Branchenzuschlagstarife verändern die Zeitarbeit in Deutschland - Herausforderungen und Lösungswege für Personaldienstleistungen mit hoher ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Themendossier Branchenzuschlagstarife verändern die Zeitarbeit in Deutschland Herausforderungen und Lösungswege für Personaldienstleistungen mit hoher Qualität Eine Publikation der Lünendonk GmbH in Zusammenarbeit mit
B R A N C H E N Z U S C H L A G S TA R I F E V E R Ä N D E R N D I E Z E I TA R B E I T Inhaltsverzeichnis VORWORT ......................................................................................................................................................... 4 MARKTPERSPEKTIVE BRANCHENZUSCHLÄGE .......................................................................................... 6 Marktentwicklung – Von den Hartz-Gesetzen zu den Branchenzuschlagstarifen .............................................. 6 Fakten und Hintergründe zum Markt für Zeitarbeit und Personaldienstleistungen in Deutschland – Marktstruktur und ausgeübte Tätigkeiten ............................................................................. 11 Perspektive 2013 – Erwartete Auswirkungen zu den Tariferhöhungen und Branchenzuschlagstarifen........... 16 Umsetzung der neuen Regelungen – Stichtag 1.11.2012: Die neuen Regelungen in der Praxis ...................... 21 Fazit und Ausblick – Transformation als Chance für Qualitätsanbieter ........................................................... 25 INTERVIEW / POSITIONIERUNG / CASE STUDY .......................................................................................... 28 Interview Stefan Polak, Vorstand JOB AG – Attraktivität für gute Leute – Fokus auf Produktivität .............. 29 „Wir werden gefordert“ – Branchenzuschläge machen die Zeitarbeit attraktiver – Umfassende IT-Lösungen machen die Zuschläge administrierbar ................................................................... 34 Interview Dr. Klaus Eierhoff, Vorsitzender der Geschäftsführung TEMPTON Group – Outsourcing entwickelt sich zum Wachstumstreiber für unsere Branche......................................................... 38 UNTERNEHMENSPROFILE............................................................................................................................. 42 JOB AG ............................................................................................................................................................. 43 Orizon ............................................................................................................................................................... 44 TEMPTON Group............................................................................................................................................. 45 Lünendonk ........................................................................................................................................................ 46 3
B R A N C H E N Z U S C H L A G S TA R I F E V E R Ä N D E R N D I E Z E I TA R B E I T Vorwort zuschlägen richtig anwenden zu können, müssen Be- rater und Kunde weitere Informationen austauschen, bevor der Kundenberater auf der Basis einer komple- xeren Kalkulation mit nach Einsatzdauer gestaffelten Hartmut Lüerßen, Verrechnungssätze einen Gesamtpreis nennen kann. Partner Lünendonk GmbH VERÄNDERUNG ALS CHANCE Der Markt für Zeitarbeit und Personaldienstleistun- gen steht unter besonderer Beobachtung – öffent- Liebe Leserinnen, liebe Leser, lich wie politisch. Die Veränderungen, die sich auf- grund der neuen Branchenzuschläge ergeben, sind der Markt für Zeitarbeit und Personaldienstleistungen eine Chance für die öffentliche Wahrnehmung der in Deutschland verändert sich. Zum 1.11.2012 traten Arbeitnehmerüberlassung. Denn mit den Branchen- eine Tariferhöhung sowie Vereinbarungen zu Bran- zuschlägen wird eine Tarifangleichung angestrebt. chenzuschlägen für die Metall- und Elektroindustrie Die Zeitarbeitnehmer verdienen im Laufe eines län- sowie für die Chemieindustrie in Kraft. Verhand- geren Kundeneinsatzes mit Branchenzuschlägen lungen zu weiteren Branchenzuschlägen laufen und deutlich mehr als zuvor, weil sie direkt von den Bran- werden von den beiden Arbeitgeberverbänden der chenzuschlägen profitieren. Das dürfte die Branche Zeitarbeit, dem Bundesarbeitgeberverband der Perso- Zeitarbeit und Personaldienstleistungen als Arbeit- naldienstleister (BAP) sowie dem Interessenverband geberbranche attraktiver machen – vorausgesetzt, Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) mit den zu- dass die Kunden bereit sind, diese Mehrkosten auch ständigen Gewerkschaften geführt. zu tragen. Der Wert der unternehmerischen Flexibi- lität durch Arbeitnehmerüberlassung kommt in den Über die Branchenzuschläge sollen Tarifangleichun- Einsatzbetrieben mit Branchenzuschlägen auf den gen für die Zeitarbeitnehmer erreicht werden, die Prüfstand. im Geltungsbereich der jeweiligen Branchen einge- setzt sind. Weil die Regelungen jedoch bereits bei Für das Jahr 2013 befürchten viele Anbieter, dass die den ersten beiden Vereinbarungen nicht einheitlich Nachfrage sinkt, auch durch die Tatsache, dass die sind und in manchen Detailfragen noch Interpre- Branchenzuschläge die Arbeitnehmerüberlassung in tationsspielräume zulassen, steigt die Komplexität manchen Bereichen deutlich verteuern. der Dienstleistung. Bisher konnte ein Kunde anru- fen und fragen: Ich brauche für drei Monate einen Für die Anbieter führt die Vielfalt und damit dyna- Druckmaschinentechniker für meinen Betrieb in misch steigende Komplexität zu großen operativen München. Was kostet mich der Einsatz? Der Kunden- Herausforderungen. Die Kunden der Zeitarbeit berater konnte anhand der Entgeltgruppen sowie der brauchen eine Flexibilitätsreserve, um besser auf Kalkulationstabellen des Zeitarbeitsunternehmens Schwankungen der Nachfrage reagieren zu können. schnell eine verbindliche Antwort geben. So einfach Die Arbeitnehmerüberlassung ist eines der effektivs- ist es nicht mehr. Jedenfalls nicht, wenn Branchenzu- ten Instrumente auf dem deutschen Arbeitsmarkt, um schläge gelten. Um die Regelungen zu den Branchen- diese Flexibilität im Personalbereich zu erlangen. 4
B R A N C H E N Z U S C H L A G S TA R I F E V E R Ä N D E R N D I E Z E I TA R B E I T Doch nicht nur für die Kunden und Anbieter wird es Einsatzunternehmen auch zukünftig mit der Arbeit- schwieriger zu planen, auch für die Zeitarbeitnehmer. nehmerüberlassung als Flexibilitätsreserve planen Denn es ist zu erwarten, dass viele Zeitarbeitnehmer können. durch die Branchenzuschläge mit Verdienstschwan- kungen rechnen müssen. Denn die Branchenzuschlä- Denn die Frage ist nicht, ob die deutsche Wirtschaft ge gelten nur während der ununterbrochenen Ein- einen Flexibilitätsbedarf hat, sondern wie die Unter- satzzeit für einen Betrieb. Wenn ein Techniker bei- nehmen diesen Flexibilitätsbedarf sicherstellen. Ein spielsweise nach 9 Monaten ununterbrochener Tätig- wichtiges Instrument verändert sich gerade. Und es keit in einen anderen Einsatzbetrieb wechselt, fällt ist wichtig, dass das Instrument bedienbar bleibt und der Branchenzuschlag von 50 Prozent auf den Zeit- von allen Beteiligten richtig bedient wird. Die stei- arbeitstarifvertrag weg. gende Komplexität ist eine große Chance für die Qua- litätsdienstleister. Die individuelle Haushaltsplanung sollte sich daher weiterhin nach dem Grundtarif richten. Auch solche Wir wünschen Ihnen eine nutzbringende Lektüre. Themen müssen Personaldienstleister mit hohem Qualitätsanspruch angehen. Es zeigt sich: Die Komplexität steigt für alle Betei- ligten. Ziel des Themendossiers ist es, durch mehr Herzliche Grüße Transparenz einen Beitrag zu leisten, damit die Hartmut Lüerßen 5
B R A N C H E N Z U S C H L A G S TA R I F E V E R Ä N D E R N D I E Z E I TA R B E I T Marktentwicklung Von den Hartz-Gesetzen zu den Branchenzuschlagstarifen Zum 1.11.2012 sind neben der Tariferhöhung im Gerade in den Helfertätigkeiten, die unter einer star- Zeitarbeitstarifvertrag zusätzlich Vereinbarungen ken Kostenbetrachtung seitens der Kunden stehen, zu Branchenzuschlägen wirksam geworden. Die- befürchten viele Anbieter einen Rückgang. In hohen se Tarifangleichungen gelten zunächst für Zeitar- Qualifikationen wie Engineering Services oder IT- beitnehmer, die bei Kundenunternehmen aus der Services hingegen werden Zeitarbeitnehmer meist Metall- und Elektroindustrie sowie der Chemie- heute bereits übertariflich bezahlt, so dass sich hier industrie im Einsatz sind. Weitere Branchenzu- kaum Auswirkungen auf die Verrechnungssätze erge- schläge wurden darüber hinaus für die Kautschuk- ben dürften. Industrie, die Kunststoff-Industrie sowie für den Schienenverkehrsbereich vereinbart. Verhandlun- FÜHRENDE ANBIETER SEHEN CHANCE DURCH gen für weitere Branchen laufen. Grundsätzlich QUALITÄTSDIFFERENZIERUNG wird die Arbeitnehmerüberlassung dadurch für die Damit die neuen Regelungen richtig und effizient an- Kundenunternehmen, bei denen die bisher verhan- gewendet werden können, müssen die Anbieter nicht delten Branchenzuschläge gelten, bei Einsätzen nur über moderne Business-Software verfügen sondern von mehr als sechs Wochen teurer. So wird bei- auch in der Lage sein, ihre Kunden kompetent zu be- spielsweise in der Metall- und Elektroindustrie ab raten. Wichtige Werkzeuge sind hierbei Kalkulations- einer Einsatzzeit von mehr als sechs Wochen ein tools und Werkzeuge für die Kundenberatung, damit Branchenzuschlag von 15 Prozent auf den Zeitar- der Kunde anhand von wichtigen Informationen wie beitstarif fällig. Dieser Zuschlag steigt stufenweise Branchenzugehörigkeit, Vergleichslohn, Referenzlohn in fünf Schritten an, bis bei einem unterbrechungs- oder Betriebsvereinbarungen eine korrekte Kalku- freien Einsatz von mehr als 12 Monaten 50 Pro- lationsbasis für die Arbeitnehmerüberlassung erhält. zent Aufschlag gelten. In der Folge steigen logi- scherweise auch die Verrechnungssätze, die das Diese steigende Komplexität sehen führende Zeit- Kundenunternehmen an den Personaldienstleister arbeits- und Personaldienstleistungs-Unternehmen zahlt, wenn nicht Ausnahmen oder individuelle als große Chance zur Qualitätsdifferenzierung. Denn Faktoren bereits zu einer höheren Bezahlung der gerade kleine Anbieter von Zeitarbeit und Personal- Zeitarbeitnehmer führen. dienstleistungen fehlt oft das erforderliche Know-how und das Kapital, um Kalkulationstools auf Excel-Basis Die Spielregeln verändern sich, die Kalkulation und oder Apps zur Beratungsunterstützung zu entwickeln. die Beratung für die Dienstleistung werden komple- Und weil ohne effiziente Tools und Prozesse der indi- xer. Die Auswirkungen auf die Nachfrage können viduelle Aufwand für die Kundenbetreuung sowie die nur schwer prognostiziert werden. Denn neben der Fehleranfälligkeit steigt, sehen sich die größeren An- konjunkturellen Entwicklung hängt die zukünftige bieter mittel- und langfristig im Vorteil. Nachfrage davon ab, wie die Kundenunternehmen den Mehrwert der Flexibilität bewerten. 6
B R A N C H E N Z U S C H L A G S TA R I F E V E R Ä N D E R N D I E Z E I TA R B E I T TAG CLOUD BRANCHENZUSCHLAGSTARIFE ZEITARBEIT Abbildung 1:Tag Cloud Branchenzuschlagstarife Zeitarbeit Quelle: Lünendonk GmbH, 2012 Denn dass die Bezahlung der Zeitarbeitnehmer korrekt statt der Regelungen eines Tarifvertrages das Prin- und nach Vorgabe des Arbeitnehmerüberlassungsge- zip der Gleichbehandlung gilt. Weitere gerichtliche setzes sowie der Tarifverträge erfolgt, ist im ureigenen Entscheidungen zu diesem Thema stehen noch aus. Interesse der Kunden. Im Hintergrund droht immer Die Anbieter, die als Mitglieder des Arbeitgeberver- das Risiko der Subsidiärhaftung. Dies bedeutet, dass bandes AMP (Arbeitgeberverband Mittelständischer der Kunde für die Sozialversicherungsbeiträge der Personaldienstleister) den CGZP-Tarif angewendet eingesetzten Zeitarbeitnehmer haftet, wenn der Per- hatten, mussten Rückstellungen für Nachforderungen sonaldienstleister diese nicht korrekt abführt oder we- bilden. gen Zahlungsunfähigkeit nicht abführen kann. Dass das Risiko der Subsidiärhaftung nicht nur theoretisch Im Jahr 2011 haben sich die beiden Arbeitgeber- existiert, zeigen die Forderungen der Sozialversiche- verbände BZA (Bundesverband Zeitarbeit Personal- rungsträger an Zeitarbeitsunternehmen, die bis Ende dienstleistungen) und AMP zum Bundesverband der 2010 den CGZP-Tarifvertrag angewendet hatten. Der Personaldienstleister (BAP) zusammengeschlossen. Tarifgemeinschaft CGZP (Christlichen Gemeinschaft Neben dem BAP ist der iGZ (Interessenverband für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen) wurde Deutscher Zeitarbeitsunternehmen) als zweiter Ar- rückwirkend die Tariffähigkeit aberkannt, so dass beitgeberverband für die Zeitarbeit aktiv. 7
B R A N C H E N Z U S C H L A G S TA R I F E V E R Ä N D E R N D I E Z E I TA R B E I T 10 JAHRE LIBERALISIERUNG DER ZEITARBEIT kanzlers Gerhard Schröder wurden. In Folge der In den vergangenen zehn Jahren hat Deutschland Liberalisierung des Marktes für Zeitarbeit und Per- zwei Wirtschaftskrisen durchlebt und steckt in einer sonaldienstleistungen stieg die Nachfrage aufgrund Währungskrise. Die Stabilität in den Jahren 2008 und des strukturellen Flexibilisierungsbedarfs in der 2009 haben die deutschen Unternehmen dabei zu ei- deutschen Wirtschaft stark an. Insgesamt waren nem erheblichen Teil gut gefüllten Arbeitszeitkonten, nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit zum dem Kurzarbeitergeld sowie der Flexibilitätsreserve Stichtag 31.12.2002 rund 308.000 Zeitarbeitnehmer durch die Arbeitnehmerüberlassung zu verdanken. in Deutschland beschäftigt. Zum Vergleich: Zum Auch bei der Erholung nach der Krise haben die Un- Jahresende 2011 waren es mehr als 871.000 Zeit- ternehmen durch den Einsatz von Zeitarbeitnehmern arbeitnehmer bei Personaldienstleistern beschäftigt. profitiert. So konnten zusätzliche Produktionskapazi- Das Marktvolumen lag nach Schätzungen der Lünen- täten schnell aufgebaut werden. Bereits im Jahr 2011 donk GmbH im Jahr 2011 bei 20,7 Milliarden Euro. berichteten die Personaldienstleister dann von stark steigenden Übernahmen durch Kundenunternehmen. VON DER EU-ZEITARBEITSRICHTLINIE ZU DEN BRANCHENZUSCHLÄGEN Dieser Trend, dass Kunden die Zeitarbeitnehmer In Deutschland ist die Arbeitnehmerüberlassung verstärkt übernehmen, wurde im Jahr 2012 ge- im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelt. bremst aufgrund der steigenden Unsicherheit im Darüber hinaus gilt auf EU-Ebene die sogenannte Zusammenhang mit der Euro-Krise. Als stark von EU-Zeitarbeitsrichtlinie, die am 22.10.2008 nach der Auftragslage der Kunden abhängiger frühzyk- sechsjährigen Verhandlungen erlassen wurde und de- lischer Dienstleistungsmarkt haben die Zeitarbeits- ren Vorgaben von den Mitgliedsstaaten bis Ende 2011 und Personaldienstleistungs-Unternehmen die wirt- in nationales Recht umgesetzt werden mussten. schaftliche Abschwächung bereits zu Beginn des Jah- res verspürt. Die Prognosen für das Marktwachstum Das Ziel und wesentliche Vorgaben in der EU-Richt- 2012 lagen vor den Vereinbarungen zu den Bran- linie betreffen den Grundsatz der Gleichbehandlung chenzuschlägen in der Metall- und Elektroindustrie (Equal Treatment), der sich auf „wesentliche Arbeits- bei etwa 7,8 Prozent für 2012. Zum Vergleich: Die und Beschäftigungsbedingungen“ in den Einsatz- Bundesregierung hat im Oktober 2012 die Erwartun- unternehmen bezieht, wie Arbeitsentgelt (Equal Pay), gen für das BIP-Wachstum (Brutto-Inlands-Produkt) Arbeitszeit, Überstunden, Ruhezeiten oder arbeits- auf 0,8 Prozent angehoben, jedoch die Erwartun- freie Tage, den Zugang zu Gemeinschaftseinrich- gen für das Jahr 2013 auf 1,0 Prozent reduziert. Im tungen oder Informationen zu freien Stellen. Frühjahr 2012 hatte die Prognose für 2013 noch bei 1,6 Prozent BIP-Wachstum gelegen. Manche der Bestimmungen, unter anderem zum Ar- beitsentgelt, durften die Länder unter bestimmten Die Zeitspanne von 10 Jahren führt zu einem wich- Bedingungen abweichend im Rahmen von Tarifver- tigen Meilenstein in der Marktentwicklung von trägen regeln. Andere Bestimmungen, beispielsweise Zeitarbeit und Personaldienstleistungen in Deutsch- die zum Zugang von Gemeinschaftseinrichtungen, land: Im August 2002 stellte die Expertenkommis- wurden durch Änderungen des Arbeitnehmerüber- sion um den früheren VW-Personalvorstand Peter lassungsgesetzes umgesetzt. So wurde beispielsweise Hartz die Konzepte für die Reform des Sozialstaats Ende 2011 auch die sogenannte Drehtürklausel im vor, die später als sogenannte Hartz-I-IV-Gesetze Gesetz verankert, die verbietet, dass Zeitarbeitneh- zum Kern der Agenda 2010 des damaligen Bundes- mer bis zu einem Zeitraum von sechs Monaten nach 8
B R A N C H E N Z U S C H L A G S TA R I F E V E R Ä N D E R N D I E Z E I TA R B E I T Umsatzentwicklung Top 10 des Jahres 2011 im Vergleich zum jeweiligen Gesamtmarktwachstum Mittelwerte 50% 47,2% Umsatzentwicklung 39,5% 40% Gesamtmarkt- wachstum 30% 25,7% BIP-Wachstum 23,8% 20% 19,0% 17,6% 10% 6,2% 3,7% 3,3% MARKTVOLUMEN 5,5% 3,0% 0% 2011 20,7 Mrd. € 1,1% 2010 17,6 Mrd. € -10% -5,1% 2009 14,0 Mrd. € -20% -18,1% 2008 17,1 Mrd. € 2007 14,2 Mrd. € -30% -30,6% 2006 13,0 Mrd. € -40% 2006/2007 2007/2008 2008/2009* 2009/2010 2010/2011 2005 10,0 Mrd. € *Ab 2008/2009 inklusive 7 (S) Abbildung 2: Umsatzentwicklung Top 10 der Personaldienstleistungs-Unternehmen in 2011 im Vergleich zum jeweiligen Gesamtmarktwachstum Quelle: Lünendonk GmbH, 2012 ihrem Ausscheiden zu anderen Bedingungen als die „Equal-Pay-Regelung“ zu erarbeiten, die die Lohn- Stammbelegschaft wieder beim alten Arbeitgeber unterschiede zwischen Zeitarbeitnehmern und Mit- eingesetzt werden. Dieser Missbrauch von Zeitarbeit arbeitern der jeweiligen Einsatzunternehmen aus- war im Rahmen der sogenannten „Schlecker-Affäre“ gleicht. 2009 aufgedeckt worden. Die inzwischen insolvente Drogeriekette hatte festangestellte Mitarbeiter entlas- Die ersten Branchenzuschlagstarife für Zeitarbeit- sen und dann über eine eigene Zeitarbeitstochter in nehmer in der Metall- und Elektroindustrie sowie der den gleichen Betrieben zu niedrigeren Löhnen ein- Chemieindustrie zeigen, wie schwer es ist, die Viel- gesetzt. Um diesen Missbrauch zu verhindern, hatten falt von Tarifverträgen, Haustarifen und Betriebs- die Arbeitgeberverbände der Zeitarbeit bereits vor der vereinbarungen in einer praxisnahen Umsetzung von Änderung des AÜG entsprechende Drehtürklauseln Equal Pay abzubilden. Dennoch sind die Branchen- in die Tarifverträge aufgenommen. zuschlagstarife aus Sicht der Tarifautonomie ein wichtiger Schritt für die Branche. Die Arbeitgeber- Weitere Stationen in der Entwicklung der AÜG-Ge- verbände der Zeitarbeit werten die vereinbarten Re- setzgebung und der Zeitarbeitstarifverträge betrafen gelungen, die zu einer Tarifangleichung führen, dem- im Jahr die Einführung von Mindestlöhnen in der entsprechend als Erfolg. Für die Anbieter kommt es Zeitarbeit, die im „Tarifvertrag zur Regelung von nun darauf an, ihre Kunden bei der Umsetzung der Mindestarbeitsbedingungen in der Zeitarbeit“ im Jahr neuen Regelungen kompetent zu beraten. Analysiert 2010 zwischen den Tarifpartnern vereinbart wurden. man die Zahlen der Bundesagentur zu den Tätigkei- Auf dieser Basis erlies das Bundesarbeitsministerium ten, die die Zeitarbeitnehmer ausüben, könnte fast eine Verordnung zu Mindestlöhnen in der Zeitarbeit, die Hälfte der Zeitarbeitnehmer unter die bereits ver- die seit dem 1.1.2012 gilt. Zudem wurden die Tarif- einbarten Branchenzuschlagstarife fallen. Eine ähn- partner von der Bundesregierung aufgefordert, eine liche Größenordnung spiegelt auch die Analyse der 9
B R A N C H E N Z U S C H L A G S TA R I F E V E R Ä N D E R N D I E Z E I TA R B E I T Kundenbranchen im Rahmen der Lünendonk®-Studie erhöhungen sowie gegebenenfalls geltende Bran- 2012: „Führende Zeitarbeits- und Personaldienstleis- chenzuschläge) die Frage, ob die Arbeitnehmer- tungs-Unternehmen in Deutschland“ wider. überlassung beispielsweise in den einfachen Tätig- keiten zu teuer wird. Der grundsätzliche Flexibilisie- Viele Unternehmen stellen sich durch die erwar- rungsbedarf ändert sich durch die höhere Komplexi- tungsgemäß steigenden Verrechnungssätze (Tarif- tät allerdings nicht. Umsatz in Mio. Euro Interne Mitarbeiter Zeitarbeitnehmer Rang Unternehmen 2011 2010 2011 2010 2011 2010 1 Randstad Deutschland GmbH & Co. KG, Eschborn 1) 1.960,0 1.729,0 2.900 2.600 65.100 60.700 2) 2 Adecco Germany Holding SA & CO. KG, Düsseldorf 1.503,3 1.197,4 2.555 2.258 41.155 34.363 3 Persona Service Verwaltung AG & Co. KG, Lüdenscheid 692,0 538,0 1.850 1.565 21.500 17.100 3) 4 ManpowerGroup Deutschland GmbH, Eschborn 627,0 596,0 1.150 1.150 22.000 23.000 *) 5 AutoVision GmbH, Wolfsburg 510,0 443,0 464 387 14.105 11.170 6 I.K. Hofmann GmbH, Nürnberg 426,0 309,0 415 356 15.713 12.253 7 ZAG Zeitarbeits-Gesellschaft GmbH, Hannover 320,0 285,0 520 500 12.000 11.200 8 USG People Germany GmbH, München 305,0 273,2 625 591 10.250 10.000 9 Orizon GmbH, Augsburg 293,0 237,0 480 470 9.350 8.200 10 7(S) Personal GmbH, Stuttgart 262,6 224,7 708 593 6.903 5.960 11 Tempton Holding GmbH, Frankfurt am Main 254,0 217,0 497 400 7.600 6.700 12 TimePartner Group GmbH, Hamburg *) 239,0 207,6 460 330 7.000 6.050 13 Trenkwalder Personaldienste GmbH, München 211,0 203,0 260 260 7.400 6.900 14 Dekra Arbeit GmbH, Stuttgart 202,0 151,5 330 348 5.665 4.866 15 Piening GmbH, Bielefeld 170,1 127,7 317 266 5.914 4.679 16 Job AG Personaldienstleistungen AG, Fulda 141,0 126,8 346 300 4.727 4.360 17 Amadeus FiRe AG, Frankfurt am Main 130,1 116,2 351 304 2.017 1.920 18 Runtime Group GmbH, Bremen 120,7 105,8 179 160 4.420 3.700 19 Start Zeitarbeit NRW GmbH, Duisburg 115,0 82,0 156 145 2.800 2.500 20 DB Zeitarbeit GmbH, Berlin 102,0 87,0 106 90 2.322 2.086 21 Partner Holding GmbH & Co. KG, Bremen 92,0 67,0 200 150 3.100 2.400 22 Argo Personaldienstleistungen AG, Hamburg 91,9 81,1 250 255 3.232 2.860 *) 4) 23 Hays Temp GmbH, Düsseldorf 80,6 53,0 120 90 1.100 750 24 GI-Group Deutschland GmbH, Düsseldorf 78,0 80,5 228 208 3.100 3.200 24 Robert Half Deutschland GmbH & Co. KG, Frankfurt am Main *) 5) 78,0 68,0 200 176 1.100 960 *) Daten teilweise geschätzt. 1) Umsätze einschließlich Gulp und Yacht Teccon (seit April 2012 Randstad Professionals). 2) Umsätze der Adecco Gruppen-Unternehmen 2011: Adecco Personaldienstleistungen GmbH: 528,5 Mio. €, DIS AG: 453,9 Mio. €, Tuja Gruppe: 520,9 Mio. €. 3) Neue Markenstruktur: Vormals Manpower GmbH & Co. KG; einschließlich Vivento Interim Services GmbH, Umsatz 2010: 59,0 Mio. €. 4) Die Hays Temp GmbH ist ein auf Zeitarbeit fokussiertes Tochterunternehmen des internationalen Personaldienstleisters Hays AG. 5) Zahl der Zeitarbeitnehmer und freiberuflichen Experten. Abbildung 3:Führende Zeitarbeits- und Personaldienstleistungs-Unternehmen in Deutschland 2011 Quelle: Lünendonk GmbH, 2012 10
B R A N C H E N Z U S C H L A G S TA R I F E V E R Ä N D E R N D I E Z E I TA R B E I T Fakten und Hintergründe zum Markt für Zeitarbeit und Personaldienstleistungen in Deutschland Marktstruktur und ausgeübte Tätigkeiten Der Markt für Zeitarbeit und Personaldienstleistun- In Folge der Liberalisierung durch die sogenannten gen in Deutschland gehört zu den so genannten Busi- Gesetze Hartz I-IV stieg die Nachfrage nach Zeit- ness-to-Business-Dienstleistungsmärkten (BtoB). Die arbeit und Personaldienstleistungen aufgrund des Dienstleistungen in diesen Märkten werden zwischen strukturellen Flexibilisierungsbedarfs in der deut- Unternehmen erbracht und bilden eine wichtige Basis schen Wirtschaft stark an. für die unternehmerische Flexibilität der Kunden. Insgesamt waren nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit zum Stichtag 31.12.2011 mehr als 871.000 BUSINESS-TO-BUSINESS-DIENSTLEISTUNGEN Zeitarbeitnehmer in Deutschland beschäftigt. Zum IN DEUTSCHLAND Vergleich: Im Jahr 2002 lag die Zahl der Zeit- Die Lünendonk GmbH unterscheidet die Business- arbeitnehmer zum Jahresende bei rund 308.500. Das to-Business-Dienstleistungsmärkte (BtoB) in ver- Marktvolumen lag nach Schätzungen der Lünendonk tikale und horizontale Dienstleistungsmärkte. Ver- GmbH im Jahr 2011 bei 20,7 Milliarden Euro nach tikale Dienstleistungsmärkte sind geprägt durch 17,6 Milliarden Euro im Jahr 2010. die Inhalte der Tätigkeiten. Beispiele für vertikale BtoB-Dienstleistungen sind Managementberatung, MARKTSTRUKTUR DER IT-Beratung, Facility Management oder Technolo- ANBIETERUNTERNEHMEN gie-Beratung und Engineering Services. Der Anbietermarkt für Zeitarbeit und Personaldienst- leistungen ist in Deutschland sehr heterogen geprägt. Der Zeitarbeitsmarkt ist hingegen ein horizontaler Kein Unternehmen erreicht bisher eine dominierende Dienstleistungsmarkt, der durch das Geschäfts- Marktposition. Dennoch gibt es erhebliche Größen- modell der Arbeitnehmerüberlassung (AÜ) geprägt unterschiede. wird und bei dem die Zeitarbeitnehmer im Kun- deneinsatz Tätigkeiten aus verschieden vertikalen Die Top-25-Unternehmen konnten im Jahr 2011 ei- Dienstleistungsmärkten ausüben. Zwar ist ein gro- nen Umsatz von 9 Milliarden Euro auf sich vereinen. ßer Teil des Zeitarbeitsmarktes nach wie vor durch Das entspricht einem Marktanteil von 43,5 Prozent. Helfertätigkeiten geprägt, jedoch sind auch IT- Die weiteren 11,7 Milliarden Euro Marktvolumen Service-Mitarbeiter, Konstrukteure oder Ingenieure verteilen sich auf mehr als 11.000 mittelgroße, kleine als Zeitarbeiternehmer tätig. Das Kerngeschäft der und Kleinstunternehmen. Personaldienstleister bildet die Arbeitnehmerüber- lassung. Diese macht durchschnittlich mehr als 90 Randstad, das größte Zeitarbeitsunternehmen in Prozent der Leistungen der führenden Anbieter von Deutschland, erreicht mit einem Umsatz von 1,96 Zeitarbeit und Personaldienstleistungen aus. Milliarden Euro einen Marktanteil von 9,5 Prozent und erzielt mehr als 25 mal so viel Umsatz wie das 11
B R A N C H E N Z U S C H L A G S TA R I F E V E R Ä N D E R N D I E Z E I TA R B E I T Dienstleistungskomplexität steigt Einsatz- unternehmen mit Branchen- KRITERIEN ZUR BERECHNUNG zuschlägen DER VERRECHNUNGSSÄTZE • Angewandter Zeitarbeits-Tarifvertrag • Entgeltgruppe der Zeitarbeitnehmer • Lohnnebenkosten • Verwaltungs- und Dienst- leistungskosten • Individuelle Kalkulation des Zeitarbeitsunternehmens Einsatz- • Verhandlung mit Kunden unternehmen ohne Branchen- zuschläge Branchenzuschläge ab 1.11.2012 Abbildung 4: Dienstleistungskomplexität steigt Quelle: Lünendonk GmbH, 2012 Unternehmen auf Platz 25 der Lünendonk®-Liste KUNDENBRANCHEN 2012: „Führende Zeitarbeits- und Personaldienstleis- Der Flexibilitätsbedarf in der deutschen Wirtschaft tungs-Unternehmen in Deutschland“, das 78 Millio- reicht über alle Branchen hinweg. In der Reihenfolge nen Euro erwirtschaftete. der wichtigsten Kundenbranchen stehen die produ- zierenden Industrien auf den vorderen Plätzen. Die Im Unterschied zu den kleinen Anbietern, die meist „Automobilindustrie“ (OEMs, Original Equipment nur eine bis drei Niederlassungen betreiben, sind Manufacturer) zusammen mit den Zulieferbetrieben die Unternehmen der Top 25 deutschlandweit aktiv sind mit einigem Abstand die wichtigsten Kunden- und können ihre Kunden mit ihrem Niederlassungs- branchen der Zeitarbeit in Deutschland. Gemessen netzwerk mehr oder weniger flächendeckend vor Ort am gewichteten Umsatz der von der Lünendonk betreuen. Für die Kunden ist eine Niederlassung in GmbH analysierten Unternehmen machten diese der Nähe sehr wichtig, weil ein großer Teil der Re- Kundenbranchen 20,1 Prozent der Umsätze aus, ge- krutierung und des Einsatzes von Zeitarbeitnehmern folgt von der Branche „Maschinenbau“, die im Jahr regional erfolgt. 2011 einen Anteil von 10,0 Prozent ausmachte. Lediglich in den hohen Qualifikationen wie Engi- Die Umsätze mit den nächsten neun folgenden Bran- neering Services oder IT-Services spielt der ortsnahe chen liegen relativ nahe beieinander. So folgen an drit- Einsatz eine weniger große Rolle. Denn in diesen ter Stelle der wichtigsten Kundenbranchen die „sons- Spezialisierungen wirkt sich der Fachkräftemangel tige Industrien“ mit einem Anteil von 8,7 Prozent. Die besonders stark aus, so dass die Kunden eher bereit Kundenbranche „Elektrotechnik“ liegt bei 7,2 Pro- sind, zusätzlich zu den Honorarsätzen auch Reise- zent im Jahr 2011, „Verkehr, Logistik“ (7,1%), „Bau- kosten während des Projekteinsatzes zu bezahlen. nebengewerbe“ (6,5%), „Chemie, Pharma“ (6,1%) 12
B R A N C H E N Z U S C H L A G S TA R I F E V E R Ä N D E R N D I E Z E I TA R B E I T Branchen der Kundenfirmen 2011 und 2010 (1/2) Gewichtete Mittelwerte mit dem Umsatz des jeweiligen Jahres (alle befragten Unternehmen) Automobilindustrie 20,1% 15,7% Maschinenbau 10,0% 9,7% Sonstige Industrie 8,7% 8,0% Elektrotechnik 7,2% 7,5% Verkehr, Logistik *) 7,1% 6,3% Baunebengewerbe 6,5% 7,3% Chemie und Pharma 6,1% 6,9% IT/Telekommunikation 5,9% 2011 6,1% 5,5% 2010 Konsumgüterindustrie n = 55 6,0% 0% 5% 10% 15% 20% 25% *) Energie, Verkehr und Logistik wurden erstmals voneinander getrennt abgefragt Abbildung 5: Branchen der Kundenfirmen 2011 und 2010 (1/2) Quelle: Lünendonk GmbH, 2012 erreichen alle Umsatzanteile von mehr als 6,0 Pro- neben Facharbeitern auch kaufmännische Mitarbei- zent. „IT/Telekommunikation“ beauftragen 5,9 Pro- ter, Buchhalter, Konstrukteure oder IT-Experten im zent der Umsätze, „Konsumgüterindustrie“ (5,5%), Wege der AÜ ein. Unternehmen der „Luft- und Raumfahrt“ stehen für 4,7 Prozent der Umsätze. Erst bei der Branche „Ener- Die „einfachen Industrie-Services“ (Helfertätigkeiten gie“ fällt der Anteil auf unter 3,0 Prozent im Jahr 2011. und Tätigkeiten mit relativ geringen Anlernqualifi- kationen) machen mit durchschnittlich 45,9 Prozent LEISTUNGEN NACH ART DER AUSGEÜBTEN immer noch einen wichtigen Anteil des Marktes aus. TÄTIGKEIT Der Anteil der einfachen Industrie-Services ist im Anhand der Leistungen nach Art der ausgeübten Tä- Vergleich zum Jahr 2010 sogar leicht von 45,1 Pro- tigkeit der Zeitarbeitnehmer lassen sich die Schwer- zent auf 45,9 Prozent gestiegen. Allerdings spiegelt punkte der Arbeitnehmerüberlassung gut veranschau- dieser Anstieg nicht direkt die Entwicklung der Nach- lichen. Nachdem mit der Arbeitnehmerüberlassung frage wider. Denn der Anteil der Kundenanfragen in lange Zeit ausschließlich mit Helfertätigkeiten und den höheren Qualifikationen und Tätigkeitsfeldern Zeitarbeitnehmern ohne Berufsausbildung assoziiert bleibt bei der Analyse der Umsätze anhand der aus- wurde, hat sich inzwischen die Erkenntnis durchge- geübten Tätigkeiten unberücksichtigt. setzt, dass die Arbeitnehmerüberlassung in erster Li- nie eine Vertragsform darstellt und eine flexible Form Die Analysten der Lünendonk GmbH sprechen in der Zusammenarbeit bietet, bei der die Zeitarbeitneh- diesem Zusammenhang von einem „Überlagerungs- mer in die Teamstrukturen des Einsatzunternehmens effekt“: Das mangels geeigneter Kandidaten nicht integriert sind. So setzen die Kundenunternehmen realisierbare Umsatzpotenzial in den höheren Quali- 13
B R A N C H E N Z U S C H L A G S TA R I F E V E R Ä N D E R N D I E Z E I TA R B E I T Branchen der Kundenfirmen 2011 und 2010 (2/2) Gewichtete Mittelwerte mit dem Umsatz des jeweiligen Jahres (alle befragten Unternehmen) Luft- und Raumfahrt 4,7% 5,4% Handel 4,4% 5,0% Energie *) 2,7% 3,8% Banken 2,3% 2,4% Gesundheitswesen 2,0% 2,1% Versicherungen 1,4% 1,4% Behörden, Öffentlicher Dienst 0,9% 2011 0,9% 4,5% 2010 Sonstige Dienstleistungen n = 55 5,5% 0% 5% 10% 15% 20% 25% *) Energie, Verkehr und Logistik wurden erstmals voneinander getrennt abgefragt Abbildung 6: Branchen der Kundenfirmen 2011 und 2010 (2/2) Quelle: Lünendonk GmbH, 2012 fikationen wird von den Umsätzen in den Tätigkei- machen einstellige Anteile am Umsatz der führenden ten mit einfacheren Qualifikationen überlagert. Beim Anbieter aus. In diesen Leistungsbereichen stehen Überlagerungseffekt wirken sich zwei Faktoren maß- die Anbieter im Wettbewerb mit Themenspezialisten. geblich aus. Zum einen ist die Zahl der möglichen Dazu zählen die „Konstruktions-Services“ (4,6%), Kandidaten bei relativ geringen Qualifikationsanfor- bei denen die Personaldienstleister mit Anbietern derungen deutlich größer (Kandidatenpool). Zum an- von Technologie-Beratung und Engineering Services deren dauert es bei steigenden Anforderungen länger, konkurrieren. die richtigen Kandidaten zu finden (Rekrutierungs- aufwand). Schwerpunkte bei den „Finanz-Services“, die im Jahr 2011 durchschnittlich 3,8 Prozent der Umsätze Für die Auswertung wurde der gewichtete Anteil der ausmachten, sind beispielsweise Bilanz-Buchhalter Leistungen am Umsatz gewählt. Dabei werden die oder Controlling-Experten. Bei den „IT-Services“, Durchschnittswerte der Unternehmen mit den jewei- mit denen die Anbieterunternehmen durchschnittlich ligen Umsätzen der Unternehmen multipliziert. Auf 2,5 Prozent der Umsätze erzielten, werden die Zeit- diese Weise werden die „Gewichte“ der Leistungen arbeitnehmer sowohl im Bereich IT-Service-Manage- im Markt verdeutlicht. ment und Support-Prozessen eingesetzt als auch in der Softwareentwicklung. Gemessen am gewichteten Umsatz machten die „Facharbeitertätigkeiten“ im Jahr 2011 mit 23,6 Pro- Zu den wichtigen Dienstleistungsmärkten der Zu- zent den zweitgrößten Anteil der Tätigkeiten aus, kunft gehören aufgrund des demografischen Wan- gefolgt von „Büro-Services“ (15,6%). Die weiteren dels die Pflege-Services, die derzeit durchschnittlich Tätigkeiten mit hohen Qualifikationsanforderungen 1,7 Prozent am gewichteten Umsatz der führenden 14
B R A N C H E N Z U S C H L A G S TA R I F E V E R Ä N D E R N D I E Z E I TA R B E I T Leistungen nach Art der ausgeübten Tätigkeit der Zeitarbeits-Unternehmen 2011 und 2010 Gewichtete Mittelwerte mit dem Umsatz des jeweiligen Jahres (alle befragten Unternehmen) 45,9% Industrie-Service (Einfa./Helfer-Tätigkeiten) 45,1% Industrie-Service (Facharbeiter) 23,6% 24,3% Büro-Service 15,6% 15,3% Konstruktions-Service 4,6% 5,0% Finanz-Service 3,8% 4,0% IT-Service 2,5% 3,0% Pflege-Service 1,7% 2011 1,5% 2,3% 2010 Sonstige 1,8% 0% 10% 20% 30% 40% 50% Abbildung 7:Leistungen nach Art der ausgeübten Tätigkeit der Zeitarbeits-Unternehmen 2011 und 2010 Quelle: Lünendonk GmbH, 2012 Anbieter ausmachen. weise die Personalsteuerung für Schichten oder be- In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass die stimmte Aufgabenbereiche für das Kundenunterneh- Tätigkeiten in der Produktion sowie einfache Tä- men übernimmt. tigkeiten die Bereiche darstellen, die den größten Schwankungen in der Nachfrage unterliegen. Immer mehr Unternehmen nutzen die Zeitarbeit in- zwischen auch als zusätzlichen Rekrutierungsweg, LEISTUNGSSPEKTRUM bei dem sie bereits im Rahmen der Einsatzzeit im Das Kerngeschäft der Anbieter von Zeitarbeit und Wege der Arbeitnehmerüberlassung eine Festeinstel- Personaldienstleistungen ist die Arbeitnehmerüber- lungsoption für den Zeitarbeitnehmer prüfen können. lassung. Durchschnittlich machte die AÜ bei den füh- Die meisten Anbieter von Zeitarbeit und Personal- renden Zeitarbeitsunternehmen im Jahr 2011 mehr dienstleistungen haben entsprechende Vereinbarun- als 90 Prozent des Umsatzes aus. gen für Übernahmen aus laufenden Projekteinsätzen als Standard-Element in ihre Vertragsunterlagen in- Neben der Arbeitnehmerüberlassung bieten jedoch tegriert. Wenn Personaldienstleister für ihre Kunden gerade die führenden Zeitarbeitsunternehmen ein nicht nur punktuell für einzelne Positionen rekrutie- Portfolio von ergänzenden Personaldienstleistungen ren sondern gezielt (Teil-)Prozesse der Rekrutierung an. Dazu zählen beispielsweise Personalvermittlung, übernehmen, wird diese Prozess-Dienstleistung als Projekte auf der Basis von Dienstleistungsverträgen, Recruitment Process Outsourcing (RPO) bezeich- Vermittlung von Freiberuflern und selbständigen net. Auch diese integrierten Personaldienstleistungen Experten sowie Onsite-Management und Managed werden von Unternehmen des gehobenen Mittelstan- Services, bei dem der Personaldienstleister beispiels- des und großen Unternehmen verstärkt nachgefragt. 15
B R A N C H E N Z U S C H L A G S TA R I F E V E R Ä N D E R N D I E Z E I TA R B E I T Perspektive 2013 Erwartete Auswirkungen zu den Tariferhöhungen und Branchenzuschlagstarifen Die ersten Vereinbarungen zu Branchentarifzuschlä- der Zeitarbeitnehmer untersucht und die Erwartungen gen für Zeitarbeitnehmer, die in der Metall- und Elek- der Top 25 mit den Ergebnissen der Befragung für die troindustrie arbeiten, haben auf die Zeitarbeitsbranche jährlich erscheinende Lünendonk®-Studie: „Führende eine große Signalwirkung gehabt und zu Verunsiche- Zeitarbeits- und Personaldienstleistungs-Unterneh- rung geführt, wie sich die neuen Regelungen auf die men in Deutschland“ verglichen. Die Befragung für Marktentwicklung auswirken. Die Verunsicherung ist die Lünendonk-Studie erfolgte im Zeitraum zwischen nachvollziehbar, denn laut den Statistiken der Bun- Januar und April 2012. Auf der Basis dieser Daten lässt desagentur für Arbeit arbeiteten Ende 2011 allein in sich ein guter „vorher-nachher“-Vergleich ziehen. den Tätigkeiten von Metallerzeugung, -bearbeitung, Metallbau, Maschinen- und Fahrzeugtechnik sowie Die Ergebnisse der ersten Blitzumfrage zeigen: Die Mechatronik, Energie- und Elektroberufen mehr als vereinbarten Branchenzuschlagstarife für Zeitarbeiter 276.000 Zeitarbeitnehmer. Bezogen auf den Stichtag in der Metall- und Elektroindustrie sowie der Che- 31.12.2011 waren das bereits 31,8 Prozent der Zeit- mieindustrie sowie die Aussicht auf weitere Bran- arbeitnehmer. chenzuschlagstarife führen im Jahr 2013 nach An- sicht der Top-25-Anbieter zu einem Umsatzrückgang. Verbunden mit der Tatsache, dass weitere Branchen- zuschlagstarife für die Branchen Chemie, Kunststoff-, Vor den Vereinbarungen zu den Branchenzuschlä- Kautschuk-Industrie und Schienenverkehr vereinbart gen waren die führenden Anbieter noch von einem wurden und für weitere Branchen Verhandlungen ge- Marktwachstum von 7,7 Prozent für das Jahr 2013 führt werden, war frühzeitig der Eindruck vorhanden, ausgegangen. Die Prognosen für das BIP-Wachstum dass die Branchenzuschlagstarife einen wichtigen in Deutschland lagen zu dem Zeitpunkt noch bei ei- Meilenstein in der Entwicklung des Marktes für Zeit- nem Plus von 1,6 Prozent. arbeit und Personaldienstleistungen setzen würden. In Folge der Branchenzuschlagstarife rechnen die ERWARTETE AUSWIRKUNGEN FÜR 2013 Top 25 damit, dass einige Marktsegmente der Zeitar- Um die Stimmung und Erwartungen der 25 führenden beit für die Kunden zu teuer werden. Als Konsequenz Anbieter von Zeitarbeit und Personaldienstleistungen daraus, verbunden mit den Anzeichen für eine abflau- zu den Auswirkungen der Branchenzuschläge zu ende Konjunktur und Überkapazitäten etwa in der analysieren, führte die Lünendonk GmbH nach Ab- Automobilindustrie, erwarten die Top-25-Anbieter schluss der Branchenzuschlagstarife für die Metall- für 2013 durchschnittlich einen Rückgang des Markt- und Elektro-Industrie eine Blitzumfrage durch. Zu- volumens um 2,0 Prozent. Die Streuung der Progno- sätzlich wurden die durchschnittlichen Einsatzzeiten sen reicht dabei von sechs Prozent Wachstum bis zu 16
B R A N C H E N Z U S C H L A G S TA R I F E V E R Ä N D E R N D I E Z E I TA R B E I T Marktprognosen der Top-25-Anbieter für 2012 und 2013 vor und nach Branchenzuschlagstarifen Mittelwerte – Angaben in Prozent Erwartetes Marktwachstum 7,8% vor Branchenzuschlagstarifen 7,7% Erwartetes Marktwachstum 3,9% 2012 nach Branchenzuschlagstarifen -2,0% 2013 -5% 0% 5% 10% • Die Prognosen der Top-25-Anbieter zur Entwicklung des Marktes für Zeitarbeit und Personaldienstleistungen in Deutschland sind nach den Equal-Pay-Vereinbarungen mit Tarifzuschlägen deutlich zurückgegangen. • Die Anbieter gehen von negativen Auswirkungen aus und erwarten für 2012 einen Rückgang des Marktvolumens um zwei Prozent. Abbildung 8:Marktprognosen der Top-25-Anbieter 2012 und 2013 vor und nach Branchenzuschlagstarifen Quelle: Lünendonk GmbH, 2012 einem Rückgang von 20 Prozent für 2013. • Höhere Nachfrage im qualifizierten Bereich • Kunden weichen aus auf Outsourcing. Inzwischen weisen erste Reaktionen großer Unter- • Der erwartete Rückgang im Bereich der einfachen nehmen darauf hin, dass das Wachstumspotenzial für Qualifikationen wird durch die steigende Nachfrage Zeitarbeit und Personaldienstleistungen bereits im in höheren Qualifikationen nicht kompensiert. Jahr 2012 reduziert wird. Zwei Beispiele: Im Sep- • Die Zeitarbeitsunternehmen werden mehr auf Qua- tember wurde in den Medien davon berichtet, dass lifizierungen setzen im Schulterschluss mit den BMW 3.000 Zeitarbeiter in Festanstellungen über- Kunden. nehmen will. Auch VW plant, bis Mitte 2013 bis zu • Die durchschnittliche Einsatzdauer wird zurück- 3.000 Zeitarbeitnehmer zu übernehmen. gehen. • Erhöhung der Planungs-Komplexität für Kunden Zusätzlich zu ihrer Erwartung zur Marktentwicklung und Anbieter wurden die Unternehmen gebeten, die Auswirkungen • Für Bewerber wird die Zeitarbeit attraktiver, höhere der Branchenzuschlagstarife zu bewerten, mögliche gesellschaftliche Anerkennung. Effekte zu schildern und diese zu begründen. Die- se Einschätzungen und Begründungen liefern einen VON KOSTENDRUCK UND spannenden Einblick, wie eine Auswahl der Nennun- NACHFRAGERÜCKGANG BESONDERS gen zeigt: BEDROHTE MARKTSEGMENTE Aus Sicht der Anbieterunternehmen sind insbeson- • Der Helfermarkt wird stark einbrechen, weil die Zeit- dere die einfachen Industrie-Services bei steigenden arbeit in dem Segment für die Kunden zu teuer wird. Kosten durch die Branchenzuschlagstarife von einem • Die Regelungen führen zu steigendem Administra- Nachfragerückgang bedroht. Denn diese Tätigkeiten tionsaufwand und sinkender Profitabilität. stehen erfahrungsgemäß unter einem hohen Kosten- • Kunden benötigen die Flexibilität und könnten druck seitens der Kunden. Auch der Wettbewerb un- verstärkt Werkverträge anfragen. ter den Anbietern ist hier enorm. Es gibt anhand der • Arbeitsplätze in der Produktion werden ins geforderten Qualifikationen kaum Differenzierungs- Ausland verlagert. potenzial. Die Zeitarbeitnehmer sind daher aus der 17
B R A N C H E N Z U S C H L A G S TA R I F E V E R Ä N D E R N D I E Z E I TA R B E I T Verteilung der Zeitarbeitnehmer auf die Entgeltgruppen Mittelwerte – Angabe in Prozent – Alle Unternehmen Über Entgeltgruppe 9 0,8% West 0,4% Ost Entgeltgruppe 9 1,4% 0,4% Entgeltgruppe 8 3,5% 1,7% Entgeltgruppe 7 2,5% 0,5% Entgeltgruppe 6 2,8% 0,6% Entgeltgruppe 5 10,0% 1,6% Entgeltgruppe 4 16,8% 12,4% 16,6% Entgeltgruppe 3 24,8% 11,3% Entgeltgruppe 2 15,7% 34,3% Entgeltgruppe 1 41,9% 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50% Abbildung 9:Verteilung der Zeitarbeitnehmer auf die Entgeltgruppen Quelle: Lünendonk GmbH, 2012 Kundenperspektive vergleichsweise leicht austausch- DURCHSCHNITTLICHE EINSATZDAUER bar. Bei höheren Qualifikationen steht der Einsatz von Ein weiterer Aspekt, der bei den Auswirkungen Arbeitnehmerüberlassung dagegen in der Kunden- der Branchenzuschlagstarife berücksichtigt wer- wahrnehmung stärker in Verbindung mit dem Fach- den muss, ist die durchschnittliche Einsatzdauer der kräftemangel. Dementsprechend gestalten sich auch Zeitarbeitnehmer bei den Kundenunternehmen. Die die Preisverhandlungen vergleichsweise leichter. durchschnittliche Einsatzdauer wird im Rahmen der Lünendonk-Studie als Angabe in Wochen abgefragt. Im Rahmen der Lünendonk-Studie wurde auch die Um eine erste Orientierung zu erhalten, wie häufig Verteilung der Zeitarbeitnehmer auf die verschiede- die fünf von der Einsatzdauer abhängigen Stufen der nen Entgeltstufen des Zeitarbeitstarifvertrages un- Branchenzuschlagstarife angewendet werden könn- tersucht. Dabei wird deutlich, dass durchschnittlich ten, wurden die Durchschnittswerte geclustert und 34,3 Prozent der Zeitarbeitnehmer im Tarifbereich auf die entsprechenden Einsatzstufen verteilt. West nach der untersten Entgeltgruppe vergütet wer- den (Tarifbereich Ost: 41,9%). Bei der Auswertung wurden die Angaben von 50 Unternehmen berücksichtigt. Lesehilfe: Von den Insgesamt sind in den drei unteren Entgeltgruppen 50 Unternehmen haben 34 Prozent eine durchschnitt- durchschnittlich 61,7 Prozent der Zeitarbeitnehmer liche Einsatzdauer ihrer Zeitarbeitnehmer von mehr (West) beschäftigt. Im Tarifbereich Ost sind es sogar als 12 Wochen und maximal 20 Wochen gemeldet. 82,4 Prozent. Diese Angaben sind Durchschnittswerte von den Un- ternehmen, über alle Branchen, die jeweils bedient 18
B R A N C H E N Z U S C H L A G S TA R I F E V E R Ä N D E R N D I E Z E I TA R B E I T Sonderthema Branchenzuschlagstarife Anteil der durchschnittlichen Einsatzdauer in Wochen Zuschlag auf den Nennungen der Einsatzdauer – in der Metall- und Elektroindustrie Zeitarbeitstarif in % ungewichtet, über alle Branchen > 6 Wochen 15% 16% > 12 Wochen 20% 34% > 20 Wochen 30% 16% > 28 Wochen 45% 16% > 36 Wochen 50% 18% Lesehilfe: • Die Darstellung dient als rechnerisches Vergleichsszenario. • In die Auswertung wurden die Angaben von 50 Zeitarbeitsunternehmen einbezogen. • Von den 50 Unternehmen haben 34 Prozent eine durchschnittliche Einsatzdauer ihrer Zeitarbeitnehmer von mehr als 12 Wochen und maximal 20 Wochen gemeldet. Diese Angaben sind Durchschnittswerte von den Unternehmen, über alle Branchen, die jeweils bedient werden. Abbildung 10:Sonderthema Branchenzuschlagstarife Quelle: Lünendonk GmbH, 2012 werden. Ein Rückschluss auf die durchschnittliche Dass zukünftig nicht wenige Zeitarbeitnehmer mit Einsatzzeit in der Metall- und Elektroindustrie ist Schwankungen ihrer Einkommen umgehen müssen, anhand dieser Daten zwar nicht möglich. Die Ver- sehen die Personaldienstleister als Herausforderung. gleichsdaten geben jedoch eine erste Orientierung So sei es problematisch, wenn etwa ein Zeitarbeitneh- und weisen darauf hin, dass die Kunden der Zeit- mer nach 12 Monaten unterbrechungsfreien Einsatzes arbeit bei einer kontinuierlichen Entwicklung der in der Chemieindustrie die Branchenzuschlagstarife Einsatzdauer mit deutlich steigenden Kosten für die fest für seinen Lebensstandard einplane und dann bei Arbeitnehmerüberlassung rechnen müssen, wenn das Beendigung des Einsatzes durch den Kunden auf das Rechenmodell auf das eigene Unternehmen in etwa Grundentgelt zurückgeworfen werde. zutrifft. VERLAGERUNG DES AUFWERTUNG DER ZEITARBEIT ALS CHANCE FLEXIBILISIERUNGSBEDARFS AUF ANDERE FÜR DEN ARBEITSMARKT FORMEN DER ZUSAMMENARBEIT Trotz der negativen Erwartungen für das Jahr 2013 Neben der Zeitarbeit gibt es verschiedene andere sehen die führenden Anbieter die Branchenzuschlags- Formen der Zusammenarbeit mit externen Dienst- tarife nicht einseitig negativ. In Bezug auf die Attrak- leistern. So können beispielsweise Projekte oder tivität der Zeitarbeitsunternehmen als Arbeitgeber Services über Dienstverträge erbracht werden. Dabei erwarten die Top 25 eine deutliche Aufwertung durch schuldet der Dienstleister eine vereinbarte Arbeits- die deutlich höheren Arbeitslöhne bei längeren Ein- leistung. Diese Variante ist der Praxis häufiger als satzzeiten im gleichen Kundenunternehmen. Damit ein Werkvertrag. Für den Auftraggeber erleichtert es steige auch die Chance, neue Kandidatengruppen zu die Projektvergabe, weil der Auftraggeber beispiels- erschließen. weise im Vergleich zum Werkvertrag meist kein de- 19
B R A N C H E N Z U S C H L A G S TA R I F E V E R Ä N D E R N D I E Z E I TA R B E I T tailliertes Pflichtenheft im Vorfeld erstellen muss. Der Eine der möglichen Auswirkungen, die von mehreren Dienstleister profitiert, weil die Kalkulation weniger der Top 25 geäußert wurden, war, dass Kundenunter- aufwändig und risikoreich ist. Über Dienstverträge nehmen aufgrund der steigenden Kosten für die Ar- können beispielsweise Call-Center-Leistungen beauf- beitnehmerüberlassung verstärkt Werkverträge nach- tragt werden, Projektunterstützung bei der Software- fragen könnten. Werkverträge sind beispielsweise in Entwicklung oder auch Fahrdienste. Die Bandbreite ist der Logistik recht verbreitet. hier sehr groß und in nahezu allen Dienstleistungsarten anzutreffen. Das Risiko des Ergebnisses trägt formal Ob diese Entwicklung sich als Trend entwickelt, das Auftraggeber-Unternehmen. muss abgewartet werden. Per se sind Werkverträge nicht gut oder schlecht. Wichtig ist aus der Markt- Bei Werkverträgen geht das Ergebnisrisiko an den perspektive, dass keine Umgehungsmodelle geschaf- Dienstleister über, der seine Leistungen dann auf fen werden, die den Geist der Vereinbarungen zulas- der Basis klar formulierter Service-Vereinbarungen ten der Zeitarbeitnehmer aushebeln (zum Beispiel erbringt. Bei Projekten, die auf der Basis von Werk- Abschluss von Scheinwerkverträgen, bei denen die verträgen umgesetzt werden, muss das Gewerk bei- Mitarbeiter zu geringeren Löhnen auch bei längeren spielsweise auf der Basis eines Lastenheftes umfas- Einsätzen bezahlt werden oder Ringtausch von Zeit- send beschrieben werden. arbeitnehmern, um die Einsatzfristen zu begrenzen). Der Markt für Zeitarbeit und Personaldienstleistun- Darüber hinaus gibt es noch weitere Varianten, um gen steht unter besonderer öffentlicher Beobachtung mehr Flexibilität zu erreichen, etwa indem Industrie- und sollte aus der Schlecker-Krise gelernt haben. unternehmen gemeinsame Töchter als Joint Venture mit externen Dienstleistungspartnern gründen. Beim Aus Sicht führender Qualitätsanbieter sollten es da- Outsourcing mit Mitarbeiterübergang nach § 613a her eine Verpflichtung aus Eigeninteresse für die BGB übernimmt ein Dienstleister neben den Maschi- Marktteilnehmer sein, die Zeitarbeit auf die nächste nen und Anlagen auch die Mitarbeiter, die beim Über- Stufe der Dienstleistungsqualität und der öffentlichen gang besondere Schutzrechte genießen. Wahrnehmung zu heben. 20
B R A N C H E N Z U S C H L A G S TA R I F E V E R Ä N D E R N D I E Z E I TA R B E I T Umsetzung der neuen Regelungen Stichtag 1.11.2012: Die neuen Regelungen in der Praxis Die ersten Branchenzuschlagstarife für den Zeitar- die Tariferhöhungen im Zeitarbeitstarifvertrag, die ab beitstarifvertrag wurden von den beiden Arbeitge- dem Stichtag 1.11.2012 gelten. berverbänden der Zeitarbeit BAP und iGZ mit der IG-Metall für Zeitarbeitnehmer vereinbart, die in Für diese Kundengruppe bemessen sich die Kosten Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie einge- über die gesamte Laufzeit des Arbeitnehmerüberlas- setzt sind. Es folgte die Vereinbarung für die Chemie- sungseinsatzes nach dem Verrechnungssatz, den das industrie, die zeitgleich mit den Regelungen für die Kundenunternehmen mit dem Personaldienstleister Metall- und Elektroindustrie zum 1. November 2012 verhandelt. in Kraft getreten ist. Ebenfalls zum 1.11.2012 wurden Tariferhöhungen im Zeitarbeitstarifvertrag wirksam, Komplexer werden die Kalkulation und die Nutzung die unabhängig von gegebenenfalls anzuwendenden von Arbeitnehmerüberlassung hingegen für Unter- Branchenzuschlagstarifen gelten. nehmen, bei denen einer der Branchenzuschlagstarife anzuwenden ist. Weil weitere Verhandlungen zu Ab dem 1.1.2013 gelten Branchenzuschlagstarife Branchenzuschlagstarifen laufen und zum Zeitpunkt für die Kunststoff- und Kautschuk-Industrie. Zum der Veröffentlichung dieses Themendossiers noch 1.4.2013 gilt darüber hinaus der Branchenzuschlags- keine Ergebnisse vorliegen, werden im Rahmen des tarif für Arbeitnehmerüberlassung im Schienen- Themendossiers die Methodik der neuen Regelungen verkehr, der mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerk- und deren Auswirkungen auf die Zusammenarbeit schaft (EVG) vereinbart wurde. vor allem beim erforderlichen Informationsaustausch untersucht und analysiert. Weitere Verhandlungen zu Branchenzuschlagstarifen laufen. Aus der Marktperspektive sind die Verhandlun- Auf diese Weise wird anhand eines Prüfungs- und gen mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi noch- Entscheidungsbaumes deutlich, welche Kriterien er- mals von großer Bedeutung für den Markt für Zeitar- füllt und welche Regeln anzuwenden sind. beit und Personaldienstleistungen in Deutschland. Die im Falle von anzuwendenden Branchenzu- KOMPLEXITÄT BEI UNTERNEHMEN, schlagstarifen gültigen Tabellen für die Branchen- FÜR DIE BRANCHENZUSCHLÄGE GELTEN zuschlagstarife finden sich auf den Webseiten der Für Kundenunternehmen, bei denen keine Branchen- Arbeitgeberverbände der Zeitarbeit, dem Bundes- zuschlagstarife für die Arbeitnehmerüberlassung arbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V. anzuwenden sind, ändert sich an der Systematik der (BAP) sowie dem Interessenverband Deutscher Zeit- Dienstleistung nichts. Allerdings greifen auch hier arbeitsunternehmen e.V. (iGZ). 21
Sie können auch lesen