RECHT AKTUELL 03 / 2018 - Lutz Abel
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RECHT AKTUELL 03 / 2018
RECHT AKTUELL 03/2018 Sehr geehrte Leserinnen und Leser, gerne nutzen wir die letzte Ausgabe von Recht Aktuell in diesem Jahr, um einen Blick zurückzuwerfen und die letzten 12 Monate Revue passieren zu lassen. 2018 war erneut von Wachstum geprägt; wir konnten insgesamt zehn neue Anwältinnen und Anwälte für die Kanzlei gewinnen und insbesondere unsere Standorte in Hamburg und Stuttgart personell deutlich stärken. Gemeinsam mit Ihnen haben wir zahlreiche Projekte erfolgreich ge- meistert und uns neuen Themen und Herausforderungen gestellt. Wir sind mit unserem Team aus erfahrenen sowie jungen Kolleginnen und Kollegen für die Zukunft bestens aufgestellt und freuen uns darauf, Sie weiterhin juristisch zu begleiten. Ohne Sie, unsere Mandanten, guten Kontakte, Kooperationspartner und Kollegen, wäre der Erfolg der vergangenen Jahre nicht möglich gewesen. Daher gilt Ihnen unser besonderer Dank. Lassen Sie sich nun wieder über neue Entwicklungen und aktuelle Gerichtsentscheidungen aus den von uns betreuten Rechtsgebieten informieren. Außerdem finden Sie auf den folgenden Seiten einen Ausblick auf in- teressante Veranstaltungen, insbesondere die Termine unserer LUTZ | ABEL Frühstücksveranstaltungen, zu denen wir Sie herzlich einladen. Für Fragen stehen Ihnen die Autoren sowie das gesamte LUTZ | ABEL Team gerne zur Verfügung. Wir wünschen Ihnen ein frohes Weihnachtsfest, geruhsame Feiertage und einen guten Start in das Jahr 2019. Herzliche Grüße Ihre LUTZ | ABEL Rechtsanwalts GmbH LUTZ | ABEL Recht Aktuell 03/2018 3
VERANSTALTUNGEN ARBEITSRECHT IT-RECHT UND DATENSCHUTZ Veranstaltungsreihe ARBEITSRECHT IM MITTELSTAND Fachkongress Onlinemarketing und Social Media in der Energiewirtschaft 2019 Unsere laufende Veranstaltungsreihe ARBEITSRECHT IM MITTELSTAND ist speziell für mittelständische Energieforen Leipzig GmbH Dr. André Schmidt, u. a. Unternehmen konzipiert: ausgewählte Themen, hoher Praxisbezug, Zeit für Austausch und Diskussion. 19. Februar 2019 - 20. Februar 2019 in Leipzig VI. Compliance im Mittelstand www.energieforen.de Typische Unternehmerrisiken managen: Scheinselbstständigkeit, Datenklau und Durchsuchungen 17. Januar 2019 in München (stetter Rechtsanwälte) Dr. Philipp Byers, REAL ESTATE Dr. Sabine Stetter (stetter Rechtsanwälte) Update Bauträgerrecht 2019 Update Arbeitsrecht 2019 LUTZ | ABEL Frühstück LUTZ | ABEL Frühstück Dr. Philipp Byers, 21. März 2019 in München Dr. Kilian K. Eßwein 21. Februar 2019 in München Dr. Henning Abraham, 27. Februar 2019 in Stuttgart Claudia Knuth, u. a. 28. Februar 2019 in Hamburg VENTURE CAPITAL Der neue Beschäftigtendatenschutz Angel Expertise BECK Seminare Dr. Philipp Byers BANDakademie Dr. Lorenz Jellinghaus, 28. März 2019 in Stuttgart 29. Januar 2019 in Hamburg u.a. 27. September 2019 in Frankfurt am Main www.business-angels.de www.beck-seminare.de Bayerische Datenschutztage VERGABERECHT Bayerische Akademie für Verwaltungs-Management GmbH Dr. Philipp Byers, u.a. 19. Februar 2019 - 20. Februar 2019 in Bad Staffelstein Nachprüfungsverfahren FORUM Institut für Management GmbH Tobias Osseforth, Mag. rer. publ. www.verwaltungs-management.de 31. Januar 2019 in Frankfurt am Main www.forum-institut.de ÖFFENTLICHES BAURECHT Die neue VOB/A 2019: Vergabe von Bauleistungen Update Öffentliches Baurecht 2019 vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V. Tobias Osseforth, Mag. rer. publ. LUTZ | ABEL Frühstück Dr. Christian Braun 23. Mai 2019 in München 12. Februar 2019 in München www.vhw.de GESELLSCHAFTSRECHT KONTAKT Gesellschafterstreit BECK Seminare Für Fragen zu den Veranstaltungen und zur Anmeldung stehen Ihnen die Referenten sowie Verena Konto 21. März 2019 in Frankfurt am Main (Telefon: +49 89 544 147-0, E-Mail: marketing@lutzabel.com) gerne zur Verfügung. 22. März 2019 in Frankfurt am Main Dr. Reinhard Lutz, Dr. Christian Dittert Weitere Informationen finden Sie darüber hinaus auf unserer Internetseite unter www.lutzabel.com/termine www.beck-seminare.de 4 Recht Aktuell 03/2018 LUTZ | ABEL LUTZ | ABEL Recht Aktuell 03/2018 5
INHALTSVERZEICHNIS Arbeitsrecht 8 Rundung von bruchteiligen Urlaubstagen Justine Luterbach Privates Baurecht 11 Sanierung eines Altbaus: Schallschutz muss Neubaustandard Vera Lederer entsprechen! 14 BGH: Formlose Änderungen von Grundstückskaufverträgen Nikolaus Thielen nach bindender Auflassung möglich Öffentliches Baurecht 16 Die Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Sebastian Vorwalter Verfahren nach § 13b BauGB – eine Bestandsanalyse anhand aktueller Rechtsprechung Beihilfen- und Kartellrecht 20 Müssen kartellbeteiligte Unternehmen bei der vergaberechtlichen Christoph Richter Selbstreinigung Harakiri begehen, um nicht ausgeschlossen zu werden? Gesellschaftsrecht 22 (Beteiligungs-)Verträge auf Englisch – Ab wann macht es Sinn Dr. Bernhard Noreisch, LL.M. und worauf sollte man achten? 24 Gesellschafter Ahoi! – Zur Nichtigkeit eines in der GmbH- Anna Zaprutckaja Gesellschafterversammlung gefassten Beschlusses wegen Rechtsmissbrauchs IT-Recht und Datenschutz 27 Werner vom Vertrieb sagt: „Hallo!“ – Was Unternehmen bei der Julia Storkenmaier Veröffentlichung von Mitarbeiterfotos beachten müssen Restrukturierung und Insolvenz 30 Evaluierung des ESUG – Reform grundsätzlich gelungen, Kristina Meier Nachsteuern des Gesetzgebers wünschenswert Bitte beachten Sie die in vielen Fällen drohende Jahresendverjährung zum 31. Dezember 2018. Bitte prüfen Sie Ihre Unterlagen auf Ansprüche, die möglicherweise von der Verjährung betroffen sein könnten. Dies sind vor allem solche Ansprüche, die im Jahr 2015 entstanden sind und der gesetzlichen, dreijährigen Regelver- jährung unterliegen. Gerne unterstützen wir Sie dabei, mögliche Ansprüche zu identifizieren und mit recht- zeitigen Maßnahmen einen drohenden Verjährungseintritt zu verhindern. LUTZ | ABEL Recht Aktuell 03/2018 7
ARBEITSRECHT ARBEITSRECHT ARBEITSRECHT bb) Kürzung des Jahresurlaubs für Zeiten der des Teilzeitbeschäftigten hingegen auf fünf Tage, hat Elternzeit dieser ebenso wie bei einer Vollzeitbeschäftigung An- Der Arbeitnehmer hat auch bei einer mehrmonatigen spruch auf jährlich 25 Arbeitstage Urlaub. bzw. mehrjährigen Elternzeit Anspruch auf den ar- beitsvertraglich vereinbarten jährlichen Erholungs- Bislang war es in Deutschland anerkannte Praxis, bei urlaub. Denn das Arbeitsverhältnis wird durch die einer Verringerung der Anzahl der Wochenarbeitstage Rundung von bruchteiligen Urlaubstagen Elternzeit nicht beendet, sondern ruht lediglich. den Resturlaubsanspruch entsprechend zu quotieren. Reduziert ein Arbeitnehmer seine Vollzeittätigkeit RAin Justine Luterbach | luterbach@lutzabel.com Allerdings berechtigt § 17 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes von fünf Tagen pro Woche auf zukünftig drei Tage zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) den Arbeit- pro Woche und steht dem Arbeitnehmer aus seiner geber, den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalen- bisherigen Vollzeittätigkeit noch ein Resturlaubs- dermonat der Elternzeit zu kürzen. Die Kürzung des anspruch in Höhe von fünf Tagen zu, sind diese fünf Der vorliegende Beitrag geht der Frage nach, unter in einem Kalenderjahr nicht vollständig, sondern nur jährlichen Erholungsurlaubs erfolgt dabei nicht kraft Tage zu der nunmehr geltenden Teilzeitbeschäftigung welchen Voraussetzungen der Urlaubsanspruch antei- anteilig besteht. Gesetzes, sondern erfordert eine gesonderte Erklä- ins Verhältnis zu setzen. Dem Arbeitnehmer stehen lig gekürzt werden kann und wie mit sich hieraus er- rung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitneh- mithin von den bisherigen fünf nicht genommen Ur- gebenden bruchteiligen Urlaubstagen umzugehen ist. a) Gesetzliche Kürzungsregelung nach § 5 BUrlG mer. Diese sollte aus Gründen der Rechtssicherheit laubstagen aus der Vollzeittätigkeit mit Beginn der Bei einem unterjährigen Ausscheiden des Arbeit- schriftlich erfolgen. Er kann die Erklärung sowohl Teilzeittätigkeit zeitanteilig drei Arbeitstage Urlaub 1. Allgemeines zum Urlaubsanspruch nehmers sieht § 5 BUrlG eine Kürzung des Ur- vor Beginn als auch während der Elternzeit ausspre- zu (5 Urlaubstage/ 5 Arbeitstage x 3 Tage = 3) zu. Ent- laubsanspruchs vor. Danach hat ein Arbeitnehmer, chen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist sprechendes soll bei einem Wechsel von Teilzeit zu Jeder Arbeitnehmer hat einen gesetzlichen Mindest- wenn er im laufenden Kalenderjahr wegen Nicht- eine Kürzung des Erholungsurlaubs aufgrund der Vollzeit gelten. urlaubsanspruch in Höhe von 24 Werktagen bei sechs erfüllung der Wartezeit keinen vollen Urlaubsan- Elternzeit indes nicht mehr möglich. Arbeitstagen in der Woche (vgl. § 3 Bundesurlaubsge- spruch erwirbt oder er vor erfüllter Wartezeit bzw. Nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich das setz (BUrlG)). Da die meisten Arbeitnehmer üblicher- nach erfüllter Wartezeit aus dem Arbeitsverhält- In Literatur und Rechtsprechung ist die Rechtmäßig- BAG mittlerweile angeschlossen hat, ist eine Um- weise 5 (Werk-)Tage die Woche arbeiten, hat der Ar- nis ausscheidet, lediglich einen Anspruch auf ein keit der Kürzung nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG stark rechnung des Urlaubsanspruchs wie vorstehend beitgeber dem Arbeitnehmer regelmäßig mindestens Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat umstritten. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dargestellt jedenfalls bei einem Wechsel von Vollzeit 20 Arbeitstage Urlaub zu gewähren. Die Bestimmun- des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Hinter- die Regelung sei europarechtswidrig. Ob sich der in Teilzeit nicht mehr möglich. Der Arbeitnehmer, der gen des Bundesurlaubsgesetzes sind grundsätzlich grund dieser Regelung ist, den Arbeitgeber nicht Europäische Gerichtshof (EuGH) dieser Auffassung von Vollzeit in Teilzeit wechselt, darf seinen in der zwingend. Abweichende Vereinbarungen hinsichtlich mit Freistellungspflichten des Arbeitnehmers zu anschließt, ist bislang nicht geklärt. Im Fall einer et- Vollzeitbeschäftigung erworbenen und noch nicht des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs sind in belasten, wenn das Arbeitsverhältnis nicht länger waigen Europarechtswidrigkeit bleibt die Kürzungs- genommenen Urlaubsanspruch ungekürzt im Teil- der Regel unwirksam. besteht. Wird das Arbeitsverhältnis beispielswei- möglichkeit nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG gleichwohl zeitarbeitsverhältnis verbrauchen. Voraussetzung ist se bei einem vereinbarten Jahresurlaub in Höhe im privaten Rechtsverkehr zwischen Arbeitgeber und allerdings, dass der Arbeitnehmer keine Möglichkeit Darüber hinaus gewähren Arbeitgeber ihren Arbeit- von 25 Urlaubstagen nach sechsmonatigem Be- Arbeitnehmer vorerst anwendbar. Denn es handelt hatte, den Urlaubsanspruch noch vor dem Wechsel in nehmern üblicherweise zusätzliche Urlaubstage. stehen des Arbeitsverhältnisses zum 31.03. eines sich in diesem Fall allein um einen Verstoß gegen Teilzeit auszuüben. Ob dies entsprechend bei einem Den Arbeitsvertragsparteien steht es dabei – anders Kalenderjahres beendet, so hat der Arbeitnehmer eine europäische Richtlinie, die zwischen Arbeitgeber Wechsel von Teilzeit in Vollzeit gilt, wurde vom EuGH als beim gesetzlichen Mindesturlaub – grundsätzlich lediglich einen anteiligen Urlaubsanspruch in Höhe und Arbeitnehmer in der Regel nicht unmittelbar gilt. bisher noch nicht geklärt. frei, die Handhabung des zusätzlichen Urlaubsan- von 6,25 Arbeitstagen. spruches individuell zu regeln. In diesem Fall sollte cc) E xkurs: Der Urlaubsanspruch bei Wechsel von 3. Rundung von bruchteiligen Urlaubsansprüchen der Arbeitsvertrag indes eine hinreichende Differen- b) Sonstige Kürzungstatbestände Voll- zu Teilzeit und umgekehrt zierung zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub Auch außerhalb der gesetzlichen Kürzungsregelung Teilzeitbeschäftigte haben ebenso wie Vollzeitbe- Soweit sich durch die vorstehend beispielhaft dar- und dem vertraglichen Zusatzurlaub vorsehen. in § 5 BUrlG kann es zu einer zeitanteiligen Kürzung schäftigte einen Anspruch auf Urlaub. Die Höhe des gestellten Kürzungsmöglichkeiten des Vollurlaubs des Jahresurlaubs des Arbeitnehmers kommen. Urlaubsanspruchs von Teilzeitbeschäftigten richtet Bruchteile von Urlaubstagen ergeben, kommt weder Der Urlaubsanspruch entsteht unabhängig von der Ar- sich dabei nicht nach der täglich geleisteten Arbeits- eine Aufrundung noch eine Abrundung in Betracht. beitsleistung des Arbeitnehmers in einem bestehen- aa) Individualvertragliche Vereinbarung zeit. Entscheidend ist vielmehr, an wie vielen Tagen Dies hat das BAG mit Urteil vom 23.01.2018 (Az.: 9 den Arbeitsverhältnis. Das gilt auch bei einer mehrmo- Arbeitgeber und Arbeitnehmer können in einem Ar- der Arbeitnehmer durchschnittlich pro Woche arbei- AZR 200/17) entschieden. natigen oder sogar mehrjährigen Elternzeit, weil das beitsvertrag insbesondere eine Regelung treffen, die tet. Das Urlaubsrecht kennt mithin kein Stunden-, Arbeitsverhältnis nicht beendet wird. Auch eine lang- abweichend von § 5 Abs. 1 lit. c BUrlG eine Zwölfte- sondern nur ein Tagesprinzip. Gewährt ein Arbeit- a) Sachverhalt der Entscheidung des BAG fristige Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers lässt lung des Jahresurlaubs auch bei einem Ausschei- geber seinen Arbeitnehmern beispielsweise bei ei- Die klagende Arbeitnehmerin verlangt die Abgeltung den Urlaubsanspruch grundsätzlich nicht entfallen. den in der 2. Jahreshälfte vorsieht. Zu beachten ist ner 5-Tage-Woche kalenderjährlich 25 Arbeitstage von Urlaub aus den Jahren 2007 bis 2015 nach Been- jedoch, dass eine solche Regelung nicht zu einer Urlaub und ist der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer digung des Arbeitsverhältnisses. In diesem Zeitraum 2. Bruchteilige Urlaubstage Unterschreitung des gesetzlichen Mindesturlaubs lediglich an drei Arbeitstagen im Betrieb, hat dieser konnte die Klägerin unter anderem wegen Elternzeit führt. Eine solche Klausel wäre andernfalls wegen einen Anspruch auf einen jährlichen Erholungsur- sowie länger andauernder Arbeitsunfähigkeit keinen Von bruchteiligen Urlaubstagen ist die Rede, wenn unberechtigter Kürzung des gesetzlichen Mindestur- laub in Höhe von 15 Arbeitstagen (25/5 x 3 = 15 Tage). Urlaub nehmen. Nachdem die Klägerin an ihren Ar- der im Arbeitsvertrag vorgesehene Urlaubsanspruch laubs unwirksam. Verteilt sich die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit beitsplatz zurückgekehrt war, teilte der Beklagte der 8 Recht Aktuell 03/2018 LUTZ | ABEL LUTZ | ABEL Recht Aktuell 03/2018 9
ARBEITSRECHT PRIVATES BAURECHT PRIVATES BAURECHT Klägerin mit, er kürze den Urlaub für jeden vollen ansprüchen außerhalb des Teilurlaubs nach § 5 Kalendermonat der Elternzeit. Das Arbeitsverhältnis BUrlG vor. Den Arbeitsvertragsparteien steht es al- der Parteien wurde in der zweiten Hälfte des Kalen- lerdings frei, sowohl hinsichtlich des gesetzlichen derjahres beendet. Mindesturlaubs als auch des vertraglichen Mehrur- laubs eine Regelung zur Rundung von Urlaubstagen Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, soweit zu vereinbaren. Die Entscheidung ist nicht nur bei die Klägerin die Abgeltung von 74,58 Urlaubstagen einer etwaigen Kürzung des Urlaubsanspruchs auf- Sanierung eines Altbaus: Schallschutz muss Neubaustandard beantragt hat. Das Arbeitsgericht hat unter anderem grund von Elternzeit relevant. Insbesondere bei ei- die Auffassung vertreten, dass der Urlaubsanspruch nem Wechsel zwischen Vollzeit und Teilzeit besteht entsprechen! wirksam durch den Beklagten gekürzt worden sei. ein Umrechnungsbedürfnis. Die Berufung des Beklagten ist im Wesentlichen un- RAin Vera Lederer | lederer@lutzabel.com begründet gewesen. Mit seiner Revision verfolgt er Die umstrittene Frage, ob der Beklagte überhaupt seinen Antrag auf vollständige Klageabweisung hin- berechtigt war, den Erholungsurlaub aufgrund der sichtlich der Urlaubsabgeltung weiter. Elternzeit zu kürzen, musste das BAG (leider) nicht entscheiden. Dies haben die Vorinstanzen bereits 1. Einführung vor. Nach allgemeiner Meinung bestimmen sich die b) Entscheidungsbegründung des BAG rechtskräftig festgestellt. Es bleibt spannend, wie Anforderungen an Luft- und Trittschallübertragung, Die Revision des Beklagten hatte Erfolg, soweit der sich das BAG hierzu positionieren wird. In einer Zeit, in der Wohnraum heiß begehrt ist, die die den anerkannten Regeln der Technik genügen, bei Klägerin Abgeltung für mehr als 70,5 Arbeitstage zu- Immobilienbranche boomt und der frei bebaubare Wohnnutzung daher nach einem gegenüber der DIN- gesprochen wurden. Die Klägerin habe für das Jahr 4. Fazit Platz in den urbanen Ballungszentren knapp zu wer- Norm „erhöhten“ Schallschutz, für den im Beiblatt 2 2008 indes unter anderem einen Anspruch darauf, den droht, wird vermehrt auf Bauträgerkonzepte ge- zur DIN 4109 genauere Werte angegeben sind. dass der Beklagte 6,25 Arbeitstage für das Jahr 2008 Die Erfüllung des Urlaubsanspruchs stellt Arbeitge- setzt, die sich nicht auf die klassische Errichtung ei- abgilt. Dieser Anspruch sei nicht auf ganze Urlaubs- ber immer wieder vor Herausforderungen. Gerade nes Neubaus richten. Stattdessen konzentrieren sich Auch bei den sich aus der VDI-Richtlinie 4100 erge- tage zu runden. Es fehle hierfür an der erforderlichen für Zeiten der Nichtleistung des Arbeitnehmers be- Bauträgertätigkeiten in den Städten neben Nachver- benden drei verschiedenen Kategorien des Schall- Rechtsgrundlage. steht ein berechtigtes Bedürfnis von Arbeitgebern, dichtungsprojekten auch immer mehr auf die Kom- schutzes ist nach überwiegender Meinung der den Urlaubsanspruch entsprechend zu kürzen. plettsanierung von Bestandsimmobilien, allen voran „übliche“ Standard inzwischen auf der gegenüber Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 BUrlG lägen Bei der Abfassung von Arbeitsverträgen sollte be- Altbauten. Besonders beliebt sind dabei sog. Jahr- Schallschutzstufe I erhöhten Schallschutzstufe II zu nicht vor. Danach sind Bruchteile von Urlaubstagen, sondere Sorgfalt auf die Differenzierung zwischen hundertwendebauten, die um 1900 errichtet wurden. verorten. Dieser Standard entspricht ebenso den an- die mindestens einen halben Urlaubstag ergeben, der Gewährung des gesetzlichen Mindesturlaubs Dabei stellt sich nun die Frage, welchen Wohnstan- erkannten Regeln der Technik. auf volle Urlaubstage aufzurunden. Zum einen erge- und des vertraglichen Mehrurlaubs gelegt werden. dard der Käufer einer sanierten Altbauimmobilie er- be der von der Klägerin beanspruchte Bruchteil (0,25 Nur hinsichtlich letzterem steht den Arbeitgebern warten kann; schließlich haben sich die Anforderun- 3. Vorangegangene Entscheidungen zum Thema Arbeitstage Urlaub) keinen halben Urlaubstag. Zum ein weitreichender Regelungsspielraum zu. Um et- gen an Dämmung, Belichtung und Schallschutz einer Schallschutz in sanierten Altbauten anderen beantworte die Bestimmung allein die Fra- waige Rechtsstreitigkeiten bei der Gewährung und Wohnimmobilie in den letzten 100 Jahren drastisch ge, ob und unter welchen Voraussetzungen Teilurlaub Abgeltung von (anteiligen) Urlaubsansprüchen zu verändert. Wer allerdings denkt, dass der Käufer ge- Bereits 2005 entschied der BGH, dass die berechtig- nach § 5 Abs. 1 BurlG zu runden sei. Der der Klägerin vermeiden, sollten Arbeitsverträge eine gesonderte nerell in Bezug auf Aspekte des Wohnstandards Ab- ten Erwartungen, die ein Erwerber an einen Altbau für das Jahr 2008 zustehende Urlaub sei kein Teilur- Rundungsvorschrift vorsehen. Andernfalls ist der striche machen muss, irrt, zumindest, soweit es um stellen darf, der nach den vertraglichen Vereinbarun- laub im Sinne des § 5 Abs. 1 BUrlG. Dieser resultie- verbleibende (noch so geringe) Bruchteil eines Ur- den Schall- und Trittschutz geht. Die obergerichtliche gen bis auf die Grundmauern saniert worden sein soll, re allein daraus, dass das Arbeitsgericht – insoweit laubstages zu gewähren oder abzugelten. Rechtsprechung, Anfang des Jahres 2018 erneut be- auch die Herstellung eines Schallschutzes umfasst, rechtskräftig – davon ausgegangen sei, die Anwen- stätigt durch die hier besprochene Entscheidung des der den anerkannten Regeln der Technik entspricht. dung des § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG führe zu einem bruch- OLG Köln (Urteil vom 02.03.2018, Az.: 19 U 166/15), er- Verspricht der Veräußerer eines Altbauobjekts eine teiligen Urlaubsanspruch. legt auch bei Sanierung eines Altbaus dem Bauträger so weitgehende und umfassende Sanierung, darf der die Verpflichtung auf, in Bezug auf Schallschutzan- Erwerber dies grundsätzlich dahingehend verstehen, § 5 Abs. 2 BUrlG sei im Übrigen nicht zu entnehmen, forderungen Neubauzustände herzustellen. dass der Veräußerer zu diesem Zweck im Rahmen dass ein Urlaubsanspruch in Bruchteilen ausge- des technisch Möglichen die Maßnahmen angewandt schlossen sei. Der Vorschrift sei nur zu entnehmen, 2. Technische Regelwerke und Schallschutzvorgaben hat, die erforderlich sind, um den Stand der aner- dass ein Urlaubsanspruch, der weniger als einen hal- kannten Regeln der Technik zu gewährleisten (vgl. ben Tag fasst, nicht aufzurunden sei, nicht aber, dass Justine Luterbach Die in der DIN-Norm 4109 geregelten Lärmwerte BGH, Urteil vom 16.12.2004, Az.: VII ZR 257/03). er ersatzlos entfällt. _ Rechtsanwältin enthalten Mindestanforderungen an den Schutz vor Luft- und Trittschallübertragungen, denen Menschen Im Jahre 2010 entschied das OLG Düsseldorf, dass bei c) Praxishinweis luterbach@lutzabel.com in Aufenthaltsräumen ausgesetzt sein dürfen. Die Umbau und Sanierung einer Eigentumswohnung der Das BAG hat zu Recht darauf abgestellt, dass Bruch- Norm schützt somit nur vor „unzumutbaren Beläs- Architekt grundsätzlich den heute üblichen Schall- teile von Urlaubstagen weder auf- noch abzurunden tigungen durch Schallübertragung“ und gilt in erster schutzstandard seiner Planung zugrunde zu legen sind. Das Bundesurlaubsgesetz sieht gerade kei- Linie im Hochbau, gibt aber darüber hinaus keine hat. Der Architekt schuldet eine funktionstaugliche ne Rechtsgrundlage für die Rundung von Urlaubs- Richtwerte für den Schallschutz bei Wohnnutzung Planung, die, sofern keine vertragliche Festlegung 10 Recht Aktuell 03/2018 LUTZ | ABEL LUTZ | ABEL Recht Aktuell 03/2018 11
PRIVATES BAURECHT PRIVATES BAURECHT des geschuldeten Schallschutzes erfolgt, in der Regel und zur Eigentumsverschaffung an den Kläger. Dabei Haftung des Bauträgers ausschlossen. Zu den zu baustandard entspricht, geschuldet ist. Diesen kann den üblichen Komfort- und Qualitätsstandards ent- vereinbarten die Parteien im notariellen Vertrag fol- erwartenden Qualitätsposten gehörte auch ein den ein Erwerber nach der Rechtsprechung berechtig- sprechend muss. Dies sei der heute „übliche“ erhöhte genden Passus: allgemein anerkannten Regeln der Technik entspre- terweise erwarten. Schallschutz, der über DIN 4109 hinausgehe (vgl. OLG chender (Tritt- und Luft-)Schallschutz. Üblich ist heut- Düsseldorf, Urteil vom 15.07.2010, Az.: 5 U 25/09). „Bezüglich etwaiger Mängel am Bauwerk: Im Hin- zutage nämlich nicht nur ein Mindestschutz nach der Sofern man von dieser Verpflichtung als Bauträger blick darauf, dass es sich bei dem Gesamtobjekt DIN 4109, sondern ein erhöhter Schallschutz, da die frei zu werden sucht, ist eine sorgfältige Formulie- Im Jahre 2013 bestätigte das OLG Brandenburg, dass und demgemäß bei dem Kaufgegenstand um ein DIN 4109 nicht mehr die nach den anerkannten Regeln rung in Bauträgerverträgen unabdingbar. Solange der Veräußerer eines Altbauobjekts, der sich zu einer bestehendes Gebäude handelt, werden für die der Technik zu erwartenden Mindestanforderungen an eine dem heutigen Standard entsprechende Schall- weitgehenden Sanierung verpflichtet hat, im Rahmen nicht zu verändernde Altbausubstanz alle Rech- den Schallschutz widerspiegelt. dämpfung technisch möglich ist, schuldet der Bau- des technisch Möglichen verpflichtet ist, die erfor- te und Ansprüche des Käufers wegen Mängeln träger diese auch, und zwar ohne ausdrückliche Ver- derlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Stand ausgeschlossen. Der Verkäufer haftet jedoch für Unter den Ausschluss, der sich auf die „nicht zu ver- einbarung, da sie für den Vertrag vorausgesetzt im der anerkannten Regeln der Technik zu gewährleis- grob fahrlässiges oder vorsätzliches Unterlassen ändernde Altsbausubstanz“ bezog, kann der Schall- Sinne des § 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB, jedenfalls aber ten. Haben die Parteien einen üblichen Qualitäts- und von notwendigen Renovierungsarbeiten an der schutz nicht subsumiert werden, da nach der Vor- für die gewöhnliche Verwendung notwendig ist, vgl. Komfortstandard vereinbart, muss sich nach dieser Altsubstanz. Im Übrigen richten sich die Ansprü- stellung des Käufers der Bauträger auch verpflichtet § 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB. Der bloße Hinweis, es Rechtsprechung das einzuhaltende Schalldämmmaß che des Käufers wegen Sachmängeln für die vom war, ggf. erforderliche Veränderungen vorzunehmen, bestehe ein Ausschluss der Haftung in Bezug auf die an dieser Vereinbarung orientieren. Häufig ergeben Verkäufer veranlassten Bauleistungen nach dem um eine Anpassung an heutige Standards zu errei- „nicht zu verändernde Altbausubstanz“, befreit den sich so aus den Vertragstexten Anforderungen an den Leistungsstörungsrecht des BGB.“ chen. In Bezug auf die Altbausubstanz wurde nur von Bauträger nicht von seiner Verpflichtung zur Herstel- Schallschutz, die deutlich über die Mindestanforde- einer unveränderten Dämmung/Isolierung der Au- lung erhöhten Schallschutzes. rungen hinausgehen und es deshalb rechtfertigen, Nach Einzug des Käufers und insbesondere Einzug ßenwände und des Kellers gesprochen, so dass über die Vereinbarung eines gegenüber den Schallschutz- des Nachbarn in der darüber liegenden Wohnung diese einzelnen Posten hinaus alle erforderlichen Damit muss aus Sicht des Bauträgers eine klare anforderungen der DIN 4109 erhöhten Schallschutzes beschwerte sich der Käufer über Lärmbelästigun- Baumaßnahmen vorzunehmen waren, um einen mo- und eindeutige Regelung im Bauträgervertrag ge- anzunehmen. Maßgebend sind dabei die im Vertrag gen und forderte die Beklagten zur Nacherfüllung dernen Wohnstandard zu erreichen. wählt werden, so dass die vereinbarte Beschaffen- zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen von der auf. Diese verneinten eine Nacherfüllungspflicht mit heit sich gerade nicht auf den erhöhten Schallschutz Qualität des Schallschutzes, also der Beeinträchti- Hinweis auf den Gewährleistungsausschluss aus Zudem ist nach Ansicht des OLG Köln der Haftungs- bezieht. Der Hinweis, die Mindestanforderungen der gung durch Geräusche. Zwar hat der Besteller in der Vertrag. Sie waren der Ansicht, dass auch der Schall- ausschluss jedenfalls auch deshalb nicht einschlägig, DIN 4109 seien eingehalten, genügt für einen Haf- Regel keine Vorstellung, welche tatsächlichen Be- schutz unter die von der Altbausubstanz vorgegebe- weil das Unterlassen entsprechender Maßnahmen tungsausschluss jedenfalls nicht, da diese für den lästigungen die in der DIN-Norm 4109 angegebenen nen Maßnahmen fiele und so vom Gewährleistungs- zur Schaffung eines erhöhten Schallschutzes durch vom Erwerber berechtigterweise zu erwartenden Schalldämmmaßen nach sich ziehen, der Besteller ausschluss erfasst sei. die Bauträger bzw. deren Architekten jedenfalls grob Schallschutz nicht maßgeblich sind. Wer von den „er- hat aber ein tatsächliches Interesse daran, inwie- fahrlässig war. Ihnen war bekannt gewesen bzw. je- höhten“ Schallschutzanforderungen abweichen will, weit er in den benachbarten Wohnungen entstehende 5. U rteil des OLG Köln vom 02.03.2018: die Entschei- denfalls hätte ihnen bei gehöriger Sorgfalt bekannt muss nicht nur Schallschutzwerte angeben; darüber Geräuschemissionen mithören kann und muss. dung sein müssen, dass sich die Schallschutzanforderun- hinaus muss ein expliziter Hinweis, dass von dem gen im Laufe von mehr als 100 Jahren grundlegend nach den anerkannten Regeln der Technik üblichen Will der Bauträger tatsächlich nur den „Mindeststan- Nach der Entscheidung des OLG Köln konnte der verändert haben und bei einer Altbausanierung, insbe- Standard abgewichen wird, sowie eine – beweisba- dard“ nach DIN 4109 vertraglich schulden, so muss er Käufer verlangen, dass die Wohnung heute üblichen sondere im Zusammenhang mit der Aufbringung neu- re – Erläuterung, was genau diese Abweichung für den Käufer darauf im Bauträgervertrag explizit hin- Schallschutzanforderungen entspricht. Auch wenn er Bodenbeläge, insoweit Maßnahmen erforderlich den Wohnkomfort bedeutet, erfolgen. Der Erwerber weisen und zwar in der Weise, dass sich der Käufer keine ausdrückliche Vereinbarung im Sinne des sind, um einen heutigen Maßstäben entsprechenden muss sich ein konkretes Bild davon machen können, eine tatsächliche Vorstellung vom Ausmaß der Ge- § 633 Abs. 2 S. 1 BGB über Schallschutzerforder- Schallschutz zu erreichen. inwiefern er Geräuschen aus den benachbarten Woh- räuschbeeinträchtigungen machen kann. Weiterhin nisse Teil des Vertrags wurde und dieser auch kein nungen ausgeliefert ist, sofern er nicht auf den „er- hat der Käufer auch darauf hinzuweisen, wenn unter Wort über die Anpassung der bestehenden Bausub- 6. Folgerungen aus dem Urteil für die Praxis höhten“ Schutz besteht. Der Bauträger muss zudem erhöhtem Kostenaufwand der Mindeststandard über- stanz an heute übliche Schallschutzanforderungen darauf hinweisen, wenn ein erhöhter Schutz unter schritten werden kann. Stellt er jedoch den „üblichen verlor, so konnte der Käufer einen heute üblichen Das vorgenannte Urteil bestätigt einmal mehr, dass Inkaufnahme höherer Kosten technisch möglich ist. Schallschutz” in Aussicht und hält er diesen Standard Schallschutzstandard doch als nach dem Vertrag die Rechtsprechung bei Altbausanierungen sehr nicht ein, geht dies zu seinen Lasten (vgl. OLG Bran- gewöhnliche Verwendung im Sinne des § 633 Abs. 2 hohe Anforderungen an den Schallschutz stellt und Gleichzeitig wirft das OLG Köln aber auch die Frage denburg, Urteil vom 13.06.2013, Az.: 12 U 162/12). S. 2 Nr. 2 BGB verlangen. Insbesondere wurde im – sofern nicht explizit und wirksam Abweichendes auf, ob ein solcher Haftungsausschluss nur als Indi- Bauvertrag Bezug genommen auf die „am heutigen vereinbart wird – der Bauträger, der grundlegend vidualvereinbarung möglich ist und im Rahmen von 4. U rteil des OLG Köln vom 02.03.2018: der Sachver- Tage anerkannten Regeln der Baukunst“ sowie die saniert, dazu verpflichtet ist, den „erhöhten“ Schall- Allgemeinen Geschäftsbedingungen generell nicht halt Verpflichtung des Bauherrn, Bauleistungen, die nicht schutz einzuhalten, der inzwischen anerkannte wirksam vereinbart werden kann. Nachdem das ausdrücklich beschrieben sind, in einer den sonstigen Regel der Technik ist. Da die meisten Altbausanie- Gericht das Unterlassen von schallschutzerhöhen- Der Kläger erwarb von den Beklagten eine 129 qm Leistungen entsprechenden Qualität auszuführen. rungen aufgrund des herrschenden Marktdrucks den Maßnahmen, die der Anpassung an die heutigen große Eigentumswohnung im ersten Obergeschoss Angesichts dieser Beschreibungen durfte der Käu- und der Käufererwartungen mittlerweile ganzheit- Standards dienen, als grob fahrlässig wertete, stellt eines Altbaus aus dem Jahre 1900 in Köln. Im Vertrag fer erwarten, dass das Gebäude vollumfänglich auf lich durchgeführt werden, wird man in der Praxis sich die Frage, inwiefern ein Haftungsausschluss mit verpflichteten sich die Beklagten, damit die Bauträ- einen zeitgemäßen Standard gebracht wurde, mit bei beinahe jeder Altbausanierung davon ausgehen § 309 Nr. 7 lit. b BGB vereinbar ist. Das Gericht geht ger, zur vollständigen Modernisierung des Bauwerks Ausnahme derjenigen Posten, die ausdrücklich eine müssen, dass ein erhöhter Schallschutz, der Neu- davon aus, dass planende und ausführende Unter- 12 Recht Aktuell 03/2018 LUTZ | ABEL LUTZ | ABEL Recht Aktuell 03/2018 13
PRIVATES BAURECHT PRIVATES BAURECHT nehmen bei Zugrundlegung der gehörigen Sorgfalt BGB kaum wirksam vereinbart werden, ist de facto 2. Entscheidung des BGH Die damit verbundene Rechtsunsicherheit gelte es hätten erkennen müssen, dass die Schallschutzan- jeder Bauträger verpflichtet, bei Altbausanierungen jedoch zu vermeiden. Die bindend gewordene Auf- forderungen vor 100 Jahren andere waren als die Neubaumaßstäbe in Bezug auf den Schallschutz an- Der BGH hat mit Urteil vom 14.09.2018 (Az.: V ZR 213/17) lassung bilde eine Zäsur. Im Anschluss daran seien heutigen und dass es bei einer Altbausanierung er- zulegen. entschieden, dass Änderungen eines Grundstücks- Änderungen formlos möglich. forderlich ist, den heute üblichen Standard in dieser kaufvertrags nach der Auflassung formlos möglich Hinsicht herzustellen. sind, wenn die Auflassung bindend geworden ist Nach alledem liegen aus Sicht des BGH deutlich (§ 873 Abs. 2 BGB). Dies ist der Fall, wenn die Auflas- überwiegende oder schlechthin zwingende Gründe Sollte diese Rechtsprechung bestätigt werden, ist Vera Lederer sung – wie heute regelmäßig – zusammen mit dem für eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung die Anhebung des Schallschutzstandards bei Alt- Kaufvertrag erklärt und der Notar angewiesen wird, nicht vor. Letztendlich sei die Handhabung in der Pra- _ Rechtsanwältin bausanierungen kaum zu vermeiden; lediglich eine den Antrag auf Umschreibung des Eigentums beim xis anerkannt und habe sich bewährt. Insofern müsse (echte und wirksame) Individualvereinbarung würde lederer@lutzabel.com Grundbuchamt erst zu stellen, wenn der vollständi- schon im Interesse der Kontinuität der Rechtspre- vorliegend noch eine Beschränkung auf den Mindest- ge Kaufpreis eingegangen ist (sog. Vorlagesperre). chung und der Rechtssicherheit daran festgehalten standard nach DIN möglich machen. Da diese in der Bis dahin darf der Notar keine Ausfertigung oder werden, dass Grundstückskaufverträge nach erfolg- Praxis selten vorkommen und in Anbetracht der Ver- beglaubigte Abschrift der Urkunde erteilen, die die ter Auflassung formfrei geändert werden können. braucherschutzbestimmungen gemäß § 310 Abs. 3 Auflassung enthält (sog. Ausfertigungssperre). Das gleiche gilt, wenn im Kaufvertrag die Bewilligung der Eigentumsumschreibung noch nicht erklärt, sondern 3. Praxishinweis der Notar bevollmächtigt wird, die Eintragungsbewil- ligung namens des Veräußerers zu erklären, sobald Trotz der Rechtsprechung des BGH kann es ratsam ihm die vollständige Kaufpreiszahlung nachgewiesen sein, nachträgliche Änderungen von Grundstücks- worden ist (sog. Bewilligungslösung). kaufverträgen zu beurkunden. Insbesondere bei Bauträgerverträgen liegt oft ein nicht unerheblicher BGH: Formlose Änderungen von Grundstückskaufverträgen Zunächst, so das Gericht, stehe die bisherige Recht- Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Eintragung sprechung des BGH im Einklang mit Sinn und Zweck des Eigentums im Grundbuch. Denn die letzte Kauf- nach bindender Auflassung möglich des Formerfordernisses. Denn die Parteien bedür- preisrate wird erst mit vollständiger Fertigstellung fen des Schutzes, der mit einer Beurkundung durch fällig und der Erwerber regelmäßig erst als Eigentü- RA Nikolaus Thielen | thielen@lutzabel.com den Notar bezweckt wird, dann nicht mehr, wenn die mer im Grundbuch eingetragen, wenn der Kaufpreis schuldrechtlichen Erklärungen der Parteien bereits bezahlt worden ist. Aus Gründen der Rechtssicher- beurkundet worden sind und diese zudem die für die heit, zur ordnungsgemäßen Dokumentation und aus angestrebte Rechtsänderung erforderlichen dingli- Beweisgründen kann es sich deshalb anbieten, Ver- Der Bundesgerichtshof hält an seiner bisherigen Schutzfunktion). Das gilt nach ganz herrschender chen Erklärungen, also die Auflassung, in bindender tragsänderungen trotz der ergangenen Entscheidung Rechtsprechung zur Änderung bei Grundstücks- Meinung auch für Änderungen oder Ergänzungen ei- Form abgegeben haben. Schließlich haben die Ver- des BGH zu beurkunden, vor allem wenn die damit kaufverträgen fest. Danach sind Änderungen eines nes schon beurkundeten, aber noch nicht durch Auf- tragsparteien damit ihre jeweiligen Leistungshand- verbundenen Kosten wirtschaftlich nicht ins Gewicht Grundstückskaufvertrags nach der Auflassung form- lassung (Einigung zur Übertragung des Eigentums) lungen unwiderruflich erbracht. Wenn die Auflassung fallen. los möglich, wenn die Auflassung bindend geworden vollzogenen Grundstückskaufvertrags. Eine Ausnah- bindend geworden ist, werde ein Automatismus in ist. Die davon abweichende Entscheidung des Ober- me vom Formzwang greift, wenn mit den Änderungen Gang gesetzt, um den Eigentumswechsel zur Eintra- landesgerichts Stuttgart vom 18.07.2017 (vgl. hierzu lediglich unvorhergesehene Abwicklungsschwierig- gung zu bringen. Damit aber seien der Schutzzweck Thielen in: Recht Aktuell 2/2018, Seiten 23 f.) hat der keiten behoben werden sollen, ohne die beiderseiti- des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB erreicht und weitere Ver- Nikolaus Thielen Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 14.09.2018 gen Verpflichtungen wesentlich zu verändern. einbarungen der Parteien, sofern durch sie nicht _ Rechtsanwalt (Az.: V ZR 213/17) aufgehoben. Erwerbs- und Veräußerungspflichten geändert oder _ Fachanwalt für Bau- und Kontrovers diskutiert wird seit jeher die Frage, ob neu begründet werden, von der Beurkundungspflicht Architektenrecht 1. Hintergrund Änderungen nach der formgerecht und bindend er- auszunehmen. Außerdem sei zu beachten, dass ein thielen@lutzabel.com klärten Auflassung, jedoch vor Eintragung der Auf- Formmangel bei nachträglichen Änderungen eines Grundstückskaufverträge sind gem. § 311b Abs. 1 S. 1 lassung im Grundbuch, beurkundungsbedürftig sind. Grundstückskaufvertrags im Zweifel zur Nichtigkeit BGB formbedürftig und müssen durch einen Notar Das OLG Stuttgart bejahte diese Frage und schloss des gesamten Vertrags mit allen Nebenabreden führe. beurkundet werden. Die Beurkundungspflicht soll sich damit der Kritik an der bisherigen Rechtspre- den Beweis über die Art und den Inhalt der Verein- chung des BGH durch einzelne Oberlandesgerichte barungen sichern, den Veräußerer und den Erwerber und der überwiegenden Literatur an. vor übereilten Verträgen bewahren, sie auf die Wich- tigkeit des Geschäfts hinweisen und ihnen durch die Vor diesem Hintergrund wurde mit Spannung erwar- Mitwirkung des sachkundigen und unparteiischen tet, ob der BGH diese Kritik aufgreifen und von sei- Notars die Möglichkeit rechtskundiger Belehrung ner bisherigen Rechtsprechung abweichen oder auch und Beratung eröffnen (Beweisfunktion, Warn- und künftig daran festhalten würde. Letzteres ist der Fall. 14 Recht Aktuell 03/2018 LUTZ | ABEL LUTZ | ABEL Recht Aktuell 03/2018 15
ÖFFENTLICHES BAURECHT ÖFFENTLICHES BAURECHT ÖFFENTLICHES BAURECHT der Frage zu beziehen, unter welchen Voraussetzun- Wohnnutzung (§ 3 Abs. 3 Nr. 1, § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO), gen gemäß § 13b BauGB „Wohnnutzungen“ auf Flä- Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesund- chen begründet werden können, die sich an im Zu- heitliche und sportliche Zwecke (§ 3 Abs. 3 Nr. 2, § 4 sammenhang bebaute Ortsteile „anschließen“. Abs. 2 Nr. 3 BauNVO) sowie Räume oder Gebäude für die Ausübung freier Berufe (§ 13 BauNVO) vom Wohn- a) Zum Begriff des „Anschließens“ nutzungsbegriff des § 13b BauGB umfasst sind. Die Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Hinsichtlich der nach § 13b BauGB überplanbaren Au- Verfahren nach § 13b BauGB – eine Bestandsanalyse anhand ßenbereichsflächen geht der BayVGH davon aus, dass die Vorschrift eine Zersiedelung des Außenbereichs 3. Entscheidung des BayVGH vom 09.05.2018 aktueller Rechtsprechung grundsätzlich nicht zulasse. Dies sei der Fall, wenn der Fast zeitgleich zur Entscheidung des 15. Senats hatte vorhandene Siedlungsbereich nicht lediglich „abrun- auch der 2. Senat des BayVGH die Möglichkeit, sei- RA Sebastian Vorwalter | vorwalter@lutzabel.com dend“ in den Außenbereich erweitert werde, sondern ne Auffassung von der zutreffenden Interpretation bei städtebaulich wertender Betrachtung tatsächlich des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Wohnnut- ein neuer Siedlungsbereich im bisherigen Außenbe- zungen“ darzulegen. Mit Beschluss vom 09.05.2018 Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) Gemäß § 13b S. 1 BauGB gilt § 13a entsprechend reich entstehe, der sich vom bestehenden Ortsrand (Az.: 2 NE 17.2528) ergriff der 2. Senat außerdem die hatte sich unlängst in zwei Entscheidungen erstmals ersichtlich absetze und deshalb einen qualitativ neuen Gelegenheit, der in der Literatur teilweise vertrete- mit der Frage zu befassen, ob und unter welchen „für Bebauungspläne mit einer Grundfläche im Sin- Ansatz für künftige Siedlungserweiterungen vorgebe. nen Ansicht entgegenzutreten, § 13b BauGB verstoße Voraussetzungen ein Bebauungsplanverfahren im ne des § 13a Absatz 1 Satz 2 von weniger als 10 000 gegen Europarecht. beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB durch- Quadratmetern, durch die die Zulässigkeit von Wohn- Außenbereichsflächen sollen sich dann nicht mehr geführt werden kann. nutzungen auf Flächen begründet wird, die sich an im Sinne von § 13b BauGB an im Zusammenhang be- a) Zum Begriff der „Wohnnutzungen“ im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen.“ baute Ortsteile „anschließen“, wenn eine Anbindung Als möglich erachtet der 2. Senat sowohl die Festset- an den bestehenden Siedlungsbereich nur über eine zung eines reinen Wohngebietes gemäß § 3 BauNVO 1. Hintergrund Ausgehend von diesem Gesetzeswortlaut ist bislang im Verhältnis zur Gesamtgröße des neuen Bauge- als auch die Ausweisung eines allgemeinen Wohnge- nicht abschließend geklärt, welche Außenbereichs- biets völlig untergeordnete gemeinsame Grenze er- bietes nach § 4 BauNVO (so wohl auch OVG Koblenz Im Rahmen der jüngsten Novellierung des Bau- flächen sich im Verfahren nach § 13b BauGB über- folge, der weitaus größte Teil des neuen Baugebiets vom 07.06.2018, Az.: 1 C 11757/17). Grundsätzlich zu- gesetzbuches (BauGB) hat der Gesetzgeber unter haupt überplanen lassen, insbesondere, was unter sich aber derart vom bestehenden Ortsrand in den lässig könnten dabei insbesondere auch Nutzungen anderem den Anwendungsbereich des sog. be- dem Begriff „anschließen“ zu verstehen ist. Raum Außenbereich hinein absetze, dass letztlich ein neuer, nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BauNVO sein. schleunigten Verfahrens zur Aufstellung von Be- für unterschiedlichste Interpretationen lässt ferner selbstständiger Siedlungsansatz entstehe. bauungsplänen der Innenentwicklung nach § 13a die Formulierung „Wohnnutzungen“. Insbesondere Zudem hält es der 2. Senat nicht für notwendig, bei BauGB ausgedehnt. Durch Einführung des § 13b enthält das Gesetz keine konkretisierende Aussage b) Zum Begriff der „Wohnnutzungen“ Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes alle BauGB gelten die Verfahrenserleichterungen des dazu, welche Baugebiete der Baunutzungsverord- Den Begriff der „Wohnnutzungen“ legt der BayVGH ausnahmsweise zulässigen Nutzungen nach § 4 Abs. 3 § 13a Abs. 2 BauGB nunmehr auch bei der Aufstel- nung (BauNVO) sich auf Grundlage dieses Rechtsbe- tendenziell zurückhaltend aus. Hiervon dürften – so BauNVO auszuschließen: Wegen ihres im Hinblick auf lung von Bebauungsplänen, die bestimmte Außen- griffes festsetzen lassen und welche Nutzungen im der 15. Senat – Gebietsartfestsetzungen umfasst Art. 3 Abs. 3 der „Richtlinie 2001/42/EG über die Prü- bereichsflächen betreffen. Einzelnen zulässig sind. sein, nach denen Wohngebäude, wohnähnliche Be- fung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und treuungseinrichtungen und eine damit unmittelbar Programme vom 27. Juni 2001“ (SUP-RL) möglichen Auf die formale Umweltprüfung und die Erstellung ei- Die Anwendung des beschleunigten Verfahrens nach zusammenhängende technische Infrastruktur (z.B. Beeinträchtigungspotentials seien lediglich die aus- nes Umweltberichtes kann bei Anwendung des § 13b § 13b BauGB ist folglich mit erheblichen Rechtsunsi- Verkehrsflächen, Stellplätze, Garagen, Anlagen der nahmsweise zulässigen Nutzungen nach § 4 Abs. 3 BauGB daher verzichtet werden. Hiermit verbunden cherheiten verknüpft. Über den nach § 13b BauGB zu- Wasser- und Energieversorgung) zulässig sind. Nr. 1, 2, 3 und 5 BauNVO – nicht aber die Nutzungen ist ein nicht unerhebliches Beschleunigungspotential. stande gekommenen Bebauungsplänen schwebt regel- im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 4 BauNVO (Gartenbaube- Auch entfällt die an sich notwendige Ausgleichs- mäßig das Damoklesschwert der Unwirksamkeit. Vor Offen gelassen wurde die in der Literatur umstritte- triebe) – auszuschließen. pflicht für Eingriffe in die Natur und Landschaft, die diesem Hintergrund mag es nicht verwundern, dass die ne und grundlegende Frage, ob allgemeine Wohnge- in der Planungspraxis nicht selten eine hohe Hürde kommunale Praxis bislang eher verhalten von dem rela- biete gemäß § 4 BauNVO im vereinfachten Verfahren Aus Sicht des Senats seien grundsätzlich auch an- bei der Ausweisung neuer Bauflächen darstellt. tiv neuen Planungsinstrument Gebrauch gemacht hat. nach § 13b BauGB überhaupt wirksam festgesetzt dere als reine Wohnnutzungen oder wohnähnliche werden können oder ob die Vorschrift ausschließlich Nutzungen in einem Plangebiet nach § 13b BauGB Mit der Regelung des § 13b BauGB verfolgt der Ge- Ob die bestehenden Rechtsunsicherheiten bei Anwen- die Festsetzung eines reinen Wohngebietes nach § 3 möglich, sofern sie sich mit dem Ausnahmecharakter setzgeber offensichtlich das Ziel, den Kommunen dung des § 13b BauGB durch die unlängst ergangenen BauNVO ermöglicht. Bei Festsetzung eines allgemei- des Art. 3 Abs. 3 SUP-RL vereinbaren ließen und ein ein attraktives Planungsinstrument zur Verfügung Entscheidungen des BayVGH (vollständig) ausgeräumt nen Wohngebietes müssten jedenfalls über § 1 Abs. 5 Beeinträchtigungspotential hinsichtlich der Umwelt- zu stellen, mit dem auf einer räumlich beschränkten worden sind, wird im Folgenden näher beleuchtet. BauNVO sämtliche Nutzungen ausgeschlossen wer- belange möglichst gering bleibe. Es sei insbesondere Fläche im Außenbereich neuer Wohnraum geschaf- den, die ausnahmsweise zugelassen werden könnten nicht erkennbar, inwieweit beispielsweise Kinderbe- fen werden kann – attraktiv deshalb, weil das Verfah- 2. Entscheidung des BayVGH vom 04.05.2018 (also: § 4 Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 5 BauNVO). treuungseinrichtungen, die für den Bedarf im Gebiet ren nach § 13b BauGB im Vergleich zum regulären nötig wären, ein Beeinträchtigungspotential hin- Bauleitplanverfahren zügiger und kostengünstiger Mit Beschluss vom 04.05.2018 (Az.: 15 NE 18.382) Nicht entschieden hat der 15. Senat weiter, ob Ein- sichtlich der Umweltbelange darstellen sollten. Ent- durchführbar ist. hatte der BayVGH erstmals Gelegenheit, Stellung zu richtungen mit Versorgungsfunktion in Bezug auf die sprechend wären auch grundsätzlich für das Gebiet 16 Recht Aktuell 03/2018 LUTZ | ABEL LUTZ | ABEL Recht Aktuell 03/2018 17
ÖFFENTLICHES BAURECHT ÖFFENTLICHES BAURECHT nötige Infrastruktureinrichtungen ohne Beeinträch- des bestehenden Siedlungsbereiches zu. Bei dem SUP-RL endgültig zu beseitigen. Offen bleiben kann nutzungen“ bemüht, überzeugt dies nicht, da die Er- tigungspotential im Sinne des Art. 3 Abs. 3 SUP-RL Plangebiet muss es sich um eine sog. Arrondierungs- dabei, ob dem 2. Senat insoweit zuzustimmen ist, als heblichkeit potentieller Umweltauswirkungen durch nicht gänzlich ausgeschlossen, wobei dies stets einer fläche handeln. Dies setzt voraus, dass die gesamte die Grundflächenbegrenzung in § 13b BauGB mit der die erstmalige Bebauung des besonders sensiblen Einzelfallprüfung bedürfe. Fläche im unmittelbaren räumlichen Anschluss an Rechtsprechung des EuGH zum Kriterium des „klei- und für die Umwelt an sich bedeutsamen Außenbe- den bestehenden Siedlungsbereich liegt. Insofern nen Gebiets auf lokaler Ebene“ i.S.v. Art. 3 Abs. 3 SUP- reichs dadurch nicht (hinreichend) relativiert wird. b) Z ur Vereinbarkeit des § 13b BauGB mit dem erscheint es erforderlich, dass der Siedlungsbereich RL vereinbar sein soll. Nach Art. 3 Abs. 5 SUP-RL ist Das letzte Wort scheint hier jedenfalls noch nicht ge- Unionsrecht und das Plangebiet über mehr als nur eine gemein- es nämlich zudem erforderlich, dass Bebauungsplä- sprochen. Nach Auffassung des 2. Senats verstoße § 13b BauGB same Grenze verfügen und sich die äußerste Grenze ne im Sinne des § 13b BauGB voraussichtlich keine er- nicht gegen die Vorgaben der SUP-RL. Den Mitglied- bzw. die äußeren Grenzen der Arrondierungsfläche heblichen Umweltauswirkungen haben werden, was Die Rechtsprechung des BayVGH zu § 13b BauGB staaten der Union sei es unter den Voraussetzun- als natürliche Fortsetzung des Ortsrandes darstel- anhand der Kriterien des Anhangs II der SUP-RL zu steht noch ganz am Anfang. Aus Sicht der planenden gen des Art. 3 Abs. 3, Abs. 5 SUP-RL möglich, ab- len, sich zumindest aber an der bestehenden Orts- beurteilen ist. Insofern ist festzustellen, dass Be- Gemeinden und Städte gilt es daher, die weiteren Ent- strakt-generell festzulegen, dass bestimmte Pläne randgrenze orientieren. Auf das Planungsinstrument bauungspläne gemäß § 13b BauGB den besonders wicklungen sorgsam im Auge zu behalten. ohne Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB erlassen des beschleunigten Verfahrens nach § 13b BauGB sensiblen Außenbereich betreffen. Im Gegensatz zu werden könnten. Hiervon habe der nationale Gesetz- kann hingegen dann nicht mehr zurückgegriffen wer- Bebauungsplänen der Innenentwicklung kommt es geber mit Einführung des § 13b BauGB in zulässiger den, wenn sich die zu überplanende Außenbereichs- bei Planungen nach § 13b BauGB regelmäßig erst- Weise Gebrauch gemacht. fläche ersichtlich vom bestehenden Ortsrand ab- malig zu einer Beeinträchtigung bislang unbebauter setzt, der Ortsrand „ausfranst“ oder das Plangebiet Flächen und zu nicht unerheblichen Bodenversiege- Im Hinblick auf die Kombination einer vergleichsweise gar weit in den Außenbereich hineinragt. lungen. Der Eingriff in und die Auswirkungen auf die Sebastian Vorwalter kleinen überbaubaren Grundfläche sowie der Ein- Belange der Umwelt wiegen daher vergleichsweise _ Rechtsanwält schränkung der Nutzungsart auf Wohnnutzung sei Demgegenüber sind die Feststellungen des BayVGH hoch. Im Tatbestand des § 13b BauGB fehlt es indes der Verzicht auf die Umweltprüfung im Rahmen des zur Auslegung des Begriffs „Wohnnutzungen“ nur an einem qualitativen Merkmal, aufgrund dessen die vorwalter@lutzabel.com beschleunigten Verfahrens nach § 13b BauGB hinrei- bedingt geeignet, für Rechtssicherheit bei der An- Auswirkungen einer erstmaligen Bebauung bislang chend begründet und stehe davon abgesehen in Ein- wendung des § 13b BauGB zu sorgen. Zwar scheint frei gehaltener Flächen auf die Umwelt a priori als klang mit den im Urteil vom 21.12.2016 (Az.: C-444/15) zwischen den Senaten insofern Konsens zu beste- nicht erheblich eingestuft werden könnten. Sofern getroffenen Vorgaben des Europäischen Gerichts- hen, als vom Merkmal der „Wohnnutzungen“ nicht der 2. Senat des BayVGH hier den Begriff der „Wohn- hofes (EuGH). nur Wohngebäude, sondern auch wohnähnliche Nut- zungen und die notwendige technische Infrastruktur In dieser Entscheidung habe der EuGH den Begriff erfasst sein sollen. Während der 2. Senat darüber des „kleinen Gebiets auf lokaler Ebene“ i.S.v. Art. 3 hinaus klarstellt, dass er die Festsetzung eines rei- Abs. 3 SUP-RL dahingehend näher definiert, dass nen und eines allgemeinen Wohngebietes und bei der Plan von einer lokalen Behörde im Gegensatz letztgenanntem Wohngebiet auch Nutzungen nach zu einer regionalen oder nationalen Behörde aus- § 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BauNVO für zulässig erachtet, gearbeitet und erlassen worden sein muss und das lässt der 15. Senat diese praxisrelevante Problematik fragliche Gebiet innerhalb des räumlichen Zustän- hingegen ausdrücklich offen. Hinsichtlich der Frage, digkeitsgebiets der lokalen Behörde im Verhältnis zu welche nur ausnahmsweise zulässigen Nutzungen diesem Zuständigkeitsgebiet nur eine geringe Größe nach § 4 Abs. 3 BauNVO auszuschließen sind, sofern aufweist. Da Bebauungspläne von der zuständigen ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt wird, setzt Gemeinde und damit einer lokalen Behörde erlassen sich der 2. Senat überdies in Widerspruch zum Be- würden und die überbaubare Grundfläche von weni- schluss des 15. Senats; auszuschließen seien nicht ger als 10.000 qm als klein anzusehen sei, seien nach alle ausnahmsweise zulässigen Nutzungen nach Auffassung des 2. Senats des BayVGH die vom EuGH § 4 Abs. 3 BauNVO, sondern nur die Nutzungen nach genannten Kriterien erfüllt. § 4 Abs. 3 Nr. 1, 2, 3 und 5 BauNVO. Letztlich bergen zu weitgehende Festsetzungen zur Art der baulichen 4. Bewertung und Ausblick Nutzung im Rahmen eines nach § 13b BauGB aufge- stellten Bebauungsplans daher das nicht unerhebli- Die beiden Entscheidungen des BayVGH bieten ers- che Risiko der Unwirksamkeit des Plans. Aus Grün- te Anhaltspunkte, unter welchen Bedingungen eine den der Rechtssicherheit sind Kommunen deshalb Überplanung von Außenbereichsflächen im beschleu- gut beraten, zurückhaltende Festsetzungsvarianten nigten Verfahren gemäß § 13b BauGB zulässig ist. zu wählen. Der BayVGH legt das Tatbestandsmerkmal des „An- Schließlich ist die Entscheidung des BayVGH nicht schließens“ zu Recht restriktiv aus. Im Ergebnis lässt geeignet, sämtliche Zweifel an der Unionsrechts- § 13b BauGB lediglich eine abrundende Erweiterung konformität des § 13b BauGB mit den Vorgaben der 18 Recht Aktuell 03/2018 LUTZ | ABEL LUTZ | ABEL Recht Aktuell 03/2018 19
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