Bedrohung durch gebietsfremde Arten

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Bedrohung durch gebietsfremde Arten
Nr. 462 vom 8. Mai 2014

Bedrohung durch gebietsfremde Arten
ZUSAMMENFASSUNG.
Die meisten gebietsfremden
Pflanzen und Tiere sind harm-
los, sie leben in friedlicher
Koexistenz mit der heimi-
schen Flora und Fauna. Doch
manche Fremde wurden do-
minant – und                       schaffen
grosse Probleme.

Eveline Dudda, Dipl.Agr.Ing.,
Agrarjournalistin

Neophyten ist die Bezeichnung für
Pflanzen, die erst seit der Entdeckung
Amerikas (1492) bei uns vorkommen.                    Der Riesenbärenklau ist ein bekanntes Beispiel eines Neophyten. Er kann
Neozoen sind das Pendant dazu im                      beim Menschen Verbrennungen hervorrufen. (ji)

Tierreich. Die meisten Neuzuzüger sind
friedlich und leben bestens integriert.               Dem Artenschutz verpflichtet              Willkürliche Artenliste
Doch manche verwildern, breiten sich                  Die Schweiz hat sich 2010 mit der Un-     Da eine klare Strategie fehlt ist die
stark aus, bedrängen die einheimische                 terschrift unter das Aichi-Protokoll in   Wirkung der Freisetzungsverordnung
Flora und Fauna oder sind sogar ge-                   Nagoya verpflichtet, invasive gebiets-    bescheiden. Zumal es für die Bekämp-
sundheitsgefährdend. Diese Problem-                   fremde Arten zu kontrollieren oder zu     fung vieler häufig verwendeter Arten
pflanzen und Problemtiere bezeich-                    beseitigen, sowie präventive Mass-        an Akzeptanz fehlt. Bislang scheint
net man als invasive Neobioten. In                    nahmen zu ergreifen. 2008 wurde die       sich nur einer konsequent an die Ver-
der Schweiz hat es einige davon: Das                  Freisetzungsverordnung (FrSV) revidiert   ordnung zu halten: Der Amerikanische
Drüsige Springkraut oder der Japani-                  und in der Schweiz eine rechtliche        Ochsenfrosch (Rana catesbeiana). Er
sche Knöterich sind den meisten schon                 Grundlage für den Umgang mit Neo-         ist im Anhang der Verordnung als ver-
einmal begegnet, mit dem Asiatischen                  bioten geschaffen. Allerdings hat der     botene Art aufgeführt und nimmt das
Marienkäfer oder dem Buchsbaum-                       Bund bis heute noch keine nationale       offenbar so ernst, dass er erst gar nicht
zünsler hatten viele auch schon Kon-                  Strategie vorgelegt, so dass die Kanto-   in die Schweiz eingewandert ist.
takt. Diese invasiven Arten breiten sich              ne das Thema ganz unterschiedlich und
nicht zuletzt in Naturschutzgebieten                  nicht selten widersprüchlich angehen.
stark aus. Die fremden Tier- und Pflan-               In der Praxis wird das Thema ebenfalls
zenarten stellen nach Ansicht von Bio-                kontrovers diskutiert: Muss man wirk-
logen die zweitwichtigste Bedrohung                   lich sämtliche Kirschlorbeerhecken aus-
für die weltweite Artenvielfalt dar,                  reissen und in der Kehrichtverbrennung
gleich nach dem Lebensraumverlust.                    entsorgen? Ist Aushubmaterial, das
                                                      Samen von Neophyten enthält, wirklich
                                                      eine Art Sondermüll? Kann man Trilliar-
                                                      den Asiatische Marienkäfer überhaupt
                                                      noch ausrotten?

Redaktion: Markus Rediger (mr), Michael Wahl (mw), Jonas Ingold (ji) | redaktion@lid.ch
Das Dossier erscheint sechsmal pro Jahr | Online-Archiv unter www.lid.ch
Bedrohung durch gebietsfremde Arten
Neobioten                                                                                                                                                                                   3

Inhalt
   Bedrohung durch gebietsfremde Arten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
   1. Stichtag: 31. Dezember 1492 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
   2. Einheimische und eingewanderte Pflanzen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
   2.1 Situation in der Schweiz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
   2.2 Neophyten weltweit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
   2.2.1 Von der Zierde zum Monster  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
   2.3 Merkmale invasiver Pflanzen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
   2.4 Neophyten als Nutzpflanzen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
   2.4.1 Futterpflanze Topinambur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
   2.5 Bei Bienen beliebt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
   2.5.1 Trachtpflanze Schmetterlingsstrauch  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
   2.6 Probleme und Gefahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
   2.6.1 Nicht Neo, trotzdem invasiv  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
   2.7 Bekämpfung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
   3. Fremde Tiere: Neozoen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
   3.1 Waldschädlinge  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
   3.2 Eingeführt oder eingeschleppt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
   3.3 Verbotene Lebewesen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
   3.3.1 Vom Gewächshaus ins Freie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
   4. Rechtliche Grundlagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
   4.1 Fehlende Strategie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
   4.2 Unkoordinierte Aktivitäten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
   4.3 Akzeptanzschwierigkeiten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
   5. Die Schweiz ist keine Insel  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
   6. Literatur / Quellen / Links  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

LID Dossier Nr. 462 vom 8. Mai 2014
Bedrohung durch gebietsfremde Arten
Neobioten                                                                                                                           4

1. Stichtag: 31. Dezember 1492
Neophyten sind eigentlich nichts anderes
als „neue Pflanzen“, und Neozoen sind
„neue Tiere“. Neu ist dabei jeweils rela-
tiv, denn diese Pflanzen und Tiere gibt es
schon lange. Nur nicht bei uns, bzw. nicht
in jenen Ländern, in denen sie sich als
Neobioten ausbreiteten. Manche unter den
Neuen sind sehr neu, das heisst sie wurden
erst in den letzten Jahren bei uns gesichtet.
Wie zum Beispiel der Asiatische Laubholz-
bockkäfer (Anoplophora glabripennis), der
2011 erstmals in der Schweiz nachgewie-
sen wurde. Oder das Erdmandelgras, das
vor rund zehn Jahren hierzulande noch
kein Problem darstellte. Andere Neobio-
ten sind weniger neu, zum Beispiel der
Höckerschwan oder der Kirschlorbeer, der
schon seit Hunderten von Jahren seinen
festen Platz in Tausenden von Gärten und
öffentlichen Grünanlagen einnimmt. Um
die Definition zu erleichtern, wann etwas
Neo ist und wann nicht, hat man sich auf
einen Zeitpunkt geeinigt: Es ist 1492 – das
Jahr in dem Amerika entdeckt wurde. Seit-
her haben die weltweiten Handelsströme
                                                Was nach der Ankunft von Christoph Kolumbus im Jahr 1492 in die Schweiz kam, gilt
zugenommen. Mit ihnen traten auch zahl-
                                                als Neobiot. (PD)
reiche Tiere und Pflanzen die Reise in eine
für sie neue Welt an. Alles, was nach 1492      Arten auf. Er stellt darin aber auch 107
in die Schweiz kam, gilt als Neobiot.           Problemarten vor: fünf Säugetiere, vier
    Die Einwanderer kamen auf verschie-         Vögel, ein Reptil, drei Amphibien, sieben
denen Wegen in die Schweiz: Manche              Fische, vier Weichtiere, sechzehn Insekten,
wurden bewusst eingeführt, sei es als           sechs Krebstiere, drei Spinnen, zwei „Wür-
Zierpflanze, zu Forschungszwecken oder          mer”, sieben Pilze, ein Bakterium und 48
aus Liebhaberei. Andere kamen als blinde        Pflanzen. Nicht alle von ihnen sorgen für
Passagiere oder siedelten sich auf natürli-     Ärger. Doch um diese Minderheit geht es
che Weise bei uns an. Die meisten dieser        in diesem Dossier.
gebietsfremden Pflanzen und Tiere sind
harmlos. Ein Bericht des Bundesamtes für
Umwelt (BAFU) aus dem Jahr 2006 über
die gebietsfremden Arten der Schweiz
listet über 800 etablierte gebietsfremde

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Bedrohung durch gebietsfremde Arten
Neobioten                                                                                                                               5

2. Einheimische und eingewanderte
   Pflanzen
Vor rund 2,6 Millionen Jahren waren grosse     und Nutzpflanzen in botanische und priva-     zen Liste“ werden jene invasiven Neophyten
Teile Europas mit einer Eisschicht bedeckt.    te Gärten. Viele dieser Arten waren auf die   der Schweiz aufgeführt, die in den Bereichen
Die meisten Pflanzenarten starben aus oder     speziellen Bedingungen in Gewächshäu-         Biodiversität, Gesundheit und Ökonomie
zogen sich in die wenigen eisfreien Gebiete    sern angewiesen, andere gediehen mühe-        Schäden verursachen. Ihre Ausbreitung soll
auf Berggipfeln und in südlichen Regionen      los auch im Freiland. Einige Neophyten        verhindert werden. Auf der „Watch-Liste“
zurück. Vor rund 16’000 Jahren, also nach      wurden auch unabsichtlich verschleppt,        werden weitere 20 Neophyten aufgeführt,
der Eiszeit, verliessen die ersten Pflanzen    meistens mit Sämereien. Die hohe Mo-          die das Potential haben, Schäden zu verursa-
diese Gebiete wieder. Zudem wanderten          bili-tät und der rege globale Waren- und      chen. Im benachbarten Ausland verursachen
Steppenpflanzen aus dem Osten ein und          Reiseverkehr haben diese Entwicklung          einige dieser Arten bereits Schäden. Ihre
siedelten sich in den eisfreien Regionen an.   beschleunigt.                                 Bestände sollen deshalb überwacht und
Diese Pflanzenarten gehören inzwischen                                                       wenn nötig eingedämmt werden.
alle zur einheimischen Flora.                  Invasive Neophyten                                Der Grossteil der gebietsfremden Pflan-
                                               Invasive gebietsfremde Neophyten sind         zenarten in der Schweiz stammt aus Nord-
Archäophyten                                   nicht-einheimische Pflanzen, die sich in      amerika, Asien und dem Mittelmeerraum.
Als Archäophyten bezeichnet man Pflan-         der Natur auf Kosten einheimischer Arten      Eher wenige kommen aus Afrika, Australien
zenarten, die vor 1492 – also vor den          ausbreiten. Sie verursachen oft ökologi-      oder Zentral- und Südamerika. Denn dort
Neophyten – eingeführt wurden und sich         sche, ökonomische und manchmal sogar          herrschen andere klimatische Verhältnisse,
hierzulande etablierten. Mit Ackerbau und      gesundheitliche Probleme. Sie wurden in-      so dass sich die Pflanzen, die dort gedeihen,
Viehzucht gelangten z.B. etliche Arten wie     vasiv, weil sie hierzulande entweder keine    in Mitteleuropa eher schlecht zurecht-
Klatschmohn, Kornblume, Echte Kamil-           Feinde haben, oder andere Pflanzen durch      finden. Biologische Invasionen werden
le und Kornrade aus dem mediterranen           die Abgabe von chemischen Substanzen in       in Zukunft vermutlich noch zunehmen.
Raum und den angrenzenden Gebieten             ihrem Wachstum beeinträchtigen oder ganz      Der Klimawandel und Landnutzungs-
Südosteuropas und Westasiens nach Mit-         einfach, weil sie übermässig von Klima- und   Änderungen, wie auch die wachsende
teleuropa. In der Antike wurden viele Ar-      Landnutzungsänderungen profitieren.           Globalisierung und der stets wachsende
ten entlang von Handelsrouten verbreitet.                                                    weltweite Handel sowie Fernreiseverkehr
Apfel- und Birnbäume kamen über die            2.1 Situation in der Schweiz                  leisten den Neophyten Vorschub.
Seidenstrasse nach Griechenland und ge-        In der Schweiz
langten von dort in die Gärten der Römer,      gibt es rund
die diese Kulturpflanzen nach Mitteleuropa     2’600      ein-
brachten. Archäophyten zählt man heute         heimische
ebenfalls zur einheimischen Flora obwohl       Pflanzenarten
sie ursprünglich eingeführt worden sind.       und etwa 550
                                               Neophyten.
Neophyten                                      Von den letzt-
Neophyten sind dagegen Pflanzen, die erst      genannten
nach 1492 eingeführt wurden. Die Einfuhr       gelten      24
war oft Absicht. Die Forscher sammelten        Pflanzenarten
auf ihren Überseereisen exotische Pflan-       als invasiv. In
zenarten und brachten diese dann als Zier-     der „Schwar-      Herkunft gebietsfremder Pflanzenarten in der Schweiz
                                                                 Quelle: Botanischer Garten Bern, 2012

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Neobioten                                                                                                                                              6

2.2 Neophyten weltweit
Eingeschleppte, gebietsfremde Pflanzen
und Tiere sind nicht nur in der Schweiz ein
Problem, sondern kommen weltweit vor.
Die Weltnaturschutzunion (IUCN) hat eine
Liste der weltweit 100 schlimmsten invasi-
ven Organismen erstellt. Dazu zählen auch
Pflanzen und Tiere, die in Europa einhei-
misch sind – aber auf anderen Kontinenten
ein grosses Problem darstellen.
   Besonders grosse Probleme verursa-
chen invasive Pflanzen in tropischen und
warmen Regionen mit sensiblen Ökosys-
temen, sowie auf Inseln und in Bergregio-
nen, welche aufgrund einer langandau-
ernden geographischen Isolation viele en-
demische Arten beherbergen, also Arten,
die nur dort vorkommen. Etliche invasive
Neophyten anderer Länder haben ihre ur-
sprüngliche Heimat in der Schweiz oder
                                              Die 100 gefährlichsten invasiven Neobioten. (IUCN)
in Mitteleuropa. Sie verhalten sich bei uns
unauffällig und leben hier mit anderen        Neophyten vor, denn dort herrscht ein bio-     Weiden oder Ruderalflächen (z.B. Kiesplatz
Arten im Gleichgewicht. In anderen Teilen     logisches Gleichgewicht. Gestörte Lebens-      oder Wegrand) werden dagegen besonders
der Welt treten sie dagegen als Invasoren     räume wie Sekundärwälder, Plantagen,           häufig von invasiven Neophyten dominiert.
auf und werden berühmt-berüchtigt oder so-
gar hochproblematisch wie z.B. der Blutwei-    2.2.1 Von der Zierde zum Monster
derich (Lythrum salicaria) in Nordamerika,     Das Wandelröschen (Lantana camara) ist in der Region Kolumbien bis Mexiko heimisch.
Australien und Neuseeland, die Dach-Trespe     Dort wird der Strauch über vier Meter hoch und blüht und fruchtet ganzjährig. Im 18.
(Bromus tectorum) in Nord- und Südameri-       Jahrhundert wurde das Wandelröschen nach Europa gebracht und in Gewächshäusern
ka, Südafrika und Australien oder das Echte    kultiviert. Ab dem 19. Jahrhundert verkaufte man die attraktive Garten- und Hecken-
Johanniskraut (Hypericum perforatum) in        pflanze in die ganze Welt. Auch in der Schweiz werden Wandelröschen als Zierpflanzen
Nordamerika, Südafrika und Australien.         angeboten.
   Tropische Inseln, wie La Réunion, die           1841 gelangte die Pflanze in den Botanischen Garten von Adelaide in Australi-
Seychellen und Hawaii, deren einheimische      en, von wo es verwilderte und sich 20 Jahre später im Freien etablierte. Der Strauch
Pflanzenwelt sich über lange Zeit isoliert     wuchert stark, bildet dichte Bestände und verdrängt teilweise die gesamte natürliche
entwickelt hat, sind stark betroffen. Ein-     Vegetation. Ausser den reifen Beeren ist die ganze Pflanze giftig. In über 60 Ländern ist
geschleppte Neophyten wie Riesenschilf,        das Wandelröschen inzwischen ein gefürchteter invasiver Neophyt. Kleine Populationen
Schmetterlingsingwer, Wassersalat oder die     können durch sorgfältiges Ausgraben beseitigt werden, doch bei grösseren Beständen
dickstielige Wasserhyazinthe prägen dort       ist eine Bekämpfung nahezu unmöglich. Versuche mit biologischer Schädlingsbekämp-
grossflächig das Landschaftsbild. Sie ha-      fung schlugen bislang fehl, obwohl über 40 Insektenarten gegen diese Pflanze einge-
ben etliche alteingesessene Pflanzenarten      setzt wurden. In letzter Zeit lassen Versuche mit pilzlichen Krankheitserregern hoffen,
verdrängt. In ungestörten Regenwäldern         sie scheinen die Pflanzen schwächen zu können.
kommen dagegen kaum Invasionen durch                                                                   Quelle: Global invasiv species database, IUCN

LID Dossier Nr. 462 vom 8. Mai 2014
Bedrohung durch gebietsfremde Arten
Neobioten                                                                                                                             7

2.3 Merkmale invasiver                        •   sich vegetativ über Ausläufer vermehren,   2.4 Neophyten als
Pflanzen                                      •   deren Samen sich mit Wind oder Wasser      Nutzpflanzen
Wie sehr sich gebietsfremde Pflanzen in           verbreiten kann,                           Seit Jahrtausenden bringt der Mensch
ihrer neuen Umgebung etablieren hängt         •   oder die vom Menschen verbreitet           bewusst Nutz- und Nahrungspflanzen in
von allerhand Faktoren ab, nicht zuletzt          werden, z.B. als Zierpflanzen oder als     neue Gebiete. So brachten beispielswei-
von den Eigenschaften der betreffenden            Bienenweide.                               se die Römer vor rund 2’000 Jahren die
Pflanzen. Besonders erfolgreich in Sachen                                                    Edelkastanie (Castanea sativa) oder den
Ausbreitung sind jene Pflanzen die            Die Beobachtung der Bestandsentwick-           Echten Walnuss-Baum (Juglans regia) nach
•   geringe Ansprüche an die Umweltbe-        lung und Ausbreitung bereits eingeführter      Mitteleuropa und bereicherten damit unser
    dingungen stellen,                        invasiver Neophyten ist für Kontroll- oder     Nahrungsangebot. Auch etliche Neophyten
•   schnell wachsen,                          Bekämpfungsmassnahmen wichtig. Eigene          wurden absichtlich eingeführt. Die meisten
•   viel Samen produzieren,                   Fundmeldungen können der InfoFlora mit-        dienen in der Landwirtschaft als wertvolle
•   eine hohe Keimrate haben,                 geteilt werden (www.infoflora.ch).             Nahrungspflanzen und überleben nur dank
•   Licht, Wasser und Nährstoffe besonders                                                   der jährlichen Aussaat, wie z.B. die Kar-
    effizient nutzen,                                                                        toffel oder die Sonnenblume. Einige Neo-
•   giftige Stoffe absondern, die andere                                                     phyten, die als Nutzpflanzen eingeführt
    Pflanzenarten beeinträchtigen,                                                           wurden, schafften jedoch den Sprung in
•   hohe Regenerationsfähigkeit haben, also                                                  die freie Natur, etablierten sich und wur-
    z.B. aus kleinsten Wurzelstücken wieder                                                  den invasiv wie z.B. das Erdmandelgras, die
    ausschlagen können,                                                                      Vielblättrige Lupine, die Topinambur oder
                                                                                             die Armenische Brombeere.

Die Wege von invasiven Neophyten sind vielfältig und haben wegen der Globalisierung noch zugenommen.
Quelle: Botanischer Garten Bern, Broschüre „Schöne neue Pflanzenwelt?”, 2012

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Bedrohung durch gebietsfremde Arten
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 2.4.1 Futterpflanze Topinambur                                                                        2.5.1 Trachtpflanze
 Topinambur (Helianthus tuberosus) ist eng mit der Sonnenblume verwandt. Die ausdau-                   Schmetterlingsstrauch
 ernde Staude wird rund drei Meter hoch. Bei den Indianern Mittel- und Nordamerikas                    Der Sommerflieder oder Schmetterlings-
 war die „Sonnenknolle“ eine wichtige Kulturpflanze, die als Gemüse und Viehfutter                     strauch (Buddleja davidii) ist eine belieb-
 verwendet wurde. 1607 gelangte sie als Kulturpflanze nach Paris und in der ersten                     te, weil anspruchslose Gartenpflanze.
 Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde sie in verschiedenen Teilen Europas kultiviert. Bis                 Der Strauch kommt ursprünglich aus
 heute wird Topinambur als Gartenpflanze, Bienenweide, als Viehfutter, zur Produktion                  China. Er besiedelt aber auch Pionier-
 von Schnaps und als nachwachsender Rohstoff angebaut.                                                 standorte und Auengebiete. Er kann
     An Flussufern kann Topinambur Reinbestände bilden. Die oberirdischen Triebe ster-                 dichte Bestände bilden und damit im
 ben im Winter ab, die Böschungen sind dann vegetationsfrei und der Erosion ausge-                     Wald das Aufkommen von Naturverjün-
 setzt. Weil die Knollen von Tieren ausgegraben werden, erhöht sich die Erosionsgefahr.                gung verhindern. Sein Ausbreitungspo-
 Topinambur steht im Verdacht, invasiv zu werden und ist deshalb auf der Watch-Liste                   tenzial ist hoch, der Samen kann über
 aufgeführt.                                                                                           grosse Distanzen transportiert werden.
                                                                          Quelle: Infoflora 2012
                                                                                                            Der Handel mit Buddleja ist nicht
                                                                                                       verboten. Man sollte aber Vorsichts-
2.5 Bei Bienen beliebt                         einheimische Alternativen auszuweichen,                 massnahmen walten lassen, um seine
Einige Neophyten wurden und werden als         die etwa zur gleichen Zeit blühen und mit               Ausbreitung zu verhindern. Dazu sollte
Bienenweide kultiviert, d.h. sie werden den    den Neophyten bezüglich Nektar- und                     man die Blütenstände vor der Samen-
Bienen zuliebe angebaut oder zumindest         Pollenproduktion mithalten können.                      reife abschneiden, hohe Sträucher zu-
gefördert. Trachtpflanzen sind Pflanzen, die       Das ist nicht immer möglich, bei drei               rückschneiden und Pflanzenteile mit of-
besonders viel Nektar und Pollen produzie-     Neophyten steht nämlich kein gleichwer-                 fenen Samenkapseln und Wurzelteile in
ren und deswegen von den Honigbienen           tiger einheimischer Ersatz zur Verfügung.               geschlossenen Behältern dem Kehricht
häufig angeflogen werden. Das bringt die       Das ist die Syrische Seidenpflanze (Asc-                zuführen. Junge Pflanzen lassen sich
Imker in Clinch: Einerseits wollen sie ihren   lepias syriaca), der Sommerflieder oder                 ausreissen. Grössere Sträucher müssen
Bienen Nahrung bieten und auf der ande-        Schmetterlingsstrauch (Buddleja davidii)                mit den Wurzeln ausgegraben werden,
ren Seite die Natur schützen.                  und die Paulownie oder Blauglockenbaum                  da sich der Sommerflieder auch über
    Gemäss Freisetzungsverordnung sind         (Paulownia tomentosa). Hier werden an-                  unterirdische Ausläufer ausbreitet.
folgende Trachtpflanzen verboten: Riesen-      dere, nicht einheimische Arten als zweit-               Quelle: Unternehmerverband der Gärtner Schweiz,
                                                                                                       Jardin Suisse
Bärenklau (Heracleum mantegazzianum),          beste Lösung empfohlen.
Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulife-
ra), Asiatische Staudenknöteriche (Polygo-     2.6 Probleme und Gefahren                           •     Erdmandelgras, Ausläuferbildendes Fett-
num spp. und Reynoutria spp.), Essigbaum       Die Probleme und Gefahren durch invasive                  kraut und Ostasiatischer Beifuss verur-
(Rhus typhina) und Amerikanische Goldru-       Neophyten sind vielfältig. Sie betreffen so-              sachen wirtschaftliche Schäden durch
ten (Solidago canadensis und S. gigantea).     wohl den Menschen als auch Ökosysteme:                    Ertrags- und Qualitätseinbussen in der
Noch nicht verboten, aber als invasiv gel-     •   Pflanzen wie Ambrosia, Mahonie oder                   Land- und Forstwirtschaft,
ten vier Trachtpflanzen in der Schwarzen           Riesen-Bärenklau gefährden durch Aller-         •     Götterbaum, Paulownie und Stauden-
Liste und sieben, die in der Watch-Liste           gien oder Gifte zum Beispiel die men-                 knöteriche schädigen Bauten, verursa-
aufgeführt sind. Gerade der Schmetter-             schliche Gesundheit,                                  chen Mehrkosten beim Unterhalt von
lingsbaum, das Drüsige Springkraut oder        •   Staudenknöteriche, Amerikanische Gold-                Strassen, Gleisanlagen, Uferböschungen
das Japanische Geissblatt sind bei Bienen          ruten, Robinie und Kopoubohne ver-                    und Grünanlagen,
sehr beliebt. Diese Arten sollten trotzdem         drängen einheimische Arten und verrin-          •     Dickstielige Wasserhyazinthe oder Was-
nicht mehr als Trachtpflanzen angepflanzt          gern durch ihre Konkurrenz um Raum,                   sersalat beeinträchtigen die Jagd und
werden. Stattdessen wird empfohlen auf             Nährstoffe und Licht die Artenvielfalt,               Fischerei,

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Bedrohung durch gebietsfremde Arten
Neobioten                                                                                                                                                                           9

•   in Grossbritannien kreuzen sich Greis-      2.6.1 Nicht Neo, trotzdem invasiv
    kräuter oder Schilfrohr mit einheimi-       Es gibt nicht nur fremde, sondern auch
    schen Populationen, was zu einem            einheimische Pflanzen, die lokal so massiv
    Verlust der genetischen Diversität ein-     auftreten, dass sie sich unbeliebt machen.
    heimischer Arten und zur Bildung gänz-      Dazu gehört z.B. das Jakobskreuzkraut. Wie
    lich neuer Arten führt.                     die meisten Kreuzkräuter ist es für Pferde,
                                                Rinder, Kühe und Schafe stark giftig. Es
Die Ausbreitung gebietsfremder Arten er-        breitet sich vor allem in Ökoflächen aus.

                                                                                                                                                   Christian Fischer/CC BY-SA 3.0
folgt fast immer unbewusst. Deshalb ist         Die spätblühende Art profitiert nämlich vom
Aufklärung wichtig. Die weitere Ausbrei-        späten Schnittzeitpunkt. Auch Rationalisie-
tung gebietsfremder Arten liesse sich ver-      rungs- und Ökologisierungsmassnahmen im
hindern, wenn Privatleute oder betroffene       Strassen- und Bahnunterhaltsdienst haben
Berufsgruppen wie Land- und Forstwirte,         dazu beigetragen, dass das Jakobskreuz-
Gärtner, Strassenbauer und Imker bewuss-        kraut ungehindert versamen und sich in
ter mit ihnen umgehen würden: Dazu ge-          landwirtschaftlich genutzten Flächen ausbreiten kann. Die ganze Pflanze ist stark giftig.
hört zum Beispiel der Verzicht auf Pflan-       Die Giftstoffe (Alkaloide) wirken auch noch im Heu und in der Silage. Die junge Pflanzen
zen, die auf der Schwarzen Liste und der        sind am giftigsten. Die meisten Tiere fressen auf der Weide zwar kein Jakobs-Kreuzkraut,
Watch-Liste stehen. Nicht überall, aber in      vor allem junge Tiere „wissen“ aber noch nicht, dass die Pflanze giftig ist, und fressen
den meisten Fällen stehen geeignete Alter-      sie im Rosettenstadium. Im Heu oder der Silage können die Tiere nicht mehr wählen, da
nativ-Pflanzen zur Verfügung. Wenn keine        fressen sie die Pflanze immer mit. Die Vergiftung kann zum Tod führen. Bei chronischer
Gartenabfälle mehr in der Natur entsorgt        Vergiftung bestehen nur sehr geringe Heilchancen. Die Tiere verenden manchmal erst
würden, liessen sich die Invasionen eben-       nach mehreren Monaten.
falls besser im Schach halten. Und last, but                                             Quelle: Arbeitsgemeinschaft zur Förderung des Futterbaues (AGFF)

not least liesse sich die unbeabsichtigte
Ausbreitung von gebietsfremden Arten
reduzieren, wenn weniger Erde zusammen         vernichtete Pflanzenmaterial fachgerecht         aus, um die Keimfähigkeit zu unterbinden.
mit Samen und Pflanzenteilen von invasi-       entsorgt wird und dass der Ort, wo Neo-          Arbeitsgeräte wie Traktoren oder Maschi-
ven Pflanzen verschoben würde.                 phyten eliminiert worden sind, rasch wie-        nen sollte man nach dem Einsatz reinigen,
                                               der mit einheimischen Ersatzpflanzen oder        um die Ausbreitung von Samen oder Pflan-
2.7 Bekämpfung                                 anderen geeigneten Arten angesät oder            zenteilen zu vermeiden.
Die Bekämpfungsmassnahmen unterschei-          bepflanzt wird. Anschliessend sollte der Ort          Herbizide stellen nur selten eine Lösung
den sich je nach Pflanzenart. Ambrosia,        einige Jahre überwacht werden.                   dar. Auch die biologische Kontrolle von Neo-
Riesen-Bärenklau, Drüsiges Springkraut,            Eine Massnahme ist z.B. das sorgfälti-       phyten durch die Ausbringung natürlicher
Essigbaum, Schmalblättriges Kreuzkraut         ge Ausgraben und Entsorgen der gesamten          Gegenspieler, wie Frassfeinde oder Parasi-
und alle Staudenknöterich- Arten sollten       Pflanze. Dabei müssen sämtliche Triebe           ten, ist riskant. Meistens werden von diesen
wenn möglich überall bekämpft werden;          und Wurzelstücke vollständig entfernt            nämlich auch einheimische Arten befallen.
bei anderen Arten, wie z.B. Schmetter-         werden. Stockausschläge (erneutes Aus-           Solche Methoden wurden bislang vor allem
lingsstrauch, Kirschlorbeer, Robinie, Seidi-   treiben) müssen so lange entfernt werden         in Nordamerika und Australien praktiziert.
ger Hornstrauch oder den Amerikanischen        bis die Pflanze keine Kraft mehr hat neue
Goldruten sollte von Fall zu Fall entschie-    zu bilden. Sämtliche Blütenstände sollten
den werden. Bei gesundheitsgefährden-          vor der Fruchtbildung oder Samenreife ent-
den Neophyten muss man sich während            fernt und mit dem Kehricht entsorgt wer-
der Arbeit schützen. Wichtig ist, dass das     den. Kompostieren reicht in der Regel nicht

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Neobioten                                                                                                                            10

3. Fremde Tiere: Neozoen
Das Pendant zu den Neophyten im Pflan-
zenreich, sind die Neozoen der Tierwelt. Bei
ihnen handelt es sich um Tiere, die eben-
falls erst seit der Entdeckung Amerikas
(1492) bei uns vorkommen. Die meisten
von ihnen sind harmlos. Etwa ein Vier-
tel der 510 in der Schweiz beobachteten
Vogelarten sind gebietsfremd.       Darun-
ter auch der Höckerschwan oder Kor-
moran. Auch an andere Neozoen hat
man sich längst gewöhnt, wie z.B. die
Regenbogenforelle.
    Nur wenige Tierarten verhalten sich
invasiv: Sie verwildern, breiten sich stark    Der Kamberkrebs ist in Europa mittlerweile stark verbreitet und verdrängt
                                               einheimische Krebsarten. Im Bild ein Exemplar im Bodensee. (Astacoides/CC BY-SA 3.0)
aus und bedrängen die einheimische Fau-
na. Bestimmte Neozoen sind gefährlich          ser lebende invasive Art ist die Wander-      Schweiz im letzten Jahrzehnt millionen-
für unsere Gesundheit, andere schleppen        muschel: Sie stammt ursprünglich aus der      schwere Bekämpfungsprogramme nötig.
Krankheiten und Parasiten ein oder richten     Gegend des Kaspischen und Schwarzen           Während der Buchdrucker zu den einheimi-
wirtschaftlichen Schaden an, wie zum Bei-      Meeres. Sie kann Leitungen verstopfen und     schen Schadorganismen zählt, gehört der
spiel der Kartoffelkäfer. Früher hat er gan-   den Schiffsverkehr behindern. Unterhalb       Feuerbrand zu den eingeschleppten „be-
ze Ernten vernichtet. Heute wird er dank       der Schiffsschleuse Port bei Biel mussten     sonders gefährlichen Schadorganismen”.
Insektiziden und anderen Massnahmen in         z.B. einmal tausend Kubikmeter Muschel-       Ein erhebliches Schadenspotenzial für den
Schach gehalten.                               schalen ausgebaggert werden. Auch der         Schweizer Wald respektive für hiesige Wald-
    Die Neozoen werden meistens weniger        Buchsbaumzünsler gehört streng genom-         bäume und -sträucher stellen auch der
beachtet als die Neophyten. Das liegt ver-     men zu den invasiven Neozoen. Das Grau-       pilzähnliche Organismus Phytophthora ra-
mutlich daran, dass viele von ihnen klein      hörnchen oder die Schwarzkopfruderente        morum, der Asiatische Laubholzbockkäfer
sind. Es handelt sich oft um Wassertiere       bereiten Naturschützern und Behörden          (Anoplophora glabripennis Motschulsky),
oder Insekten. 1994 hatte sich die Biomas-     zunehmend Kopfzerbrechen, mehr als das        der Citrusbockkäfer, der Kiefernholznema-
se der Kleintierwelt am Rheingrund z.B.        im Wallis eingewanderte Mufflon oder der      tode (Bursaphelenchus xylophilus) oder
noch zu mehr als 90 Prozent aus einheimi-      Sika-Hirsch, der sich am Randen im Kanton     die Edelkastaniengallwespe (Dryocosmus
schen Arten zusammengesetzt. Heute sind        Schaffhausen tummelt.                         kuriphilus) dar. Um den Schweizer Wald
die Verhältnisse ziemlich genau umgekehrt,                                                   vor schädlichen Auswirkungen durch be-
wie eine Untersuchung im Jahr 2005 ergab.      3.1 Waldschädlinge                            sonders gefährliche Schadorganismen zu
    Amerikanische Flusskrebse wie der          Manche Insekten, Fadenwürmer (Nemato-         schützen, ist deren Einschleppung und
Kamberkrebs brachten z.B. den einheimi-        den), Phytoplasmen, Bakterien, Pilze, Viren   Ausbreitung zu verhindern. Die Holzschäd-
schen Flusskrebs in Not, weil sie die Krebs-   und Viroide bedrohen Waldbäume und            linge werden oft mit Holzverpackungen
pest einschleppten. Sie sind gegen diese       -sträucher innerhalb und ausserhalb des       und Paletten eingeschleppt. Deswegen
Pilzkrankheit immun, die heimischen Arten      Waldes. Beispiele besonders gefährlicher      wurde ein internationaler Standard für
sind es nicht. Dieser Umstand hat lokal be-    und gefährlicher Schadorganismen sind         pflanzengesundheitliche Massnahmen für
reits zum Verschwinden des einheimischen       der Buchdrucker („Borkenkäfer”) und der       Holzverpackungsmaterial geschaffen. Wei-
Flusskrebses geführt. Eine andere im Was-      Feuerbrand. Beide Fälle machten in der        tere Möglichkeiten für die Einschleppung

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und Verbreitung sind der Handel mit befal-    Die meisten eingeführten Arten brauchen
lenem Pflanzen, mit Pflanzenmaterial (z.B.    lange Zeit, bis sie sich stark ausbreiten
Rinde, Samen) oder die Mitreise als „blinde   und überhaupt als Problemart registriert
Passagiere” an und in Transportmitteln.       werden. Diese Verzögerungen machen Vor-
                                              hersagen über die invasiven Eigenschaften
3.2 Eingeführt oder                           von gebietsfremden Arten schwierig. Eine
eingeschleppt                                 Art, die heute keinerlei Schaden anrichtet,
Man unterscheidet versehentlich einge-        kann im Zusammenhang mit anderen welt-
schleppte Arten und bewusst eingeführte       weiten Veränderungen morgen dennoch zu
Arten. Die meisten aquatischen und terres-    einer Problemart werden.
trischen Wirbellosen und Krankheiten wur-
den versehentlich eingeschleppt, während      3.3 Verbotene Lebewesen
Pflanzen und Wirbeltiere meist eingeführt     Laut der Freisetzungsverordnung ist in
worden sind. 15 der 20 Neophyten auf der      der Schweiz der Umgang mit drei Arten
„Schwarzen Liste“ wurden als Zierpflanzen     verboten: Der asiatische Marienkäfer, die
eingeführt und 35 der 37 Wirbeltiere wur-     Rotwangen-Schmuckschildkröte und der
de ebenfalls bewusst importiert, meistens     Amerikanische Ochsenfrosch. Wie die
mit der Begründung die Landschaft mit         Rotwangen-Schmuckschildkröte          frisst
Zierpflanzen und Wasservögeln „berei-         auch der Ochsenfrosch alles, was er erbeu-
chern“ zu wollen.                             ten kann, auch einheimische Amphibien.
   Eine indirekte Einführung kann bei-        Diese Arten haben bei uns keine natürli-
spielsweise durch den Bau eines Kanals ge-    chen Feinde.
schehen, eine direkte Einführung wiederum
kann bewusst (Import) oder versehentlich
(Einschleppung) erfolgen. Einführungen         3.3.1 Vom Gewächshaus ins Freie
können von einer Schweizer Region in eine      Der Asiatische Marienkäfer (Harmonia axyridis) wurde ursprünglich zur biologischen
andere oder vom Ausland in die Schweiz         Bekämpfung von Blattläusen in Gewächshäusern eingeführt. Von dort hat der Winzling
stattfinden, wobei die für eine Art zuvor      den Weg nach draussen gefunden. Heute ist er fast überall. Er ist mit 6-8 mm Län-
unüberwindbaren Hindernisse bezwungen          ge etwas grösser als die meisten einheimischen Marienkäfer und hat eine M-förmige
werden. Das für die Arten der Schweiz          Zeichnung auf seinem Halsschild.
offensichtlichste natürliche Hindernis sind        Der kleine Käfer ist sehr aggressiv und verdrängt die einheimischen Marienkäfer.
die zwischen dem Tessin und den übrigen        In vielen Gegenden findet man heute praktisch keine einheimischen Marienkäfer mehr.
Landesteilen gelegenen Alpen, aber auch        Der Asiat frisst unter anderem Weintrauben, verkriecht sich darin und hinterlässt einen
die diversen Wasserscheiden zwischen           unangenehmen Geschmack. Ein Asiatischer Marienkäfer auf ein Kilogramm Trauben ge-
der Nordsee, dem Schwarzen Meer und            nügt, um den Wein ungeniessbar zu machen!
dem Mittelmeer.                                    Zur Überwinterung versammelt sich oft eine grosse Anzahl Käfer in Häusern. Ihre
   Zur bewussten Einführung zählen alle        Ausdünstungen können bei empfindlichen Leuten Nasenschleimhautentzündungen
vom Menschen absichtlich vorgenommene          verursachen. Zur Bekämpfung können die Käfer mit einem Staubsauger aufgesaugt
Einführungen einer Art in ein neues Gebiet.    und der Staubsack anschliessend für mehrere Stunden in den Tiefkühler gelegt werden.
Auch der Import von Arten, die in geschlos-                                                                    Quelle: www.neozoen.ch, 2014

senen Lebensräumen wie beispielsweise in
Aquarien oder Zoos gehalten werden.

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4. Rechtliche Grundlagen
Die Schweiz hat sich 2010 mit der Unter-
schrift unter das Aichi-Protokoll in Nagoya
verpflichtet, invasive gebietsfremde Arten
zu kontrollieren oder zu beseitigen, sowie
präventive Massnahmen zu ergreifen. Als
Ziel für den Umgang mit diesen Arten ist
dort Folgendes festgehalten: „Bis 2020 sind
die invasiven gebietsfremden Arten und ihre
Einschleppungswege identifiziert und nach
Priorität geordnet. Als prioritär eingestufte
Arten sind unter Kontrolle oder beseitigt und
Massnahmen zur Überwachung der Einfalls-
wege ergriffen, um eine Einschleppung und
Ansiedlung zu verhindern.“
    Die 2008 revidierte Freisetzungsver-
ordnung (FrSV) bildet dazu die wichtigste
rechtliche Grundlage. Aber auch das Um-
weltschutzgesetz schreibt eine allgemei-
ne Sorgfaltspflicht vor. Das Natur- und
Heimatschutzgesetz regelt zudem das Aus-        Die Aufrechte Ambrosia kann schwere Allergien verursachen.
                                                (Brunga Parlagfu/CC BY-SA 3.0)
setzen von fremden Tier- und Pflanzenarten
und verlangt eine Bewilligung. Die Futter-      die Artenvielfalt erhalten wird. Mit dem In-   Säugetiere und Vögel (Jagdverordnung JSV,
mittelbuch-Verordnung verlangt beispiels-       krafttreten der Verordnung Anfang Oktober      ab 2012) verboten sind, dann existierten im
weise seit März 2005, dass Vogelfutter          2008 sind in der Schweiz die Vermehrung,       Jahr 2012 in der Schweiz 27 verbotene in-
im Handel frei von Samen der Aufrechten         die Freisetzung und der Handel von 16          vasive gebietsfremde Organismen. Weil aber
Ambrosia (Ambrosia artemisiifolia) sein         Pflanzen- und drei Tierarten verboten (sie-    die Sorgfaltspflicht gilt, sind auch Arten, die
muss. Die Pflanzenschutzverordnung zum          he Liste im Anhang). Das heisst, dass diese    nicht in diesen Verordnungen aufgeführt
Landwirtschaftsgesetz schreibt zusätzlich       Arten nicht gehalten, gepflanzt, vermehrt,     sind, von den Bestimmungen betroffen. Das
eine Melde- und Bekämpfungspflicht für          verkauft, verschenkt, transportiert oder       gilt z.B. für alle Arten der Schwarzen und
die Aufrechte Ambrosia vor.                     irgendwie genutzt werden dürfen. Ausser-       Watch-Liste, obwohl einige davon weiterhin
                                                dem darf Bodenaushub, der mit Neophyten        im Handel erhältlich sind. Wer mit invasiven
4.1 Fehlende Strategie                          gemäss der Verordnung belastet ist, nur        Arten handelt – ob wissentlich oder unwis-
In der Freisetzungsverordnung steht, dass       am Entnahmeort verwendet werden. Kon-          sentlich – kann unter Umständen haftbar
dem Bund eine strategische Aufgabe beim         kret bedeutet das, dass das entsprechende      gemacht werden.
Umgang mit gebietsfremden Organismen            Material als Altlast gilt und am selben Ort        Problematisch ist bereits der Transport:
zukommt, während die Kantone für die            wieder eingebaut werden muss.                  Wer Neophyten entsorgen will und dazu rei-
Umsetzung zuständig sind. Als Ziel ist de-          Zählt man die Arten hinzu, die gemäss      fe Pflanzen mit Samen z.B. auf einem Pickup
finiert, dass die Verdrängung einheimischer     Verordnung zum Bundesgesetz über die Fi-       eines Fahrzeugs transportiert wird diese da-
Arten eingedämmt, die Gesundheit von            scherei (VBGF, ab 2011) und der Verordnung     mit eher verbreiten, denn ihre Ausbreitung
Mensch, Tier und Umwelt geschützt und           über die Jagd und den Schutz wildlebender      verhindern. Die Kompostierung reicht in vie-

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len Fällen nicht aus, um die Samen und Rhi-       anderen Kantone ergreifen zwar auch                soll. Während einzelne Kantone aufgrund
zome abzutöten. Höchste Vorsicht ist beim         Massnahmen, aber ohne eine Strategie zu            der Freisetzungsverordnung eine Bekämp-
Umgang mit Asiatischen Knötericharten, mit        verfolgen. Es fehlt an klaren Zielsetzungen,       fungspflicht für ausgewählte Arten prokla-
Erdmandel und Ambrosia geboten.                   einer Priorisierung der zu bekämpfenden            mieren, herrscht mehrheitlich die Meinung
                                                  invasiven Arten sowie an einer Definition          vor, dass von der Freisetzungsverordnung
4.2 Unkoordinierte                                von Lebensräumen, in welchen die knap-             keine Bekämpfungspflicht abzuleiten ist.”
Aktivitäten                                       pen finanziellen Mittel prioritär eingesetzt
Nach wie vor fehlt eine für alle Kantone          werden sollen. Oft werden z.B. häufigere           4.3 Akzeptanzschwierigkeiten
verbindliche Strategie. Obwohl die Freiset-       Arten in grossflächigen Beständen mit              Es stellt sich zudem die Frage, was das Ziel
zungsverordnung schon mehr als sechs Jah-         grossem Aufwand und dem Ziel der voll-             sein soll. Einige weitverbreitete Arten kön-
re in Kraft ist, gibt es keinerlei verbindliche   ständigen Elimination bekämpft, während            nen praktisch nicht mehr ausgerottet wer-
Handlungsanweisungen für die Kantone.             auf die effizientere Kontrolle kleiner, isolier-   den. Ohnehin erscheint die Artenliste in der
Beim BAFU war auch nicht in Erfahrung zu          ter Bestände verzichtet wird. Das kommt            Freisetzungsverordnung reichlich zufällig.
bringen, wann eine solche Strategie vorlie-       einer Sisyphusarbeit gleich. Manche Kan-           Warum z.B. die Rotwangen-Schmuckschild-
gen wird. Die fehlende Strategie auf Stufe        tone bekämpfen invasive Neophythen ent-            kröte (Trachemys scripta elegans) in der
Bund sorgt vor allem in Umweltschutzkrei-         lang von Fliessgewässern, während andere           Freisetzungsverordnung als verbotene Art
sen zunehmend für Kritik. So bemängelt            Kantone an den Oberläufen derselben Ge-            aufgeführt ist, ist nicht klar. Sie kommt zwar
Pro Natura zum Beispiel, dass die schlechte       wässer nichts unternehmen. Ein nachhalti-          in der Schweiz vor, kann sich aber in der
Koordination und fehlende Prioritätenset-         ger Erfolg wird damit verunmöglicht. Rund          freien Natur nicht vermehren, sie geht im
zung von Bund und Kantonen dazu führe,            die Hälfte der Befragten führen zudem              Winter ein. Der Amerikanische Ochsenfrosch
dass mehr als die Hälfte der Bekämpfungs-         keine regelmässigen und längerfristigen            ist gar nicht erst eingewandert. Die Asiati-
massnahmen gegen invasive, gebietsfrem-           Nachkontrollen durch.                              schen Marienkäfer sind inzwischen so weit
de Pflanzenarten als ineffektiv bezeichnet            Pro Natura kommt zum Schluss, dass             verbreitet, dass eine Ausrottung sinnlos er-
werden müssten. Und der Schweizer Vogel-          jährlich mindestens neun Millionen Fran-           scheint.
schutz und seine Mitgliedsorganisationen          ken zur Neophytenbekämpfung vergebens                  Problematisch ist zudem der Handel
fordern von den zuständigen Behörden, dass        eingesetzt werden. Die Umweltorganisati-           mit Haustieren (vor allem Aquarium und
sie endlich konsequent dafür sorgen, dass         on bemängelt zudem, dass manche Arten              Terrarium), der immer wieder dazu führt,
die heimische Fauna bedrohende Bestände           wie Sommerflieder, Robinie oder Kirsch-            dass Tiere ausgesetzt werden. Oder der
von eingeführten, nicht-einheimischen Vo-         lorbeer nicht im Anhang der verbotenen,            Handel mit Zierpflanzen wie dem Kirsch-
gelarten entfernt werden.                         gebietsfremden Arten stehen. Diese Arten           lorbeer, der nach wie vor auch in vielen
    Pro Natura hat 2011 in fünf Kantonen          werden in rund einem Drittel der Kan-              öffentlichen Anlagen gepflanzt wird. Die
(BL, TG, UR, VD, ZH) alle betroffenen kanto-      tone bekämpft, während sie gleichzeitig            Bekämpfung von derart beliebten und weit
nalen Verwaltungsstellen und lokale Akteu-        schweizweit immer noch im Handel ver-              verbreiteten Arten wird sich kaum erfolg-
re auf Stufe der Umsetzung zum Umgang             kauft werden.                                      reich umsetzen lassen, da der Widerstand
mit Neophyten befragt. Insgesamt gaben                Günter Gelpke, der Präsident des               gegen Massnahmen viel zu hoch ist.
55 Personen Auskunft. Alle Akteure ver-           Schweizerischen Verbandes der Neobita-
langten eine Koordination auf Basis einer         Fachleute (SVNF) fasste das Problem in
nationalen, mit dem benachbarten Ausland          einem 2013 erschienenen Artikel wie folgt
abgestimmten Strategie. Da die nationa-           zusammen: „In weiten Teilen bleibt die
le Strategie seit Jahren ausbleibt, haben         Verordnung sybillinisch vage, so dass die
in den letzten Jahren 9 von 26 Kantonen           unterschiedlichsten Ansichten kursieren,
ihre eigene kantonale Neobioten-Strategie         was diese Verordnung letztlich bedeuten
erarbeiten lassen (Stand Ende 2011). Alle         könnte und wie sie umgesetzt werden

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5. Die Schweiz ist keine Insel
In Neuseeland ist die einheimische Vogel-
welt von invasiven Neozoen beinahe aus-
gerottet worden. Doch Neuseeland ist eine
Insel – die Schweiz ist es nicht. In Europa
verlaufen die Probleme mit invasiven Arten
in der Regel weniger dramatisch. Bislang
wurde durch die Anwesenheit fremder Tier-
und Pflanzenarten noch keine einheimische
Art vernichtet. Auch wenn sehr viele invasi-
ve Neobioten dominant auftreten, bleiben
sie meistens lokal. Kirschlorbeer breitet
sich nicht in allen heimischen Wäldern aus.
Studien über Schäden an Uferböschungen
durch Neophyten fehlen. Und manche
Probleme erweisen sich im Nachhinein
als weniger dramatisch, als angenommen.        Hält sich bisher ans Verbot: Der Nordamerikanische Ochsenfrosch wurde bisher noch
                                               nie in der Schweiz gesehen. (Jerry Oldenettel/CC BY-SA-NC 2.0)
So hat sich z.B. die Zebramuschel, die mit
der Schifffahrt eingeschleppt wurde, bei       Solange der Bund nicht eine klare Stra-
uns zwar rasch verbreitet und stellenweise     tegie verfolgt und die Kantone die
massenhaft vermehrt. Die Befürchtung,          Verordnung nur halbherzig und vor
dass dadurch die der angestammten Le-          allem sehr unterschiedlich umsetzen, ist
bensgemeinschaften verdrängt werden,           der Nutzen der Freisetzungsverordnung ge-
hat sich aber nicht bewahrheitet. Vielmehr     ring. Bislang hält sich nur einer konsequent
scheint die Zebramuschel eine geschätz-        daran: Es ist der Amerikanische Ochsen-
te Mahlzeit für viele Enten und andere         frosch (Rana catesbeiana). Er ist im An-
Wasservögel geworden zu sein, was die          hang der Verordnung als verbotene Art
Anzahl der Wintergäste um das Vierfa-          aufgeführt und nimmt das offenbar sehr
che gesteigert hat. Oder nehmen wir            ernst. Denn er wurde hierzulande noch
Ambrosia: Forscher der Universität Frei-       nie gesehen.
burg haben Anfangs Jahr im Tessin einen
Ambrosia-Blattkäfer ausgemacht der von
Süden her einwandert und radikal mit
Ambrosia aufräumt.

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6. Literatur / Quellen / Links
Gebietsfremde Arten in der Schweiz
Bundesamt für Umwelt, BAFU, 2006
Hotspot: Biodiversität und invasive Arten
Forum Biodiversität Schweiz, Mai 2002
Die biologische Invasion
Hrsg. Bundesamt für Umwelt, Umwelt 3/2006
Schöne neue Pflanzenwelt – Invasive Neophyten
von der Schweiz bis in die Tropen
Botanischer Garten Bern, 2012
Kosten und Defizite im Umgang mit invasiven,
gebietsfremden Pflanzen in der Schweiz
Pro Natura, 2012
Umgang mit invasiven Neophyten
Günther Gelpke, Compostmagazine 3/13
Neophyten: Segen für die Bienen oder Albtraum der Natur?
Schweizerische Bienen-Zeitung 09/2013
Verordnung über den Umgang mit Organismen in der Umwelt
(Freisetzungsverordnung, FrSV) vom 10. September 2008 (Stand am 1. Juni 2012)
www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20062651/index.html

IUCN: 100 of the World’s Worst Invasive Alien Species
www.issg.org/worst100_species.html

Schweizerischer Verband der Neobiota - Fachleute
www.neobiota.ch

Invasive Neophyten
Dreisprachige Informationsplattform vom Unternehmerverband der Gärtner Schweiz,
Jardin Suisse
www.neophyten-schweiz.ch

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