DAS NATIONALPARK GESÄUSE MAGAZIN | SOMMER 2020
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INHALT Inhalt 3 2 2 Inhalt | Impressum Freiwilliger Druckkostenbeitrag Vorwort Herbert Wölger, Ursula Lackner und Leonore Gewessler 4 Nationalpark Stipendium 8 Artportrait 12 Die Seite der Landesforste 15 Baumpersönlichkeiten 18 Digiscoping 20 Mensch und Natur 22 Landschaft im Wandel 24 Gesäuse Partner 27 Stille Naturerfahrung 28 Gesäuse Innovationspreis 30 Partnerschulprojekt 32 Fridays for Future 33 Forschungsplattform Eisenwurzen 34 Malerisches Gesäuse 37 Unser Team 38 Angebote für Besucher-/innen 40 Weltweit einzigartig – Endemiten 41 Gut beobachtet 42 Ranger Worldwide 46 Luchs Trail 47 Trans Nationalpark 48 Region Impressum 50 Stift Admont 51 Gseiserl Im Gseis Nr. 34, Sommer 2020 Herausgeber, Medieninhaber und für den Inhalt verantwortlich: Nationalpark Gesäuse GmbH Anschrift: A-8913 Admont, Weng 2 Telefon: +43 3613 210 00, Fax: +43 3613 210 00-18 E-Mail: office@nationalpark.co.at Freiwilliger Internet: www.nationalpark.co.at Druckkostenbeitrag Namentlich gekennzeichnete Beiträge liegen inhaltlich in der Verantwor- tung der jeweiligen Autoren. Copyright für alle Beiträge: Nationalpark Gesäuse GmbH. Nachdruck nur mit Einwilligung des Herausgebers. Wir bedanken uns bei allen Leserinnen und Lesern, die Layout: fuernholzer design-photography-werbung, St. Gallen einen Druckkostenbeitrag leisten! Dadurch kann Im Gseis Druck: Printkompensiert gedruckt in der Medienfabrik Graz auch weiterhin in gewohnter Qualität erscheinen. Gendergerechtes Schreiben erfordert Kompromisse. So sind die bisher übli- Wenn Sie unser Magazin zum ersten Mal in Händen halten chen Begriffe wie Nationalpark Ranger, Besucher etc. gleichberechtigt weib- und auch weiterhin beziehen möchten, reicht eine Nach- lich wie männlich zu verstehen. richt mit dem Betreff – Im Gseis Bestellung – an Titelseite: Naturwald im Sulzkar, Fotograf: Stefan Leitner karin.lattacher@nationalpark.co.at Seite 2: Wildnis im Sulzkar, Fotograf: Matthias Ledwinka Rückseite: Fotograf: Stefan Leitner Bitte überweisen Sie Ihren freiwilligen Druckkostenbeitrag an: ISSN-Nummer: 1993 – 8926 (Printausgabe) / 1993 – 9485 (Webausgabe) Nationalpark Gesäuse IBAN: AT31 3800 1010 0009 1900 BIC: RZSTAT2G001 Bank: Raiffeisenbank Admont 2 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
VORWORT Vorwort Das Vorwort gehört diesmal unseren neuen politischen Verantwortungsträgerinnen, Landes- rätin Ursula Lackner und Bundesministerin Leonore Gewessler. Der Nationalpark Gesäuse braucht sich international nicht zu verstecken. Damit das zukünftig auch so bleibt, tun wir vor Ort unser Bestes, sind aber angewiesen auf ausreichende Unterstützung „von oben“. Angesichts des weltweiten Stillstandes in der ersten Jahreshälfte wird das in den nächsten Jahren keine leichte Aufgabe werden, seien Sie sich aber maximaler Anstrengung von uns allen gewiss. Allen Lesern wünsche ich jedenfalls viel Freude beim Lesen, auch wenn das nur ein unzureichender Ersatz für das der Naturerlebnis draußen sein kann. Herbert Wölger Nationalparkdirektor „Wir brauchen die Natur, jetzt mehr denn je!“ hier deutlich zu erkennen, wie eng verstrickt Nun hat diese Aussage zusätzlich an Bedeu- die Zusammenhänge in unserem Ökosystem tung gewonnen: Während der Corona-Krise sind und welche positiven Auswirkungen der erkennen wir noch intensiver die große Be- Schutz unserer Naturräume auf unterschied- deutung unberührter Rückzugsgebiete in der lichste Bereiche hat. Natur. Als Umweltlandesrätin ist es mir besonders In der Steiermark haben wir in diesem Punkt wichtig, die Steiermark auch für kommende großes Glück: unsere Naturlandschaft ist Generationen lebenswert zu erhalten. Die einzigartig. Durch gezielte Förderung un- gute Zusammenarbeit mit dem Team des berührter Naturräume wie dem National- Nationalparks Gesäuse ist dabei ein wichti- park Gesäuse wird diese auch langfristig ger Baustein unser aller Arbeit. Durch den geschützt. Zulassen von Wildnis und ihrer gewissenhaften und engagierten Einsatz der natürlichen Entwicklung ist dabei ein wichti- Expertinnen und Experten vor Ort wird das ger Bestandteil zum Erhalt des einzigartigen Juwel Gesäuse, das sich bekanntermaßen Landschaftsbildes der Steiermark, samt der vom reißenden Wildfluss bis hin zu dem ein- damit einhergehenden Pflanzen- und Tier- zigartigen Hochgebirge erstreckt, bestmög- welt. Die positiven Auswirkungen auf die lich betreut. Ursula Lackner, Landesrätin Luftqualität, das Gesamtökosystem und na- Bild: Land Stmk/Purgstaller türlich auch auf das Wohlbefinden der Stei- Für diese wichtige Tätigkeit gilt dem gesam- rerinnen und Steirer sind dabei unbestrit- ten Team mein großer Dank. Ich freue mich ten. Der dauerhafte Erhalt der Biodiversität auf die weitere Zusammenarbeit. Meine Un- In einer Zeit, in der der Klimawandel als ist dabei besonders wichtig, da eine große terstützung als Umweltlandesrätin ist Ihnen Herzensthema bei vielen Menschen an- Artenvielfalt die Wahrscheinlichkeit von so- dabei sicher! gekommen ist, hat der US-amerikanische genannten Zoonosen, also Krankheiten, die Schauspieler Harrison Ford vor etwas mehr aus der Tierwelt auf uns Menschen über- Ursula Lackner als 2 Jahren Folgendes treffend festgehalten: tragen werden, verringert. Wieder einmal ist Landesrätin Der Nationalpark Gesäuse ist zwar Öster- Im Ministerium für Klimaschutz unterstützen reichs jüngster Nationalpark, aber mittler- wir die Arbeit der sechs österreichischen weile längst eine Institution in der Region Nationalparks, die unter dem Dach von Na- und weit über die steirischen Grenzen hinaus tionalparks Austria eng zusammenarbeiten bekannt. nicht nur ideell, sondern leisten gemeinsam mit den Ländern auch einen finanziellen Bei- Insgesamt sind in Österreich rund drei Pro- trag, und stellen damit eine professionelle zent der Staatsfläche streng als Nationalpark Arbeit aller Nationalparks sicher. geschützt. Sich bewusst und mit Umsicht aus den Abläufen der Natur herauszunehmen Die Erhaltung authentischer Natur verdient ist oft eine größere Herausforderung, als es Wertschätzung, weil es eine außergewöhn- auf den ersten Blick erscheinen mag. Dazu liche Leistung ist. Das unterstütze ich ge- braucht es unter anderem entsprechende meinsam mit dem Land Steiermark selbst- Ressourcen, Fachwissen, Mut, eine gute verständlich. Kommunikation und Partnerschaften, um die besonderen Naturschätze im Nationalpark Ich möchte mich beim Direktor und seinem auch in Wert zu setzen. Team für den unermüdlichen Einsatz und die tolle Arbeit, die Jahr für Jahr für den Erhalt des Leonore Gewessler, Bundesministerin Mit dem Partnerkonzept und der Zusammen- Nationalparks Gesäuse geleistet werden, be- Bild: BKA/Andy Wenzel arbeit mit dem Tourismus ist dem National- danken, denn gemeinsam tragen wir Verant- park Gesäuse in den letzten Jahren ein gro- wortung für das österreichische Naturerbe. ßer Wurf gelungen. Es wird an einem Strang gezogen und die Nationalparkwerte werden Leonore Gewessler, BA gemeinsam geteilt. Ein Erfolg, der für sich Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, spricht und auf den man stolz blicken kann. Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2020 3
NATIONALPARK STIPENDIUM Junge Talente im Nationalpark Gesäuse MATTHIAS LEDWINKA, ARIANE WRUMNIG Nationalparks Austria – die Dachmar- ke der österreichischen Nationalparks – schrieb in den letzten Jahren mehrfach Medienstipendien aus. Dabei konnte man sich in einem der Nationalparks für ein Stipendium aus den Kategorien Lite- ratur, Fotografie oder Videodesign bewer- ben. Letztes Jahr wurden wieder aus über 100 BewerberInnen zwei kreative Köpfe für das Gesäuse ausgewählt. Der zwei- wöchige Aufenthalt sollte zu möglichst intensiven Naturerlebnissen führen. Der Nationalpark stellte den jungen Men- schen daher sehr abgeschiedene und ein- same Unterkünfte ohne Strom und sons- tiger Infrastruktur zur Verfügung. Ariane Wrumnig absolvierte ein Stipendium für Literatur, Matthias Ledwinka war als Matthias Ledwinka schreibt als besser werden, Neues probieren, meinen Fotograf unterwegs. Wir veröffentlichen Einleitung zu seiner Fotostrecke: Stil weiterentwickeln. Lange verfolgte mich hier Teile aus beiden Arbeiten. ja sogar das Gefühl, ich hätte vielleicht gar Eine Woche auf einer abgelegenen Hütte keinen Stil oder den falschen (einen schlech- in einem einsamen Hochtal, umgeben von ten?). Wenn ich Arbeiten von Kollegen in schroffen Kalkfelswänden, das nächstgele- Magazinen sah, dachte ich oft erst einmal: gene Handynetz etwa eine Gehstunde ent- Mist, das sieht ganz anders aus als das was fernt, zumindest, soweit ich das austesten ich mache – gefolgt von einem drängenden konnte. Der Aufenthalt im Gesäuse im Rah- Gefühl, meine Bilder in Zukunft auch so aus- men des Medienstipendiums der National- sehen lassen zu müssen. Mein 17-jähriger parks Austria als Fotograf, klang für mich Neffe meinte letztens: „aber ist doch cool nach DER Gelegenheit, einerseits aus meiner wauma an eigenen Stil hod”. Wenig später Alltagswelt herauszukommen, und mich an- schrieb eine Neukundin: „Wir brauchen de- dererseits auch weiterzuentwickeln. Denn finitiv mehr von dir – deine Arbeit gefällt mir ich merke: je mehr ich als Fotograf arbeite, ehrlich gesagt viel besser, als das was wir desto weniger beschäftige ich mich bewusst bisher hatten.“ Da wurde mir (wieder ein- mit Fotografie. Klingt vielleicht absurd, aber mal) klar: Ich kann doch Stile von Kollegen während eines Jobs herrscht meist Zeitdruck bewundern, ohne sofort meinen eigenen in und in der Nachbearbeitung ebenso. Da gilt Frage stellen zu müssen. Ich kann meinen es also Skills abzurufen. Für Experimente Stil entwickeln, aber ich muss ihn nicht erst Mehr Infos zu Matthias Ledwinka unter: ist meist wenig Platz. Aber ich möchte auch suchen, ich habe bereits einen. www.delight-grafik.at Mehr Infos zu Nationalparks Austria unter: www.nationalparksaustria.at Auf der Gsengscharte Bild: Matthias Ledwinka 4 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
Blick vom Lugauer ins Radmertal Bild: Matthias Ledwinka Wildnis im Sulzkar Bild: Matthias Ledwinka Am Fuße des Lugauers Bild: Matthias Ledwinka Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2020 5
NATIONALPARK STIPENDIUM Aus Ariane Wrumnigs literarischem zu dem Augenblick, in dem wir einschlafen, den. Und jeden Tag für sich neu einzuordnen. Werk „Der Berg in meinem Kopf“ ist permanent diese Stimme da. Jeden Tag, Jeder Moment wird neu reflektiert und des- jede Sekunde. Auch während wir träumen, halb entwickeln wir uns so, wie kein anderes Allein im Wald. zeichnen unsere Gedanken jene Geschich- Tier. Wir müssen sie schätzen als das, was Ich streife durch das hohe Gras einer Lich- ten, die nur uns selbst vorbehalten bleiben. uns macht. Als das, was uns im Prinzip wach- tung, während die Wolken über mir damit Und obwohl wir manchmal in ihrem Karussell sen lässt. beginnen, ein Gewitter zu malen. Langsam gefangen sind, hören wir selten so genau hin. tauche ich ein in die Geräuschkulisse dieser Wir schieben die Stimme sogar teilweise von Plötzlich wird die Luft von einem bedrohli- Abgeschiedenheit und der Wind haucht mir uns weg und verschließen sie sorgfältig ganz chen Donnergrollen erfüllt, das hier so viel alles ins Ohr, was ich darüber wissen muss. tief in uns, wo nur noch ein dumpfes Echo zu eindringlicher zu sein scheint, als in der Groß- Die Laute erinnern mich an eine Sprache, hören bleibt. Vielleicht, weil wir uns fürchten stadt. Und mit einem Mal werde ich heraus- die ich einst beherrschte, noch lange bevor vor dem, was sie uns mitteilen könnte. Weil gezogen aus dem See meiner Gedanken. Ich meine Lippen lernten, Worte zu formen. Eine Gedanken meistens die Wahrheit erzählen. muss mittlerweile schon seit Stunden unter- Sprache, die mittlerweile unter den grauen Eine Wahrheit, die wir, womöglich aus Angst wegs sein. Aber genau weiß ich es nicht, weil Phrasen der Großstadt in Vergessenheit ge- vor deren Essenz, manchmal nicht laut aus- die Zeit hier nicht in Minuten gezählt wird. raten ist und deren Vokabel ich nun Stück für sprechen. Wenn wir mit einem Menschen Als ich in den Himmel blicke, scheint das Stück in den untersten Schubladen meines reden, dann können wir uns eigentlich nie Wolkengemälde allmählich vollendet und ich Inneren wiederfinde. Mein Verstand beginnt sicher sein, was in seinem Innersten vorgeht. folge meinen Spuren zurück zur Hütte. Da- sich zu entspannen und öffnet einen Raum, Wir müssen darauf vertrauen, dass er ehrlich bei versuche ich, meine eben gesponnenen der das Wesentliche willkommen heißt. Für ist mit uns. Aber vor allem mit sich selbst. Gedankengänge zu rekonstruieren und wun- das, was zuhause nur ersichtlich ist, wenn Dass der Mensch auseinandernimmt und zu- dere mich über deren ungewohnte Intensität. ich bewusst Platz dafür schaffe. Es ist ver- sammensetzt, um seiner Aussage Relevanz Hier gibt es nichts, das mich ablenkt. rückt, dass es für so etwas Simples erst zu geben. einen speziellen Ort braucht. Einen Ort, den In Wien lebe ich in einer Welt der perma- ich extra aufsuche, um das, was eigentlich Hast du dir auch schon mal die Frage gestellt, nenten Ablenkung. Angefangen von offen- immer da ist, wahrzunehmen. Und irgendwie warum der Mensch existiert und was ihn hier sichtlichen Dingen wie meinem Handy, dem irritiert es mich ein wenig, dass meine Ge- hält? Warum wir die Fähigkeit haben, bewusst Fernseher, Werbebotschaften, die mir über- danken plötzlich so laut sind. Es fühlt sich zu denken, um damit unsere Gedanken in all entgegenknallen, oder Nachrichten. Aber fast so an, als würden sie schreien. Vielleicht Bahnen zu lenken? auch Hobbys, Musik, Bücher, Arbeit, Uni haben sie das schon eine ganze Weile getan, und Freunde lenken mich, wenn man es ge- Ich glaube, der Sinn liegt darin, dass wir dazu aber da war zu viel im Weg und ich habe sie nau nimmt, von meinen Gedanken ab. Auch fähig sind, mit dem Herzen zu sehen und all einfach nicht gehört. Oder ich wollte es nicht. wenn ich mich in vielen dieser Dinge finde. das aufzunehmen, was uns umgibt. Dass es Diese Erkenntnis verfestigt sich zunehmend Das Denken ist schon etwas Eigenartiges. ein Wesen gibt, welches das alles sieht und in während meines Aufenthalts im Gesäuse Von dem Moment, an dem wir aufwachen, bis der Lage dazu ist, sich bewusst zu entschei- und ich nehme mir fest vor, mir in meinem Alltag mehr bewusste, ablenkungsfreie Zeit zu nehmen. Und dieses – nicht abgelenkt sein – funktioniert eigentlich auch nur, wenn ich alleine bin. Dabei frage ich mich, wann das bei mir das letzte Mal der Fall war. War ich überhaupt schon mal ganz auf mich ge- stellt? Über Tage hinweg keinen Menschen getroffen, kein Wort gesagt und nur dem Ge- spräch mit mir selbst folgend? Als ich wieder an der Hütte ankomme und über meine heiße Suppe herfalle, muss ich grinsen. Denn egal, ob man nur zehn Minu- ten oder acht Stunden unterwegs ist, aus dem Wald kommt man immer ein Stückchen Ariane Wrumnig näher bei sich selbst heraus. Bild: Matthias Ledwinka Die Gesamtheit der Werke sind online unter: https://www.nationalpark.co.at/de/news unter dem Titel „Die Ergebnisse der Na- tionalparks Austria Medienstipendien 2019“ einsehbar. Österreichische Glockenblume Mohrenfalter Bild: Matthias Ledwinka Bild: Matthias Ledwinka 6 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
Die Nordwände der Hochtorgruppe Bild: Matthias Ledwinka Auf der Hüpflinger Alm Bild: Matthias Ledwinka Im Haindlkar Gsengscharte und Haindlkarhütte Bild: Matthias Ledwinka Bild: Matthias Ledwinka Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2020 7
ARTPORTRAIT Alle guten Dinge sind wild und frei – Im Reich des Steinadlers MAGDALENA KALTENBRUNNER Kaum ein anderes Wildtier hat die Kul- wurden knapp und vom Menschen wurde der tur des Menschen so stark beeinflusst. In Steinadler bald nicht mehr als der „König der weiten Teilen der Welt gelten Adler als Lüfte“, sondern als Nahrungskonkurrent und Symbol für Macht, Kraft und Eleganz, Gefahr für die wertvollen Nutztiere gesehen. zieren Wappen und Flaggen. Während Bald wurden staatliche Prämien auf den Ab- des 19. und 20. Jahrhunderts jedoch schuss ausgesetzt, bis der österreichische wurden Steinadler vom Wappentier zum Steinadlerbestand um 1900 auf 2 – 3 Paare Feindbild und wie viele andere Raubtiere geschrumpft war. Der Verfolgung konnte werden die meisten Horste in Felswänden erbarmungslos geschossen, gefangen oder der Steinadler nur im Hochgebirge an für angelegt, nur rund 5 % aller bekannten Hor- vergiftet. Der Steinadler wäre vor gut Menschen schwer zugänglichen Hängen ent- ste befinden sich auf Bäumen. Im National- hundert Jahren auch in den Alpen bei- gehen. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts park Gesäuse und seiner näheren Umgebung nahe ausgerottet worden. Strenge Schutz- kam schließlich die Trendwende. Greifvögel wurden bisher 50 Horste gefunden. Zwei bestimmungen und die Errichtung von und andere Raubtiere wurden als wichtiger davon befinden sich auf alten Fichten, was Schutzgebieten waren die Rettung in letz- Bestandteil des Lebensraums erkannt und ungefähr dem alpenweiten Durchschnitt ent- ter Minute. unter strengen Schutz gestellt. Heute ist der spricht. Schon im Winter beginnen die Stein- Alpenbogen das Kerngebiet der Adlerverbrei- adler mit dem Bau, wobei sie durchaus einen tung in Europa und in Österreich gibt es wie- Sinn für Altbewährtes haben. Meistens wer- Der Steinadler (Aquila chrysaetos) ist ein der etwa 300 – 350 Paare. den die Horste über viele Jahre hinweg be- Generalist, ein Weltenbürger unter den Greif- nutzt, ausgebessert und ausgebaut. Aus der vögeln – überall daheim und doch so beson- Wenn sich ein Steinadlerpaar einmal gefun- Schweiz sind nachweislich seit 60 – 80 Jah- ders. Er besiedelt auf der ganzen Nordhalb- den hat, bleibt es normalerweise ein Leben ren bestehende und immer wieder benutzte kugel verschiedenste offene und halboffene lang zusammen und hält auch zeitlebens Horste bekannt. Generationen von Vögeln Landschaften in den Hochlagen der asiati- dasselbe Revier. Die Grenzen dieses Revie- haben Äste und Zweige scheinbar wahllos, schen und europäischen Gebirge, der iberi- res werden während der Brutperiode aber aber doch sehr haltbar, übereinander ge- schen Halbinsel, weiter Teile Nordamerikas, v.a. während der Paarungszeit im Spätwin- türmt. Seltener werden auch neue Horste Tundren in Nordasien sowie Steppen und ter durch den sogenannten Girlandenflug angelegt. Eine kleine, mit Flechten und Moo- Wüsten in Mittelamerika und Nordafrika. angezeigt und abgesteckt. Dies ist wichtig, sen ausgepolsterte Mulde in der Mitte bietet Früher war der majestätische Vogel auch in um das Nahrungsangebot für sich und den Platz für Gelege und Junge. Wohnungsknapp- Mitteleuropa in tieferen Lagen wie Mooren Nachwuchs zu sichern. Vehement werden heit kennen Adler nicht. Meist befinden sich und Kulturland daheim. Bis ins Mittelalter hi- die Grenzen gegenüber fremden Artgenos- mehrere Horste innerhalb eines Revieres nein machte er sich sogar die großflächigen sen verteidigt, denn die Ansprüche eines Ad- und das Adlerpaar wechselt ihn mehr oder Rodungen zur Gewinnung von Weideland als lerpaares an ihr Revier sind durchaus hoch. weniger regelmäßig von Jahr zu Jahr. Ob ein ergiebiges Jagdgebiet zunutze. Im Laufe der Im Mittelpunkt des Steinadlerlebens und Horst aktuell beflogen wird, erkennt man an Zeit wurden aber immer weniger Weidetiere -jahres steht der Horst, wie das Nest von den frischen grünen Trieben, die während gehalten und vermehrt Wildtiere erlegt. Mit Greifvögeln genannt wird. Er sollte an einer der ganzen Bruttätigkeit regelmäßig in den dem Aufkommen der Schusswaffen wur- ungestörten, am besten vor Wind, Nieder- Horst getragen werden. den schließlich viele Wildarten derart stark schlag und kletterfreudigen Nesträubern zurückgedrängt, dass z.B. das Murmeltier, geschützten Stelle Platz finden und im Früh- Steinadler wiegen ca. 4 – 5 kg, können aber der Steinbock und – heute kaum vorstellbar sommer nicht zu heiß werden. Beutetiere bis zu einem Gewicht von 5 kg – auch das Rotwild fast zur Gänze aus den Dies können überhängende Felsnischen transportieren. Optimalerweise wird der Alpen verschwunden war. Die Ressourcen oder hohe, alte Bäume sein. In den Alpen Horst deshalb in Felswänden unterhalb des Hauptjagdgebietes angelegt, damit der Steinadler mit seiner Beute gemütlich berg- ab segeln kann, anstatt sie mühsam hinauf- zutragen. Überhaupt ist die Fähigkeit, die Thermik zu nutzen und weite Strecken im Se- gelflug zurückzulegen, überlebensnotwendig. Der Energiebedarf, die gleiche Strecke im 8 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
Scheinbar schwerelos gleitet der König der Lüfte über die Welt Bild: Toni Kerschbaumer Ruderflug zurückzulegen, würde den Ener- giegewinn aus der Nahrung bei weitem über- steigen. Die großen, breiten Flügel und die einzeln beweglichen und weit gespreizten Handschwingen, die dadurch Turbulenzen ausgleichen können, sind die optimale An- passung an diesen Flugstil. Um praktische Jagdgebiete und ausreichend Beutetiere über das ganze Jahr, sowie einen optimalen Standort für den Horst zu ver- einen, ist ein Steinadlerrevier relativ groß, und zwar zwischen 30 und 100 km2. Direkt im Nationalpark befinden sich die Territorien von drei Steinadlerpaaren. Aber auch die Ge- biete außen herum sind optimal besetzt. Im Bereich zwischen St. Gallen, Admont, Rad- mer und Hieflau lassen sich zehn Reviere er- kennen. Die tatsächliche Größe richtet sich nach dem Angebot und der Struktur und va- riiert stark. Im Gesäuse sind die Reviere mit durchschnittlich 49 km2 eher klein, und da- mit wohl solche Reviere, die selbst auf klei- ner Fläche genügend Nahrung bieten. Ein größeres Revier bedeutet nämlich nicht zwangsläufig eine bessere Erfolgschance, denn je größer das Revier ist, umso schwieri- ger ist die Verteidigung seiner Außengrenzen. Wenn revierlose Jungadler eindringen, wer- den die Elternvögel zu oft gezwungen, den Horst zu verlassen, um die Fremden zu ver- jagen. Und das hat seinen Preis. Dann kann es passieren, dass das Gelege nicht ausrei- chend bebrütet oder das Junge nicht gut ver- sorgt wird und der Bruterfolg sinkt. Auf diese Weise reguliert sich eine Adlerpopulation selbst. Der goldene Schimmer der Nackenfedern verhalf dem Steinadler zu seinem englischen Namen „The Golden Eagle“ Normalerweise erreichen Adler in freier Wild- Bild: Herfried Marek bahn ein maximales Alter von 30 – 40 Jah- ren, in Gefangenschaft aber auch durchaus Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2020 9
ARTPORTRAIT deutlich älter. Alfred Flückiger erzählt in seinem Buch „Uhu und Steinadler“ von ei- nem besonderen Fall. Ein Steinadler, der im Kaukasus zur Beizjagd abgerichtet und dort besonders wertvoll war, entwischte wäh- rend der Jagd und wurde 1845 in Frankreich abgeschossen. Nicht nur die weite Reise war außergewöhnlich, sondern auch das golde- ne Halskettchen, das der Adler umhatte. Die Inschrift lautete: „Der Kaukasus ist meine Heimat, Blitz mein Name, Badinsky mein Meister, 1750“. Dieser Vogel ist also 95 Jah- re alt geworden – ein wahrer Methusalem unter den Steinadlern. Der Wahrheitsgehalt kann heute aber nicht mehr hundertprozen- tig überprüft werden. Die Populationsdichte der Adler hängt ne- ben dem Alter auch vom Bruterfolg ab. Der Durchschnitt ausgeflogener Jungadler pro Jahr liegt im Alpenraum zwischen 0,13 und 0,79. Für den Nationalpark lässt sich für die letzten 10 bis 15 Jahre ein mittlerer Wert von 54 % errechnen. Jedes Paar zog also durch- schnittlich alle zwei Jahre ein Junges groß. Horste befinden sich gut geschützt und getarnt in den Felswänden und Nischen. Wäre nicht gerade ein Adler gelandet, könnte man ihn kaum von der Umgebung unterscheiden. Bereits im späten Winter wird der passende Bild: Alexander Maringer Horstplatz für das bevorstehende Jahr aus- gesucht. Die Paarung erfolgt von Februar bis März und bald darauf auch die Eiablage. An- schließend muss sich ein Elternteil für ein- einhalb Monate rund um die Uhr dem Brut- geschäft widmen. Hauptsächlich übernimmt das Weibchen diese Aufgabe. Immer wieder wird jedoch gewechselt, um auch ihm die Jagd zu ermöglichen. Der zeitige Beginn im Frühjahr ist besonders wichtig, aber nicht ganz ungefährlich. Zwar fällt die Aufzucht der Jungvögel in die beute- reichste Zeit des Jahres, ein später Winter- einbruch kann den frisch geschlüpften oder wenige Wochen alten Adlern das Leben aber ziemlich schwer machen. Sie besitzen näm- lich noch kein wasserabweisendes Großge- fieder, sondern warme, aber bei Regen un- praktische weiße Daunen. Nichtsdestotrotz, wer bis zum nächsten Wintereinbruch so viel wie möglich von den Eltern lernen soll, um selbstständig überleben zu können, braucht so viel Zeit wie möglich. Frisch geschlüpfte Jungadler sind sehr for- dernd und für die Eltern beginnt eine stres- sige Zeit. Die Jungen wollen gewärmt und die ersten 30 Tage mit schnabelgerechten Fleischstü- cken gefüttert werden. Später sind sie sel- ber in der Lage, die Beute zu zerkleinern und zu fressen. Ab dieser Zeit lassen sich die Eltern immer seltener am Horst blicken und die Jungen sind die meiste Zeit alleine. Nur Futter wird ständig vorbeigebracht. Die Jun- gen werden regelrecht überfüttert und leben im Überfluss, aber sie müssen sich ja auch innerhalb von eineinhalb Monaten vom klei- nen flauschigen Daunenknäuel zum statt- lichen, großen Raubvogel entwickeln. Nach ca. zwei Monaten schauen die Jungen ihren Eltern schon ziemlich ähnlich, die Entwick- Das kastanienbraune und glänzende Großgefieder schützt vor Wind lung des Großgefieders ist so gut wie ab- und Wetter und erlaubt das elegante Kreisen in der Thermik. geschlossen. Jetzt kommt bald der Tag des Bild: Hubert Keil 10 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
ARTPORTRAIT Jungfernflugs. In den Tagen davor sind die Jungadler sehr nervös und werden nur mehr spärlich gefüttert, denn sie müssen wieder etwas an Gewicht verlieren, damit der ers- te Flug gelingt. Außerdem können hungrige Jungvögel viel eher auf einen nahegelegenen Baum gelockt werden, an dem ein Elternteil mit frischer Beute wartet. Nach dem ersten waghalsigen Sprung in die Tiefe beginnt die eigentliche Lehrzeit. Auf dem Stunden- plan stehen Jagdtechnik, Thermik und das Erkennen von Gefahren. Auf ausgedehnten Flügen mit ihren Eltern erkunden die Jungen die Welt um sich herum. Da das Erlernen der Jagd etwas Zeit in Anspruch nimmt, sind sie noch einige Monate auf die Versorgung durch die Eltern angewiesen. Weitere fünf Monate später, sobald die Altvögel wieder mit den Vorbereitungen für die neue Brutsai- son beginnen, werden die Jungvögel aus dem Junge Adler wollen andauernd gewärmt und gefüttert werden. Revier der Eltern vertrieben. Die nächsten Unermüdlich bringen die Eltern Beute in den Horst. Jahre werden sie weit herumkommen, strei- Bild: Hubert Keil fen im Sommer einzelgängerisch, im Winter in kleineren Gruppen weit über den Alpen- raum. Aber die Wanderjahre sind kein Ho- Die bedingungslose Bejagung gibt es dank nigschlecken. Immer wieder werden sie von guter Gesetze und einem Umdenken in Altvögeln aus den besten Territorien vertrie- der Gesellschaft heutzutage nicht mehr. ben und die ergiebigsten Jagdgebiete bleiben Dennoch geht der Bruterfolg doch Hand in ihnen verwehrt. Nur wer den Gefahren der Hand mit einem ruhigen, vor Störungen ge- Umwelt trotzt, kann ab der Geschlechtsreife schützten Horst und Gebiet. Steinadler sind mit vier bis fünf Jahren selbst erfolgreich ein sehr empfindlich gegenüber Unruhen ver- Revier gründen und Junge großziehen. schiedenster Art und lassen vor Schreck oft Jungvögel oder Bruten endgültig zurück, um Dann gleiten die stolzen Tiere in großer Höhe eiligst zu entkommen. Dahingehend stellen über die Kämme und Gipfel und können mit auch hier im Nationalpark bzw. in der Region ihren sprichwörtlichen „Adleraugen“ Beute Kletterer, Flugsportler, Hubschrauberflüge von der Größe eines Huhns auf eine Ent- zur Versorgung von Schutzhütten, aber auch Die sprichwörtlichen Augen des Adlers. Dagegen fernung von bis zu 3 Kilometer deutlich er- Forstarbeiten, Stromleitungen, Seilbahnen, sind wir fast blind wie ein Maulwurf. kennen. Die Sehkraft der Adler ist beeindru- aufdringliche Naturfotografen oder Drohnen- Bild: Metod Macek ckend. Wie durch ein Fernglas im Vergleich piloten eine neue Bedrohung dar. Aufklärung mit uns Menschen. Kleinste Bewegungen und Lenkungs- sowie Schutzmaßnahmen entgehen dem Adler nicht. Durch das zeitlich halten diese Störungen zum Glück im Zaum. viel raschere Bildauflösungsvermögen würde ein Adler einen Film wie einen Diavortrag, Um das majestätische Tier zu schützen und als Aneinanderreihung von Standbildern, – v.a. in der heiklen Brut- und Aufzuchtphase wahrnehmen. Dies trägt dazu bei, dass ein nicht zu stören – ist es notwendig zu wissen, Adler selbst bei rasanten Flugmanövern oder wie viele Adler bzw. Brutpaare es gibt und Sturzflügen die Beute nicht aus den Augen wo sich ihre Horste befinden. Darum wird verliert und zielsicher erbeuten kann. Auch im Nationalpark Gesäuse jährlich ein Moni- die Griffkraft ist enorm. Die extrem kräfti- toring, das ist eine systematische Erfassung, gen und geschickten Fänge, wie die krallen- der Steinadler durchgeführt. Am besten eig- bewehrten Füße genannt werden, können net sich dazu die Zeit der Reviersuche, Brut mit einer Kraft von bis zu 70 kg pro Quad- und Jungenaufzucht, also die Zeit von Mitte Die Fänge des Steinadlers sind so groß wie die ratzentimeter zupacken. Mit ihnen wird die März bis Ende Juli. kräftigen Hände eines ausgewachsenen Mannes. Beute gefangen und erdolcht. Ein einziger Bild: Metod Macek Griff kann den Schädelknochen von Gämsen Um den Steinadlern hier den bestmögli- durchbohren. Gamswild wird aber nur selten chen Schutz zukommen zu lassen, wurde erbeutet und wenn, dann nur vom deutlich der Fachbereich Naturschutz & Forschung größeren und kräftigeren Weibchen. in den vergangenen Jahren von einer Grup- pe slowakischer Experten beim Beobachten Der Speiseplan besteht je nach Angebot der Adler und Deuten ihrer Verhaltenswei- eher aus mittelgroßen Säugetieren wie Füch- sen unterstützt. Der Steinadler gilt als Leit- sen, Rehkitzen, Murmeltieren, Hasen oder art für das Management von Großschutzge- auch Vögeln und Schlangen. Wählerisch sind bieten wie Nationalparks. Aufgrund seiner die Adler jedenfalls nicht. Wichtig ist aber hohen Ansprüche an den Lebensraum wird eine tägliche Ration von mindestens 200 g er stark mit Wildnis und unberührter Natur Fleisch. Im Winter geht das Angebot an Beu- in Verbindung gebracht. Wer etwas für den tetieren stark zurück. Dann müssen sie sich anspruchsvollen Steinadler tut, schützt auch mit Aas begnügen. In Lawinen umgekom- viele andere Arten mit ähnlichen Ansprüchen Die optimale Zeit, um mit dem Steinadlermonitoring mene Gämsen – in anderen Gebieten auch und sorgt so für die Aufrechterhaltung einer zu beginnen, ist im beginnenden Frühjahr, die Zeit der Steinböcke – bilden die Winternahrung. intakten, wilden Natur! Reviersuche und Paarung. Bild: Blažena Sedláková Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2020 11
LANDESFORSTE Die Seite des Waldes ANDREAS HOLZINGER Im klaren Wasser des Bächleins spiegeln sich die gelben, weißen und zartrosa Blü- tenspitzen der Bachbegleitflora – noch be- kommen sie ausreichend Sonnenlicht, da das Blätterdach im Frühling noch nicht ganz ausgebildet und geschlossen ist. Was- ser ist zugleich Lebensader in der Natur: Vom kleinen Rinnsal über muntere Bäch- lein bis zur träger fließenden Enns – Flora und Fauna im Gleichklang der frühlings- frischen Jahreszeit. Auf ein Neues Im Vergleich zu den letztjährigen Schnee- massen war der heurige Winter eher schnee- arm, aber auf alle Fälle viel zu warm! Da der Boden kaum gefroren war und damit keine le- talen Verhältnisse im Oberboden für Schäd- linge, Borkenkäfer und Konsorten herrsch- ten, ist unmittelbar nach Schneeschmelze mit hoher Wahrscheinlichkeit ein rascher Befall zu erwarten. Und das nicht nur beim bekanntesten Fichten-Schädling, dem Buch- drucker, sondern auch bei etlichen anderen. Das Fraßbild des Ulmensplintkäfers Scolytus scolytus – 2019 in den Ennsauen aufgenom- men – zeigt, dass die letzten gesunden Ex- emplare der Ulme auch wieder ums Überle- ben zittern müssen. Ulmensplintkäfer – charakteristisches Fraßbild Und die zunehmend höheren Temperaturen Bild: Landesforste (der Februar war der wärmste seit Jahren) stellen die Natur selbst und den betreuenden Waldbauern vor regelrechte Quizfragen: Geht Vortrag über die Auswirkungen des Klimas Im heurigen schneearmen Winter haben die eine Anpassung der Organismen schnell ge- auf den Wald gesprochen und uns die Zu- Landesforste im Sulzenwald eine derartige nug, ist das Einwandern der Laubhölzer aus sammenhänge sehr bildhaft vor Augen ge- Bestandesumwandlung durchgeführt, die dem Talboden in die montane Bergwaldstufe führt: Auf nahezu allen unterschiedlichen nach der Entnahme von vornehmlich Fichten schon spürbar, wie sehr reduziert der in der Standorten – ob Kalk, ob Dolomit, ob Schatt- und Begünstigung aller vorhandenen Misch- Naturzone auftretende Borkenkäfer die Fich- seite oder Sonnseite, ob tiefgründig oder baumarten Lärche, Kiefer, Buche und Berg- te und wie und in welchen Intervallen ver- flachgründig, ob trocken oder feucht – wird ahorn ein interessantes Waldbild ergab. Bei läuft die Fruktifikation, also die so wichtige sich eine strukturierte, ungleichaltrig – also sehr eng gehaltenen Seiltrassen wurde nach Samenproduktion der gewünschten Misch- im klassischen Sinne plenterartige – Struk- dem Eingriff die forstliche Biomasse (Äste, baumarten Tanne, Buche und Bergahorn? Dr. tur mit stabilen Mischbaumarten (Tiefwurz- Wipfel, Blattmasse und Zweige) mit dem Georg Frank vom Wiener Forschungsinstitut lern oder Herzwurzlern) als am besten an Seilkran vom Prozessor auf der Forststraße BFW hat im Jänner in einem interessanten das Klima angepasste Waldform erweisen, wieder in den Bestand rücktransportiert, um gleichsam schon der „klimafitte Wald“. so die wertvollen Nährstoffe dem Waldboden zurückzugeben. Forstlicher Nachhilfeunterricht – „Lenken und leiten“ Ein weiterer Ansatz ist der Erhalt des Trauf- bereiches der Bestände, da die Bestandes- Entscheidend für die Entwicklung der Ver- ränder lichtbegünstigt, tief beastet und da- jüngung bei der Bestandesüberführung ist mit stabil sind. Darüber hinaus verhindert die zeitgerechte und vorsichtige Öffnung des ein funktionaler Trauf die Austrocknung des Kronendaches – im Waldbau-Jargon also das Waldbodens im Innengefüge des Bestandes „Auflichten“ im eigentlichen Sinne des Wortes. und hat auch ästhetischen Wert! 12 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
Frühlingsgrün mit bunten Farbtupfern Bild: Ernst Kren Vitaler Bergahorn in der Verjüngung bei ausreichend Licht Bild: Ernst Kren Forstfacharbeiter André bei der Astung der Fichten Buche als Hoffnungsträger Bild: Martin Zorn Bild: Ernst Kren Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2020 13
LANDESFORSTE Im Wildtiermanagement die Hausaufgaben gemacht Jeder Winter stellt die Berufsjäger vor beson- dere Herausforderungen: Da im Nationalpark nur mehr Rotwild an zwei Standorten – im Gseng und beim Gstatterbodenbauer (Be- obachtungsfütterung) – gefüttert wird und die letzte Rehwildfütterung heuer auch das letzte Mal beschickt wurde, konzentrieren sich die Aufgaben der beiden Berufsjäger Christian und Hubert auf die Beschickung der beiden Rotwildfütterungen mit qualitati- vem Futter und Heusilage. Ein unerlässlicher Teil ist dabei die saubere Schneeräumung: Erstens wegen der erforderlichen Erreich- barkeit und zweitens, weil mit der Räumung des Altschnees zwischen den Futterraufen gleichzeitig der Kot der Tiere entsorgt wird und nicht Losung gemeinsam mit Heubü- scheln aufgenommen wird. Sobald es die Vegetation außerhalb der Füt- terungsstandorte erlaubt, werden die Fütte- rungen geöffnet und Wild kann ungehindert Richtung Sommereinstände ziehen, wo dann auch die beschlagenen weiblichen Tiere ihre Respektables Ergebnis des Kälber in der freien Wildbahn setzen können. Lichtungshiebes Probleme beim Fütterungsablauf spielen lei- Bild: Martin Zorn der immer wieder unbefugte Leute im Gatter, parkende Autos bei der Zufahrt oder sogar übernachtende Camper im Bus vor dem Gat- ter oder freilaufende Hunde! Verbesserungen am Campingplatz „Forstgarten“ Durch die erfreuliche Steigerung der Besu- cherzahlen am Campingplatz „Forstgarten“, der viele Besucher in den Nationalpark lockt, werden heuer Adaptierungen fällig: So ist an der östlichen Zufahrt ein sauber geschotter- ter Parkplatz mit Parkeinteilung angedacht, am Südrand im Waldstreifen beschattete Abstellplätze für Campingbusse und auch die sanitären Anlagen sollen modernisiert werden! Na dann, gemma's an! Vitaler Bestandestrauf mit Wildobstblüten Bild: Ernst Kren Revierjäger beim morgendlichen 20 neue Parkplätze außerhalb Kontrollgang der Grünflächen Bild: Ernst Kren Bild: Viktoria Hadler 14 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
BAUMPERSÖNLICHKEITEN Baumpersönlichkeiten im Nationalpark Gesäuse – Wunderwerke der Natur Uralte Riesenfichte in Gstatterboden ANDREAS HOLZINGER Bild: Herbert Wölger Waren in den letzten Jahren immer unsere Hauptbaumarten und zugleich bunt gemischt und – zeitgemäß interpretiert Wildtiere die „Stars in der Manege“ – Namensgeber – genial vorausdenkend klimafit. der balzende Spielhahn auf den letzten für die sogenannte natürliche Waldgesell- Schneeflecken rund um die Ennstalerhüt- schaft auf Kalk im montanen Bereich des Aber nun einmal schön der Reihe nach! te, das rote Reh und die neugierige Gams Bergmischwaldes sind die dunkelgrüne, auf den Almen und zwischen den Lat- frischduftende Tanne, die im Frühjahr samt- Wenn wir am Talboden, an den Ufern von schenfeldern entlang des Steiges auf den grüne Buche und die stichnadelige, nervös Enns und Johnsbach lustwandeln, begegnet Tamischbachturm oder der König des Wal- flachwurzelnde Fichte. Diese drei Leitbaum- uns erst einmal die Weide in all ihren Far- des, der Rothirsch in der „Hohen Zeit der arten geben dem Fichten-Tannen-Buchen- ben und Formen: Von der Silberweide der Brunft“, im Winter dann lammfromm wald den Namen und bilden – so belehrt uns Lettmair Au über Mandel-, Bruch-, Korb-, bei der Fütterung in Gstatterboden oder die Forstwissenschaft – die Schlusswaldge- Grauweide, wie sie alle heißen, bis zur wohl als begehrtes Fotomotiv bei der Fotopirsch sellschaft und zugleich das Hauptgerüst der bekanntesten Weide mit leicht sakralem An- unserer geführten Wanderungen!? Künf- Bestände, sofern der Mensch nicht verän- strich, der Salweide oder Palmweide, die ja tighin werden es Waldbäume sein, die dernd eingreift. bereits jedem Kleinkind dank ihrer samtig uns die Ehre geben: Die Fichte, die Tan- weichen Kätzchen als Zierde der Palmbu- ne, die Buche, die Lärche, die, die... fällt Natürlich spielen auch die Standortfaktoren schen bekannt ist. Das Naheverhältnis zum Ihnen eigentlich auf, dass sie alle weiblich wie Exposition, Wasserhaushalt, Bodengrün- Himmel beweist ja auch unser grüner Wei- sind, unsere Bäume? Ja? Wissen sie auch, digkeit und Humus eine gestaltende Rolle dendom, der mit seinen Kuppeln in die Höhe welche 2 strammen Burschen da die Ehre und begünstigen etwa auf trockenen süd- strebt und somit gewissermaßen das Wasser der Männerwelt retten? Ja, genau: Der seitigen Rücken die genügsame Kiefer, als der Erde zum Himmel schickt. Bergahorn und der Wacholder! Pioniere die anmutige Birke oder die licht- hungrige Lärche. Auf schattendunklen Nord- Besonders berühmt im Jahr 2020 als hängen verstecken sich Eiben im Nebenbe- „Baum des Jahres“ – Die Erle stand, in wasserzügigen Gräben dominiert die Erle, im lichtbegünstigten Trauf des Alt- Nachdem alle drei Schwestern im Gesäuse holzes tummeln sich Strauchartige wie Hasel, vorkommen: Die strauchartige, hochsubalpi- Eberesche, Holunder, Weißdorn und Berbe- ne Grünerle, die an Bachläufen gesellig leben- ritze – während an der Waldkrone Latschen de Grauerle und die hochstämmige, dunkle und Zirben wetterzerzaust auf ihre Schwes- Schwarzerle oder Roterle, wollen wir auf die- tern im Tal buchstäblich hinunterschauen. sen Baum des Wassers kurz näher eingehen! Ein heiteres Sammelsurium an Baumarten – Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2020 15
BAUMPERSÖNLICHKEITEN Vitale Alttanne – überragend in ihrer Frische und Mächtigkeit Rotbuche im Rohr Bild: Viktoria Hadler Bild: Ernst Kren Säulenfichte auf der Neuburgalm Weidendom im Winterkleid Bild: Landesforste Bild: Ernst Kren Die in Trupps oder Gruppen am Wasser ste- vom Dichterfürsten persönlich stammt, kön- wir pilgern zu ihnen, wir treten in ihre Aura, henden Schwarzerlen haben hohe, bis 20 m nen wir beruhigt das Fabelende feenhaft um- um ein besonders unvergessliches Walder- astfreie, dunkle Schäfte, schlank, anmutig, dichten und erzählen, dass sie somit voll re- lebnis zu haben! haben weiches Holz, das aber unter Wasser habilitiert und ein schöner, anmutiger Baum nicht verrottet, sondern konserviert – halb ist, die ERLE, der Baum des Jahres 2020! Wer sind sie nun, unsere Helden? Venedig steht auf Erlenpfählen (solange es noch steht!). Mächtige Breite des Bergmischwaldes Vielleicht die bereits vielfach bekannte Sie neigt zur Entwicklung eines Erlenbruch- „Himmelstoßtanne“ auf dem Weg zum Johns- waldes und genau hier beginnt die Mystik: Vom Tal über die Bergflanken bis zu den Al- bachsteg, benannt nach dem legendären Wer über die Erle erzählen will, gleitet un- men erstreckt sich der Bergmischwald. Und Forstdirektor Franz Himmelstoß… oder die gewollt sofort ins Mystische, Geheimnisvolle. genau hier finden wir immer wieder einzel- Säulenfichten auf der Neuburg, die Wetter- Viele prominente Lyriker, Erzähler und Dich- ne, ganz besondere Bäume. Etwa wegen zirben am Haselkogel, der bis zu 2 m ein- ter haben die Erlen besungen – meist als ge- ihrer beachtlichen Durchmesser oder nicht geschüttete Bergahorn im Witterschutt des heimnisvolle, lasterhafte Elsen am Flussufer, enden wollenden Höhe oder knorrigen Äste Weissenbachls, sein Bruder und Wächter im amphibischen Zwischenreich von Wasser und Stammform, der bemoosten Rinde, we- (mit Marterl) am Eingang zur Sulzkaralm, die und Erde – mit ihrem düster grünen Laub, gen der vielen Spechtlöcher, die auch schon tausendjährige Urwaldeibe im Gofergraben, ihrer Wahlverwandtschaft zum gefährlich lo- vom Waldkauz besucht werden – sie alle die flechtenbehangene Bergulme im Hartels- ckenden Element des Wassers – gilt sie als flößen uns Ehrfurcht ein und Respekt. Sie graben oder die monumentale Almfichte auf Baum der Wildnis, der Sümpfe, des Unlands. können hunderte Jahre alt sein, wurden nie der Hochscheibe? genutzt, vielleicht nur vergessen, von Wind Im Erlenbruch lebt die Else, leben Baumfrau- und Wetter geprägt, zerzaust, manche Krone Viele schöne und ehrwürdige Baumriesen en, frivol und lasterhaft, die den Wanderer gebrochen, wieder verzweigt und verzwieselt, in den Gesäusewäldern, die es zu besuchen im nebeldurchgeisterten Dickicht in die Irre dann wieder aufgerichtet, aber niemals auf- und entdecken gilt – kommen Sie mit uns auf führen, in die Tiefe ziehen… borkenrissig die gegeben, gut geerdet und verwurzelt – im eine Reise in die Welt der Urwaldriesen! Wir Haut, flechtenverhangen das rote Haar… wahrsten Sinne des Wortes! Solcherart Vor- führen Sie gerne! bilder für uns selbst. Dass des großen Dichterfürsten Goethes Diesen Ehrfurcht gebietenden Wesen – die „Erlkönig“, der mit seinen Töchtern zwischen noch Köhler und Kaiser gekannt haben – gilt Wasser und Nebelstreif tanzt und letztlich unsere Achtung und Respekt – wir nennen dem Kind den Tod bringt, seinen Namen von sie einfach Baumpersönlichkeiten, auf die der Erle habe, scheint auf den ersten Blick wir besonders stolz sind und die wir Euch auf schlüssig. Irgendwie beruhigend aber, dass einer Wanderung gerne zeigen wollen. die Übersetzung aus dem Dänischen auf den Wir „nehmen sie nicht mit“ – etwa ganz bei- „Ellenkonige“ zurückgeht und schlicht: „Elfen- läufig auf dem Weg unterwegs zur Schutzhüt- könig“ bedeutet! Da der Übersetzungsfehler te oder zu einer Alm. Nein, wir besuchen sie, 16 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
BAUMPERSÖNLICHKEITEN Karg der Standort – bestens die Übersicht Bild: Ernst Kren Bergahorn als Wächter der Sulzkaralm Bild: Viktoria Hadler Schwarzerlen am Ennsboden Bild: Maximilian Aujesky Vitale Wetterzirbe an der Baumgrenze Er trotzt dem Witterschutt im Weissenbachl Bild: Ernst Kren Bild: Ernst Kren Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2020 17
DIGISCOPING Tiere und Natur direkt vor Augen – und auf der Speicherkarte Raus in die Natur. Eintauchen in das Zwitschern der Vögel, das Rascheln im Unterholz und die Eichhörnchen dabei beobachten, wie sie ihre Nüsse knacken. Ob in den weiten Wäldern, auf den um- liegenden Feldern oder am nahegelege- nen Fluss: Draußen in der Natur lassen sich viele einmalige Augenblicke erleben – mit einem Fernglas auch die weit ent- fernten. Noch schöner ist es, wenn Beob- achter diese Momente nicht nur mit den eigenen Augen sehen, sondern auch auf Bildern festhalten können. sollten vorab entfernt werden, um unnötige Kompaktkameras sind einfach in der Be- Schwingungen durch Baumeln von Trage- dienung, da viele Einstellungen automa- gurten oder Ähnlichem zu vermeiden. Mit ein tisch durchgeführt werden. Außerdem sind Digiscoping – was auf den ersten Blick kom- wenig Übung gelingen nach den ersten Ver- geringe Größe und Gewicht meist kaufent- pliziert klingt, ist mit etwas Übung leicht um- suchen schnell beeindruckende Motive. scheidende Kriterien. Zunehmend setzen zusetzen und eine perfekte Möglichkeit, die Digiscopie hebt die Naturfotografie also auf Kamerahersteller aber auch auf sogenannte Tier- und Pflanzenwelt zu beobachten und eine ganz neue Ebene. Wer die Kombination Systemkameras, eine Mischform zwischen gleichzeitig fotografisch zu erfassen. Bei von Teleskopen mit Adaptern und Kameras Spiegelreflex- und Kompaktkamera. Diese dieser Methode werden zwei Funktionen ge- nutzt, hat auch einen recht praktischen Vor- sind ebenfalls mit vielen Sonderfunktionen koppelt und so besondere Erlebnisse sowohl teil gegenüber der klassischen Fotografie. ausgestattet, aber vor allem spiegellos, was mit einem Fernglas direkt vor den eigenen Hier übliche Teleobjektive mit vergleichba- sich sehr positiv hinsichtlich Vibrationen Augen gesehen als auch gleichzeitig per Ka- ren Brennweiten (>800 mm) sind meist mit während der Aufnahme auswirkt. mera festgehalten. Digiscoping ist also Be- sehr hohen Anschaffungskosten verbunden obachten und Fotografieren in einem. Dafür und nicht zum Beobachten, sondern aus- Wie alle Digital- und Smartphone-Aufnahmen, bedarf es eines Teleskops oder Fernglases, schließlich zum Fotografieren geeignet. Die lassen sich auch Digiscoping-Aufnahmen im einer Digitalkamera, beziehungsweise eines Vorteile der Teleobjektive hingegen liegen Anschluss am Computer auswerten und ver- Smartphones, und eines entsprechenden im Autofokus und der wählbaren Blende. Bei senden, auf Social Media teilen oder in Form Adapters. Bei letzterem spricht man im Fach- einigen Modellen ist auch Bildstabilisierung von Fotobüchern festhalten. jargon vom Phonescoping. verfügbar. Jedoch punktet die Teleskop-Kom- bination mit einem zweiten entscheidenden Als langjähriger Partner des Nationalparks Für den Einstieg empfiehlt sich das Be- Vorsprung: dem Gewicht. Das Objektivmodul ist das Unternehmen SWAROVSKI OPTIK bei trachten und Erfassen von ruhigen Motiven, SWAROVSKI OPTIK ATX 85 für das Teleskop Veranstaltungen wie dem Fotofestival Ge- beispielsweise die heimische Pflanzenwelt wiegt beispielsweise nur 1.910 Gramm. Gän- säuse (fällt dieses Jahr leider aus) mit seinem im Garten oder eine Gruppe Rehe bei der gige 800 mm Teleobjektive hingegen bringen Mobile Experience Bus vor Ort und vermittelt Winterfütterung im Wald. Umfangreiches mit rund fünf Kilogramm mehr als das Dop- allen Interessierten die ersten Schritte zur technisches Equipment ist für Anfänger und pelte auf die Waage. Tier- und Naturbeobachtung inklusive Foto- Amateure nicht zwingend notwendig, auch grafie. Dabei erfahren die Teilnehmer, was fortgeschrittene Digiscoper nutzen oft ein In der Fotografie wie in der Fernoptik werden es bedeutet, Flora und Fauna bis ins Detail kompaktes Fernglas wie das CL Companion verschiedene Systeme und Technologien zu entdecken, Pflanzen und Lebewesen aber von SWAROVSKI OPTIK und verbinden die- einfach miteinander kombiniert. So kön- zugleich nicht zu nahe zu treten. ses via variablen Adapter (VPA) „nur“ mit ih- nen für Digiscoping-Anwendungen sowohl rem Smartphone. Wer im Umgang mit Fern- digitale Kompaktkameras als auch System- Denn die hochwertigen Produkte des öster- glas und weiterem Equipment noch nicht so kameras mit den entsprechenden Adaptern reichischen Fernoptik-Herstellers sind nicht versiert ist, verwendet anfangs am besten verwendet werden. Passionierte Digiscoper nur aus Liebe zum Entdecken der Natur ent- ein Stativ und arbeitet mit Kabel-, Funk- oder fotografieren häufig mit digitalen Spiegel- standen, sondern sollen ihre Nutzer auch Selbstauslöser – so wird die Gefahr von Vib- reflexkameras. Letztere bestechen bei den inspirieren, ihr mit Achtung und Respekt zu rationen während des Drückens des Auslö- neuesten Modellen durch ihre technologi- begegnen. Mit hohen Vergrößerungen durch sers minimiert. Wichtig ist, dass das Stativ schen Raffinessen, ihre leichtere und kom- lange Brennweiten schaffen Ferngläser und sicher und stabil steht und niedrig eingestellt paktere Bauweise und durch ihre fast unbe- Teleskope die nötige Distanz, um Tiere in ist. Auch Gurte und Bänder einer Kamera grenzten Einstellmöglichkeiten. ihrem natürlichen Umfeld nicht zu stören 18 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
Wildes Wasser – Steiler Fels Bild: Stefan Leitner Tier- und Pflanzenwelt beobachten Adlermonitoring mit mit SWAROVSKI OPTIK SWAROVSKI OPTIK Bild: Reinhard Thaller Bild: Reinhard Thaller und sie dennoch aus „nächster“ Nähe zu be- SWAROVSKI OPTIK mit Sitz in Absam, Tirol, ist Teil wundern. In Verbindung mit einer Kamera der Unternehmensgruppe Swarovski. Das 1949 halten Outdoor-Fans so besondere Szenen von Wilhelm Swarovski gegründete österreichische fest, ohne die Lebewesen in ihrem natürli- Unternehmen ist auf die Entwicklung und Herstel- chen Verhalten zu beeinflussen. Nach dem lung fernoptischer Geräte von höchster Präzision Einstieg mit ruhigen Motiven lernen Fortge- spezialisiert. Die Ferngläser, Teleskope, Zielfern- schrittene schnell, auch Bewegungsabläufe rohre und optronischen Geräte werden weltweit zu erfassen – zum Beispiel Vögel beim Nest- von anspruchsvollen Anwendern bevorzugt. Der bau, Eichhörnchen auf der Suche nach Nah- Erfolg des Unternehmens basiert auf seiner Inno- rung oder Bäume und Pflanzen im Wind. vationskraft, auf der Qualität und Werthaltigkeit der Produkte, sowie auf ihrem funktionalen und Da in diesem Jahr unsicher ist, ab wann ästhetischen Design. Die Wertschätzung der Natur Informationen & Kontakt: Events und Workshops wieder stattfinden ist wesentlicher Bestandteil der Firmenphilosophie können, empfiehlt sich alternativ ein Blick und findet ihren Ausdruck in der vorbildlich um- SWAROVSKI OPTIK KG auf die Website des Tiroler Familienunter- weltschonenden Produktion und in einem nachhal- Daniel-Swarovski-Straße 70 nehmens. Hier wird Digiscoping in Tutorials tigen Engagement im Rahmen ausgewählter Natur- A-6067 Absam ausführlich erklärt und mit Tipps von Exper- schutzprojekte. 2019 lag der Umsatz bei 159 Mio. E-Mail: customerservice@swarovskioptik.com ten ergänzt: Euro (Vorjahr 156,3 Mio.) und die Exportquote bei http://www.swarovskioptik.com https://at.swarovskioptik.com/outdoor/ 91 Prozent. Das Unternehmen beschäftigt weltweit Telefon: 00800 3242 5056 tutorials_und_tipps rund 980 Mitarbeiter. Das Nationalpark Gesäuse Magazin | Sommer 2020 19
MENSCH UND NATUR Die Jagd nach der DNA-Doppelhelix ALEXANDER MARINGER Die Wissenschaftsgeschichte wurde von Männern geschrieben. Erfolgreiche Frau- en werden mitunter bis heute konsequent übersehen. Selbst als es um unsere eige- nen Gene ging, verdrängten Männer ihre weibliche Mitstreiterin und gaben das später nur zögerlich zu. Rosalind Franklin wurde 1920 im Londo- Nach Kriegsende nahm Franklin 1947 eine ner Stadtteil Notting Hill geboren und hegt Forschungsstelle in Paris an und kehrte erst schon früh den Wunsch, Wissenschaftlerin 1950 nach England an das Londoner King’s zu werden. Doch in den 1930er Jahren war College zurück. Dort erstellte sie Röntgen- das für ein Mädchen noch ein sehr außerge- diagramme von Desoxyribonukleinsäuren, wöhnlicher Traum. Ihre Eltern ermöglichten kurz „DNA“, geriet aber in einen Kompetenz- Rosalind den Besuch der St. Paul’s Mädchen- streit mit dem stellvertretenden Laborleiter schule. Dieses Internat hatte den Ruf, guten Maurice Wilkins. Darin begründet sieht man naturwissenschaftlichen Unterricht anzubie- heute die Ereignisse, die sie als Wissen- ten und legte großen Wert darauf, Mädchen schaftlerin in den Hintergrund drängten und neben der Ehe noch andere Ziele zu vermit- ihre Rolle bei der Entschlüsselung der DNA- teln. So konnte Franklin im Oktober 1938 in Strukturen übersah. In wissenschaftlichen Cambridge inskribieren und qualifizierte sich Aufsätzen standen ihre männlichen Kollegen durch hervorragende Noten sogar für ein Sti- im Vordergrund, ihr Rolle wird damals als As- pendium. Sie erforschte die Struktur und das sistentin und nicht als vollwertige Forscherin Verhalten von Atomen und Molekülen und beschrieben. schloss ihr Studium 1941 ab. Die konservativen Strukturen in Cambridge Die Jagd nach der Doppelhelix waren zu dieser Zeit noch ausgeprägt. Ob- Rosalind Franklin vor dem Mikroskop wohl Frauen dort seit 1860 zum Studium zu- Anfang der 1950er Jahre war man der Ent- im Jahr 1955. gelassen waren, wurden sie nicht als vollwer- schlüsselung der DNA-Struktur schon sehr Bild: MRC Laboratory of Molecular Biology tige Universitätsangehörige akzeptiert. Etwa nahe. Theoretische Modelle wurden vorge- bei traditionellen Zeremonien erwartete man, schlagen und Rosalind Franklin experimen- dass sie bei den Ehefrauen des Lehrkörpers tierte mit hochreiner DNA, um die Anord- saßen und nicht den Platz neben ihren Kolle- nung der Atome in diesen Ketten erklären zu gen einnahmen, der ihnen zustand. können. Leidenschaft für Die Familie wurde dann in den Sog des Zwei- Dabei lernte sie an der Universität Cam- ten Weltkriegs gerissen. Die drei Brüder der bridge die jungen Wissenschaftler James Natur Familie dienten im Militär und der Vater ver- Watson und Francis Crick kennen, die da- schrieb sich der Unterstützung geflohener mals am Anfang ihrer Karriere standen. Sie Sie beeinflussen unser Denken, sie deutscher Juden. Rosalind Franklin sah sich gingen 1952 von drei Spiralketten aus, die prägen unsere Sicht der Dinge und sie in ihrer Familie dem Vorwurf ausgesetzt, die DNA bilden sollten. Über Kollegen er- inspirieren uns bis heute. Eine Spuren- dass sie lieber forschen wolle, als ebenfalls hielten Watson und Crick Zugang zu unver- suche durch die Jahrhunderte fördert Kriegsdienst etwa als Krankenschwester zu öffentlichten Forschungsergebnissen von klingende Namen zutage. Diese Men- leisten. In einem Brief an ihren Vater erklärt Rosalind Franklin und kombinierten rasch. schen haben die Schönheit in der Na- sie, dass sie angeboten hätte, ihre Promo- Im April 1953 wurde von ihnen im renom- tur für sich entdeckt und ihre Begeiste- tion zu verschieben, jedoch ihre Forschungs- mierten Fachjournal Nature die DNA-Doppel- rung in berühmt gewordenen Werken arbeit als kriegswichtig eingestuft worden helix beschrieben. Dabei handelt es sich um hinterlassen. wäre. Zu dieser Zeit arbeitete sie in einer zwei schraubenförmige Molekülketten, die Forschungsgruppe, die sich mit der effizien- ineinander verschlungen und durch Querver- ten Nutzung von Kohle auseinandersetzte. bindungen stabilisiert sind. 20 Im Gseis | Nationalpark Gesäuse
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