Ankommen und - Hochschule Luzern Das Magazin
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Hochschule Luzern Juni 2014 Das Magazin Crowdfunding Die Investitionsform etabliert sich INTERVIEW David Bosshart, Leiter Gottlieb- Duttweiler-Institut TRinkwasser Leitungslecks schnell orten Heimat Ankommen und aufblühen
2 / 14 Inhalt 04 Spektrum Dossier: News und Namen Heimat 28 Interview David Bosshart, Leiter Gottlieb-Duttweiler-Institut 31 Plädoyer Leonardo da Vinci, Held des 21. Jahrhunderts 32 Wasserversorgung Lauschangriff aufs Leitungsnetz Unsere Muse 34 Notfallkommunikation Brennstoffzellen gegen Funkstille 36 Finanzierung «Das Vertrauen ins Crowd- funding wächst» 38 Regelungstechnik Sicherheit aus der Vogel- 10 Tradition 20 WalliserVerein perspektive Die akustische Identität der Deheimu is am schönschtu Schweiz ist zeitlos 40 WErkschau 22 Interkulturelle Gärten Die besten Ideen Alle Augen auf den 14 Quartierentwicklung Neue Wurzeln schlagen für die Bekämpfung einer Krankheit Nachwuchs Die Kunst des Brückenschlagens 24 Infografik finden wir oft im Verursacher selbst: 42 Solar Decathlon 17 Übersetzung Hin und weg – Wanderungs indem wir zum Beispiel einem Virus «Smart Sharing» in Versailles Mani Matters Lieder fürs Auge bewegungen in die und aus der Zentralschweiz auf den Grund gehen. 18 Aufbruch Fotos: Isabel Peterhans ( Illustration), Beat Brechbühl Die Departemente Musik und 27 Umfrage Konzertkarten Lucerne Festival 2014: Unsere Innovationen Kunst & Design erhalten ein Was ist Heimat für Sie? Studierende und Roche-Mitarbeitende neues Zuhause erhalten im Vorverkauf 50 % Rabatt auf helfen Millionen Menschen, ausgewählte Konzerte. indem sie Leid lindern und Details und Buchung auf: Lebensqualität verbessern. http://commissions.roche.ch Wir geben Hoffnung. 46 Agenda 49 Medienecho Isabel Peterhans arbeitet seit ihrem Abschluss 2012 an der Hochschule Luzern als freischaffende Illustratorin in Luzern. Ihre Diplomarbeit «Yallabyebye» ist diesen Frühling bei der Edition Moderne erschienen. 50 Absolventin www.isabelpeterhans.ch Hochschule Luzern 2 | 2014 3
Spektrum Spektrum Studentisches Know-how im All Philip Schaufelberger Zeichnet den Alltag Informatik- und Elektrotechnik-Studie- von Prostituierten rende der Hochschule Luzern arbeiten mit Kommilitonen mehrerer Schweizer Philip Schaufelberger, Illustrator und As- Hochschulen am Projekt CubeETH. Der sistent Illustration Fiction am Departe- winzige Satellit – seine Seitenlänge be- ment Design & Kunst, machte schon trägt zehn Zentimeter, und er wiegt rund mit seiner Abschlussarbeit vor vier Jahren ein Kilo – soll 2016 in eine Erdumlauf- von sich reden. Damals erhielt er den bahn geschossen werden. Während sich «Gender & Diversity»-Preis der Hoch- Studierende der ETHs unter anderem um schule Luzern für seinen Comic «Hier. seine mechanische Struktur, die Energie- Dort. Diese Strasse», eine Reportage versorgung und die Experimente küm- über Frauen im Rotlichtmilieu. Schaufel- mern, werden an der Hochschule Luzern berger entwickelte diese Arbeit nach die Hard- und die Software für die Steu- dem Studium weiter und wurde erneut erung der Satellitennavigationsempfän- ausgezeichnet: mit einem Comic-Stipen- ger entwickelt. Auf dem Campus Horw dium im Wert von 30’000 Franken, das soll auch die Bodenstation installiert wer- die Städte Bern, Luzern, St. Gallen, Win- ziehbar machen, wie sie in diesem Milieu den. Der Austausch mit dem Satelliten terthur und Zürich erstmals gemeinsam gelandet sind.» Mit dem Stipendium läuft über Amateurfunkfrequenzen. Dem Der Minisatellit am letzten Fumetto-Festival verliehen. möchte er seine Arbeit an der Comic CubeETH hat eine Amateurfunkverein der Hochschule Lu- Grösse von 1'000 Der 32-Jährige über sein ungewöhnliches Reportage weiterführen und diese vor- zern wurde dafür vom Bundesamt für Kubikzentimetern Comic-Thema: «Ich möchte die Schick- aussichtlich Ende 2015 veröffentlichen. und wiegt gerade Kommunikation das internationale Ruf- mal ein Kilo. sale der Frauen abbilden und nachvoll- www.daslip.ch zeichen HB9HSLU zugeteilt. Fussball für IT-Innovations- Film drehen: Diese Idee trieb Sebastian Strinning aus Kriens (LU) schon seit Län- Bildung preis: 1’000 Fran- gerem um. Nun bekommt der 29-jährige Don Bosco Jugendhilfe weltweit sammelt ken gewinnen Saxophonist und Bassklarinettist die Möglichkeit, sie zu verwirklichen. Anfang Fotos: Sw iss Space Center / Reto Wiesendanger, zweik raf t GmbH / Miroslav Jurendic, anlässlich der Fussball-Weltmeisterschaft Mai wurde ihm an den Stanser Musik Spenden für Bildungsinstitutionen. Un- Das Institut für Wirtschaftsinformatik tagen der 4. Credit Suisse Förderpreis terstützt wird beispielsweise eine Metall- IWI der Hochschule Luzern lanciert an- Jazz überreicht. Sebastian Strinning ge- und Mechanikwerkstatt der Organisation lässlich seines 25-Jahr-Jubiläums den IT- winnt damit unter anderem eine CD-Pro- in São Paulo, in der Jugendliche aus den Innovationspreis für Jugendliche. Schü- duktion im Wert von 7’500 Franken. «Es Favelas ausgebildet werden. Das Online- lerinnen und Schüler von Schweizer war ein mutiger Entscheid der Jury, mich konzept für die Spendenkampagne ent- Berufsschulen, höheren Fachschulen und als Solomusiker auszuzeichnen – ich ar- warfen drei Studierende des Departements Mittelschulen sind aufgerufen, sich krea- beite sehr experimentell», sagt Strinning, Wirtschaft. Der Vorschlag von Alma Ci- tiv mit Wirtschaftsinformatik auseinan- der im vergangenen Herbst den Master Philip Schaufelberger, Heiko P ur nlagen, zVg lurzo, Catherine Styger und Remo Werme- derzusetzen. Die Auszeichnung wird in of Arts in Music mit Major Performance linger unter dem Motto «Fussball für Bil- den drei Kategorien «Bester Essay ‹Die In- Jazz an der Hochschule Luzern abschloss. dung» wird realisiert, die 28-jährige Alma formatik im Jahr 2039›», «Beste Mobile Sebastian Strinning Der Preis ermutige ihn, seinen Weg Cilurzo singt zudem gleich noch den App» und «Bester Youtube- oder Werbe- weiterzuverfolgen. Zeit für die CD- und Ein Jugendlicher «Bosco Arena»-Charity-Song. Begleitet film für das IWI oder die Informatik Musiziert unter Filmproduktion wird er aber frühestens spielt Fussball in Itaquera, werden die Aktionen im Internet von Ver- allgemein» verliehen. Als Hauptpreis freiem Himmel im Winter haben. Derzeit ist Strinning oft São Paulo, wo in anstaltungen, etwa einem internationalen winken pro Kategorie 1’000 Franken. als Matrose auf dem Vierwaldstättersee Kürze die Welt- Fussballtennisturnier in Sarnen vom Einsendeschluss für die Beiträge ist der Seine Musik an verschiedenen Orten in unterwegs. «Um mich über Wasser zu meisterschaft startet. 20. bis 22. Juni. 15. September 2014. Infos und Teilnah- der Natur aufnehmen und darüber einen halten», sagt er – und lacht schallend. www.boscoarena.ch mebedingungen: www.hslu.ch / iwi25 4 Hochschule Luzern 2 | 2014 Hochschule Luzern 2 | 2014 5
Spektrum Spektrum Roter Punkt für Flaggschiff – auch bei der Der Tourismus Die Stanserhorn- Leuchtvorhänge Energieeffizienz lebt von der Ranger erklären Touristen Berggipfel, Sie leuchten und begeistern: Die Vorhänge Freiwilligenarbeit Fauna und Flora, knipsen Fotos und orten Murmeli. So soll das Dreideck- «eLumino» verbinden hochstehendes Tex- schiff «MS2017» einst Viele Aktivitäten, die für die Ausstrahlung tildesign mit moderner LED-Technolo- aussehen. einer Destination wichtig sind, würden gie. Entwickelt wurden sie von der St. Gal- ohne Freiwillige nicht stattfinden. Das zeigt ler Stickerei Forster Rohner AG und dem eine gemeinsame Untersuchung des Insti- Langenthaler Unternehmen Création tuts für Tourismuswirtschaft ITW und des Baumann zusammen mit einem For- Instituts für Soziokulturelle Entwicklung schungsteam der Hochschule Luzern – der Hochschule Luzern. Eventverantwort- Design & Kunst. Nachdem die Leuchtvor- liche und Tourismusorganisationen ste- hänge im letzten Jahr für den Design Preis hen vor der Herausforderung, weiterhin Schweiz nominiert waren, erhalten sie genügend freiwillig und ehrenamtlich jetzt den Red Dot Award Product Design Engagierte zu finden. Was bei ihrer Rekru- 2014 in der Kategorie «Wohnen und tierung zu beachten ist und wie sie moti- Schlafen». Eine 40-köpfige Expertenjury viert werden können, fassen die Expertin- bewertete rund 4’800 Einreichungen aus nen und Experten der Hochschule Luzern aller Welt. An der Thematik Licht und in Empfehlungen zusammen. Textilien wird bereits in einem Nachfol- www.hslu.ch /freiwilliges-engagement- geprojekt weitergeforscht. tourismus Energiewende Studierende zieht es über mitgestalten Europas Grenzen hinaus Um den Ausstieg aus der Kernenergie bis 2035 umzusetzen, muss das Potenzial 100 Fotos: Stanserhor n-Bahn / Chr istian Per ret, SGV Gr uppe, judel / v rolijk & co, Création Baumann erneuerbarer Energien erschlossen wer- den. Mit dem Aktionsplan «Koordinierte 80 Energieforschung Schweiz» vernetzt der Bundesrat die Kompetenzen der Schwei- 60 zer Hochschulen. Er rief sieben Swiss Competence Centers for Energy Research 40 (SCCER) ins Leben, die sich beispiels- weise mit den Themen Biomasse, 20 Speicherung und Effizienz befassen. Im Die Kiellegung des «Motorschiffes 2017» Technologie (KTI) mitfinanzierten Pro- 0 Bereich Effizienz ist das Know-how der in der Werft am Vierwaldstättersee jekt. Urs-Peter Menti, Leiter des Zent- 2009/10 2010/11 2011/12 2012/13 2013/14 Hochschule Luzern gefragt. Ihre Exper- steht kurz bevor. Das erste Dreideck- rums für Gebäudetechnik, hat mit sei- ten für Gebäudetechnik, thermische schiff der Flotte der Schifffahrtsgesell- nem Team Messungen auf einem der Studierende an Hochschulen in Europa Studierende an Hochschulen ausserhalb Europas Energiesysteme und Verfahrenstechnik schaft Vierwaldstättersee (SGV) ist we- bestehenden Motorschiffe durchge- werden gemeinsam mit Vertretern der gen seiner Eleganz das zukünftige führt. Diese dienen als Basis für ein Immer mehr Studierende der Hochschule Luzern nutzen die Möglichkeit, ein oder ETH und der Materialforschungs- und Flaggschiff unter den Motorschiffen. energieoptimiertes Konzept für Hei- zwei Semester an einer Hochschule im Ausland zu studieren. Dabei zeigt sich, Prüfungsanstalt Empa daran forschen, Und es soll möglichst energieeffizient zung, Kühlung und Lüftung sowie wei- dass sie sich dafür vermehrt aussereuropäische Bildungsinstitutionen aussuchen, die Gebäude und industrielle Prozesse ener- und schadstoffarm fahren. Das ist das tere Zusatzsysteme. Weil bisher dieser nicht dem Austauschprogramm Erasmus angeschlossen sind. Dieser Trend wird gieeffizienter zu gestalten. Für die Ener- Ziel der Zusammenarbeit der Hoch- Energieverbrauch bei Schiffen wenig gemäss Fachleuten auch in den kommenden Jahren anhalten. Auch dank der Bemü- gieforschung im Rahmen des SCCER schule Luzern mit der SGV-Tochter Beachtung fand, wird hier ein grosses hungen einzelner Departemente der Hochschule Luzern, die bis nach China reisen, erhält die Hochschule Luzern 3,5 Milli- gesellschaft Shiptec AG in einem von Einsparpotenzial vermutet, das beim um neue Partnerschaften zu knüpfen. onen Franken. Die Arbeiten starten «eLumino» erhält einen Red Dot Award. der Kommission für Innovation und «MS2017» genutzt werden soll. bereits diesen Sommer. 6 Hochschule Luzern 2 | 2014 Hochschule Luzern 2 | 2014 7
Um an einem Ort heimisch zu werden, muss man ihn sich Heimat erst aneignen – durch Interaktion und Auseinandersetzung. Andere Länder besuchen und digital vernetzt überall auf der Welt Freundschaften pflegen, sich sein Leben lang weiterbilden und darauf einstellen, verschiedene Berufe auszuüben. Beweglich sein, phy- sisch und im Geist, sich bietenden Möglichkeiten hinterherreisen – wollen und müssen … In einer globalisierten Welt mit immer weniger Gewissheiten und Kontinuitäten ist Heimat ein Gegenent- wurf, der Verwurzelung und Geborgenheit bietet. Heimat ist kein Ort, etwa das Land, in dem man geboren ist, oder die Stadt, in der man wohnt. Heimat ist vielmehr ein Gefühl. Ein sehr persönli- ches. Es setzt sich aus vielen Fragmenten zusammen: aus Erinne- rungen und Geschichten, aus Bildern, Gerüchen und Klängen. Heimat ist da, wo man sich mit Selbstverständlichkeit be- wegt, wo man sich wohlfühlt und nicht erklären muss. Heimat kann man sich aber auch neu schaffen, durch Freundschaften und Beziehungen, durch Mitwirkung in kleineren und grösseren sozialen Einheiten. Unser Dossier zum Thema «Heimat» spiegelt die Vielfältigkeit des Begriffs. Erfahren Sie mehr über die akustische Identität der Schweiz, das besondere Heimatgefühl der Walliser Studierenden oder über die Kunst als Mittlerin zwischen Kulturen und als Anstifterin, sich für seinen Lebensraum zu engagieren und ihn aktiv zu gestalten. Gerade Letzteres zeigt, dass Heimat nicht Rückzug bedeuten muss, sondern immer auch Aufbruch – um anzukommen. Illustration: Isabel Peterhans, Absolventin der Hochschule Luzer n Sigrid Cariola, Chefredaktorin 8 Hochschule Luzern 2 | 2014 Hochschule Luzern 1 | 2014 13
Heimat Heimat Die akustische Identität der Schweizer Radio International (SRI), dem damaligen Auslandsdienst von SRF. Er zuwählen. «So trugen die Sender wesent- lich zur Verbreitung des volksmusikali- Medium, fast jeder Staat betrieb auch einen Auslandssender. SRI hatte den Auf- Schweiz ist zeitlos sollte für den Sendebetrieb eine Samm- schen Schaffens der damaligen Zeit bei», trag, als «Stimme der Schweiz» die Ver- lung mit Schweizer Volksmusik anlegen. sagt Kulturwissenschaftlerin Patricia bindung der Auslandschweizer zur Hei- In der Folge trug Fritz Dür zwischen 1957 Jäggi, wissenschaftliche Mitarbeiterin mat zu sichern, ein umfassendes Bild der und 1967 fast 8’000 Tonbänder zu einer am Departement Musik. Da Schweizer Schweiz im Ausland zu vermitteln und «klingenden Visitenkarte der Schweiz» Radio International kein eigenes Auf- Verständnis für ihre Anliegen zu schaf- zusammen. Nach intensivem Gebrauch nahmestudio hatte, musste sich Dür für fen. Damit richtete es sich an Ausland- kam die Sammlung mit den Jahren aus seine Sammlung aus den Aufnahmen der schweizer, aber auch an Bürger anderer der Mode und landete schliesslich in der Regionalsender bedienen, was die vielen Länder. Zunächst sendete SRI in Deutsch, Schweizer Nationalbibliothek. regionalen Stile in seiner Sammlung er- Französisch und Italienisch, später auch klärt. Ein beachtlicher Teil der Archive in Englisch, Spanisch, Portugiesisch, Ara- Ein Schatz wird gehoben Die For- der Regionalsender wurde im Lauf der bisch, Rätoromanisch und Esperanto. schenden der Hochschule Luzern unter- Zeit zerstört. «Viele Stücke haben nur in «Zur Zeit des Kalten Krieges erhielt suchen die klanglich-musikalische Seite der Sammlung Dür überlebt, das macht der Auslandsrundfunk eine besondere der Sammlung Dür, die Programme von sie kulturhistorisch besonders wertvoll», Bedeutung. Während der Osten nach SRI sowie die volksmusikalischen Prak- sagt Jäggi. Westen sendete, um dessen Bevölkerung tiken der 1950er- und 1960er-Jahre. Dazu Ein wichtiges Ziel des Projektes ist, zu beeinflussen, versuchte der Westen, mussten sie sich in einem ersten Schritt die einzigartige Sammlung wieder einer mit seinen Sendern die staatliche Propa- einen Überblick über die Fülle an Ton- breiten Öffentlichkeit zugänglich zu ma- ganda in den Ostblockstaaten zu unter- bändern verschaffen. «Wir waren sehr chen. Bis zum Projektabschluss Ende 2015 wandern», sagt Thomas Hengartner, Lei- überrascht, als wir erkannten, wie breit ist dazu eine ganze Reihe von Massnah- ter des Instituts für Sozialanthropologie das Repertoire der Sammlung ist. Volks- men geplant: Ein Teil der Sammlung wird und Empirische Kulturwissenschaft an Ein Männerchor beim Jodeln in typischer Appenzellertracht, aufgenommen am musik, Ländler und Jodel machen nur derzeit beim Schweizer Radio und Fern- der Universität Zürich und Gesamtlei- Schwing- und Älplerfest von 1953 in Winterthur. etwa die Hälfte aus, daneben gibt es Blas- sehen digitalisiert und fliesst später in die ter des Forschungsprojekts «Broadcasting musik, volkstümlichen Schlager, Jazz, Online-Datenbank von Memoriav, dem Swissness». SRI setzte seine Berichterstat- Klassik und Chorstücke», sagt Marc- Verein zur Erhaltung audiovisueller tung zum aktuellen Weltgeschehen un- Jodeln, Alphorn, Chlefeli – Forschende der Hochschule Luzern untersuchen Antoine Camp. Damit dokumentiert die Schweizer Kulturgüter, ein. Die Stücke ter das Credo der Neutralität und gehörte anhand der jüngst wiederentdeckten Sammlung Dür die Sammlung Dür fast das gesamte musi- werden an den Hörstationen der Natio- dadurch weltweit zu den anerkanntesten kalische Schaffen ihrer Zeit. nalphonothek in Lugano hörbar sein. In Radiostationen. Neben Nachrichtensen- akustische Seite von «Swissness». Dabei entdecken sie eine ungeahnte Bisher fanden die Wissenschaftler der Sendung «Fiirabigmusig» der «Musik- dungen und politischen Kommentaren Vielfalt – und einen kulturhistorischen Schatz. keine Unterlagen, die auf eine offizielle welle» präsentiert Daniel Häusler, Dozent Sammelstrategie hindeuten. Sie gehen an der Hochschule Luzern – Musik, be- davon aus, dass Fritz Dür bei der Aus- reits heute jeden Mittwoch eine Perle aus Alphornblasen im Wandel wahl der Stücke freie Hand hatte, die er der Sammlung. Darüber hinaus soll es Anlässlich des Eidgenössischen Jod- als Musikwissenschaftler jedoch umsich- Notenpublikationen geben. Live erleben ler-Forums am Vorabend des Eid- Seit einigen Jahren erlebt das tra- päischen Staaten bestand damals auch in tische Nationalsymbole», sagt Marc- tig walten liess. «An der Sammlung lässt lässt sich die Sammlung Dür im Rahmen genössischen Jodlerfestes lädt die ditionelle Schweizer Heimatbild ein Re- der Schweiz das Bedürfnis nach identi- Antoine Camp, Musikwissenschaftler sich ableiten, dass Dür im Hinblick auf des Festivals Alpentöne am 16. August Hochschule Luzern zu einer Diskus- vival. Jodelklubs freuen sich über Zulauf tätsstiftenden Nationalsymbolen mit Al- und Musikethnologe an der Hochschule musikalische Vielfalt und spielerische 2015 in Altdorf, wo die Big Band der Stu- sionsrunde zum Thema «Ich und junger Mitglieder, und die Migros Klub- leinstellungscharakter. Gleichzeitig trieb Luzern. «Heute gehören beide zum offi- Qualität entschied, ob ein Stück in sein dierenden der Hochschule Luzern eine unsere Tradition – Alphornblasen schule bietet schweizweit gut besuchte die aufkommende Industrialisierung im- ziellen immateriellen Kulturerbe der Archiv einging», sagt Camp. Die meisten Auswahl an Stücken präsentieren wird. im Wandel» ein. Die Teilnehmenden Alphorn-, Schwyzerörgeli- und Jodel- mer mehr Menschen in die Städte. Vor Schweiz.» Stücke stammen zudem von Schweizer tauschen sich über den Wandel des kurse an. In einer globalisierten Welt, die diesem Hintergrund und unter dem Ein- Marc-Antoine Camp untersucht in ei- Komponisten oder sind von Schweizer Ein Kind des Kalten Krieges Wäh- Alphorns aus, diskutieren die unter- Fotos: Keystone / Photopress-A rchiv dem Einzelnen fast unüberschaubar viele fluss der Romantik entstand ein ideali- nem interdisziplinären Forschungspro- Interpreten gespielt. rend sich die Luzerner mit dem Inhalt schiedlichen Zugänge zum Instru- Möglichkeiten bietet, ist Heimat für viele siertes, rurales Heimatbild, das auch der jekt die Frage, wie «Swissness» mittels Mu- Radiostationen waren damals die at- der Sammlung Dür und dem Programm ment und sprechen über die vielfälti- wieder ein positiv besetzter Begriff. Sie damals aufblühende Tourismus für seine sik konstruiert und vermittelt wird. Dazu traktivste Möglichkeit, Musik aufzuneh- von SRI befassen, untersuchen ihre Kol- gen Formen des Alphornblasens. stiftet Identität und Orientierung, bietet Zwecke nutzte und festigte. «Damals er- dient den Wissenschaftlern der Hoch- men und sie einem breiten Publikum zu legen von den Universitäten Basel und Geborgenheit und Vertrautheit. wachte auch das Interesse an einer ge- schule Luzern sowie der Universitäten präsentieren. Denn die Regionalsender Zürich die Resonanz bei den Hörern Donnerstag, 3. Juli 2014 Entstanden ist das traditionelle meinsamen Volksmusiktradition. Im Zürich und Basel die Sammlung Dür, die liessen regelmässig Musiker aus ihrem sowie den institutionellen und gesell- 16.30 bis 18.30 Uhr Schweizer Heimatbild im Verlauf des 20. Jahrhundert etablierten sich schliess- in den 1950er- und 1960er-Jahren ent- Einzugsgebiet vorspielen, um geeignete schaftlichen Kontext der Sammlung. Da- Kongresszentrum Davos 19. Jahrhunderts. Wie in anderen euro- lich das Alphorn und das Jodeln als akus- stand. Fritz Dür leitete die Sonothek von Interpreten für Studioaufnahmen aus- mals war das Radio noch das führende www.jodlerfest-davos.ch/programm 10 Hochschule Luzern 2 | 2014 Hochschule Luzern 2 | 2014 11
Heimat Heimat «Im internationalen produzierte SRI aber auch Sendungen, liegt es zudem jenseits politischer oder re- che Schweiz», sagt Jäggi. Wie aber klingt die bewusst der positiven Selbstdarstel- ligiöser Konfliktlinien, was es beständig die Schweiz, wenn sie nicht durch die Vergleich sind unsere Grossstädte lung der Schweiz dienten – in politischer macht», sagt Hengartner. So nutzen vor Kunstform Musik repräsentiert, sondern klein und beschaulich» und kultureller, wirtschaftlicher und tou- ristischer Hinsicht. So gab es beispiels- allem Politik und Tourismus dieses Bild noch heute, wenn die Schweiz repräsen- dokumentarisch abgehorcht wird? Patri- cia Jäggi erstellte für das Bundesamt für weise Beiträge zur Schweizer Uhr- Kultur eine Klangcollage, die eine Barbara Taufer vom Institut für Tourismuswirtschaft befasst sich mit der macherkunst und Reportagen aus akustische Reise durch das immate- touristischen Nutzung von Schweizer Traditionen. Im Interview den verschiedenen Regionen der rielle Kulturerbe der Schweiz erlaubt erklärt sie die Bedeutung des traditionellen Heimatbildes für den Schweizer Schweiz sowie bereits 1950 einen – vom Hornussen über die Basler und Mitschnitt einer Live-Sendung vom die Luzerner Fasnacht, die Walliser Tourismus, weshalb es Asiaten besonders anspricht Gipfel des Matterhorns zu hören. Kuhkämpfe, die Klänge von Musik- und wo Schweizer Städte im internationalen Wettbewerb stehen. Schweizer Volksmusik, wie sie in automaten und das Zentralschweizer Form der Sammlung Dür zur Verfü- Wildheuen bis hin zum Lawinen- gung stand, war ein wichtiges Ele- warnsystem. Da tönt es mal laut und Welche Rolle spielt das traditionelle der Städtetourismus in der Schweizer ment bei der Vermittlung von «Swiss- roh, klingt es mal sanft und leise. Und Schweizbild mit Alpen, Kühen und Heidi Tourismuswerbung bisher zu kurz? ness» in alle Welt. Sie machte rund so machen diese Collage wie auch die für den Schweizer Tourismus? Es ist tatsächlich so, dass der Städtetou- die Hälfte der Sendezeit aus. «Bei den Sammlung Dür in ihrer Vielfalt sehr Eine sehr wichtige, und zwar schon seit rismus erst in den letzten Jahren stärker vielen Sprachräumen, die SRI be- deutlich, wie die Schweiz klingt: den Anfängen des hiesigen Tourismus. Ei- beworben wurde. Es ist aber auch hier so, diente, vereinfachte ein hoher Musik föderal vieltönig. Simona Stalder nerseits deckt es vieles ab, was man in den dass unsere verhältnismässig kleinen anteil die Produktion», sagt Hengart- Fritz Dür, ehemaliger Leiter der Sonothek von SRI, mit seiner Tochter Christina (1953). Ferien sucht: Natur, Ruhe und Erholung. Städte nicht das Grossstadtflair vermit- ner. Zudem nutzte der Sender den Klangcollage zu den lebendigen Andererseits spielte der Alpinismus seit teln können, das Städtetouristen in Ber- Wiedererkennungswert der Musik, Traditionen der Schweiz jeher eine wichtige Rolle im Schweizer lin, New York oder London finden. Und weil auf den damaligen Radiogerä- http://soundcloud.com / norient / Tourismus. Und auch wenn wir uns die auch bei Kultur, Nachtleben und Shop- ten die Frequenzen oftmals nicht ange- tiert werden soll. Für den Tourismus ist sound-collage-living Alpen mit anderen Ländern teilen, so ist Barbara Taufer ist senior wissen- ping können sie mit der Angebotsfülle schrieben waren. «Man ‹schraubte› sich es immer noch eines der wichtigsten schaftliche Mitarbeiterin am Insti- unsere bergige Landschaft letztlich das, tut für Tourismuswirtschaft der dieser Städte nicht mithalten. durch die Sender, bis man hörte, was man Verkaufs argumente (siehe links). So Sammlung Fritz Dür bei SRF was uns im globalen Tourismuswettbe- Hochschule Luzern – Wirtschaft. Der Tourismus vermarktet Brauch- suchte. Akustische Eigenständigkeit war begrüsst und verabschiedet der Flugha- www.srf.ch /sendungen / fiirabigmusig / werb einzigartig macht, wo wir gegen tum und Tradition im Interesse eines wirt- ein Vorteil für einen Sender, der schnell fen Zürich etwa Einheimische und Gäste sammlung-fritz-duer Destinationen mit Palmenstränden, Wüs- schaftlichen Profits. Welche Gefahren gefunden werden wollte», so Hengartner. aus aller Welt mit einer Bild-Ton-Collage ten oder antiken Kulturen antreten. Das Leben in der modernen Schweiz un- sind damit verbunden? Als Pausenzeichen diente SRI ein Aus- zu Heidi und dem Matterhorn, während An wen richtet sich die Tourismus- terscheidet sich stark vom Schweizbild, Es kommt vor, dass Brauchtum und Tra- schnitt aus dem bekannten Volkslied sie die Skymetro zwischen Terminal E und Breite Trägerschaft werbung, die mit diesem Bild spielt? mit dem die Tourismuswerbung spielt. dition zu reiner Show verkommen und «Lueget vo Berg und Tal». dem Hauptgebäude nutzen. Das Projekt «Broadcasting Swiss- Die aktuelle Grundkampagne von Schweiz Sind Touristen da nicht zwangsläufig verfremdet werden. Der Tourismus kann Die Kulturpolitik stand damals noch Immerhin hat sich bei der offiziellen ness» wurde von Memoriav, einem Tourismus mit dem Claim «Schweiz – ganz enttäuscht? Brauchtum und Tradition aber auch för- unter dem Einfluss der Geistigen Landes- Repräsentation der Schweiz seit der Verein zur Erhaltung des schweize natürlich» richtet sich an ausländische wie Werbung fokussiert stets die positiven derlich sein. Er kann im Aussterben verteidigung, die mit der Besinnung auf Landi 39 einiges verändert. Hier rückte rischen audiovisuellen Kulturguts, Aspekte einer Destination. Die Kunden begriffene Traditionen wiederbeleben, schweizerische Werte erst den National- die Inszenierung als attraktiver Wirt- initiiert. Als Partner beteiligen sich «Unser Heimatbild deckt wissen das aber und informieren sich vor finanziellen Nutzen in wirtschaftlich sozialismus und nun den Kommunismus schaftsstandort, innovativer Forschungs- die Schweizerische Nationalpho- der Reise weitergehend. Auch hier darf schwächeren Regionen stiften und den abwehren sollte. In den 1930er-Jahren platz und verlässlicher internationaler nothek, SRF Schweizer Radio und vieles ab, was man man aber die Relationen nicht ausser Personen, die die Tradition pflegen, hatte sie den in bürgerlichen Kreisen als Partner in den Fokus. Patricia Jäggi un- Fernsehen, Radio SRF Musikwelle, in den Ferien sucht.» Acht lassen: Selbst unsere Grossstädte anrüchig geltenden Ländler salonfähig tersuchte, wie sich die akustische Insze- die Abteilung Dokumentation und mit ihren pittoresken, gepflegten Altstäd- gemacht und dem traditionellen, ruralen nierung der Schweiz an der Landi 39 von Archive der SRG, das Haus der «Es kommt vor, dass an inländische Touristen. Sie ist nicht auf ten, den sauberen Seen und den Gebirgs- Schweizbild mit der Landesausstellung jener an der Expo 1964 unterschied. «Die Musik in Altdorf, die Gesellschaft für bestimmte Nationalitäten ausgerichtet. ketten am Horizont sind für Touristen Tradition und Brauchtum von 1939 einen neuen Höhepunkt ver- Landi präsentierte sich mit dem volks- Volksmusik in der Schweiz (GVS), Tatsächlich ist es aber so, dass sich asiati- aus asiatischen Metropolen vergleichs- zur Show verkommen.» schafft. Die Lücke zwischen diesem liedhaften Stück ‹Landidörfli›, dem Lan- die Forschungsgruppe zu Cultural Fotos: zVg, Pr ivatarchiv Fr itz Dür sche Touristen davon besonders angezo- weise klein und beschaulich. Insofern Schweizbild und gesellschaftlicher Rea- dimarsch und einem fanfarenhaften Ton- Property der Universität Göttingen, gen fühlen. Einerseits spielt hier sicherlich unterscheidet sich das touristisch ver Wertschätzung und Identität vermitteln. lität war inzwischen noch grösser als zu signet sehr traditionell. Die Expo in die Forschungsgruppe Intangible der Exotikfaktor eine Rolle. Andererseits mittelte Bild aus asiatischer Perspektive Wichtig ist, dass diese Personen in die seinen Anfängen. Daran schien sich aber Lausanne setzte hingegen auf musikali- Cultural Heritage der Universitäten kommen viele Asiaten aus dicht besiedel- gar nicht so sehr von der Realität, die sie Gestaltung und Umsetzung des touris- niemand zu stören. «Damals wie heute be- sche Avantgarde. Eine elektronisch her- Neuchâtel und Basel sowie die Zür- ten, urbanen Räumen, manche aus Me- hier antreffen. tischen Angebots einbezogen und auch friedigt das Bild aufgrund seiner Allein- gestellte Erkennungsmelodie und ein cher Hochschule der Künste. Das gastädten. Für sie ist die saubere und idyl- Beim Städtetourismus hinkt die am wirtschaftlichen Nutzen beteiligt stellungskraft den Wunsch nach nationa- Orchester aus Büromaschinen verkör- Projekt wird vom Schweizerischen lische Schweiz eine heile Welt. Schweiz anderen Ländern hinterher. Kam sind. Interview: Simona Stalder ler Identität. Da es wenig reale Bezüge hat, perten eine moderne und fortschrittli- Nationalfonds finanziert. 12 Hochschule Luzern 2 | 2014 Hochschule Luzern 2 | 2014 13
Heimat Heimat Nicht nur für Touristen, auch Stadtverwaltung zu erforschen. In für viele Einheimische endet Luzern Luzern heisst die Versuchsreihe «Spu- bei der Talstation der Gütschbahn rensuche», wobei zwei Künstlerduos hinter dem Kasernenplatz. Was da- ihre Ideen in direktem Kontakt mit nach kommt, passt nicht so recht zur der Bevölkerung ausprobiert haben. Postkartenidylle der Leuchtenstadt. Barbara Kuzhnini war sofort da- Dicht gebaut, eng und verkehrsreich, bei, als sie von den Konzeptkünst- ist die Baselstrasse zweifellos die ur- lern Frank und Patrik Riklin ange- banste, bunteste und internationalste fragt wurde, ob sie bei der Aktion Meile der Stadt, mit mexikanischen, «Quatschmobil» mitmachen wolle, türkischen, indischen und afrikani- In die Aktion «Quatschmobil» war auch das ebenso der Schuhmacher Rosario schen Läden. Barbara Kuzhnini be- Gewerbe des Stadtteils eingebunden. Terranova und Agim Jashari von treibt hier seit zehn Jahren ihren «Gimi’s Pizza & Panini». Mit dem Coiffeursalon «Kreuzstutz». Sie mag «Quatschmobil» haben die Riklin- das Quartier, nur habe es jenseits seiner inwiefern mit künstlerischen Projekten Zwillinge vom St. Galler Atelier für Son- Grenzen einen schlechten Ruf, was es und Aktionen die soziale und kulturelle deraufgaben Ende März während dreier schwierig mache, neue Kunden zu gewin- Entwicklung von Lebensräumen unter Tage einen Taxidienst der anderen Art nen: «Da kann man noch so ein schönes der Beteiligung der Bevölkerung ange- getestet. Ihr Taxi fuhr nicht gegen Geld, Geschäft haben», sagt sie. regt und gefördert werden kann. sondern gegen «Quatschen». Dazu hat man in Zürich und Luzern Mit Kunst die Menschen erreichen drei «Achsen» ausgewählt, die als beson- Fahrgast fördert Baselstrasse Stets Es habe sich zwar einiges getan zwischen ders sensibel gelten: neben den zwei dann, wenn das Taxi erneut zehn Kilo- Kasernenplatz und Reussbühl in den letz- Zürcher Achsen Wehntalerstrasse und meter zurückgelegt hatte, rief der Chauf- ten Jahren, sagt Ruedi Frischknecht, Lei- Hohlstrasse eben auch die Achse Kaser- feur bzw. die Chauffeurin einen der drei ter der Luzerner Stadtentwicklung. Das nenplatz–Seetalplatz. Alle drei zeichnet Ladenpartner an und meldete, dass der Sicherheitsproblem sei viel geringer als eine schwierige städtebauliche Situation dort gerade anwesende Kunde seinen früher und es hätten sich mehr Studierende Haarschnitt, seine Schuhreparatur oder und Kulturschaffende angesiedelt. «Den- die Pizza nicht bezahlen müsse, sondern «Die Kunst hat gesiegt, noch besteht nach wie vor die Gefahr ei- von der Stadt offeriert erhalte. wenn sie sich selbst Das «Quatschmobil» bietet Zeit und Raum für Begegnungen. ner Ghettoisierung, und die Fluktuation Barbara Kuzhnini erzählt, es sei ein bei den Bewohnern ist sehr hoch.» überwindet und etwas Riesenspass gewesen: «Die beschenkten Viele Bewohner denken wie Barbara Selbstverständliches wird.» Kunden freuten sich sehr.» Auch Milo Sre- Kuzhnini: Wegziehen, sobald man es Patrik Riklin, Künstler len, einer der Chauffeure, die die Riklins Die Kunst des sich leisten kann. So etwas wie ein Hei- an der Achse als Freiwillige rekrutiert hat- matgefühl stellt sich bei vielen gar nicht aus, alle drei sind emissionsbelastete Ver- ten, ist begeistert von der Aktion. Es ge- erst ein, weshalb sie auch wenig Inter- kehrsadern und werden zum Wohnen, fiel ihm, auf diese Weise ganz unter Brückenschlagens esse daran haben, sich an der Gestaltung Arbeiten, Einkaufen und Ausgehen schiedliche Leute kennenzulernen. Das ihres Lebensraums zu beteiligen. Das genutzt. An diesen drei Achsen sind im Künstlerduo hat den Test mit einer tollen weiss Ruedi Frischknecht aus früheren letzten halben Jahr Versuchsreihen durch- Bilanz abgeschlossen: Das Quatschmobil Projekten. Was es also braucht, sind neue geführt worden, um verschiedene For- hat rund 30 Leute über 200 Kilometer weit Ideen und Ansätze, damit sich die Situ- mate von Kunst im öffentlichen Raum gefahren. An der Baselstrasse wurden sie- Kunst im öffentlichen Raum kann Menschen motivieren, sich mit ihrem ation stabilisiert und die Leute gerne an sowie für das Potenzial von Kooperatio- ben Haarschnitte, neun Pizzen und vier unmittelbaren Lebensraum auseinanderzusetzen, und der Baselstrasse bleiben. nen zwischen Kunstschaffenden und Schuhreparaturen offeriert. Genau darum geht es im Forschungs- «Es war schön, zu sehen, wie die Fahr- Fotos: Bodo Rüedi, Philip Matesic ihnen helfen, darin heimisch zu werden. Wie das gelingt, erforscht projekt «Stadt auf Achse» der Hochschule gäste ins Nachdenken kamen, wenn sie das Projekt «Stadt auf Achse» der Hochschule Luzern, Luzern und der Zürcher Hochschule der Quatschmobil und Achsen merkten, dass sie indirekt eine Aktion und Künste, an dem neben der Stadt Luzern geschichten live erleben damit auch Gespräche an der Baselstrasse der Zürcher Hochschule der Künste, der Städte Luzern und Zürich auch die Stadt Zürich, Heller Enterpri- Am 14 . Juni 2014 , von 11 bis 13 Uhr, auslösten.» Patrik Riklin nennt das «posi- sowie des Unternehmens Heller Enterprises. ses und die JRP | Ringier Kunstverlags präsentieren die beiden Künstlerduos tive Anschläge» oder «gute Bömbchen». AG als Projekt- und Umsetzungspartner ihre Aktionen auf dem Lädeliplatz in Die Riklins wünschen sich, dass das beteiligt sind. Die zentrale Frage lautet, Luzern. Quatschmobil nicht nur ein dreitägiger 14 Hochschule Luzern 2 | 2014 Hochschule Luzern 2 | 2014 15
Heimat HEImat meln. «Sobald die Menschen merk- ten, dass es nicht darum ging, ihnen waltung künftig vermehrt und erfolgrei- cher zusammenwirken können. Ziel des Mani Matters Lieder fürs Auge etwas anzudrehen, haben sie gerne Projekts ist die Erarbeitung eines Hand- erzählt. Etwa von ihrer Heimat, wie buchs für Stadtverwaltungen und Kul- sie nach Luzern kamen, was sie im turunternehmen, das die Erfahrungen Krieg erlebt haben», erzählt Rahel aus den Versuchsreihen aufarbeitet. Es Grunder. Das reiche Material, das die soll Beispiele von Kunstaktionen im öf- beiden Künstler auf der Achse fan- fentlichen Raum enthalten und zeigen, Kein anderer Liedermacher hat den Schweizer den, möchten sie den Leuten in Form welche Möglichkeiten diese bieten, wo eines Theaterstücks zurückgeben: sie an Grenzen stossen und welche Pro- Alltag so liebevoll seziert, oft noch ins Absurde überzeichnet wie «Wir machen nicht Kunst fürs Mu- bleme bei der Planung und Durchfüh- Mani Matter. Einige seiner Lieder hat der Berner seum, sondern wir wollen den Kreis rung auftauchen können. Silvan Zurbriggen in seiner Abschlussarbeit in Illustrationen wieder schliessen», sagt Philip Mate- Susanne Gmür sic. «Im besten Fall können wir das übertragen. Von der Resonanz war er selbst überrascht. Stück im Quartier aufführen und da- mit etwas zu einem Gemeinschafts- Noch mehr Kunst an der Achse gefühl an der Achse beitragen.» Kasernenplatz–Seetalplatz Weshalb sollen gerade Künstler be- Im Master Kunst der Hochschule «Kunscht isch gäng rascht von den vielen posi- wirken können, dass die Menschen Luzern – Design & Kunst setzen sich es Risiko», sang einst Mani tiven Rückmeldungen. Be- sich für die Entwicklung ihres Le- Studierende in ihren Abschluss- Matter. Der Illustrator und sonders schön war ein Brief Rahel Grunder und Philip Matesic (Bild oben, bensraums engagieren? Die Riklins arbeiten mit Kunst im gesellschaftli- Graphic Designer Silvan einer älteren Dame aus rechts) sammelten «Lebens-Geschichten». wie auch Matesic und Grunder sind chen und öffentlichen Kontext Zurbriggen hat diese Lied- St. Gallen, die fragte, ob sie sich einig, dass es unter anderem das auseinander. «Da sich die Master- zeile zum Thema seiner Ab- ein Replikat des ‹Ysebahn›- Spielerische der Kunst ist, das Neu- Arbeiten auf einen konkreten öffent- schlussarbeit im Master of Comics kaufen könne.» «Gag» bleibt, «sondern etwas Selbstver- gierde weckt und die Lust, mitzumachen. lichen Raum beziehen, lag es nahe, Arts in Design gemacht. Er ständliches wird. Die Kunst hat gesiegt, Tom Steiner vom Institut für soziokultu- für diesen Jahrgang denselben zeichnete fünf sogenannte Mit Bern verbunden Zur- wenn sie sich sozusagen selbst überwin- relle Entwicklung der Hochschule Luzern Raum zu wählen, mit dem sich das One-Page Comics – Comics briggen, in San Diego gebo- det.» Würde der Taxidienst permanent eta- – Soziale Arbeit ergänzt: «Kunst spricht Forschungsprojekt ‹Stadt auf Achse› also, die auf einer Seite eine ren, lockt nicht die grosse bliert, sollen nicht nur die Leute an der die Leute auf eine besondere Weise an, sie beschäftigt», sagt Peter Spillmann, abgeschlossene Geschichte weite Welt. In seinem Berner Achse miteinander ins Gespräch gebracht ist unabhängiger und anarchischer. Bei Leiter des Schwerpunkts «Art in Pub- erzählen – zu Liedern des Atelier illustriert er Konzert- konventionelleren Interventionen, die von lic Spheres» und zugleich Leiter der berühmtesten Troubadours Silvan Zurbriggen in seinem Atelier in Bern. plakate oder entwickelt Cor- «Kunst spricht die Leute der Verwaltung aus kommen, hat die Be- Versuchsreihe «Spurensuche» an der der Schweiz. «Als Künstler porate Designs für lokale völkerung vielleicht eher das Gefühl, dass Achse Kasernenplatz–Seetalplatz. tätig zu sein, ist tatsächlich Geschäfte. «Inspiration für auf eine besondere Weise es sich um eine Alibiübung handelt.» Die Diplomanden werden ihre immer ein Wagnis, man kann die Reak- im Bild erst auf den zweiten Blick zu er- meine Arbeit finde ich hier genügend. Und an, sie ist unabhängiger Projekte vom 13. bis 29. Juni 2014 tion auf seine Arbeit nicht vorhersehen», kennen gibt: «Es stellt für mich einen Klas- ich mag es, durch die Strassen zu gehen und anarchischer.» Kunst und Verwaltung im Dialog im Rahmen der Werkschau Design sagt Silvan Zurbriggen. Für seine Ab- siker des One-Page Comics dar.» und hie und da meinen Werken zu begeg- Tom Steiner, Hochschule Luzern – Steiner begleitet das Forschungsprojekt, & Kunst auf der Achse Kasernen- schlussarbeit wollte er ursprünglich selbst Eine ganze Geschichte auf einen Blick, nen.» Kürzlich durfte er für ein renom- Soziale Arbeit um die Prozesse und den Austausch zwi- platz–Seetalplatz präsentieren. kleine Geschichten entwickeln, merkte als «Einseiter» serviert zu bekommen – miertes Designmagazin die Schrift schen den Künstlern und den Verant- So wird etwa der gemischte Chor aber bald, dass dies sehr aufwändig ist das scheint perfekt zum Zeitgeist zu pas- «Helvetica» bildnerisch umsetzen. Seine werden, sondern auch Vertreter der Stadt- wortlichen in der Verwaltung zu analy- von Emmenbrücke und Luzern, die und ihn von seinem eigentlichen Fach, sen. «Doch der One-Page Comic ist eine Illustration bildet ein Stück Heimat ab: das verwaltung im Quatschmobil mitfahren sieren und zu evaluieren. Denn das, so lumen singers, auftreten. In Zu- dem Illustrieren, abhält. Mani Matters der ältesten Formen des modernen Co- typische Schweizer Zmorge. Stoff, der gut sammenarbeit mit einer Diploman- Foto: Pius A mrein / Neue Luzer ner Zeitung und im direkten Kontakt mit der Bevölke- die Leiterin des Forschungsprojekts, Liedgut – mit dem der 28-jährige Berner mics. Um 1900 war er praktisch in jeder ins Matter-Repertoire gepasst hätte – un- rung brennende Fragen erörtern können. Rachel Mader, sei eine der grössten Her- din, die der Frage nachging, wie «selbstverständlich» aufgewachsen ist – amerikanischen Tageszeitung zu finden», terhielt der Liedermacher doch schon mit Weniger rasant, aber nicht minder ausforderungen: «Es treffen sehr unter- sich die Identität eines Orts in sei- erschien ihm vor allem wegen seiner Ein- erklärt Zurbriggen, der seine Arbeit im «Betrachtige über nes Sändwitsch». spielerisch ist die Aktion von Philip Ma- schiedliche Perspektiven, Ansprüche und ner Klangwelt spiegelt, haben fachheit und treffenden Pointen geeignet. Siebdruckverfahren umgesetzt hat. Simone Busch tesic und Rahel Grunder, dem zweiten auch Sprachen aufeinander. Oft kommt sie den spezifischen «Sound» ihrer Das Risiko, sich mit einem in der Öf- Künstlerduo. Von Januar bis Mai waren es zu grundlegenden Diskussionen dar- Quartiere erforscht und daraus Zeitlose Erzählkunst Zu fünf Liedern fentlichkeit so bekannten und beliebten sie einmal pro Woche mit ihrem «Achsen über, was Partizipation, Kunst oder Stadt- neue Kompositionen geschaffen. zeichnete er One-Page Comics: Beson- Werk auseinanderzusetzen, hat sich für Silvan Zurbriggens Abschlussarbeit geschichten»-Anhänger unterwegs. Sie entwicklung überhaupt bedeuten.» Diese ders stolz ist Zurbriggen auf «Dr Eskimo». Zurbriggen gelohnt – so löste seine Ab- ist an der Werkschau Design & Kunst sprachen Leute an, um mit ihnen zu plau- Auseinandersetzungen seien jedoch not- Weitere Informationen unter: Die Illustration fällt vor allem dadurch schlussarbeit bereits ein grosses Echo in der Hochschule Luzern zu sehen: dern und Geschichten und Spuren zu sam- wendig, um zu sehen, wie Kunst und Ver- www.hslu.ch/kunst-master auf, dass sich manches Element als Bild den Medien aus. «Ich war wirklich über- 21. bis 29. Juni 2014, Messe Luzern 16 Hochschule Luzern 2 | 2014 Hochschule Luzern 2 | 2014 17
HEIMAT HEIMAT Kreative Zentren von bäude umgebaut wird, entsteht in Kriens ein komplett neues ments Design & Kunst, ist über- zeugt, dass sich aus dem ge- regionaler Ausstrahlung Gebäude. Vor wenigen Wochen mischten Cluster der Viscosi entschied das Architektenteam stadt für angehende Künstlerin- Enzmann Fischer & Büro Kons- nen und Designer neue Mög- trukt AG den Wettbewerb für lichkeiten der gesellschaftlichen sich. Es wird ein fünfstöckiges Beteiligung ergeben: «Sie wer- Die künstlerischen Studienrichtungen der Hochschule Luzern sind Gebäude mit grauer Klinker den hier die Chance haben, ihr heute auf diverse Standorte verteilt. Zwei grosse Bauprojekte fassade realisieren, das einem Wirken zu erproben und direkt komplexen Anforderungsprofil in den Alltag zu integrieren.» sollen Studierenden und Mitarbeitenden der Departemente Musik Rechnung trägt: einem breiten Um Ideen und Konzepte zu re- und Design & Kunst nur wenige Busminuten von Raumprogramm – vom Putz- alisieren und zu materialisieren, raum bis zum Konzertsaal –, ho- sind neben Unterrichtsräumen Luzerns Zentrum eine neue Heimat bieten: in Emmen und her Flexibilität in der Nutzung auch Ateliers geplant, und den beim Südpol in Kriens. und besonderen Ansprüchen Studentinnen und Studenten hinsichtlich Schallschutz und Der Neubau des Departements Musik birgt ein flexibel des Fachbereichs Film werden Akustik. nutzbares Raumangebot – inklusive Konzertsaal. schallgeschützte Tonstudios so- Kern des Entwurfs ist eine wie Schnittplätze zur Verfü- Mittelhalle mit vier Schächten, gung stehen. Das Erdgeschoss die gleichzeitig als Klangröhren und als «In der Viscosistadt werden des fünfstöckigen Gebäudes indes ist Licht- und Belüftungshöfe dienen. Das die Studierenden durchlässig gestaltet, es beherbergt eine Gebäude ist aufgegliedert in Bereiche, über sehr gute Bedingungen Bibliothek, Ausstellungsräume sowie die Privatsphäre für den Unterricht ge- verfügen, Ideen und eine Cafeteria, die nicht allein von der währleisten, und in Räumlichkeiten, die Hochschule Luzern genutzt werden – Konzepte zu realisieren. explizit eine Öffentlichkeit adressieren, dieser öffentliche Bereich soll zum kul- Sie soll auch ein so etwa die zweistöckige Bibliothek, ein turellen Zentrum des neuen Stadtquar- Kammermusiksaal mit rund 250 Plätzen Ort der Manufaktur sein.» tiers werden. Gabriela Christen, Direktorin und ein Jazzclub. Michael Kaufmann Impulse an die Umgebung werden des Departements Design & Kunst sieht das neue Gebäude nicht nur als Ar- auch vom neuen Musikgebäude und sei- Ein Teil des Departements Design & Kunst bezieht 2016 dieses Gebäude im bunten Kreativkosmos der Viscosistadt. beits- und Begegnungsort für Musiker nen Nutzern ausgehen. Dass das Projekt und Musikerinnen aller Stilrichtungen, den Namen echea trägt, was so viel heisst sondern auch als offenes Haus. «Wir wol- «Durch die räumlichen wie «Resonanzgefäss», scheint im doppel- len uns als Kultur- und Spielort für das ten Sinne ein gutes Omen. Michael Kauf- Strukturen entsteht eine Publikum etablieren und dabei weiter- mann: «Unsere Musikerinnen und Musi- Musikwerkstatt mit grosser Die gut 500 Studentinnen und Departements befindet sich an der Zen- Musik neben dem Kulturwerkplatz Süd- hin intensiv mit unseren Partnern, wie ker werden gerade auch im Zusammenspiel Studenten des Departements Musik tan- tralstrasse. Für ein Fachgebiet, das aus pol in Kriens angesiedelt, die Hälfte des dem Luzerner Sinfonieorchester, dem Ausstrahlung für die mit dem Südpol dazu beitragen, dass sich zen neben und während ihrem Studium der spartenübergreifenden Zusammen- Departements Design & Kunst zieht nach Luzerner Theater, dem Lucerne Festival ganze Zentralschweiz.» Luzern Süd zu einem neuen Kulturquar- auf vielen Hochzeiten: Sie geben Kon- arbeit auch einen Teil seiner Kreativität Emmen auf das ehemalige Industrieareal und dem benachbarten Kulturwerkplatz Markus Hodel, Rektor der tier entwickelt.» Sigrid Cariola zerte, sind auf Festivals und Kellerbüh- schöpft, sind das nicht die günstigsten der Monosuisse. Während hier mit dem Südpol, zusammenarbeiten.» Hochschule Luzern nen zu Gast, machen Kammermusik und Voraussetzungen. «Bau 745» ein traditionsreiches Fabrikge- spielen in Bands. «Der direkte Kontakt Eine ähnliche Ausgangslage hat das Fotos: Enzmann Fischer & Büro Konstr ukt AG, zVg Wechselbeziehung mit dem Umfeld Departement Musik zum Publikum ist unser Anker im Zen- Departement Design & Kunst. Die gut Die Interaktion mit der Umgebung ist Ort: Südpol, Arsenalstrasse, tralschweizer Kulturleben und in der 600 Studierenden und 180 Mitarbeiten- Departement Design & Kunst auch für den neuen Standort des Depar- «Das Gebäude ist punkto 6010 Kriens Gesellschaft», sagt Departementsdirek- den sind zurzeit auf sieben Standorte Ort: Viscosistadt, Gerliswilstrasse, tements Design & Kunst in der Viscosi- Ästhetik, Funktionalität, Baubeginn: 2017 tor Michael Kaufmann. Ein eigener Ort verteilt. Einige davon, etwa die Senti- 6021 Emmenbrücke stadt von zentraler Bedeutung. Auf dem Energieversorgung Fläche: rund 9’000 Quadratmeter fehlt der Institution allerdings bislang. matt, sind sanierungsbedürftig. Fläche: rund 10’500 Quadratmeter 80 ’ 000 Quadratmeter grossen ehemali- und Haustechnik sehr inno- Eigentümer: Luzerner «Wir sind fast ein wenig heimatlos», so Für beide Departemente bewilligte Eigentümer / Investor: Viscosi gen Industrieareal haben sich bereits vativ. Genauso innovativ Pensionskasse Kaufmann. Studierende der Klassik sind der Konkordatsrat der Hochschule Lu- stadt AG mehr als 50 Firmen und Freischaffende wie die Musik, die Kosten: 70 Mio. CHF (exkl. Land) auf Dreilinden zuhause, Kirchenmusik zern im vergangenen Jahr grössere Bau- Kosten: rund 24 Mio. CHF aus Industrie, Gewerbe und Bildung und hier gespielt werden soll.» Architekten: Enzmann Fischer & wird am Obergrund unterrichtet, Jazz vorhaben, die von privaten Investoren ge- Architekten: EM2N, Zürich über 15 Branchen niedergelassen. Gab- Michael Kaufmann, Direktor Büro Konstrukt AG, Zürich / Luzern am Löwengraben, und die Direktion des tragen werden. So wird das Departement Bezugstermin: 2016 riela Christen, Direktorin des Departe- des Departements Musik Bezugstermin: 2019 18 Hochschule Luzern 2 | 2014 Hochschule Luzern 2 | 2014 19
HEIMAT Deheimu is Nicht zuletzt ist es auch der Dialekt, der zusammenschweisst. Obwohl es Ehren- am schönschtu sache ist, dass die Walliser auch im Exil ihren Dialekt bewahren, ist es Schaller schon passiert, dass er zuhause vom «Chüelschrank» gesprochen hat statt vom «Frigor». Was bei den Daheimgebliebenen Nennt mir das Land, so wunderschön, nicht ohne «dummen Spruch» durchgehe. das Land, wo ich geboren bin, Und wenn sich in Luzern ein Walliser mit Nichtwallisern in einer WG zusammen- wo himmelhoch die Berge stehn und Mannskraft tue, kriegt er ebenfalls zu hören, er sei jetzt wohnt bei schlichtem Sinn. also zu den Grüezini übergelaufen. Alles nicht sehr ernst gemeint, lacht Schaller: «Man merkt hier ja auch, dass es noch an- Das ist das Land am Rhonestrand, dere gute Leute gibt.» Und wenn an einem ist Wallis, unser Heimatland. der Vereinstreffen keiner «es Gascho Blonde», also Walliser Bier, mitbringe, dann sei man auch nicht abgeneigt, einen kulinarischen Schritt ins Ungewisse zu tun und ein Regionales aus Luzern zu trinken. Susanne Gmür Die Walliser Hymne erklingt was daheim läuft. Das interessiert die mindestens einmal im Jahr auch in Grüezini verständlicherweise nicht.» der Innerschweiz, nämlich zu Be- Die «Grüezini», damit sind die Studieren «im Exil» ginn des Herbstsemesters an der Deutschschweizer in der «Üsser- Im Studienjahr 2013 / 2014 studieren Hochschule Luzern – Technik & schwiiz» gemeint, und die «Üsser- gemäss Bundesamt für Statistik ins- Architektur, wenn die Walliser Stu- schwiiz», das ist alles ausserhalb des gesamt 3’209 Walliser und Wallise- dierenden die Erstsemester aus dem Rhonetals. rinnen an Schweizer Fachhochschu- Rhoneland festlich begrüssen und Dass es Schaller und die anderen len. Fast zwei Drittel davon an der ermuntern, ihrem Verein beizutre- Walliser an die Hochschule Luzern Fachhochschule Westschweiz (HES- ten. Im Laufe des Jahres treffen sich verschlagen hat, ist dem Fehlen von SO), zu deren Konkordat das Wallis die derzeit 60 bis 70 aktiven Mitglie- äquivalenten Ausbildungsmöglich- seit der Gründung 1998 gehört. Am der zum Grillieren, Boccia-Spielen Die 170 Kilometer lange Heimkehr ins Wallis keiten im Heimatkanton geschuldet. zweitmeisten Walliser Studierende und auch mal zum Paintball oder zu legen die Absolventen zu Fuss zurück. Sonst wäre er «deheimu» geblieben. zählt die Berner Fachhochschule Mittwoch, 2. Juli 2014, 19.30 Uhr einem Match des FC Sion gegen den Er vermisst hier in Luzern die Heimat (146), am drittmeisten die Hoch- Konzertsaal KKL Luzern FC Luzern. Präsident ist der 24 -jäh- schon ein wenig: Familie, Freunde, das schule Luzern (140), während an der rige David Schaller, der noch bis zum gau mit je über 500 Studierenden sehr viel Vereinsleben und, vor allem im Herbst, die Zürcher Fachhochschule nur 97 ein- SOLISTENKONZERT Sommer seines Amtes waltet. Dann wird stärker vertreten sind als das Wallis mit Sonne! Vorerst bleibt den Wallisern nur geschrieben sind. Die stärkste Walli- er sein Maschinentechnik-Studium be- gerade mal 140 Studierenden. Weshalb das Wochenende, das sie entsprechend voll ser Fraktion an der Hochschule Lu- Werke von Carl Philipp Emanuel Bach, Joseph Haydn, Nino Rota, Gustav Mahler, enden und einen Brauch fortführen, der vereinen sich also ausgerechnet die Wal- auskosten: Am Freitag schleppen sie ihr zern hat das Departement Technik Karol Szymanowski und Maurice Ravel sich 1983 etabliert hat: die Walliser Heim- liser? Leichte Frage, denn wenngleich der ganzes Gepäck an die Hochschule, damit & Architektur (75), die zweitstärkste reise. Innert sieben Tagen legen die wan- Kantönligeist in der ganzen Schweiz sie nach Unterrichtsschluss den ersten Zug das Departement Wirtschaft (39). Katharina Pitzen, Flöte Stephanie Szanto, Mezzosopran derwilligen Walliser Diplomanden 170 umgeht, ist allgemein bekannt, was David Richtung Süden erwischen. Das viele ge- Dass die Walliser an der Hochschule Witold Moniewski, Kontrabass Kilometer von Luzern bis Ausserberg zu Schaller schmunzelnd bestätigt: «Wir sind meinsame Zugfahren der Walliser ist ein Luzern – Technik & Architektur be- Sebastian Bohren, Violine Fuss zurück. halt besonders heimatverliebt.» weiterer Grund, weshalb sie an der Hoch- sonders stark vertreten sind, dürfte Shintaro Kawahara, Klavier Foto: T homas A ndenmatten Der Walliserverein ist an der Hoch- schule ein eingeschworener Verein sind. auch damit zu tun haben, dass der Luzerner Sinfonieorchester schule Luzern ein Unikum, der einzige Eigene Studienangebote fehlen Das Sowieso kenne man sich meist, bevor man Kanton Wallis bis 1998 zum Konkor- James Gaffigan, Leitung Kantonalverein. Dies, obwohl derzeit mehr zeigt sich auch daran, dass in der Mensa hierherkomme, sagt Schaller: «Es gibt nur dat des früheren Zentralschweizeri- als die Hälfte der insgesamt 5’838 Studie- auf dem Campus in Horw der «Walliser eine Schule im Oberwallis, an der man die schen Technikums gehörte, man- www.hslu.ch/musik renden nicht aus der Zentralschweiz Bote» stets vergriffen ist: «Wir informie- technische Berufsmaturität abschliessen gels einer eigenen Ausbildungs- stammt und die Kantone Bern und Aar- ren uns auch unter der Woche darüber, kann.» stätte für Ingenieure. 20 Hochschule Luzern 2 | 2014 Hochschule Luzern 2 | 2014 21
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