RECHT AKTUELL 03 / 2018 - Lutz Abel

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RECHT AKTUELL
03 / 2018
RECHT AKTUELL 03/2018

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

gerne nutzen wir die letzte Ausgabe von Recht Aktuell in diesem Jahr, um einen Blick zurückzuwerfen und die
letzten 12 Monate Revue passieren zu lassen. 2018 war erneut von Wachstum geprägt; wir konnten insgesamt
zehn neue Anwältinnen und Anwälte für die Kanzlei gewinnen und insbesondere unsere Standorte in Hamburg
und Stuttgart personell deutlich stärken. Gemeinsam mit Ihnen haben wir zahlreiche Projekte erfolgreich ge-
meistert und uns neuen Themen und Herausforderungen gestellt.

Wir sind mit unserem Team aus erfahrenen sowie jungen Kolleginnen und Kollegen für die Zukunft bestens
aufgestellt und freuen uns darauf, Sie weiterhin juristisch zu begleiten. Ohne Sie, unsere Mandanten, guten
Kontakte, Kooperationspartner und Kollegen, wäre der Erfolg der vergangenen Jahre nicht möglich gewesen.
Daher gilt Ihnen unser besonderer Dank.

Lassen Sie sich nun wieder über neue Entwicklungen und aktuelle Gerichtsentscheidungen aus den von uns
betreuten Rechtsgebieten informieren. Außerdem finden Sie auf den folgenden Seiten einen Ausblick auf in-
teressante Veranstaltungen, insbesondere die Termine unserer LUTZ | ABEL Frühstücksveranstaltungen, zu
denen wir Sie herzlich einladen. Für Fragen stehen Ihnen die Autoren sowie das gesamte LUTZ | ABEL Team
gerne zur Verfügung.

Wir wünschen Ihnen ein frohes Weihnachtsfest, geruhsame Feiertage und einen guten Start in das Jahr 2019.

Herzliche Grüße

Ihre LUTZ | ABEL Rechtsanwalts GmbH

LUTZ | ABEL                                                                              Recht Aktuell 03/2018   3
VERANSTALTUNGEN

    ARBEITSRECHT                                                                                              IT-RECHT UND DATENSCHUTZ

    Veranstaltungsreihe ARBEITSRECHT IM MITTELSTAND                                                           Fachkongress Onlinemarketing und Social Media in der
                                                                                                              Energiewirtschaft 2019
    Unsere laufende Veranstaltungsreihe ARBEITSRECHT IM MITTELSTAND ist speziell für mittelständische         Energieforen Leipzig GmbH                                              Dr. André Schmidt, u. a.
    Unternehmen konzipiert: ausgewählte Themen, hoher Praxisbezug, Zeit für Austausch und Diskussion.         19. Februar 2019 - 20. Februar 2019 in Leipzig

    VI. Compliance im Mittelstand                                                                             www.energieforen.de
    	Typische Unternehmerrisiken managen:
        Scheinselbstständigkeit, Datenklau und Durchsuchungen
        17. Januar 2019 in München (stetter Rechtsanwälte)       Dr. Philipp Byers,                           REAL ESTATE
                                                                 Dr. Sabine Stetter (stetter Rechtsanwälte)
                                                                                                              Update Bauträgerrecht 2019
    Update Arbeitsrecht 2019                                                                                  LUTZ | ABEL Frühstück
    LUTZ | ABEL Frühstück                                        Dr. Philipp Byers,                           21. März 2019 in München                                               Dr. Kilian K. Eßwein
    21. Februar 2019 in München                                  Dr. Henning Abraham,
    27. Februar 2019 in Stuttgart                                Claudia Knuth, u. a.
    28. Februar 2019 in Hamburg                                                                               VENTURE CAPITAL

    Der neue Beschäftigtendatenschutz                                                                         Angel Expertise
    BECK Seminare                                                Dr. Philipp Byers                            BANDakademie                                                           Dr. Lorenz Jellinghaus,
    28. März 2019 in Stuttgart                                                                                29. Januar 2019 in Hamburg                                             u.a.
    27. September 2019 in Frankfurt am Main
                                                                                                              www.business-angels.de
    www.beck-seminare.de

    Bayerische Datenschutztage                                                                                VERGABERECHT
    Bayerische Akademie für Verwaltungs-Management GmbH          Dr. Philipp Byers, u.a.
    19. Februar 2019 - 20. Februar 2019 in Bad Staffelstein                                                   Nachprüfungsverfahren
                                                                                                              FORUM Institut für Management GmbH                                     Tobias Osseforth, Mag. rer. publ.
    www.verwaltungs-management.de                                                                             31. Januar 2019 in Frankfurt am Main

                                                                                                              www.forum-institut.de
    ÖFFENTLICHES BAURECHT
                                                                                                              Die neue VOB/A 2019: Vergabe von Bauleistungen
    Update Öffentliches Baurecht 2019                                                                         vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V.               Tobias Osseforth, Mag. rer. publ.
    LUTZ | ABEL Frühstück                                        Dr. Christian Braun                          23. Mai 2019 in München
    12. Februar 2019 in München
                                                                                                              www.vhw.de

    GESELLSCHAFTSRECHT
                                                                                                              KONTAKT
    Gesellschafterstreit
    BECK Seminare                                                                                             Für Fragen zu den Veranstaltungen und zur Anmeldung stehen Ihnen die Referenten sowie Verena Konto
    21. März 2019 in Frankfurt am Main                                                                        (Telefon: +49 89 544 147-0, E-Mail: marketing@lutzabel.com) gerne zur Verfügung.
    22. März 2019 in Frankfurt am Main                           Dr. Reinhard Lutz,
                                                                 Dr. Christian Dittert                        Weitere Informationen finden Sie darüber hinaus auf unserer Internetseite unter www.lutzabel.com/termine
    www.beck-seminare.de

4   Recht Aktuell 03/2018                                                                      LUTZ | ABEL    LUTZ | ABEL                                                                              Recht Aktuell 03/2018   5
INHALTSVERZEICHNIS

                                                                                                                Arbeitsrecht
                                                                                                              8 Rundung von bruchteiligen Urlaubstagen                            Justine Luterbach

                                                                                                                Privates Baurecht
                                                                                                             11 Sanierung eines Altbaus: Schallschutz muss Neubaustandard         Vera Lederer
                                                                                                                entsprechen!

                                                                                                             14 BGH: Formlose Änderungen von Grundstückskaufverträgen             Nikolaus Thielen
                                                                                                                nach bindender Auflassung möglich

                                                                                                                Öffentliches Baurecht
                                                                                                             16 Die Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte    Sebastian Vorwalter
                                                                                                                Verfahren nach § 13b BauGB – eine Bestandsanalyse anhand
                                                                                                                aktueller Rechtsprechung

                                                                                                                Beihilfen- und Kartellrecht
                                                                                                             20 Müssen kartellbeteiligte Unternehmen bei der vergaberechtlichen   Christoph Richter
                                                                                                                Selbstreinigung Harakiri begehen, um nicht ausgeschlossen zu
                                                                                                                werden?

                                                                                                                Gesellschaftsrecht
                                                                                                             22 (Beteiligungs-)Verträge auf Englisch – Ab wann macht es Sinn      Dr. Bernhard Noreisch, LL.M.
                                                                                                                und worauf sollte man achten?

                                                                                                             24 Gesellschafter Ahoi! – Zur Nichtigkeit eines in der GmbH-         Anna Zaprutckaja
                                                                                                                Gesellschafterversammlung gefassten Beschlusses wegen
                                                                                                                Rechtsmissbrauchs

                                                                                                                IT-Recht und Datenschutz
                                                                                                             27 Werner vom Vertrieb sagt: „Hallo!“ – Was Unternehmen bei der      Julia Storkenmaier
                                                                                                                Veröffentlichung von Mitarbeiterfotos beachten müssen

                                                                                                                Restrukturierung und Insolvenz
                                                                                                             30 Evaluierung des ESUG – Reform grundsätzlich gelungen,             Kristina Meier
                                                                                                                Nachsteuern des Gesetzgebers wünschenswert

Bitte beachten Sie die in vielen Fällen drohende Jahresendverjährung zum 31. Dezember 2018. Bitte prüfen
Sie Ihre Unterlagen auf Ansprüche, die möglicherweise von der Verjährung betroffen sein könnten. Dies sind
vor allem solche Ansprüche, die im Jahr 2015 entstanden sind und der gesetzlichen, dreijährigen Regelver-
jährung unterliegen. Gerne unterstützen wir Sie dabei, mögliche Ansprüche zu identifizieren und mit recht-
zeitigen Maßnahmen einen drohenden Verjährungseintritt zu verhindern.

                                                                                                                 LUTZ | ABEL                                                                            Recht Aktuell 03/2018   7
ARBEITSRECHT                                                                                                                                                                                                        ARBEITSRECHT

    ARBEITSRECHT
                                                                                                                    bb) Kürzung des Jahresurlaubs für Zeiten der              des Teilzeitbeschäftigten hingegen auf fünf Tage, hat
                                                                                                                         Elternzeit                                            dieser ebenso wie bei einer Vollzeitbeschäftigung An-
                                                                                                                    Der Arbeitnehmer hat auch bei einer mehrmonatigen          spruch auf jährlich 25 Arbeitstage Urlaub.
                                                                                                                    bzw. mehrjährigen Elternzeit Anspruch auf den ar-
                                                                                                                    beitsvertraglich vereinbarten jährlichen Erholungs-        Bislang war es in Deutschland anerkannte Praxis, bei
                                                                                                                    urlaub. Denn das Arbeitsverhältnis wird durch die          einer Verringerung der Anzahl der Wochenarbeitstage
    Rundung von bruchteiligen Urlaubstagen                                                                          Elternzeit nicht beendet, sondern ruht lediglich.          den Resturlaubsanspruch entsprechend zu quotieren.
                                                                                                                                                                               Reduziert ein Arbeitnehmer seine Vollzeittätigkeit
    RAin Justine Luterbach | luterbach@lutzabel.com                                                                 Allerdings berechtigt § 17 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes        von fünf Tagen pro Woche auf zukünftig drei Tage
                                                                                                                    zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) den Arbeit-       pro Woche und steht dem Arbeitnehmer aus seiner
                                                                                                                    geber, den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalen-         bisherigen Vollzeittätigkeit noch ein Resturlaubs-
                                                                                                                    dermonat der Elternzeit zu kürzen. Die Kürzung des         anspruch in Höhe von fünf Tagen zu, sind diese fünf
    Der vorliegende Beitrag geht der Frage nach, unter       in einem Kalenderjahr nicht vollständig, sondern nur   jährlichen Erholungsurlaubs erfolgt dabei nicht kraft      Tage zu der nunmehr geltenden Teilzeitbeschäftigung
    welchen Voraussetzungen der Urlaubsanspruch antei-       anteilig besteht.                                      Gesetzes, sondern erfordert eine gesonderte Erklä-         ins Verhältnis zu setzen. Dem Arbeitnehmer stehen
    lig gekürzt werden kann und wie mit sich hieraus er-                                                            rung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitneh-             mithin von den bisherigen fünf nicht genommen Ur-
    gebenden bruchteiligen Urlaubstagen umzugehen ist.       a) Gesetzliche Kürzungsregelung nach § 5 BUrlG         mer. Diese sollte aus Gründen der Rechtssicherheit         laubstagen aus der Vollzeittätigkeit mit Beginn der
                                                             Bei einem unterjährigen Ausscheiden des Arbeit-        schriftlich erfolgen. Er kann die Erklärung sowohl         Teilzeittätigkeit zeitanteilig drei Arbeitstage Urlaub
    1. Allgemeines zum Urlaubsanspruch                       nehmers sieht § 5 BUrlG eine Kürzung des Ur-           vor Beginn als auch während der Elternzeit ausspre-        zu (5 Urlaubstage/ 5 Arbeitstage x 3 Tage = 3) zu. Ent-
                                                             laubsanspruchs vor. Danach hat ein Arbeitnehmer,       chen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist         sprechendes soll bei einem Wechsel von Teilzeit zu
    Jeder Arbeitnehmer hat einen gesetzlichen Mindest-       wenn er im laufenden Kalenderjahr wegen Nicht-         eine Kürzung des Erholungsurlaubs aufgrund der             Vollzeit gelten.
    urlaubsanspruch in Höhe von 24 Werktagen bei sechs       erfüllung der Wartezeit keinen vollen Urlaubsan-       Elternzeit indes nicht mehr möglich.
    Arbeitstagen in der Woche (vgl. § 3 Bundesurlaubsge-     spruch erwirbt oder er vor erfüllter Wartezeit bzw.                                                               Nach der Rechtsprechung des EuGH, der sich das
    setz (BUrlG)). Da die meisten Arbeitnehmer üblicher-     nach erfüllter Wartezeit aus dem Arbeitsverhält-       In Literatur und Rechtsprechung ist die Rechtmäßig-        BAG mittlerweile angeschlossen hat, ist eine Um-
    weise 5 (Werk-)Tage die Woche arbeiten, hat der Ar-      nis ausscheidet, lediglich einen Anspruch auf ein      keit der Kürzung nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG stark          rechnung des Urlaubsanspruchs wie vorstehend
    beitgeber dem Arbeitnehmer regelmäßig mindestens         Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat      umstritten. Teilweise wird die Auffassung vertreten,       dargestellt jedenfalls bei einem Wechsel von Vollzeit
    20 Arbeitstage Urlaub zu gewähren. Die Bestimmun-        des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Hinter-        die Regelung sei europarechtswidrig. Ob sich der           in Teilzeit nicht mehr möglich. Der Arbeitnehmer, der
    gen des Bundesurlaubsgesetzes sind grundsätzlich         grund dieser Regelung ist, den Arbeitgeber nicht       Europäische Gerichtshof (EuGH) dieser Auffassung           von Vollzeit in Teilzeit wechselt, darf seinen in der
    zwingend. Abweichende Vereinbarungen hinsichtlich        mit Freistellungspflichten des Arbeitnehmers zu        anschließt, ist bislang nicht geklärt. Im Fall einer et-   Vollzeitbeschäftigung erworbenen und noch nicht
    des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs sind in         belasten, wenn das Arbeitsverhältnis nicht länger      waigen Europarechtswidrigkeit bleibt die Kürzungs-         genommenen Urlaubsanspruch ungekürzt im Teil-
    der Regel unwirksam.                                     besteht. Wird das Arbeitsverhältnis beispielswei-      möglichkeit nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG gleichwohl          zeitarbeitsverhältnis verbrauchen. Voraussetzung ist
                                                             se bei einem vereinbarten Jahresurlaub in Höhe         im privaten Rechtsverkehr zwischen Arbeitgeber und         allerdings, dass der Arbeitnehmer keine Möglichkeit
    Darüber hinaus gewähren Arbeitgeber ihren Arbeit-        von 25 Urlaubstagen nach sechsmonatigem Be-            Arbeitnehmer vorerst anwendbar. Denn es handelt            hatte, den Urlaubsanspruch noch vor dem Wechsel in
    nehmern üblicherweise zusätzliche Urlaubstage.           stehen des Arbeitsverhältnisses zum 31.03. eines       sich in diesem Fall allein um einen Verstoß gegen          Teilzeit auszuüben. Ob dies entsprechend bei einem
    Den Arbeitsvertragsparteien steht es dabei – anders      Kalenderjahres beendet, so hat der Arbeitnehmer        eine europäische Richtlinie, die zwischen Arbeitgeber      Wechsel von Teilzeit in Vollzeit gilt, wurde vom EuGH
    als beim gesetzlichen Mindesturlaub – grundsätzlich      lediglich einen anteiligen Urlaubsanspruch in Höhe     und Arbeitnehmer in der Regel nicht unmittelbar gilt.      bisher noch nicht geklärt.
    frei, die Handhabung des zusätzlichen Urlaubsan-         von 6,25 Arbeitstagen.
    spruches individuell zu regeln. In diesem Fall sollte                                                           cc) E
                                                                                                                         xkurs: Der Urlaubsanspruch bei Wechsel von           3. Rundung von bruchteiligen Urlaubsansprüchen
    der Arbeitsvertrag indes eine hinreichende Differen-     b) Sonstige Kürzungstatbestände                            Voll- zu Teilzeit und umgekehrt
    zierung zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub          Auch außerhalb der gesetzlichen Kürzungsregelung       Teilzeitbeschäftigte haben ebenso wie Vollzeitbe-          Soweit sich durch die vorstehend beispielhaft dar-
    und dem vertraglichen Zusatzurlaub vorsehen.             in § 5 BUrlG kann es zu einer zeitanteiligen Kürzung   schäftigte einen Anspruch auf Urlaub. Die Höhe des         gestellten Kürzungsmöglichkeiten des Vollurlaubs
                                                             des Jahresurlaubs des Arbeitnehmers kommen.            Urlaubsanspruchs von Teilzeitbeschäftigten richtet         Bruchteile von Urlaubstagen ergeben, kommt weder
    Der Urlaubsanspruch entsteht unabhängig von der Ar-                                                             sich dabei nicht nach der täglich geleisteten Arbeits-     eine Aufrundung noch eine Abrundung in Betracht.
    beitsleistung des Arbeitnehmers in einem bestehen-       aa) Individualvertragliche Vereinbarung                zeit. Entscheidend ist vielmehr, an wie vielen Tagen       Dies hat das BAG mit Urteil vom 23.01.2018 (Az.: 9
    den Arbeitsverhältnis. Das gilt auch bei einer mehrmo-   Arbeitgeber und Arbeitnehmer können in einem Ar-       der Arbeitnehmer durchschnittlich pro Woche arbei-         AZR 200/17) entschieden.
    natigen oder sogar mehrjährigen Elternzeit, weil das     beitsvertrag insbesondere eine Regelung treffen, die   tet. Das Urlaubsrecht kennt mithin kein Stunden-,
    Arbeitsverhältnis nicht beendet wird. Auch eine lang-    abweichend von § 5 Abs. 1 lit. c BUrlG eine Zwölfte-   sondern nur ein Tagesprinzip. Gewährt ein Arbeit-          a) Sachverhalt der Entscheidung des BAG
    fristige Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers lässt      lung des Jahresurlaubs auch bei einem Ausschei-        geber seinen Arbeitnehmern beispielsweise bei ei-          Die klagende Arbeitnehmerin verlangt die Abgeltung
    den Urlaubsanspruch grundsätzlich nicht entfallen.       den in der 2. Jahreshälfte vorsieht. Zu beachten ist   ner 5-Tage-Woche kalenderjährlich 25 Arbeitstage           von Urlaub aus den Jahren 2007 bis 2015 nach Been-
                                                             jedoch, dass eine solche Regelung nicht zu einer       Urlaub und ist der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer       digung des Arbeitsverhältnisses. In diesem Zeitraum
    2. Bruchteilige Urlaubstage                              Unterschreitung des gesetzlichen Mindesturlaubs        lediglich an drei Arbeitstagen im Betrieb, hat dieser      konnte die Klägerin unter anderem wegen Elternzeit
                                                             führt. Eine solche Klausel wäre andernfalls wegen      einen Anspruch auf einen jährlichen Erholungsur-           sowie länger andauernder Arbeitsunfähigkeit keinen
    Von bruchteiligen Urlaubstagen ist die Rede, wenn        unberechtigter Kürzung des gesetzlichen Mindestur-     laub in Höhe von 15 Arbeitstagen (25/5 x 3 = 15 Tage).     Urlaub nehmen. Nachdem die Klägerin an ihren Ar-
    der im Arbeitsvertrag vorgesehene Urlaubsanspruch        laubs unwirksam.                                       Verteilt sich die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit      beitsplatz zurückgekehrt war, teilte der Beklagte der

8   Recht Aktuell 03/2018                                                                             LUTZ | ABEL   LUTZ | ABEL                                                                                    Recht Aktuell 03/2018   9
ARBEITSRECHT                                                                                                                                                                                                 PRIVATES BAURECHT

                                                                                                                      PRIVATES BAURECHT
     Klägerin mit, er kürze den Urlaub für jeden vollen       ansprüchen außerhalb des Teilurlaubs nach § 5
     Kalendermonat der Elternzeit. Das Arbeitsverhältnis      BUrlG vor. Den Arbeitsvertragsparteien steht es al-
     der Parteien wurde in der zweiten Hälfte des Kalen-      lerdings frei, sowohl hinsichtlich des gesetzlichen
     derjahres beendet.                                       Mindesturlaubs als auch des vertraglichen Mehrur-
                                                              laubs eine Regelung zur Rundung von Urlaubstagen
     Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, soweit    zu vereinbaren. Die Entscheidung ist nicht nur bei
     die Klägerin die Abgeltung von 74,58 Urlaubstagen        einer etwaigen Kürzung des Urlaubsanspruchs auf-        Sanierung eines Altbaus: Schallschutz muss Neubaustandard
     beantragt hat. Das Arbeitsgericht hat unter anderem      grund von Elternzeit relevant. Insbesondere bei ei-
     die Auffassung vertreten, dass der Urlaubsanspruch       nem Wechsel zwischen Vollzeit und Teilzeit besteht
                                                                                                                      entsprechen!
     wirksam durch den Beklagten gekürzt worden sei.          ein Umrechnungsbedürfnis.
     Die Berufung des Beklagten ist im Wesentlichen un-                                                               RAin Vera Lederer | lederer@lutzabel.com
     begründet gewesen. Mit seiner Revision verfolgt er       Die umstrittene Frage, ob der Beklagte überhaupt
     seinen Antrag auf vollständige Klageabweisung hin-       berechtigt war, den Erholungsurlaub aufgrund der
     sichtlich der Urlaubsabgeltung weiter.                   Elternzeit zu kürzen, musste das BAG (leider) nicht
                                                              entscheiden. Dies haben die Vorinstanzen bereits        1. Einführung                                             vor. Nach allgemeiner Meinung bestimmen sich die
     b) Entscheidungsbegründung des BAG                       rechtskräftig festgestellt. Es bleibt spannend, wie                                                               Anforderungen an Luft- und Trittschallübertragung,
     Die Revision des Beklagten hatte Erfolg, soweit der      sich das BAG hierzu positionieren wird.                 In einer Zeit, in der Wohnraum heiß begehrt ist, die      die den anerkannten Regeln der Technik genügen, bei
     Klägerin Abgeltung für mehr als 70,5 Arbeitstage zu-                                                             Immobilienbranche boomt und der frei bebaubare            Wohnnutzung daher nach einem gegenüber der DIN-
     gesprochen wurden. Die Klägerin habe für das Jahr        4. Fazit                                                Platz in den urbanen Ballungszentren knapp zu wer-        Norm „erhöhten“ Schallschutz, für den im Beiblatt 2
     2008 indes unter anderem einen Anspruch darauf,                                                                  den droht, wird vermehrt auf Bauträgerkonzepte ge-        zur DIN 4109 genauere Werte angegeben sind.
     dass der Beklagte 6,25 Arbeitstage für das Jahr 2008     Die Erfüllung des Urlaubsanspruchs stellt Arbeitge-     setzt, die sich nicht auf die klassische Errichtung ei-
     abgilt. Dieser Anspruch sei nicht auf ganze Urlaubs-     ber immer wieder vor Herausforderungen. Gerade          nes Neubaus richten. Stattdessen konzentrieren sich       Auch bei den sich aus der VDI-Richtlinie 4100 erge-
     tage zu runden. Es fehle hierfür an der erforderlichen   für Zeiten der Nichtleistung des Arbeitnehmers be-      Bauträgertätigkeiten in den Städten neben Nachver-        benden drei verschiedenen Kategorien des Schall-
     Rechtsgrundlage.                                         steht ein berechtigtes Bedürfnis von Arbeitgebern,      dichtungsprojekten auch immer mehr auf die Kom-           schutzes ist nach überwiegender Meinung der
                                                              den Urlaubsanspruch entsprechend zu kürzen.             plettsanierung von Bestandsimmobilien, allen voran        „übliche“ Standard inzwischen auf der gegenüber
     Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 BUrlG lägen           Bei der Abfassung von Arbeitsverträgen sollte be-       Altbauten. Besonders beliebt sind dabei sog. Jahr-        Schallschutzstufe I erhöhten Schallschutzstufe II zu
     nicht vor. Danach sind Bruchteile von Urlaubstagen,      sondere Sorgfalt auf die Differenzierung zwischen       hundertwendebauten, die um 1900 errichtet wurden.         verorten. Dieser Standard entspricht ebenso den an-
     die mindestens einen halben Urlaubstag ergeben,          der Gewährung des gesetzlichen Mindesturlaubs           Dabei stellt sich nun die Frage, welchen Wohnstan-        erkannten Regeln der Technik.
     auf volle Urlaubstage aufzurunden. Zum einen erge-       und des vertraglichen Mehrurlaubs gelegt werden.        dard der Käufer einer sanierten Altbauimmobilie er-
     be der von der Klägerin beanspruchte Bruchteil (0,25     Nur hinsichtlich letzterem steht den Arbeitgebern       warten kann; schließlich haben sich die Anforderun-       3. Vorangegangene Entscheidungen zum Thema
     Arbeitstage Urlaub) keinen halben Urlaubstag. Zum        ein weitreichender Regelungsspielraum zu. Um et-        gen an Dämmung, Belichtung und Schallschutz einer             Schallschutz in sanierten Altbauten
     anderen beantworte die Bestimmung allein die Fra-        waige Rechtsstreitigkeiten bei der Gewährung und        Wohnimmobilie in den letzten 100 Jahren drastisch
     ge, ob und unter welchen Voraussetzungen Teilurlaub      Abgeltung von (anteiligen) Urlaubsansprüchen zu         verändert. Wer allerdings denkt, dass der Käufer ge-      Bereits 2005 entschied der BGH, dass die berechtig-
     nach § 5 Abs. 1 BurlG zu runden sei. Der der Klägerin    vermeiden, sollten Arbeitsverträge eine gesonderte      nerell in Bezug auf Aspekte des Wohnstandards Ab-         ten Erwartungen, die ein Erwerber an einen Altbau
     für das Jahr 2008 zustehende Urlaub sei kein Teilur-     Rundungsvorschrift vorsehen. Andernfalls ist der        striche machen muss, irrt, zumindest, soweit es um        stellen darf, der nach den vertraglichen Vereinbarun-
     laub im Sinne des § 5 Abs. 1 BUrlG. Dieser resultie-     verbleibende (noch so geringe) Bruchteil eines Ur-      den Schall- und Trittschutz geht. Die obergerichtliche    gen bis auf die Grundmauern saniert worden sein soll,
     re allein daraus, dass das Arbeitsgericht – insoweit     laubstages zu gewähren oder abzugelten.                 Rechtsprechung, Anfang des Jahres 2018 erneut be-         auch die Herstellung eines Schallschutzes umfasst,
     rechtskräftig – davon ausgegangen sei, die Anwen-                                                                stätigt durch die hier besprochene Entscheidung des       der den anerkannten Regeln der Technik entspricht.
     dung des § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG führe zu einem bruch-                                                             OLG Köln (Urteil vom 02.03.2018, Az.: 19 U 166/15), er-   Verspricht der Veräußerer eines Altbauobjekts eine
     teiligen Urlaubsanspruch.                                                                                        legt auch bei Sanierung eines Altbaus dem Bauträger       so weitgehende und umfassende Sanierung, darf der
                                                                                                                      die Verpflichtung auf, in Bezug auf Schallschutzan-       Erwerber dies grundsätzlich dahingehend verstehen,
     § 5 Abs. 2 BUrlG sei im Übrigen nicht zu entnehmen,                                                              forderungen Neubauzustände herzustellen.                  dass der Veräußerer zu diesem Zweck im Rahmen
     dass ein Urlaubsanspruch in Bruchteilen ausge-                                                                                                                             des technisch Möglichen die Maßnahmen angewandt
     schlossen sei. Der Vorschrift sei nur zu entnehmen,                                                              2. Technische Regelwerke und Schallschutzvorgaben         hat, die erforderlich sind, um den Stand der aner-
     dass ein Urlaubsanspruch, der weniger als einen hal-                                                                                                                       kannten Regeln der Technik zu gewährleisten (vgl.
     ben Tag fasst, nicht aufzurunden sei, nicht aber, dass                        Justine Luterbach                  Die in der DIN-Norm 4109 geregelten Lärmwerte             BGH, Urteil vom 16.12.2004, Az.: VII ZR 257/03).
     er ersatzlos entfällt.                                                        _ Rechtsanwältin
                                                                                                                      enthalten Mindestanforderungen an den Schutz vor
                                                                                                                      Luft- und Trittschallübertragungen, denen Menschen        Im Jahre 2010 entschied das OLG Düsseldorf, dass bei
     c) Praxishinweis                                                              luterbach@lutzabel.com             in Aufenthaltsräumen ausgesetzt sein dürfen. Die          Umbau und Sanierung einer Eigentumswohnung der
     Das BAG hat zu Recht darauf abgestellt, dass Bruch-                                                              Norm schützt somit nur vor „unzumutbaren Beläs-           Architekt grundsätzlich den heute üblichen Schall-
     teile von Urlaubstagen weder auf- noch abzurunden                                                                tigungen durch Schallübertragung“ und gilt in erster      schutzstandard seiner Planung zugrunde zu legen
     sind. Das Bundesurlaubsgesetz sieht gerade kei-                                                                  Linie im Hochbau, gibt aber darüber hinaus keine          hat. Der Architekt schuldet eine funktionstaugliche
     ne Rechtsgrundlage für die Rundung von Urlaubs-                                                                  Richtwerte für den Schallschutz bei Wohnnutzung           Planung, die, sofern keine vertragliche Festlegung

10   Recht Aktuell 03/2018                                                                              LUTZ | ABEL   LUTZ | ABEL                                                                                 Recht Aktuell 03/2018   11
PRIVATES BAURECHT                                                                                                                                                                                             PRIVATES BAURECHT

     des geschuldeten Schallschutzes erfolgt, in der Regel   und zur Eigentumsverschaffung an den Kläger. Dabei      Haftung des Bauträgers ausschlossen. Zu den zu             baustandard entspricht, geschuldet ist. Diesen kann
     den üblichen Komfort- und Qualitätsstandards ent-       vereinbarten die Parteien im notariellen Vertrag fol-   erwartenden Qualitätsposten gehörte auch ein den           ein Erwerber nach der Rechtsprechung berechtig-
     sprechend muss. Dies sei der heute „übliche“ erhöhte    genden Passus:                                          allgemein anerkannten Regeln der Technik entspre-          terweise erwarten.
     Schallschutz, der über DIN 4109 hinausgehe (vgl. OLG                                                            chender (Tritt- und Luft-)Schallschutz. Üblich ist heut-
     Düsseldorf, Urteil vom 15.07.2010, Az.: 5 U 25/09).      „Bezüglich etwaiger Mängel am Bauwerk: Im Hin-         zutage nämlich nicht nur ein Mindestschutz nach der        Sofern man von dieser Verpflichtung als Bauträger
                                                              blick darauf, dass es sich bei dem Gesamtobjekt        DIN 4109, sondern ein erhöhter Schallschutz, da die        frei zu werden sucht, ist eine sorgfältige Formulie-
     Im Jahre 2013 bestätigte das OLG Brandenburg, dass       und demgemäß bei dem Kaufgegenstand um ein             DIN 4109 nicht mehr die nach den anerkannten Regeln        rung in Bauträgerverträgen unabdingbar. Solange
     der Veräußerer eines Altbauobjekts, der sich zu einer    bestehendes Gebäude handelt, werden für die            der Technik zu erwartenden Mindestanforderungen an         eine dem heutigen Standard entsprechende Schall-
     weitgehenden Sanierung verpflichtet hat, im Rahmen       nicht zu verändernde Altbausubstanz alle Rech-         den Schallschutz widerspiegelt.                            dämpfung technisch möglich ist, schuldet der Bau-
     des technisch Möglichen verpflichtet ist, die erfor-     te und Ansprüche des Käufers wegen Mängeln                                                                        träger diese auch, und zwar ohne ausdrückliche Ver-
     derlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Stand           ausgeschlossen. Der Verkäufer haftet jedoch für        Unter den Ausschluss, der sich auf die „nicht zu ver-      einbarung, da sie für den Vertrag vorausgesetzt im
     der anerkannten Regeln der Technik zu gewährleis-        grob fahrlässiges oder vorsätzliches Unterlassen       ändernde Altsbausubstanz“ bezog, kann der Schall-          Sinne des § 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB, jedenfalls aber
     ten. Haben die Parteien einen üblichen Qualitäts- und    von notwendigen Renovierungsarbeiten an der            schutz nicht subsumiert werden, da nach der Vor-           für die gewöhnliche Verwendung notwendig ist, vgl.
     Komfortstandard vereinbart, muss sich nach dieser        Altsubstanz. Im Übrigen richten sich die Ansprü-       stellung des Käufers der Bauträger auch verpflichtet       § 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB. Der bloße Hinweis, es
     Rechtsprechung das einzuhaltende Schalldämmmaß           che des Käufers wegen Sachmängeln für die vom          war, ggf. erforderliche Veränderungen vorzunehmen,         bestehe ein Ausschluss der Haftung in Bezug auf die
     an dieser Vereinbarung orientieren. Häufig ergeben       Verkäufer veranlassten Bauleistungen nach dem          um eine Anpassung an heutige Standards zu errei-           „nicht zu verändernde Altbausubstanz“, befreit den
     sich so aus den Vertragstexten Anforderungen an den      Leistungsstörungsrecht des BGB.“                       chen. In Bezug auf die Altbausubstanz wurde nur von        Bauträger nicht von seiner Verpflichtung zur Herstel-
     Schallschutz, die deutlich über die Mindestanforde-                                                             einer unveränderten Dämmung/Isolierung der Au-             lung erhöhten Schallschutzes.
     rungen hinausgehen und es deshalb rechtfertigen,        Nach Einzug des Käufers und insbesondere Einzug         ßenwände und des Kellers gesprochen, so dass über
     die Vereinbarung eines gegenüber den Schallschutz-      des Nachbarn in der darüber liegenden Wohnung           diese einzelnen Posten hinaus alle erforderlichen          Damit muss aus Sicht des Bauträgers eine klare
     anforderungen der DIN 4109 erhöhten Schallschutzes      beschwerte sich der Käufer über Lärmbelästigun-         Baumaßnahmen vorzunehmen waren, um einen mo-               und eindeutige Regelung im Bauträgervertrag ge-
     anzunehmen. Maßgebend sind dabei die im Vertrag         gen und forderte die Beklagten zur Nacherfüllung        dernen Wohnstandard zu erreichen.                          wählt werden, so dass die vereinbarte Beschaffen-
     zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen von der           auf. Diese verneinten eine Nacherfüllungspflicht mit                                                               heit sich gerade nicht auf den erhöhten Schallschutz
     Qualität des Schallschutzes, also der Beeinträchti-     Hinweis auf den Gewährleistungsausschluss aus           Zudem ist nach Ansicht des OLG Köln der Haftungs-          bezieht. Der Hinweis, die Mindestanforderungen der
     gung durch Geräusche. Zwar hat der Besteller in der     Vertrag. Sie waren der Ansicht, dass auch der Schall-   ausschluss jedenfalls auch deshalb nicht einschlägig,      DIN 4109 seien eingehalten, genügt für einen Haf-
     Regel keine Vorstellung, welche tatsächlichen Be-       schutz unter die von der Altbausubstanz vorgegebe-      weil das Unterlassen entsprechender Maßnahmen              tungsausschluss jedenfalls nicht, da diese für den
     lästigungen die in der DIN-Norm 4109 angegebenen        nen Maßnahmen fiele und so vom Gewährleistungs-         zur Schaffung eines erhöhten Schallschutzes durch          vom Erwerber berechtigterweise zu erwartenden
     Schalldämmmaßen nach sich ziehen, der Besteller         ausschluss erfasst sei.                                 die Bauträger bzw. deren Architekten jedenfalls grob       Schallschutz nicht maßgeblich sind. Wer von den „er-
     hat aber ein tatsächliches Interesse daran, inwie-                                                              fahrlässig war. Ihnen war bekannt gewesen bzw. je-         höhten“ Schallschutzanforderungen abweichen will,
     weit er in den benachbarten Wohnungen entstehende       5. U
                                                                 rteil des OLG Köln vom 02.03.2018: die Entschei-   denfalls hätte ihnen bei gehöriger Sorgfalt bekannt        muss nicht nur Schallschutzwerte angeben; darüber
     Geräuschemissionen mithören kann und muss.                 dung                                                 sein müssen, dass sich die Schallschutzanforderun-         hinaus muss ein expliziter Hinweis, dass von dem
                                                                                                                     gen im Laufe von mehr als 100 Jahren grundlegend           nach den anerkannten Regeln der Technik üblichen
     Will der Bauträger tatsächlich nur den „Mindeststan-    Nach der Entscheidung des OLG Köln konnte der           verändert haben und bei einer Altbausanierung, insbe-      Standard abgewichen wird, sowie eine – beweisba-
     dard“ nach DIN 4109 vertraglich schulden, so muss er    Käufer verlangen, dass die Wohnung heute üblichen       sondere im Zusammenhang mit der Aufbringung neu-           re – Erläuterung, was genau diese Abweichung für
     den Käufer darauf im Bauträgervertrag explizit hin-     Schallschutzanforderungen entspricht. Auch wenn         er Bodenbeläge, insoweit Maßnahmen erforderlich            den Wohnkomfort bedeutet, erfolgen. Der Erwerber
     weisen und zwar in der Weise, dass sich der Käufer      keine ausdrückliche Vereinbarung im Sinne des           sind, um einen heutigen Maßstäben entsprechenden           muss sich ein konkretes Bild davon machen können,
     eine tatsächliche Vorstellung vom Ausmaß der Ge-        § 633 Abs. 2 S. 1 BGB über Schallschutzerforder-        Schallschutz zu erreichen.                                 inwiefern er Geräuschen aus den benachbarten Woh-
     räuschbeeinträchtigungen machen kann. Weiterhin         nisse Teil des Vertrags wurde und dieser auch kein                                                                 nungen ausgeliefert ist, sofern er nicht auf den „er-
     hat der Käufer auch darauf hinzuweisen, wenn unter      Wort über die Anpassung der bestehenden Bausub-         6. Folgerungen aus dem Urteil für die Praxis               höhten“ Schutz besteht. Der Bauträger muss zudem
     erhöhtem Kostenaufwand der Mindeststandard über-        stanz an heute übliche Schallschutzanforderungen                                                                   darauf hinweisen, wenn ein erhöhter Schutz unter
     schritten werden kann. Stellt er jedoch den „üblichen   verlor, so konnte der Käufer einen heute üblichen       Das vorgenannte Urteil bestätigt einmal mehr, dass         Inkaufnahme höherer Kosten technisch möglich ist.
     Schallschutz” in Aussicht und hält er diesen Standard   Schallschutzstandard doch als nach dem Vertrag          die Rechtsprechung bei Altbausanierungen sehr
     nicht ein, geht dies zu seinen Lasten (vgl. OLG Bran-   gewöhnliche Verwendung im Sinne des § 633 Abs. 2        hohe Anforderungen an den Schallschutz stellt und          Gleichzeitig wirft das OLG Köln aber auch die Frage
     denburg, Urteil vom 13.06.2013, Az.: 12 U 162/12).      S. 2 Nr. 2 BGB verlangen. Insbesondere wurde im         – sofern nicht explizit und wirksam Abweichendes           auf, ob ein solcher Haftungsausschluss nur als Indi-
                                                             Bauvertrag Bezug genommen auf die „am heutigen          vereinbart wird – der Bauträger, der grundlegend           vidualvereinbarung möglich ist und im Rahmen von
     4. U
         rteil des OLG Köln vom 02.03.2018: der Sachver-    Tage anerkannten Regeln der Baukunst“ sowie die         saniert, dazu verpflichtet ist, den „erhöhten“ Schall-     Allgemeinen Geschäftsbedingungen generell nicht
        halt                                                 Verpflichtung des Bauherrn, Bauleistungen, die nicht    schutz einzuhalten, der inzwischen anerkannte              wirksam vereinbart werden kann. Nachdem das
                                                             ausdrücklich beschrieben sind, in einer den sonstigen   Regel der Technik ist. Da die meisten Altbausanie-         Gericht das Unterlassen von schallschutzerhöhen-
     Der Kläger erwarb von den Beklagten eine 129 qm         Leistungen entsprechenden Qualität auszuführen.         rungen aufgrund des herrschenden Marktdrucks               den Maßnahmen, die der Anpassung an die heutigen
     große Eigentumswohnung im ersten Obergeschoss           Angesichts dieser Beschreibungen durfte der Käu-        und der Käufererwartungen mittlerweile ganzheit-           Standards dienen, als grob fahrlässig wertete, stellt
     eines Altbaus aus dem Jahre 1900 in Köln. Im Vertrag    fer erwarten, dass das Gebäude vollumfänglich auf       lich durchgeführt werden, wird man in der Praxis           sich die Frage, inwiefern ein Haftungsausschluss mit
     verpflichteten sich die Beklagten, damit die Bauträ-    einen zeitgemäßen Standard gebracht wurde, mit          bei beinahe jeder Altbausanierung davon ausgehen           § 309 Nr. 7 lit. b BGB vereinbar ist. Das Gericht geht
     ger, zur vollständigen Modernisierung des Bauwerks      Ausnahme derjenigen Posten, die ausdrücklich eine       müssen, dass ein erhöhter Schallschutz, der Neu-           davon aus, dass planende und ausführende Unter-

12   Recht Aktuell 03/2018                                                                             LUTZ | ABEL   LUTZ | ABEL                                                                                   Recht Aktuell 03/2018   13
PRIVATES BAURECHT                                                                                                                                                                                                    PRIVATES BAURECHT

     nehmen bei Zugrundlegung der gehörigen Sorgfalt           BGB kaum wirksam vereinbart werden, ist de facto            2. Entscheidung des BGH                                    Die damit verbundene Rechtsunsicherheit gelte es
     hätten erkennen müssen, dass die Schallschutzan-          jeder Bauträger verpflichtet, bei Altbausanierungen                                                                    jedoch zu vermeiden. Die bindend gewordene Auf-
     forderungen vor 100 Jahren andere waren als die           Neubaumaßstäbe in Bezug auf den Schallschutz an-            Der BGH hat mit Urteil vom 14.09.2018 (Az.: V ZR 213/17)   lassung bilde eine Zäsur. Im Anschluss daran seien
     heutigen und dass es bei einer Altbausanierung er-        zulegen.                                                    entschieden, dass Änderungen eines Grundstücks-            Änderungen formlos möglich.
     forderlich ist, den heute üblichen Standard in dieser                                                                 kaufvertrags nach der Auflassung formlos möglich
     Hinsicht herzustellen.                                                                                                sind, wenn die Auflassung bindend geworden ist             Nach alledem liegen aus Sicht des BGH deutlich
                                                                                                                           (§ 873 Abs. 2 BGB). Dies ist der Fall, wenn die Auflas-    überwiegende oder schlechthin zwingende Gründe
     Sollte diese Rechtsprechung bestätigt werden, ist                                Vera Lederer                         sung – wie heute regelmäßig – zusammen mit dem             für eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung
     die Anhebung des Schallschutzstandards bei Alt-                                                                       Kaufvertrag erklärt und der Notar angewiesen wird,         nicht vor. Letztendlich sei die Handhabung in der Pra-
                                                                                      _ Rechtsanwältin
     bausanierungen kaum zu vermeiden; lediglich eine                                                                      den Antrag auf Umschreibung des Eigentums beim             xis anerkannt und habe sich bewährt. Insofern müsse
     (echte und wirksame) Individualvereinbarung würde                                lederer@lutzabel.com                 Grundbuchamt erst zu stellen, wenn der vollständi-         schon im Interesse der Kontinuität der Rechtspre-
     vorliegend noch eine Beschränkung auf den Mindest-                                                                    ge Kaufpreis eingegangen ist (sog. Vorlagesperre).         chung und der Rechtssicherheit daran festgehalten
     standard nach DIN möglich machen. Da diese in der                                                                     Bis dahin darf der Notar keine Ausfertigung oder           werden, dass Grundstückskaufverträge nach erfolg-
     Praxis selten vorkommen und in Anbetracht der Ver-                                                                    beglaubigte Abschrift der Urkunde erteilen, die die        ter Auflassung formfrei geändert werden können.
     braucherschutzbestimmungen gemäß § 310 Abs. 3                                                                         Auflassung enthält (sog. Ausfertigungssperre). Das
                                                                                                                           gleiche gilt, wenn im Kaufvertrag die Bewilligung der
                                                                                                                           Eigentumsumschreibung noch nicht erklärt, sondern          3. Praxishinweis
                                                                                                                           der Notar bevollmächtigt wird, die Eintragungsbewil-
                                                                                                                           ligung namens des Veräußerers zu erklären, sobald          Trotz der Rechtsprechung des BGH kann es ratsam
                                                                                                                           ihm die vollständige Kaufpreiszahlung nachgewiesen         sein, nachträgliche Änderungen von Grundstücks-
                                                                                                                           worden ist (sog. Bewilligungslösung).                      kaufverträgen zu beurkunden. Insbesondere bei
                                                                                                                                                                                      Bauträgerverträgen liegt oft ein nicht unerheblicher
     BGH: Formlose Änderungen von Grundstückskaufverträgen                                                                 Zunächst, so das Gericht, stehe die bisherige Recht-       Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Eintragung
                                                                                                                           sprechung des BGH im Einklang mit Sinn und Zweck           des Eigentums im Grundbuch. Denn die letzte Kauf-
     nach bindender Auflassung möglich                                                                                     des Formerfordernisses. Denn die Parteien bedür-           preisrate wird erst mit vollständiger Fertigstellung
                                                                                                                           fen des Schutzes, der mit einer Beurkundung durch          fällig und der Erwerber regelmäßig erst als Eigentü-
     RA Nikolaus Thielen | thielen@lutzabel.com                                                                            den Notar bezweckt wird, dann nicht mehr, wenn die         mer im Grundbuch eingetragen, wenn der Kaufpreis
                                                                                                                           schuldrechtlichen Erklärungen der Parteien bereits         bezahlt worden ist. Aus Gründen der Rechtssicher-
                                                                                                                           beurkundet worden sind und diese zudem die für die         heit, zur ordnungsgemäßen Dokumentation und aus
                                                                                                                           angestrebte Rechtsänderung erforderlichen dingli-          Beweisgründen kann es sich deshalb anbieten, Ver-
     Der Bundesgerichtshof hält an seiner bisherigen           Schutzfunktion). Das gilt nach ganz herrschender            chen Erklärungen, also die Auflassung, in bindender        tragsänderungen trotz der ergangenen Entscheidung
     Rechtsprechung zur Änderung bei Grundstücks-              Meinung auch für Änderungen oder Ergänzungen ei-            Form abgegeben haben. Schließlich haben die Ver-           des BGH zu beurkunden, vor allem wenn die damit
     kaufverträgen fest. Danach sind Änderungen eines          nes schon beurkundeten, aber noch nicht durch Auf-          tragsparteien damit ihre jeweiligen Leistungshand-         verbundenen Kosten wirtschaftlich nicht ins Gewicht
     Grundstückskaufvertrags nach der Auflassung form-         lassung (Einigung zur Übertragung des Eigentums)            lungen unwiderruflich erbracht. Wenn die Auflassung        fallen.
     los möglich, wenn die Auflassung bindend geworden         vollzogenen Grundstückskaufvertrags. Eine Ausnah-           bindend geworden ist, werde ein Automatismus in
     ist. Die davon abweichende Entscheidung des Ober-         me vom Formzwang greift, wenn mit den Änderungen            Gang gesetzt, um den Eigentumswechsel zur Eintra-
     landesgerichts Stuttgart vom 18.07.2017 (vgl. hierzu      lediglich unvorhergesehene Abwicklungsschwierig-            gung zu bringen. Damit aber seien der Schutzzweck
     Thielen in: Recht Aktuell 2/2018, Seiten 23 f.) hat der   keiten behoben werden sollen, ohne die beiderseiti-         des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB erreicht und weitere Ver-                             Nikolaus Thielen
     Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 14.09.2018         gen Verpflichtungen wesentlich zu verändern.                einbarungen der Parteien, sofern durch sie nicht                                 _ Rechtsanwalt
     (Az.: V ZR 213/17) aufgehoben.                                                                                        Erwerbs- und Veräußerungspflichten geändert oder                                 _ Fachanwalt für Bau- und
                                                               Kontrovers diskutiert wird seit jeher die Frage, ob         neu begründet werden, von der Beurkundungspflicht                                   Architektenrecht
     1. Hintergrund                                            Änderungen nach der formgerecht und bindend er-             auszunehmen. Außerdem sei zu beachten, dass ein                                  thielen@lutzabel.com
                                                               klärten Auflassung, jedoch vor Eintragung der Auf-          Formmangel bei nachträglichen Änderungen eines
     Grundstückskaufverträge sind gem. § 311b Abs. 1 S. 1      lassung im Grundbuch, beurkundungsbedürftig sind.           Grundstückskaufvertrags im Zweifel zur Nichtigkeit
     BGB formbedürftig und müssen durch einen Notar            Das OLG Stuttgart bejahte diese Frage und schloss           des gesamten Vertrags mit allen Nebenabreden führe.
     beurkundet werden. Die Beurkundungspflicht soll           sich damit der Kritik an der bisherigen Rechtspre-
     den Beweis über die Art und den Inhalt der Verein-        chung des BGH durch einzelne Oberlandesgerichte
     barungen sichern, den Veräußerer und den Erwerber         und der überwiegenden Literatur an.
     vor übereilten Verträgen bewahren, sie auf die Wich-
     tigkeit des Geschäfts hinweisen und ihnen durch die       Vor diesem Hintergrund wurde mit Spannung erwar-
     Mitwirkung des sachkundigen und unparteiischen            tet, ob der BGH diese Kritik aufgreifen und von sei-
     Notars die Möglichkeit rechtskundiger Belehrung           ner bisherigen Rechtsprechung abweichen oder auch
     und Beratung eröffnen (Beweisfunktion, Warn- und          künftig daran festhalten würde. Letzteres ist der Fall.

14   Recht Aktuell 03/2018                                                                                   LUTZ | ABEL   LUTZ | ABEL                                                                                    Recht Aktuell 03/2018   15
ÖFFENTLICHES BAURECHT                                                                                                                                                                                     ÖFFENTLICHES BAURECHT

     ÖFFENTLICHES BAURECHT
                                                                                                                      der Frage zu beziehen, unter welchen Voraussetzun-         Wohnnutzung (§ 3 Abs. 3 Nr. 1, § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO),
                                                                                                                      gen gemäß § 13b BauGB „Wohnnutzungen“ auf Flä-             Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesund-
                                                                                                                      chen begründet werden können, die sich an im Zu-           heitliche und sportliche Zwecke (§ 3 Abs. 3 Nr. 2, § 4
                                                                                                                      sammenhang bebaute Ortsteile „anschließen“.                Abs. 2 Nr. 3 BauNVO) sowie Räume oder Gebäude für
                                                                                                                                                                                 die Ausübung freier Berufe (§ 13 BauNVO) vom Wohn-
                                                                                                                      a) Zum Begriff des „Anschließens“                          nutzungsbegriff des § 13b BauGB umfasst sind.
     Die Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte                                                   Hinsichtlich der nach § 13b BauGB überplanbaren Au-

     Verfahren nach § 13b BauGB – eine Bestandsanalyse anhand                                                         ßenbereichsflächen geht der BayVGH davon aus, dass
                                                                                                                      die Vorschrift eine Zersiedelung des Außenbereichs
                                                                                                                                                                                 3. Entscheidung des BayVGH vom 09.05.2018

     aktueller Rechtsprechung                                                                                         grundsätzlich nicht zulasse. Dies sei der Fall, wenn der   Fast zeitgleich zur Entscheidung des 15. Senats hatte
                                                                                                                      vorhandene Siedlungsbereich nicht lediglich „abrun-        auch der 2. Senat des BayVGH die Möglichkeit, sei-
     RA Sebastian Vorwalter | vorwalter@lutzabel.com                                                                  dend“ in den Außenbereich erweitert werde, sondern         ne Auffassung von der zutreffenden Interpretation
                                                                                                                      bei städtebaulich wertender Betrachtung tatsächlich        des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Wohnnut-
                                                                                                                      ein neuer Siedlungsbereich im bisherigen Außenbe-          zungen“ darzulegen. Mit Beschluss vom 09.05.2018
     Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH)           Gemäß § 13b S. 1 BauGB gilt § 13a entsprechend          reich entstehe, der sich vom bestehenden Ortsrand          (Az.: 2 NE 17.2528) ergriff der 2. Senat außerdem die
     hatte sich unlängst in zwei Entscheidungen erstmals                                                              ersichtlich absetze und deshalb einen qualitativ neuen     Gelegenheit, der in der Literatur teilweise vertrete-
     mit der Frage zu befassen, ob und unter welchen           „für Bebauungspläne mit einer Grundfläche im Sin-      Ansatz für künftige Siedlungserweiterungen vorgebe.        nen Ansicht entgegenzutreten, § 13b BauGB verstoße
     Voraussetzungen ein Bebauungsplanverfahren im             ne des § 13a Absatz 1 Satz 2 von weniger als 10 000                                                               gegen Europarecht.
     beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB durch-          Quadratmetern, durch die die Zulässigkeit von Wohn-    Außenbereichsflächen sollen sich dann nicht mehr
     geführt werden kann.                                      nutzungen auf Flächen begründet wird, die sich an      im Sinne von § 13b BauGB an im Zusammenhang be-            a) Zum Begriff der „Wohnnutzungen“
                                                               im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen.“        baute Ortsteile „anschließen“, wenn eine Anbindung         Als möglich erachtet der 2. Senat sowohl die Festset-
                                                                                                                      an den bestehenden Siedlungsbereich nur über eine          zung eines reinen Wohngebietes gemäß § 3 BauNVO
     1. Hintergrund                                           Ausgehend von diesem Gesetzeswortlaut ist bislang       im Verhältnis zur Gesamtgröße des neuen Bauge-             als auch die Ausweisung eines allgemeinen Wohnge-
                                                              nicht abschließend geklärt, welche Außenbereichs-       biets völlig untergeordnete gemeinsame Grenze er-          bietes nach § 4 BauNVO (so wohl auch OVG Koblenz
     Im Rahmen der jüngsten Novellierung des Bau-             flächen sich im Verfahren nach § 13b BauGB über-        folge, der weitaus größte Teil des neuen Baugebiets        vom 07.06.2018, Az.: 1 C 11757/17). Grundsätzlich zu-
     gesetzbuches (BauGB) hat der Gesetzgeber unter           haupt überplanen lassen, insbesondere, was unter        sich aber derart vom bestehenden Ortsrand in den           lässig könnten dabei insbesondere auch Nutzungen
     anderem den Anwendungsbereich des sog. be-               dem Begriff „anschließen“ zu verstehen ist. Raum        Außenbereich hinein absetze, dass letztlich ein neuer,     nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BauNVO sein.
     schleunigten Verfahrens zur Aufstellung von Be-          für unterschiedlichste Interpretationen lässt ferner    selbstständiger Siedlungsansatz entstehe.
     bauungsplänen der Innenentwicklung nach § 13a            die Formulierung „Wohnnutzungen“. Insbesondere                                                                     Zudem hält es der 2. Senat nicht für notwendig, bei
     BauGB ausgedehnt. Durch Einführung des § 13b             enthält das Gesetz keine konkretisierende Aussage       b) Zum Begriff der „Wohnnutzungen“                         Festsetzung eines allgemeinen Wohngebietes alle
     BauGB gelten die Verfahrenserleichterungen des           dazu, welche Baugebiete der Baunutzungsverord-          Den Begriff der „Wohnnutzungen“ legt der BayVGH            ausnahmsweise zulässigen Nutzungen nach § 4 Abs. 3
     § 13a Abs. 2 BauGB nunmehr auch bei der Aufstel-         nung (BauNVO) sich auf Grundlage dieses Rechtsbe-       tendenziell zurückhaltend aus. Hiervon dürften – so        BauNVO auszuschließen: Wegen ihres im Hinblick auf
     lung von Bebauungsplänen, die bestimmte Außen-           griffes festsetzen lassen und welche Nutzungen im       der 15. Senat – Gebietsartfestsetzungen umfasst            Art. 3 Abs. 3 der „Richtlinie 2001/42/EG über die Prü-
     bereichsflächen betreffen.                               Einzelnen zulässig sind.                                sein, nach denen Wohngebäude, wohnähnliche Be-             fung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und
                                                                                                                      treuungseinrichtungen und eine damit unmittelbar           Programme vom 27. Juni 2001“ (SUP-RL) möglichen
     Auf die formale Umweltprüfung und die Erstellung ei-     Die Anwendung des beschleunigten Verfahrens nach        zusammenhängende technische Infrastruktur (z.B.            Beeinträchtigungspotentials seien lediglich die aus-
     nes Umweltberichtes kann bei Anwendung des § 13b         § 13b BauGB ist folglich mit erheblichen Rechtsunsi-    Verkehrsflächen, Stellplätze, Garagen, Anlagen der         nahmsweise zulässigen Nutzungen nach § 4 Abs. 3
     BauGB daher verzichtet werden. Hiermit verbunden         cherheiten verknüpft. Über den nach § 13b BauGB zu-     Wasser- und Energieversorgung) zulässig sind.              Nr. 1, 2, 3 und 5 BauNVO – nicht aber die Nutzungen
     ist ein nicht unerhebliches Beschleunigungspotential.    stande gekommenen Bebauungsplänen schwebt regel-                                                                   im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 4 BauNVO (Gartenbaube-
     Auch entfällt die an sich notwendige Ausgleichs-         mäßig das Damoklesschwert der Unwirksamkeit. Vor        Offen gelassen wurde die in der Literatur umstritte-       triebe) – auszuschließen.
     pflicht für Eingriffe in die Natur und Landschaft, die   diesem Hintergrund mag es nicht verwundern, dass die    ne und grundlegende Frage, ob allgemeine Wohnge-
     in der Planungspraxis nicht selten eine hohe Hürde       kommunale Praxis bislang eher verhalten von dem rela-   biete gemäß § 4 BauNVO im vereinfachten Verfahren          Aus Sicht des Senats seien grundsätzlich auch an-
     bei der Ausweisung neuer Bauflächen darstellt.           tiv neuen Planungsinstrument Gebrauch gemacht hat.      nach § 13b BauGB überhaupt wirksam festgesetzt             dere als reine Wohnnutzungen oder wohnähnliche
                                                                                                                      werden können oder ob die Vorschrift ausschließlich        Nutzungen in einem Plangebiet nach § 13b BauGB
     Mit der Regelung des § 13b BauGB verfolgt der Ge-        Ob die bestehenden Rechtsunsicherheiten bei Anwen-      die Festsetzung eines reinen Wohngebietes nach § 3         möglich, sofern sie sich mit dem Ausnahmecharakter
     setzgeber offensichtlich das Ziel, den Kommunen          dung des § 13b BauGB durch die unlängst ergangenen      BauNVO ermöglicht. Bei Festsetzung eines allgemei-         des Art. 3 Abs. 3 SUP-RL vereinbaren ließen und ein
     ein attraktives Planungsinstrument zur Verfügung         Entscheidungen des BayVGH (vollständig) ausgeräumt      nen Wohngebietes müssten jedenfalls über § 1 Abs. 5        Beeinträchtigungspotential hinsichtlich der Umwelt-
     zu stellen, mit dem auf einer räumlich beschränkten      worden sind, wird im Folgenden näher beleuchtet.        BauNVO sämtliche Nutzungen ausgeschlossen wer-             belange möglichst gering bleibe. Es sei insbesondere
     Fläche im Außenbereich neuer Wohnraum geschaf-                                                                   den, die ausnahmsweise zugelassen werden könnten           nicht erkennbar, inwieweit beispielsweise Kinderbe-
     fen werden kann – attraktiv deshalb, weil das Verfah-    2. Entscheidung des BayVGH vom 04.05.2018               (also: § 4 Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 5 BauNVO).                 treuungseinrichtungen, die für den Bedarf im Gebiet
     ren nach § 13b BauGB im Vergleich zum regulären                                                                                                                             nötig wären, ein Beeinträchtigungspotential hin-
     Bauleitplanverfahren zügiger und kostengünstiger         Mit Beschluss vom 04.05.2018 (Az.: 15 NE 18.382)        Nicht entschieden hat der 15. Senat weiter, ob Ein-        sichtlich der Umweltbelange darstellen sollten. Ent-
     durchführbar ist.                                        hatte der BayVGH erstmals Gelegenheit, Stellung zu      richtungen mit Versorgungsfunktion in Bezug auf die        sprechend wären auch grundsätzlich für das Gebiet

16   Recht Aktuell 03/2018                                                                              LUTZ | ABEL   LUTZ | ABEL                                                                                    Recht Aktuell 03/2018   17
ÖFFENTLICHES BAURECHT                                                                                                                                                                                    ÖFFENTLICHES BAURECHT

     nötige Infrastruktureinrichtungen ohne Beeinträch-       des bestehenden Siedlungsbereiches zu. Bei dem          SUP-RL endgültig zu beseitigen. Offen bleiben kann         nutzungen“ bemüht, überzeugt dies nicht, da die Er-
     tigungspotential im Sinne des Art. 3 Abs. 3 SUP-RL       Plangebiet muss es sich um eine sog. Arrondierungs-     dabei, ob dem 2. Senat insoweit zuzustimmen ist, als       heblichkeit potentieller Umweltauswirkungen durch
     nicht gänzlich ausgeschlossen, wobei dies stets einer    fläche handeln. Dies setzt voraus, dass die gesamte     die Grundflächenbegrenzung in § 13b BauGB mit der          die erstmalige Bebauung des besonders sensiblen
     Einzelfallprüfung bedürfe.                               Fläche im unmittelbaren räumlichen Anschluss an         Rechtsprechung des EuGH zum Kriterium des „klei-           und für die Umwelt an sich bedeutsamen Außenbe-
                                                              den bestehenden Siedlungsbereich liegt. Insofern        nen Gebiets auf lokaler Ebene“ i.S.v. Art. 3 Abs. 3 SUP-   reichs dadurch nicht (hinreichend) relativiert wird.
     b) Z
         ur Vereinbarkeit des § 13b BauGB mit dem            erscheint es erforderlich, dass der Siedlungsbereich    RL vereinbar sein soll. Nach Art. 3 Abs. 5 SUP-RL ist      Das letzte Wort scheint hier jedenfalls noch nicht ge-
        Unionsrecht                                           und das Plangebiet über mehr als nur eine gemein-       es nämlich zudem erforderlich, dass Bebauungsplä-          sprochen.
     Nach Auffassung des 2. Senats verstoße § 13b BauGB       same Grenze verfügen und sich die äußerste Grenze       ne im Sinne des § 13b BauGB voraussichtlich keine er-
     nicht gegen die Vorgaben der SUP-RL. Den Mitglied-       bzw. die äußeren Grenzen der Arrondierungsfläche        heblichen Umweltauswirkungen haben werden, was             Die Rechtsprechung des BayVGH zu § 13b BauGB
     staaten der Union sei es unter den Voraussetzun-         als natürliche Fortsetzung des Ortsrandes darstel-      anhand der Kriterien des Anhangs II der SUP-RL zu          steht noch ganz am Anfang. Aus Sicht der planenden
     gen des Art. 3 Abs. 3, Abs. 5 SUP-RL möglich, ab-        len, sich zumindest aber an der bestehenden Orts-       beurteilen ist. Insofern ist festzustellen, dass Be-       Gemeinden und Städte gilt es daher, die weiteren Ent-
     strakt-generell festzulegen, dass bestimmte Pläne        randgrenze orientieren. Auf das Planungsinstrument      bauungspläne gemäß § 13b BauGB den besonders               wicklungen sorgsam im Auge zu behalten.
     ohne Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB erlassen        des beschleunigten Verfahrens nach § 13b BauGB          sensiblen Außenbereich betreffen. Im Gegensatz zu
     werden könnten. Hiervon habe der nationale Gesetz-       kann hingegen dann nicht mehr zurückgegriffen wer-      Bebauungsplänen der Innenentwicklung kommt es
     geber mit Einführung des § 13b BauGB in zulässiger       den, wenn sich die zu überplanende Außenbereichs-       bei Planungen nach § 13b BauGB regelmäßig erst-
     Weise Gebrauch gemacht.                                  fläche ersichtlich vom bestehenden Ortsrand ab-         malig zu einer Beeinträchtigung bislang unbebauter
                                                              setzt, der Ortsrand „ausfranst“ oder das Plangebiet     Flächen und zu nicht unerheblichen Bodenversiege-
     Im Hinblick auf die Kombination einer vergleichsweise    gar weit in den Außenbereich hineinragt.                lungen. Der Eingriff in und die Auswirkungen auf die                             Sebastian Vorwalter
     kleinen überbaubaren Grundfläche sowie der Ein-                                                                  Belange der Umwelt wiegen daher vergleichsweise                                  _ Rechtsanwält
     schränkung der Nutzungsart auf Wohnnutzung sei           Demgegenüber sind die Feststellungen des BayVGH         hoch. Im Tatbestand des § 13b BauGB fehlt es indes
     der Verzicht auf die Umweltprüfung im Rahmen des         zur Auslegung des Begriffs „Wohnnutzungen“ nur          an einem qualitativen Merkmal, aufgrund dessen die                               vorwalter@lutzabel.com
     beschleunigten Verfahrens nach § 13b BauGB hinrei-       bedingt geeignet, für Rechtssicherheit bei der An-      Auswirkungen einer erstmaligen Bebauung bislang
     chend begründet und stehe davon abgesehen in Ein-        wendung des § 13b BauGB zu sorgen. Zwar scheint         frei gehaltener Flächen auf die Umwelt a priori als
     klang mit den im Urteil vom 21.12.2016 (Az.: C-444/15)   zwischen den Senaten insofern Konsens zu beste-         nicht erheblich eingestuft werden könnten. Sofern
     getroffenen Vorgaben des Europäischen Gerichts-          hen, als vom Merkmal der „Wohnnutzungen“ nicht          der 2. Senat des BayVGH hier den Begriff der „Wohn-
     hofes (EuGH).                                            nur Wohngebäude, sondern auch wohnähnliche Nut-
                                                              zungen und die notwendige technische Infrastruktur
     In dieser Entscheidung habe der EuGH den Begriff         erfasst sein sollen. Während der 2. Senat darüber
     des „kleinen Gebiets auf lokaler Ebene“ i.S.v. Art. 3    hinaus klarstellt, dass er die Festsetzung eines rei-
     Abs. 3 SUP-RL dahingehend näher definiert, dass          nen und eines allgemeinen Wohngebietes und bei
     der Plan von einer lokalen Behörde im Gegensatz          letztgenanntem Wohngebiet auch Nutzungen nach
     zu einer regionalen oder nationalen Behörde aus-         § 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BauNVO für zulässig erachtet,
     gearbeitet und erlassen worden sein muss und das         lässt der 15. Senat diese praxisrelevante Problematik
     fragliche Gebiet innerhalb des räumlichen Zustän-        hingegen ausdrücklich offen. Hinsichtlich der Frage,
     digkeitsgebiets der lokalen Behörde im Verhältnis zu     welche nur ausnahmsweise zulässigen Nutzungen
     diesem Zuständigkeitsgebiet nur eine geringe Größe       nach § 4 Abs. 3 BauNVO auszuschließen sind, sofern
     aufweist. Da Bebauungspläne von der zuständigen          ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt wird, setzt
     Gemeinde und damit einer lokalen Behörde erlassen        sich der 2. Senat überdies in Widerspruch zum Be-
     würden und die überbaubare Grundfläche von weni-         schluss des 15. Senats; auszuschließen seien nicht
     ger als 10.000 qm als klein anzusehen sei, seien nach    alle ausnahmsweise zulässigen Nutzungen nach
     Auffassung des 2. Senats des BayVGH die vom EuGH         § 4 Abs. 3 BauNVO, sondern nur die Nutzungen nach
     genannten Kriterien erfüllt.                             § 4 Abs. 3 Nr. 1, 2, 3 und 5 BauNVO. Letztlich bergen
                                                              zu weitgehende Festsetzungen zur Art der baulichen
     4. Bewertung und Ausblick                                Nutzung im Rahmen eines nach § 13b BauGB aufge-
                                                              stellten Bebauungsplans daher das nicht unerhebli-
     Die beiden Entscheidungen des BayVGH bieten ers-         che Risiko der Unwirksamkeit des Plans. Aus Grün-
     te Anhaltspunkte, unter welchen Bedingungen eine         den der Rechtssicherheit sind Kommunen deshalb
     Überplanung von Außenbereichsflächen im beschleu-        gut beraten, zurückhaltende Festsetzungsvarianten
     nigten Verfahren gemäß § 13b BauGB zulässig ist.         zu wählen.

     Der BayVGH legt das Tatbestandsmerkmal des „An-          Schließlich ist die Entscheidung des BayVGH nicht
     schließens“ zu Recht restriktiv aus. Im Ergebnis lässt   geeignet, sämtliche Zweifel an der Unionsrechts-
     § 13b BauGB lediglich eine abrundende Erweiterung        konformität des § 13b BauGB mit den Vorgaben der

18   Recht Aktuell 03/2018                                                                              LUTZ | ABEL   LUTZ | ABEL                                                                                   Recht Aktuell 03/2018   19
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