Begleitmaterial zur Ausstellung - Aus Nachbarn werden Freunde Texte Unterrichtsvorschläge Kontaktadressen für Schulpartnerschaften, Projekte ...

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Begleitmaterial zur Ausstellung - Aus Nachbarn werden Freunde Texte Unterrichtsvorschläge Kontaktadressen für Schulpartnerschaften, Projekte ...
Aus Nachbarn
werden Freunde
Jugendkontakte in Mitteleuropa nach 1989

Begleitmaterial zur Ausstellung
Texte • Unterrichtsvorschläge • Kontaktadressen
für Schulpartnerschaften, Projekte und
interkulturelle Begegnung
www.jugendkontaktenach89.at
Begleitmaterial zur Ausstellung - Aus Nachbarn werden Freunde Texte Unterrichtsvorschläge Kontaktadressen für Schulpartnerschaften, Projekte ...
Impressum
          Herausgeber und Medieninhaber:
Interkulturelles Zentrum, Lindengasse 41, 1070 Wien
           Redaktion: Mag. Barbara Helm,
               Interkulturelles Zentrum

   Gestaltung: Evi Scheller, www.evischeller.com
                   Druck: bmukk
                  Wien, Juni 2009

   Mit Unterstützung des Bundesministerium für
           Unterricht, Kunst und Kultur

      “Aus Nachbarn werden Freunde - Jugend-
   kontakte in Mitteleuropa nach 1989“ ist Teil der
Initiative „1989-2009“: Aufbruch in ein neues Europa
 des Bundesministerium für europäische und inter-
              nationale Angelegenheiten.
              Die Ausstellung wurde vom
  Interkulturellen Zentrum (IZ) in Kooperation mit
 dem Institut für den Donauraum und Mitteleuropa
            (IDM) konzipiert und erarbeitet.
Begleitmaterial zur Ausstellung - Aus Nachbarn werden Freunde Texte Unterrichtsvorschläge Kontaktadressen für Schulpartnerschaften, Projekte ...
Aus Nachbarn
                                                                            Inhalt
werden Freunde
Jugendkontakte in Mitteleuropa nach 1989

                                  Editorial                                  ............................................... 2
       •
                        •         „Grenzen überwinden”                       ............................................... 3
                                  „geteilt / vereint“                        ............................................... 7
            • ••

                         •
             •

                                  Glossar                                    ............................................... 15
            •

                                  #1 – Wer kennt den Nachbarn?               ...............................................   20
 Unterrichts-                     #2 – Stepping forward!                     ...............................................   23
 vorschläge                       #3 – Quizshow 1989                         ...............................................   27
                                  #4 – Eine Mauer aus Vorurteilen            ...............................................   30
                                  #5 – Liebe kennt keine Grenzen             ...............................................   32
                                  #6 – Forschungsprojekt                     ...............................................   35
                                  #7 – New Neighbours                        ...............................................   40
                                  #8 – Illustrien goes EU                    ...............................................   44
                                  #9 – Überraschende Begegnungen             ...............................................   51

                                  Ein interaktiver Besuch der Ausstellung    ...............................................   58
Materialien für den               #1 – Thesendiskussion                      ...............................................   59
Ausstellungsbesuch                #2 – Lieblingsprojekt                      ...............................................   61
                                  Ausstellungsdokumentation                  ...............................................   63

                                  Internationale Schulpartnerschaften          .............................................   84
 Weiterführende                   Nützliche Adressen                           .............................................   88
 Informationen                    www.jugendkontaktenach89.at                  .............................................   94
                                  Autorinnen                                   .............................................   95

Aus Nachbarn werden Freunde                                                                                                         
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             Editorial
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 Editorial

                                                                                  •

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             20 Jahre ist es her, dass der Eiserne Vorhang gefallen       Im Allgemeinen sind junge Menschen neugierig auf
             ist, diese nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs              Sprache, Kultur, Tradition, Brauchtum und Geschichte
             errichtete, mit Wachtürmen und Stacheldraht                  anderer Länder. Jugendkontakte nutzen diese Wiss-
             bewehrte, feindliche Grenze mitten durch Europa.             begierde. Sie helfen Interessierten, Partnerschaften
             Nach 1989 geborene Jugendliche können sich diese             zu knüpfen, die ihnen den Reichtum und die Vielfalt
             furchteinflößende Trennungslinie zwischen Ländern,           europäischer Kulturen, aber auch ihre zahlreichen
             die über Jahrhunderte hinweg durch eine gemein-              Gemeinsamkeiten vor Augen führen. In der Aus-
             same Geschichte geprägte Nachbarn gewesen waren,             einandersetzung mit Gleichaltrigen aus den Nachbar-
             kaum mehr vorstellen. Dennoch hat der Kalte Krieg,           ländern können die Jugendlichen ähnliche Stand-
  •

                                                                          punkte finden, gemeinsame Interessen erkennen und
••

             dessen Ausdruck diese Barrikade war, Schranken in

• ••         den Köpfen der Menschen auf beiden Seiten hinter-
             lassen, die es zu überwinden gilt – aber wie?
                                                                          Projekte entwickeln, um diese in der Region durch-
                                                                          zusetzen. Dabei werden sie die Erfahrung machen,

••           Die Jugend hat zumeist keine Vorstellung davon,              dass ihre Anliegen eher Wirksamkeit erlangen, wenn

 ••          dass das Verschwinden des Eisernen Vorhangs auf die
             Entwicklung zu einem neuen Europa enorme Aus-
                                                                          sie in gemeinsamer Abstimmung und im Bewusstsein
                                                                          sich gegenseitig ergänzender Stärken identifiziert
             wirkungen gehabt hat und immer noch hat. Damit               wurden.
••

             ist eine Entwicklung in Gang gekommen, die unseren
        •    Kontinent – zum ersten Mal in der Geschichte – zu            Durch gemeinsames Tun Erreichtes kann Schranken
             einem demokratischen werden hat lassen. Demokra-             überwinden und so aus Nachbarn Freunde werden
             tie eröffnet bereits jungen BürgerInnen umfassende           lassen.
             Partizipationsrechte. Es gilt daher, die Jugendlichen
             zu verlocken, sich an der Mitgestaltung ihres Landes,
                                                                                                    Christine Kisser
                                                                      Abteilung für internationale bilaterale Angelegenheiten
             ihrer Region und letztlich Europas zu beteiligen.
                                                                          Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur

             Sie halten die Begleitbroschüre zur Ausstellung „Aus         nicht nur in Österreich verwendet, sondern stehen
             Nachbarn werden Freunde – Jugendkontakte in                  auch Schulen und interessierten Personen in
             Mitteleuropa nach 1989“ in Händen. Die Broschüre             Slowenien, Ungarn, Slowakei, Tschechien sowie
             richtet sich primär an LehrerInnen und SchülerInnen,         in Polen zur Verfügung.
             unterstützt die Vor- und Nachbereitung des Ausstel-
             lungsbesuches und enthält neben einer Ausstellungs-          Ich wünsche eine anregende Lektüre, viel Vergnü-
             dokumentation auch Anregungen für ein interaktives           gen und Erfolg bei der Umsetzung des einen oder
             Entdecken der Ausstellungsinhalte sowie weiterfüh-           anderen Unterrichtsbeispiels – und gutes Gelingen
             rende Informationen zum Thema Jugendaustausch                beim Auf- und Ausbau guter „nachbarschaftlicher“
             und Schulpartnerschaften.                                    Beziehungen.

             Ausstellung, Begleitmaterialien und die zugehörige
                                                                                                       Barbara Helm
                                                                                Bereichsleitung Internationale Schulprojekte
             Website www.jugendkontaktenach89.at werden
                                                                                                    Interkulturelles Zentrum

                                                                                                  Aus Nachbarn werden Freunde
Begleitmaterial zur Ausstellung - Aus Nachbarn werden Freunde Texte Unterrichtsvorschläge Kontaktadressen für Schulpartnerschaften, Projekte ...
Grenzen überwinden

                                                                                                                            Grenzen überwinden
Internationale Schulpartnerschaften und Jugendbegegnungen als
Beitrag für ein neues Europa
                                                                                                   Barbara Helm

Schulpartnerschaften, Jugendaustauschprojekte, Begegnungsreisen sind seit Jahrzehnten eine attraktive Möglichkeit
um vielschichtige Lernprozesse zu initiieren und spannende Erfahrungen zu machen. In den 50er bis 80er Jahren des
vergangenen Jahrhundert stellten Jugendmobilitätsprojekte die Ausnahme im pädagogischen Alltag dar, nur weni-
gen „Auserwählten“ war die Teilnahme an einem Sprachaufenthalt, an einem Jugendaustausch möglich.
Projekte und Initiativen, die junge Menschen über die Grenzen des „Eisernen Vorhanges“ führten, waren besonders

                                                                                                                          •
schwierig zu realisieren und daher kaum existent.

                                                                                                                           • ••
Neue Chancen und Möglichkeiten
                                                                                                                           •
                                                                                                                           ••

                                                                                                                          • •• •
Mit dem Fall des Eisernen Vorhanges und der Öffnung
der Grenzen zwischen Ost und West ab dem Jahr 1989
wurde schlagartig bewusst, dass nun die Chance für
                                                                                                                                           •
die Entwicklung eines neuen Zusammenlebens
bestand. Menschen, die zuvor in strikt getrennten
                                                                                                                                     •
Systemen lebten, hatten nun die Möglichkeit einan-
der zu begegnen, wirtschaftlich, politisch, kulturell
zusammenzuarbeiten. Es gab wenig authentische
Information über den Alltag und die Lebensumstände
der Menschen jenseits der Grenze. Die Neugier war
groß, und gleichzeitig war das Bild voneinander von
Stereotypen und Vorurteilen geprägt.                               Österreichische Bildungskooperationen

Engagierte Menschen, darunter zahlreiche LehrerIn-                 In Österreich hat die Bildungskooperation mit
nen, erkannten die neuen Chancen: erste Kontakte                   den Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas einen
wurden geknüpft und Initiativen gestartet. Eine                    hohen Stellenwert, was sich an den vielfältigen
exemplarische Auswahl dieser grenzüberschreitenden                 Initiativen und Projekten zeigt, die seit 1990 vom
„Pionierprojekte“ – auch aus dem außerschulischen                  Unterrichtsministerium, zum Teil in Zusammenarbeit
und universitären Bereich - wird in der Ausstellung                mit dem Außenministerium, ins Leben gerufen wur-
„Aus Nachbarn werden Freunde – Jugendkontakte                      den. Dadurch wurde und wird ein wichtiger Beitrag
in Mitteleuropa nach 1989“ präsentiert.                           zur Überwindung der Grenzen und zur Herstellung
                                                                   nachbarschaftlicher Normalität geleistet.
                                                                   Für diesen Prozess ist auch förderlich, dass die für
                                                                   Unterricht zuständigen MinisterInnen und General-

 Alle ausgewählten Projekte werden in dieser Publikation im Ka-
                                                                   direktorInnen Österreichs, der Slowakei, Sloweniens,
pitel „Austellungsdokumentation“ präsentiert. Eine Auswahl von     Tschechiens und Ungarns seit den 90er Jahren in
Interviews mit den InitiatorInnen und an den Projekten beteilig-
ten Personen stehen auf der Webplattform
                                                                   regelmäßigen persönlichen Treffen zusammen-
www.jugendkontaktenach89.at zur Verfügung.                         arbeiten. In einer am 12. April 2007 unterzeichneten

Aus Nachbarn werden Freunde                                                                                                      
Begleitmaterial zur Ausstellung - Aus Nachbarn werden Freunde Texte Unterrichtsvorschläge Kontaktadressen für Schulpartnerschaften, Projekte ...
Erklärung (CECE – Central European Cooperation                     Initiativen und Programme auf internationaler
  Grenzen überwinden

                           in Education) bekräftigten die MinisterInnen der                   Ebene
                           genannten Länder ihr Interesse an intensiver Zusam-
                           menarbeit in für die Region spezifisch bedeutsamen                 Seit 1989 wurden auf internationaler und nationaler
                           Bildungsfragen.                                                    Ebene zahlreiche Programme und Initiativen zur
                                                                                              Förderung der internationalen Zusammenarbeit von
                           Das österreichische Unterrichtsministerium fördert                 Schulen gestartet. Sie alle verfolgen das Ziel, durch
                           seit 1990 die Entstehung und Entwicklung internatio-               die grenzüberschreitende, praktische Zusammen-
                           naler Schulpartnerschaften und verknüpft damit                     arbeit von Schulen die Kooperation zwischen den
                           Themen wie Interkultureller Dialog, Europäische                    Bildungssystemen in ganz Europa zu erhöhen, das
                           Bürgerschaft, Fremdsprachenlernen sowie eine                       Bewusstsein für die Zusammengehörigkeit der ver-

 •••                       Intensivierung der Bildungskooperationen mit
                           unseren Nachbarländern. Das Interkulturelle Zentrum
                                                                                              schiedenen europäischen Kulturen zu vertiefen und
                                                                                              die europäische Identität der Bürger zu stärken.
• •• • •

 •
                           wurde vom Unterrichtsministerium mit der Informa-
                           tion, Vermittlung und Beratung von internationalen                 Mit dem EU Programm Comenius, Teil des EU

   •                       Schulpartnerschaften beauftragt. Fördermittel für
                           Schüleraustauschaktivitäten im Rahmen von Schul-
                                                                                              Bildungsprogrammes für lebenslanges Lernen
                                                                                              werden u.a. Schulpartnerschaften und die Mobilität
                           partnerschaften mit osteuropäischen Ländern wur-                   von SchülerInnen und LehrerInnen gefördert mit
                           den bereitgestellt. Seit 1991 hat das österreichische              dem Ziel der

     •
                       •   Unterrichtsministerium fast 2500 Schulprojekte mit
                           Ost- und Südosteuropa mit finanziellen Förderungen,                •          Entwicklung von Kenntnis und Verständnis

      •                    pädagogischer Beratung, bi- und multilateralen Semi-
                           nare für LehrerInnen sowie pädagogischen Materi-
                                                                                                         der Vielfalt der europäischen Kulturen und
                                                                                                         Sprachen und von deren Wert bei jungen
                           alien unterstützt.                                                            Menschen und Bildungspersonal;
                           Interessant ist auch, dass von jährlich ca. 500 aktiven            •          Unterstützung junger Menschen beim
                           Schulpartnerschaftsprojekten ungefähr die Hälfte                              Erwerb der lebensnotwendigen Fähigkeiten
                           der Aktivitäten mit den Nachbarländern Ungarn,                                und Kompetenzen für ihre persönliche
                           Tschechien, Slowakei und Slowenien durchgeführt                               Entfaltung, künftige Beschäftigungschancen
                           werden.                                                                      und eine aktive europäische Bürgerschaft.

                                                                                              Neben der EU sind auf gesamteuropäischer Ebene vor
                                                                                              allem der Europarat und die UNESCO bedeutende
                                                                                              Akteure, die einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung
                                                                                              einer gesamteuropäischen bzw. globalen Perspektive
                                                                                              leisten – speziell auf den Gebieten der Bildung und
                                                                                              Kultur mit den Themenschwerpunkten Demokratie,
                                                                                              Menschenrechte, Friede und kulturelle Vielfalt.

                                                                                              Maßgebliche Beiträge zur Förderung von Jugendkon-
                                                                                              takten mit dem Ziel der Überwindung von Vorurteilen
                                                                                              und der Förderung von Versöhnung und interkul-
                                                                                              turellem Lernen kommen von privaten Stiftungen wie

                                                                                              
                           
                                                                                                  http://www.lebenslanges-lernen.at/
                             vgl.Teutsch, Rüdiger: Internationale Schulpartnerschaften als
                           friedenspädagogische Chance. In: Gruber, Bettina/Wintersteiner,    
                                                                                                  http://www.coe.int/T/E/Cultural_Co-operation/education/
                           Werner/Duller, Gerlinde: Friedenserziehung als Gewaltprävention.
                                                                                              
                           Regionale und internationale Erfahrungen. Klagenfurt 2009.             http://www.unesco.at/

                                                                                                                             Aus Nachbarn werden Freunde
Begleitmaterial zur Ausstellung - Aus Nachbarn werden Freunde Texte Unterrichtsvorschläge Kontaktadressen für Schulpartnerschaften, Projekte ...
etwa dem Deutsch-Französischem Jugendwerk, dem                   Lernfelder heute

                                                                                                                                         Grenzen überwinden
Deutsch-Polnischen Jugendwerk oder der
Robert-Bosch-Stiftung.                                           Internationale Schulpartnerschaften haben – damals
                                                                  wie heute – ein weitreichendes Lernpotenzial. Der
Im universitären Bildungsbereich bietet heute vor                 Bogen spannt sich von den augenfälligen Schlüssel-
allem das EU Programm Erasmus Unterstützung                       kompetenzen im erst-, zweit- und fremdsprachlichen
etwa bei Auslandaufenthalten für Studierende.                    Bereich bis hin zu Kompetenzen im Umgang mit
Über grenzübergreifende Initiativen im universitären              Informationstechnologien. Darüber hinaus bieten
Bereich nach 1989 zwischen Österreich und den                     internationale Schulprojekte reichlich Möglich-
östlichen Nachbarstaaten, gibt die Ausstellung „Aus               keiten zur Entwicklung von sozialer Kompetenz und
Nachbarn werden Freunde“ ebenso Auskunft sowie                    Bürgerkompetenz, von Eigeninitiative und Sicherheit
die als IDM Studie erschienende Publikation.10                    bei interkulturellen Herausforderungen. Dies gilt
                                                                  nicht nur für SchülerInnen. Für LehrerInnen kann
Ziel Interkulturelle Kompetenz                                    die internationale pädagogische Kooperation ein

                                                                                                                                       •
                                                                  wichtiger Schritt im Rahmen der professionellen
Gemeinsam war diesen Initiativen das Ziel, ein
differenziertes Verständnis für ein anderes Land
                                                                  Weiterentwicklung sein – etwa in den Bereichen Pro-
                                                                  jektmanagement, interdisziplinäre Zusammenarbeit,
                                                                                                                                        • ••
und seine Menschen, ihre Sprache, Geschichte und                  interkulturelle Kooperationsfähigkeit. Auch die Schule
                                                                                                                                        •

                                                                                                                                        •
Kultur zu entwickeln. Die Entwicklung von inter-                  als Organisation kann viele Anregungen zur Entwick-
kulturellen Kompetenzen steht im Zentrum der                      lung der Schulkultur vorfinden: Internationale Schul-
Lernprozesse, die im Rahmen von internationalen                   partnerschaftsprojekte sind häufig Ausgangspunkt für
SchülerInnenbegegnungen, Jugendbegegnungen                        fächerübergreifende Teamarbeit, das Einbeziehen von
und Schulpartnerschaften initiiert werden. Eine ge-               unterschiedlichen AkteurInnen aus Schule und Schul-
lungene interkulturelle Begegnung ermöglicht den                  umfeld wie beispielsweise Eltern, kommunale Einrich-
TeilnehmerInnen eine positive Erfahrung, die auf die              tungen, Vereine, Initiativen und Unternehmen.12
Erweiterung von Kenntnissen und Fertigkeiten sowie
auf die Entwicklung von Werten, Einstellungen und
Verhaltensweisen im Sinne von Offenheit, Respekt
                                                                  Und heute? Jugendaustausch und Schulpartner-
                                                                  schaften als „Mainstream-Programm“?
                                                                                                                                        ••

                                                                                                                                       • • •
und Wertschätzung gegenüber den (noch) fremden
Menschen und Kulturen abzielt. Eine positive, erfolg-             Mittlerweile sind Schulpartnerschaften aus der
reiche Begegnung kann ein Schlüsselerlebnis im                    Exoten-Nische herausgetreten. Die Bildungs- und
Leben von jungen Menschen sein.11                                 Mobilitätsprogramme der EU, allen voran Comenius
                                                                  für den Schulbereich und Jugend in Aktion13 für den
                                                                                                                                                  •
                                                                  außerschulischen Bereich ermöglichen tausenden
                                                                  Jugendlichen eine interkulturelle Begegnung etwa im
                                                                  Rahmen einer Schulpartnerschaft, eines Jugend-                                •
                                                                 austausches oder des Europäischen Freiweilligen-
    http://www.france-allemagne.fr
                                                                  dienstes. Viele Staaten, die dem ehemaligen

    http://www.dpjw.org/html/index.php
                                                                  Ostblock zuzurechnen waren, sind heute selbstver-

    http://www.bosch-stiftung.de                                  ständliche Mitglieder der EU, und nehmen an all
9
    http://www.lebenslanges-lernen.at                             diesen Programmen teil. Das ist gut und eine
10
   Prager, Katharina: Aus Nachbarn werden Freunde – Universi-
täre Kontakte in Mitteleuropa nach 1989. IDM Studie Nr. 1/2009.
                                                                  12
Hg.: Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM).               vgl. Teutsch, Rüdiger: Internationale Schulpartnerschaften als
www.idm.at                                                        friedenspädagogische Chance. In: Gruber, Bettina/Wintersteiner,
                                                                  Werner/Duller, Gerlinde: Friedenserziehung als Gewaltprävention.
11
   Hinweise zur Gestaltung von Schulpartnerschaften finden sich   Regionale und internationale Erfahrungen. Klagenfurt 2009.
im Kapitel „Weiterführende Informationen: Internationale Schul-
                                                                  13
partnerschaften“ in dieser Publikation.                                http://www.jugendinaktion.at

Aus Nachbarn werden Freunde                                                                                                                   
Begleitmaterial zur Ausstellung - Aus Nachbarn werden Freunde Texte Unterrichtsvorschläge Kontaktadressen für Schulpartnerschaften, Projekte ...
ausgesprochen positive Entwicklung. Gleichzeitig         Das EuroMed School Forum: Intercultural Dialogue14
  Grenzen überwinden

                           sind die Möglichkeiten im Rahmen dieser Programme        wurde 2006 ins Leben gerufen und umfasst ein Netz-
                           bis auf wenige Ausnahmen auf die 27 Mitglieds-           werk von Organisationen und Schulen aus Österreich,
                           staaten der EU beschränkt. Unterstützung für inter-      den Niederlanden, Dänemark, Ungarn, Jordanien,
                           kulturelle Schul- und Jugendbegegnungen über die         Türkei, Israel und dem Libanon. Das EuroMed School
                           Grenzen der EU hinaus gibt es kaum. Einige Initiativen   Froum wurde vom bmukk initiiert und wird vom
                           sollen hier genannt werden:                              Interkulturellen Zentrum koordiniert. Unterstützung
                                                                                    kommt auch von der Anna Lindh Foundation und den
                           Grenzüberschreitenden Initiativen heute                  UNESCO National Commissions in Österreich sowie in
                                                                                    den Partnerländern. Das EuroMed School Forum zielt
                           Das Unterrichtsministerium hat mit seiner „Osteu-        auf die Förderung des interkulturellen Dialoges durch
                           ropaförderung“ maßgeblich zum Entstehen grenz-           die internationale Kooperation von Schulen.
                           überschreitender Schulpartnerschaften zwischen
                           Österreich und seinen östlichen Nachbarländern           Interkulturelle Begegnung als Chance
                           beigetragen. Mit der Förderung für globale inter-
                           nationale Schulnetzwerke hat es seine Förderpolitik      Die Förderung von interkulturellen Begegnungen
                           an die neue weltpolitische Situation angepasst und       durch Schulpartnerschaften oder Jugendaustausch
 • •

                           unterstützt nun Kooperationen zwischen Schulen in        steht seit seiner Gründung im Jahr 1988 im Fokus der
                           Österreich und Schulen in „nicht - EU-Ländern“.12       Aktivitäten des Interkulturellen Zentrums. Dahinter
                                                                                    stand schon damals die Überzeugung, dass direkte
                           aces - Academy of Central European Schools13            und positiv erlebte persönliche Begegnungen und

    •                      ist eine Initiative der ERSTE Stiftung und des           gemeinsames Handeln ein grundlegender Beitrag
                                                                                    für die Entwicklung von Wertschätzung gegenüber

 •••
                           Interkulturellen Zentrums. Ziel ist der Aufbau eines
                           zentraleuropäischen Schulnetzwerks zur Förderung         Menschen mit anderen Weltbildern und Lebensfor-
                           des interkulturellen Dialogs und grenzüber-              men sind.15
•• •

 •                         schreitender Kooperationen von SchülerInnen
                           und LehrerInnen. Aktuell umfasst das Netzwerk 15         Mit dem Eisernen Vorhang sind auch die äußeren
                                                                                    Sinnbilder der Teilung Europas gefallen. Um aller-
   •                   •
                           Partnerländer: Albanien, Bosnien und Herzegowina,
                           Bulgarien, Kroatien, Kosovo, Mazedonien, Moldau,         dings die Grenzen und Mauern im Denken und
                                                                                    Fühlen aufzulösen, waren und sind Begegnungen
                           Montenegro, Österreich, Rumänien, Tschechische
                           Republik, Serbien, Slowakische Republik, Slowenien       zwischen den Menschen notwendig.
                           und Ungarn. Jedes Jahr findet ein Projektwettbewerb
     •                     für Schulpartnerschafts-Projekte statt. Die besten
                           Projektvorschläge werden ausgewählt und erhalten
                           auch finanzielle Unterstützung. Internationale Kon-
                           ferenzen (aces academy) dienen der Vernetzung von
                           SchülerInnen und LehrerInnen, Repräsentanten der
                           Bildungsministerien der Partnerländer, VertreterInnen
                           von NGOs aus dem Jugend- und Bildungsbereich,
                           und von ExpertInnen und KünstlerInnen.

                           12                                                       14
                                www.iz.or.at/schule                                      www.iz.or.at/schule
                           13                                                       15
                                www.aces.or.at                                           vgl. Leitbild des Interkulturellen Zentrum, www.iz.or.at

                                                                                                                      Aus Nachbarn werden Freunde
Begleitmaterial zur Ausstellung - Aus Nachbarn werden Freunde Texte Unterrichtsvorschläge Kontaktadressen für Schulpartnerschaften, Projekte ...
geteilt / vereint

                                                                                                                                               geteilt / vereint
Historischer und politischer Kontext
                                                                           Julia Valenta, Barbara Solberger

Der vorliegende Artikel gibt einen Überblick über den historischen und politischen Kontext, in den das Thema
der Ausstellung „Aus Nachbarn werden Freunde – Jugendkontakte in Mitteleuropa nach 1989“ eingebettet ist. Im
Zentrum stehen die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen in den österreichischen Nachbar-
ländern Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien sowie auch in Polen zwischen 1945 und heute. Die Hinter-
gründe des Ost-West-Konflikts, sowie die Realität des Kalten Krieges mit dem „Eisernen Vorhang“ quer durch Europa
werden ebenso kurz und prägnant dargestellt, wie die Ereignisse und Umwälzungen des Jahres 1989, welche zu
einem völlig veränderten internationalem System führten. Nachbarn, die noch 20 Jahre zuvor durch einen „Eisernen
Vorhang“ getrennt waren, finden sich in einem durch die Europäische Union vereinten Europa wieder.
                                                                                                                                              •
                                                                                                                                                •
                                                                                                                                              ••

                                                                                                                                             • • ••
Hintergründe und Realität des Ost-West-Konflikts                      Blöcken. Bald war die Zweitschlagsfähigkeit erreicht,
                                                                      das viel zitierte „Gleichgewicht des Schreckens“, das                    ••
Unmittelbar nach dem militärischen Sieg der
Alliierten über „Hitlerdeutschland“ 1945 und nach
                                                                      die Fähigkeit sowohl der USA als auch der UdSSR
                                                                      bezeichnete, einen atomaren Erstschlag vernichtend
                                                                                                                                              •                •
den Konferenzen der Siegerstaaten in Jalta und                        erwidern zu können. Paradoxerweise konnte gerade
Potsdam begannen sich die Fronten zwischen den                        dieses enorme militärische Potenzial eine gewisse
gerade noch Verbündeten - USA, Großbritannien und                     Stabilität gewährleisten. Der Krieg wurde zumin-
der Sowjetunion - wieder zu verhärten. Der große                      dest auf den Territorien der Kriegsteilnehmer nie
Systemkonflikt zwischen Kapitalismus und Sozialis-                    mit Waffen ausgetragen. Stattdessen tobten jedoch

                                                                                                                                              •
mus, der in den Beziehungen zwischen den USA und                      brutale, sogenannte „Stellvertreterkriege“, in denen
der Sowjetunion seit der Oktoberrevolution 1917 eine                  die USA und Verbündete auf der einen Seite, sowie
große Rolle spielte, wurde zusehends dominanter.                      die Sowjetunion und Verbündete auf der anderen
Bis zum Ende der 40er Jahre hatte sich die Konfronta-                 Seite, ihre ideologischen Differenzen in Drittstaaten
tion zwischen Ost und West zu einer Lagerbildung                      militärisch austrugen. So vor allem der Koreakrieg
und zum Systemgegensatz verhärtet. Der „freie                         1950-1953, der Vietnamkrieg 1964-1975 sowie der
Westen“ unter der Führung der USA und die – später                    Afghanistankrieg 1979-1989.
so genannte – „sozialistische Staatengemeinschaft“
unter der Führung der UdSSR standen einander                          Regime und Regimegegner im europäischen Osten
schließlich als Feinde gegenüber. Bis zum Jahr 1949
hatten sich die politischen und militärischen Bündnis-                Unter „Osten“ im politischen Kontext des Kalten
systeme (allen voran die NATO und der Warschauer                      Krieges versteht man die Sowjetunion sowie die von
Pakt) gebildet. Die einen sahen im Sozialismus das                    ihr geführten sozialistischen Länder. Im engeren Sinn
„Reich des Bösen“ und des Totalitarismus, die anderen                 umfasst der Begriff die UdSSR sowie die sowjetischen
sahen im Westen den raubgierigen und kriegslüstern-                   Satellitenstaaten, also jene Länder Ost- und Mitteleu-
en Imperialismus, der die Arbeiterklasse ausbeute.                   ropas, die im Warschauer Pakt und im Rat für gegen-
Die entstandene Bipolarität führte zu einem beispiel-                 seitige Wirtschaftshilfe zusammengeschlossen waren.
losen Rüstungswettlauf zwischen den beiden

                                                                      

 vgl. Deppe, Frank 2006: Politisches Denken im Kalten Krieg, Teil 1     vgl. Stöver, Bernd 2007: Der Kalte Krieg, Geschichte eines radika-
Die Konfrontation der Systeme, 17ff.                                  len Zeitalters, 1947-1991, München, 89ff. und 337ff.

Aus Nachbarn werden Freunde                                                                                                                        
Begleitmaterial zur Ausstellung - Aus Nachbarn werden Freunde Texte Unterrichtsvorschläge Kontaktadressen für Schulpartnerschaften, Projekte ...
Diese Länder waren neben der Sowjetunion Polen,                  wurde dieses Weisungsrecht erst 1968 durch die
  geteilt / vereint

                      die Tschechoslowakei, Ungarn, Bulgarien, die DDR                 berühmte Breschnew Doktrin formalisiert. Diese
                      und zeitweise Albanien und Rumänien. Das unter Tito              Doktrin ging ausdrücklich von einer beschränkten
                      sozialistisch geführte Jugoslawien war kein Mitglied             Souveränität der Satellitenstaaten aus und schuf für
                      im Warschauer Pakt oder im RGW, sondern verfolgte                die Sowjetunion das Recht, militärisch einzugreifen,
                      einen von der Sowjetunion unabhängigen jugosla-                  wenn in einem der Satellitenstaaten der Sozialismus
                      wischen Sozialismus.                                             bedroht würde. Wie unten ausgeführt, machte die
                                                                                       Sowjetunion wiederholt von diesem Recht Gebrauch.
                      Die Sowjetunion, im speziellen der Generalsekretär
                      der Kommunistischen Partei, besaß in allen poli-                 In den ersten Jahren des Kalten Krieges, von 1945
                      tischen, wirtschaftlichen und militärischen Bereichen            bis 1953, wurde die Sowjetunion politisch von Josef
                      ein absolutes Weisungsrecht gegenüber den                        Stalin geführt. Stalin, der seit 1922 Generalsekretär
                      Satellitenstaaten. Obwohl schon zuvor so ausgeübt,               des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der

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                       Europa geteilt: Militärische Zusammenschlüsse im Kalten Krieg
                       (Quelle: http://commons.wikimedia.org)

                                                                                                                Aus Nachbarn werden Freunde
Sowjetunion war, herrschte diktatorisch und führte      Ähnlich wurde auch der „Prager Frühling“ 1968 in der

                                                                                                                    geteilt / vereint
ein totalitäres und autoritäres Regime. Er verordnete   Tschechoslowakei von Truppen des Warschauer Paktes
politische Säuberungen, anhand derer er Regime-         gewaltsam beendet. Als „Prager Frühling“ wird die
gegnerInnen in Schauprozessen zu Zwangsarbeit in        Zeit von Jänner bis August 1968 bezeichnet, in der
Strafarbeitslagern (in den Gulags) verurteilte oder     die Tschechoslowakei unter der Führung Alexander
hinrichten ließ. Es war auch das Regime unter Josef     Dubčeks einen Prozess der Demokratisierung und
Stalin, das die landwirtschaftliche Kollektivierung     Liberalisierung erlebte. Dubček und seine Anhänger-
durchsetzte, die tragische Hungersnöte mit Millionen    Innen wollten den Weg des demokratischen
Toten zur Folge hatte. Nach seinem Tod 1953 über-       Sozialismus gehen, den – wie sie es nannten –
nahm Nikita Chruschtschow 1958, nach Beilegung          Weg des „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“.
interner Machtkämpfe, die Funktion des General-         Unter der begeisterten Zustimmung des Volkes
sekretärs des Zentralkomitees der KPdSU. Es begann      proklamierten die Reformer u.a. die Rede- und Presse-
eine Phase der „Entstalinisierung“, des innenpoli-      freiheit, den Abbau der Allmacht der kommunis-
tischen Tauwetters und einer umfangreichen Rehabili-    tischen Partei, Reisefreiheit und das Konkurrenz-
tierung zahlreicher Stalin-Opfer. Das Tauwetter und     prinzip in der Wirtschaft. Für dieses Reformprogramm
die Maßnahmen der „Entstalinisierung“ in den Jahren     wurde der Begriff „Prager Frühling“ geprägt. In der        •
1953-1956 weckten in den von Moskau abhängigen          Nacht zum 21. August 1968 jedoch bereitete der               •
                                                                                                                   ••

                                                                                                                  • • ••
Staaten des Warschauer Paktes Hoffnung auf mehr         Einmarsch von Truppen der Warschauer-Pakt-Staaten
Selbstständigkeit und politische Freiheit.              dem „Prager Frühling“ ein rasches Ende.
                                                                                                                    ••
Wenige Wochen nach Stalins Tod lehnte sich im Volks-                                                               •                •
aufstand vom Juni 1953 in der DDR die verzweifelte
Bevölkerung gegen das Regime auf. Sowjetische
Panzer schlugen die Volkserhebung nieder. In Polen
entwickelte sich im Juni 1956 aus einem Protest ge-
gen Arbeitsnormen ein offener Aufruhr, der ebenfalls
von sowjetischen Truppen niedergeschlagen wurde.

                                                                                                                   •
In Ungarn wurde ein Aufstand durch ein 14-Punkte-
Programm von Budapester Studenten ausgelöst, in
dem sie den Abzug der Sowjettruppen, Demokratisie-
rung des Landes und eine neue Regierung forderten.
Ein großer Teil der Bevölkerung schloss sich dem
Reformprogramm an und spontane Demonstrationen          Prager Frühling: Ein Mann stellt sich vor einen Panzer
                                                        (Quelle: http://www.wdr3.de)
führten rasch zu einem Aufstand des Volkes. Die neue
ungarische Regierung ließ die Gründung von Parteien
zu, erklärte den Austritt aus dem Warschauer Pakt       1968 war bereits Leonid Breschnew der führende
und Ungarns Neutralität und proklamierte so den         Politiker der Sowjetunion. Chruschtschow war 1964
totalen Bruch mit dem sowjetischen System. Da die       wegen außenpolitischer Niederlagen und der sich im-
Sowjetunion nicht gewillt war, Ungarn aus ihrem Ein-    mer weiter verschlechternden wirtschaftlichen Lage
flussbereich zu entlassen, befahl sie den Truppen mit   seiner Ämter enthoben worden. Breschnew verfolgte
Panzern in Budapest einzurücken. In den folgenden       eine Politik beispielloser militärischer Aufrüstung und
Wochen und Monaten fanden blutige Straßenkämpfe         leitete die Aufhebung vieler Reformen der „Entstalini-
statt. Der Aufstand wurde schließlich von den Sowjets   sierungsperiode“ ein. Seine 18-jährige Herrschafts-
niedergeschlagen, Ungarn als abhängiger Staat           periode wird in der Politikwissenschaft als „repressive
wieder fest in das sowjetische System eingefügt.        Stagnation“ charakterisiert.

Aus Nachbarn werden Freunde                                                                                             
Im Sommer 1980 brachen Streiks und Arbeiterun-
  geteilt / vereint

                          ruhen in Polen aus. Aus den Streikkomitees entstand
                          spontan die unabhängige Arbeitergewerkschaft
                          Solidarność („Solidarität“), geführt von dem Werft-
                          arbeiter Lech Walesa. Zunächst offiziell zugelassen,
                          erreichte die Solidarność schnell zehn Millionen
                          Mitglieder. 1982 wurde der Kriegszustand über Polen
                          verhängt und die Solidarność verboten.

                          Als 1985 Leonid Breschnew von Michail Gorbatschow
                          als neu gewähltem Generalsekretär abgelöst wurde,
                          begann letztendlich die sowjetische Politik der Öff-                Eiserner Vorhang
                                                                                              (Quelle: http://www.waldmuenchen.de)
                          nung. Gorbatschow leitete umfangreiche Reformen
                          ein. Durch Perestroika (Umbau) und Glasnost (Offen-
                          heit) sollte der Realsozialismus reformiert werden und              Durch die unterschiedlichen Weltanschauungen
                          zu neuem, kritischen Denken führen.                                 machten die Staaten Ost- und Westeuropas nach der
                                                                                              Errichtung des „Eisernen Vorhangs“ wirtschaftlich
                          Das Leben mit dem Eisernen Vorhang                                  sehr unterschiedliche Entwicklungen durch. Im
                                                                                              demokratischen Westen herrschte das Prinzip der
                          Der Begriff „Eiserner Vorhang“ wurde erstmals 1945                  freien Marktwirtschaft mit der Dominanz des Privatei-
                          von Joseph Goebbels als Reaktion auf die Konferenz                  gentums und des privaten Kapitals, das mit dem

  ••
                          in Jalta verwendet und 1946 von dem britischen                      kapitalistischen Ziel der Gewinnmaximierung einge-
                          Premierminister Winston Churchill aufgriffen. Dieser                setzt wurde. In der sozialistischen Sowjetunion

 ••                       schrieb in einem Telegramm an US-Präsident Truman:
                          „Von Stettin an der Ostsee bis Triest am Mittelmeer hat
                                                                                              dagegen war das Wirtschaftssystem von der Zentral-
                                                                                              verwaltungswirtschaft geprägt. Industriebetriebe
  •                       sich ein Eiserner Vorhang auf Europa herabgesenkt.“                wurden nach dem Zweiten Weltkrieg verstaatlicht,
  •                       Dieser „Eiserne Vorhang“ verlief durch Europa und                   die Löhne sollten für alle Menschen annähernd
                          hinterließ ein geteiltes Europa, geteilt durch eine                 gleich sein. Die Preise wurden zentral festgelegt, die
•• • • •

                          Grenzbefestigung aus teilweise meterhohen Mauern,                   Wirtschaft fix nach „Fünf-Jahres-Plänen“ gelenkt.
 •                        Stacheldrahtzäunen und Minenfeldern. Der „Eiserne
                          Vorhang“ bestimmte das Leben in allen betroffenen
                                                                                              Propagiertes Ziel der realsozialistischen Staaten war
                                                                                              die Errichtung einer klassenlosen Gesellschaft mit der
                      •   Ländern. Nicht nur die politischen Beziehungen wur-                 Befriedigung der Grundbedürfnisse aller Bürger, nach
                          den weitgehend eingestellt, auch nachbarschaftliche                 den Ideen des Marxismus-Leninismus.
                          Beziehungen verloren sich in Folge erschwerter Ein-
                          und Ausreisebestimmungen zwischen den beiden                        Das Jahr 1989 und der Sieg der Demokratie
                          Blöcken und mangelnder Kommunikationsmöglich-
                          keiten. In der Schule lernten die Kinder neben ihrer                Im Westen sah man zwischen 1965 und 1975 noch
                          Landessprache im Osten Russisch und im Westen                       die Gefahr, das globale Kräfteverhältnis könne sich
                          Englisch. Dadurch wuchs die Sprachbarriere und die                  zugunsten des Ostens verschieben. Im Westen for-
                          gemeinsame Verständigung wurde immer schwie-                        mierte sich eine wieder erstarkende Arbeiterbewe-
                          riger.                                                              gung. Soziale Bewegungen, getragen von der Jugend
                                                                                              und Intellektuellen (Stichwort: 68er-Bewegung),
                                                                                              kämpften gegen konservative Konventionen.
                                                                                              Gegen diese gesellschaftlichen Veränderungen
                                                                                              formierte sich vonseiten der Konservativen, der
                                                                                             Liberalen und Wirtschaftstreibenden eine Gegen-
                            Churchill, Winston zit. in Lautemann, Wolfgang 1995: Geschichte
                          in Quellen, Weltkriege und Revolutionen 1914-1945, 574 f.           bewegung. Seit dem Ende der 70er Jahre – mit den

         10                                                                                                               Aus Nachbarn werden Freunde
Wahlsiegen von Margaret Thatcher in Großbritan-                       In Polen wurde die seit 1982 verbotene Gewerkschaft

                                                                                                                                          geteilt / vereint
nien und Ronald Reagan in den USA – setzte sich                       Solidarność wieder zugelassen, die bei den ersten
das Programm der Neoliberalen und Konservativen                       freien Wahlen im Juni die meisten Stimmen erhielt,
vollends durch. Privatisierung, Liberalisierung,                      was das Ende der kommunistischen Regierung ein-
Deregulierung und Flexibilisierung standen auf                        leitete.
der Tagesordnung. Der Vormarsch der neoliberalen
Politik wurde schließlich durch den – für viele                       In Prag nahm die „Samtene Revolution“ ihren Lauf.
Analytiker völlig überraschenden – Zusammen-                          Der Schriftsteller und Bürgerrechtler Václav Havel und
bruch der Sowjetunion in den Jahren zwischen                          Alexander Dubček, die zentrale politische Figur des
1989 und 1991 besiegelt.                                             Prager Frühlings 1968, gründeten das Bürgerforum
                                                                      „Öffentlichkeit gegen Gewalt“ und organisierten
Das Jahr 1989 stand im Zeichen politischer Um-                        zahlreiche Massenkundgebungen. Am 24. November
wälzungen in den europäischen RGW-Staaten. Der                        trat der Generalsekretär der Kommunistischen Partei
Mitte der 1980er Jahre eingeleitete Reformkurs unter                  der Tschechoslowakei zusammen mit dem gesamten
Michail Gorbatschow sowie Reformbewegungen in                         Politbüro zurück.
Ungarn, Polen und anderen Staaten des Warschauer
Pakts machten die politischen Umwälzungen im so-                      Im September 1989 begannen in der DDR die Mon-
zialistischen Osteuropa möglich.                                      tagsdemonstrationen, die sich bis Oktober zu Mas-
                                                                      senprotesten gegen das kommunistische Regime
Schon im Jänner 1989 verabschiedete Ungarn als                        ausweiteten. Am 9. November 1989 fiel schließlich die
erster sowjetischer Satellitenstaat ein Gesetz, das die               Berliner Mauer, der Kalte Krieg war damit zu Ende und
Bildung von Parteien, Gewerkschaften und anderen                      Deutschland wurde 1990 wiedervereint. 
politischen Vereinigungen zuließ. Im Juni 1989
begann Ungarn offiziell mit dem Abbau der Grenz-                      Systemwandel nach der Wende 1989
anlagen an der österreichisch-ungarischen Grenze.
Der österreichische Außenminister Alois Mock und                      Ausgelöst wurde der Zusammenbruch des Real-
                                                                                                                                          •

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sein ungarischer Amtskollege Gyula Horn zerschnitten                  sozialismus in Osteuropa nicht nur durch die poli-
in einem symbolischen Akt den „Eisernen Vorhang“.                     tische Öffnung, sondern auch durch die verheerende
Am 23. Oktober wurde schließlich die demokratische                    wirtschaftliche Lage, die den Verfall der Sowjetunion
und parlamentarische Republik Ungarn ausgerufen.                      herbeiführte. Ein gigantischer Schuldenberg und die
                                                                      Verarmung der Bevölkerung führten auch zu einem
                                                                      wirtschaftlichen und sozialen Wandel. Diese Entwick-
                                                                      lungen trugen wesentlich zum Zerfall der Sowjet-
                                                                                                                                                  •
                                                                      union 1991 bei, wodurch viele Staaten in die Unab-
                                                                      hängigkeit entlassen wurden. 1993 teilte sich auch die
                                                                                                                                          •      •
                                                                      ČSSR (Tschechoslowakei) in die Tschechische und die
                                                                      Slowakische Republik.                                                 ••
                                                                                                                                          ••

                                                                      Der politische Wandel brachte den Realsozialismus
                                                                      in Europa und die autoritäre Herrschaft Moskaus zu
                                                                      Fall und leitete einen Demokratisierungsprozess unter                 •
                                                                                                                                          •

                                                                      
                                                                       vgl. Dülffer, Jost u.a. 2004: Europa im Ost-West-Konflikt, 1945-
Gyula Horn und Alois Mock zerschneiden den Eisernen Vorhang           1990, München, 91ff.
(Quelle: http://www.1989-2009.at)
                                                                      
                                                                          vgl. http://www.1989-2009.at, [29.06.2009]
                                                                     
 vgl. Deppe, Frank 2006: Politisches Denken im Kalten Krieg, Teil 1    vgl. Brown, Archie 2009: Aufstieg und Fall des Kommunismus,
Die Konfrontation der Systeme, Hamburg, 19ff.                         Berlin, 785f.

Aus Nachbarn werden Freunde                                                                                                               11
neuen, frei gewählten und souveränen Regierungen                  unter anderem auch auf den Einfluss des Marshall-
geteilt / vereint

                    ein. Der wirtschaftliche Wandel erfolgte durch die                plans nach dem Zweiten Weltkrieg zurückzuführen
                    Einführung der freien Marktwirtschaft und die An-                 ist.12
                    näherung an den Westen. Diese Annäherung erfolgte
                    auch auf internationaler politischer Ebene durch den              Unabhängig von den vorherrschenden Ideologien
                    Beitritt zu internationalen Organisationen. So wurden             und dem Konflikt zwischen Ost und West, betrieb
                    Slowenien 1992, Tschechien und die Slowakei 1993                  Österreich während des Kalten Krieges auch Han-
                    als unabhängige Staaten Mitglieder der Vereinten                  del mit den sozialistischen RGW-Staaten, nachdem
                    Nationen, wobei ihre Vorgängerstaaten, Jugoslawien                1952 das Embargo der USA gegen die Sowjetunion
                    und die ČSSR, bereits zu den Gründungsmitgliedern                 beendet wurde. Diese Außenhandelsbeziehungen
                    zählten. Zwischen 1990 und 2000 traten Tschechien,               Österreichs mit Mittel- und Osteuropa und insbeson-
                    die Slowakei, Ungarn, Slowenien und Polen auch dem                dere seinen Nachbarländern waren historisch ge-
                    Europarat und der Organisation für Wirtschaftliche               wachsen und gehen bereits auf die Zeit der Mo-
                    Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bei, wobei                  narchie zurück. Trotz anfänglichem Einbruch des
                    Slowenien noch Beitrittsverhandlungen mit der OECD                Außenhandels zu Beginn des Kalten Krieges, als die
                    führt.10                                                          Neuorientierung am sozialistischen Wirtschafts-
                                                                                      system einsetzte, wurden die Wirtschaftsbezie-
                    Diese ehemaligen Warschauer Pakt-Staaten wurden                   hungen insbesondere nach dem Tod Stalins unter
                    nach 1989 auch Mitglieder der NATO, die bis 1989 als              Chruschtschow in neuer Form wiederbelebt. Öster-
                    größter Feind der Sowjetunion galt. So schlossen sich             reichs Wirtschaftsbeziehungen zu den RGW-Staaten
                    etwa Polen, Tschechien und Ungarn bereits 1999 und                beruhten zudem auf dem regionalen Aspekt, wo-
                    die Slowakei und Slowenien, das als einziges Land                 durch Österreich als Nicht-RGW-Mitglied eine Sonder-
                    dem blockfreien Jugoslawien angehört hatte, 2004                  stellung im Hinblick auf den Handel mit den sozialis-
                    diesem Militärbündnis an.11 Diese Staaten orientier-              tischen Staaten Mittel- und Osteuropas einnimmt.
                    ten sich damit Richtung Westen und distanzierten                  Da die RGW-Staaten auf Industriegüter, die sie selber
                    sich zunehmend von der Russischen Föderation. Ein                 nicht erzeugen konnten, angewiesen waren, mussten
                    weiterer Schritt in diese Richtung war auch die Er-               sie sich auf diese Handelsbeziehungen einlassen. Aus
                    weiterung der Europäischen Union 2004. Die Integra-               diesem Grund wurden bilaterale Handelsverträge
                    tion vieler ehemals sozialistisch geprägter Staaten in            zwischen Österreich und den RGW-Ländern abge-
                    die Europäische Union erleichtert die künftige Koope-             schlossen. Österreich exportierte vorwiegend Indus-

 •
••

                    ration in einem Europa ohne Grenzen.                              triegüter und importierte Agrarprodukte sowie Roh-

••           •      Rolle Österreichs
                                                                                      stoffe. Die UdSSR, Polen und die Tschechoslowakei
                                                                                      pflegten unter den RGW-Staaten die intensivsten

 •                                                                                    Wirtschaftsbeziehungen zu Österreich. Dies manifes-

••                  Österreich nahm zwar aufgrund seiner „immerwäh-                   tierte sich vor allem an den Kohlelieferungen, die
•

                    renden Neutralität“ im Kalten Krieg eine neutrale Po-             Österreich aus Polen bekam, und den Erdölliefe-
                    sition ein, war aber doch westlich orientiert, was                rungen aus der UdSSR, die den gesamten Bedarf
 •                                                                                    Österreichs abdeckten.13 14
••

                                                                                      12
                                                                                         vgl. Kramer, Helmut 2006: Strukturentwicklung der Außenpoli-
                                                                                     tik (1945-2005), in: Dachs, Herbert (Hg.): Politik in Österreich: das
                        vgl. http://www.un.org/en/members/index.shtml, [29.06.2009]
                                                                                      Handbuch, Wien, 809ff.
                    
                     vgl. http://www.coe.int/T/D/Com/Europarat_kurz/Mitgliedsla-
                                                                                      13
                    ender/default.asp, [29.06.2009]                                      vgl. Stiefel, Dieter 2006: „Zarte Bande“: Österreich und die
                                                                                      planwirtschaftlichen Länder, in: Enderle-Burcel, Gertrude/Stiefel,
                    10
                      vgl. http://www.oecd.org/document/58/0,3343,en_2649_            Dieter/Teichova, Alice (Hg.): „Zarte Bande“: Österreich und die
                    201185_1889402_1_1_1_1,00.html, [29.06.2009]                      europäischen planwirtschaftlichen Länder, Innsbruck, Wien [u.a.],
                                                                                      13-37.
                    11
                       vgl. http://www.nato.int/cps/en/natolive/nato_countries.htm,
                                                                                      14
                    [29.06.2009]                                                           vgl. Resch, Andreas 2006: Die Außenhandelsbeziehungen

       12                                                                                                              Aus Nachbarn werden Freunde
Mit dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ veränderten                        als „Friedensprojekt“ initiiert, um Europa wiederzu-

                                                                                                                                           geteilt / vereint
sich auch die politischen Beziehungen zwischen                          vereinen und die wirtschaftliche Kooperation unter
Österreich und seinen ehemals sozialistisch gepräg-                     den Mitgliedern der Europäischen Gemeinschaften
ten Nachbarstaaten. Schon zuvor nahm Österreich                         (EG) und später der Europäischen Union (EU) zu
durch seine aktive Außenpolitik eine Vermittlerrolle                    fördern. Mit dem Ende des Kalten Krieges und der
im Ost-West-Konflikt ein und vermittelte sowohl beim                    Aufhebung der Ost-West-Teilung Europas stand nun
Ungarnaufstand 1956 als auch beim Prager Frühling                       die Europäische Union vor der Herausforderung, die
1968. Österreichs Neutralitätspolitik ermöglichte es, in                ehemals sozialistischen Staaten zu integrieren.
Zeiten des Kalten Krieges als Mediator zu agieren. Da-
bei trat Österreich nicht nur als Vermittler auf, sondern
zeigte sich auch solidarisch mit der Bevölkerung, etwa                  Mit der Erweitung 2004 kamen zehn neue Mitglieds-
zur Zeit der Ungarnkrise, des Prager Frühlings oder als                 staaten hinzu, von denen mit Estland, Lettland,
1989 große Flüchtlingsströme aus Ungarn über die                        Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und
Grenze kamen.15                                                         Slowenien acht Staaten zur Zeit des Kalten Krieges
                                                                        unter sozialistischem Einfluss standen. Mit Rumänien
Nach den Veränderungen 1989 verfolgte Öster-                            und Bulgarien kamen 2007 zwei weitere ehemals
reich das Ziel, sowohl die politischen als auch die                     sozialistische Staaten zur EU. Mit diesen Erweite-
wirtschaftlichen Beziehungen zu seinen Nachbarn                         rungen wurde ein wichtiger Schritt zur „Vereinigung
wiederaufzubauen, auch um Sicherheit und Stabilität                     Europas“ unternommen, das 20 Jahre zuvor noch
in der Region gewährleisten zu können. Im Zuge der                      durch einen „Eisernen Vorhang“ getrennt war. Europa
                                                                                                                                          •
Wende und später der EU-Erweiterung wurden die
Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und
                                                                        wuchs weiter zusammen und hat mit dem Schengener
                                                                        Abkommen begonnen, seine Grenzen innerhalb der                     ••
seinen Nachbarländern wieder intensiviert. Das hohe                     Europäischen Union abzubauen. Im Dezember 2007
                                                                                                                                          ••

                                                                                                                                          • •
Wirtschaftswachstum in den ehemals sozialistischen                      wurden auch die Grenzkontrollen in neun der zehn
                                                                        Erweiterungsländer von 2004 – mit Ausnahme von
                                                                                                                                            •
Ländern führte zu vielen Investitionen österreich-
ischer Firmen. Damit konnte Österreich neue Märkte                      Zypern – abgeschafft.17 Während die Binnengrenzen
in den neuen EU-Ländern erschließen und, vom                            der EU abgebaut werden, werden allerdings die EU-
wirtschaftlichen Standpunkt betrachtet, besonders                       Außengrenzen verstärkt. Der Erweiterungsprozess
von der EU-Erweiterung profitieren. Gute Kontakte                       in der Europäischen Union stellt diese auch vor neue
und Geschäfte mit den Nachbarstaaten prägen des-                        Herausforderungen, was zu einer Diskussion in den
halb auch heute Österreichs Außen- und Wirtschafts-                     heute 27 Mitgliedsländern bezüglich der Handlungs-
politik.16                                                              und Aufnahmefähigkeit der EU führt.

Europäische Integration                                                 Der restriktive Kurs der Europäischen Union in der
                                                                        Arbeitsmarkt-, Asyl- und gemeinsamen Agrarpolitik
                                                                                                                                            •            •
Der Europäische Integrationsprozess wurde nach dem                      sowie die verstärkte Zusammenarbeit innerhalb der
                                                                                                                                          • •
Zweiten Weltkrieg mit der Gründung der Europäi-                         EU und der Protektionismus gegenüber Nicht-EU-
schen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) 1951                      Staaten lassen Abschottungstendenzen erkennen,
                                                                        die der Europäischen Union von KritikerInnen die
zwischen dem RGW-Raum und Österreich in der Nachkriegszeit
                                                                        Bezeichnung „Festung Europa“ einbringen.18 Einerseits
– dargestellt im Spiegel der österreichischen Außenhandels-
statistik, in: Enderle-Burcel, Gertrude/Stiefel, Dieter/Teichova,       errichtet die EU Sicherheitsvorkehrungen an den EU-
                                                                                                                                          •

Alice (Hg.): „Zarte Bande“: Österreich und die europäischen plan-       Außengrenzen, die vor illegaler Zuwanderung und
wirtschaftlichen Länder, Innsbruck, Wien [u.a.], 39-72.
15
    vgl. Kramer, Helmut 2006: Strukturentwicklung der Außenpoli-
                                                                        17
tik (1945-2005), in: Dachs, Herbert (Hg.): Politik in Österreich: das      vgl. http://www.europainfo.at/_layout/dfltfrm.asp?target=hm_
Handbuch, Wien, 811f.                                                   a [29.06.2009]
16                                                                      18
  vgl. Schill, Sonja 2003: Die EU-Osterweiterung und ihre Auswir-         vgl. http://www.eufis.de/eu-glossar.html?&type=0&uid=128&c
kungen auf Österreich; Diplomarbeit, Universität Wien, 76f.             Hash=f040151d1f [29.06.2009]

Aus Nachbarn werden Freunde                                                                                                                13
Arbeitsmigration schützen sollen, und sie baut die                    vor allem die jungen Leute, die eine neue Wende
  geteilt / vereint

                      Binnengrenzen innerhalb der EU ab, was die Bezie-                     herbeiführen können, um auch die Grenzen im Kopf
                      hungen zwischen den EU-Mitgliedern erleichtert.                       endgültig abzubauen. Vor dieser Herausforderung
                      Andererseits halten aber die Grenzanlagen nicht                       steht der internationale Jugendaustausch, der zur
                      nur MigrantInnen und politische Flüchtlinge an den                    interkulturellen Erziehung beiträgt. Jugendkontakte
                      EU-Außengrenzen ab, sondern haben auch die nach-                      spielen eine wichtige Rolle, um Fremdheit zu über-
                      barschaftlichen Beziehungen in Osteuropa verändert.                   winden und sind ein Beitrag zur Normalisierung der
                      Denn durch die EU-Außengrenzen wurde die Nut-                         nachbarschaftlichen Beziehungen.20
                      zung bestehender Transitrouten erschwert und der
                      Austausch zwischen den Nachbarn eingeschränkt.
                      Die Grenzen der Europäischen Union sind nicht
                      unumstritten, das zeigt auch die Diskussion rund
                      um den zukünftigen Verlauf der Außengrenzen und
                      den EU-Beitritt der Türkei. Durch den Prozess der
                      Europäischen Integration wurden bereits Schritte in
                      Richtung neues und geeintes Europa unternommen
                      und Grenzen abgebaut. Die Wende 1989 war dabei
                      einer der entscheidendsten Schritte.

                      Grenzen im Kopf

                      Auch wenn der Grenzwall in Europa zwischen Ost
                      und West nicht mehr real existiert, so ließ sich die
                      Jahrzehnte lange Trennung nach 1989 in den Köpfen
                      vieler Menschen nicht so schnell aufheben. Und so
                      sind heute noch immer Vorurteile gegenüber dem
                      Osten und dem Westen vorhanden.19

                      Die Euphorie und Hoffnungen nach der Wende 1989
                      waren groß, jedoch wurden sie nicht alle erfüllt. 20
                      Jahre später sind in den Köpfen der Menschen noch
                      immer Grenzen und Klischees aus der Zeit vor 1989
                      zurück geblieben. Dies betrifft besonders jene Gene-
                      rationen, die sowohl den Kalten Krieg als auch die
                      Wende 1989 selbst miterlebt haben. Wohingegen es
                      für jene, die ohne „Eisernen Vorhang“ aufgewachsen
                      sind, beziehungsweise die Wende 1989 nicht mehr in
                      Erinnerung haben, einfacher ist, über die Vergangen-
                      heit hinweg zu sehen und vorurteilslos gemeinsam
                      mit den Nachbarn in die Zukunft zu blicken.

 •                    Aus diesem Grund ist es wichtig, Jugendkontakte

 •••
•• • ••

                      und Mobilität besonders zu fördern. Denn es sind

 •                    19

   •
                        vgl. Haslinger, Peter 1999: Einleitung: Grenze im Kopf. An-
                                                                                            20
                      merkungen aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive, in:              vgl.: Fennes, Helmut/Gruber, Bettina/Larcher, Dietmar/Radnitz-
        •             Haslinger, Peter (Hg.): Grenze im Kopf. Beiträge zur Geschichte der
                      Grenze in Ostmitteleuropa, Frankfurt am Main, Wien [u.a], 7-18.
                                                                                            ky, Edwin/Wintersteiner, Werner 1993: Grenzübergänge - Schul-
                                                                                            kontakte als interkulturelle Begegnung; BMUK (Hrsg.), Wien, 5f.

         14                                                                                                                Aus Nachbarn werden Freunde
Glossar

                                                                                                                      Glossar
Autoritäres System                                        Krieges verlor sie allerdings deutlich an Gewicht. Viele
Ein Land, das demokratische Mindeststandards nicht        Entwicklungsländer gehören dieser Bewegung an
erfüllt, wird als autoritäres Land bezeichnet, das        und sehen diese als ihre Interessensvertretung. „Anti-
Regierungssystem dieses Landes ist ein autoritäres        Kolonialismus“ sowie das Ziel der Selbstbestimmung
System. Autoritäre Systeme waren kommunistische           und Gleichberechtigung spielen eine wichtige Rolle.
(z.B. Jugoslawien unter Tito von 1945–1980) und           (vgl. Schubert, 2006; zitiert in www.bpb.de, 07.07.09)
faschistische Staaten (z.B. Italien unter Mussolini von
1922–1943, Österreich von 1933–1938 oder Spanien          Demokratische Systeme
unter Franco 1939–1975). Auch heute gibt es noch          Demokratische Systeme sind Systeme, die Grundsätze
viele autoritäre Systeme, z.B. in Kuba, China, Saudi-     der Demokratie verfolgen. Dazu gehören z.B. freie
Arabien oder Libyen.                                      Wahlen, Mehrparteiensysteme, ein funktionierendes
In autoritären Systemen kontrolliert der Staat nicht      Parlament oder die Achtung von Menschenrechten.
alle gesellschaftlichen Bereiche, sondern es gibt         Das Gegenteil von demokratischen Systemen sind
gewisse, wenn auch nur sehr kleine Freiheiten für         alle Arten von Diktaturen (Autoritäres System, To-
Bürger und Bürgerinnen oder für bestimmte Institu-        talitarismus). Grundsätzlich gibt es drei Formen de-
tionen (z.B. die Reisefreiheit im titoistischen Jugo-     mokratischer politischer Systeme: parlamentarische,
slawien oder Sonderregelungen für die katholische         präsidentielle und gemischte Systeme.

                                                                                                                     •••
Kirche im faschistischen Italien). Wie totalitäre Sys-    In parlamentarischen Systemen spielt das Parla-
teme üben auch autoritäre Systeme Terror aus, unter-      ment die wichtigste Rolle. Es hat die Möglichkeit,
drücken politische Gegner und Gegnerinnen und set-        der Regierung das Misstrauen auszusprechen (Miss-
zen Gewaltmaßnahmen ein, um bestehen zu können.           trauensantrag). Das Staatsoberhaupt hat in erster
(Quelle: www.politik-lexikon.at, 24.07.09)                Linie repräsentative Aufgaben zu erfüllen. Ein solches
                                                          System finden wir z.B. in Großbritannien.
Bipolarität                                               Im präsidentiellen System (dieses nennt man auch
In einer bipolaren Weltordnung ist die Macht auf          Präsidialsystem) spielt neben dem Parlament der Prä-
zwei Akteure konzentriert. Der Kalte Krieg mit der        sident oder die Präsidentin eine ganz wichtige Rolle.
Machtverteilung zwischen den USA und der UdSSR            Auch er oder sie wird direkt gewählt. Der Präsident         •
und der daraus folgenden Teilung zwischen Ost und         bzw. die Präsidentin ernennt die Regierung. Das Parla-       •
West bietet ein gutes Beispiel dafür. Im Vergleich dazu   ment kann der Regierung nicht das Misstrauen aus-
                                                                                                                     •••
                                                                                                                      ••
ist die Macht in einer unipolaren Weltordnung auf         sprechen. Solche Systeme gibt es z.B. in den USA und
einen Hauptakteur beschränkt und dagegen in einem         in vielen anderen Ländern Nord- und Südamerikas.
                                                                                                                     • •
multipolaren System auf viele Akteure verteilt.           In gemischten Systemen finden wir Elemente von
(vgl. Nohlen, 2005)                                       beiden anderen Systemen (z.B. in der Schweiz oder in              •
                                                          Österreich).
Blockfreie Staaten                                        (Quelle: www.politik-lexikon.at, 24.07.09)
(Non-aligned Movement – NAM)
Als blockfreie Staaten werden jene Staaten bezeich-       EGKS Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
net, die sich im Kalten Krieg gegenüber dem Osten         Die EGKS, auch Montanunion genannt, wurde 1951
und Westen neutral verhalten haben und keinem             von Belgien, der Bundesrepublik Deutschland,
Bündnis beigetreten sind. 1961 wurde die Bewegung         Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden
der blockfreien Staaten von Jugoslawien, Ägypten,         gegründet. Die Idee dieser Kooperation in der Kohle-
Indien und Indonesien initiiert und 2009 zählt sie        und Stahl-Produktion stammt vom damaligen
bereits 118 Mitglieder. Mit dem Ende des Kalten           französischen Außenminister Robert Schuman.

Aus Nachbarn werden Freunde                                                                                           15
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