COVID-19 Pandemie Reflexion und Ausblick - monat Die Zeitschrift - Österreichischer Behindertenrat
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Die Zeitschrift monat Ausgabe 2/2020 COVID-19 Pandemie Reflexion und Ausblick behindertenrat • www.behindertenrat.at • Aboservice Tel.: (01) 513 1 533 • Abo: 24,00 Euro/Ausland + Porto
Foto: Privat editorial Liebe Leser*innen! D ie „Corona-Lockdown-Wochen“ wurden als Chance zu Erholung proklamiert. Doch die wenigsten Menschen mit Behinderungen kommen entspannt aus den vergangenen Corona-Wochen. Als Teil der Risikogruppe, durch Wegfall von Unterstützungsstrukturen und durch neue/verschärfte Barrieren ist die COVID-19 Pandemie für Menschen mit Behinderungen besonders hart. Auch die Arbeit der In- teressenvertretung hat sich nicht heruntergefahren, sie war besonders intensiv. Das Ringen um Partizipation und darum gehört zu werden, war und ist anstrengend. Neben den Problemen, die durch die COVID-19 Pandemie aufkamen oder noch verschärft wurden, gibt es auch Positives, worauf wir zurück- blicken. In der ersten Zeit waren die Medien völlig unempfänglich für die Berichterstattung zum Thema Behinderung. Anfang Mai ging man auf die Kritik ein und die Situation verbesserte sich. Die breite Bericht- erstattung des ORF ist als besonders positives Beispiel zu nennen! Ebenso intensivierte sich die Zusammenarbeit mit den engagierten Behindertensprecherinnen der Parteien. Insbesondere jene, die diese Position neu besetzen, waren offen und interessiert am Austausch. Die zentrale Rolle des Zugangs zur Digitalisierung zeigte sich besonders in dieser Krisenzeit. COVID-19 und Digitalisierung setzen wir daher in den Fokus dieser Ausgabe unserer Zeitschrift ‚monat‘. Auf den Seiten 8 bis 11 lesen sie von den Erfahrungen von Menschen mit Lernschwie- rigkeiten und zweier sie unterstützender Organisationen (Das Band, Jugend am Werk). Eine Rückschau und Einordung der letzten Wochen aus Sicht des Behindertenrates finden Sie ab Seite 12. Über seine Zu- kunftspläne berichtet Sozialminister Anschober in einem Interview auf den Seiten 26 und 27. Unser Leben wird noch länger nicht „normal“ sein. Doch wenn jene, für die es möglich ist, auf Abstand, Handhygiene und Maskennutzung achten, kommen wir alle gut durch die COVID-19 Pandemie. Herzliche Grüße und einen gesunden Sommer wünscht, Herbert Pichler www.behindertenrat.at 3
Aus dem Inhalt Ausgabe 2/2020 Editorial 3 Höchstleistungen erbringen müssen (Frauen mit Behinderungen) 7 Und jetzt? 12 Datenschutzfragen 16 Digitale Chancen und Risiken 20 Welches Smartphone passt zu mir? 22 Anschober: Auf Expertinnen und Experten in eigener Sache hören! 26 Daheim oder Heim? 28 Buchrezensionen 34 Foto: Pixabay Foto: Pixabay E D Liebe Leser*innen! reignisreiche Wochen liegen igitalisierung braucht die Parti- Wir wünschen viel Spaß beim Lesen hinter uns, fordernde Monate zipation von Menschen mit des neuen Heftes und freuen uns vor uns. Anhand von Meilen- Behinderungen, sonst werden über Rückmeldungen an: steinen wird aufgezeigt, was die die Barrieren unüberwindbar. Wir presse@behindertenrat.at COVID-19 Pandemie für Menschen stehen an Kreuzungen und müssen monat mit Behinderungen bedeutet. jetzt richtig abbiegen. Gefördert aus den Mitteln des Seiten 12 bis 14 Seite 20 bis 21 Sozialministeriums IMPRESSUM: Medieninhaber: Österreichischer Behindertenrat · Herausgeber: Herbert Pichler · Redaktion: Gabriele Sprengseis (gs) - Heidemarie Egger (he) · Adresse: 1100 Wien, Favoritenstraße 111/11, Tel.: 01 513 1533, Mail: presse@behindertenrat.at · Website: www.behindertenrat.at · Offenlegung nach dem Mediengesetz: www.behindertenrat.at/impressum · Gestaltung, Anzeigenverkauf, Layout und Druck: Die Medienmacher GmbH · 8151 Hitzendorf · Filiale: 4800 Attnang-Puchhheim, 07674 62 900, www.diemedienmacher.co.at · Cover: Petra Plicka · Nachdruck nur nach ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung der Redaktion gestattet. · Nicht alle Artikel entsprechen unbedingt der Meinung der Redaktion. Wir haben das Ziel, eine möglichst breite Diskussionsbasis für behindertenpolitische Themen und Standpunkte zu schaffen und die Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderungen zu erhöhen. · Bankverbindung: easybank, IBAN: AT85 1420 0200 1093 0600, BIC: EASYATW1 DVR 08 67594 · ZVR-Zahl: 413797266 · Erscheinungsort Wien. www.behindertenrat.at 5
Ausgabe 2/2020 DAS FEHLT Klimavolksbegehren Von Behindertenrat ist Partner Von Emil Benesch Gabriele Sprengseis D ie Corona-Pandemie dauert viel länger als wir alle dach- ten. Bei der Fülle von Verord- nungen ist es nicht leicht, den Überblick zu bewahren, wo was nun gilt oder nicht mehr gilt. Viel zu lange haben Informationen in Leichter Sprache gefehlt, nun sind sie auf der Website des So- zialministeriums veröffentlicht. Auch die aktuelle COVID-19 Lockerungs-Verordnung ist in M Leichter Sprache vorhanden. enschen mit Behinderungen fahrerlose Busse in der Seestadt Es fehlt eine ehrliche Auseinan- sind von den Auswirkungen Wien werden Rollstuhlfahrer*in- dersetzung darüber, was in den des Klimawandels als vulne- nen von der Mitfahrt ausge- letzten vier Monaten gut gelun- rable Gruppe besonders betroffen. schlossen. gen ist und was sich keines- Ebenso sind Menschen mit Behinde- • Stromsparende, moderne Haus- falls wiederholen darf. Jetzt ist rungen - sie stellen knapp 20 % der haltsgeräte werden derart ge- höchste Zeit, die Konzepte zu Bevölkerung in Österreich - für den baut, das blinde Menschen und evaluieren und zu verbessern. Erfolg von Klimaschutzbemühungen Menschen mit Sehbehinderungen Die Antworten auf eine mögli- unverzichtbar. sie nicht selbstständig nutzen che nächste Welle müssen den können. Stichwort: Touchscreen Bedürfnissen von Menschen mit Weder die große Betroffenheit noch Behinderungen entsprechen. die große Bedeutung bei der Lösung Dem Slogan niemanden zurückzu- Isolieren und Wegsperren haben der Klimakrise von Menschen mit lassen - weder bei den Anpassungs- nicht nur virologisch erwünschte Behinderungen sind bislang von prozessen noch bei der Entwicklung Effekte, sondern auch mensch- Politik und Gesellschaft erkannt wor- klimafreundlicher Lösungen - gilt lich schlimme Folgen gehabt. den. Menschen mit Behinderungen es künftig Taten folgen zu lassen. Es braucht viele verschiedene werden, wie wir in unserer täglichen Ansonsten droht der Slogan eine Maßnahmen und eine solide Arbeit erleben, zumeist automatisch Worthülse zu bleiben. Insbesondere Finanzierung. Empfehlungen übersehen. Wir sehen es daher als viele Umweltorganisationen haben alleine reichen nicht. Die Grund- vordringliche Aufgabe, Licht ins noch nicht erkannt, dass das Nadel- lage von guten Entscheidungen Dunkel der gesellschaftlichen öhr des Klimaschutzes nicht die sind richtige und aktuelle Zahlen. Ahnungslosigkeit und Unbedarftheit technische Machbarkeit, sondern die Eine valide Statistik zu Menschen zu bringen. soziale Akzeptanz und Verträglich- mit Behinderungen in Österreich keit ist. Als Partnerorganisation des sucht man noch immer vergeblich. Dazu konkrete Beispiele: Klimavolksbegehrens wird sich der Trotz voranschreitender Digita- • E-Ladestationen für Autos mit Österreichische Behindertenrat lisierung fehlen vergleichbare Elektroantrieb werden heute so dafür einsetzen. Daten zu Menschen mit Behinde- gebaut, dass PKW-Lenker*innen, rungen in ganz Europa. die einen Rollstuhl nutzen, sie Infobox Gesund bleiben und nicht verwenden können. #Zusammenhalten. In der Regel versperrt ein Rand- www.klimavolksbegehren.at * g.sprengseis@behindertenrat.at stein den Weg zur Ladestation. facebook.com/klimavolksbegehren • Beim Test von Prototypen für 6 www.behindertenrat.at
COVID-19 Ausgabe 2/2020 Höchstleistungen erbringen müssen COVID-19 und Frauen mit Behinderungen Von Unabhängiger Monitoringausschuss unterschiedlich. Was sie eint, ist die hohe Komplexität und die erlebten Barrieren. Corona hat den üblichen Alltag und die mühevoll aufgebau- ten Unterstützungsstrukturen und Netze von Frauen mit Behinderungen zerstört. Für alle Menschen ist die Corona- Krise eine Herausforderung. Für Frauen mit Behinderungen ist die Protestbild: Frauen mit Behinderungen sind unsichtbar. Herausforderung zweifach potenziert, sie werden benachteiligt als Frau und als Mensch mit Behinderungen. D er Unabhängige Monitoringaus- Selbstbestimmtes Leben schuss, der Österreichische auch in der Krise "Die Corona-Krise verstärkt, was Behindertenrat und Selbst- Die Mehrfachbelastung, die alle schon davor im Argen lag und wirkt bestimmt Leben Österreich (SLIÖ) Frauen während der Corona-Pande- wie ein Vergrößerungsglas. Frauen forderten in einer gemeinsamen mie trifft, wirkt sich bei Frauen mit mit Behinderungen rutschen in die Presseaussendung am 28.05.2020 Behinderungen besonders gravierend Armut, müssen konstant organisato- dazu auf, die Situation von Frauen aus. Homeschooling, der Ausfall von rische und psychische Höchstleistun- mit Behinderungen zu beachten. Kinderbetreuung und der Ausfall von gen erbringen und für viele ist das Unterstützung für die Bewältigung COVID-19 Virus besonders gefähr- Frauen mit Behinderungen haben des Alltags, führen zur massiven lich", berichtet Gabriele Sprengseis, besonders mit den ökonomischen Überlastung und oft verzweifelten Geschäftsführerin des Österreichi- und sozialen Folgen der Pandemie Situationen. Bernadette Feuerstein, schen Behindertenrats und Mitgrün- zu kämpfen: Isolation, Doppelbe- Vorsitzende von SLIÖ: "Die generelle derin des Kompetenzteams Frauen lastungen durch Care-Tätigkeit und Unsichtbarkeit von Frauen mit Behin- mit Behinderungen. Lohnarbeit sind nur einige der vielen derungen führt dazu, dass sie auch Herausforderungen. Zudem kommt, in Krisenzeiten vergessen werden. Jetzt und auch nach der Krise brau- dass Frauen mit Behinderungen im Die letzten Wochen haben gezeigt, chen Frauen mit Behinderungen viel Laufe ihres Lebens oft von psychi- wie wichtig abgesicherte Strukturen mehr Unterstützung und krisen- scher, physischer und sexualisierter sind, damit den betroffenen Frauen sichere Netze. Gewalt betroffen sind, wie eine 2019 ein Minimum an Selbstbestimmung veröffentlichte Studie belegt. "Es ist erhalten bleibt." Nur wenn Persönli- dringend notwendig, dass Frauen- che Assistenz in regulären Arbeitsver- beratungsstellen und psychosoziale hältnissen mit ausreichender Finan- Kompetenzteam Dienste barrierefrei, unbürokratisch zierung gewährleistet ist, kann dieses und kostenlos zur Verfügung stehen. Erfolgsmodell auch in Krisenzeiten www.frauenmitbehinderungen.at Besonders in Krisenzeiten verschär- funktionieren. Kompetenzteam Frauen mit fen sich bereits vorhandene Proble- Behinderungen me, was zu enormen Belastungssitua- Corona-Krise wirkt wie Kontakt: Heidemarie Egger tionen für Frauen mit Behinderungen Vergrößerungsglas h.egger@behindertenrat.at führt", erläutert Christine Steger, Die Lebensrealitäten von Frauen +43 660 92 47 236 Monitoringausschuss-Vorsitzende. mit Behinderungen sind sehr www.behindertenrat.at 7
COVID-19 Videotraining von DAS GESUNDE BAND Alle Fotos: Das Band Arbeitsalltag neu seit der Wieder-Eröffnung #GemeinsamSchaffenWirDas Lokalaugenschein zu 49 Tagen Pandemiesperre Von Dagmar Steiner / DAS BAND E s gibt in der Gesellschaft ein spürbar, die sich am darauffolgenden alldem stand immer diese eine paar Termine, die sich fest Wochenende leider bewahrheitet hat große ungewisse Komponente: Was, verankert haben und man und in die Tat umgesetzt werden wenn in unserem Verein ein Krank- fragt immer wieder… „Was hast Du musste. heitsfall auftritt, sind wir mit Plan B gemacht als? Der Mauerfall, Tscher- auch gut genug darauf vorbereitet? nobyl oder zum Beispiel NineEleven Wir schließen am Montag passiert ist?“ unsere Einrichtungen? Zuerst wurden alle Mitarbeiter*innen, Für wie lange? Arbeiter*innen und Nutzer*innen Der 16. März 2020 und damit der informiert, akuter Betreuungsbe- Beginn der Quarantäne-Maßnahmen Rasch war klar, im Vollbetreuten darf bei den Nutzer*innen erhoben, in Österreich war mit Sicherheit Wohnen muss quasi vorerst alles denn in manchen Fällen mussten auch so ein Termin. Wo plötzlich weiterlaufen, wie gewohnt, aber wir zum Beispiel noch Einkäufe für nichts mehr so war wie zuvor und werden die Tagesstrukturen und die die nächsten Tage erledigt oder doch, die Welt hat sich weiterge- Verwaltungsbüros schließen müs- Medikamente besorgt werden. Die dreht. Gut, wir können nicht sagen, sen – aber nochmals die drängende Räumlichkeiten wurden geschlossen, dass es uns ganz unvorbereitet Frage: Für wie lange? Eine Woche, alle Infokanäle mit entsprechenden getroffen hat. Schon in den Wochen bis nach Ostern? Informationen bespielt und dann davor wurden intern Krisenteams sind wir alle mit diesem komischen formiert, Pandemiepläne aktualisiert In Telefonbesprechungen wurde im Gefühl nach Hause gefahren ins und Vorbereitungen getroffen. Alles Laufe des Wochenendes rasch ein Homeoffice – das Unwort des Jahres als Vorsichtsmaßnahme, niemand Plan formiert, um eine geordnete 2020, zumindest für mich. hatte diesen Tag X bereits am Radar Schließung unserer Tagesstrukturen und mit Sicherheit nicht die Dauer am darauffolgenden Montag den 16. In den ersten Tagen zu Hause eines so langen „Wir bleiben jetzt März vorzubereiten. In Telefonketten wurden bei allen Mitarbeiter*innen alle zu Hause“. wurden unsere Nutzer*innen über unverzüglich die Heimarbeitsplätze die geplante Schließung informiert eingerichtet, Zugänge geschaffen, Aber dann war er da, dieser Freitag und das Team für Montag früh zu Telefonketten optimiert und an der 13. März – nomen est omen – einer Krisenstabssitzung einberufen. manchen Stellen fast minütlich Infos und in unserem ganzen Haus war eine Vieles lief nach vorab bereits defi- eingeholt: Was gibt es zu beachten? Anspannung und eine Vorahnung nierten Krisenplänen, aber über Wie lange kann und wird es dauern? 8 www.behindertenrat.at
Ausgabe 2/2020 Ist irgendwo schon ein Krankheitsfall wir intern neben der regelmäßigen unsere Nutzer*innen auch in der aufgetreten? Wo bekommen wir Evaluierung des Pandemiebetriebs Zeit zu Hause umfassend zu betreu- Schutzausrüstung, Hygienematerial? parallel mit der Szenarienplanung en und andererseits ein rasches für eine Wieder-Öffnung begonnen. Wiederöffnen der Einrichtungen Kurzarbeit der Angestellten in der möglich gemacht. Betreuungsarbeit war in unserer Am 4. Mai war es dann soweit und Organisation nie oder zumindest wir haben nach genau 49 Tagen als Heute, am Weg zurück in eine neue keine sinnvolle Option, denn eines eine der ersten Einrichtungen in Normalität, können wir stolz sagen, war uns allen klar: Wir wollten und Wien unseren Betrieb in den Tages- dass wir diese Krise nicht nur über- mussten für unsere Nutzer*innen da strukturen unter Einhaltung der standen, sondern sie gemeinsam mit sein, sie weiter gut betreuen, um in gesetzlichen wie auch hygienischen vielen Anderen gemeistert haben. dieser neuen Realität eine gute und Rahmenbedingungen wieder aufge- Diese hervorragende Krisenarbeit ist ausreichende Betreuung in allen nommen. Unsere Betreuungsstand- jedem einzelnen Mitarbeiter / jeder Bereichen sicherzustellen. Dafür orte und Verwaltungsbüros wurden einzelnen Mitarbeiterin zu verdan- haben wir telefonische Betreuung vom Homeoffice wieder ins Büro ken und dafür möchten wir an dieser mittels Telefonketten eingerichtet, verlegt. Unsere Wohneinrichtungen Stelle ein großes DANKE an alle wir haben mit kleinen Videos und (Voll- und Teilbetreut) waren über Mitarbeiter*innen in den sozialen Hinweisen via Social Media Tipps für den gesamten Zeitraum fortlaufend Einrichtungen, in Pflegeberufen, in die Zeit zu Hause rausgeschickt. Un- in Betrieb, wenn auch natürlich un- pädagogischen und systemrelevan- sere WGs wurden mit Gesellschafts- ter sehr erschwerten Bedingungen. ten Berufen richten, die in den letz- spielen versorgt, DVD-Player oder ten Wochen wirklich herausragende Bastelmaterialien organisiert. Eine Wie geht es uns heute knapp zwei Arbeit geleistet haben. Mitarbeiterin hat Video-Trainings Monate nach dem Re-Opening und und Bewegungseinheiten für die der neuen – mittlerweile schon fast Es gab eine Zeit VOR Corona, ein Zeit zu Hause ins Leben gerufen. Die gewohnten – Realität mit Mund-Na- JETZT mit vielen Veränderungen und Kreativität und die Ideen waren um- senschutz, Desinfektion und Ab- Einschränkungen während der Zeit fangreich und es gab wirklich keinen stand halten? Die Corona-Krise hat des Lockdowns, aber es gibt auch Bereich, der hier nicht aktiv wurde uns, unsere Gesellschaft, aber vor ein DANACH, wo wir wirtschaftlich und seinen Teil beigetragen hat. allem auch unseren Verein nahezu und sozial wieder zu einer Normali- von einem Tag auf den anderen vor tät zurückfinden müssen. Vielleicht In Woche 1 war die Ungewissheit das ganz neue organisatorische Heraus- einer etwas veränderten Normalität, große Thema, ab Woche 2 machte forderungen gestellt. aber Solidarität und Zusammenhalt sich ein Gefühl der Normalität breit machen es möglich. Und um mit oder besser der "neuen" Normalität Der Verzicht auf Kurzarbeit hat uns dem Hashtag vom Beginn zu enden und nach Ostern war eine gewisse einerseits die Möglichkeit geschaffen #GemeinsamSchaffenWirDas. Unruhe bemerkbar, die nicht nur bei den Nutzer*innen, sondern vor allem auch bei den Mitarbeiter*in- nen spürbar wurde. Doppelbelastun- gen im Homeoffice wurden sichtbar, Entlastungsgespräche mit Nutzer*in- nen wurden dichter, die „Enge“ in den betreuten Wohneinrichtungen wurde wahrnehmbar. Wie wird das alles weitergehen, wann können wir wieder öffnen? Wir wussten, wir wollen so rasch wie irgendwie möglich wieder aufsper- ren und bereits ab Mitte April haben Instagram- und Facebook-Posting von DAS BAND während der Pandemiesperre www.behindertenrat.at 9
COVID-19 „Corona ist scheiße!“ Menschen mit Lernschwierigkeiten meistern COVID-19 Pandemie. Von Wolfgang Bamberg / Jugend am Werk Es war einmal ein Virus, es wollte in die ganze Welt hinaus. Entscheidungen treffen und abwägen, ob man sich jetzt Und nestete sich wo ein und sagte: „Ist das schön kalt!“. zum Beispiel mit mehreren Packungen Klopapier ein- Es wollte keine Wärme. deckt oder nicht. Für viele Menschen mit Behinderungen Und zog weiter, bis es die ganze Welt erreicht hatte. bedeuteten die Ausgangsbeschränkungen, die Mitte März von der Bundesregierung verkündet wurden, zusätzliche Was ist mit dir bloß los? Herausforderungen. Persönliche Assistenz musste kom- Was hast du dir dabei gedacht, plett neu organisiert werden, geplante Therapien wurden dass du die Menschen attackierst? plötzlich gestrichen und es galt Pflegebehelfe und Desin- Von wo kommst du her? fektionsmittel für kommende Wochen zu kaufen. Was machst du da? Du gehörst nicht her! Für Menschen mit Lernschwierigkeiten war es in dieser Geh dorthin, wo du warst. Situation besonders schwierig, verständliche und klare Informationen zu erhalten. Wie so oft, waren offizielle Du bist fürchterlich. Informationen in einfacher Sprache zu den behördlichen Du steckst alle an mit deinen Infektionen. Anweisungen nicht vorhanden und gerade bei Menschen Das brauchen wir nicht. mit Lernschwierigkeiten war es notwendig, Ängste zu Du hast schon so viele Menschen ums Leben gebracht. nehmen und die Veränderungen zu erklären. In den letzten Jahren haben sich viele vielversprechende Jetzt kannst du schon wieder aufhören. Initiativen entwickelt, die genau hier ansetzen und Wir brauchen dich nicht mehr. Informationen in verständlicher Form aufbereiten. Etwa Jetzt reicht es. das Projekt „TopEasy“ der Nachrichtenagentur APA, der Bitte geh! Corona-Kanal für die App von capito sowie das Informati- Es gibt bald schon ein Mittel, onsfenster„Einfache Sprache“ auf der Webseite des ORF. mit dem du vernichtet wirst. Mitte Juni wurde auch erstmals eine Lockerungs-Verord- nung in leichter Sprache veröffentlicht. D iesen Liedtext schrieb Günter Walisky, der in der Tagesstruktur Rudolf-Virchow-Straße der Organisa- tion Jugend am Werk arbeitet, Ende März 2020. Wie für so viele andere Menschen auf der Welt änderte sich auch für Menschen mit Lernschwierigkeiten in Österreich Mitte März schlagartig der gewohnte Alltag. Dabei wur- den die möglichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie trotz Warnungen der Weltgesundheitsorganisation WHO noch Ende Februar in Österreich meist ignoriert oder be- lächelt. Es waren die schrecklichen Bilder und Todeszah- len in unserem Nachbarland Italien, die auch hierzulande zu einem Umdenken geführt haben. Es ist ein wesentliches Merkmal einer Krise, dass sie über- raschend eintritt. Zeit für lange und gründliche Überle- gungen fehlt, Entscheidungen müssen rasch getroffen werden. Viele Menschen wurden hier überrumpelt, muss- ten zwischen offiziellen Informationen und der gesteiger- ten Panik in sozialen Netzwerken ihre höchstpersönlichen Neue Regeln bei Jugend am Werk Foto: Kollektiv Fischka/fischka.com 10 www.behindertenrat.at
Ausgabe 2/2020 Die Grundproblematik aber bleibt, dass viele Informati- Beschränkungen hielten, aber sehr früh haben wir intern onen nur dann entsprechend genutzt werden können, bei Jugend am Werk auch darüber diskutiert, dass jeder wenn man über ein internettaugliches Smartphone oder weitere Tag der strengen Ausgangsbeschränkungen viele einen PC bzw. ein Tablet verfügt und dieses auch ent- erarbeitete Schritte der Selbstbestimmung und Eigen- sprechend bedienen kann. Bei mehr als zwei Drittel der ständigkeit zunichte macht. Es ist eine große Herausfor- Personen mit Lernschwierigkeiten, die bei Jugend am derung, die Balance zwischen Schutzmaßnahmen und Werk Dienstleistungen in Anspruch nehmen, ist dies aber Beschränkung der höchstpersönlichen Freiheitsrechte zu nicht der Fall. Das bedeutet, dass wichtige Inhalte, aktu- halten und es war beängstigend, wie schnell das soziale ell etwa zum Thema Reisen oder der Pflicht zum Tragen Leben in Österreich zum Stillstand kam. Mit Sicherheit eines Mund-Nasen-Schutzes, nicht in einfacher Sprache hat das rigorose Befolgen der Ausgangsbeschränkungen zugänglich sind und zusätzlich viele Anweisungen, die die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie merkbar dann im Eingangsbereich von öffentlichen Einrichtungen, verringert, aber es hat auch dazu geführt, dass Selbst- Apotheken oder Arztpraxen hängen, in zu kleiner Schrift bestimmung, Selbstständigkeit und die Teilhabe an der gesetzt oder nur in schwerer Sprache formuliert sind. Gesellschaft überall dort, wo die Unterstützung über Hier wird man das Gefühl nicht los, dass auf Menschen Institutionen erfolgt, beschnitten wurde. mit Lernschwierigkeiten oftmals einfach vergessen wird. Das Mitte März vermittelte Gefühl der Angst und Unsi- Innerhalb von Jugend am Werk wurden Informationen cherheit wirkt sich zudem noch immer auf das Leben zum Corona-Virus, zur Hygiene und und psychische Wohlbefinden vieler Menschen in Ös- Desinfektion, aber auch zu Verhal- terreich aus und es wird noch tensregeln, etwa im Bereich der eine große Herausforderung, die Wohngemeinschaften oder den psychischen Folgen der Isolation Öffnungsschritten ab Mai 2020, zu bearbeiten. Das zeigt etwa ein in einfacher Sprache erarbeitet offener Brief, der Anfang Mai von und zusätzlich zu existierenden einer Bewohnerin im teilbetreu- Informationsangeboten auf der ten Wohnen geschrieben wurde, Webseite und auf Social Media die anonym bleiben möchte. Er auch über persönlich adressierte schließt mit den Worten „[…] Briefe verteilt. Eine besondere Schaut in die Glotze, hört Musik mit Bedeutung hatten zudem die ge- viel Bass, spielt Puzzle, bis euch der wählten Interessensvertretungen Kopf raucht. Geht zum Merkur, Billa, innerhalb von Jugend am Werk, Spar einkaufen, dass ihr genug zu der Werkstättenrat und der essen zu Hause habt. Es ist traurig Wohnrat. Sie standen mit dem zu sehen in der Glotze und Internet, Krisenstab von Jugend am Werk dass es sich in Wien verschlechtert hat im Austausch und haben in vie- und wieder mehr krank wurden. Bitte len Gesprächen direkte Anfragen bemüht euch! Corona ist scheiße.“ von Menschen mit Lernschwierigkeiten beantwortet oder weitergeleitet. Die Wirkkraft dieser Peer-Beratung hat Über Jugend am Werk sich gerade in der Krisenzeit eindrucksvoll gezeigt. In der Jugend am Werk Sozial:Raum GmbH werden rund 400 Bewohner*innen mit Lernschwierigkeiten Und es gab auch Erkrankungsfälle innerhalb von Ju- im vollbetreuten Wohnen in Wohngemeinschaften gend am Werk, die vor Augen geführt haben, wie schnell sowie 460 Bewohner*innen in eigenen Wohnungen praktische Anweisungen im Ernstfall benötigt werden. teilbetreut unterstützt. Mehr als 1.700 Menschen Dank den professionellen Mitarbeiter*innen und der Ko- mit Lernschwierigkeiten nutzen Angebote der operation der Menschen mit Lernschwierigkeiten konnte Tagesstrukturen und etwa 1.500 Personen nehmen eine verstärkte Ausbreitung verhindert werden, aber Beratungs- und Qualifizierungsangebote der berufli- wir haben erlebt, wie ansteckend dieses heimtückische chen Integration in Anspruch. Die Dienstleistungen Virus sein kann. Generell war beeindruckend, wie strikt werden von rund 1.100 Mitarbeiter*innen erbracht. sich die Nutzer*innen an die neuen Regelungen und www.behindertenrat.at 11
COVID-19 Und jetzt? Zurückblicken, Vorplanen COVID-19 Pandemie aus Interessenvertretungssicht Von Heidemarie Egger / Gabriele Sprengseis Foto: Pixabay/KlausHausmann D ie erste Angst und Unsicherheit haben sich gelegt. die Bewusstseinsschaffung für die Problemlagen und die Regeln und Systeme für das Jetzt sind gefunden. vehemente Forderung nach Partizipation an höchster Egal ob optimistisch oder pessimistisch, man plant lenkender Stelle. Anhand der Presseaussendungen des für ungewisse Zukunftszenarien und nutzt jetzt die Zeit, Behindertenrates (teilweise auch in Zusammenarbeit mit einzuarbeiten, was gelernt wurde. anderen Organisationen) lässt sich diese zweite COVID-19 Pandemie Phase nachzeichnen: Zum Glück für alle sind viele Angstszenarien nicht ein- getreten. Die Bundesregierung hat in vielen Aspekten 22.04. Krisenstäbe richtig gehandelt und Österreich ist bis jetzt vergleichs- „Diese Krise lässt viele Entscheidungsträger*innen auf weise gut durch diese Krisensituation gekommen. Wäre alte Muster zurückgreifen, die wir schon längst ausge- das Worst-Case-Szenario für die COVID-19 Pandemie in storben hofften. Es reicht wieder, wenn Menschen mit Österreich eingetreten, hätten die Rahmenbedingungen Behinderungen ‚warm – satt – sauber – weggesperrt für die Wahrung der Rechte von Menschen mit Behin- und leise‘ sind. Mitsprache und Teilhabe von Menschen derungen gefehlt. Einer der wichtigsten Aufgaben der mit Behinderungen müssen möglich gemacht werden. Organisationen und Interessenvertretungen war daher Nach dem ersten Schock der Krise muss wieder zum 12 www.behindertenrat.at
Ausgabe 2/2020 menschenrechtlich basierten Ansatz von Behinderung zurückgekehrt werden. Das Sozialministerium geht hier erste positive Schritte, wofür wir dankbar sind. Es ist dringend nötig, dass auch alle anderen dem Vorbild des Sozialministeriums jetzt folgen!“ forderte Herbert Pichler, Präsident des Österreichischen Behindertenrates am 22.04. in einer gemeinsamen Aussendung mit dem Unabhängigen Monitoring Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Eine direkte Ansprech- person im Krisenstab des Sozialministeriums für das Thema Behinderung wurde auf Druck der Interessen- vertretungen benannt. Im Krisenstab auf Bundesebene (angesiedelt beim Innenministerium) und in den meisten regionalen Krisenstäben fehlte jedoch nach wie vor die Einbindung von Menschen mit Behinderungen. 24.04. Risikogruppe Ein besonders augenscheinliches Beispiel für den Bedarf nach besserer Einbindung der Expert*innen ist die Thematik der Risikogruppen. Bereits im März gab es die „Menschen mit Behinderungen halten gerade am meis- Überlegungen zum besonderen Schutz für Menschen, die ten Einschränkung, Isolation und Lebensveränderung zur Risikogruppe gehören. Es dauerte jedoch bis Anfang aus und werden auch weiterhin Durchhaltevermögen Mai (06.05.) bis die Verordnung in Kraft trat. Die Defi- zeigen müssen“, erklärte Herbert Pichler, Präsident des nition und die Umsetzung der Verordnung werden von Österreichischen Behindertenrates. „Der einzige Plan, den Betroffenen und den Unternehmen als mangelhaft den es aktuell gibt, scheint ‚Separierung‘ für Menschen bewertet. Trotz eines gewissen Spielraums in der Verord- mit Behinderungen vorzusehen. Doch es braucht jetzt nung, um auf individuelle Situationen der Betroffenen einen Plan B und für die Zukunft einen Plan für eine eingehen zu können, ist der Weg zum Risikogruppenattest zweite Welle, mit einer Balance aus Schutz und Freiheit. schwierig, die Ärzte sind verunsichert. Viele Menschen Dieser muss unter Einbezug der Menschen mit Behin- mit Behinderungen und Menschen mit chronischen derungen gestaltet werden. Nur so können nicht nur in Erkrankungen tragen ein höheres Risiko an COVID-19 zu naher Zukunft, sondern auch im Falle einer zweiten Co- erkranken oder müssen mit schweren Verläufen rechnen. rona-Welle bundeseinheitliche Regelungen, Teilhabe und In der Presseaussendung begrüßten Behindertenrat, Rechtssicherheit gewährleistet werden“, ergänzt Pichler. ÖZIV Bundesverband und KOBV zwar die Grundidee, kri- Rund um diesen Protesttag startete auch eine verstärkte tisierten jedoch die schleppende Umsetzung. Dazu mehr Berichterstattung der Medien, im Besonderen des ORF. auf den Seiten 14 und 15. Die Situation von Menschen, die mit unterschiedlichen Behinderungen leben und wie sie mit der COVID-19 Pan- 05.05. Protesttag demie umgegangen sind, wurde vom ORF in Form einer Der heurige Europäische Protesttag zur Gleichstellung Fokuswoche beleuchtet. von Menschen mit Behinderungen, der wie jedes Jahr am 05. Mai begangen wird, wurde genutzt, um auf die 14.05. Barrierefreie Bildung Lebensrealitäten der Menschen mit Behinderungen in der Mitte Mai wurden erste Pläne der Bundesregierung COVID-19 Pandemie aufmerksam zu machen. Lebenshilfe, bekannt, mittels Investitionen die Wirtschaft wieder Österreichischer Behindertenrat und Behindertenanwalt- anzukurbeln. Konkret wurde ein Paket zum Aus- und schaft veranstalteten eine Online-Pressekonferenz. Die Umbau von Schulen präsentiert. Gemeinsam mit der Corona-Zeit zeigt, dass Krisen oft Ungleichheiten und Behindertenanwaltschaft setzt sich der Behindertenrat Ausgrenzungsmechanismen verstärken. Die Podiumsdis- dafür ein, dass Barrierefreiheit in dieser Maßnahme in kutant*innen gaben Einblicke aus Sicht der Selbstver- den Fokus gerückt werden muss und als Unterstützung tretung, Angehörigen und Behindertenorganisationen für die Krisenbewältigung genutzt wird. „Der Österrei- und forderten die Regierung zu konkreten Schritten auf. chische Behindertenrat fordert, dass durch die www.behindertenrat.at 13
COVID-19 Schul-Investitionsoffensive umfassende Barrierefreiheit diese Wachsamkeit ist auch die "Stopp Corona"-App, wo in den Schulen geschaffen wird. Diese große Chance, wir konstant Barrierefreiheit einmahnen und Zusammen- Schulinklusion zu ermöglichen, muss genutzt werden! arbeit anbieten. Barrierefreiheit muss eine zwingende Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Mittel aus dem Investitionspa- Die Gefahr eines COVID-19 Anlassfall ist nicht gebannt, ket sein!“, so Präsident Herbert Pichler in der gemeinsa- die Rechte von Menschen mit Behinderungen müssen men Presseaussendung. unbedingt gewahrt werden. Für viele Vereine und gemeinnützige Organisationen ist es unverständlich, 28.05. Frauen mit Behinderungen warum Unternehmen schon einen Unterstützungsfonds Was die Corona-Krise für Frauen mit Behinderungen und Geld bekommen haben, sie aber noch immer nicht. bedeutet und welchen Handlungsbedarf es hier gibt, Angekündigt wurden 700.000,00 Euro für gemeinnützige zeigten der Unabhängige Monitoringausschuss, der Ös- Organisationen. Es fehlt die entsprechende Verordnung, terreichische Behindertenrat und Selbstbestimmt Leben die die Richtlinie zur Antragsstellung und Auszahlung re- Österreich (SLIÖ) in einer gemeinsamen Presseaussen- gelt. Durch Flexibilität und Engagement konnten jedoch dung auf. Es braucht Sichtbarkeit, Unterstützung und in den meisten Organisationen der Betrieb so weiterlau- krisensichere Netze für Frauen mit Behinderungen. Dazu fen, dass Beratungen und Unterstützung für Menschen mehr auf der Seite 7. mit Behinderungen gewährleistet waren. Auch die Nutzer*innen und Kund*innen mit Behinderungen der Warten und vorbereiten unterschiedlichen Angebote bewiesen Geduld, Durchhal- Das Wechselspiel von Ankündigung und Maßnahmen tevermögen und Flexibilität. Eine Leistung, auf die alle zur COVID-19 Eindämmung ist dem Erwarten von Lo- zusammen sehr stolz sein können. Zusammenarbeit und ckerungs- und Unterstützungsmaßnahmen gewichen. Solidarität haben uns durch diese erste Phase getragen. Aktuell gibt es täglich Infektionsfälle im zweistelligen Bereich. Die Situation kann sich schnell wieder ändern, Es gilt: Handhygiene, Masken, Abstand zeigen uns die Erfahrungen anderer Länder. Interessen- Gemeinsam haben wir die Chance, positiven Einfluss auf vertretungen müssen weiterhin wachsam sein und darauf die nächsten Monate zu haben. Regelmäßiges richtiges achten, dass nicht unter dem Deckmantel eines wirt- Händewaschen, Nutzung eines Mund-Nasen-Schutzes schaftlich nötigen Nutzens Rückschritte in der Partizi- und Abstand, wo es geboten ist, wird uns noch für viele pation und Barrierefreiheit stattfinden. Ein Beispiel für Monate begleiten. Coronavirus und Risikogruppen Unklarheit, Unsicherheit und fehlende Langzeitperspektive Von Manuela Lanzinger / MS Gesellschaft M ehr als fünf Wochen brauchte die Regierung für an, dass bis Ende der Woche jene Menschen, bei denen eine Regelung zum Schutz von Risikogruppen am im Fall einer Infektion ein besonders hohes Risiko für ihr Arbeitsplatz. Die Betroffenen erlebten eine lange Leben besteht, identifiziert werden und die Berufstätigen Zeit mit viel Unsicherheit und einer Berg- und Talfahrt unter ihnen – wenn möglich – im Homeoffice arbeiten ihrer Emotionen. Über Wochen konnte ihnen niemand ihre oder eine bezahlte Freistellung erhalten sollen. Zu diesem Fragen beantworten. Zeitpunkt waren außerdem Personen, die im Bereich der versorgungskritischen Infrastruktur beschäftigt waren, Bei einer Pressekonferenz am 13. März 2020 gab Gesund- von diesen Schutzmaßnahmen noch ausgeschlossen. heitsminister Rudolf Anschober bekannt, dass es für Per- sonen mit schweren Erkrankungen ein Schutzprogramm Die Zahl von arbeitsfähigen Menschen mit erhöhtem Risiko geben soll. Am 2. April kündigte er im Ö1-Morgenjournal für einen schweren Verlauf bei einer COVID-19-Infektion 14 www.behindertenrat.at
Ausgabe 2/2020 gar nicht vor. Andere erhielten trotz Risikoattest keine tatsächlich erhöhten Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz und verzichteten aus Angst vor einem Jobverlust auf die Unterstützung von Arbeiterkammer und ÖGB. Problematisch war, dass die Regelung vorerst bis 31. Mai befristet war. Erst am 27. Mai wurde die Risikogruppen- regelung von Arbeitsministerin Christine Aschbacher per Verordnung bis 30. Juni verlängert. Aufgrund dieser späten Bekanntgabe der Verlängerung konnten Betroffene keine rechtzeitige Abstimmung oder Planung mit ihren Arbeitgeber*innen vornehmen. Auch das löste wieder Un- mut aus. Ebenso kurzfristig wurde auch die Verlängerung bis 31. Juli 2020 kommuniziert. Aufgrund dieser vielen Unsicherheiten liefen die Telefone bei Organisationen von Betroffenen und Behindertenver- bänden heiß. Betroffene aus den Risikogruppen suchten verzweifelt nach Antworten und Lösungen. Leider wurden diese Organisationen nicht von Anfang an in die Ent- scheidungsprozesse miteinbezogen, der Behindertenrat Foto: Pixabay konnte sich lediglich in der letzten Abstimmungsrunde zur Risikogruppendefinition einbringen. wurde dann noch weiter eingeschränkt. Gesundheitsminis- ter Rudolf Anschober beauftragte zehn Expert*innen aus Auch Arbeitgeber*innen und Ärzt*innen wussten Gesundheitsministerium, Arbeitsministerium, Ärzte- nicht, wie sie nach der ersten Ankündigung von Ge- kammer und Sozialversicherung mit einer Definition der sundheitsminister Rudolf Anschober vorgehen sollten. sogenannten Hochrisikogruppen. Diese benötigten drei Einige Ärzt*innen bescheinigten Menschen noch vor Wochen für diese Festlegung. Bei der Bekanntgabe der Inkrafttreten des Gesetzes, dass sie ein erhöhtes Risiko Definition der Hochrisikogruppen stellte Ärztekam- eines schweren Krankheitsverlaufs haben. Diese Atteste mer-Präsident Dr. Thomas Szekeres dann aber fest, dass wurden später nicht anerkannt, weil es mit Inkrafttre- letztlich nur die behandelnden Ärzt*innen im direkten ten der Verordnung ab 6. Mai ein eigenes Formular für Kontakt mit ihren Patient*innen einstufen können, wer COVID-19-Risiko-Atteste und eine Checkliste zu deren zur Risikogruppe gehört. Ausstellung gab. Erst Anfang Mai wurden die Briefe der Sozialversicherung zugestellt, mit denen sich Betroffene Damit stellt sich die Frage, wozu eine Expert*innengruppe bei den behandelnden Ärzt*innen COVID-19-Risiko- notwendig war und warum es nicht von Anfang an den Atteste ausstellen lassen konnten. Vorher ausgestellte behandelnden Ärzt*innen überlassen wurde, Personen mit Atteste wurden auch von den Krankenkassen nicht erhöhtem Risiko zu bestimmen. Die ab 6. Mai geltende honoriert. Diese Unklarheiten führten dazu, dass etliche Risikogruppenregelung galt dann doch auch für Beschäf- Betroffene Atteste selbst bezahlen und sich Atteste tigte im Bereich der versorgungskritischen Infrastruktur. nochmals ausstellen lassen mussten. Außerdem wurde folgende Vorgangsweise festgelegt, die viele Betroffene in eine unangenehme Situation brachte: Einige Betriebe nahmen ihre Verantwortung ernst und Arbeitgeber*innen und Betroffene müssen gemeinsam ab- stellten gefährdete Personen frei oder ließen sie ihren wägen, ob besondere Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz Urlaub sofort antreten. Im Nachhinein gab es dann eine möglich sind. Ist dies nicht möglich, kann Homeoffice in böse Überraschung: Da die Risikogruppenregelung nicht Anspruch genommen werden. Nur wenn dies auch nicht rückwirkend gültig war, erhalten Betriebe für Freistel- möglich ist, besteht ein Anspruch auf Dienstfreistellung. lungen vor 6. Mai 2020 nun keine Entschädigung. Arbeit- nehmer*innen, die hofften, dass ihr Urlaub nachträglich Manche Betroffene verschwiegen aus Angst um ihren in eine Dienstfreistellung umgewandelt werden kann, Arbeitsplatz ihre Betroffenheit und legten das Risikoattest wurden enttäuscht. www.behindertenrat.at 15
COVID-19 Datenschutzfragen durch COVID-19 Was ist im Anlassfall zu bedenken? Von Werner Pilgermair D er COVID-19 Virus wird Österreich noch länger beschäftigen. Im COVID-19 Anlassfall ergeben sich für Organisationen zum Thema Behinderung, ihre Nutzer*innen und Mitarbeiter*innen wichtige Fragestellungen zum Thema Datenschutz. Anzeigepflicht Nach dem Epidemiegesetz sind unter anderem „Humanitätsan- stalten“ und berufsmäßige Pflegepersonen, die mit der Foto: Pixabay / TheDigitalArtist „Wartung des Kranken“ befasst sind, zur Anzeige von COVID-19 Anlassfällen an die Gesundheits- nummer von potenziellen Kontakt- oder Antikörpertests bei Mitarbeit- behörde verpflichtet. Die damit personen einzutragen sind. Auch die er*innen und Klient*innen veranlas- einhergehende Offenlegung per- „Kontaktkategorie“ ist anzugeben sen. Mit der Durchführung solcher sonenbezogener Daten (Name, (Kategorie 1 bei engem Kontakt Screenings kann eine Organisation Alter, Wohnort und Bezeichnung der und Kategorie 2 bei Kontakten, die (z.B. Rotes Kreuz) beauftragt Erkrankung) ist zulässig. nicht eng waren). Schließlich ist bei werden. Die Teilnahme an Screen- Mitarbeiter*innen auch anzuführen, ings ist immer freiwillig (ausdrück- Zum „COVID-19 Anlassfall“ wird eine ob diese „Schlüsselkräfte“ sind, was liche Einwilligung der betroffenen Person erst dann, wenn der Verdacht z.B. bei Pflege- oder Assistenzfach- Personen gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. a auf Vorliegen relevanter Symptome kräften der Fall ist, nicht aber bei DSGVO). von einem Arzt bestätigt wird. Die einer Verwaltungsmitarbeiterin in subjektive Empfindung der betroff- der Buchhaltung. Datenschutzrechtlich Verantwortli- enen Person reicht dafür nicht aus. che für die Screenings sind die „Gesundheitsbehörde“ ist die Bezirks- Die Ermittlung von Kontaktpersonen Gesundheitsbehörden. In der Praxis verwaltungsbehörde (Stadtmagis- kann insbesondere anhand von wird der Organisation eine trat oder Bezirkshauptmannschaft) Dienstplänen und Terminverwaltun- Excel-Liste übermittelt, in der in deren Gebiet sich der COVID-19 gen erfolgen. Die Kontaktkategorie Stamm- und Kontaktdaten jener Anlassfall aufhält. wird in der Praxis nur durch Be- Mitarbeiter*innen und/oder fragung der involvierten Personen Klient*innen einzutragen sind, die Contact Tracing bestimmbar sein. Die Offenlegung freiwillig am Screening teilnehmen Sollte in der Organisation ein der Daten gegenüber der Gesund- möchten. Die Offenlegung der Daten COVID-19 Anlassfall eintreten, wird heitsbehörde (Retournierung der gegenüber der Gesundheitsbehörde diese häufig von der Gesundheitsbe- ausgefüllten Excel-Liste) ist zulässig. (Retournierung der ausgefüllten hörde zur Auskunft und Mitwirkung Excel-Liste) ist zulässig. Sind von herangezogen. Konkret wird der Screenings einem Screening viele Personen Organisation eine Excel-Liste über- Seit Mai 2020 können Gesundheits- betroffen, übermitteln Gesund- mittelt, in der bestimmte Daten wie behörden auf Grundlage des heitsbehörden die gesammelten Namen, Geburtsdatum und Telefon- Epidemie-gesetzes COVID-19 Tests Testergebnisse zum Teil direkt an die 16 www.behindertenrat.at
Ausgabe 2/2020 Organisation, mit dem Ersuchen, die ihre private Handynummer freiwillig Homeoffice Ergebnisse gegenüber den einzelnen bekannt gegeben (z.B. zum Zweck Jede Homeoffice Tätigkeit (ob Mitarbeiter*innen und Klient*innen der gegenseitigen Informierung befristet oder unbefristet) sollte weiter zu kommunizieren. Auch die über kurzfristige Dienstplanänderun- ausnahmslos schriftlich vereinbart Übernahme einer solchen „Brief- gen), bleiben diese Verwendungs- werden. trägerfunktion“ ist datenschutzrecht- zwecke von der COVID-19 Krise lich zulässig. unberührt. Neben allgemeinen Regelungen zur Dauer und Beendigung der Home- Fragebögen und -listen Interne Kommunikation office Tätigkeit, zur Festlegung, Werden für Besucher*innen und ex- Positive Testergebnisse, Erkrank- welchen Dienstnehmergruppen terne Personen (z.B. Bewerber*in- ungen oder vom Arzt bestätigte Homeoffice angeboten wird, und zu nen, gesetzliche Vertreter*innen, Verdachtsfälle dürfen gegenüber den erlaubten Varianten (Nutzung Angehörige, Dienstleister*innen, potenziell berührten Personen (ins- eines Firmengerätes oder eines Lieferant*innen, Handwerker*in- besondere im Rahmen des Contact privaten Gerätes), müssen dabei nen) im Eingangsbereich Kontakt- Tracings) offengelegt werden. auch immer Fragen der Datensicher- listen aufgelegt, bei denen mit der heit und des Datenschutzes geregelt Unterschrift auch zu bestätigen In der Praxis gilt dies nicht nur werden. ist, dass man frei von COVID-19 in Bezug auf Kolleg*innen und Symptomen ist, so ist dies zum Mitarbeiter*innen des COVID-19 Achtung! Schutz von Mitarbeiter*innen und Anlassfalles (z.B. Teammitglied- Aspekte des Datenschutzes werden Klient*innen zulässig (Fürsorge- er), sondern auch für involvierte in der Praxis gerne vernachlässigt. pflichten des Dienstgebers bzw. Klient*innen, Angehörige und So z.B. die Verpflichtung, dass der betreuenden Organisation). gesetzliche Vertreter*innen. Unterlagen, die zur Vorbereitung auf Solche Listen sollten 4 Wochen Auch Vorgesetzte und die Geschäfts- Videotelefonkonferenzen benötigt lang (COVID-19 Inkubationszeit leitung können informiert werden, werden oder handschriftliche Notizen von zwei Wochen zuzüglich zwei wenn dies im Zuge des COVID-19 dazu, nicht am Arbeitstisch (z.B. weitere Wochen zur Absicherung) Krisenmanagements notwendig ist. Wohnzimmer) liegen bleiben dürfen, aufbewahrt und anschließend Bei der Offenlegung von sensiblen sondern geschützt vor dem Zugriff vernichtet werden. Kontaktlisten COVID-19 Informationen ist immer durch Haushaltsangehörige oder für Besucher*innen werden auch für das Verhältnismäßigkeitsgebot zufällig anwesende Dritte aufzube- Veranstaltungen mit mehr als 100 zu beachten. wahren sind. Personen (z.B. Tag der offenen Tür) empfohlen, für die ein COVID-19 Information und Aufklärung Präventionskonzept erforderlich ist. Unabhängig davon, dass die oben beschriebenen Datenverarbeitungen Private Handynummern (Anzeigen, Contact Tracing, Screen- Im Interesse einer raschen Reaktion ing, Fragebögen, Telefonnummern auf COVID-19 Anlassfälle (insbe- und Offenlegungen) datenschutz- sondere Contact Tracing) können von rechtlich zulässig sind, darf in der Mitarbeiter*innen private Handynum- Praxis nicht übersehen werden, dass mern abgefragt und für die Dauer der betroffene Personen ganz normal Zum Autor COVID-19 Krise verwaltet werden. – so wie auch bei jeder anderen Dr. Werner Pilgermair ist Datenverarbeitung – aufgeklärt Datenschutzexperte mit Die Datenschutzbehörde weist werden müssen (Informations-pflicht Spezialisierung im Gesundheits- allerdings darauf hin, dass die nach Art. 13 und 14 DSGVO). und Sozialbereich sowie externer Bekanntgabe der privaten Telefon- Insbesondere betrifft dies die Datenschutzbeauftragter vieler nummer freiwillig bleiben muss und Verarbeitungszwecke, die öffentlicher und privater Institu- vom Dienstgeber nicht verpflichtend Rechtsgrundlagen, die Speicher- bzw. tionen. Fragen: angeordnet werden darf. Haben Aufbewahrungsdauer und allfällige datenschutz@pilgermair.at Mitarbeiter*innen bereits früher Übermittlungsempfänger. www.behindertenrat.at 17
Einfache Sprache Ausgabe 2/2020 Reisen wieder möglich Informationen für die Urlaubszeit Aus „einfach informiert“ Besonders in den Sommer-Ferien gehen viele Menschen gerne auf Reisen. Manche wollen zum Meer. Andere wollen ein fremdes Land entdecken. Bis zur Corona-Krise waren Reisen in andere Länder ganz normal. Vor allem das Reisen in Länder der Europäischen Union (kurz: EU) war kein Problem. Das nennt man Reise-Freiheit. Flugreisen sind wieder möglich Alle Fotos: Pixabay Reise-Freiheit Ende März hat Österreich seine Grenzen zu allen anderen Ländern geschlossen. Damit wollte man verhindern, dass sich das Corona-Virus weiter verbreitet. Plötzlich war es mit der Reise-Freiheit vorbei. Inzwischen gibt es in vielen Ländern nicht mehr so viele Corona-Erkrankungen. Deshalb werden die Reise-Verbote wieder gelockert. Seit Mitte Juni ist das Reisen in die meisten europäischen Länder wieder erlaubt. Das sind gute Nachrichten für Urlauber. Endlich darf man wieder verreisen. Trotzdem wird von Reisen ins Ausland abgeraten. Weil man sich noch immer mit dem Corona-Virus anstecken kann. Sommer-Urlaub in Österreich In Österreich gibt es nur noch wenige Personen mit Corona-Erkrankungen und die ärztliche Versorgung in Österreich ist sehr gut. Deshalb empfiehlt die Regierung, den Sommer-Urlaub besser in Österreich zu verbringen. Bei einer Corona-Erkrankung im fernen Ausland ist eine rasche Rück-Reise oft nur schwer zu organisieren. Trotz allem gilt aber auch im Urlaub, egal ob im Ausland oder daheim in Österreich: Niemals auf die Abstands-Regeln und Hygiene-Regeln vergessen. Hygiene einhalten bedeutet, es wird sehr auf Sauberkeit geachtet. „einfach informiert - Meine leicht verständliche Zeitung“ ist für alle Menschen gedacht, die schwierige Sprache nicht gut verstehen. Die Zeitung kann man abonnieren: office@einfach-informiert.at Tel: 0676 37 33 918 | www.einfach-informiert.at 18 www.behindertenrat.at
Einfache Sprache Ausgabe 2/2020 Alle gut informieren! Mehr Angebote in Einfacher Sprache Von Heidemarie Egger B arrierefreiheit ist mehr als eine Rampe, es ist mehr als bauliche und räumliche Barrierefreiheit. Auch Informationen müssen für alle zugänglich sein, besonders in Krisenzeiten. So scheint es kein Zufall zu sein, dass in den letzten schwierigen Monaten das Angebot an Informationen in Einfacher Sprache und Leichter Sprache stark zugenommen hat. Eine gute Million Menschen in Österreich profitiert von diesen Angeboten, da sie mit einer Lese- und Schreibschwäche leben. Print (Zeitung "einfach informiert") Mit der Zeitung „einfach informiert“ gibt es nun bereits seit Jahren eine Zeitung in Einfacher Sprache. Dieses Printmedium wurde bereits vielfach ausgezeichnet (Inklusionspreis, ÖZIV Medienpreis). Eine Kooperation mit dem Österreichischen Behindertenrat ermöglicht Texte in Einfacher Sprache im „monat“. Teletext auf Seite 470 Im ORF war der Teletext in Sachen Einfacher Sprache Vorreiter, das Informationsangebot besteht bereits seit 2017. Bis vor kurzem wurden Nachrichten nur wochentags angeboten, nunmehr können täglich Nach- richten in Einfacher Sprache auf der Teletext Seite 470 News in Einfacher Sprache Foto: ORF.at gelesen werden. Online auf www.orf.at Am 27. Mai 2020 erweiterte der ORF sein Online Angebot um täglich aktualisierte Nachrichten in Einfacher Sprache. Am Fuß des Nachrichtentickers kann man das Fenster „Nachrichten in Einfacher Sprache“ einrichten. Aktuell werden die Nachrichten von der Austria Presse Agentur (APA) zur Verfü- gung gestellt, im Rahmen ihres TopEasy Projekts in Kooperation mit capito. In Zukunft sollen auch Inhalte der inklusiven Lehrredaktion veröffentlicht werden. Gestartet wurde die Inklusive Lehrredaktion im Kurier, umgesetzt von Jugend am Werk und gefördert vom Fonds Soziales Wien. Nun ist die Redaktion in der Human-Ressource-Abteilung des ORF angesiedelt. TV (ORF III um 19:25) und Radio (Radio Wien am Sonntag) Nachrichtenbeiträge im Fernsehen in Einfacher Sprache waren bis vor kurzem noch seltene Ausnahme, jetzt erscheinen jedoch fast täglich Newsbeiträge in Einfacher Sprache auf ORF III. Radio Wien macht mit dem Wochenrückblick „Einfach! Wichtig!“ Radionachrichten für Menschen mit Lernschwierigkeiten zugänglich. Humanitarian Broadcasting Diese ORF-Initiativen sind auch der kontinuierlichen Arbeit von Franz-Joseph Huainigg im Bereich Humanitarian Broadcasting geschuldet. Mit diesem Motor wird es weitere Barrierefreiheitsentwicklungen im ORF geben. www.behindertenrat.at 19
Digitalisierung Digitale Chancen und Risiken Situation der Menschen mit Behinderungen Von Gudrun Eigelsreiter in mehreren Rechtstexten festge- schrieben. Die UN-Behinderten- rechtskonvention, die seit über 10 Jahren in Österreich in Kraft ist, geht in mehreren Artikeln darauf ein. Auf EU-Ebene gibt es dazu unter anderem, die „Web-Accessibility Richtlinie“ für Webseiten und mobile Anwendungen des Bundes, die durch das „Web-Zugänglichkeitsgesetz“ in Österreich umgesetzt wurde und seit Juli 2019 in Kraft ist. Die EU-Richt- linie „European Accessibility Act“ über barrierefreie Produkte und Dienstleistungen muss allerdings erst im Juni 2025 national umge- setzt werden. Die Umsetzung dieser Vorgaben in Österreich ist für viele gesellschaftliche Bereiche unerläss- Foto: Pixabay / Megan Rexazin lich, so auch für die Arbeitswelt, die bereits stark durch die Digitalisierung D urch die COVID-19 Krise waren Neue Technologien und geprägt ist. die „digitalen Kompetenzen“ selbstbestimmtes Leben aller gefragt. Sei es für die Wenn ein barrierefreier Zugang Arbeitswelt 4.0 Arbeit im „Homeoffice“ oder für das gewährleistet ist, bergen neue Führt die Digitalisierung tatsächlich Lehren und Lernen im „Home- Technologien und Künstliche In- zu mehr Chancen auf dem Arbeits- schooling“. Die COVID-19 Krise telligenz (KI) das Potential in sich, markt für Menschen mit Behinderun- hat vorhandene, gesellschaftliche viele Lebensbereiche zu verbessern gen? Die Teilhabe an der digitalen Schwachstellen sichtbarer gemacht. und ein selbstbestimmtes Leben zu (Arbeits-)Welt setzt einiges an befördern: Chancen auf verbesserte, Wissen, digitalen Kompetenzen, Hier machte die Krise überdeut- gesellschaftliche Teilhabe, soziale Geldmittel und Möglichkeiten einer lich, dass auch die Ressourcen für Interaktion und eine bessere Inklu- barrierefreien Nutzung voraus. Um die Teilhabe an der digitalen Welt sion ins Berufsleben. Auch assistive eine explosionsartig ansteigende ungleich verteilt sind. Ein Teil der Technologien wie Screenreader, Arbeitslosigkeit in den nächsten Kinder und Jugendlichen konnten Spracherkennungssoftware, Einga- Jahrzehnten zu verhindern, sollte schwer bis gar nicht am Home- behilfen via Kopf-, Augensteuerung, es aber im Interesse des Staates schooling teilnehmen, da viele etc. ermöglichen vielen Menschen sein, Schulungen im Bereich digitale Familien weder einen Computer mit Behinderungen neue Kommuni- Kompetenzen günstig oder kosten- noch einen Internetanschluss besit- kationswege und mehr Partizipation. los anzubieten, und zwar für alle zen. Hinzu kommt, dass viele Lehr- Neue Technologien helfen, vorhan- Altersklassen und alle Bevölkerungs- plattformen und Lernangebote nicht dene bauliche, gesellschaftliche gruppen. Zusätzlich zur „digitalen barrierefrei zugänglich waren und und kommunikative Barrieren zu Alphabetisierung“ der Bevölkerung sind. Ähnlich sieht es oftmals mit der umgehen. Die Barrierefreiheit von muss ein Paradigmenwechsel Infrastruktur im Homeoffice aus. digitalen Produkten, Dienstleistun- stattfinden: nicht nur Menschen gen und Internetseiten ist schon müssen sich an Erfordernisse der 20 www.behindertenrat.at
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