Braucht es bis 2020 keine Fahrlehrer mehr? - Technik 6
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Für Fahrlehrer/innen Pour Moniteurs de conduite Per Maestri conducenti 2/2015 Technik Braucht es bis 2020 6 keine Fahrlehrer mehr? Prävention Marketing Klassik So viel kostet ein Unfall 18 Notwendig oder nicht? 20 Mercedes 180 Ponton 24
RUBRIKTITEL EDITORIAL Impressum FL-magazin ist die unabhängige Chance oder Albtraum? Zeitschrift für alle Schweizer Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer Schlagzeilen wie «Google treibt die Entwicklung eines Herausgeberin selbstfahrenden Autos voran» wurden vor Jahren noch Brunner AG, Druck und Medien belächelt. Und die Wissensplattform Wikipedia schreibt Arsenalstrasse 24, 6010 Kriens bis heute: «Autonome Landfahrzeuge gibt es zurzeit noch Redaktion/Verlag nicht, es arbeiten mehrere Hersteller «normaler» Autos Brunner Verlag und andere Gruppen daran, diese zu ermöglichen.» Arsenalstrasse 24, 6010 Kriens Werner Kirschbaum redaktion@fl-magazin.ch «Daimler bringt in Nevada den ersten autonomen Truck Auflage auf die Strasse. Die Software macht sich aus den Sensordaten jeweils für die 4000 Exemplare nächsten 250 Meter ein Bild von der Umgebung. Und was macht der Fahrer?» Meldungen dieser Art lassen schon eher aufhorchen. Verbreitung Fahrlehrer und Fahrschulen Schweiz, alle Sprachräume Und vor wenigen Tagen kam die Nachricht: «Die Swisscom zeigt das erste selbstfahrende Auto auf Schweizer Strassen. Dabei Erscheinungsweise handelt es sich um einen VW Passat, der mit Sensoren, Computern und Software 4 Ausgaben im Jahr ausgerüstet wurde. Vom 4. bis zum 14. Mai steuerte sich das Auto für Testfahrten Anzeigen selbst durch die Stadt Zürich. Spezialisten hinter dem Lenkrad würden für die Claudia Weigand nötige Sicherheit sorgen, hiess es weiter. Das Verkehrsdepartement Uvek habe Tests Tel. 041 318 34 85 für vorgegebene Routen bewilligt. Der Computer fährt und bremst das Fahrzeug c.weigand@fl-magazin.ch autonom, wie die Swisscom bekannt gab. Er erfasst andere Fahrzeuge und Pas- Verlagsleiter santen über Laserscanner, Radar und Videokameras. Spezielle Software analysiert Werner Kirschbaum die Daten, erkennt Fahrsituationen und gibt Fahrbefehle.» w.kirschbaum@fl-magazin.ch Gesamtherstellung Also stehen wir vermutlich vor einer gewaltigen Veränderung im Strassenverkehr. Brunner AG, Druck und Medien Diese wird einerseits aufgrund der technischen Machbarkeit möglich. Andererseits Arsenalstrasse 24, 6010 Kriens ist sie dem drohenden Verkehrskollaps und dem ökologischen Gewissen unserer Gesellschaft geschuldet. Wir sehen darin eine grosse Chance für die Fahrlehrerschaft. Wer sich rechtzeitig Abo-Service Brunner Verlag, Danila Bumbacher auf Veränderungen einstellt, profitiert auch davon. Tel. 041 318 34 67 d.bumbacher@fl-magazin.ch Jahres-Abo: CHF 32.– Einzelheft: CHF 10.– Bilder Titelseite: Herzlichst, Werner Kirschbaum TCS, ai-Klassik, Thinkstockphotos.com FL-magazin 2/2015 3
INHALT 6 Editorial 3 Technik Braucht es bis 2020 keine Fahrlehrer mehr? 6 Senioren im Strassenverkehr Weniger Unfälle dank mehr Selbstverantwortung 12 Führerprüfungen 2014 Über 122 000 Führerausweise ausgestellt 14 12 Unfallzahlen 2014 Motorradfahren ist sicherer geworden 17 Live-Simulation in Lausanne So viel kostet ein Verkehrsunfall die Allgemeinheit 18 Marketing Geht auch ohne, oder zwingend notwendig? 20 Aus den Sektionen Der OFV hat gewählt 22 Verkehrssicherheitswoche 2015 23 20 Klassik Mercedes 180 Ponton – Fahren wie im Fluge 24 Transport und Verkehr Droht in Zukunft der Verkehrskollaps? 28 Partie française 32 Parte italiana 36 Online-Ratgeber 39 17 28 4 FL-magazin 2/2015
KANTONAL-BERNISCHER AUTOFAHRLEHRER-VERBAND BILDUNGSZENTRUM DIE AUS- UND WEITERBILDUNG FÜR ... ... Fahrlehrer/innen der Kat. B n Do, 21.05.2015 NEU: Fahrzeugbrand - richtig reagieren! n Fr, 12.06.2015 Ausbildung der Kategorie BE n Juni / Juli 2015 NEU: Verkehrssituationen n Di, 18.08.2015 ECO - Fahren im prakt. und theor. Unterricht n Sept. / Okt 2015 Aktuelle Fahrzeugtechnik n Fr, 20.11.2015 NEU: nachhaltig Wissen vermitteln ... Fahrlehrer/innen der Kat. A n Di, 07.04.2015 NEU: Motorradunfälle und Massnahmen n Mi, 17.06.2015 NEU: Kurventechnik (Gurnigel) n Fr, 10.07.2015 Motorrad-Fahrtechnik (Flugplatz Interlaken) ... Fahrlehrer/innen der Kat. C und Chauffeure CZV n Kurse für Fahrlehrer/innen der Kat. C sind in Planung. Sobald diese durch die asa bewilligt sind, werden die Daten auf der Homepage publiziert publiziert. ... Moderator/innen (Aus- und Weiterbildung) n Weiterbildungskurs "Motivation" (Kursdaten nach Wunsch) n Di, 18.08.2015 ECO - Fahren im prakt. und theor. Unterricht Weitere Kurse/Kursdaten 2015, Kursprogramme, Anmeldungen n Internet www.kbav.ch n Email weiterbildung@kbav.ch n Telefon 031 335 63 63 KBAV, Wankdorffeldstrasse 102, 3000 Bern 22 Tel: 031 335 63 63 / Fax: 031 335 62 63 / www.kbav.ch / Email: sekretariat@kbav.ch AUS- UND WEITERBILDUNG Traffic Control - Hinter den Kulissen einer Autobahn 01.09.2015 I Anerkennung FL Kat. B Elektronische Fahrhilfen testen und erleben 09.09.2015 I Anerkennung FL Kat. A Über- und Unterforderung fliegend erleben 19.08.2015 I Anerkennung FL Kat. B Motorrad-Fahrlehrer werden 03.09.2015 I Kursstart Motorrad-Fahrlehrerausbildung Acadevia by DRIVESWISS I Breitistrasse 7 I CH-5610 Wohlen I T + 41 56 200 00 40 I www.acadevia.ch FL-magazin 2/2015 5
TECHNIK Automatisiertes Fahren Braucht es bis 2020 keine Fahrlehrer mehr? Das automatisierte Fahren liegt in Griffweite. Technisch ist es laut Aussagen von Autobauern bereits jetzt möglich, ein Auto autonom fahren zu lassen. Somit ist das selbstfahrende Auto keine Utopie mehr. Bordin- terne Rechner in den Fahrzeugen übernehmen immer mehr Aufgaben des Fahrzeuglenkers. Welche ethi- schen und rechtlichen Konsequenzen hat es, wenn Roboter das Fahrzeug steuern? Und braucht es uns Fahrlehrer dann noch? Das Ziel der Fahrausbildung besteht darin, dem mehr reagieren kann und der Fahrer zukünftigen Verkehrsteilnehmer die Befähi- eingreifen muss. gung zum sicheren, verantwortungsvollen und • Das vollautomatisierte Fahren entspricht umweltbewussten Fahren zu vermitteln und dem landläufigen Verständnis eines ihn auf die Führerprüfung vorzubereiten. Stellt Autopiloten. In dieser Stufe könnte der sich die Frage, ob es den Fahrlehrer in der Fahrer auch auf dem Rücksitz Platz neh- jetzigen Form zum hoch- oder vollautomati- men. sierten Fahrenlernen noch braucht. Das fahrerlose Auto von Google ist in Kalifor- Fährt im Jahre 2035 der Autopilot? nien bereits seit September 2012 zu Testzwe- Automobilhersteller prognostizieren die Einfüh- cken zugelassen. Und die neue S-Klasse von rung des selbstfahrenden Autos in Schritten für Mercedes hat angeblich so viele Assistenzsys- die Jahre 2020 bis 2035. Bei der Diskussion um teme an Bord, dass sie auch ohne einen Fahrer selbstfahrende Autos wird zwischen drei Stufen auskommen kann. Die technologische Entwick- der Automatisierung unterschieden: lung läuft auf Hochtouren. Mittlerweile arbei- • Beim teilautomatisierten Fahren muss der ten alle namhaften Hersteller an automatischen Fahrer die Assistenzsysteme ständig Fahrfunktionen. Beginnend mit dem Einpark- überwachen und weiter aktiv mitfahren. und Stauassistenten werden in den nächsten • Das hochautomatisierte Fahren soll den Jahren mehr und mehr Fahrsituationen in die Autofahrer weiter entlasten. Das System Kontrolle von Maschinen übergehen. Hochau- warnt rechtzeitig, wenn es selbst nicht tomatisches Fahren scheint in gut zehn Jahren 6 FL-magazin 2/2015
TECHNIK auf der Autobahn realistisch, zumindest einge- 15. Dezember 1978; schweizerische Ratifikati- schränkt auch auf anderen Strassen. Bevor aber onsurkunde hinterlegt am 11. Dezember 1991; der nächste Schritt zum hoch- oder vollauto- In Kraft getreten für die Schweiz am 11. Dezem- matisierten Fahren erfolgt, muss der gesetzliche ber 1992. Rahmen angepasst werden. Art. 8: Führer Ein neuer rechtlicher Rahmen 1. Jedes Fahrzeug und miteinander verbun- wird benötigt dene Fahrzeuge müssen, wenn sie in Welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus Bewegung sind, einen Führer haben. ergeben, untersucht die Forschungsstelle Ro- 5. Jeder Führer muss dauernd sein Fahrzeug botRecht (Universität Würzburg, D) unter ihrem beherrschen oder seine Tiere führen können. Leiter, dem Juristen Eric Hilgendorf. Der gesetz- liche Rahmen von heute sieht vor, dass alleine Art. 13: Geschwindigkeit und Abstand der Fahrer für die Fahrsicherheit verantwortlich zwischen den Fahrzeugen ist. Daraus ergibt sich die gesetzliche Mindest- 1. Jeder Fahrzeugführer muss unter allen anforderung, dass er sein Fahrzeug zu jeder Zeit Umständen sein Fahrzeug beherrschen, um kontrollieren kann. Während sich diese Forde- den Sorgfaltspflichten genügen zu können rung mit den heute verbauten Assistenzsyste- und um ständig in der Lage zu sein, alle ihm men noch relativ gut in Einklang bringen lässt, obliegenden Fahrbewegungen auszuführen. sieht das bei automatisierten Fahrzeugen an- Er muss bei der Wahl der Geschwindigkeit ders aus. «In diesem Fall eignet sich das Krite- seines Fahrzeugs ständig die Umstände rium der Kontrolle durch den Fahrer nicht mehr berücksichtigen, insbesondere die örtlichen als Grundlage für rechtliche Vorschriften», sagt Verhältnisse, den Strassenzustand, den Hilgendorf. Der fundamentale Wandel der Tech- Zustand und die Beladung seines Fahr- nik mache deshalb Anpassungen des rechtli- zeugs, die Witterungsverhältnisse und die chen Rahmens zwingend erforderlich – und das Dichte des Verkehrs, um innerhalb der nach EU-weit. vorn übersehbaren Strecke und vor jedem vorhersehbaren Hindernis sein Fahrzeug Das Wiener Abkommen (Auszug) anhalten zu können. Er muss langsamer Übereinkommen über den Strassenverkehr, fahren und, wenn nötig, anhalten, sobald abgeschlossen in Wien am 8. November 1968; die Umstände es verlangen, namentlich von der Bundesversammlung genehmigt am wenn die Sicht nicht gut ist. FL-magazin 2/2015 7
TECHNIK Die USA haben das Wiener Übereinkommen Technische Regelungen nicht unterzeichnet, allerdings wird das Stras- Seit einiger Zeit driften die technischen Vor- senverkehrsrecht dort in jedem Bundesstaat schriften des Wiener Übereinkommens zum einzeln festgelegt. Die bisher auf dieser Ebene Strassenverkehr von 1968 (technischer Annex erlassenen Gesetze für den Probebetrieb auto- 5) und das technische Abkommen von 1958 matisierter Fahrzeuge enthalten jeweils die (Übereinkommen über die Annahme einheitli- Auflage, dass ein Mensch jederzeit in den Fahr- cher technischer Vorschriften für Radfahrzeuge, betrieb eingreifen können muss. Ausrüstungsgegenstände und Teile, die in Rad- fahrzeuge eingebaut oder dafür verwendet «Autonome Fahrzeuge werden können, und die Bedingungen für die sind nicht zulässig» gegenseitige Anerkennung von Genehmigun- Geht es nach gültigem Recht, ist die Antwort gen, die nach diesen Vorschriften erteilt wur- einfach: «Nach gegenwärtiger Rechtslage, die den) immer weiter auseinander. Das 1958-Ab- ihre Grundlage im ‹Wiener Strassenverkehrsab- kommen betrifft die Zulassung der Fahrzeuge kommen› von 1968 hat, sind Fahrzeuge ab einem in den jeweiligen Ländern. Das Wiener Überein- gewissen Automatisierungsgrad gar nicht zulas- kommen regelt den grenzüberschreitenden sungsfähig», sagt Hilgendorf. Nach jetzigem Verkehr. Da Änderungen im technischen Ab- Stand der Vorschriften muss nämlich jedes kommen wesentlich schneller geschehen als im Fahrzeug stets von einem Menschen kontrolliert Wiener Übereinkommen, hinken die technischen werden. Weil die technische Entwicklung den Regelungen im Wiener Übereinkommen der rechtlichen Rahmen also längst verlassen hat, realen Entwicklung hinterher (z. B. die Anzahl sind die Juristen jetzt besonders gefordert. Der der Bremsleuchten). Daher sollen in Zukunft die Datenschutz, die Produkthaftung sowie das technischen Updates via automatische Klausel Strassenverkehrsrecht sieht Hilgendorf als seine nachvollzogen werden. Sinngemäss würde die Arbeitsschwerpunkte in den kommenden Jahren. Klausel bestimmen, dass ein Fahrzeug, welches gemäss 1958-Abkommen in Ordnung ist, auto- FL-magazin hat beim Astra den Stand der Ver- matisch auch gemäss Wiener Übereinkommen handlungen zum Wiener Abkommen erfragt. in Ordnung sein soll. Auszug aus dem Referat «Revision des Wiener Übereinkommens zum Strassenverkehr»: Fahrassistenzsysteme Fahrassistenzsysteme spielen in modernen Fahrzeugen eine immer dominantere Rolle. Dabei übernehmen die Systeme teilweise auch die Kontrolle über das Fahrzeug. Die Kontrolle über und die Verantwortung für das Fahrzeug, welche das Wiener Übereinkommen explizit fordert, werden dadurch in Frage gestellt. Der Knackpunkt liegt in drei Formulierungen in der Wiener Konvention: Art. 8 Abs. 1 + 5 und Art. 13 Abs. 1 Gewisse Fahrassistenzsysteme stellen nun diese Kontrollbestimmung in den zwei Artikeln in Frage, zum Beispiel ein Spurhalte- oder ein Abstandsassistent. Nach langem Hin und Her konnte in der zuständigen Arbeitsgruppe der 8 FL-magazin 2/2015
TECHNIK UN eine Lösung gefunden werden. Die erwähn- Versicherungsschutz bei Unfällen ten Artikel wurden folgendermassen ergänzt: mit autonomen Fahrzeugen? Interpretation der Ergänzungen zum Wiener Aus Sicht der Unfallforschung begrüsst Dieter Abkommen Gosteli, Leiter Privatkunden bei der AXA Winter- 1. Falls ein Fahrassistenzsystem im 58er thur, die technologischen Entwicklungen sehr: Abkommen geregelt ist, ist es für das Wiener «Wir freuen uns auf das selbstfahrende Auto. Übereinkommen in Ordnung Denn je mehr selbstfahrende oder teilautonome (Achtung: Punkt 3) Fahrzeuge im Verkehr sind, desto weniger Unfälle 2. Ist ein Fahrassistenzsystem im 58er Abkom- werden geschehen. Schliesslich sind nach wie vor men nicht geregelt, muss es entweder die Lenker die häufigsten Verursacher von Unfäl- übersteuerbar sein oder abgestellt werden len. Weniger als 10 Prozent aller Verkehrsunfälle können, um für das Wiener Übereinkommen sind durch technische Mängel verursacht.» Ge- in Ordnung zu sein mäss einer Studie von Unfallforschung & Präven- 3. Noch muss jedes Fahrzeug einen Fahrer tion der AXA Winterthur verursacht bereits heute haben (Absatz 1 wird durch den neuen Text ein Auto mit Notbremsassistent etwa 30 Prozent nicht relativiert). Vollautomatisiertes Fahren weniger Auffahrunfälle. Und trotz vielfältiger wird somit (noch) nicht abgesegnet Einparkhilfen passieren aktuell immer noch rund 4. Fahrassistenzsysteme, welche de facto einen die Hälfte aller Unfälle beim Parken und Manöv- Teil der Kontrolle vom Fahrer übernehmen, rieren. Künftig werden, davon ist Dieter Gosteli sind laut dem Revisionsvorschlag legal überzeugt, Schadenaufkommen und die Scha- 5. Die Frage der Haftung bei Unfall durch denssumme zurückgehen. Dadurch werde sich Systemversagen wird nicht angegangen wiederum das Prämienvolumen verändern. 6. Wie sich das reale Verhalten der Menschen (Aufmerksamkeit auf die Strasse) ändern Mensch vs. Maschine wird, ist erst noch zu klären Automatisierte Vorgänge erfassen nur Situatio- nen, die dem System als Gefahrenmomente Ausblick einprogrammiert wurden. Auch vollautomatisiert Die zuständige Arbeitsgruppe der UN hat diese denkt das Fahrzeug nicht eigenständig, sondern Änderungen beschlossen. Zurzeit läuft ein Noti- verhält sich entsprechend den Massgaben der fikationsverfahren bei allen Vertragsstaaten, Entwicklungsingenieure. Situationen, die nicht als auch in der Schweiz. In diesem Verfahren können Gefährdung erkannt werden, führen nicht zur Vertragsstaaten immer noch gegen die Revision Auslösung automatischer Fahrzeugreaktionen. opponieren, auch wenn ihre Ländervertreter der Die Reaktion des Fahrzeugs kann anders ausfallen Revision in der Arbeitsgruppe zugestimmt ha- als die wahrscheinliche Reaktion des Fahrers in ben. Falls weniger als ein Drittel der Vertrags- einer Gefahrensituation. Zumindest ist das Fahr- staaten innerhalb eines Jahres gegen die Revision zeug in seinen Reaktionen schneller als der opponieren sollte, tritt diese im Frühjahr 2016 in Mensch. Dies birgt das Risiko, dass der Fahrer Kraft. versucht, gegen die programmierte Fahrzeug- reaktion anzukämpfen. FL-magazin 2/2015 9
TECHNIK nicht mehr nur helfen, sondern die Steuerung eines Autos komplett übernehmen können. Das wird zwar nicht von heute auf morgen gesche- hen. Es zeichnet sich jedoch ab, dass (halb-) autonome Fahrzeuge besser und sicherer fahren als Menschen. Während sich der Mensch im Wesentlichen auf seine zwei Sensoren – das linke und rechte Auge – verlässt, können die Bordsys- teme in der gleichen Zeit Unmengen von Daten erfassen, auswerten und in den dynamischen Fahrprozess korrigierend einbringen. Je komplexer die Systeme, Die Entwicklung von Assistenzsystemen kann desto wichtiger die Ausbildung nicht als homogen bezeichnet werden. Je nach Automatisierte Autos werden Fahrschulen sicher Hersteller und Absatzmarkt werden unterschied- nicht überflüssig machen. Die Aufgaben der liche Prioritäten gesetzt, um unfallgefährdende Fahrlehrerschaft werden sich wandeln. Mehr Situationen als solche zu beurteilen. Erforderlich denn je wird automatisiertes Fahren einen Fahr- ist zudem, dass automatisierte Fahrzeuge, die lehrer erfordern, denn Fahranfänger müssen miteinander kommunizieren, weltweit die gleiche besonders geschult werden, um die Grenzen Sprache sprechen. Die Sensibilität elektronischer solcher Systeme zu erkennen. Je komplexer die Bauteile für das automatisierte Fahren erfordert Systeme, desto wichtiger ist die Vermittlung im zudem die regelmässige Überprüfung der Sys- Umgang mit ihnen. temkomponenten auf ihre Funktionsfähigkeit. Starke Vertretung der Selbstfahrende Autos führen zu Fahrlehrerschaft erforderlich neuen Risiken Wer nun glaubt, er habe einen Artikel über die Mehrere Studien belegen, dass die Verwendung Zukunft der Mobilität oder in unserem Fall der von Fahrerassistenzsystemen dazu führt, dass Fahrausbildung der Zukunft gelesen, der irrt. deren Funktionen zum eigenen Vorteil genutzt Die Anpassung des Wiener Abkommens, das werden: Müdigkeitswarner und Spurhaltesys- voraussichtlich 2016 in Kraft tritt, und der teme führen zu einer längeren Fahrtdauer trotz nächste Schritt zum hochautomatisierten Fah- Müdigkeit. Risikoreicheres Fahren ist bei der ren können auch Entwicklungschancen für die Nutzung von Night Vision Enhancement, aber Fahrlehrerschaft bedeuten. Der Umgang mit auch bei Fussgängerschutzsystemen zu beob- den neuen Fahrassistenzsystemen will gelernt achten. Bislang wird dem Fahrer eine Reaktions- sein. Sicher liegt auch Ausbildungspotenzial bei zeit von ein bis zwei Sekunden zugebilligt. Allge- Altlenkern und Altlenkerinnen auf freiwilliger mein wird von einer Zeitspanne zwischen 7 und Ebene. Vorstellbar ist ein Markt sowohl für 10 Sekunden ausgegangen, bis ein Fahrer die Fahrlehrer als auch für Garagisten (beim Ver- Text: Ravaldo Guerrini volle Kontrolle über sein im (teil-)automatisier- kauf der Autos). Quellen: AXA Winterthur / ten Modus fahrendes Fahrzeug zurückgewonnen Um in solche Prozesse frühzeitig integriert und ASTRA, Bern / Prof. Dr. Dr. Eric hat. Quelle: ACE Auto Club Europa über die Auswirkungen informiert zu werden, Hilgendorf, Lehrstuhl für Die schrittweise Einführung dieser Assistenzsys- brauchen alle Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer Strafrecht und Strafprozess- recht, Informationsrecht und teme bedeutet, dass der Mensch am Steuer zu- eine starke nationale und regionale Vertretung, Rechtsinformatik in nehmend die Kontrolle über sein Fahrzeug ab- um bereits vor der Vernehmlassung neuer Vor- Würzburg, Deutschland. gibt. Bis zu dem Punkt, an dem diese Systeme schriften mitreden zu können. 10 FL-magazin 2/2015
«Alles klar» beim VKU mit Schülerhefte • Mit vielen Bildern und Grafiken • Genehmigt von der asa • Einfach – verständlich – praktisch Moderatoren-Handbuch • Von Experten entwickelt • Mit allen Bildern und Grafiken der DVD • Mit Querverweis auf Seitenzahlen im Schülerheft DVD • Läuft auf PC, Mac, DVD-Player • Mit Bildern, Grafiken und Filmen • Läuft synchron zum Moderatorenhandbuch rtal. ch . f l - p o www Bestellen Sie bitte bei Claudia Lapierre-Ruckli, Brunner Verlag, 6010 Kriens, Telefon 041 318 34 77 Multimedialer Verkehrskundeunterricht Schweiz
FORSCHUNG Senioren im Strassenverkehr Weniger Unfälle dank mehr Selbstverantwortung Können Senioren beim Entscheid, den Fahrausweis abzugeben, Fahrkarrieren werden länger erfolgreich unterstützt werden? Die Bevölkerung der meisten Verglichen zu früheren Generationen geniesst Länder der westlichen Welt altert. Natürliche Alterungsprozesse ein grösserer Teil der Bevölkerung heutzutage eine höheres Bildungsniveau, höheres Einkom- umfassen Veränderungen im perzeptiven, motorischen und men und bessere Gesundheit. Dies führt zu kognitiven Bereich. Gleichzeitig steigt mit dem Alter die Zahl steigender Mobilität und längeren Fahrkarrie- derer, die an chronischen Krankheiten leiden und/oder regel- ren. Das Auto als relativ sicheres, unmittelbar mässig Medikamente einnehmen. verfügbares und flexibles Verkehrsmittel wird dabei trotz der generell wachsenden Bedeutung öffentlicher Verkehrsmittel auch in Zukunft seinen Stellenwert für Senioren behaupten. Mobilität ist ein wichtiges Gut Unfallvermeidung Alterungsprozesse verlaufen jedoch innerhalb durch Selbstregulierung? einer grossen Bandbreite und weder chronolo- Mit der steigenden Zahl älterer Fahrer im Ver- gisches Alter noch medizinische Diagnosen sind kehrsgeschehen stellt sich die Frage nach der verlässliche Prädiktoren individueller Fahreig- Verkehrssicherheit dieser Bevölkerungsgruppe. nung. Mobilität ist ein wichtiges Gut für Men- Zahlreiche internationale Studien zeigen, dass schen jeden Alters. Senioren ermöglicht das die Unfallraten älterer Fahrer bis zum Ende des Auto die Teilnahme an sozialen Aktivitäten und siebten Lebensjahrzehnts den Unfallraten von Pflege von Kontakten, und der Verlust der Fahr- Fahrern mittleren Alters vergleichbar sind, auch erlaubnis geht häufig mit depressiver Sympto- wenn Senioren aufgrund ihres Alters ein höheres matik, Verlust von Selbstvertrauen und Auto- Risiko als jüngere Fahrer haben, in Verkehrsun- nomie einher. fällen verletzt oder getötet zu werden. Die hohe 12 FL-magazin 2/2015
FORSCHUNG Verkehrssicherheit älterer Fahrer wird häufig mit deren Fähigkeit zur «Selbstregulierung» erklärt, d. h. die Fähigkeit, altersbedingte Einschränkun- gen wahrzunehmen und angemessen auf diese zu reagieren, z. B. durch die Vermeidung poten- ziell riskanter Verkehrssituationen oder das graduelle Reduzieren der Fahrtätigkeit, bis der Fahrausweis schliesslich ganz abgegeben wird. Selbstbeurteilung vs. Fahreignung Amerikanische und australische Befragungsstu- dien ehemaliger Fahrer lassen darauf schliessen, dass etwa ein Drittel der Befragten das Fahren zu früh einstellen, während etwa neun Prozent geben dem Fahrer spezifisches Feedback angeben, den Fahrausweis zu spät abgegeben und Hinweise darüber, welche Massnahmen zu haben. Die Studien lassen jedoch offen, in- er oder sie ergreifen sollte, um sicheres wieweit die Selbstbeurteilungen der Senioren Fahren weiterhin zu gewährleisten. mit ihrer tatsächlichen Fahreignung überein- stimmen. Während die gesetzlichen Regelungen Ehrliche Antworten und bezüglich Fahreignungsbeurteilung älterer Fah- familiäres Umfeld sind gefragt rer innerhalb und ausserhalb Europas einer Während robuste Evaluationsstudien bislang grossen Bandbreite unterliegen, zeichnet sich für beide Testarten noch ausstehen, deuten bei Entscheidungsträgern Interesse an der Ent- Befragungen der Nutzer darauf hin, dass die wicklung von Materialien ab, die das selbstver- Tests von Senioren gut angenommen und als antwortliche Reflektieren von Senioren bezüg- hilfreich bewertet werden, gerade auch in der lich ihrer Fahrfähigkeit sinnvoll unterstützen als schwierig empfundenen Diskussion mit Fa- können. Die zugrundeliegende Annahme ist milienmitgliedern. Selbstbeurteilungen können dabei, dass die korrekte Rückmeldung über ver- und sollen medizinische Fahreignungsbeurtei- schiedene Aspekte der Fahrfähigkeit und Infor- lungen durch angemessen geschultes Personal mationen zur sicheren Mobilitätserhaltung vom nicht ersetzen. Dies muss klar kommuniziert älteren Fahrer freiwillig in angemessene Selbst- werden. Als freiwillige Massnahmen unterliegen regulierungsmassnahmen umgesetzt werden. sie mit hoher Wahrscheinlichkeit einem Selbst- selektionsprozess, in dem sie verstärkt von si- Sind solche Tests ausreichend? cherheitsbewussten Fahrern genutzt werden. Gegenwärtige Entwicklungen lassen sich dabei Einsicht und ehrliches Antworten sind vor allem wie folgt unterscheiden: bei Tests, die auf Selbstbericht aufbauen, Vor- • Tests, die darauf abzielen, die Selbstwahr- aussetzung für korrektes Feedback. Das Poten- nehmung des älteren Fahrers zu verbessern. zial von Selbstbeurteilungstests liegt darin, als Dies geschieht durch gezielte Fragen zu ergänzende Massnahme einer wachsenden negativen Fahrerlebnissen oder beobachte- Anzahl von Fahrern schnelle und leicht zugäng- ten Schwierigkeiten beim Fahren. liche Hilfestellungen zur Selbsteinschätzung zu • Tests, die die Maximalleistung der Senioren bieten, die die weiterführende Kommunikation auf verschiedenen fahrrelevanten Fähigkei- mit Vertrauenspersonen, wie z. B. Familienmit- Quellen: Road Safety Group ten abprüfen, um eventuelle funktionelle gliedern oder dem Hausarzt, und Planung si- TRL, London, www.trl.co.uk; Defizite zu identifizieren. Beide Testarten cherheitserhaltender Massnahmen erleichtert. bfu, Bern, www.bfu.ch FL-magazin 2/2015 13
STATISTIK Führerprüfungen 2014 Über 122 000 Führerausweise ausgestellt Die Nachfrage nach Führerausweisen bleibt in allen Kategorien unverändert hoch. Das zeigen die jährli- chen Erhebungen der Vereinigung der Strassenverkehrsämter asa über die praktischen und theoretischen Führerprüfungen. Im Jahr 2014 bestanden in den verschiedenen Kategorien 120 726 Personen eine theoreti- sche und 122 410 Personen eine praktische Führerprüfung. Bestandene theoretische Führerprüfungen 2014 Im Jahr 2014 bestanden bei den Schweizer Strassenverkehrsämtern 120 726 Personen eine theoretische Führerprüfung, davon 80 % die für die Kategorien A/A1 (Motorrad) und B (Per- sonenwagen) erforderliche Basistheorieprü- fung. Bei den kantonalen Strassenverkehrsäm- 0% 20% 40% 60% 80% 100% tern wurden insgesamt 139 741 Basistheorie- Kat. A/A1 + B (80% = 97100) Kat. C/C1 + D/D1 (4% = 4848) prüfungen abgelegt und schliesslich von 97 100 Kat. M (9,4% = 11407) Kat. F + G (5% = 6079) Personen bestanden. Das zeigt, dass nicht alle Kat. CZV (1,1% = 1292) Kandidatinnen und Kandidaten die Theorieprü- fung im ersten Anlauf bestehen. Im Durch- Anteile bestandener theoretischer Führerprüfungen nach Kategorien 2014 schnitt wurden 1,44 Anläufe benötigt. Quelle: Strassenverkehrsämter CH und FL, vgl. Zahlen und Erklärungen im Anhang 14 FL-magazin 2/2015
STATISTIK Theoretische Prüfungen Wie hoch der Anteil der Personen ist, welche die 2005 65% 35% Prüfung im ersten Anlauf bestehen, wird bei 2006 62% 38% den theoretischen Führerprüfungen nicht erho- 2007 65% 35% ben. Die Frage der Prüfungsreife steht nicht im 2008 73% 27% Vordergrund, weil sich viele Kandidatinnen und 2009 66% 34% Kandidaten individuell vorbereiten. Der Anteil 2010 67% 33% bestandener Prüfungen bewegt sich in den 2011 69% 31% letzten zehn Jahren zwischen 62 und 73 Pro- zent. Das ist darauf zurückzuführen, dass die 2012 72% 28 % Prüfungsfragen der Basistheorie laufend aktu- 2013 68% 32 % alisiert und die neuen Fragen den Anbietern von 2014 69% 31% Lehrmitteln jeweils nur teilweise zur Verfügung 0 20000 40000 60000 80000 100000 120000 140000 160000 180000 gestellt werden. Damit sollen die Lernenden bestanden nicht bestanden motiviert werden, sich mit den Strassenver- Theorieprüfung Kat. A/A1 und B 2005–2014; Quelle: Strassenverkehrsämter CH und FL kehrsvorschriften zu befassen und nicht ein- fach Prüfungsantworten auswendig zu lernen. Praktische Führerprüfungen Im Jahr 2014 absolvierten 92 636 Kandidatin- 2005 64,8% 35,2% nen erstmals die praktische Prüfung in der 2006 64,2% 35,8% Kat. B. Davon schafften 59 611 Personen 2007 66,2% 33,8% (64,3 %) die Prüfung im ersten Anlauf. Die üb- 2008 65,1% 34,9% rigen benötigten zwei oder mehrere Versuche. 2009 64,1% 35,9% So wurden in der Kategorie B insgesamt 138 664 praktische Prüfungen absolviert und in 67,5 % 2010 64,7% 35,3% der Prüfungsteilnahmen erfolgreich bestanden. 2011 64,7% 35,3% Es waren durchschnittlich 1,48 Anläufe erfor- 2012 65,5% 34,5% derlich. 2013 66,2% 33,8% 2014 67,5% 32,5% Die Erfolgsquote der praktischen Führerprüfun- 0 20000 40000 60 000 80000 100000 120 000 140 000 160 000 gen in der Kat. B variiert über die Jahre hinweg bestanden nicht bestanden nur gering. Sie bewegt sich zwischen 64 und knapp 68 Prozent. Ähnlich ist das Bild bei den Praktische Prüfung Kat. B 2005–2014; Quelle: Strassenverkehrsämter CH und FL jährlich ca. 36 000 praktischen Prüfungen für Motorräder der Kat. A und A1. Hier bewegt sich die Erfolgsquote in den Jahren 2005–2014 zwi- schen 65 und 67 Prozent. Prüfungen für schwere Motorwagen Die Zusatztheorieprüfungen für Lenkerinnen und Lenker schwerer Motorwagen (Kat. C/C1 FL-magazin 2/2015 15
STATISTIK und D/D1) bestanden in den letzten fünf Jahren Hohe Erfolgsquoten bei jeweils gegen 5000 Personen. Hier trifft in einem praktischer Prüfung schwerer noch viel stärkeren Masse zu, dass nur erfolg- Fahrzeuge reich ist, wer den Prüfungsstoff versteht und auf Viel besser ist hingegen die Erfolgsquote bei konkrete Verkehrssituationen anzuwenden den praktischen Prüfungen für schwere Motor- weiss. In diesen Prüfungen werden neben ver- fahrzeuge. 2014 wurden 4900 (84 %) von 5832 schiedenen Aspekten der Fahrzeugtechnik zum Prüfungen erfolgreich bestanden (2013: 83 %). Beispiel auch Fragen zur Ladungssicherung oder Der hohe Anteil hängt in erster Linie mit der zur Arbeits- und Ruhezeitverordnung gestellt. anspruchsvollen und aufwendigen, oft durch Dies und die Tatsache, dass die Kandidatinnen die Arbeitgeber finanzierte Ausbildung aus. Die und Kandidaten die Prüfung in beliebig vielen Anmeldung zur praktischen Prüfung erfolgt in Anläufen absolvieren dürfen, führt in diesen der Regel erst, wenn die Kandidatinnen und Kategorien zu einer verhältnismässig tiefen Er- Kandidaten sehr gut vorbereitet sind. Ähnlich folgsquote (45 %). Es ist davon auszugehen, dass sehen diese Zahlen auch in der Kat. F/G (land- einige Kandidatinnen und Kandidaten die Prü- wirtschaftliche Fahrzeuge) aus, wo die Teilneh- fung schlecht vorbereitet absolvieren, weil sie menden von einem Fachverband auf die Prü- probieren wollen, welche Anforderungen gestellt fung vorbereitet werden. werden und ob der Chauffeurberuf für sie eine sinnvolle Option wäre. Sprachschwierigkeiten Bleibt zu erwähnen, dass sich mindestens auf- sind wohl ein weiterer häufiger Grund für das grund der Prüfungsstatistik der letzten zehn Nichtbestehen der Prüfung. Dass die Prüfung bei Jahre keine Hinweise auf Nachwuchsprobleme guter Vorbereitung durchaus zu schaffen ist, in den Chauffeurberufen ergeben. Die Zahl der zeigen die Auswertungen der Schweizer Armee, bestandenen Theorieprüfungen ist ziemlich wo jährlich rund 4500 Motorfahrerinnen und konstant. Die Spitzenwerte in den Jahren 2009 -fahrer ausgebildet werden und die Prüfung in und 2010 sind auf das Inkrafttreten der Chauf- der Regel bis auf wenige Teilnehmende im ersten feurzulassungsverordnung CZV zurückzufüh- Anlauf bestehen. ren. Mit einem vor dem 1.9.2009 ausgestellten Lernfahrausweis musste für den Erwerb des Fähigkeitsausweises keine CZV-Prüfung absol- 2005 2459 510 664 250 viert werden. 2006 2640 642 629 309 2007 2737 673 691 352 Schlussfolgerungen 2008 2639 697 786 431 Im Jahr 2014 wurden bei den kantonalen Stras- 2009 3310 795 1150 527 senverkehrsämtern über 120 000 Führerprüfun- 2010 2810 935 950 571 gen erfolgreich abgeschlossen. Die Nachfrage nach Führerausweisen in den verschiedenen 2011 2569 822 899 571 Kategorien ist unverändert hoch. Daraus leitet 2012 2319 774 887 591 sich der Auftrag ab, Prüfungsinhalte und Prü- 2013 2304 896 908 632 fungsanforderungen den wachsenden Anfor- 2014 2330 949 1026 560 derungen im Strassenverkehr stets anzupassen 0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 und so einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssi- Kat. C Kat. C1 cherheit zu leisten. Kat D Kat. D1 Bestandene Prüfungen der Zusatztheorie 2005–2014 Quelle: Strassenverkehrsämter CH und FL Quelle: asa, Bern 16 FL-magazin 2/2015
STATISTIK Unfallzahlen 2014 Motorradfahren ist sicherer geworden Die vom Bundesamt für Strassen ASTRA veröffentlichte Unfallstatistik zeigt, dass 2014 im Vergleich zum Durchschnitts-Mehrjahresvergleich 21 % weniger getötete und 9 % weniger schwer verletzte Motorrad-/ Roller-Fahrer zu beklagen waren. Die Sensibilisierung der Auto- und Motorradfahrer, bessere Ausbildung, bessere Ausrüstung und Fortschritte bei der Technik sind die Gründe für die positive Entwicklung. Positiver Trend erkennung sowie technische Fortschritte zahlen 2014 verloren 53 Motorradfahrer/innen ihr Le- sich jedoch aus: Vorausschauendes Fahren, gute ben, 1199 wurden schwer verletzt. 2009 waren Schutzbekleidung, der Besuch von Weiterbil- es noch 78 Getötete und 1466 Schwerverletzte. dungskursen und verfeinerte Technik mit elekt- Im Vergleich zum Durchschnitts-Mehrjahresver- ronischen Fahrassistenzsystemen (ABS, ASR gleich 2009–2013 wurden im letzten Jahr 21 % usw.) machen das Motorrad-/Roller-Fahren si- weniger Tote und 9 % weniger Schwerverletzte cherer. gezählt. Im Mehrjahresvergleich nahmen bei den Motorradfahrern die Todesfälle prozentual stär- Zwei Drittel der Motorradunfälle ker (–21 %) ab als bei den Autofahrern (-18 %). durch Fremdverschulden Gemäss der Beratungsstelle für Unfallverhütung Sensibilisierung und bessere bfu sind zwei Drittel der Unfälle, in die Motor- Technik zeigen Wirkung radfahrer involviert sind, fremdverschuldet. Motorradfahren ist risikoreicher als Autofahren. Autofahrer übersehen wegen breiten A- und B- Fahrerinnen und Fahrer sind von keiner Karosse- Säulen (Fahrzeug-Fensterpfosten) und oft zu rie umgeben, bei einer Kollision oder einem Sturz kleinen Fenstern – oder einfach aus Unaufmerk- sind sie weniger gut geschützt als Autoinsassen. samkeit – die Zweiradfahrer. Vor allem zum Die in den letzten Jahren im Rahmen der Aus- Auftakt der neuen Motorrad-/Roller-Saison sind Quelle: und Weiterbildung erfolgte und von der Zwei- Auto- und Motorradfahrer aufgerufen, beson- Schweizerische Fachstelle radbranche unterstützte Sensibilisierung der ders gut aufeinander zu achten, um «Überseh- für Zweiradfragen SFZ, Töfffahrer bezüglich Risikoverhalten und Risiko- Unfälle» zu vermeiden. Solothurn FL-magazin 2/2015 17
PRÄVENTION Live-Simulation am 25. März 2015 in Lausanne So viel kostet ein Verkehrs- unfall die Allgemeinheit Am 25. März 2015 wurde in der Schweiz zum ersten Mal ein 4,2 Milliarden Franken jährlich Verkehrsunfall unter wirklichkeitsgetreuen Bedingungen simu- Die Aktion und die Kampagne zielen in erster liert. Im Rahmen der Kampagne «Das richtige Verhalten» wollen Linie auf eine Sensibilisierung im Sinne der Un- fallprävention, sollen aber gleichzeitig auch die verschiedenen Partnerorganisationen die Strassenbenützer über die Folgekosten von Unfällen für die All- im Bereich der Verkehrssicherheit sensibilisieren und aufzeigen, gemeinheit informieren. Jährlich fallen in der welche Kosten bei einem Unfall effektiv entstehen. Schweiz Kosten von rund 4,2 Milliarden Franken an für medizinische Behandlungen, Transport- dienstleistungen, den Einsatz von Personen und Die Simulation in Mont-sur-Lausanne hat an- Material sowie andere Aufwände. Mit einem hand eines nachgestellten Verkehrsunfalls im elektronischen Zähler wurden bei der Simula- Detail aufgezeigt, welche Notfall- und Ret- tion die Kosten der einzelnen Interventions- tungsprozesse ausgelöst und welche Kosten massnahmen gleich direkt angezeigt und auf- dadurch schliesslich verursacht werden. gerechnet. Die Aktion wurde vom Fonds für Verkehrssicherheit (FVS) finanziert. Die komplette Interventionskette Konkret simuliert wurden ein Unfall zwischen Rettungskarte kann zwei Fahrzeugen sowie die einzelnen Etappen entscheidend sein der Interventionskette: die Ankunft von Polizei Weil im Ernstfall wenige Sekunden über ein und Ambulanz, die medizinische Erstversor- Menschenleben entscheiden können, empfiehlt gung durch den Notfalldienst, die Befreiung der der TCS die Verwendung der Rettungskarte in eingeklemmten Insassen aus den Fahrzeugen jedem handelsüblichen Fahrzeug – inklusive dem durch das Rettungskorps und schliesslich der entsprechenden Kleber für die Seitenscheibe. Helikoptertransport der Unfallopfer ins Spital. Dank der Karte und dem Kleber erhalten die Ein enormer Aufwand, der schon durch eine Rettungsteams auf einen Blick alle Informatio- kleine Unaufmerksamkeit ausgelöst werden nen zur genauen Lokalisierung der Sicherheits- kann. systeme und können das technische Bergungs- 18 FL-magazin 2/2015
PRÄVENTION gerät dadurch optimal einsetzen. So wird wurde vor dem Hintergrund der Kampagne «Das letztlich eine möglichst rasche Rettung der ein- richtige Verhalten» durchgeführt, gemeinsam geklemmten Personen gewährleistet. Jede Mi- vom TCS, der Waadtländer Kantonspolizei, den nute, die bei einer Rettungsaktion eingespart zuständigen Behörden der Stadt und des Kan- wird, erhöht die Erfolgsaussichten für die Opfer tons, dem Strassenverkehrsamt, Schutz und um 1 Prozent. Die Rettungskarte findet auf einer Rettung Lausanne sowie der Rega. A4-Seite Platz und kann unter www.rettungs- karte.ch kostenlos heruntergeladen werden. Quelle: tcs Dieser Informations- und Präventionsevent Bilder: TCS | www.flickr.com Polizei, Staatsanwaltschaft, Reinigung: W s ein Unfall kostet Wa Fr. 5360.– pro Einsatz Ambulanz: Fr. 556.– pro Einsatz Notarzt: Fr. 500.– pro Einsatz Feuerwehr: Fr. 3000.– pro Einsatz Rega: Fr. 3000.–. Pro Minute kostet die Rega Fr. 200.–. Davon werden Fr. 87.– von den Versichern bezahlt, den Rest zahlen die Gönner. TCS: Fr. 40.– (für Mitglieder gratis) Geamtkosten: Fr. 150 000.– im Durchschnitt für alle Rettungs-, Reha- und Invalidenkosten zusammen. Illustration Andrea Peter FL-magazin 2/2015 19
MARKETING Smartphone Print Ma il Pinwand k Faceboo Cloud res g p Xin TV on siv e Yo utu b e LinkedIn Cha t QR Marketing – Geht auch ohne, oder zwingend notwendig? Sicher haben Sie sich auch schon die Frage gestellt, ob und mit Neue Rubrik Marketing welchem Aufwand Sie Marketing für Ihre Fahrschule betreiben Und weil das so ist, haben wir mit «Marketing» sollen. Noch vor 15 Jahren wurden zielgruppenrelevante Infor- eine neue Rubrik geschaffen. In den folgenden Ausgaben unserer Zeitschrift FL-magazin wol- mationen mit Zeitungsinseraten und Merkblättern beworben. len wir Ihnen an dieser Stelle die verschiedenen Heute reden wir von Social-Media-Kampagnen, Suchmaschi- Marketing-Begriffe, deren Bedeutung, die An- nenoptimierung und Adwords-Kampagnen. Eines aber ist ge- wendungsmöglichkeiten, Checklisten, Beispiele blieben: Das Handwerk und die Dienstleistung hinter dem Wer- und Tools aufzeigen. beversprechen muss in hoher Qualität erbracht werden. Die Wikipedia-Definition Der Begriff Marketing bezeichnet zum einen den Unternehmensbereich, dessen Aufgabe (Funktion) es ist, Produkte und Dienstleistun- Und wie sieht gen zu vermarkten (zum Verkauf anbieten in Ihr Marketing aus? einer Weise, dass Käufer dieses Angebot als Jeder Unternehmer, auch Sie als Fahrlehrer oder wünschenswert wahrnehmen); zum anderen Fahrlehrerin, betreibt Marketing: bewusst oder beschreibt dieser Begriff ein Konzept der ganz- unbewusst. Sei es mit dem Schriftzug am Lokal, heitlichen, marktorientierten Unternehmens- auf dem Auto und dem Briefpapier oder der führung zur Befriedigung der Bedürfnisse und freundlichen Dame im Office. Mit Ihrer persön- Erwartungen von Kunden und anderen Interes- lichen Einstellung, mit dem Verhalten Ihrer sengruppen. Damit entwickelt sich das Marke- (angestellten) Fahrlehrer, mit der Marke und tingverständnis von einer operativen Technik dem Zustand Ihrer Fahrzeuge, mit der Quote bei zur Beeinflussung der Kaufentscheidung Prüfungen, mit dem Zustand Ihres Lokals, den (Marketing-Mix-Instrumente) hin zu einer Füh- abgegebenen Lehrmitteln, mit der Mundpropa- rungskonzeption, die andere Funktionen wie ganda, ob negativ oder positiv, prägen Sie das zum Beispiel Beschaffung, Produktion, Verwal- Image Ihrer Fahrschule. Auch das ist Marketing. tung und Personal mit einschliesst. 20 FL-magazin 2/2015
MARKETING oo gle G Werb Pro Hash ung du tag kt Adword s Cr os sm Selfies kt g ed ia Social App Likes re Di ket in Media ar HTM M CMS L Wer hat’s erfunden? oben sind. Sie haben zwei Minuten Zeit.» Die Aus dem Marketingkonzept leitet sich die Wer- Botschaft liegt auf der Hand: Sag es einfach bung ab. Und die wurde nicht erfunden, es gab und verständlich. sie schon immer. Aber in sehr verschiedenen Ausprägungen. «Wenn Sie einen Dollar in Ihr Für diese Themen wollen Unternehmen stecken wollen, so müssen Sie wir Sie begeistern einen weiteren bereithalten, um das bekannt zu Wir zeigen Ihnen das ganze Spektrum von Mar- machen,» sagte schon Henry Ford, der Erfinder keting und Werbung mit den heutigen Möglich- der Produktionsbänder der Autoindustrie. Und keiten auf. Dabei geben wir Anstösse, die Um- auch die Weisheit «Wer nicht wirbt, stirbt!» soll setzung muss dann von Ihnen kommen. Freuen von ihm stammen. Sie sich auf diese Themen in den folgenden Ausgaben des FL-magazin: • Die Vorteile von Adwords-Kampagnen Schreiben Sie einfach • E-Mail-Marketing eine E-Mail an • Mit QR-Codes arbeiten redaktion@fl-magazin.ch • Direct-Marketing und nennen Sie uns Ihr • Links auf YouTube Wunsch-Thema. • Suchmaschinenmarketing (SEO) und Google MyBusiness • Social Media Marketing Kennen Sie den Elevator-Pitch? (Facebook, Twitter, XING, linkedin) Der Legende nach soll ein junger Kreativer ver- • Responsive Website als Zentrum der Online- sucht haben, seinen Agenturchef (David Ogilvy) Marketing-Aktivitäten von einer revolutionären Werbe-Kampagne zu • Flyer überzeugen. Es war in den 50er-Jahren des • Direktwerbung vorigen Jahrhunderts früh am Morgen in der • Marketing-Philosophie Lobby einer grossen amerikanischen Werbe- agentur. Beide waren auf dem Weg zum Lift ins Auch mit kleinem Budget lassen sich wirksame 37. Stockwerk. Sagte der Boss zum Youngster: Massnahmen durchführen. Wir wollen Ihnen «Legen Sie los. Und überzeugen Sie mich, bis wir mit dieser Reihe einige Tipps dazu geben. FL-magazin 2/2015 21
AUS DEN SEKTIONEN Der OFV hat gewählt Anlässlich der Mitgliederversammlung vom 27. März in Sulgen hat der Ostschweizerische Fahrlehrerverband OFV folgende Ämter neu besetzt: Präsidium: Vizepräsident: Kantonsvertreter St. Gallen: Regionalvertreter St. Gallen Ravaldo Guerrini Hanspeter Schweizer Roger Zürcher und Werdenberg Sargans: Nicole Gienuth Infolge Geschäftsaufgabe zu verkaufen Unsere nächsten Kurse Fahrschulwagen Renault Scenic Dynamique dCi110 Kat.B, 05.06.2015, Nottwil Kurs 5: Sehen im Verkehr CHF 14 900.– IHR extravaganter Mod.+Kat.B, 12.06.2015, Winterthur • Met.-Lackierung silber, Fahrschul-LKW Kurs 7: Körpersprache • 4 Winterkompletträder • Feuerwehr • Fahrschulpedalen Arbeitsmaschine Kat.A, 12.06.2015, Hinwil • 1. Inv. 2011 Einsatzfahrzeug Kurs 10: Heutige Motorradtechnik • 30 000 km • Mercedes-Benz 1427 • Neupreis CHF 41 000.– mit Vogt-Ölwehraufbau Kat.B/C/CZV, 16.06.2015, Sissach • Baujahr 1998 Kurs 2: Tunnelbrand – die Fortsetzung • Einparkhilfe vorne und • erst 33 000 km • 272 PS / 10 964 m3 Kat.B, 17.06.2015, Trubschachen hinten mit Rückfahr- Kurs 6: Unbefestigte Strassen kamera • Neupreis CHF 513 000.– • Carminat Tom Tom • mit vollständiger Fahrschul-Installation • sehr guter Zustand Anmeldung unter: • VP mind. 10 % vom NP • unfallfrei www.verkehrsschulung.ch / 061 333 06 59 Interessenten melden Märki Ernst sich an E-Mail Tel. 060 842 85 51 liquidator45@gmx.ch maerki-ernst@yetnet.ch 22 FL-magazin 2/2015
AUS DENRUBRIKTITEL SEKTIONEN Verkehrssicherheitswoche 2015 Zum achten Mal organisierte die FL Vereinigung Zürcher Oberland die «Verkehrssi- cherheitswoche». Vom 4. bis 9. Mai 2015 waren 21 Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer freiwillig im Einsatz und präsentierten ECOfahren und Fahrberatung für Senioren. Die breite Bevölkerung wurde für Sicherheit im tonspolizei, der ASSR Antischleuderschule Re- Strassenverkehr und für umweltbewusstes gensdorf und der bfu Bern. Der Erlös wurde der Fahren sensibilisiert. Weitere Angebote waren: Stiftung Institution Wagerenhof Uster zur Ver- • Fahrberatungen mit Senioren fügung gestellt. • Brakecar (Brems- und Reaktionstest) • Publikum mit Fragen aus der Theorie- prüfung konfrontieren • Töff-Parcours (unter Aufsicht Prüfungs- manöver üben) Die benötigte Location stellte das Einkaufszent- rum Volkiland zur Verfügung. Unterstützt wurde Quelle: ifb, Institut für Bildung, die Aktion vom Zürcher Rentnerverein, der Kan- Katharina Meier Zu verkaufen TOP Domain! inkl. Hompage (ZH) www.automatenfahrschule-zürich.ch Die nächste Ausgabe erscheint Nr. 1 bei Google am 4. September 2015 Preis verhandelbar Anzeigen-/Redaktionsschluss: 31. Juli 2015 Tel. 078 807 70 70 Fahrschulpedalen - Professionell verbaut - Erfahrung seit 1951 - Mit Wellenübertragung oder mit Seilzügen - Auch Einzelanfertigungen - AB 1440.- Franken - PW und Lastwagenpedalen - Schön ausgeschnittene Verschalungen sind nicht Glücksache, sondern eine Trütsch Sache. Trütsch-Fahrzeug-Umbauten AG Tel: 044 320 01 53 www.truetsch-ag.ch Steinackerstrasse 55, 8302 Kloten Fax: 044 320 01 58 info@truetsch-ag.ch FL-magazin 2/2015 23
KLASSIK Mercedes 180 Ponton Fahren wie im Fluge Mit dem Modell 180 der Reihe W 120 begann bei Mercedes 1953 schlug auch dieses Einstiegsmodell von Merce- erst die Nachkriegszeit. Probefahrt mit einem genau 60-jährigen des bei seiner Lancierung im Jahr 1953 die Schweizer Exemplar. Brücke zurück in die Vorkriegszeit – denn sein 1,8-Liter-Benziner trieb schon den Vorgänger Niemand sagt Lockheed L-1049, wie die kor- 170 an und stammte in den Grundzügen noch rekte Typenbezeichnung lauten würde. Als aus den 1930er-Jahren. «Super Constellation» ging das Verkehrsflug- zeug in die Geschichte ein. Die Super Conny Das war aber auch schon das einzig Gestrige an bildet eine Art Brücke zwischen den Pionierta- diesem Modell. Mag die Ponton-Karosserie mit gen der zivilen Luftfahrt. Der Grundentwurf der den vorgewölbten Radhäusern heute sehr his- Constellation datierte noch vor dem Zweiten torisch wirken – für die noch an klassische Weltkrieg, ging aber erst nach 1945 als zivile Kotflügel gewohnte Mercedes-Klientel des Maschine in Serie. Jahres 1953 muss sie wie ein Sakrileg gewirkt haben. Aber nicht nur die selbsttragende Karos- Und niemand sagt Mercedes 180 – Ponton serie führte Mercedes in die Moderne: Im heisst das. Wie Lockheeds Verkaufsschlager, Schwestermodell 180 D trat der Dieselmotor 24 FL-magazin 2/2015
KLASSIK Heute haben Autos Sitze, damals waren es Sofas. In den Sitzen des Ponton versinkt man geradezu. Ihre Sitzpolster waren bis kürzlich mit den originalen Schonbezügen geschützt. seinen Siegeszug an. Und der 180er war das erste Automodell überhaupt, von dem vorab über ein unscharfes Amateurfoto Informatio- nen an die Öffentlichkeit gelangten – der Be- ginn der Erlkönig-Fotografie. Obwohl die Kennt- nis des Bildes den Enthusiasten damals wenig nützte. Denn schlussendlich kam der 180er in der Karosserieform deutlich moderner heraus, als es der Prototyp vermuten liess. Unser Fotoexemplar von 1955 ist eine Art Zwi- Eigentlich steht Bruno schenmodell: Es verfügt noch über den alten, Doch wirklich zufrieden schien er nicht – kurz Nünlist auf englische Klassiker – aber beim ein Jahr später von einem 1,9-Liter mit 13 darauf kaufte er einen mit Automatikgetriebe 180er konnte er nicht Mehr-PS abgelösten Motor, aber schon über die ausgestatteten Studebaker. Der Benz ver- widerstehen. Die Rechtslenkung ist dafür neue Eingelenk-Pendelachse, die gegenüber der schwand in einem Schuppen. Bis ihn 1989 dort irgendwie britisch. vorher verbauten Pendel-Schwingachse den ein Gärtner entdeckte und seine Dienste sozu- Fahrkomfort deutlich verbesserte. Aber das ist sagen mit Naturalien entlohnen liess. Auch der nicht die einzige Besonderheit. neue Besitzer ging schonend mit dem Klassiker um – als er den Wagen verkaufte, zeigte der Ausgeliefert wurde der 180er an einen Metzger Tacho nur 98 000 Kilometer an. in Weinfelden – und zwar ab Werk schon als Rechtslenker. Denn der stolze Eigner war nach Vor rund einem Jahr gelangte er nun in den einem Unfall nicht mehr in der Lage, mit rechts Besitz des Sängers Bruno Nünlist. Eigentlich zu schalten. Die Rechtslenkerversion schien da wäre er ja eher auf Klassiker britischer Proveni- bedeutend geeigneter. enz abonniert, aber angesichts des bestechen- FL-magazin 2/2015 25
KLASSIK Detailliebe auch beim Basismodell: Typbezeichnung in der Chromleiste, analoge Uhr, Chrom auch im zentralen Tacho und formschöne Holzapplikationen. den Zustandes des 180ers liess er sich hinreis- Nicht nur in der Schweiz, auch bei Mercedes sen. Ja, der Folgebesitzer nach dem Gartenbauer muss der Rechtslenker als Exot gegolten haben. habe ihn 1999 neu lackieren lassen, aber Tech- Denn offenbar waren die Stückzahlen dieser nik und Interieur befänden sich in unrestaurier- Version so klein, dass es sich nicht lohnte, dazu tem Originalzustand. Allein Verschleissteile wie Bakelit-Panele für das Instrumentenbrett zu Schläuche und Leitungen habe er ersetzen produzieren: Glanzlackierte Holzteile wurden lassen. Aber selbst Details wie die Schmiernippel stattdessen montiert. der Türgelenke seien noch original. Willig, aber nicht zu willig angesichts der kühlen Unter zeitgenössischen Schonbezügen fand Temperaturen springt der Vierzylinder an und Nünlist die nahezu unversehrten grauen Sitz- verfällt schnell in sanftes Brummeln. «Er er- bezüge. Einen einzigen Fleck hat er entdeckt – reicht sein maximales Drehmoment schon bei wahrscheinlich wurden gleich nach diesem 1800 Touren», sagt Nünlist; deshalb lasse er sich Malheur die Sitzschoner aufgezogen. auch untertourig und damit sehr gelassen und entspannt bewegen. Das moderne Nachfolge- In den Details merkt man dem 180er nicht an, aggregat ab 1957 müsse man deutlich weiter dass er damals den Einstieg ins Mercedes- ausdrehen lassen. Programm bildete. Feine Chromleisten, wohin man schaut. In den Sitzen versinkt man; so tief, Sanft wiegt uns das Fahrwerk durch die Kreisel. dass man um eine sichere Sitzposition für die Erst wenn man drinsitzt, kann man ermessen, Fahrt fürchtet. Allerdings nicht alle Bakelit- wie weit weg dieses Modell damals dem Fahrer Verkleidungen rund um die Fenster haben die eines profanen Käfers erschienen sein muss. letzten 60 Jahre ganz unbeschadet überstan- Der Sitzkomfort ist plüschig, aber umso beque- den, aber das ist angesichts des spröden Mate- mer, der Vierzylinder säuselt; selbst heutige rials nicht verwunderlich. Temposchwellen federt das damals neue Fahr- 26 FL-magazin 2/2015
KLASSIK werk sanft weg. Und: Er heizt ganz grossartig, der Benz, was man nicht von jedem Klassiker Technische Daten behaupten kann. Mercedes 180 Ponton Zylinder/Hubraum R4/1767 cm³ Eigentlich gehört sein Herz ja britischen Klassi- Leistung 52 PS bei 4000/min kern; deswegen würde er den 180er vielleicht Drehmoment 112 Nm bei 1800/min verkaufen. Oder eben doch behalten: «Dieser Antrieb/Getriebe Hinterrad/4-Gang manuell Zustand und das Fahrgefühl – einfach traum- 0 bis 100 km/h 31 s haft. Man gewöhnt sich schnell daran», sagt Spitze 126 km/h Nünlist. Verbrauch 11,5 l/100 km Benzin Länge/Breite/Höhe 4,49/1,74/1,56 m Beide symbolisieren ein bisschen den Aufbruch Gewicht 1200 kg in die Nachkriegsmoderne: die in Basel-Mul- Produktion ca. 52 000 house stationierte Super Constellation mit Produktionszeit 1953–57 Baujahr 1955 des Vereins Super Constellation Preis* (Zustand 2/4) 21 000/4400 Fr. Flyers (www.superconstellation.org) und der *classic-analytics.de gleich alte Mercedes 180. Klassisch sind sie schon alle beide. Text: Andreas Faust; Fotos: Richard Meinert Quelle: ai-Klassik 1/2015 FL-magazin 2/2015 27
Sie können auch lesen