bekannter
                                                               Filmmusik. Das Blasorchester spielt im ersten Teil ganz in der Tradition der grossen
                                                               Filmorchester auf. Nach der Ouvertüre spannt es den Bogen von Klamauk bis romanti­
                                                               sche Filmmusik. Der Vocalino Chor stürzt sich mit «Footloose» und «Ghostbusters»
                                                               in die 80er-Jahre – bis im Grande Finale die beiden musikalischen Teams gemeinsam
                                                               von «Amistad» bis «Cabaret» musizieren. cru

                                                               BADEN Trafo, So, 27. Mai, 17 Uhr

                                                                                                                                      13
Theater im Park

                                                                                                                                                                     stadtbibliothek.baden.ch
                          27. MAI 2018, 11 UHR «Das Gold des Hasen»
                  Nach dem Bilderbuch von Martin Baltscheit & Christine Schwarz
                                 Figurentheater Sven Mathiasen
                        24. JUNI 2018, 11 UHR «De Tumm Tüüfel Tolpatsch»
              Heiteres Kasperstück mit klassischen Holzhandpuppen frisch inszeniert!
                                         Figurentheater matou
                            19. AUGUST 2018, 11 UHR «Der Hühnerdieb»
                          Humorvolle Geschichte mit Live-Musik nach dem
                                 Bilderbuch von Béatrice Rodriguez
                                       Figurentheater Vagabu
                                                                                                    Lesung mit Lukas Hartmann
                             16. SEPTEMBER 2018, 11 UHR «Fliegen!»                                  Mittwoch, 23. Mai, 19.30 – 21 Uhr
              Geschichte über Mut, Übermut und eine ungewöhnliche Freundschaft
                                     theater samt & sonders
                                                                                                    Sein aktueller Bestseller ist ein Porträt
                                                                                                    der faszinierenden Lydia Welti-Escher.

                     Di – Sa 14 – 17 Uhr | So 10 – 17 Uhr | Ländliweg 7 | 5400 Baden
                              Telefon 056 222 14 44 | www.kindermuseum.ch
                                                                                                    Stadtbibliothek Baden

                                                                                                                                        1
108-031801_TheatherimPark_AAKU_Inserat_102_142_180409.indd 1                           09.04.18 12:47
                                                                                        AAKU_Inserat_Lesung_Hartmann-20180409.indd 1                            09.04.2018 14:27:54

                                                                                                                                        1
                                                                                                                                        FR, 04. MAI 2018, 20 UHR

                                                                                                                                       URS STAHEL

                                                                                                            FOTOGRAFIE –
                                                                                                       HEUTE UND MORGEN
                                                                                                                                            RAFAELA ROTH
                                                                                                                                             MODERATION

                                                                                                                        BÖRNI & BARBARA STUDER
                                                                                                                                         MUSIK

                                                                                                                                             Burghaldenhaus Lenzburg
Mai 18 Aargauer Kulturmagazin                      Vorschau

                                                      Museumstag goes Social­Media
                                                      AUSSTELLUNGEN «Taggen, sharen, liken – das hypervernetzte Museum» nennt
                                                      sich ganz neudeutsch das Motto des diesjährigen Museumstags. Kostenlos können die
                                                      Aargauer Museen beschnuppert werden – viele warten mit einem Sonderprogramm zu
                                                      den aktuellen Herausforderungen der Digitalisierung auf. Auf Schloss Lenzburg gibt es
                                                      eine Fotosafaritour, in Baden schliessen sich vier Museen zusammen zu einer span­
                                                      nenden Rundfahrt von Digital Natives bis zu verlinkten Räumen. Das Stadt­museum
                                                      Aarau steht ganz im Zeichen der Fotografie und des Films. Doch auch die kleinen Orts­
                                                      museen bieten Gelegenheit, die Dorfgeschichten analog wie digital zu erkunden.
                                                      cru

 Aus einer prädigitalisierten und rauchvollen Zeit:   MUSEUMSTAG Diverse Orte
 Der Discjockey John Wieland 1969, zu sehen im        So, 13. Mai
 Stadtmuseum Aarau. Foto: Reto Hügin © StAAG
                                                      www.museums.ch/museums­tag

Monsterparty
BÜHNE Halloween 2066: Die 14-jährige Lydia hat sturmfrei und lädt zur Party. Mit dabei
sind ihre besten Freunde Mac und Kuno. Zu dritt stürzen sie sich mit ihrer Cyberausrüstung
ins Schlachtengetümmel einer virtuellen Gamewelt. Aus den nebulösen Tiefen des Netzes
taucht ein neues Spiel auf: «The Shakespearegame»: Kill the King und werde selber König.
Nur allzu gerne folgen sie der neuen Spur und geraten auf Abwege. Virtuelle Welt und
Wirklichkeit vermischen sich. «Wir entwickelten auf den Spuren von William Shakespeares
Erzschurken Macbeth spielerisch unser eigenes Stück», sagt Theaterpädagoge Robert
Bühler. Er erarbeitete im Rahmen des Jugendtheaterklubs Toi Toi Toi mit neun Jugendlichen
zwischen 12 und 15 Jahren das Stück «The Shakespearegame» mittels Improvisationen.
Entstanden ist eine Montage von eigenen Szenen sowie Textstellen aus Shakespeares
Original mit einem turbulenten Finale. cru

ZOFINGEN Kleine Bühne                                                                                     Der Jugendtheaterklub Toi Toi Toi taucht mit
                                                                                                          Shake­s peare in eine virtuelle Unterwelt. zvg
Fr/Sa, 4./5. Mai, 20.15 Uhr; So, 6. Mai, 17 Uhr

                                                                  Wer ist der grösste Angst­
                                                                  hase?
                                                                  BÜHNE Der alte Hase ist gestorben – er hinterlässt einen enormen Hau­
                                                                  fen Gold und ein Testament: Der grösste Angsthase des Waldes soll sei­
                                                                  nen gewaltigen Schatz erben. Der Regenwurm, der Uhu, die Wieselin und
                                                                  der Fuchs sind zur Stelle, sie alle erheben Anspruch auf den Reichtum.
                                                                  Und dann ist da noch der grosse, böse Wolf. In «Das Gold des Hasen»
                                                                  erzählt Sven Mathiasen auf fabuleske Weise eine Geschichte zu Themen
                                                                  wie Angst, Gier und Tod. Als erstes von vier Stücken eröffnet es die neue
                                                                  Saison von «Theater im Park» beim Kindermuseum. Eine Geschichte mit
                                                                  Figuren, Schauspiel und Musik nach dem Bilderbuch von Martin Balt­
                                                                  scheit und Christine Schwarz. Ab 4 Jahren. phn

 Sven Mathiasen nähert sich auf spielerische Weise                BADEN Kindermuseum
 Themen wie Angst, Gier und Tod. zvg
                                                                  So, 27. Mai, 11 Uhr

                                                                                                                                              15
«AUFLEUCHTENDE DETAILS»
             Péter Nádas: Lesung und Gespräch
 Péter Nádas gehört zu den grossen Autoren unserer Zeit.                    Sonntag, 17. Juni 2018, 17.00 Uhr
 Jetzt ergänzt er sein gewaltiges Romanwerk durch seine
 Lebenserinnerungen («Aufleuchtende Details», Rowohlt)
 – ein ebenso persönliches wie zeitgeschichtliches Dokument
 von grösster erzählerischer Kraft.

 Laut Nádas wirkt jedes Ereignis auf alle anderen Ereignisse ein –
 ob in der Politik oder der privaten Lebensgeschichte. Es sind
 jene Momente, die Geschichte fassbar machen und Erinnerung
 konstituieren: eben die «aufleuchtenden Details». Deren
 weitgespannten Verflechtungen folgen Péter Nádas‘ Memoiren
 nicht chronologisch, sondern auf kühne Weise frei assoziativ.

                                        Moderation: Bettina Spoerri
                                              Eintritt: Fr. 25.-/20.-

                           In Kooperation mit dem Forum Schlossplatz und dem Theater Tuchlaube Aarau
                      Aargauer Literaturhaus, c/o Müllerhaus, Bleicherain 7, 5600 Lenzburg, info@aargauer-literaturhaus.ch

                                                              o
                                                                                                             tanz &

                                                               p
MUSIKFESTIVAL                                                                                                 kunst
BOSWILER SOMMER 2018

                                                             kbe
                                                                                                               königsfelden

SANS SOUCI                                                                                                           f
                                                                r
           30. Juni – 8. Juli 2018
                                                           ü
           D a s We l t k l a s s i k - F e s t i v a l
           m i t 1 4 Ko n ze r te n
                                                                                    kopf über
           b o s w i l e r s o m m e r. c h                                          1. bis 6. Juni 2018
                                                                                     Ein pädagogisches Kunstprojekt
                                                                                     mit 75 Jugendlichen aus Lenzburg
                                                                                     Künstlerische Leitung: Brigitta Luisa Merki

                                                                                     Klosterkirche Königsfelden, Windisch
                                                                                     Vorverkauf: www.ticket.baden.ch
                                                                                     Info Baden 056 200 84 84

                                                                                     www.tanzundkunst.ch
Mai 18 Aargauer Kulturmagazin                        Vorschau

Sozialismus, Feminismus,               Aua in Bern                            Frivole Sommernachtsträume                  Selbsterkenntnisse
Hingeh’-Muss                           Ab Mitte Mai werden in der Stadt       Shakespeares «A Midsummer                   «Biedermann und die Brandstif­
Die Neubad Lecture geht mit            Bern spielend Grenzen aufgelöst        Night’s Dream» ist ein frivoles Ver­        ter», das Stück von Max Frisch hat
vielversprechendem Titel in die        und neue Verbindungen geknüpft:        wirrspiel rund um die Protagonis­           seit seiner Uraufführung 1958 an
fünfte Runde: «Wie Sozialisten         Das Theaterfestival Auawirleben        tinnen und Protagonisten Hermia,            Aktualität stark zugenommen.
die Frauen vergassen und Arbeite­      startet. Unter dem Titel «Up Close     Helena, Demetrius und Lysander,             Die Rollen sind hervorragend,
rinnen den Feminismus erfanden.»       und Relational» zeigen Künstlerin­     gespickt mit viel Witz und Ma­              die Dramaturgie raffiniert ausge­
Über das Thema referiert Prof.         nen und Künstler aus der ganzen        gie. Die Inszenierung des Stücks            klügelt, das Publikum wird sich
Dr. Caroline Arni (Bild). Schwer­      Welt ihre Produktionen in der          lebt vom Bühnenbild und seiner              amüsieren, aber mit einem Kloss
punkte ihrer Arbeit bilden die         Dampfzentrale, im Schlachthaus         Umgebung – und so ist es schön,             im Hals, weil es sich permanent
Geschlechterforschung und              Theater und im Tojo Theater in der     dass das Theater Kanton Zürich              selber erkennt.
Kul­tursoziologie, ihre Dissertation   Reitschule.                            den Kirchplatz in der Altstadt als
über die Paarbeziehung um 1900                                                Kulisse ausgewählt hat.                     SCHAAN Takino
wurde mehrfach ausgezeichnet.          BERN Diverse Orte                                                                  13./16./23. Mai
                                       16. bis 26. Mai                        WINTERTHUR Kirchplatz                       www.karussell.li
LUZERN Neubad                          www.auawirleben.ch                     Fr, 25., bis Di, 29. Mai, 20.30 Uhr
22. Mai, 20 Uhr                                                               www.theaterkantonzuerich.ch

Europäisches Jugendchor                Pflanzenmigration                      Jazz, Jazzer, viel Jazz                     «Für Garderobe keine Haftung»
Festival                               Uriel Orlow beschäftigt sich           Drei Abende lang und von allen              Peter Shub ist Meister der wort­
Bereits zum 11. Mal erfüllen           mit blinden Flecken der Ge­            Sorten etwas: Das Festival Viel Jazz        losen Komik. Er spielt sich selber
Kinder- und Jugendchöre aus            schichte. Nun präsentiert er sein      feiert das 25-Jahre-Jubiläum. Mit           und geizt nicht mit Selbstironie.
ganz Europa Basels Innenstadt          For­schungs­projekt «Theatrum          af­r i­kanischer Fusion, elektrifizierter   Er ist der Mantel an der Garderobe
mit Chorgesang. Das Europäische        Botanicum». Aus den Blickwinkeln       Harfe, neapolitanischem Solo-­              oder Gefangener seines eigenen
Jugendchor Festival möchte junge       Südafrikas und Europas zeigt das       piano. Das alles in angenehmer              Kamerastativs. Neben visueller Co­
Menschen über alle Grenzen             Projekt Pflanzen als Zeugen und        Hör- und Sehnähe zur Bühne und              medy, Slapstick, reichlich schwar­
hinweg zusammenführen, um              Akteure in der Geschichte, als         zur Bar. Unter anderem mit den              zem Humor, ausgefallenen Tänzen
gemeinsam neue Horizonte zu            Agenten, die Natur und Menschen,       Pocket Rockets, der Harfenistin             und verrückten Interpretationen,
entdecken. Die Musikbegeister­         ländliche und kosmopolitische          Julie Campiche (Bild) und dem               Gedichten, Basilikumpflanzen und
ten erwartet ein breitgefächertes      Medizin, Tradition und Moderne         Drummer Christoph Steiner und               Regenschirmen redet er sich auch
Programm von Konzerten über            verbinden – über Geografien,                     seinem Trio Escape Argot.         um Kopf und Kragen.
Workshops bis hin zu Jugendchor­       Geschichten und Wis­
schiff-Ausflügen auf dem Rhein.        senssysteme hinweg.                                  ZUG Burgbachkeller            OLTEN Theaterstudio
                                                                                             3. bis 5. Mai                Fr/Sa, 11./12. Mai, 20.15 Uhr
BASEL Diverse Orte                     ST. GALLEN Kunst                                      www.vieljazz.ch              www.theaterstudio.ch
9. bis 13. Mai, www.ejcf.ch            Halle, bis 17. Juni

                                                                                                                                             17
Programm
                                                                                        MUSIK
                                                                                      MUSEEN
                                                                               AUSSTELLUNGEN
                                                                                                                KIFF
                                                                                    LITERATUR

             Murikultur                                                               THEATER

             Mai                                                                                                                                            AARAU
                                                                                                                 02.05                            25.05
                                                      Sonntag, 13.05.2018 → 15.00 Uhr
                                                      MUSEUM FÜR MEDIZINHISTORISCHE                              HORISONT SWE                     DON BROCO C
                                                      BÜCHER MURI               MUSEEN                           DEAD LORD SWE                    THE
             Freitag, Samstag, Sonntag
             04. - 06.05.2018 → 20.30 Uhr
                                                      Muttertag, Familien-                                       04.05                            LAFONTAINES UK
             MUSIG IM PFLEGIDACH              MUSIK
                                                      tag, Museumstag.                                           PHIL RUDD        AUS             13.06
                                                      Ein spielerischer Spezialanlass für die                    DRUMMER OF AC / DC
             Eric Harland Solo (USA)                  ganze Familie
                                                                                                                 THE VIBES CH                     THRICE US
             Samstag, 12.05.2018 → 19.30 Uhr          Sonntag, 13.05.2018 → 17.00/20.30 Uhr                                                       23.06
                                                                                                                 05.05
                                                                                                                 BANXNORDWEST LABRASSBANDA
             MUSIK IM FESTSAAL                MUSIK   MUSIG IM PFLEGIDACH               MUSIK
             Festsaal Kloster Muri
                                                      Allison Miller’s Boom
             Baroque Twitter                          Tic Boom (USA)                                             FINALE          24.06

             Nuria Rial – Sporan
                                                      feat. Myra Melford, Jenny Scheinman,                       08.05
                                                                                                                                 TERROR US
             Maurice Steger – Flautino & Flauto
                                                      Kirk Knuffke, Ben Goldberg & Todd                          AMENRA BEL      07.11
             Kammerorchester Basel
                                                      Sickafoose
                                                                                                                 MYRKUR ISL      MAX LÄSSER CH
             Sonntag, 13.05.2018 → 14.00 Uhr
             MUSEUM KLOSTER MURI
                                                      Lage Lund Trio (USA)                                       08.05
                                                                                                                                 24.11

             Das vernetzte Kloster
                                             MUSEEN
                                                      Lage Lund, Matt Brewer, Justin Faulkner
                                                                                                                 CARNIVAL        GREEEN  D
                                                      Sonntag, 27.05.2018 → 17.00 Uhr
             anno dazumal                                                                                        YOUTH LV        07.12
             Ausstellung und Vortrag von Dr. Bruno
                                                      MUSIK IN DER KLOSTERKIRCHE        MUSIK
                                                                                                                                 SHANTEL & THE
                                                      Orgelkonzert                                               11.05
                                                                                                                 FRANK POWERS CH BUKOVINA CLUB
             Meier, Historiker, Baden
                                                      Marco Amherd
                                                      Tobias Willi                                               12.05
                                                                                                                                 ORKESTAR D
                                                                                                                 (DUNKELBUNT) AT 14.12
             Tickets & mehr Infos:
             Muri Info, Marktstrasse 4,
                                                                                                                 19.05
                                                                                                                                 IMPALA RAY D
             Telefon 056 670 96 63
             sekretariat@murikultur.ch                                                                           BOMBINO NER
             www.murikultur.ch
                                                                                                                                    TICKETS: WWW.STARTICKET.CH
                                                                                                                                  MORE INFOS & SHOWS: WWW.KIFF.CH

                                                                   THIK
                                                                    IM
                                                                   ZELT
                                                                    2. – 6. MAI 2018
                                                                  IM GRABEN, BADEN

                                                                                                                    DOMINIC SCHOEMAKER (CH) RITA CHIARELLI TRIO (CA)
                                                                                                                       THE RED HOT SERENADERS ORCHESTRA (CH)
                                                                                                                FANTASTIC NEGRITO (US)           MORGAN DAVIS (CA)
                                                                                                                        MARTIN BASCHUNG & BIG B TONIC (CH)
                                                                                                               SALZ & PFÄFFER (CH) WYNAVALLEY OLDTIME JAZZBAND (CH)
                                                                                                                       TRIBUTE TO ROBERT JOHNSON
                                                                                                                COPENHAGEN SLIM BAND (DK) MATHIAS REITER (THEATER) (CH)
                                                                                                               AMAURY FAIVRE DUO (CH) JOHNNY FONTANE & THE RIVALS (CH)
                                                                                                                       MARCO FIGINI’S SOUL DEPARTMENT (CH)
                                                                                                                         RITA CHIARELLI & HER BAND
                                                                                                                                SWEET LORETTA (CA)
                                                                                                                  ROTOSPHERE & FRIENDS (CH)        LILLY MARTIN & BAND (CH)
                                                                                                                             PHILIPP FANKHAUSER (CH)
                                                                                                                                     BLUESFESTIVAL-BADEN.CH

                                                                                                 037-021701_BFB18_Inserate_print_180309.indd 17                               09.03.18 10:34
Ins.TihK_102.40x142.50-APTIL2018-RZ.indd 1                                                      13.04.18 10:01
Mai 18 Aargauer Kulturmagazin                    Vorschau

Eine mysteriöse Reise in die
Existenz
«Grain» von Semih Kaplanoglu, Türkei 2017

Mit «Bal» hat Semih Kaplanoglu in Berlin den Goldenen Bären geholt, nun überrascht
er mit einer Geschichte, die in der nahen Zukunft spielt: Die Klimaveränderungen
haben das Leben auf der Erde nahezu un­möglich gemacht und wiederholte Miss­
ernten bringen den Glauben an das genmanipulierte Getreide ins Wanken. Liegt die
Rettung in der ver­botenen Zone? Ein Trip in selten mehr gesehenem Schwarzweiss
auf Breitleinwand.

AB 3. MAI im Kino

                                                                              Liebesfunken im
                                                                              Waren­markt
                                                                              «In den Gängen» von Thomas
                                                                              Stuber, Deutschland 2017

                                                                              Nein, die dachhohen Gestellreihen in einem
                                                                              Grossmarkt wirken nicht wie ein Ort, an dem
                                                                              die Liebe knistern könnte. Umso erstaunlicher
                                                                              wirkt der Film von Thomas Stuber. Christian, eher schweigsam, wird von
                                                                              Bruno in die Kunst des Gabelstaplerfahrens im Getränkebereich einge­
                                                                              weiht. Ein paar Gestellreihen weiter betreut Marion die Süsswarenabtei­
                                                                              lung. Zwischen den Regalen funkt es leise, und in den Bildern finden wir
                                                                              den Alltag im östlichen Deutschland.

                                                                              AB 10. MAI im Kino

Hommage an das Buch
«The Bookshop» von Isabel Coixet, Spanien/England 2018

Florence Green hat eine Passion: das Buch. Und einen Traum: die eigene Buchhandlung.
Die Idee gefällt nicht allen, Skeptiker haben andere Pläne für das heruntergekommene
Haus. Wozu lesen? 1959 in einer Kleinstadt angesiedelt, spült es zum ästhetischen Vin­
tage-Setting auch den neidigen Kleingeist an die englische Ostküste. Einen erfrischen­
den Kontrapunkt setzt die zehnjährige Christine. Dank ihrer tatkräftigen Hilfe meistert
Florence manch eine Klippe und steht im Sturm nicht alleine im Regen. Mit Emily
Mortimer ist die Rolle der Buchhändlerin glänzend besetzt. Die katalanische Regisseurin
Isabel Coixet («The Secret Life of Words») hält sich an die gleichnamige Romanvorlage
von Penelope Fitzgerald, wobei sie mit einer unerwarteten Wende den Bogen ins Heute
schlägt: Der perfekt austarierte Film wird in Zeiten von Amazon und Co. zur feinen
Hommage an das Buch und den guten Buchladen um die Ecke.

AB 17. MAI im Kino

                                                                                                                                        19
Vorschau                         Mai 18 Aargauer Kulturmagazin

             Brasilien für Fortgeschrittene
             Es gibt einen bösen Spruch, der besagt, Brasilien sei das           gie und den sozialen Medien produzieren und veröffentli­
             Land der Zukunft und werde es auch für immer bleiben.               chen etwa immer mehr Frauen und Schwarze in Brasilien
             Jahrzehntelang wurde das Potenzial des riesigen Landes              qualitativ hochwertige Musik. Die Rhythmik der Afrikanerin­
             als künftige Weltmacht angepriesen. Verwirklicht haben              nen, die Energie der Ureinwohner und die Melancholie der
             sich diese Ambitionen bisher lediglich im Fussball – und ein        Portugiesinnen hätten in der Vergangenheit bereits
             Stück weit auch in der Musik. Bossa-Nova-Klassiker wie «Ga­         den Samba hervorgebracht, sagt man. Heute
             rota de Ipanema» sind weltweit bekannt. Und es liegt auf            ist in Brasilien vor allem die Hip-Hop-Kultur
             der Hand, dass in einem Land mit über 200 Millionen Ein­            sehr stark.
             wohner*innen viel Musik produziert wird. Besonders ärmere                Seit 2004 wird auf Kanal K die Musiksen­
             und vernachlässigte Teile der Bevölkerung treten heute mit          dung «BrasiLicious» ausgestrahlt. Während
             mehr Selbstvertrauen auf. Dank erschwinglicher Technolo­            in den ersten Jahren hauptsächlich die Klas­
                                                                                                siker gespielt wurden, sind es
                                                                                                heute eben vor allem diese neuen,
                                                                                                dynamischen Acts, die Journalist Da­
                                                                                                niel Vizentini in der Sendung präsentiert.
                                                                                                Als Kind von São Paulo nach Baden gekommen,
                                                                                                ist er in beiden Kulturen heimisch und vermag
                                                                                                die Brücke von Brasilien zu den Hörer*innen
                                                                                                im Aargau zu schlagen. Nebst Heimweh-Bra­
                                                                                                silianern will er vor allem Musikliebhaberinnen
                                                                                                aus der Region ansprechen und diese mit der
                                                                                                grossen Vielfalt der brasilianischen Musik posi­
                                                                                                tiv überraschen. kk

                                                                                               «BRASILICIOUS» immer am zweiten Mitt­
                                                                                               woch im Monat von 21 bis 22 Uhr auf Kanal K.
 Zwischen São Paulo und Baden: Daniel Vizentini. zvg
                                                                                               Nächste Ausstrahlung am Mi, 9. Mai, 21 Uhr.

                                                       Songs für die Nacht
  MARLON BRANDLOCH                                                      URSINA                                             TOMPAUL
                  «Loose»                                   «You Have My Heart»                                            «Rehauto»
                    Bern                                                     Zürich                                              Baden
Hans-Jakob Mühlethaler aka Chocolococolo aka               Ursina, die ursprünglich aus Graubünden           Das Trio aus Baden hat soeben ihre zweite EP
  Hansimoto aka einer von den Mundartisten              kommt, ist schon seit einigen Jahren mit diver­     «Motions» veröffentlicht. Tanzbare Sounds, die
    aka der Produzent des neuen Tinguely               sen Songs auf unserer Playlist. Jetzt hat sie sich   sich zwischen Pop und Electronica eingerichtet
 Dä Chnächt Albums aka Marlon Brandloch hat            für den Remix von «You Have My Heart» Unter­            haben, und das, obwohl sie mal als Singer/
  Anfang März ein höchst empfehlenswertes                stützung vom Meister Pablo Nouvelle geholt.         Songwriter-Projekt gestartet sind. Das kommt
elektronisches Album gedroppt: «Beasts Pt.1».                Eine wunderbar sphärische Nummer.                        auch auf Gigs abroad gut an.

             20
Mai 18 Aargauer Kulturmagazin                  Vorschau

di füolette hose
             Die violetten Hosen ziehen sich in der Mund­
             art-Novelle «acht schtumpfo züri empfernt»
             von Dominic Oppliger «winen rote fade» durch
             die Geschichte. Der Protagonist, ein junger
             Mann, erzählt, wie es ihm seit der Trennung
             von seiner Freundin ergangen ist, wie die Lie­
             ben zu anderen Frauen schon in ihrem Anfang
             scheiterten, wie der Sans-Papiers Mohammed,
             der bei ihm in der WG Unterschlupf gefunden
             hat, ausgeschafft wird. Im Vergleich zu diesem
             sollte es dem Ich-Erzähler eigentlich ganz gut
gehen, trotzdem ist sein Erleben von melancholischer Trau­
rigkeit geprägt. Die vielen Geschichten, die der Redefluss
hervorbringt, sind ebenso voll grotesker Komik und tragi­
scher Peinlichkeiten.
                                                                  Dominic Oppliger. Foto: Daniel Drognitz
    Dominic Oppliger, der in Widen auf dem Mutschellen
aufgewachsen ist und in Zürich lebt, schreibt ein aargauisch
gefärbtes Zürichdeutsch, das er wie ein Gedicht in Strophen      rhythmischer Sprache. Dominic Oppliger gelingt mit seinem
anordnet. Die Notation ist ganz nah an der mündlichen            Erstling ein Wurf, grosse Leseempfehlung! Von Laurin Jäggi
Sprache und wirkt trotz der ungewohnten Schreibweise sehr
natürlich und realistisch. Der Text hat auch etwas Songhaf­      Dominic Oppliger. acht schtumpfo züri empfernt.
tes, denn der Autor, der bisher als Musiker (u. a. Doomenfels)   2018. Der gesunde Menschenversand.
in Erscheinung trat, schreibt in äusserst me­lo­diöser und

Woher wir alle kommen                                            Rätselhafte Herkunfts­geschichte
«Männer, die sich zu sehr dafür interessieren, was als ‹das      Der sympathische Gelegenheitsdieb und Hippie
weibliche Geschlechts­organ› bezeichnet wird», nennt             Mahony hatte bis jetzt geglaubt, seine Mutter
sich das erste Unterkapitel von Liv Strömquists fulminant        hätte ihn aus purem Egoismus in dem Dubliner
feministischer Graphic Novel. Dabei begleitet sie uns als        Waisenhaus abgegeben. 26 Jahre später jedoch
erzählende Comicfigur auf eine Reise durch die Kulturge­         wirft ein anonymer Brief ein ganz anderes Licht
schichte der Vulva. Gekonnt spielt sie mit dem Stigma und        auf die Vergangenheit. Was geschah damals
zeigt auf, woher jenes kommt. Sie hüpft ungezähmt durch          tatsächlich mit der jungen Frau und ihrem
die Jahrhunderte und besucht Dornröschen, Freud, griechi­        Baby? Auf der Suche nach Antworten reist
sche Göttinnen und Hebammen aus dem Mittelalter auf der          Mahony in sein Heimatstädtchen.
Suche nach dem Grund für unsere heutige un­entspannte                Dass er seiner Mutter sehr ähnlich sieht,
Beziehung zum weiblichen Geschlechtsorgan. «Der Ur­              merkt er von Beginn an, doch das Misstrauen
sprung der Welt» ist eines dieser Bücher, die es schaffen        lässt sich mit den Händen greifen. Die alte
auszusprechen, wofür man selbst keine Worte findet, um           Mrs Cauley, eine ehemalige Schauspielerin und ebenfalls
auch noch dafür eine Erklärung zu liefern. Es hält der Gesell­   eine Aussenseiterin, ist fest davon überzeugt, dass Mahonys
schaft und einem selbst einen Spiegel vor, ohne dabei mit        Mutter umgebracht wurde. Gemeinsam hecken die beiden
                 dem Zeigefinger zu wackeln (umso mehr           einen Plan aus, um den Mörder ausfindig zu machen. Dass
                 dafür mit dem Mittelfinger). Die Mischung       sie bald Hilfe von ungewöhnlicher Seite, nämlich von den
                 aus humorvollen Comic-Dialogen und his­         Toten, erhalten, irritiert Mahony nicht besonders …
                 torisch fundierten Erklärungen macht es zu      … Und es darf auch die Leser*innen nicht irritie­
                 einem genauso unterhaltsamen wie lehrrei­       ren. Denn wer sich unvoreingenommen auf
                 chen Lesevergnügen. Ein Muss für Frauen,        diesen erstaunlichen Erstling einlässt, der
                 um sich selbst zu verstehen, und erst recht     in so gar keine Schublade passt, wird mit
                 für Männer, die behaupten, man könne sie        grossem Lesevergnügen belohnt. Von Doris
                 nicht verstehen. Von Lea Kalt                   Widmer

                Liv Strömquist. Der Ursprung der Welt.           Jess Kidd. Der Freund der Toten. 2017.
                2017. avant-verlag.                              Dumont.

                                                                                                                          21
MAGAZIN            Mai 18 Aargauer Kulturmagazin

                        TEXT SILVIA DELL’AQUILA | FOTO PASCAL WASINGER

Alte Reithalle: To
 Be or Not to Be
       Seit 2011 sollte in der Alten Reithalle in Aarau ein Aargauer Theaterhaus stehen.
Einige Namenskreationen und Konzeptänderungen später kommt das Projekt «Alte Reithalle»
  nun zur Abstimmung. Am 10. Juni 2018 entscheidet die Aarauer Stimmbevölkerung über
                           das Schicksal des einzigartigen Kulturraums.

    22
Mai 18 Aargauer Kulturmagazin                     MAGAZIN

Am Anfang stand das Projekt «Mittlere Bühne»: ein Zwei­            2000. Bis 2016 gab es eine kontinuierliche Steigerung bis
sparten-Theaterhaus, das dem Freien Tanz- und Theater­             auf 6500 pro Jahr, 2017 war dann das Rekordjahr mit 10 000
schaffen im Aargau zur Verfügung stehen sollte. Das                Zuschauer*innen.
kantonale Projekt war unter den Gemeinden begehrt. Viele
bewarben sich, Aarau bekam mit seinem Konzept, die                 Den «Oxer» überwunden
«Mittlere Bühne» in der Alten Reithalle zu realisieren, den             Wer schon einmal eine Vorstellung in der Alten Reithalle
Zuschlag. Das war im Jahr 2006. In der Kantonshauptstadt           gesehen hatte, wusste, diese Chance darf sich Aarau nicht
war man schon etwas stolz, dass sich das Aarauer Projekt           entgehen lassen, das Projekt muss realisiert werden. Doch fi­
durchsetzen konnte, und schon begann sich die städtische           nanziell kamen nun schwierige Jahre auf die Stadt zu, so­dass
Kulturszene mit ihren eigenen Wünschen, Begehrlichkeiten           trotz zugestimmtem Projektierungskredit und Wettbewerbs­
und Vorstellungen auseinanderzusetzen. Kino und Kunst              gewinner die eigentliche Projektierung immer wieder hinaus­
sollten dem Theaterhaus angegliedert sein, eine Beiz sollte        gezögert wurde. Doch fallen gelassen wurde das Ganze nicht.
es auch geben. Und wieso nicht ein Musikclub?                      Nun war klar, dass sich am Projekt etwas ändern musste. Das
    Als 2008 der Projektierungskredit zur Diskussion stand,        Kulturkonzept der Stadt Aarau, das 2014 verabschiedet wurde,
hagelte es Kritik. Mit Investitionskosten von knapp 15 Millio­     gab für den «Oxer» eine neue Stossrichtung vor: Das Projekt
nen Franken und einem Betriebsbudget von 2 Millionen sollte        sollte weiterentwickelt und mit den regionalen Theater- und
ein Theater- und Tanzhaus entstehen, das keine weitere             Kulturschaffenden neu evaluiert werden. Als Ziel setzte man
Nutzung vorsah. Die Eröffnung war auf das Jahr 2011 geplant.       sich nichts Geringeres, als Aarau als kantonale Kulturhaupt­
Für viele Aarauer Kulturschaffende war das vorgestellte Projekt    stadt zu etablieren, der «Oxer» sollte deshalb auch prioritär
ein No-Go. Der Ausschluss weiterer Kultursparten stiess sauer      behandelt werden. Aber eben unter anderen Vorzeichen,
auf, die Reithalle würde unnötig vergoldet, hiess es, die Kosten   günstiger, breiter aufgestellt und lokal mitgetragen. Fortan
stünden in keinem Verhältnis zum Nutzen, wenn nicht weitere        würde das Theater Tuchlaube die künstlerische und operative
Kulturnutzungen möglich wären. Auf der anderen Seite wurde         Leitung innehaben, «T. u. T.» hatte definitiv ausgetutet. Die
darauf hingewiesen, dass es sich um ein Aargauer und nicht         Sommerbespielung ging auch unter neuer Leitung erfolgreich
um ein Aarauer Projekt handle, also keines, das nur die Platz-     weiter und förderte die Akzeptanz der Idee, aus der Alten
und Infrastrukturprobleme aller Aarauer Kulturveranstalter*in­     Reithalle ein Haus mit Schwerpunkt Theater und Tanz, aber
nen lösen sollte.                                                  auch offen für andere Kultursparten zu machen.
    Die «Mittlere Bühne» sollte fortan den Namen «Oxer» tra­
gen. Schaut man heute zurück, konnte der Name wohl nicht
besser gewählt werden. Denn mit «Oxer» bezeichnet man              «Alte Reithalle» oder: Kill your Darlings
im Springreiten ein Hindernis, einen Hochweitsprung, das                 Das Betriebskonzept wurde ab 2015 neu evaluiert. Dabei
vom Pferd nicht nur nach oben, sondern auch «nach vorne»           wurde das ursprüngliche Konzept eines einzigen Theater- und
gesprungen werden muss. Eine schwierige und anstrengende           Tanzhauses «Oxer» in der Alten Reithalle durch das an das
Sache also. Nicht anders war die Realisierung des Projekts am      Theater Tuchlaube betrieblich angegliederte und offene Haus
Aarauer Apfelhausweg.                                              «Alte Reithalle» ersetzt. Das argovia philharmonic wurde an
                                                                   Bord geholt, und so waren auch bürgerliche Akteur*innen
Als das Geld noch da war – und dann nicht mehr                     befriedigt. Um nicht zu reden von neuen finanziellen Türen,
    Trotz der Kritik innerhalb der Aarauer Kulturszene wurde       die das Aargauer Symphonieorchester öffnen würde. Die Alte
das Projekt weiterverfolgt. Die Projektierung wurde vom            Reithalle weist eine wunderschöne Akustik auf – ein Glücks­
Einwohnerrat gutgeheissen und in der Folge der Architektur­        fall. Das argovia philharmonic hat auch bewiesen, perfekt ins
wettbewerb durchgeführt. Aarau gings damals finanziell gut:        Konzept zu passen. Innovative Produktionen und das Zusam­
2008 wurde der Steuerfuss um drei Prozenten gesenkt, das           menspiel mit dem Theater in den letzten Jahren überzeugen
Vermögen stieg aufgrund des Aktienverkaufs der Busbetriebe,        auch Skeptiker*innen. Zudem: Die Finanzierung durch die
das Projekt schien finanziell durchaus realisierbar. Sogar die     Stadt schrumpfte, die Betriebskosten auch, worauf der Ein­
hohen Betriebskosten schienen politisch keine Schwierig­           wohnerrat Ende 2016 einem Zusatzkredit für das Vorprojekt
keiten zu machen, immerhin sollte das Ganze ein Prestige­          zustimmte. Das von der SVP ergriffene Referendum kam nicht
objekt für Aarau sein. In der Zwischenzeit organisierte sich die   zustande. Ein gutes Ende in der schier unendlichen Geschich­
Interessengemeinschaft «T. u. T», welche die Alte Reithalle im     te der Halle am Apfelhausweg schien greifbar.
Sommer zwischennutzte und Aarau zeigen konnte, was diese                 Die letzte Hürde ist genommen, der Einwohnerrat hat
Räumlichkeiten hergaben. Die Produktionen fanden beim              Ende Februar 2018 dem über 20 Millionen Franken teuren
Publikum Anklang, die besondere Atmosphäre verzauberte             Projekt «Alte Reithalle» als Aargauer Leuchtturm zugestimmt.
die Besucher*innen. Während 2011 zunächst 500 Zuschau­             Und zwar deutlich und ohne grosses Debattieren. Das stimmt
er*innen verzeichnet wurden, waren es 2012 schon deren             optimistisch. Den verschiedenen Akteurinnen und Akteuren

                                                                                                                             23
Sie können auch lesen