Gründergeist - Hochschule Luzern Das Magazin
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Hochschule Luzern OKTOBER 2015 Das Magazin INTERVIEW Eine Tasche geht um die Welt – Markus Freitag über Start-ups TEXTILDRUCK Farbe zum Anfassen HAUTERKRANKUNGEN App als Arzthelfer VON DER IDEE ZUM ERFOLG Gründergeist
3 / 15 Inhalt 04 SPEKTRUM News und Namen DOSSIER: GRÜNDERGEIST 35 PLÄDOYER Die Hochschule als Partner 36 TEXTILDRUCK Farbe zum Anfassen 38 PRÄVENTION Vergleichbarkeit hilft 40 RISIKOMANAGEMENT Gemeinderisiken im Griff 42 COMPUTERGESTÜTZTE DIAGNOSE Der elektronische Arzthelfer 10 SMART-UP-PROGRAMM 26 SELBSTSTÄNDIGKEIT Früh gründet sich Das Studium als Gründergarage 14 BUSINESSPLAN 29 UMFRAGE So wachsen der Idee Flügel Mit welchem Unternehmer würden Sie gerne tauschen? 16 GRÜNDERPORTRÄTS Die Macher 30 UNTERNEHMENSFÜHRUNG Das tägliche Brot der CEOs 20 FABLAB Die stärkste Marke heisst 31 INFOGRAFIK hier «Eigenbau» Auf die Plätze, fertig, selbstständig 22 WOMEN’S BUSINESS Frauen holen auf 32 INTERVIEW: MARKUS FREITAG 44 ENERGIEEFFIZIENZ «Für mich sind wir noch Im Viertelstundentakt zum Ziel 24 ORIGINAL & FÄLSCHUNG immer ein Start-up» Täuschend echt 46 AGENDA 49 MEDIENECHO Titelillustration: Samuel Jordi studierte 2003 – 2006 Illustration an der Hochschule Luzern. Er lebt und arbeitet 50 ABSOLVENTIN als freischaffender Illustrator in Winterthur. www.sajo.ch Hochschule Luzern 3 | 2015 3
SPEKTRUM Francesca Sanna Illustratorin zeigt Kindern, wie sich Flüchtlinge fühlen Francesca Sanna kennt die Flüchtlings- problematik nicht nur aus dem Fern sehen: Für ihre Abschlussarbeit im Mas- ter of Arts in Design mit der Spezia- lisierung Illustration hat die gebürtige Italienerin mehrfach mit Migrantin- nen und Migranten, u.a. aus Syrien, Eritrea und Somalia, über deren Erfahrungen gesprochen. Berührt davon, entwickelte sie ein interaktives Kinderbuch für 8- bis 12-Jährige, das die Flucht einer Mutter und ihrer zwei Kinder aus einem Krisengebiet nach Europa schildert. «Die jungen Leser haben die Aufgabe, die Familie mittels verschiedener Flucht- varianten voranzubringen. Doch nur zwei Wege führen nicht in eine Sack- gasse, sondern tatsächlich nach Europa», so die 24-Jährige. Für ihr Buch «I’m Migrant», das sie als E-Book und als Eine Studie zeigt: Die Schweizer Bevölkerung bringt der Landwirtschaft gedruckte Version angefertigt hat, viel Goodwill entgegen. erhielt Francesca Sanna den diesjähri- 748 gen Förderpreis Master Design der Hochschule Luzern. «Die 5’000 Franken Preisgeld ermöglichen mir, dieses Herzensprojekt auch nach dem Studien abschluss voranzutreiben.» Leserinnen und Leser haben sich an der Umfrage zum Magazin der Hochschule Luzern beteiligt. Ihre Rückmeldung ist positiv: Über 80 Prozent gefällt das Heft insgesamt gut bis sehr gut, und mehr als 75 Prozent beurteilen die Beiträge als interessant bis sehr interessant. Am liebsten werden Texte über Forschungsprojekte und studentische Projekte gelesen. Für die Lektüre wendet rund die Hälfte 30 bis 60 Minuten auf. 4 Hochschule Luzern 3 | 2015
SPEKTRUM Bauern sollen Lebensmittel naturnah produzieren Die Landwirtschaft in der Schweiz wird liche Produktionsverfahren oder den Tier- jährlich mit drei Milliarden Franken von schutz besonders hoch. Für die zweite der öffentlichen Hand unterstützt. Eine Gruppe, die «Bewahrer» (33 Prozent), sind Mehrheit der Bevölkerung erachtet die bäuerliche Traditionen und die Erhaltung Höhe der Subventionen als angemes- der bäuerlichen Familienbetriebe zen- sen – oder gar zu tief. Zu diesem Schluss tral. Für sie steht somit die soziokultu- kommt eine Studie der Hochschule Lu- relle Funktion der Landwirtschaft im Vor- zern im Auftrag des Bundesamts für dergrund. Ganz andere Akzente setzen Landwirtschaft (BLW), das wissen wollte, Personen mit wirtschaftsorientierten Er- welche Erwartungen die Schweizer Bevöl- wartungen (25 Prozent). Dieser Gruppe kerung an die Landwirtschaft hat. Dafür ist eine breite Auswahl an inländischen befragte die Hochschule Luzern diesen Nahrungsmitteln zu günstigen Preisen Frühling 1’141 Personen. «Das Ergebnis besonders wichtig. Trotz dieser Unter- zeigt, dass die Ansprüche an die Land- schiede gibt es bei den Befragten auch ge- wirtschaft vielfältig, häufig gar wider- meinsame Nenner: So wünscht sich die sprüchlich sind», sagt Studienleiter An- grosse Mehrheit, dass der fruchtbare Bo- dreas Brandenberg. den erhalten und die Anbauflächen scho- So haben sich drei typische Erwar- nend bewirtschaftet werden, um die viel- tungshaltungen herauskristallisiert: zum fältige Tier- und Pflanzenwelt zu schützen. einen jene Gruppe, der ökologische Anlie- Wichtig ist ihr zudem eine naturnahe und gen wichtig sind. Sie umfasst 42 Prozent regionale Produktion von Lebensmitteln. der Befragten und bewertet klimafreund- www.hslu.ch/landwirtschaft Sabina Brägger duktion von Bisonfleisch anfällt, verarbeiten Nachhaltigkeits- lässt, und entwickelte daraus «Bison – Premium Wool». «Die grösste Hürde war Preisträgerin spinnt es, eine geeignete Spinnerei zu finden, den Faden weiter die mein Garn produziert», erinnert sie sich. Der Aufwand hat sich gelohnt. Die Ber «Mir geht es um die ‹Ästhetik im Nicht- nerin wurde für ihre innovative Arbeit, die Schönen›», sagt Sabina Brägger. Die zwischen Textil-, Produkt- und Material Fotos: Nik laus Spoer r i, Shutterstock / Antb, zVg 26-Jährige ist fasziniert davon, aus Restma- design oszilliert, erneut mit dem Nachhal- terialien neue, hochwertige Produkte zu tigkeitspreis der Hochschule Luzern aus kreieren. Bereits für ihre Bachelor-Arbeit, für gezeichnet. die sie aus der Haut von Störfischen edle Ebenfalls für preiswürdig befunden Accessoires fertigte, erhielt die Textildesign- wurde die Master-Arbeit von Daniela Wohl- Studentin mehrere Auszeichnungen, da gemuth. Die junge Ingenieurin unter- runter den Nachhaltigkeitspreis der Hoch- suchte die optimale Dämmstärke bei Wohn- schule Luzern 2013. Mit ihrer Master-Arbeit gebäuden und schuf damit eine praxis- legt Sabina Brägger nun nach. Sie unter- nahe und fundierte Entscheidungsbasis für suchte, wie sich Bisonfaser, die bei der Pro- die Planung von Gebäuden. Hochschule Luzern 3 | 2015 5
SPEKTRUM Hochschulplatz Luzern: offener Grundrechte Zugang zu wissenschaftlichem Wissen in der Sozialhilfe Immer mehr Bildungs- und Forschungs- gehörige ihre wissenschaftlichen Arbei- In der Schweiz beziehen über 235’000 institutionen sowie Bibliotheken stellen ten in Open Access publizieren können. Personen Sozialhilfe. Die staatliche Un- wissenschaftliche Publikationen für jeder- Es wird von der Zentral- und Hochschul- terstützung ist in gewissen Fällen an mann verfügbar ins Netz: Nun treten auch bibliothek verwaltet und ist ab Anfang Auflagen gebunden: So kann z.B. ein die Hochschule Luzern, die Universität 2016 zugänglich. Sozialhilfebezüger dazu verpflichtet Luzern und die Pädagogische Hochschule www.hslu.ch/open-access werden, an einem Beschäftigungspro- Luzern der weltweiten Open Access Com- gramm teilzunehmen – auch wenn er munity bei. Dafür unterzeichneten die nicht will. Mit einer solchen Verfügung drei Rektoren Markus Hodel (Hochschule greift die Behörde in die Grundrechte Luzern), Paul Richli (Universität Luzern) der betroffenen Person ein, namentlich und Hans-Rudolf Schärer (Pädagogische in die persönliche und die Wirtschafts- Hochschule Luzern) die «Berliner Erklä- freiheit. «Beteiligte Institutionen müs- rung über den offenen Zugang zu wissen- sen sich somit immer wieder fragen: schaftlichem Wissen». Die drei Hochschu- Wann rechtfertigt eine Massnahme den len stellen gemeinsam ein Repositorium Markus Hodel, Paul Richli und Hans-Rudolf Eingriff in ein Grundrecht?», sagt Gül- zur Verfügung, in welchem Hochschulan- Schärer (v.r.n.l.) unterzeichnen die Erklärung. can Akkaya vom Departement Soziale Arbeit der Hochschule Luzern. Sie hat deshalb einen Leitfaden zu den Grund- und Menschenrechten in der Sozial- Mit allen Kontinenten vernetzt hilfe entwickelt. Dieser bietet Sozial- arbeitenden eine Orientierungshilfe Australien 2 und zeigt ausserdem, welche Fragen im Amerika 9 Einzelfall zu prüfen sind. Der Leitfaden ist in Kooperation mit dem Schweize- Asien 18 rischen Kompetenzzentrum für Men- Afrika 1 schenrechte und der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) ent- standen. www.hslu.ch/interact Europa 188 Die Departemente der Hochschule Luzern unterhalten Partnerschaften mit über 220 Hochschulen auf der ganzen Welt. Auf jedem Kontinent ist mindestens ein Koope rationspartner zu finden. Die Vernetzung der Hochschule Luzern hat in den letzten fünf Jahren stark zugenommen. Die überwiegende Mehrheit der Partnerorganisationen befindet sich in Europa, davon wiederum die meisten in Deutschland (52), gefolgt von Spanien (17), Österreich und Finnland (je 13). In Asien pflegen die Departemente vor allem Kontakte zu chinesischen Institutionen, in Übersee bestehen die meisten Partnerschaften mit Schulen aus den USA. 6 Hochschule Luzern 3 | 2015
SPEKTRUM Tobias Baumgartner und Fabio Baviera Bronze erkämpft Das Handballspiel um den 3. Platz an der Sommer-Universiade 2015 hätte dramatischer nicht sein können: Erst nach dem Penaltyschiessen bezwang das Schweizer Männerteam den Gastgeber Südkorea. Die beiden A-Nationalspieler Tobias Baumgartner (rechts) und Fabio Baviera waren mit von der Partie. Als studentische Spitzensportler durften sie an der Hochschul-Olympiade von 170 Nationen teilnehmen. «Für uns war es eine tolle Chance, dabei zu sein, gerade weil Handball nicht zu den festen Diszi- plinen dieses Wettbewerbs zählt», sagt Tobias Baumgartner (24). Er und Fabio Baviera (23) studieren an der Hoch- schule Luzern – Wirtschaft und spielen seit über zehn Jahren Handball. Als Halbprofis haben sie es nicht leicht, Sport und Studium unter einen Hut zu bringen. «Wir mussten in Südkorea sogar einige Prüfungen schreiben – das war zwar suboptimal, aber zum Glück gab es diese Möglichkeit überhaupt», Wer Jugendliche erreichen will, muss wissen, wie sie Medien nutzen. erzählt Fabio Baviera. Doch all der Stress hat sich gelohnt: Neben der Chatten, liken, sharen – wie Bronzemedaille haben die beiden Stu- denten viele neue Eindrücke und sind die Jungen zu erreichen? schöne Erinnerungen mit nach Hause genommen. www.gwangju2015.com Drogen, Sexualität, Umgang mit Geld tauchen. Das Projekt «Do-Tank» wurde Fotos: Mar tin Vogel, interact Verlag, Joy Tatenträger, zVg – das sind Themen, für die soziale Or- von der Kommission für Technologie und ganisationen die Jugendlichen sensibili- Innovation (KTI) des Bundes unterstützt. sieren wollen. Doch oft haben sie Mühe, Ganz konkret zum Einsatz kam das die Zielgruppe zu erreichen. «Sie können Workshop-Konzept für die Jugendinfo mit dem Mediennutzungsverhalten der Winterthur und die Winterthurer Stadtbi- Teenies schwer mithalten», sagt Claudia bliotheken. Jugendliche haben Vorschläge Acklin, Leiterin des Kompetenzzentrums erarbeitet, wie die Institutionen ihre Al- Design & Management an der Hochschule tersgenossen besser ansprechen können. Luzern. Zusammen mit dem Verein Taten- So entstanden u.a. eine neue Jugendinfo- träger entwickelten Acklin und ihr Team App und ein umgestalteter Bereich in der deshalb ein Workshop-Konzept, in dem Bibliothek für die Generation der 12+, Mitglieder von sozialen Organisationen in eine Gruppe, die oft vergessen wird. die Medienwelten von Jugendlichen ein- www.tatentraeger.ch Hochschule Luzern 3 | 2015 7
Gründergeist Sein eigener Chef sein – mit diesem Gedanken gespielt hat wohl schon fast jeder mal. Aber nur wenige setzen ihn um. Von den Hochschulabsolventen sind es fünf Jahre nach dem Studium gerade einmal vier Prozent, die sich selbstständig gemacht haben. Traditionell sind Hochschulen der Ort, an dem ein Wissens kanon vermittelt wird. Was Unternehmertum ausmacht, lässt sich nicht im Lehrplan festschreiben – das kreative Element, die Vision, eine gewisse Risikofreudigkeit. Aber die Hochschulen können handwerkliches Rüstzeug vermitteln: Fach- und Sozialkompetenzen sowie Methoden, neue Chancen zu erkennen oder Probleme zu lösen. Und sie können einen fruchtbaren Boden schaffen, auf dem sich Ideen festsetzen, gedeihen und schliesslich Früchte tragen. Genau diesen Ansatz verfolgt die Hochschule Luzern mit ihrem Pro gramm Smart-up. Sie will Studierende motivieren, ihren Einge bungen zu folgen, diese zu einer Geschäftsidee weiterzuentwickeln und den Sprung in die Umsetzung zu wagen. Verschiedene Module, gezieltes Coaching, der Austausch mit Expertinnen und Experten sowie gestandenen Gründerinnen und Gründern sollen sie ermutigen, ihre Idee als Start-up schlau umzusetzen. Ziel von Smart-up ist nicht, dass sich Studierende in grosser Zahl so rasch wie möglich selbstständig machen – aber es soll für möglichst viele von ihnen eine Option sein, auf die sie im Laufe ihres Lebens zurückkommen können. Illustration: Samuel Jordi, Absolvent der Hochschule Luzer n Sigrid Cariola, Chefredaktorin 8 Hochschule Luzern 3 | 2015
GRÜNDERGEIST Früh gründet sich Von einer guten Idee bis zum eigenen Unternehmen ist es ein langer Weg. Die Hochschule Luzern ermutigt ihre Studierenden, ihn anzutreten, und begleitet sie dabei mit dem Programm «Smart-up – Unterstützung für Start-ups». So sind in den letzten zwei Jahren rund 30 Unternehmen entstanden. Melanie Schmidlin bereitet sich im Smart-up-Hub auf die Unternehmensgründung vor. Unterstützt wird sie von den Dozenten Patrick Link und René Zeier (oben links). Bei Unternehmen wie Google und Nicht nur Ausnahmeerscheinungen wie 150 Organisationen unterstützen sie mit Apple bekommen nicht nur Nerds glän- Google und Apple, sondern auch kleinere Know-how, Kapital und Dienstleistun- zende Augen, sondern auch Betriebs- Start-ups sind für eine Wirtschaft wich- gen. Darunter finden sich private Initia- wirtschafter – Gewinne in zweistelliger tig. «Etablierte Unternehmen beschäfti- tiven wie die Stiftung Venture Kick und Milliardenhöhe, ein rasantes Umsatz- gen zwar mehr Mitarbeitende, Start- öffentliche Institutionen wie die Kommis- wachstum und Zehntausende von Mit- ups schaffen aber mehr neue Arbeitsplätze – sion für Technologie und Innovation (KTI) arbeitenden. Was dabei mehr und mehr und damit den Wohlstand von morgen», des Bundes. in Vergessenheit gerät: Die Weltkonzerne erklärt René Zeier, Dozent und Projekt- Manche dieser Angebote unterliegen waren einst klassische Start-ups, wie sie leiter am Departement Wirtschaft der allerdings gewissen Auflagen. «Um bei- das Silicon Valley zahlreich hervorbrachte: Hochschule Luzern. spielsweise von der KTI gefördert zu wer- ein paar junge Leute mit einer zünden- Deshalb werden Start-ups in der den, braucht es eine besonders innovative, den Idee und dem Mut, sie umzusetzen. Schweiz besonders gefördert. Mehr als meist technologiegetriebene Geschäfts- 10 Hochschule Luzern 3 | 2015
GRÜNDERGEIST idee, die nur schwer zu kopieren ist», sagt Unterstützung für Start-ups», das René Workshops gestaltet und sehr praxisori- Patrick Link, Dozent am Departement Zeier und Patrick Link leiten. «Wir wol- entiert. Zudem können die Studierenden Technik & Architektur der Hochschule len bei unseren Studierenden den Grün- auch die im Studium vorgesehenen Pro- Luzern. Dabei kann es sich um ein Pro- dergeist wecken und sie ermutigen, Ge- jektarbeiten und ihre Bachelor-Arbeit nut- dukt, eine Dienstleistung oder ein neues schäftsideen zu entwickeln und sie auch zen, um ihr Unternehmen voranzutreiben. Geschäftsmodell wie jenes des Fahrten- umzusetzen», erklärt René Zeier. Damit All diese Leistungen werden angerechnet, vermittlers Uber handeln. schliesst Smart-up eine Lücke in der hiesi- sie erhalten dafür ECTS-Punkte. gen Start-up-Förderung. Die meisten An- Neben der Vermittlung von Fachwis- Angst vor dem Misserfolg Über die gebote – etwa Businessplan-Wettbewerbe sen und Methodenkompetenzen ist es letzten Jahre nahm in der Schweiz die Zahl – greifen dort, wo eine Idee bereits gebo- René Zeier und Patrick Link ein zentrales der neu gegründeten Start-ups pro Jahr ren und der Wille da ist, sie in ein Unter- Anliegen, den Studierenden Mut zu ma- stetig zu. 2013 lag sie bei 12’440 Neugrün- nehmen zu überführen. Smart-up bringt chen. «Wir versuchen, ihren Fokus auf die dungen. Trotzdem ist der Anteil der Neu- die Studierenden überhaupt erst auf den Chancen zu lenken, die ein Start-up bie- gründungen am Gesamtbestand der Un- Geschmack, sich unternehmerisch aus- tet, und die Risiken etwas zu relativieren», ternehmen in der Schweiz eher tief. Liegt zuprobieren. er in Europa bei 9,9 Prozent, sind es hier Während ihres Studiums erarbeiten «Auch Arbeitgeber gerade mal 3,6 Prozent. sich die Studierenden der Hochschule Lu- erwarten von ihren «Es ist die Angst vor dem Misserfolg, zern in teils obligatorischen, teils fakultati- Mitarbeitenden die viele davon abhält, ein eigenes Unter- ven Modulen, was es für eine erfolgreiche nehmen zu gründen», erklärt Patrick Link. Unternehmensgründung braucht – etwa unternehmerisches Es fehle in der Schweiz an einer positiven zu Themen wie Geschäftsmodell, Innova- Denken und Handeln.» Kultur des Scheiterns, wie man sie etwa tionsmanagement, Finanzierung, Marke- René Zeier, Hochschule Luzern in den USA finde. «Klappt es dort nicht ting und Kommunikation oder Manage- mit einer Geschäftsidee, ist das kein Bein- ment und Leadership (vgl. S. 26). so Link. Das Studium sei ideal, um in ei- bruch, sondern eine lehrreiche Erfahrung. nem geschützten Umfeld erste Erfahrun- Von dieser Haltung sollten wir uns eine Feedback von Investoren Zwei Mo- gen als Unternehmer zu machen. Auch Scheibe abschneiden.» dule wurden im Rahmen von Smart-up wenn sich die Studierenden später für eine In der Altersgruppe der 18- bis 24-Jäh- eigens neu geschaffen. Das Modul «Ide- Anstellung entscheiden würden, kämen rigen gibt es in der Schweiz, verglichen ation» führt die Studierenden durch den ihnen diese zugute: «Auch Arbeitgeber mit anderen Ländern, besonders wenig Prozess der Problem- und Bedürfnisiden- erwarten von ihren Mitarbeitenden un- Gründer. Unter den Studierenden der De- tifikation, der Ideenfindung und der Pro- ternehmerisches Denken und Handeln», partemente Wirtschaft sowie Technik & duktentwicklung. «Sie lernen, ihren Alltag sagt René Zeier. Architektur der Hochschule Luzern liegt Um die wirtschaftlichen Risiken der der Anteil der Studierenden, die sich eine Selbstständigkeit minim zu halten, arbei- «Wir versuchen, den Fokus Unternehmensgründung direkt nach ten Link und Zeier nach der Lean-Start-up- dem Studium vorstellen können, mit der Studierenden Methode. Die Unternehmensgründung einem Wert zwischen drei und vier Prozent auf die Chancen zu lenken, die soll dabei möglichst «schlank» erfolgen, etwas über dem Schweizer Durchschnitt ein Start-up bietet, also mit möglichst wenig Kapital. «Bevor von zwei Prozent. «Zum einen halten lu- und die Risiken etwas zu grosse Investitionen nötig sind, klären die krative Stellenangebote frischgebackene relativieren.» Studierenden grundlegende Fragen wie Absolventen von der Selbstständigkeit ab», Patrick Link, Hochschule Luzern Machbarkeit, Marktpotenzial usw. anhand erklärt René Zeier. «Zum andern trauen sie einfacher Prototypen in Gesprächen mit Fotos: Daniel von Känel, Pr iska Ketterer sich die Selbstständigkeit in diesem Alter bewusst wahrzunehmen, unbefriedigende Experten, potenziellen Kunden und In- noch nicht zu. Sie wollen zuerst Erfahrun- Sachverhalte zu hinterfragen und Lösun- vestoren», sagt Zeier. Seine Geschäftsidee gen sammeln.» Dabei hätten gerade junge gen dafür zu entwickeln», schildert Patrick nach aussen zu tragen und sich Feedback Leute, die noch nicht in einem beruflichen Link. Im Modul «Business Concept» entwi- zu holen, sei dabei das A und O. Über- Alltag festgefahren seien, viele gute Ideen. ckeln die Studierenden ihre Geschäftsidee steht sie diese Phase intensiver Prüfung, Um das unternehmerische Potenzial weiter und erarbeiten einen Businessplan. verbessern sich auch die Aussichten, In- ihrer Studierenden systematisch zu för- Diesen präsentieren sie einer Jury von In- vestoren zu finden. dern, lancierte die Hochschule Luzern vor vestoren, von denen sie ein realistisches Neben individueller Beratung, etwa zwei Jahren das Programm «Smart-up – Feedback erhalten. Beide Module sind als zu Fragen der Produktentwicklung, zur Hochschule Luzern 3 | 2015 11
GRÜNDERGEIST «Start-up und Investor müssen zueinander passen» Business Angels unterstützen Start-ups mit Geld und Know-how. Carole Ackermann, Präsidentin von Business Angels Schweiz, erklärt, welche Motivation hinter diesem Engagement steckt und worauf es bei einem Start-up ankommt. Was ist ein Business Angel, und welche Rolle reren Personen bestehen, damit sich die übernimmt er in einem Start-up? Last der Aufbauarbeit auf mehrere Schul- Ein Business Angel ist eine Privatperson, tern verteilt. Wenn diese unterschiedliche die ein Start-up in der frühen Gründungs- Kompetenzen mitbringen, umso besser. phase mit «smart money» unterstützt. Er bringt also nicht nur Geld – meist in der Wie wichtig sind die richtigen Kontakte, und Form von Aktienkapital – ins Unterneh- wie kommt man an sie heran? men ein, sondern auch sein Know-how, Gute Kontakte sind wichtig. In der Schweiz seine Erfahrung und seine Kontakte. Weil gibt es allerdings viele Unterstützungsan- ein Business Angel ein hohes finanzielles gebote, die einfach zugänglich sind. Bei Risiko eingeht, will er bei strategischen der Suche nach einem Business Angel ist Fragen mitentscheiden. Wie weit diese es wichtig, gezielt auf Personen zuzuge- Einflussnahme geht, hängt von den be- hen, die zum Start-up passen. Sei es, weil teiligten Personen ab. Typisch ist etwa ein Dr. Carole Ackermann finanziert als sie bereits in Unternehmen in ähnlichen Mandat als Coach oder Verwaltungsrat. CEO der Diamondscull AG Start-ups Geschäftsfeldern investieren oder weil sich in der Frühphase. die Vorstellungen der Gründer und des Was ist die Motivation eines Business Angels, Business Angels über Art und Umfang in ein Start-up zu investieren? der Einflussnahme decken. Zum einen will er damit natürlich Geld Angel ein Multiple – d.h. eine Vervielfa- verdienen. Darüber hinaus – und das ist chung seiner Investition – um das 10- bis Während sich für die frühe Gründungsphase das Zentrale – will er einen Beitrag an den 20-Fache innerhalb von fünf bis sieben eher Geldgeber finden lassen, fehlt es in der Erfolg eines Unternehmens leisten, von Jahren möglich ist. Das klingt nach sehr späteren Wachstumsphase oft an Investo- dessen Geschäftsidee er überzeugt ist. Es viel, dient aber dazu, Verluste bei anderen ren. Warum ist das in der Schweiz so, und was ist nicht nur ein finanzielles, sondern auch Start-ups aufzufangen. bedeutet das für ein Start-up? ein emotionales Engagement. In der Wachstumsphase geht es schnell Was braucht ein Start-up, damit Sie in es um Beträge in Millionenhöhe. An die Stelle Welche Renditen lassen sich bei solchen investieren? von Business Angels treten dann meist ins- Investitionen erzielen? Es braucht eine gute Geschäftsidee. Zu- titutionelle Investoren wie Venture-Capital- Das ist sehr unterschiedlich. Bei zehn dem müssen grundsätzliche Fragen, etwa Fonds oder Investmentgesellschaften. Und Start-ups ist vielleicht eines dabei, das zur potenziellen Nachfrage, zu realisti- davon gibt es in der Schweiz leider nicht so nach einer gewissen Zeit richtig Geld ab- schen Margen, zur technischen Machbar- viele. Das zwingt manche Start-ups, sich wirft. Vier bis fünf wirtschaften befrie- keit von Produktfunktionalitäten usw. ge- ihre Investoren im Ausland zu suchen. digend, und einige verschwinden leider klärt sein. Am wichtigsten aber ist, dass Für die Entwicklung des Start-ups kann wieder vom Markt. Das Risiko, dass ein man von der Qualität der Leute überzeugt dies aber positiv sein. Ein Unternehmen Business Angel sein Geld nicht wieder- ist. Man muss ihnen zutrauen, dass sie sollte sich dort ansiedeln, wo es die besten sieht, ist also relativ hoch. Deshalb sollte über das entsprechende Know-how ver- Marktbedingungen findet, z.B. was Ziel- bei dem einen wirtschaftlich sehr erfolg- fügen und auch die notwendige Energie gruppe und Nachfrage betrifft. Dort fin- reichen Start-up der Unternehmenswert aufbringen, um ihre Vision zu verwirkli- det es dann meist auch Investoren. so stark steigen, dass für den Business chen. Das Start-up sollte zudem aus meh- Interview: Simona Stalder 12 Hochschule Luzern 3 | 2015
GRÜNDERGEIST Rechtsform, zu Finanzen Im Gegensatz zu Advanon und Budgetierung oder zu und Kidesia steht Melanie Verkauf und Vertrieb, ver- Schmidlin mit ihrem Un- mittelt Smart-up Kontakte ternehmen Gurkenwas- zu internen und externen ser noch ganz am Anfang. Experten und organisiert Sie absolviert teilzeitlich Workshops und Anlässe, die den Master in Business Ad- dem Erfahrungsaustausch ministration (mit Schwer- und dem Networking mit punkt in Online Business Investoren dienen. und Marketing) und will mit ihrem Kommilitonen und Von Kontakten profi- Geschäftspartner Marc De- tiert Seit der Lancierung laquis ein Webmagazin zu von Smart-up im Sommer Sport, Gesundheit und Er- 2013 begleitete Smart-up nährung lancieren. Dabei über 80 Studierende bei Im neu geschaffenen Modul «Business Concept» entwickeln profitiert sie von ihrer lang- der Gründung von rund Studierende ihre Geschäftsidee weiter. jährigen Erfahrung in der 30 Unternehmen. Einer da- Kommunikation von Sport von ist Phil Lojacono, der events. Trotzdem liess sie soeben sein Master-Studium in Finance pen, steht vor der Markteinführung. sich von Anfang an durch Smart-up be- and Banking abgeschlossen hat. Ge- Timon Guggenbühl, der berufsbegleitend gleiten. «Den Traum von der Selbstständig- meinsam mit Philip Kornmann und Stijn Wirtschaftsinformatik studiert, lancierte keit hegte ich schon länger, da waren aber Pieper führt er die Advanon GmbH. Die das Unternehmen mit Daniel Moos und auch Zweifel. Es ist gut, nun jemanden zu drei lernten sich während eines Prak- Gowthaam Yogeswaran, die berufsbeglei- haben, der unsere Ideen konstruktiv hin- tikums bei Google in Dublin kennen. tend Informatik studieren. Die Geschäfts- terfragt, uns aber auch moralischen Rück- Advanon stellt eine Online-Plattform be- idee entstand, weil Guggenbühls Mutter – halt gibt», so Schmidlin. Design und Logo reit, auf der Unternehmen ihre offenen selbst Krippenleiterin – ihren Sohn wie- des Magazins sind skizziert, derzeit verfei- Debitorenrechnungen direkt an Investoren derholt um Hilfe bat. «Die Krippenadmi- nern Schmidlin und Delaquis das inhalt- verkaufen können. So können sie sofort nistration war in mehreren, komplizier- liche Konzept. Ihre Stelle als Beraterin in über das Geld verfügen, statt die Zahlun- ten Excel-Dateien angelegt. Da dachte ich einer Werbeagentur hat Melanie Schmid- gen ihrer Kunden abzuwarten. «Weil das mir: ‹Das geht doch auch einfacher›», so lin aufgegeben, um sich neben dem Stu- Risiko eines Forderungsausfalls beim Un- Guggenbühl. dium vermehrt dem Magazin zu widmen. ternehmen bleibt, hat der Investor keine Bei der Entwicklung der Plattform «Endlich mein eigenes Ding zu machen Arbeit mit dem Debitorenmanagement. legten die Gründer grossen Wert auf eine und eine Vision zu verfolgen, ist gross Er bekommt sein Geld mit einem geringen einfache Bedienung und eine gute Perfor- artig. Es macht Spass!» Verlustrisiko und mit Zins zurück», erklärt mance. «Sind die Personalien der Kinder Bislang richtete sich Smart-up pri- Lojacono. Eine Beta-Version der Plattform, einmal in Kidesia erfasst, lassen sich damit mär an Studierende der Departemente die in der Schweiz bisher konkurrenzlos schnell und einfach Platzkapazität, Perso- Wirtschaft und Technik & Architektur. ist, ist seit August online. «Jetzt konzen nalbedarf oder Mahlzeiten planen – auch Ab 2016 soll es auf Informatik, Soziale trieren wir uns voll und ganz auf die Ver- langfristig», erklärt Guggenbühl. Er schätzt Arbeit sowie Musik und Kunst & Design Fotos: Hochschule Luzer n, iStockphoto / Peshkova marktung», so Lojacono. Die Gründer pro- es, dass er sich die Angebote von Smart- ausgeweitet werden. René Zeier: «Unter- fitierten besonders von den Kontakten, die up individuell zusammenstellen konnte. nehmergeist findet man nicht nur in der Smart-up ihnen vermitteln konnte. «Wir «Wir hatten sehr genaue Vorstellung von Wirtschaft, sondern überall, wo es Visi- konnten uns ein gutes Netzwerk aufbauen. unserem Produkt, deshalb brauchten wir onen braucht und jemanden, der sie ver- Zudem haben wir bei den Businessplan- bei der Entwicklung kaum Unterstützung.» wirklicht.» Simona Stalder Präsentationen vor Investoren sehr viel Die Studierenden nutzten lediglich Ar- gelernt», so Lojacono. beitsplätze, die Smart-up in Luzern und Mehr Informationen: Horw bereitstellt. «Jetzt, wo wir auch zu www.hslu.ch/smart-up Unterstützung bei der Vermarktung Verkäufern werden wollen, werden wir et- www.advanon.com Auch Kidesia, eine internetbasierte Ad- was mehr Coaching benötigen», sagt Gug- www.kidesia.ch ministrations-Software für Kinderkrip- genbühl und lacht. www.gurkenwasser.ch (ab November) Hochschule Luzern 3 | 2015 13
GRÜNDERGEIST So wachsen der Idee Flügel Wer ein Unternehmen gründen und Geldgeber gewinnen will, braucht einen Businessplan. Doch dieser ist kein Garant für Erfolg. Wie reagieren Start-ups auf die sich schnell verändernden Märkte? Und welche Rolle spielen die Business Angels? «If you fail to plan, you are plan Rouven Willimann von der Wirtschafts- gebe es zwar nach wie vor einen ausge- ning to fail», sagte einmal Benjamin förderung Luzern. prägten Glauben an Planbarkeit. Und ge- Franklin – eine Warnung, an die in der Doch weil sich die Zukunft nie ganz rade Banken, die prinzipiell eher konserva- Wirtschaftswelt immer wieder erinnert genau voraussagen lässt, wird der Busi- tiv denken, erwarten einen ausführlichen wird. So zeigen Untersuchungen, dass nessplan heute zum Teil skeptisch betrach- Businessplan, um eine Finanzierung in Existenzgründungen oft scheitern, weil tet. «Auch wenn man einen Businessplan Erwägung zu ziehen. Parallel dazu lasse die Gründer zu wenig vorbereitet sind. sehr detailliert macht: Dadurch werden sich aber ein Trend zum amerikanisch «Am häufigsten begegnen mir Business- die Annahmen nicht zutreffender, es blei- geprägten Lean Start-up beobachten, bei pläne, bei denen der Finanzplan vernach- ben eben Annahmen», sagt Markus Zemp. dem die Finanzierung durch Risikoka- lässigt wurde. Es wird zum Beispiel ein Der Studienleiter des MBA an der Hoch- pitalgeber, sogenannte Business Angels, Umsatz ausgewiesen, aber nicht aufge- schule Luzern sieht deshalb die Bedeu- erfolgte. «Business Angels wollen in ers- zeigt, wie viel erst einmal investiert wer- tung des Businessplans in einem Wandel ter Linie wissen, ob eine Idee überzeugt, den muss, um ihn zu erreichen», erzählt begriffen. In der Schweiz und in Europa ob ein Markt vorhanden ist und vor allem 14 Hochschule Luzern 3 | 2015
GRÜNDERGEIST auch: ob der Gründungsinteressierte tralschweizer KMU (siehe Box) ent- und sein Team im persönlichen Auf- wickelt, lernen sie auch die Grenzen tritt überzeugen.» Eine umfassende und Tücken solcher Planung kennen. Dokumentation ist zweitrangig. «Man darf sich nicht verleiten lassen, Dinge oder Zahlen zu beschönigen Lean Start-up – ein Gegentrend – Papier ist geduldig.» Wichtig sei es, In den USA gibt es etwa drei Millio- Widersprüche innerhalb des Busi- nen Business Angels, in Europa sind nessplans zu erkennen, Schwierigkei- es nicht ganz so viele. Der Verein Ein Businessplan beruht zwar auf Annahmen, ten aufzuzeigen und Alternativen zu Business Angels Switzerland (BAS) aber er hilft, Informationslücken zu erkennen. entwickeln, wenn sich Gefahren ab- zählt derzeit gerade mal 76 Mitglie- zeichneten. Ausserdem sei ein Busi- der. «Dennoch spielen diese Business Eine prinzipielle Alternative sei das aller- nessplan ein Prozess, er müsse laufend Angels bereits eine wichtige Rolle in der dings nicht. «In einem zweiten Schritt gilt überprüft und an die Realität angepasst Schweizer Start-up-Szene», sagt Zemp. es dennoch, einen detaillierten Business- werden. Denn der Trend zu einem schlan- Monatlich veranstaltet der Verein ein Mee- plan zu entwickeln.» Stäuble unterrichtet keren Businessplan und einem rascheren ting, an dem Gründungsinteressierte ein- und lehrt Studierende, was ein Business- Markteintritt rührt nicht zuletzt daher, geladen sind, ihre Geschäftsideen zu prä- plan abdecken muss: Strategie und Vision, dass die Märkte heute viel dynamischer sentieren. In der Regel sind dies Start-ups, Produkteportfolio, potenzielle Kunden, und kurzlebiger sind als noch vor ein paar bei denen es eher um kleinere Investiti- Konkurrenz, Vermarktung, Produktions- Jahrzehnten, als es sich noch lohnte, aus onen zwischen 50’000 und 2 Millionen technologien, Lohnpolitik, Führungsins- dem Businessplan eine halbe Doktorar- Franken geht. Die «Unternehmensengel» trumente, Risiken, Finanzierung ... Beim beit zu machen. Susanne Gmür unterstützen sie nicht nur finanziell, son- Entwickeln eines solchen Plans geht man dern auch beratend und sind bereit, ein sozusagen mit seinem Geschäft schwan- grosses Risiko einzugehen. Zemp erklärt: ger. Untersucht, ob alle Glieder da sind, Businesspläne für und «Dafür verlangen sie im Gegenzug auch beugt möglichen Krankheiten vor und mit Zentralschweizer KMU entsprechend hohe Kapitalrenditen, oft bereitet den Weg für ein gesundes Wachs- Im fünften Semester besuchen kombiniert mit einem im Voraus geplan- tum. Auch Markus Zemp sieht darin alle Wirtschaftsstudierenden der ten Exit, das heisst dem gewinnbringen- einen grossen Vorteil: «Man erkennt In- Hochschule Luzern das Modul den Verkauf der Firmenanteile.» formationslücken und kann das Schei- «Businessplan-Entwicklung». Hier Präsentationen an solchen Meetings tern besser vermeiden – wenn auch nicht kommt ihr gesamtes zuvor er- dauern 10 bis 15 Minuten. Wenig Zeit, den Erfolg garantieren.» Allerdings, sagt lerntes Wissen zum Einsatz, denn um Investoren zu überzeugen – keine Rouven Willimann, spiele es keine ent- ein Businessplan deckt alle Zeit, um einen 50-seitigen Businessplan scheidende Rolle, ob der Businessplan wichtigen betriebswirtschaftlichen vorzustellen. Für Start-ups biete sich das 20 oder 100 Seiten umfasst. «Wesentlich Themen ab. «Business Model Canvas» an, sagt Zemp. ist, dass er konsistent ist und aufzeigt, wie In Teams entwickeln sie Business- «Es konzentriert sich auf eine knappe die Geschäftsidee profitabel umgesetzt pläne für KMU, die beispielsweise und einfache Darstellung der wichtigs- werden kann.» ihr Geschäft erweitern wollen, einen ten Aspekte: Wer sind die Partner, welches Partner suchen, die Nachfolge Know-how ist da, welcher Wert wird mit Businessplan als Denkprozess Alle planung angehen wollen – egal ob dem Produkt generiert, auf welchen Kanä- drei Experten sind sich einig, dass ein in Industrie, Handel, Verwaltung len will man wen erreichen, wie wird Geld Businessplan nicht nur ein Instrument oder im sozialen Bereich. Der Modul generiert und was braucht es für Investiti- ist, um Banken oder Partner von seinem leiter Walter Stäuble freut sich über die nachhaltig grosse Resonanz Fotos: iStock / Newbird / psphotograph onen?» Es gehe heute auch darum, schnell Unternehmen zu überzeugen. «Dieser auf den Markt zu gehen und zu schauen, zwingt den Gründer, Ideen gründlich zu bei allen Beteiligten: «Es ist eine ob überhaupt eine Nachfrage da sei. Denn: reflektieren», sagt Willimann. Stäuble er- Win-win-Situation: Die KMU profi- «Wer weiss schon, ob eine Idee funktio- gänzt: «Er dient dazu, Ordnung zu haben tieren von frischem und preisgünsti- niert, wenn man sie nicht ausprobiert?» im Kopf, das Geschäft und seine Chancen gem Know-how, die Studieren- Auch der Dozent Walter Stäuble und Schwächen zu kennen, Transparenz den haben die Möglichkeit, ihr the- sieht bei Start-ups die Entwicklung zu schaffen nach innen und nach aussen.» oretisches Wissen in die Praxis zu eines schlanken Geschäftsmodells und Wenn Walter Stäuble mit seinen Bache- übertragen.» dessen praxisnahen Test als ersten Schritt. lor-Studierenden Businesspläne für Zen- www.hslu.ch/businessplan Hochschule Luzern 3 | 2015 15
GRÜNDERGEIST Die Brauereigründer Alexander Oleschinsky und Herbert Blum sind beide auch angestellt. Die Macher Unternehmertum kann viele Facetten haben. Diese Gründerinnen und Gründer berichten, was sie motiviert, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. 16 Hochschule Luzern 3 | 2015
GRÜNDERGEIST sky, inne. Nur deshalb ist es überhaupt diums einen Businessplan für die Brauerei. Die Teamplayer möglich, das Unternehmen in die Tat um- Das Wissen über die Braukunst eigneten zusetzen, denn die beiden Männer haben sie sich in stundenlanger Recherche und Alexander Oleschinsky und Herbert Blum eine Vollzeitstelle, die sie auch behalten in unzähligen Gesprächen mit Fachper- trinken gerne ab und zu ein Bier. Nach ih- wollen: Oleschinsky leitet den Kunden- sonen an. «Es brauchte viel Mut, den Plan rem Geschmack wird ihnen dabei aber service Pharma bei der UFAG Laborato- auch wirklich in die Tat umzusetzen», sagt viel zu oft Massenware von einem in- rien AG, Blum ist Produktmanager bei der der 51-jährige Herbert Blum aus Nottwil. ternationalen Konzern serviert. «Lieber für die Elektronikindustrie tätigen Schur- «Aber es ist die Gelegenheit, einmal etwas würden wir stattdessen unsere Gläser ter AG. Die Brauerei ist für die beiden ein ganz anderes zu machen.» mit einem ‹charaktervollen› Gerstensaft zeitintensives Hobby. Dass er im Team ein eigenes Unterneh- aus unserer Heimat Sursee füllen», sagt men aufbauen kann, wertet er als grossen Oleschinsky, 35-jährig und dreifacher Vorteil. «Alleine wäre man wohl schneller «Es ist die Gelegenheit, Vater aus Schlierbach. Deshalb gründeten und flexibler. Wir aber können uns austau- die Männer im März dieses Jahres die Soor- mal was ganz schen und gegenseitig motivieren.» Den ser Bier AG. Für die Brauanlage und die anderes zu machen.» Altersunterschied und ihre unterschied- Anstellung eines Braumeisters ist zu- Herbert Blum, Brauereigründer lichen Charaktere wertet auch Alexander sätzliches Kapital nötig, deshalb sind sie Oleschinsky positiv: «Mit meinem noch im Moment auf der Suche nach Investo- Kennengelernt haben sich die Jungunter- jugendlichen Elan presche ich oft vor und ren. Ziel ist es, im Frühling 2016 das erste nehmer im MBA Luzern der Hochschule treibe die anderen an. Herbert weiss es eigene Bier auszuschenken. Luzern. Gemeinsam mit Kommilitone Sil- dann, mich mit seiner Reife und Umsicht Die Geschäftsführung hat Karin van Gut, der ihnen heute als Berater zur zur richtigen Zeit zu bremsen.» Wagemann (32), die Frau von Oleschin- Seite steht, erstellten sie während des Stu- www.soobier.ch kundenfreundlicher und vor allem nach- auch für KMU. Firmen wie McKinsey oder Die Wissensdurstige haltiger seien. «Denn bei Design Manage- Accenture setzten bereits vermehrt auf De- ment geht es nicht zuletzt um einen sinn- signkompetenz, so Schmid. Herzblut für Drei Jahre ist es her, dass Jessica Schmid volleren Einsatz von Ressourcen.» Jessica die Sache und eine unbändige Neugier trei- ihr Bachelor-Studium in «Design Manage- Schmid ist überzeugt, dass in ihrem Fach- ben sie jeden Tag an. Gebremst wird ihre ment, International» an der Hochschule gebiet enormes Potenzial liegt, besonders Energie höchstens dann, wenn sie wegen Luzern beendete – mit Auszeichnung. ihres jugendlichen Alters unterschätzt Das habe sie darin bestärkt, direkt wird. «Dann wünsche ich mir manch- nach dem Abschluss den Schritt in mal, erste graue Haare zu haben», sagt die Selbstständigkeit zu wagen, sagt Schmid lachend. Jemanden von der ei- Fotos: Beat Brechbühl, Texte: Yvonne Anliker, Simone Busch die 25-Jährige. Schmid realisiert mit genen Arbeit zu überzeugen, gelinge ihrer Firma Detailbox Designstrate- ihrer Meinung nach nur mit konstant gien für Unternehmen – je nach Pro- hoher Qualität und Zuverlässigkeit. jekt ist der Auftrag gekoppelt mit In- Ein gutes Netzwerk helfe ebenfalls. novationsentwicklung und Marketing. Jessica Schmid pflegt ihres unter Der Start ins Unternehmertum anderem als Vorstandsmitglied im war mit Herausforderungen gespickt. Alumniverein der Hochschule Luzern. «Ich musste viel Überzeugungsarbeit «Ich tausche mich gerne mit anderen leisten», so Schmid. Vielen Kunden sei Menschen aus und möchte mich stets nicht bewusst, dass Design weitaus weiterentwickeln», so Schmid. Und mehr bedeute, als Produkte «gut aus- weil der Wissensdurst noch längst sehen» zu lassen, sondern auch Pro- nicht gestillt ist, startet sie nun noch zesse und Dienstleistungen so gestal- Der Unternehmerin Jessica Schmid fiel der mit einem Master-Studium in Busi- tet werden können, dass sie effizienter, Schritt in die Selbstständigkeit nicht schwer. ness Administration. www.detailbox.ch Hochschule Luzern 3 | 2015 17
GRÜNDERGEIST Die Teilzeit- Unternehmerin In einem der schönsten Südtäler Graubündens, im Puschlav, eröffne- ten Flurina Paravicini und ihr Mann 1986 in ihrem historischen Bündner- haus aus dem 16. Jahrhundert eine kleine Kunstgalerie namens «Galle- «Im Grunde ist das Ganze eine grosse Passion.» Flurina Paravicini, Galeristin ria Periferia». «Aus purer Liebe zur Kunst», so die 53-Jährige. Sechs Jahre später gründeten sie den gleichnami- gen Verlag «Edizioni Periferia». «Wir waren damals Exoten in diesem Be- reich und mussten alles von Grund auf lernen», erinnert sich Flurina Paravicini. Inzwischen haben sie sich mit ihrem Verlag einen Namen ge- macht und bringen jährlich rund 15 Kunstbücher heraus. Hauptamtlich ist Flurina Paravi- Die Kunstgalerie «Periferia» betreibt Flurina Paravicini aus Leidenschaft. cini mit einem Teilzeitpensum als Do- zentin an der Hochschule Luzern tätig und leitet den Bereich Musik & Bewegung. Sie sieht in beiden Aufgaben durchaus Paralle- len. «Es geht um die Förderung von Men- schen und ihrer Berufung.» Viel Freizeit bleibe bei alldem nicht, so die zweifache Der Erfahrene Mutter. «Mein Mann und ich befassen uns jeden Tag nach unserer eigentlichen Arbeit «Ich hatte kein Problem «Ich habe in meinen 27 Jahren als Un- noch mit dem Verlag.» Gemeinsam organi- mit Autoritäten. ternehmer ordentlich geschuftet», sagt sieren sie Ausstellungen, entdecken neue Aber die mit mir.» Beat Bussmann. Das klingt nicht ar- Künstler und knüpfen Kontakte zu mög- Beat Bussmann, Chef rogant, sondern überzeugt. Beat Buss- lichen Partnern im Kulturbereich. So war eines Softwareunternehmens mann, Chef der Softwarefirma Opacc in das Finanzielle nie der Antrieb, sich selbst- Kriens, beschreibt seinen Führungsstil als ständig zu machen, «die Künstler mit ih- «menschlich und fordernd». Damit hat er rem Werk stehen im Vordergrund». Haupt- es geschafft, im umkämpften Markt der sache, der Verlag und die Galerie decken Enterprise Software für ERP, E-Commerce annähernd ihre Kosten. «Im Grunde ist und CRM zu bestehen. das Ganze eine grosse Passion», sagt Flu- Opacc entstand 1988 und beschäf- rina Paravicini. «Wertvoller als alle Einnah- tigt heute 120 Mitarbeitende. Bussmann, men sind die reichhaltigen Begegnungen, verheiratet und zweifacher Familienva- ob mit Künstlern oder dem Publikum.» ter, erinnert sich an eine Zeit, in der sich www.periferia.ch die Technik radikal wandelte. Am Anfang 18 Hochschule Luzern 3 | 2015
GRÜNDERGEIST kann.» Dennoch ist klar: Angestellt zu «STUcard» geboren, die Studierenden Ver- Der Tausendsassa sein, ist für ihn keine Option mehr. günstigungen gewährt. Er bietet mit der Die Firmen, die Kurath gründet, rich- Jim & Jim AG Marketing zur Gewinnung Seine erste Firma gründete Sam Kurath, ten sich an seine Altersgenossen und nut- junger Kunden, lässt bei Crowdinvest.ch als er im zweiten Jahr Betriebsökonomie zen die Chancen der Digitalisierung: Er GmbH Laien Aktien bewerten und for- an der Hochschule Luzern studierte. Die hat mit der Jaywalker GmbH die Idee der dert mit Heinzelmännchen GmbH die Firma existiert noch, aber vor kurzem hat Reinigungsbranche heraus. Das vernetzte er das operative Geschäft an einen Ge- Denken und die Konsequenzen von An- schäftsführer übergeben. «Das hätte ich «Ein Göttisystem passungen, das hat er an der Hochschule schon viel eher machen sollen», sagt er – wäre ideal.» Luzern gelernt. Der Businessplan für und seiner Stimme ist die Erleichterung Sam Kurath, mehrfacher Jaywalker war 2006 seine Diplomarbeit. deutlich anzuhören. Denn Sam Kurath Unternehmensgründer Gefehlt aber hat ihm damals eine Initia- weiss genau, was er kann – und was tive wie «Smart-up», die Studierende nicht. Er sprudelt vor Ideen, kann sie mit der Wirtschaft zusammenbringt. umsetzen, kann Menschen zusam- Kurath geht noch weiter: Ein Göt- menbringen und sie motivieren. Aber tisystem wäre ideal: Praktiker aus der einen gesunden Betrieb am Laufen Wirtschaft geben Studierenden in fes- halten, organisieren, wachsen lassen – tem Rhythmus Tipps und helfen bei das können andere besser. Es tat ihm Problemen weiter. Kurath konnte da- ein wenig weh, an seine Grenzen zu mals auf das Wissen seines Vaters zu- stossen. Aber mit seiner Agilität und rückgreifen – und hat sehr davon pro- seiner Abneigung gegen Hierarchien fitiert. Das nächste Projekt hat er auch ist er in der Aufbauphase einer Firma schon im Kopf. Er will, frisch verhei- stärker als in der Stabilisierungsphase. ratet, eine Familie gründen. Er wird Es war ohnehin nicht sein Plan, es auf Kurath’sche Art angehen: agil, Geschäftsführer zu werden. «Wenn ein wenig chaotisch und zielstrebig. man eine Firma gründet, wird man Und er wird sein grosses Netzwerk das ja automatisch», sagt der 34-Jäh- Sam Kurath hat viele Ideen. Mit 34 Jahren aktivieren, um zur richtigen Zeit die rige, «da fragt keiner, ob man das hat er bereits vier Unternehmen gegründet. richtige Unterstützung zu bekommen. musste er die Zukunftsaussichten der es ja auch. Bussmann wusste schon als Personal Computer beurteilen, heute Jugendlicher, dass er selbstständig wer- bringt er seine ERP-Software mit den wollte. Nach Banklehre, Betriebswirt- Webshops und Cloudlösungen zu- schaftsstudium an der Hochschule Luzern Fotos: Beat Brechbühl, Texte: Simone Busch, Valer ia Heintges sammen. Bei alldem habe ihm immer und zwei Jahren in einem Beratungsun- geholfen, zu wissen, «welche Schwie- ternehmen war die Sache klar. «Ich hatte rigkeiten und Chancen die Kunden keine Schwierigkeit mit Autoritäten», sagt haben». er, «aber die mit mir.» Das ging und geht nur mit her- Jetzt muss Bussmann langsam eine vorragenden Entwicklern. Bussmann Antwort auf die Frage finden, wie und spricht sogar von «begnadeten Mit- wann er die Verantwortung wieder abge- arbeitenden». Wo aber findet er die? ben will. Er will eine Lösung, die für Mit- «Bei uns vor der Tür, in der Zent- arbeitende und Kunden stimmt, «nicht für Beat Bussmann kennt die Softwarebranche ralschweiz», antwortet der 57-Jäh- mich selbst». Und was rät er dem Nach- und die Herausforderungen für seine Kunden. rige. «Wir wollen die, die nicht nach wuchs mit Blick auf seine Unternehmer- Zürich abwandern und eine Heraus- karriere? «Besser ist es, eine durchschnitt- forderung suchen. Denn sie wollen etwas liche Idee sehr gut umsetzen als eine sehr bewegen», sagt der CEO – er selbst will gute Idee durchschnittlich umsetzen.» Hochschule Luzern 3 | 2015 19
GRÜNDERGEIST Diese «nachhaltige» Kamera entstand im FabLab der Hochschule Luzern. Die stärkste Marke heisst hier «Eigenbau» Selber machen heisst die Devise im FabLab der Hochschule Luzern – Technik & Architektur. Menschen mit Ideen und Umsetzungsdrang können dort mit hochmodernen Geräten fast alles produzieren. Für Tüftler ist diese Werkstätte auch ein Ort des Austauschs und der Inspiration. Die Tür zum FabLab auf dem zwei Lautsprechergehäuse, aus denen treffen», sagt er. «Mit den Maschinen, die Campus Horw steht offen. Das Geräusch eigenartige Geräusche dringen, und ein mir hier zur Verfügung stehen, kann ich einer Fräsmaschine dringt nach draus- grosser Faustkeil aus Acrylglas. sehr viel selber machen, ohne dafür tief sen. Tritt man durch die Tür, wird es erst An der Fräsmaschine im hinteren Teil in die Tasche greifen zu müssen.» Sind die mal bunt. Auf einem Tisch liegen Gegen- des Labors steht Simon Marfurt. Der Werk- 3-D-Drucker mittlerweile zu erschwing- stände, die im FabLab hergestellt wurden: lehrer und Künstler arbeitet an einer Ku- lichen Preisen zu haben, sind CNC-Fräs- orange Lampenschirme, blaue Armbän- gelbahn, die als Wandbild aufgehängt wer- maschinen und Lasercutter für den Pri- der und verschiedenfarbige, gefässartige den kann. Ein privates Projekt, das er im vatgebrauch zu teuer. Die Benützung der Objekte. Irgendwo dazwischen stehen FabLab umsetzt. «Ich bin oft hier anzu- Maschinen im FabLab wird stündlich abge- 20 Hochschule Luzern 3 | 2015
GRÜNDERGEIST rechnet, der 3-D-Drucker kostet was herzustellen. Nach gut einer fünf Franken pro Stunde, Fräsma- Stunde Einführung seien selbst schine und Lasercutter je 20 Fran- Schulkinder in der Lage, die Ma- ken. Am Mittwoch ist die Benüt- schinen mit Daten zu füttern und zung jeweils gratis. einen Gegenstand zu produzie- Ins FabLab kommen Leute ren. Viel genutzt wird das FabLab aller Altersgruppen, von der laut Obrist von Architekturstu- Schülerin bis zum Pensionär. dierenden, die Modelle anferti- Sei es, um einen neuen Griff für gen. Doch auch die Abteilung den Wasserhahn zu produzieren, Maschinenbau stellte schon Teile weil der alte kaputt ist, oder um für Roboter im FabLab her. Und etwas herzustellen, das es vor- natürlich suchen auch externe her noch nicht gab. Die Werk- Besucher wie Simon Marfurt, die stätte in Luzern gehört zur Fab- eine Idee umsetzen wollen, die Lab-Bewegung, einem globalen Werkstätte auf. «Ein Hobbymu- Netzwerk, das Erfindungen för- siker hat bei uns beispielsweise dert, indem es Werkzeuge für mit dem Laser lederne Gurte für eine digitale Fertigung zugäng- seine Gitarre zugeschnitten und lich macht. Eine Charta legt die graviert», erzählt Obrist. Simon Regeln fest. So müssen sich die Marfurt freut sich über diese Viel- Nutzer beispielsweise gegensei- Der Werklehrer und Künstler Simon Marfurt ist oft falt an Ideen, auf die er im FabLab tig Zugang zu ihren Ideen und im FabLab, um seine Ideen umzusetzen. trifft: «Ich schätze es sehr, dass ich Produkten gewähren. Kommer- hier mit anderen Menschen in zielle Aktivitäten darf man wohl Kontakt komme, die selber etwas im FabLab starten, eine «Massenproduk- gerät. Zudem ist das Gehäuse so gestaltet, herstellen wollen. Durch den Austausch tion» ist aber nicht erlaubt, weil die Ma- dass die Blende manuell eingestellt wer- erhalte ich neue Inputs für meine nächste schinen sonst zu lange besetzt wären. den kann – eine wichtige Funktion für Eigenproduktion.» Daniel von Känel einen ambitionierten Fotografen. Das zweite Leben der Einwegkamera Marfurt wendet sich von der Fräsma- Nach einer Stunde die Technik im schine ab, die er eben für weitere Kugel- Griff FabLab-Manager Chris Obrist FabLab on Tour bahnelemente programmiert hat, und holt ein USB-Ladegerät mit Solarzellen Das FabLab Luzern plant, künftig erzählt von seinem letzten Projekt. «Ich für Mobiltelefone und Tablets hervor, das mit einer mobilen Werkstatt habe mir überlegt, wie man das Innen- auf Tour zu gehen. Mit einem Bus, leben der Einwegkameras weiter nutzen ausgestattet mit den FabLab- «Die Maschinen sind einfach könnte», erklärt der Fotografie-Enthusi- typischen Geräten, besucht es ver- zu bedienen – Schulkinder ast. «Ich wollte ein Gehäuse kreieren, bei schiedene Orte in der Deutsch- dem man den Film wechseln kann.» Die können mit ihnen arbeiten.» schweiz. Damit will das Labor die Chris Obrist, FabLab-Manager Idee der Kamera «Marke Eigenbau» war Möglichkeiten der digitalen Pro geboren. Mittlerweile ist der Prototyp ge- duktion vorstellen und der Öffent- baut, das Gehäuse hat Marfurt mit dem er vor Ort produziert hat. «Der Bauplan lichkeit den Eigenbaugedanken Lasercutter aus einer Holzfaserplatte ge- stammt aus dem Internet, das Lademodul des FabLabs vermitteln. Der Tour- Fotos: Simon Marfur t, Daniel von Känel fertigt. Und: Seine Kamera funktioniert. kann man dort ebenfalls bestellen», sagt er. Start wird auf www.fablab-luzern.ch «Weil der Film manuell weitergespult wer- Die Gehäuseteile habe er selber konstru- angekündigt. den muss, eignet sie sich beim jetzigen iert und mit dem Lasercutter ausgeschnit- Entwicklungsstand vor allem für expe- ten, die Solarzellen über ein Elektrofach- rimentelle Fotografie», sagt er lachend. geschäft bezogen. «Für einen Workshop, Gitarrengurte, Plastiktiere, Man müsse erahnen, wann das nächste beispielsweise mit einer Schulklasse, eig- Lampenschirme … Negativ ungefähr in der richtigen Position net sich der Bau eines solchen Geräts sehr Neugierig, was im FabLab sei. Marfurts Gehäuse verfügt sogar über gut», so Obrist. Es sei generell ziemlich ein- schon entstanden ist? einen «Blitzschuh» für ein externes Blitz- fach, mit den Maschinen im FabLab et- www.hslu.ch/mz2001 Hochschule Luzern 3 | 2015 21
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