Ausgewählte Heilpflanzen als phytotherapeutische Anwendungsmöglichkeit bei Schlaflosigkeit - unipub

 
WEITER LESEN
Ausgewählte Heilpflanzen als phytotherapeutische Anwendungsmöglichkeit bei Schlaflosigkeit - unipub
Ausgewählte Heilpflanzen als phytotherapeutische
  Anwendungsmöglichkeit bei Schlaflosigkeit

                        DIPLOMARBEIT

     zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der
     Naturwissenschaften an der Karl-Franzens-Universität Graz

                          Vorgelegt von
                         Theresa Graf
                             01413782

          am Institut für Biologie/Pflanzenwissenschaften

       Betreuerin: Ao. Univ.-Prof.in Dr.in phil. Maria Müller
Ausgewählte Heilpflanzen als phytotherapeutische Anwendungsmöglichkeit bei Schlaflosigkeit - unipub
Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre eidesstattlich, dass ich die eingereichte Diplomarbeit selbstständig angefertigt und
die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten selbst erbracht habe. Ich erkläre weiters, dass
ich keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle aus gedruckten, unge-
druckten Werken oder dem Internet im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt übernommenen
Formulierungen und Konzepte sind gemäß den Regeln für wissenschaftliche Arbeiten zitiert
und durch genaue Quellenangaben gekennzeichnet.

__________________________                                  __________________________
Datum, Ort                                                  Unterschrift
Ausgewählte Heilpflanzen als phytotherapeutische Anwendungsmöglichkeit bei Schlaflosigkeit - unipub
Danksagung

In erste Linie gilt der Dank meines Lebens meinen wunderbaren Eltern. Sie sind es, die immer
nur das Beste für mich im Sinn haben und jeden Lebensweg unterstützend akzeptieren. Ihr seid
meine Wurzeln, meine Herzen, meine Flügel, mein Lachen- euch verdanke ich alles und noch
so viel mehr!

Mein zweiter Dank gilt meiner besseren Hälft, Riccardo. Ich danke dir für deine Liebe, deine
Unterstützung, deine unglaubliche und wohl bewundernswerteste Fähigkeit, mich in fast jeder
Situation zum Lachen zu bringen. Ein Tag ohne dich, ist immer nur ein halber. Bis zum Mond!

Des Weiteren möchte ich meinem Bruder Alexander danken, der mir während meiner Studien-
zeit in Graz stets zur Seite stand und mir bedingungslos weiterhalf. Ohne dich wäre ich hier nie
zu Hause gewesen. Auch meiner besten Freundin Lydia gilt ein großes Dankeschön. In vielen
Tiefen und Höhen bist du seit über 10 Jahren an meiner Seite und somit eine der wertvollsten
Personen, die ich habe!

Ich möchte mich auch ganz herzlich bei meiner Betreuerin Univ.-Prof. Dr. Maria Müller be-
danken. Bei ihr fand vor einigen Jahren meine erste Prüfung dieses Studiums statt und sie wird
es sein, die mich ebenso bei meiner letzten begleitet. Vielen Dank für die wohlwollenden, be-
ratenden Gespräche und die stetige Unterstützung!

Gegen das klassische Danksagungsprofil möchte ich schließlich auch mir selbst danken. Die
Studienjahre haben mich zeitenweise emotional und körperlich vor große Herausforderungen
gestellt und häufig Zweifel hervorgerufen. Ich bin froh und unendlich dankbar, dass mich mein
Mut, mein Optimismus und mein Ehrgeiz immer wieder gefunden haben!
Ausgewählte Heilpflanzen als phytotherapeutische Anwendungsmöglichkeit bei Schlaflosigkeit - unipub
Kurzfassung
Pflanzliche Arzneimittel erfreuen sich bei der Bevölkerung an großer Beliebtheit. Vorwiegend
basieren Informationen zur Nutzung von Arzneipflanzen sowie zu deren Verwendung auf ei-
nem kollektiven Erfahrungrepertoire. Dabei beziehen sie sich häufig auf überlieferte Literatur.
Dennoch werden konsequent Bemühungen und Versuche gestartet, die Phytotherapie mehr zu
rationalisieren. Altbewährte Ansätzen sollen abgelegt werden, um den Einsatz pflanzlicher Arz-
neimittel mit einer wissenschaftlichen Basis zu ermöglichen. Das Anwendungsgebiet ist dabei
mannigfach.

Diese Diplomarbeit beschäftigt sich mit dem Schwerpunkt der Phytotherapie bei Schlafstörun-
gen. Dafür wird ein grundlegender Überblick über das Thema Phytotherapie erläutert. Ebenso
wird auf das Thema Schlaf per se eingegangen, um klare Differenzierungen in der Ausgangs-
diagnose treffen zu können. Ausgehend von einer Schlafstörung, die nicht durch organische
Krankheiten oder aufgrund einer Depression vorherrscht, werden anschließend fünf unter-
schiedliche Arzneipflanzen als Anwendungsmöglichkeit thematisiert: Lavendel (Lavandulae
angustifolia), Hopfen (Humulus lupulus), Passionsblume (Passiflora incarnata), Melisse (Me-
lissa officinalis), Baldrian (Valeriana officinalis). Die Erarbeitung der Arzneipflanzen verbin-
det wissenschaftliche sowie kulturhistorische Aspekte der jeweiligen Pflanze. Ebenso wird auf
Inhaltsstoffe und Darreichungsformen eingegangen.

Das Ziel dieser Arbeit ist, die verschiedenen Anwendungs- und Erweiterungsmöglichkeiten der
Phytotherapie aufzuzeigen und mehr Bewusstsein für das Potential einiger Arzneipflanzen zu
erzielen. Dabei stehen pflanzliche Arzneimittel synthetischen keineswegs kompetitiv gegen-
über, sondern sollen als nicht zu unterschätzende Alternative und mögliche Ergänzung gesehen
werden.
Ausgewählte Heilpflanzen als phytotherapeutische Anwendungsmöglichkeit bei Schlaflosigkeit - unipub
Abstract
Herbal medicines enjoy great popularity among the population. Information on the use of me-
dicinal plants and their application is primarily based on a collective repertoire of experience.
This is often drawn from transmitted literature. Nevertheless, efforts and attempts are consist-
ently being made to rationalize phytotherapy more. Old approaches should be discarded to im-
plement the use of herbal medicines with a scientific basis. The field of application is thereby
manifold.

This thesis puts the main focus on the use of phytotherapy for sleep disorders. For this purpose,
a basic overview of the subject of phytotherapy is given. The different factors of sleep per se
are thematised as well, in order to be able to make clear differentiations in the initial diagnosis.
Deriving from a sleep disorder, which is not caused by organic diseases or depression, five
different medicinal plants are discussed as possible fields of applications: Lavender (Lavandu-
lae angustifolia), Hops (Humulus lupulus), Passionflower (Passiflora incarnata), Melissa
(Melissa officinalis) and Valerian (Valeriana officinalis). The elaboration of the medicinal
plants combines scientific and culture-historical aspects of the respective plant. Likewise, in-
gredients and dosage forms are discussed.

The aim of this work is to show the different application and extension possibilities of phyto-
therapy and to gain more awareness for the potential of some medicinal plants. In this context,
herbal medicines are by no means competitive with synthetic medicines but can be considered
as an alternative and possible supplement that should not be underestimated.
Ausgewählte Heilpflanzen als phytotherapeutische Anwendungsmöglichkeit bei Schlaflosigkeit - unipub
Inhaltsverzeichnis
1     Einleitung ........................................................................................................................... 1

2     Allgemeines zur Phytotherapie .......................................................................................... 2

    2.1     Was ist Phytotherapie? ................................................................................................ 2

    2.2     Kulturhistorische Einordnung...................................................................................... 3

3     Phytopharmakologie ........................................................................................................... 5

    3.1     Bedeutung der Wirksamkeit ........................................................................................ 8

    3.2     Arzneidrogen ............................................................................................................... 9

      3.2.1        Kategorisierung der Pflanzeninhaltsstoffe ......................................................... 10

      3.2.2        Kategorisierung verwendeter Pflanzenteile ....................................................... 18

    3.3     Zubereitung ................................................................................................................ 25

      3.3.1        Pflanzenanbau, -ernte ......................................................................................... 26

      3.3.2        Drogenaufbereitung ............................................................................................ 27

      3.3.3        Darreichungsformen ........................................................................................... 29

4     Pflanzliche Arzneimittel und Gesundheit ........................................................................ 32

    4.1     Phytotherapie bei Erkrankungen der Psyche ............................................................. 33

      4.1.1        Der Schlaf ........................................................................................................... 34

      4.1.2        Schlafstörungen .................................................................................................. 35

      4.1.3        Nicht pharmakologische Therapiemöglichkeiten ............................................... 39

5     Phytotherapie bei Insomnie .............................................................................................. 43

    5.1     Herausforderungen .................................................................................................... 43

    5.2     Anwendungsbereiche................................................................................................. 44

    5.4     Ausgewählte Pflanzenbeispiele ................................................................................. 47

      5.4.1        Lavendel (Lavandula angustifolia) .................................................................... 47

      5.4.2        Hopfen (Humulus lupulus) ................................................................................. 52

      5.4.3        Passionsblume (Passiflora incarnata) ............................................................... 57

      5.4.4        Melisse (Melissa officinalis) .............................................................................. 61
Ausgewählte Heilpflanzen als phytotherapeutische Anwendungsmöglichkeit bei Schlaflosigkeit - unipub
5.4.5        Baldrian (Valeriana officinalis) ......................................................................... 66

6   Zusammenfassung & Fazit ............................................................................................... 71

7   References ........................................................................................................................ 75

8   Abbildungsverzeichnis ..................................................................................................... 79
Ausgewählte Heilpflanzen als phytotherapeutische Anwendungsmöglichkeit bei Schlaflosigkeit - unipub
1 Einleitung
In der folgenden Arbeit wird auf das Thema der phytotherapeutischen Anwendungsmöglichkeit
bei Schlafstörungen eingegangen. Dabei gibt es bestimmte Werke, die in der gesamten Arbeit
als Leitfaden und Orientierungswerke gelten und untereinander sowie mit diversen anderen
Quellen verglichen werden: BÄUMLER (2007), BÜHRING (2014), FINTELMANN, WEISS &
KUCHTA (2017), SCHILCHER & al. (2010), WENIGMANN & KEUSGEN (2017)

Da der Themenkreis um die pflanzenbasierte Therapie ein nahezu historischer ist, werden zu-
nächst kulturhistorische Aspekte der Phytotherapie reflektiert sowie Erklärungen zur Therapie-
form per se gegeben. Ebenso wird auf die Gesichtspunkte des pflanzlichen Wirkungsprofils
eingegangen. Hinsichtlich des Wirkungsverhaltens befindet sich diese Arbeit auf einer che-
misch-oberflächlichen Ebene. Die Prozesse auf molekularer Basis stehen hier nicht im Fokus,
allerdings wird auf Grundlegendens eingegangen.

Im dritten Kapitel steht die Zubereitung und Aufbereitung unterschiedlicher Phytopharmaka im
Mittelpunkt. Hierbei werden die verschiedenen Stationen bis hin zum Endprodukt erläutert. Zu
beachtende Punkte beim Anbau, bei der Ernte sowie bei der Verarbeitung werden beschrieben
und auf eventuelle Herausforderungen hingewiesen.

Ab dem vierten Kapitel wird die Anwendung pflanzlicher Arzneimittel bei gesundheitlichen
Beschwerden thematisiert. Im Fokus steht dabei die Anwendung von Heilpflanzen bei Schlaf-
störungen. Die Themen Schlaf und Schlafstörungen sind an sich sehr umfangreich und kom-
plex. Aus diesem Grund muss zunächst allgemeiner Input geklärt werden. Auch die Ausgangs-
situation für eine phytotherapeutische Anwendung wird beschrieben. Als Orientierungswerke
dienen hierbei SCHANDRY & WEBER (2003) und HAJAK & RÜTHER (1995).

Im letzten großen Kapitel wird die Behandlung der primären Insomnie anhand fünf unter-
schiedlicher Heilpflanzen erläutert. Die Therapieform wird mit ihren Schwierigkeiten und Her-
ausforderungen konfrontiert, bevor auf die Pflanzenprofile von Lavendel, Hopfen, Passions-
blume, Melisse und Baldrian genauer eingegangen wird. Die Pflanzenprofile sind synchron
aufgebaut und behandeln unterschiedliche Gesichtspunkte. Kulturelle Praxis wird wissen-
schaftlichen Belegen gegenübergestellt. Neben den bereits genannten Orientierungswerken ist
hier besonders das Werk von WICHTL, BAUER & BARTHLEN (2009) als wichtiger Bezugspunkt
zu nennen.

                                                                                            1
Ausgewählte Heilpflanzen als phytotherapeutische Anwendungsmöglichkeit bei Schlaflosigkeit - unipub
2 Allgemeines zur Phytotherapie
Phytotherapie bzw. Pflanzenheilkunde ist in unterschiedlichsten Kulturen tief verankert und
zählt zu den ältesten Therapiemöglichkeiten der Welt (vgl.WENIGMANN & KEUSGEN 2017: 3).
Um die Thematik der Phytotherapie klarer zu erfassen, ist es zunächst sinnvoll, den Themen-
kreis rund um die Therapieform genauer zu betrachten.

2.1 Was ist Phytotherapie?

Die Bezeichnung Phytotherapie wurde vom französischen Arzt Henri Leclerc (1870-1955) als
Begriff für eine auf Pflanzen basierte Medizin eingeführt. Heute beschreibt die Benennung das
Behandeln, Therapieren und Vorbeugen von Krankheiten und Störungen der Befindlichkeit.
Die hierfür verwendeten Pflanzen werden allgemein als Heilpflanzen bezeichnet. Zur Anwen-
dung können verschiedene Teile der Pflanze kommen, beispielsweise die Blätter, die Früchte,
Samen oder Wurzeln.

Die moderne Phytotherapie ist nicht als alternative Heilmedizin zu sehen, sondern als „Teil der
heutigen naturwissenschaftlich orientierten Schulmedizin.“ (SCHILCHER & al. 2010: 2)
Sie verfolgt den Ansatz naturwissenschaftlicher, symptomatischer Therapiegrundsätze und be-
ruht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Im Rahmen der Phytotherapie kommen im Gegen-
satz zur Schulmedizin lediglich Wirkstoffe zur Anwendung, die aus der Pflanze bzw. aus ein-
zelnen Pflanzenteilen sowie deren Zubereitung gewonnen werden (vgl. SCHILCHER & al. 2010:
2; vgl. FINTELMANN, WEISS & KUCHTA 2017: 3).

WENIGMANN & KEUSGEN (2017: 4) beschreiben die Phytotherapie als Therapieform mit eige-
nen Anwendungsgebieten und Behandlungsoptionen, wobei kulturelle Aspekte berücksichtigt
und innere Heilungskräfte (Salutogenese) bestärkt werden. Behandlungen können individuell
an den Patienten angepasst werden, wodurch die Phytotherapie ebenso in der individualisierten
Medizin Einzug findet.
Bei der Behandlung von Krankheiten orientiert man sich an kausalen oder symptomatischen
Therapieprinzipien. Durch gegensätzlich wirkende Stoffe werden Krankheitssymptome behan-
delt. Dabei „gelten Dosis- Wirkungsbeziehungen, nach denen eine höhere Dosis in der Regel
auch eine stärkere Wirkung zur Folge hat […]“ (WENIGMANN & KEUSGEN 2017: 4).

                                                                                             2
Ausgewählte Heilpflanzen als phytotherapeutische Anwendungsmöglichkeit bei Schlaflosigkeit - unipub
Wirkungsweisen in der Phytotherapie sind lediglich durch klinische Studien nachweisbar. So-
mit grenzt sich die Phytotherapie klar von Homöopathie und Anthroposophie ab, da deren Arz-
neimittelwahl anderen Kriterien entspricht. Ebenso verhält es sich mit der Hildegard-Medizin
und der Aroma- oder Bachblütentherapie (vgl. WENIGMANN & KEUSGEN 2017: 4-5).

2.2 Kulturhistorische Einordnung

Phytotherapie ist eine kulturübergreifende Therapieform, die in einer langen Tradition steht und
sehr eng mit der Geschichte der Menschheit verknüpft ist. Das Heilen durch pflanzliche Mittel
ist geschichtlich in einen soziokulturellen sowie rituellen Kontext zu betrachten. Spiritualität
spielte in Bezug auf Heilkunde eine wesentliche Rolle, wodurch Schamanen, Priester o.ä. als
Figuren gesehen wurden, die in Verbindung mit heilsamen Wirkungen der Pflanzen standen.

        „Die Pflanzen, die mit ihren Wurzeln tief in die Erde hinein reichen und ihre Stängel und
        Blüten himmelwärts strecken, galten als […] Medium, das die Weisheit der Ewigkeit enthält,
        das die obere mit der unteren Welt verbindet, das Taglicht mit der Dunkelheit.“ (BÜHRING
        2014: 24)

Lange Zeit wurde das Wissen über Pflanzen mündlich tradiert und weitergegeben, wodurch
auch Sagen und Mythen entstanden. Dabei sind Tiere für den Menschen wichtige Orientie-
rungspunkte. Tiere sind nicht in der Lage Diagnosen über Erkrankungen zu stellen, sie erlangen
Wissen über Pflanzenwirkungen durch ihren Instinkt und Versuche. So bringen beispielsweise
Stare Heilkräuter wie Scharfgabe, Wiesenkerbel oder Silberweide in ihr Nest, um die Jungen
vor Parasiten zu schützen. Erkrankte Affen kauen vermehrt an Rinden und nehmen bittere Kräu-
ter zu sich, um Bauchschmerzen und Verdauungsstörungen zu lindern. Wölfe fressen bei Darm-
störungen so lange Brennnessel, bis sie sich übergeben und Rehe wälzen sich bei Verletzungen
im Moos, damit die Wunde keimfrei bleibt (vgl. BÜHRING 2014: 24-25).
Bereits zur Zeit der Babylonier (2000 v.Chr.) und der Ägypter (ca. 3000 v.Chr.) wurde Pflan-
zenheilkunde betrieben. Die ältesten schriftlichen Belege stammen von einer ägyptischen Heil-
kundlerin (Merit Ptah) und sind auf das Jahr 2500 v.Chr. zurückzuführen. Ebenso ist die Tra-
dition von Hochkulturen Chinas und Indien abzuleiten, wobei sich in asiatischen Gebieten über
Jahrhunderte hinweg eigenständige Formen der pflanzlichen Heilung gebildet haben (z.B.
TCM).

Auch in fortführenden Epochen verfolgte man weiterhin die Pflanzenheilkunde. Schon im Al-
tertum florierte der Handel mit Pflanzen und Gewürzen aus orientalischen Gebieten. Ingwer

                                                                                                     3
oder Rhabarber beispielsweise haben sich seitdem einen fixen Stellenwert in der Medizin und
darüber hinaus gesichert. In der Antike erstellten Ärzte wie Hippokrates Materialsammlungen
mit Anleitungen zur Herstellung und Anwendung pflanzlicher Mittel. So ist die von Hippokra-
tes eingeführte Viersäftelehre (Humoralpathologie) bis heute noch bekannt.

Die Tradition wurde weiterentwickelt und fortgeführt, beispielsweise haben sich bekannte
Ärzte wie Paracelsus, Pfarrer Kneipp oder Hufeland mit Heilpflanzen –auch Heilkräuter ge-
nannt- intensiv beschäftigt. Paracelsus konnte im Laufe seiner Forschung für die damalige Zeit
legendäre Erfolge verzeichnen. Ihm gelangen erste Versuche der Pflanzenextraktion sowie der
Destillation von Pflanzen, was später in der pharmazeutischen Erzeugung von pflanzlichen
Arzneimitteln seine Fortsetzung fand. Zudem trug die Klostermedizin im 14. und 15. Jahrhun-
dert mit ihren Sammlungen zahlreicher Herbarien und Kräuterbüchern zur Erweiterung der
Pflanzenheilkunde bei (vgl. WENIGMANN & KEUSGEN 2017: 3; vgl. FINTELMANN, WEISS &
KUCHTA 2017: 18).

Im 19. Jahrhundert begann man schließlich Inhaltsstoffe von Pflanzen zu suchen, die chemisch
definierbar und isolierbar sind. So versuchte man, überlieferte Wirkungsweisen der Heilpflan-
zen zu erklären. Als großer Schritt gilt bis heute die Isolierung des Alkaloids Morphin aus dem
getrockneten Milchsaft des Schlafmohns im Jahr 1805.
Es konnte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer mehr Wissen über Pflanzeninhalts-
stoffe sowie über Synthesewege innerhalb der Pflanzen gewonnen werden. Pflanzeninhalts-
stoffe wurden weiterführend aus pharmakologischer Perspektive untersucht, um Substanzen
genauer zu identifizieren. Ein Beispiel hierfür ist die Rinde der Weide, deren Hauptinhaltsstoff
Salicin ist. Bereits Hippokrates wusste um das Nützen der Rinde gegen Schmerzen. 1897 führte
die auf der Grundlage des Salicins gewonnene Acetysalicylsäure zur Herstellung des Arznei-
mittels Aspirin (vgl. WENIGMANN & KEUSGEN 2017: 4).

Durch immense Fortschritte in der chemischen Arzneistoffentwicklung wurde die Pflanzen-
heilkunde immer mehr verdrängt. Die Wiedereinführung der Phytotherapie ist der Neufassung
des Arzneimittelgesetzes (AGM) 1978 zu verdanken. Dort wurde verankert, dass ein Pluralis-
mus von Therapiemöglichkeiten akzeptiert werde. Dabei wurde die Phytotherapie als besondere
Therapierichtung definiert und nimmt damit eine Sonderstellung als Behandlungsform ein. So
konnte vor allem erreicht werden, dass pflanzliche Arzneimittel erleichterte Zulassungsbedin-

                                                                                              4
gungen bekommen. Zudem gab es in den letzten Jahrzehnten starke Bemühungen durch Hoch-
schulpharmazeutInnen, die sich mit der Thematik der Heilpflanzen unter pharmakologischen,
pharmazeutischen sowie unter klinischen Aspekten auseinandersetzten. Die Phytotherapie ist
nicht isoliert zu betrachten, sondern als Teil der modernen Medizin. Daher ist es eine allgemeine
Forderung der Phytotherapie an die Schulmedizin, die Grenzen wissenschaftlicher Perspektiven
zu erweitern und neue Erkenntnisse sowie Verständnismöglichkeiten miteinzubeziehen (vgl.
FINTELMANN, WEISS & KUCHTA 2017: 18-19).

3 Phytopharmakologie
Das Gebiet der Phytopharmakologie ist eines, das in der allgemeinen Pharmakologie bis heute
noch eher wenig Beachtung findet. Vielstoffgemische und Mehrstoffgemische werden hinsicht-
lich ihrer Pharmakokinetik und Pharmakodynamik mit vergleichsweise wenig Nachdruck un-
tersucht. Zudem ist die Aussagekraft experimenteller In-vivo-Untersuchungen in Bezug auf die
Wirksamkeit diverser Pflanzenstoffe um einiges problematischer, als es bei Versuchen mit che-
mischen Stoffen der Fall ist. Ausgewertete Daten tierischer Behandlung können nur schwer auf
den Menschen übertragen werden. Dies hemmt einen fakten- und ergebnisorientierten Diskurs
im Bereich der Pflanzenheilkunde. So werden beispielsweise in der Toxikologie theoretische
Prämissen auf unwissenschaftlicher Basis publiziert, obwohl es beim Menschen selbst keine
Beobachtungen dazu gibt (vgl. FINTELMANN, WEISS & KUCHTA 2017: 17-18).

Phytopharmaka sind Arzneimittel, deren Wirkstoffe ausschließlich pflanzlicher Natur sind. Der
Begriff an sich leitet sich von griechisch „phyton“ = Pflanzen und „pharmakon“= Arznei ab.
Die Relation zwischen Dosis und Wirkung im Rahmen der Phytotherapie wird als pharmako-
logisch erfassbar und definierbar gesehen. Phytopharmaka werden in Europa allgemein auch
als herbal medicinal products bezeichnet. Die klinische Prüfung dieser Arzneimittel unter phar-
makologischen und toxikologischen Gesichtspunkten folgt den selben Verfahren, die bei der
Prüfung chemisch definierter Wirkstoffe herangezogen werden (vgl. BÄUMLER 2007: 7; vgl.
KRAFT & MÄRZ 2006: 279).

SCHILCHER & al. (2010: 2) gehen auf die Definition von Phytopharmaka weiter ein und spre-
chen von rationalen Phytopharmaka. Darunter versteht man Phytopharmaka, zu denen es wis-
senschaftliche Grundlagen, zum Beispiel klinische Studien o.ä., gibt. BÄUMLER (2007: 5) er-
gänzt diesbezüglich, dass rationale Phytopharmaka folgenden Voraussetzungen entsprechen

                                                                                               5
müssen: Die pharmazeutische Qualität muss nachgewiesen sein, sie müssen therapeutisch wirk-
sam sowie unbedenklich sein und das Nutzen-Risiko-Verhältnis muss den Verordnungen ent-
sprechen.

Für viele Phytopharmaka gibt es allerdings lediglich eine überlieferte Basis zu Wirkung und
Anwendung. Sie stellen eine traditionelle Phytotherapie als Erfahrungsmedizin dar. Des Wei-
teren wird auf die Gruppe der alternativen / transkulturellen Phytopharmaka verwiesen. Hierzu
zählen beispielsweise Arzneimittel der Ayurveda-Therapie, Bachblütenessenzen, Hildegard
von Bingen- Arznei oder der Traditionelle Chinesische Medizin. Diese Art der Phytopharmaka
benötigen für ihre Nachzulassung keine wissenschaftlich dokumentierten Daten. Sie werden
laut EU-Richtlinien nicht zugelassen sondern lediglich registriert. Dabei muss allerdings eine
risikolose Anwendung, zum Beispiel durch langjährige Anwendungsprotokolle, plausibel er-
scheinen (vgl. SCHILCHER & al. 2010: 2-3).

Wirkstoffe, die durch die Zubereitung einer Pflanze erzeugt werden, werden vom AGM als
Vielstoffgemische charakterisiert, die durch Zusammensetzung und Herstellungsprozess ge-
nauer bestimmt werden. Kontrollierter Anbau sowie ein validierter Erzeugungs- und Kontroll-
prozess sollen natürlich bedingte Schwankungen in der Zusammensetzung der Stoffe reduzie-
ren bzw. minimieren. Dadurch kann heute gewährleistet werden, dass Phytopharmaka ein weit-
gehend konstantes Inhaltsstoffspektrum vorweisen. Es können spezielle Extrakte produziert
werden, die ein signifikantes Wirkungsprofil sowie reduzierte Toxizität aufweisen (vgl. KRAFT
& MÄRZ 2006: 279).

Da sich bei der Erzeugung von Phytopharmaka häufig Wirkungseigenschaften verschiedener
pharmakologischer Substanzen summieren, können

       „Begleitsubstanzen […] die Löslichkeit und/oder das Freisetzungs- und Resorptionsverhalten der ver-
       schiedenen Komponenten beeinflussen und die Bioverfügbarkeit entscheidend verändern, sodass der ge-
       samte Pflanzenextrakt im Vergleich zu isolierten Inhaltsstoffen unterschiedliche therapeutische Effekte
       hervorrufen kann.“ (WENIGMANN & KEUSGEN 2017: 11)

Da es sich bei einem Phytopharmakon um ein Vielstoffgemisch handelt, also ein komplexes
Gemisch aus verschiedenen Pflanzeninhaltsstoffen, soll das Inhaltsspektrum unterteilt und dif-
ferenziert betrachtet werden. Ohne die Inhaltsstoffe spezifisch zu benennen, wird grundsätzlich
folgendermaßen kategorisiert:

                                                                                                            6
Die Hauptinhaltsstoffe werden auch Wirksamkeitsbestimmende Inhaltstoffe (Effektoren) ge-
nannt. Sie sind alleine für die klinische Wirksamkeit verantwortlich und ergeben den therapeu-
tischen Effekt. Zudem gibt es auch Hauptinhaltsstoffe, die als Wirkungsmitbestimmende In-
haltsstoffe bezeichnet werden. Sie sind zwar nicht alleine für die Wirkung des Stoffgemisches
verantwortlich, leisten allerdings einen entscheidenden Beitrag dazu, dass der Gesamtkomplex
die erwünschte Wirkung erzielt. Des Weiteren gibt es im Vielstoffgemisch Nebenwirkstoffe,
die auch Leitsubstanzen genannt werden. Diese sind meist spezifische Inhaltsstoffe der Droge.
Deren Wirkung muss keineswegs belegt sein, allerdings sind sie bezüglich der Qualitätskon-
trolle im Laufe der Extrakt-Erzeugung relevant. Außerdem gibt es die Gruppe der Begleitstoffe
(Coeffektoren). Sie sind vor allem deshalb von Bedeutung, weil sie die Wirksamkeit bestimm-
ter Inhaltsstoffe beeinflussen. Dadurch können Hauptwirkungen bestärkt oder gehemmt wer-
den. Neben Stoffen, die sich mehr oder weniger positiv auf die Gesamtwirkung auswirken, gibt
es allerdings auch Unerwünschte Begleitstoffe, wie beispielsweise Allergene oder toxische
Stoffe in einem Vielstoffgemisch. Diese Stoffe werden allerdings durch spezielle Verfahren aus
dem Extrakt entfernt, wodurch die Qualität des fertigen Gemisches gewährleistet werden kann.
Als letzten wichtigen Bestandteil des Vielstoffgemisches sind die Gerüststoffe zu nennen. Da-
bei handelt es sich um Zellulose, Lignine sowie Pektine, die grundsätzlich für den Aufbau der
Pflanzenzelle essentiell sind. Sie bestehen aus Stoffen des Primärstoffwechsels der Pflanze,
werden allerding ebenfalls durch Extraktionsverfahren aussortiert (vgl. SCHILCHER & al. 2010:
13-14; vgl. WENIGMANN & KEUSGEN 2017: 11-12).

Die chemischen Anteile und Struktur eines Vielstoffgemisches hängen grundsätzlich auch von
äußeren Faktoren (Klima, Licht, Standort usw.) ab. Hier kann sich die Ursprungsdroge einer
Charge wesentlich von der einer anderen Charge unterscheiden. Um eine qualitative sowie
quantitative Zusammensetzung der Droge zu gewährleisten, gibt es Richtlinien bzw. Leitlinien:
Good Agricultural and Collecting Practise (GACP). Die Richtlinien stellen eine Verbindung
zwischen den Anbau der Pflanzen bis hin zur Extraktgewinnung dar. Sie beziehen unterschied-
lichste Aspekte des Anbaus (Saatgutqualität, Kultivierungstechniken, Düngung), des Erntens
(Trocknung, Lagerung) sowie des Vertriebs (Materialmanagement, Verpackung, Kennzeich-
nung, Kontrolle) mit ein. Ziel ist es, dass das Muster der Inhaltsstoffe von einer Charge zur
nächsten möglichst gleich bleibt und Schwankungen vermieden werden. Nur durch ständige
Kontrollprozesse, auch in einzelnen Zwischenschritten und Standardisierungsmaßnahmen,
kann ein erfolgreicher therapeutischer Effekt durch das Endprodukt gewährleistet sein (vgl.
WENIGMANN & KEUSGEN 2017: 12-13).

                                                                                            7
3.1 Bedeutung der Wirksamkeit

Ständige Erweiterungen der Standardisierungsprozesse in der Herstellung von Phytopharmaka
haben in den letzten Jahren zu einer sehr guten pharmazeutischen Qualität des Endproduktes
geführt. In der Regel bringen Phytopharmaka als Vielstoffgemische verschiedene Wirkungen
mit sich. Dabei werden die Löslichkeit, die Wirksamkeit sowie die Resorption von Begleitsub-
stanzen beeinflusst, was die Forderung nach detaillierten Aussagen zur Bioverfügbarkeit und
Pharmakokinetik von Drogenstoffen mit sich bringt.

Durch die Zuführung eines Pharmakons bzw. eines Phytopharmakons ergibt sich eine Zeit-
spanne. In dieser Zeitspanne tritt der Effekt des Pharmakons ein und klingt nach einer gewissen
Zeit wieder ab. Der Verlauf dieser Zeitspanne kann durch unterschiedliche Komponenten be-
einflusst werden. Insgesamt werden die Vorgänge vom Zeitpunkt der Verabreichung bis hin
zur Änderung seiner Konzentration als Pharmakokinetik bezeichnet. Pharmakokinetik beschäf-
tigt sich mit zeitlichen Veränderungen der Konzentration eines Phytopharmakons.

Unter dem Begriff Bioverfügbarkeit versteht man zudem das „Ausmaß der Verfügbarkeit eines
applizierten Wirkstoffes am Wirkort […]“. (LÜLLMANN, MOHR & HEIN 2010: 64) Im Allge-
meinen hängt die Wirkung eines Wirkstoffes von dessen Konzentration ab. Wodurch Kennt-
nisse über die (Phyto-)Pharmakon- Konzentration unerlässlich sind. Die Konzentration eines
Pharmakons bzw. die zugeführte Arzneistoffmenge und die darauf folgende Wirkung sind von
besonderer Bedeutung, wenn es um eine klinisch-therapeutisch motivierte Einnahme geht.
Durch das Erfassen der Dosis-Wirkung-Beziehung ist es zwar möglich „auch ohne Kenntnisse
der wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe rationale Dosierungsschemata auf[zu]stellen und
Aussagen zu Wirkungen ab[zu]leiten.“ (WENIGMANN & KEUSGEN: 13) Allerdings muss klar
sein, dass Effekte keineswegs nur durch die Inhaltsstoffe an sich ausgelöst werden, sondern
wesentlich durch individuelle Vorgänge im Körper auf molekularer Ebene beeinflusst werden
(siehe Abb. 1) (vgl. LÜLLMANN, MOHR & HEIN 2010: 37, 43-44; vgl. WENIGMANN & KEUSGEN
2017: 13).

                                                                                             8
Abbildung 1: Komponenten einer Dosis-Wirkung-Kurve (Lüllman et al. 2010)

3.2 Arzneidrogen

Als Arzneipflanzen bezeichnet man allgemein Pflanzen, die durch ihre Wirkstoffe und Inhalt-
stoffen zur Herstellung von Therapeutika dienen. Darunter fallen ebenso für den Menschen
giftige Pflanzen.
Der Begriff Droge wird im englischen Sprachraum anders verwendet als im deutschen. Im Eng-
lischen dient er als Bezeichnung für alle Arzneistoffe sowie Arzneimittel, egal ob pflanzlich
oder chemisch. Durch den Einfluss des englischen Sprachgebrauchs, hat sich die Bezeichnung
Droge (engl.:drug), in deutschen Sprachräumen allerdings verändert, hin zur gängigen Ver-
wendung des Begriffs Rauschdroge. Als Rauschdroge werden pflanzliche und chemische Mit-
tel verstanden wie beispielsweise Kokain, LSD, Heroin, Haschisch. Um die inhaltliche Diffe-
renzierung des Begriffs Droge zu verdeutlichen, werden in medizinischen Fachkreisen ver-
mehrt Bezeichnungen wie pflanzliche Droge bzw. Teedroge verwendet.

Pharmazeutisch betrachtet versteht man unter Drogen also biogene Arzneistoffe auf pflanzli-
cher oder tierischer Basis. Bei pflanzlichen Arzneidrogen handelt es sich weitgehend nicht um
die gesamte Pflanze, sondern um getrocknete und aufbereitete Pflanzen und Pflanzenteile, wo-
bei viele keine Zellstruktur mehr vorweisen (z.B. Öle). Die Pflanzenteile werden danach aus-
gewählt, wo im Organismus der relevante Wirkstoff überwiegend auftritt (z.B. Wurzel, Blätter,
Blüte). Ebenso werden Schleimstoffe, Fette und Öle zu den Pflanzendrogen gezählt. Dabei er-
folgt die allgemeine Einteilung der Arzneidrogen nach der Wirkstoffart und/ oder nach den
botanischen Ausgangpunkt der Pflanze (vgl. ARZNEIPFLANZEN-LEXIKON 2021; vgl.
WENIGMANN & KEUSGEN 2017: 27).

                                                                                           9
3.2.1 Kategorisierung der Pflanzeninhaltsstoffe

Die Photosynthese ist der im Fokus stehende Prozess für die Energieumwandlung in der Bio-
sphäre. Dabei wandeln Pflanzen und manche Bakterien Lichtenergie in chemische Energie um
und speichern sie in Form von Stärke. Bei diesem Prozess werden mithilfe des Chlorophylls in
der Pflanze aus Kohlendioxid und Sonneneinstrahlung organische Kohlenwasserstoffverbin-
dungen aufgebaut. Diese Verbindungen bilden die Basis des heutigen Lebens.

Der Primäre Stoffwechsel der Pflanze beginnt mit der Photosynthese. In diesem Stoffwechsel
werden Verbindungen gebildet, die für die Pflanze lebensnotwendig sind, um ihre Funktionen
aufrecht zu erhalten. Es entstehen Verbindungen wie Aminosäuren, Nucleotiden, Kohlenhyd-
rate, Fette und Proteine. Der Pflanze dienen diese als Energielieferanten, Strukturbausteine oder
als Speicherstoffe. Produkte aus den primären Stoffwechsel sind aus pharmakologischer Sicht
nur bedingt nutzbar. Vorwiegend dienen diese Verbindungen den Menschen als Nahrungs-
quelle und als Fasern-Lieferant.

Aus dem primären Pflanzenstoffwechsel lässt sich der sekundäre Pflanzenstoffwechsel ableiten
(siehe Abb.2). Dort entstehen niedermolekulare Verbindungen, die für die Pharmakologie rele-
vant sind. Oft sind die Stoffe in bestimmten Teilen der Pflanze abgelagert.

Einige davon lassen bis heute kaum eine ersichtliche Funktion im Organismus erkennen, andere
hingegen sind für die Pflanze unverzichtbar. Sie werden von der Pflanze beispielsweise als
Abwehrstoffe gegen Schädlinge sowie Krankheiten eingesetzt oder regulieren das Wachstum.
Sekundäre Stoffwechselprodukte definieren also das „charakteristische Wirkprofil der Pflanze“
(BÄUMLER 2007: 19); (vgl. BÄUMLER 2007: 19-20; vgl. JAROSCH 2019: 131).

                                                                                              10
Abbildung 2: Primär-, Sekundärstoffwechsel (Jarosch 2019)

Bei Heilpflanzen/Arzneipflanzen sowie bei Gewürzpflanzen sind bestimmte Inhaltsstoffe von
Bedeutung. Dazu wurden folgende Quellen herangezogen, verglichen und aufeinander abge-
stimmt: BÄUMLER (2007: 19-31); WENIGMANN & KEUSGEN (2017: 45-61); BÜHRING (2014);
BOTANISCHER GARTEN (2021); DAZ.ONLINE (2011)

Zu erwähnen ist natürlich, dass es durchaus mehr als folgende Inhaltsstoffe gibt, denen auch in
phytotherapeutischer Hinsicht Relevanz zuzugestehen ist. Da der Schwerpunkt dieser Arbeit
jedoch nicht auf den Inhaltsstoffen der Arzneipflanzen liegt, wurde bei der Auflistung separiert
und konkretisiert.

Ätherische Öle:
Diese können aus über 1000 Bestandteilen zusammengesetzt vorkommen und weisen somit
eine vielfältige Struktur mit unterschiedlichen Wirkungen auf. Bei den Bestandteilen handelt
es sich meist um Monoterpene, z.B. Menthol in Blättern der Pfefferminze (Mentha piperita),
oder um Sesquiterpene, z.B. ß-Caryophyllen in Gewürznelken (Syzygium aromaticum).

                                                                                             11
Durch Methoden wie der Dampfdestillation können die Ätherischen Öle aus den Pflanzen ge-
wonnen werden. Diese Öle sind komplexe Gemische, die nicht mit Wasser mischbar sind. Al-
lerdings lassen sie sich in lipophilen Lösungsmitteln wie Ether, Chloroform oder Ethanol gut
lösen.
Sie zeichnen sich durch ihren aromatischen Duft aus, was der Pflanze als Fraßschutz nützen
kann. Außerdem dient der Duft der Anlockung und Vertreibung von Insekten und wirkt als
Hemmstoff bei der Samenkeimung.
Ätherische Öle können über die Magen-Darm-Schleimhaut, über die Haut oder über die Bron-
chialschleimhaut aufgenommen werden. Somit können sie oral eingenommen werden, inhalativ
oder äußerlich aufgetragen werden. Die Wirkungen Ätherischer Öle sind sehr vielseitig, wes-
halb hier nur ein paar davon genannt werden: Bestimmte Öle wie zum Beispiel aus Knoblauch
(Allium sativum), Zimt (Cinnamomum) oder Salbei (Salvia) wirken antimikrobiell. Sie hemmen
also die Entwicklung von Pilzen oder Bakterien und sind keimtötend. Andere Ätherische Öle,
wie das aus Pfefferminze, Kamille (Matricaria chamomilla), Kümmel (Carum carvi), Scharf-
gabe (Achillea millefolium) weisen eine spasmolytische Aktivität auf. Sie wirken auf glattmus-
kuläre Organe, z.B. im Magen-Darm-Trakt und der Gallenblase, krampflösend. Zudem werden
Ätherische Öle bei Kreislaufproblemen eingesetzt, andere weisen eine durchblutungsfördernde
Wirkung auf. Ätherische Öl-Drogen aus Melissenblättern (Melissae folium), Lavendelblüten
(Lavandulae flos) oder Baldrianwurzeln (Valerianae radix) werden wegen ihrer beruhigenden
Wirkung als Sedativa verwendet. Hierfür werden die Inhaltsstoffe oft als Bestandteil von
Teedrogen eingesetzt.
Als unerwünschte Wirkungen ist bei Ätherischen Ölen die Haut- Verträglichkeit zu berücksich-
tigen, da stark konzentrierte Öle Reizungen hervorbringen können. Es sollte zudem speziell auf
die Lagerung der Öle geachtet werden, um Oxidationsreaktionen durch den Sauerstoff aus der
Luft zu vermindern.

Alkaloide:
Alkaloide sind komplexe Verbindungen aus Stickstoffatomen, die basisch reagieren. Sie wer-
den nach ihrer chemischen Struktur in heterozyklische- bzw. in nicht heterozyklische Verbin-
dungen unterteilt. Wie Ätherische Öle sind auch Alkaloide lipophil, also in Ethanol, Chloro-
form o.ä. löslich. In organischen Säuren wie in Essig-, Milch- oder Apfelsäure bilden sie in der
Pflanze wasserlösliche Salze.
Es sind momentan ca. 12 000 Alkaloide bekannt. Meist sind sie nach dem Gattungsnamen bzw.
den Artnamen der Pflanze benannt, z.B. Atropin das in der Tollkirsche (Atropa beladonna)

                                                                                             12
vorkommt. Für die Pflanzen selbst wirken Alkaloide gegen Schädlingsbefälle sowie durch ihren
bitteren Geschmack als Fraßschutz. Oft werden Alkaloide nur in bestimmten Regionen der
Pflanze gebildet und anschließend durch Leitungsbahnen auf den gesamten Organismus ver-
teilt. Als sekundäre Pflanzenstoffe sind sie für Pflanzen nicht essentiell. Pflanzenfamilien mit
häufigen Alkaloid-Vorkommen sind zum Beispiel Nachtschattengewächse (Solanaceae),
Mohngewächse (Papaveraceae), Schmetterlingsblütler (Fabaceae) oder Hahnenfußgewächse
(Ranunculaceae).
Alkaloidhaltige Pflanzen wirken erstrangig auf das Zentralnervensystem (ZNS). Sie können
dabei als Antagonismus oder Agonismus agieren und so in die nervale Regulation eingreifen.
Durch diese Wirkung werden Alkaloide schon seit jeher als Rausch- und Genussmittel verwen-
det, was auch zu Vergiftungen bzw. zum Missbrauch durch Substanzen wie Opium oder Kokain
führt.
Im Rahmen der Phytotherapie werden Alkaloide als Reinsubstanzen verwendet, die genau do-
sierbar sind. Für die Phytotherapie relevante Alkaloide sind beispielsweise Opiumalkaloide
(Morphin, Codein, Papaverin), Solanaceenalkaloide (Atropin, Hyoscyamin) oder Mutterkor-
nalkaloide. Alkaloide kommen auch außerhalb der Botanik zum Einsatz, beispielsweise als
Hautsekret mancher tropischer Frösche.

Bitterstoffe:
Dieser Inhaltsstoff zeichnet sich besonders durch seinen bitteren Geschmack aus sowie durch
die gute Löslichkeit mit Wasser. Meist werden sie als Teemischungen oder als Tinkturen her-
angezogen. Bitterstoffe weisen keinen einheitlichen strukturellen Aufbau vor, allerdings zählen
sie oft zu den Terpenoiden, Glykosiden oder Lacton-Verbindungen. Weiters werden Bitter-
stoffe in nicht-terpenoide oder in terpenoide Stoffe unterteilt.
Zu den nicht-terpenoiden Bitterstoffen zählen zum Beispiel Humolon und Lupulon, die man
auch als Hopfenbitterstoffe bezeichnet und aus Hopfenzapfen (Lupuli strobulus) gewonnen
werden. Ihnen wird eine sedative sowie magensaftstimulierende Wirkung durch Sekretionsför-
derung in den Speicheldrüsen und im Magen selbst zugesagt. Im Magen wird durch die Bitter-
stoffe die Freisetzung von Gastrin, ein Peptidhormon des Magen-Darm-Traktes, gefördert.
Dadurch wird die Motorik des Magens und des Dünndarms verbessert und die Produktion von
Gallen- und Pankreassaft gesteigert.
Spezielle Bitterstoffe wie Sesquiterpenlactone und Diterpenlactone weisen zudem auch anti-
bakterielle Wirkungen auf. Ersteres findet man beispielsweise bei bestimmten Vertretern der
Asteraceae wie Arnika (Arnica montana) oder Löwenzahn (Taraxacum) sowie bei Vertretern

                                                                                             13
der Apiaceae wie Wermut (Artemisia absinthium) oder Liebstöckel (Levisticum officinale).
Diterpenlactone werden als Lamiaceae-Bitterstoffe bezeichnet, da sie in Vertretern der Lippen-
blütler (Lamiaceae) vorkommen. Hierzu zählen Pflanzen wie Salbei (Salvia), Rosmarin (Salvia
rosmarinus) oder Andornkraut (Marrubium vulgare). So positiv wie sich Bitterstoffe auf Ver-
dauungsprozesse im Körper auswirken, kann es bei einer zu konzentrierten Einnahme zu uner-
wünschten Wirkungen führen. Hier können Symptome wie Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit
oder Erbrechen zum Vorschein treten.

Flavonoide:
Dieser Inhaltsstoff kommt nur in höheren Pflanze vor- Tiere, Bakterien, Pilze o.ä. besitzen ihn
nicht. Flavonoide bestehen aus Polyphenolverbindungen und machen sich oft als gelbe oder
rote Farbstoffe in vielen Pflanzen erkenntlich. Sie können allerdings auch farblos oder als blau-
violette Farben zum Vorschein kommen. Die gelbe Farbe verschaffte dem Inhaltsstoff einst
seinen Namen: lat. „flavus“ = gelb. Zur wichtigen Ressource wurden die Farbstoffe beim Fär-
beprozess von Wolle und Baumwolle.
Der Pflanze selbst dienen Flavonoide einerseits als Lockmittel für Insekten andererseits schützt
der Inhaltsstoff gegen Krankheiten, Pilzbefall usw. Flavonoide könne hydrophil vorkommen,
also wasserlöslich und befinden sich im Zellsaft der Pflanze, oder sie kommen als lipophile
Strukturen zusammen mit ätherischen Ölen in Exkret -Räumen vor.
Flavonoide können unterschiedliche molekulare Strukturen vorweisen und werden deshalb in
zahlreiche Unterklassen eingeteilt: z.B. Flavone, Flavonole, Flavanone, Flavanonole oder Ant-
hocyanidine. Der Grad der Oxidation und das Substitutionsmuster dieser Inhaltsstoffe können
weit gestreut sein, dennoch sind Flavonoide für bestimmte Pflanzenfamilien charakteristisch
und spielen besonders für die Analytik der Arzneidroge eine zentrale Rolle.
Eine Wirkung, die fast bei allen Flavonoiden auftritt, ist die Schutzwirkung auf Kapillaren. Dies
wird durch eine Verminderung der Gefäßdurchlässigkeit hervorgerufen. Hyaluronidasen wer-
den gehemmt, wodurch sich der Abbau von Hyaluronsäure verzögert. Hyaluronsäure reguliert
in Binde- und Stützgewebe die Permeabilität der Zellen der Kapillarwände. Isolierte Flavonoide
werden somit beispielsweise zur Behandlung von Veneninsuffizienz und von Ödemen verwen-
det. Auch Blätter des Ginkgo-Baumes (Ginkgo biloba) beinhalten Flavonoide. Diesen
Nootropika wird vor allem eine Gedächtnisförderung zugesagt. Außerdem wirken sie durch-
blutungsfördernd für periphere Körperregionen. Ebenso ist das Passionsblumenkraut (Pas-
siflora incarnata) als flavonoidhaltige Arzneipflanze verarbeitet und wird bei nervösen Unru-
hen als Teeaufguss o.ä. verabreicht.

                                                                                              14
Generell spielen Flavonoide in unserem Alltag auch ernährungsphysiologisch eine wesentliche
Rolle, da sie in vielen Obst-, Gemüsesorten vorkommen. Man geht davon aus, dass sie als An-
tioxidantien Einfluss auf die Prävention chronischer Krankheiten haben.

Gerbstoffe:
Unter diesen Inhaltstoff versteht man schwach sauer reagierende Oligomere von Polyphenolen.
Gerbstoffe sind als wasser- und ethanollösliche Stoffe in der Lage Wasser-unlösliche Komplexe
mit Eiweißmolekülen zu bilden. Dabei kommt es zur Verdrängung der Wassermoleküle, was
zur Trocknung führt. Ihren Namen verdanken Gerbstoffe der früheren Verwendung der Gerb-
stoffdrogen für das Gerben tierischer Haut in der Lederherstellung. Die Eigenschaft, dass sie
Stoffe austrocknen, war hier zentral.
Vom strukturellen Aufbau her teilt man sie in zwei Hauptgruppen ein. Einerseits gibt es hyd-
rolisierbare Gerbstoffe (Tanningerbstoffe). Diese Verbindungen bestehen aus Gallussäure und
Zucker(alkohol)molekülen. Sie wirken bei Zuführung stark adstringierend auf die Schleimhaut,
Haut oder Kollagenfasern. Dabei werden Glykoproteine z.B. im Speichel ausfällig, was zu ei-
nem trockenen Gefühl im Mund führt sowie zur Reduktion der Gleitfähigkeit des Speichels.
Tanningerbstoffe kommen beispielsweise im Gänsefingerkraut (Potentilla anserina), im Blut-
roten Storchschnabel (Geranium sanguineum) oder auch in verschiedenen Buchengewächsen
(Fagaceae) vor. Als zweite große Gruppe sind die kondensierten Gerbstoffe (Catechingerb-
stoffe) zu nennen. Catechingerbstoffe sind Oligomer- bzw. Polymerverbindungen, meist aus
Catechin und einem Flavon-3-ol als Grundbausteine. Statt Catechin kann die Verbindung auch
Proanthocyanidin enthalten. Proanthocyanidin ist für den farbegebenden Anteil der Anthocyane
verantwortlich. Blüten erscheinen dadurch rot, blau oder violett. Catechingerbstoffe haben eine
geringere adstringierende Wirkung als Tanningerbstoffe. Aus pflanzenphysiologischer Sicht
dienen Gerbstoffe einerseits als Fäulnisschutz und verhindern das Eintreten von Nässe oder
Bakterien. Andererseits schützen sie die Pflanze vor Feuchtigkeitsverlust nach außen hin.
Primär sind in Gerbstoffdrogen Mischformen aus Catechin und Tannin vorhanden. Die adstrin-
gierende Wirkung der Verbindungen führt zur Bildung einer kapillarabdichtenden Membran,
das wiederum bestimmte Effekte mit sich bringt. So wirken Gerbstoffe antibakteriell und anti-
viral. Zum äußerlichen Auftragen werden sie als Gurgellösungen oder Pinsellösungen für
Schleimhautentzündungen im Mund- und Rachenraum verwendet, ebenso als Salben bei Wun-
den, Verbrennungen oder als Umschläge.
Bei hoch konzentrierter Zufuhr von Gerbstoffen können Reizungen der Magenschleimhaut so-
wie Erbrechen auftreten.

                                                                                            15
Glykoside:
Glykoside setzen sich aus Zuckermolekülen (Mono-, Di-, oder Polysaccharine) sowie einen
Nicht-Zuckermolekül (Aglykon oder Genin) zusammen. Sie liegen als kristalline Substanzen
vor, die weiß, geruchslos und bitter schmeckend sind. Generell sind Glykoside in Alkohol gut
löslich. Da es insgesamt mehr als 200 Verbindungsarten an Glykoside gibt, sind besonders zwei
Gruppen in der Phytotherapie von Bedeutung: Herzwirksame Glykoside und Anthrachinongly-
koside. Die Wirkung der Herzwirksamen Glykoside wird primär durch das Aglykon in der Ver-
bindung bestimmt. Der Wirkungsgrad sowie pharmakokinetische Wirkung werden durch die
Zuckermoleküle bestimmt.
Aufgrund unsicherer Bioverfügbarkeit der Herzwirksamen Glykoside, werden diese allerdings
nur in Form standardisierter Extrakte eingesetzt. Die umfangreiche Gruppe der Herzglykoside
wird heute vor allem in der Therapie von Herzinsuffizienz herangezogen. Die Dynamik und
Rhythmik des Herzmuskels wird dadurch positiv beeinflusst. So nehmen durch Herzglykoside
Kraft und Schnelligkeit der Systole zu, die Diastole gewinnt an Schlagvolumen, wodurch die
Muskulatur des Herzes besser ausgelastet werden kann. Ebenso wird die Herzfrequenz verrin-
gert, was zu einer besseren Ökonomie des Herzens führt.
Gängige pflanzliche Vertreter mit Herzwirksamen Glykosiden sind beispielsweise das Mai-
glöckchen (Convallariae herba), das Adoniskraut (Adonidis herba) oder die Meerzwiebel (Sci-
llae bulbus).
Neben Herzwirksamen Glykosiden spielen Anthrachinonglykoside (Anthranoide) als Glyko-
side eine Rolle, da diese Pflanzeninhaltsstoffe eine abführende Wirkung vorweisen. Sie bewir-
ken im Darm eine Beschleunigung der Verarbeitung und eine verstärkte Sekretion von Wasser
in den Darm-Raum. Anthranoide sind durch ihre orangen-roten Farbanteil in Pflanzen, Pilzen
oder Flechten erkennbar. Pflanzenfamilien mit dieser Verbindungen sind z.B. Kreuzdornge-
wächse (Rhamnaceae), Hülsenfruchtgewächse (Fabaceae) oder Affodillgewächsen (Aspho-
delaceae).

Saponine:
Saponine sind glykosidische Verbindungen, deren Hauptmerkmal die seifenartige Wirkung ist.
Daher stammt auch der Name: lat. „sapo“ = Seife. Diese pflanzlichen Inhaltsstoffe bestehen
aus Zuckerbausteinen (Monosacchariden) und einem Aglykon (Sapogenin). Je nach Struktur
des Aglykons werden die Saponine in Unterkategorien eingeteilt. Häufig kommen im Pflan-
zenreich Triterpensaponine vor. Generell haben Saponine eine Gemeinsamkeit: Sie sind alle

                                                                                          16
amphiphil. Das heißt sie sind lipophil sowie hydrophil und können demnach in polaren Lösun-
gen (z.B. Wasser) aber auch in unpolaren Lösungen (z.B. Fett) gelöst werden.
Gut erkennbar sind Saponine durch das Erzeugen von Schaum, wenn sie in Wasser gelöst wer-
den. Sie setzen die Oberflächenspannung des Wassers herab. Schüttelt man das Gemisch, ent-
steht anschließen aufgrund der Durchmischung von Wasser und Luft seifenartiger Schaum.
Saponine an sich werden im Darm schlecht resorbiert, wodurch auch keine Toxizität auftritt.
Allerdings spielen sie dort als Vermittler-Stoffe eine wichtige Rolle, da sie für eine verbesserte
Aufnahme andere Stoffe sorgen. Somit können auch schwer resorbierbare Pflanzenstoffe auf-
genommen werden. Beispielsweise steigert saponinhaltiger Spinat die Kalziumaufnahme im
Körper. Vom Geschmack her sind Saponine kratzend und bitter, außerdem bewirken sie eine
Steigerung des Tränenflusses und führen zu vermehrten Niesen und Husten.
Saponine weisen ein breites Wirkungsspektrum auf. Zentral ist phytotherapeutisch vor allem,
dass sie sekretomotorisch (verstärkt den Abtransport von Schleim), sekretolytisch (fördert die
Produktion dünnflüssigen Schleims) und expektorierend (erleichtert den Auswurf des Schleims
aus den Atemwegen) sind. In diesem Anwendungsbereich werden Pflanze wie die Königskerze
(Verbascum), das Gänseblümchen (Bellis perennis), Seifenkraut (Saponaria officinalis), Efeu
(Hedera helix) verwendet. Ebenso wirken Saponine stoffwechselanregend, wodurch Appetit
und Abführung der Nahrung gesteigert wird. Pflanzen wie der Efeu oder die Schlüsselblume
(Primula veris) wirken durch Saponine antimykotisch und antibakteriell. Efeu und Süßholz
(Glycyrrhiza glabra) weisen außerdem eine antivirale Wirkung auf.
Nebenwirkungen treten beim Konsum von Saponine extrem selten auf. Gelangen starke kon-
zentrierte Gemische, z.B. über Wunden, in die Blutlaufbahn, kann dies zu Erbrechen, Übelkeit
oder Überreizung der Schleimhäute führen.

Schleimstoffe:
Schleimstoffe werden in Vakuolen oder in der Zellmembran der Pflanzen gelagert und sind
hochmolekulare heteropolysaccharide Verbindungen. Sie können mit kaltem und heißem Was-
ser extrahiert werden und haben durch ihr Wasserbindungsvermögen die Fähigkeit, Gel oder
kolloidale (plasmaartige) Lösungen zu bilden. Diese Eigenheit ist ein spezieller Unterschied
zum Inhaltsstoff Zellulose. Allgemein unterscheidet man in der Kategorie der Schleimstoffe
zwischen neutralen Schleimstoffen und sauren Schleimstoffen.
Vom Körper wird grundsätzlich ein sehr geringes Maß an Schleimstoffen aufgenommen. Dabei
gibt es von Pflanze zu Pflanze allerdings Unterschiede in ihrer Resorbierbarkeit. Wichtig ist in
der Phytotherapie, das wasserbindende Wirken, wodurch lokale Reizungen und Entzündungen

                                                                                               17
entgegengewirkt wird. Die durch Schleimstoffe entstehenden viskosen Lösungen fungieren auf
Schleimhäuten als Schutzfilm und ersetzten beispielsweise geschädigte Schleimhaut. So kön-
nen weitere Reizungen verhindert werden und abklingen. Lösliche Schleimstoffe, die im Islän-
disch Moos (Cetrariae lichen) oder in Malvenblättern (Malvae flos) vorkommen, werden häu-
fig als Gurgellösungen oder als Teedrogen herangezogen. Unverdauliche Schleimstoffe können
durch Leinsamen (Lini semen) oder Flohsamen (Psyllii semen) zugeführt werden. Diese werden
von den Verdauungsenzymen nur teilweise gepalten und passieren fast unverändert den Darm.
Die abführende bzw. stuhlregulierende Wirkung spielt hierbei die zentrale Rolle. Die Entste-
hung des Schleims der Leinsamen kann zudem bei Erkrankungen wie Gastritis sowie bei un-
spezifischen Durchfällen wesentlich zur Symptomlinderung und Genesung beitragen. Neben
innerlicher Anwendung können Schleimstoffe auch äußerlich anhand von Kompressen kühlend
und entzündungshemmend wirken.
Bei einer starken Überdosierung, z.B. von Flohsamen, kann es zu abdominalen Schmerzen im
Bauchbereich führen und Völlegefühl ausgelöst werden (vgl. BÄUMLER 2007: 19-30; vgl.
BOTANISCHER GARTEN 2021; vgl. WENIGMANN & KEUSGEN 2017: 46-61; vgl. DAZ.ONLINE
2011; vgl. BÜHRING 2014: 123-163).

3.2.2 Kategorisierung verwendeter Pflanzenteile

Im Zuge dieses Unterpunktes ist es sinnvoll auf die Pflanzenteile, die als Droge herangezogen
werden, überblicksmäßig einzugehen. WENIGMANN & KEUSGEN (2017: 29ff.) nennen folgende
11 verwendete Pflanzenteile, die zur Herstellung von Pflanzendrogen verwendet werden:

   1. Blattdrogen
       Wie der Name bereits sagt, wird die Droge hier durch die Laubblätter bzw. Nebenblätter
       der Pflanzen erzeugt. Das Laubblatt an ist aus der Blattspreite, Blattstiel und Blattgrund
       aufgebaut, wobei der Stiel auch fehlen kann. Um das Blatt bestimmten zu können, sind
       Merkmale wie der Blattrand (z.B. gesägt, gezahnt, ganzrandig), der Verlauf der Leit-
       bündel (z.B. parallel) sowie die Form des gesamten Blattes charakteristisch. Neben die-
       sen Oberflächenmerkmalen sind Blätter auch durch mikroskopische Merkmale zu iden-
       tifizieren, beispielsweise durch die Aufmachung der Epidermis mit unterschiedlichen
       Haarbildungen, durch Spaltöffnungen oder das Vorhandensein von Schleimzellen.
       Durch die Trocknung der Pflanzenblätter sind die Blattdrogen nicht mehr grün, sondern
       haben häufig eine grau-gelbe Farbe angenommen (siehe Abb.3). Sind die Blattdrogen

                                                                                              18
Sie können auch lesen