DAS TEAM HINTER DEN STARS
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NR. 7/2015, 20. FEBRUAR 2015 DEUTSCHE AUSGABE Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904 FC Basel: UEFA-Champions-League DAS TEAM ZLATAN IBRAHIMOVIC WERBESPOT FÜR EINE GUTE SACHE HINTER SEPP BLATTER KEINE HALBHEITEN IM KAMPF GEGEN RASSISMUS DEN STARS KOLUMBIEN ATLÉTICO NACIONAL IST ZURÜCK W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY
D I E WO C H E I M W E LT F U S S B A L L 6 Das Team im Hintergrund Nord- und Mittel- Südamerika Im Rampenlicht eines grossen Fussballklubs amerika 10 Mitglieder stehen die Spieler und der Trainer der 1. Mann- 35 Mitglieder www.conmebol.com schaft. Aber was geschieht hinter den Kulissen? www.concacaf.com Sarah Steiner über die Aufgaben und Arbeiten des Teams hinter dem Team beim FC Basel, dem Champions-League-Achtelfinalisten. 18 Boubacar Barry Der Torhüter der Elfenbeinküste avancierte im Finale des Afrika-Cups zum Helden. “Es sind zu viele Emotionen für mich”, sagt er im Interview. 23 S epp Blatter Nach den rassistischen Äusserungen und Vorfällen von dieser Woche sagt FIFA-Präsident Blatter: “Wir müssen immer und überall eine klare Haltung haben, wenn es darum geht, Diskriminierung zu bekämpfen.” 24 Frauenfussball Sechs Spielerinnen, sechs aussergewöhnliche Karrieren. 35 Günter Netzer Geht es nach unserem Kolumnisten, ist das österreichische Team an der EM 2016 dabei. In seiner Analyse hebt Netzer vor allem die Arbeit von Trainer Marcel Koller hervor. 15 Kolumbien Atlético Nacional ist mit Pablo Zeballos auf dem Weg zur Titelverteidigung. Das Team hinter den Stars Die Aufnahme auf dem Cover zeigt jubelnde Basel-Spieler in der Europa League gegen den FC Valencia. Die Partie wurde am 3. April 2014 in Basel vor leeren Rängen ausgetragen. Keystone / Georgios Kefalas Getty Images (2), imago, Keystone The-FIFA-Weekly-App The FIFA Weekly, das Magazin der FIFA, erscheint jeden Freitag in vier Sprachen und ist auch auf dem Tablet verfügbar. Frauen-Weltmeisterschaft http://www.fifa.com/mobile 6. Juni–5. Juli 2015, Kanada 2 T H E F I FA W E E K LY
D I E WO C H E I M W E LT F U S S B A L L Europa Afrika Asien Ozeanien 54 Mitglieder 54 Mitglieder 46 Mitglieder 11 Mitglieder www.uefa.com www.cafonline.com www.the-afc.com www.oceaniafootball.com 29 Zlatan Ibrahimovic Der PSG-Stürmer startet eine geniale Kampagne des Welternährungsprogramms der UN. 17 Südafrika Einmal mehr fragt sich die Premier Soccer League: Wer stoppt die Kaizer Chiefs? Blue Stars/FIFA Youth Cup U20-Weltmeisterschaft Beach-Soccer-Weltmeisterschaft U17-Weltmeisterschaft 13./14. Mai 2015, Zürich, Schweiz 30. Mai–20. Juni 2015, Neuseeland 9.–19. Juli 2015, Portugal 17. Oktober–8. November 2015, Chile T H E F I FA W E E K LY 3
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UNCOVERED Teamwork 1936 Arsenals Coach Tom Whittaker massiert Spieler Wilf Copping, links wartet Kollege N. W. Sidey. Alles was zählt M an kennt die Szene aus dem Fernsehen: Der Spieler schaut den Reporter mit weit geöffneten Augen an. Er atmet schnell. Schweiss tropft von seiner Stirn. Gleich startet er seinen verbalen Siegeszug. Eine ganz besondere Erklärung soll es sein, ein szeniger Beschrieb über die Entstehung des Tores aus 25 Metern. Stattdessen: Ein langweiliges Zitat, so nüchtern gesprochen wie ein Satz aus einer TV-Dokumentation über Mäusebussards. Das Team habe gekämpft und tolle Arbeit geleistet, sagt er. Man denkt jetzt: Zum Teufel mit dem Team. Der Fan will guten Fussball sehen. Dann will er kantige Sprüche hören. A nekdoten. Freche Analysen. Selbstlosigkeiten erscheinen ihm öde. Dabei ist es gerade das, was am Schluss zählt im Fussball: Cristiano Ronaldo ist auf einen feinen Passgeber angewiesen. Der wiederum auf einen begabten Physiotherapeuten. Der Physiotherapeut liefert jedoch nur gute Arbeit ab, wenn ihm der Vereinskoch reichhaltiges Essen kocht. Dieses Netz könnte man hier weiterspinnen, bis die letzte Person, das letzte Rädchen im Getriebe, seine Erwähnung fände. H. Allen/Topical Press Agency/Getty Images Der FC Basel, der grösste Schweizer Klub, beschäftigt 250 Angestellte. Im Rampenlicht stehen jedoch nur die Profispieler, der Cheftrainer, der Manager und der Präsident. Unsere Reportage von Sarah Steiner dokumentiert die Auf- gaben des Teams hinter dem Team (ab Seite 6). Å Alan Schweingruber T H E F I FA W E E K LY 5
FC BASEL EIN RÄDCHEN GREIFT VORNAME, NAME: Gustav Nussbaumer II GEBURTSDATUM: 21. Dezember 1952 II BEIM FCB TÄTIG ALS: Teammanager II TÄTIG SEIT: 1968 (als Junior) II AUSBILDUNG: Dipl. Kulturingenieur ETH II HERKUNFT: Schweiz II SEIN FCB-MOMENT: Erster Meistertitel und Cupsieg nach 22 Jahren und die darauffolgende “Räppli-Parade” in der Steinenvorstadt in Basel II ZAHL: Organisiert 70 Anlässe pro Monat ausserhalb des Trainings- und Spielbetriebes. II 6 T H E F I FA W E E K LY
FC BASEL INS ANDERE Im Rampenlicht stehen die Stars. Aber sie alle sind auf eine Mannschaft angewiesen, die im Hinter- grund schuftet. Eine Repor- tage aus den Katakomben des Champions-League-Klubs FC Basel. Sarah Steiner (Text) und Kostas Maros (Fotos), Basel B lau-rote Trikots drehen im Schaum, die Luft riecht nach e iner Mischung aus Schweiss, R asen und Waschmittel, das Neonlicht wirft sein gleissendes Licht auf die chromstählernen Trockner. Inmit- ten von Wäsche bergen sortiert Christine Castioni Stulpen und Hosen. Diejenigen mit den schlim- men Flecken auf den einen, die weniger verschmutzten auf den anderen Haufen. “Klar habe ich so meine Tricks für die argen Flecken”, lacht die 49-Jährige. Seit 24 Jahren wäscht sie für den FC Basel. Arbeit gibt es immer, 7 Tage die Woche. Es rumpelt im Gang. Geschrei, Gelächter. Und statt der nächsten Ladung Wäsche kommt im Rollcontainer Teammanager Gustav Nuss- baumer angefahren. Gestossen von Breel Em- bolo und Robin Huser – beide ehemalige Nach- wuchsspieler des FCB, die diese Saison den Sprung in die 1. Mannschaft geschafft haben. Der Wagen kippt, Huser liegt flach auf dem Boden, Nussbaumer sitzt noch halb im Con tainer, Embolo hält sich vor Lachen den Bauch. Die familiäre Stimmung beim FCB, sie ist nicht gespielt. “Für die Jungen nehme ich eine Art Vaterrolle ein”, sagt Nussbaumer. Es scheint nur logisch, verfolgt er doch ihre Entwicklung jeweils hautnah. 46 Jahre verbinden ihn mit dem Verein. Viele Spieler sind seither gekom- men, auch er selbst war Junior beim FCB, viele sind gegangen – am Schluss tun dies fast alle. Nussbaumer blieb. Und machte daraus seine Lebensaufgabe. Schuhe der Spieler sind tabu Auch Busfahrer Marcel Ammann ist schon seit jeher mit dem Verein verbunden. “Mit sie- ben Jahren war ich das erste Mal im Stadion, Kostas Maros / 13Photo seither ist der FCB mein Verein”, erzählt er. Entspannt Das riesige Logo auf dem Rückfenster lässt Teammanager Gustav Nussbaumer (m.) keine Frage offen, welcher Bus hier gefahren mit seinen Schützlingen kommt. Ammann trägt als Fahrer eine riesige Breel Embolo (l.) und Robin Huser. Verantwortung. “Der Druck ist gross. Aber T H E F I FA W E E K LY 7
FC BASEL ”Was meine Ziele sind? Beim FC Basel bleiben.” Waschfrau Christine Castioni igentlich ist es völlig egal, ob Messi oder ein e Kindergartenkind im Bus sitzt, mein Job bleibt derselbe. Ich muss meine Gäste sicher ans Ziel bringen.” Abertausende von Kilome- tern ist er schon gefahren, sei es das Team an Auswärtsspiele in der Schweiz oder das Mate- rial ins Trainingslager nach Spanien. Unmengen an Bällen, Trikots, Schuhen und weiteren Trainingsutensilien braucht ein Team, um zu trainieren. Verantwortlich, dass nichts vergessen geht, ist in Basel unter anderem Mauro Vivarelli. “Für die Spieler ist das Mate- rial von höchster Wichtigkeit. Sie müssen da- mit arbeiten und tragen ihm auch entspre- chend Sorge”, sagt der 53-jährige Italiener. Akribisch genau sortiert er Trikots, pumpt Bälle, zählt Pylonen. Er weiss, welcher Spieler welches Material braucht. Kommen die Fuss- baller in die Garderobe, finden sie fein säuber- lich ihre Sachen aufgereiht vor ihrem Spind. Einzig die Schuhe sind Sache des Spielers. “Sie sind ihr wichtigstes Werkzeug und deswegen in ihrer eigenen Verantwortung”, sagt Vivarelli. Verletzungsrisiko minimieren Wieder ist Gelächter zu hören. Es kommt aus dem Physiotherapieraum. Drei Spieler liegen auf den Massageliegen. Muskelbepackte Ober- schenkel und Rücken werden bearbeitet. Lö- sen, massieren, aufbauen. Alignment ist der neue Ansatz der Physiotherapie. “Mit Manipu- lations- und Mobilitätstechniken versuchen wir, den Körper des Spielers im Gleichgewicht zu halten”, erklärt Nico Unternährer. Jeden Tag stehen vor dem Training Präventionsübungen auf dem Programm. Das Verletzungsrisiko zu minimieren, hat oberste Priorität. Sollte sich ein Spieler trotzdem verletzen, spielen die The- rapeuten eine Hauptrolle im G enesungsprozess. VORNAME, NAME: Christine Castioni II “Es entsteht eine sehr intensive Beziehung. GEBURTSDATUM: 28. Juni 1965 II Wir sind dann über Wochen oder Monate hin- weg jeden Tag mit ihm zusammen, arbeiten, BEIM FCB TÄTIG ALS: Waschfrau II TÄTIG SEIT: 1991 II AUSBILDUNG: Schuhverkäuferin II bauen auf. Machen kleine Schritte vorwärts HERKUNFT: Schweiz II und versuchen einen Rückschritt zu verhin- IHR FCB-MOMENT: Der Wiederaufstieg in die Nationalliga A 1994 II dern. Es kommt vor, dass der Spieler seinen ZAHL: Wäscht 90 kg Wäsche pro Training. II 8 T H E F I FA W E E K LY
FC BASEL ”Es ist ein Spagat, den wir machen. Wir bewegen uns zwischen dem FC Aarau und Real Madrid.” Präsident Bernhard Heusler Frust auch an uns auslässt, das ist völlig nor- mal”, sagt Unternährer. Die körperliche Ge- sundheit geht mit der geistigen einher. Der Physio- als Psychotherapeut. Wissenschaft und Sport im Doppelspiel. Nacho Torreño ist von dieser Kombination über- zeugt. Der Spanier hat einen Masterabschluss in Athletic Science Research und hat als 1. Assis- tenztrainer beim FCB viele Neuerungen einge- führt. Dies hat auch bei den Spielern zu einem Umdenken geführt. Mit GPS-Geräten und Puls- frequenzuhren führt er Messungen des Leis- tungspotenzials durch, sogar der Schlaf wird analysiert. “Nach anfänglicher Skepsis sind die Spieler begeistert. Sie kommen und wollen wis- sen: Wie viel bin ich gerannt, wie habe ich mich erholt?”, so der 39-Jährige. Seit letztem Jahr sind er und der Rest des Trainerstabs beim FCB. Gemeinsam haben sie schon in Ungarn und Is- rael gearbeitet, sind zu einem eingeschworenen Team geworden. “Wir verbringen täglich zwölf Stunden miteinander, sieben Tage die Woche – sie sind meine zweite Familie”, sagt Torreño. Mal Brügglifeld, mal Bernabéu So lässt sich beim FCB vieles erklären. Mit Gemeinschaft, Verbundenheit, Identität. Es verwundert deswegen nicht, wenn Marco Streller, Kapitän des Teams und mit Unter- brüchen seit 15 Jahren in Basel, sagt: “Wir sind gemeinsam zu dem geworden, was wir heute sind. Vom kleinen Nationalliga-B-Ver- ein zu dem Klub, der heute in der Champions League unter den besten 16 Mannschaften Europas ist.” Er weiss, dass es dafür nicht nur die Fussballer gebraucht hat. “Ohne das Team hinter dem Team, wäre es nicht mög- lich. Es ist entscheidend.” VORNAME, NAME: Bernhard Heusler II Der Mann, der beim FC Basel die Fäden zu- sammenhält, Klubpräsident Bernhard Heusler, GEBURTSDATUM: 27. Dezember 1963 II weiss das nur zu gut. In seiner Verantwortung BEIM FCB TÄTIG ALS: Präsident II TÄTIG SEIT: 2003, Operativer Leiter seit 2009, Präsident seit 2012 II liegt es, dass optimale Bedingungen geschaffen AUSBILDUNG: Anwalt (Dr. iur.) II HERKUNFT: Schweiz II werden. “Wir müssen dafür sorgen, dass wir die SEIN FCB-MOMENT: Finalissima in Bern 2010 II ZAHL: 3 Heimsiege gegen Manchester United, Kooperation des Teams stärken. Alle Mitarbeiter Chelsea FC und Liverpool FC in den 3 vergangenen Champions-League-Teilnahmen II müssen wissen, dass das Interesse des Klubs im T H E F I FA W E E K LY 9
FC BASEL “Es ist völlig egal, ob Messi oder ein Kindergartenkind im Bus sitzt, mein Job bleibt derselbe.” Busfahrer Marcel Ammann Vordergrund steht. Denn das Image des Ver- eins hängt mit der Wirtschaftlichkeit zusam- men”, erklärt er. Vor allem weil der FC Basel ein Klub aus der kleinen Schweiz ist, verblüfft sein internationaler Erfolg. 1988 noch spielte er in der Nationalliga B, der Wiederaufstieg erfolgte 1994. Seit 2002 holte sich der FCB neun Meis- tertitel, sechs Cupsiege, war fünfmal in der Champions League und 2013 im Halbfinale der Europa League. “Es ist ein Spagat, den wir ma- chen”, sagt Heusler. “Wir bewegen uns zwi- schen dem FC Aarau und Real Madrid, zwi- schen dem kleinen Stadion Brügglifeld und dem Bernabéu.” Doch dieser Spagat scheint zu gelingen. Sicher auch weil es Spieler gibt wie Streller, die Sätze sagen wie: “Wir müssen de- mütig sein und diese Demut auch den jungen Spielern mit auf den Weg geben”. Jeder hat einen persönlichen Plan Intelligenz spielt im heutigen Fussballgeschäft eine wichtige Rolle. Der Konkurrenzkampf ist gross. Die Stars setzen alles daran, die Komple- xität des Spiels, aber auch des eigenen Körpers, zu verstehen. Das ist entscheidend. “Sie wollen so lange wie möglich Profifussball spielen. Da- mit dies gelingt, müssen sie verstehen, wie ihr Körper arbeitet, wie sie trainieren, aber auch sich erholen müssen. Sie müssen lernen, warum es wichtig ist, früh ins Bett zu gehen und nicht vor dem TV zu sitzen”, erklärt Torreño. Die In- tegration der Spieler ist entscheidend. Der A ssistenztrainer spricht nicht bloss aus der Theorie. Er selbst war Spieler, zwar ohne viel Talent, wie er selber sagt, aber er kennt den Sport auch aus der Praxis. Jedes Wochenende Meisterschaft, dazu kommen der Pokal und die internationalen Be- gegnungen. Die Doppel- oder gar Dreifachbe- VORNAME, NAME: Marcel Ammann II lastung zehrt an den Kräften. Diese gilt es best- GEBURTSDATUM: 2. Juli 1970 II möglich einzuteilen. “Jeder Spieler hat seinen persönlichen Plan. Die Dosierung muss stim- BEIM FCB TÄTIG ALS: Chauffeur der 1. Mannschaft II TÄTIG SEIT: 2005 II AUSBILDUNG: Lastwagenchauffeur II men”, sagt Unternährer. Der Physiotherapeut HERKUNFT: Schweiz II SEIN FCB-MOMENT: Die Einladung des Vereins an das Auswärtsspiel an der arbeitet seit über zehn Jahren im Fussballme- Anfield Road gegen den Liverpool FC II tier. Immer schon war es sein Traum, seinen ZAHL: Fährt 15 000 km pro Saison. II 10 T H E F I FA W E E K LY
FC BASEL “Ich bin nur ein kleines Rädchen im Getriebe. Aber ohne die kleinen funktioniert es ja nicht.” Materialwart Mauro Vivarelli Beruf mit dem Sport zu verbinden. “Aber ich wusste, es ist sehr unrealistisch, eine Anstel- lung zu finden”, erzählt er. Doch der Traum erfüllte sich. Beim FC Zürich profitierte er von der jahrelangen Erfahrung des Niederländers Ad van den Bergh. “Eine gute Ausbildung und Erfahrung sind das A und O. Einerseits medi- zinisch und therapeutisch, andererseits auch menschlich. Denn auch wir stehen unter einem grossen Druck”, sagt Unternährer. Die 15-Stunden-Tage Die Spieler sind inzwischen gegangen. Mauro Vivarelli startet seinen letzten Gang durch die Kabine. Viel Zeit bleibt ihm nicht, er muss die Videoaufnahmen vom Training schneiden. Denn zusätzlich zu seinem Materialjob, ist Vi- varelli beim FCB zuständig für das Technical Filming. “Damit unser Videoanalyst die Spieler bewerten, Laufwege anschauen und Situatio- nen beurteilen kann, muss er das gesamte Spiel- feld sehen”, erklärt er. So baut er bei vielen Trai- nings seine Kamera auf und fängt die Spieler bei der Arbeit ein. Ein bisschen wie die Jung- frau zum Kind sei er zu dieser Aufgabe gekom- men. Bei seinem früheren Verein habe eine Kamera herumgelegen und der Coach habe ihn gefragt, ob er nicht ein Spiel filmen könne. “Aus diesem Versuch ist mein Job geworden und so kam ich zum FCB. Natürlich bin ich nur ein klei- nes Rädchen im grossen Getriebe. Aber ohne die Kleinen funktioniert es ja nicht”, lacht er. Die Tage sind lang beim FCB. Für alle Mitarbeitenden. Dies vor allem auch an Spieltagen. Viel Vorbereitung ist notwendig, viel Vorlaufzeit. Auch für den Busfahrer be- ginnt der Tag an einem Auswärtsspiel früh. “15-Stunden-Tage sind keine Seltenheit”, sagt VORNAME, NAME: Mauro Vivarelli II Ammann. Er trägt, serviert, fährt, putzt – ist Mädchen für alles. Doch das stört ihn nicht. GEBURTSDATUM: 21. Januar 1962 II “Es macht mich stolz, den FCB zu fahren”, BEIM FCB TÄTIG ALS: Materialwart, Technical Filming II TÄTIG SEIT: 2011 II AUSBILDUNG: Automechaniker II sagt er. Und auch wenn sich die Verhältnisse HERKUNFT: Italien II auf den Strassen in den letzten Jahren geän- SEIN FCB-MOMENT: Jeder einzelne Tag II dert hätten – die Aggressivität im Verkehr sei ZAHL: Pumpt 40 Bälle pro Training. II grösser geworden, jeder wolle Polizist spielen, T H E F I FA W E E K LY 11
FC BASEL ”Erfahrung ist das A und O. Einerseits medizi- nisch und therapeutisch, andererseits aber auch menschlich.” Physiotherapeut Nico Unternährer telefoniere und schreibe SMS – so ist der Kontakt zu den Spielern und die Herzlichkeit im Team Lohn genug für den Fahrer. “Und es ist noch nie etwas Schlimmes passiert, das ist das Wichtigste.“ Man hat das Gefühl, dass beinahe jeder beim FCB seinen Beruf als Berufung sieht. “Es ist ein grosses Privileg, mit jungen Men- schen zu arbeiten, die motiviert sind und alles für ihren Traum geben”, sagt beispiels- weise Teammanager Nussbaumer. Seine Au- gen leuchten, wenn er von seiner Arbeit er- zählt. Sein Pensum ist immens. Er hält dem Coach den Rücken frei, organisiert die Anrei- se an die Spiele, die Hotels, die Teamessen, die Testspiele, beantwortet Anfragen, orga- nisiert Sprachunterricht für die Spieler, kümmert sich um Ticketwünsche des Staffs. Und das alles aus einem Büro in den Kata- komben des Stadions. Ein kleiner Raum, kein Fenster, Neonlicht. “Zu mehr hat’s nicht ge- reicht”, lacht er und relativiert, dass er natür- lich ein schönes, helles Büro auf der Ge- schäftsstelle haben könnte, dann jedoch der Kontakt zur Mannschaft fehlen würde. Und der sei essenziell. “Es geht nicht nur um Titel und Erfolge. Für mich sind es die alltäglichen Erlebnisse und Begegnungen, die ich brau- che, die Lohn genug sind, für die Arbeit, die ich mache”, sagt Nussbaumer. Fast kitschige Harmonie Die letzte Wäsche des Tages dreht gerade ihre Runden im Trockner. Bald ist auch der Arbeits- tag von Christine Castioni zu Ende. Die Trikots sind gewaschen, fein säuberlich zusammenge- legt und versorgt. Alles ist bereit für den neuen Tag. Auf die Frage, was ihre Ziele seien, ant- wortet die 49-Jährige: “Noch mehr Spieler in VORNAME, NAME: Nico Unternährer II die 1. Mannschaft zu bringen und weiterhin GEBURTSDATUM: 17. Oktober 1973 II BEIM FCB TÄTIG ALS: Physiotherapeut II TÄTIG SEIT: 2009 II internationale Erfolge feiern zu dürfen.” Dass die Frage auf sie persönlich abgezielt hat, AUSBILDUNG: Physiotherapeut und Osteopath D.O.T. II HERKUNFT: Schweiz II merkt sie im ersten Augenblick nicht. Mit ei- SEIN FCB-MOMENT: Der gewonnene Elfmeter-Krimi im Viertelfinal-Rückspiel der nem herzlichen Lachen sagt sie dann: “Sie mei- Europa League gegen Tottenham Hotspur II nen meine Ziele? Beim FCB bleiben!” ZAHL: Macht 5 Tapes pro Tag. II 12 T H E F I FA W E E K LY
FC BASEL “Die Spieler wollen wissen: Wie viel bin ich gerannt? Wie habe ich mich erholt?” Assistenztrainer Nacho Torreño Und so scheint das Motto der Muttenzer- kurve – der treusten Fans des FC Basel – auch im Verein zu leben. “Rot ist unsere Liebe – blau die ewige Treue.” Es ist fast ein bisschen kitschig, man mag es beinahe nicht glauben und sucht den Fehler. Doch man findet ihn nicht. Das Team hinter dem Team harmo- niert, arbeitet und funktioniert. Die Rädchen drehen sich, und eines greift ins andere. Jeden Tag. Immer wieder. Å FC BASEL 1893 Zahlen und Fakten Gründung: 15. November 1893 Stadion: St. Jakob-Park, 38 512 Plätze Trainer: Paulo Sousa Präsident: Bernhard Heusler Schweizer Meister: 1953, 1967, 1969, 1970, 1972, 1973, 1977, 1980, 2002, 2004, 2005, 2008, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014 Schweizer Pokalsieger: 1933, 1947, 1963, 1967, 1975, 2002, 2003, 2007, 2008, 2010, 2012 VORNAME, NAME: Nacho Torreño II Internationale Erfolge (Auswahl): Champions League: GEBURTSDATUM: 21. Januar 1976 II BEIM FCB TÄTIG ALS: Assistenztrainer II TÄTIG SEIT: 2014 II 2002 Zwischenrunde AUSBILDUNG: Master in Athletic Sciences Research II 2008, 2010, 2014 jeweils Gruppenphase HERKUNFT: Spanien II 2011 Achtelfinale Europa League: SEIN FCB-MOMENT: Steht uns vielleicht noch bevor. II 2013 Halbfinale ZAHL: Analysiert 25 Spieler pro Tag. II T H E F I FA W E E K LY 13
BLICK IN DIE LIGEN I N S I D E Kolumbien: Categoría Primera A Nacional siegte 2:1, weil Osorio so gut einge- Nacionals Torhüter Franco Armani zu und wechselt und Zeballos so zuverlässig seinen schob den Ball doch ein paar Zentimeter Na c io n a l w i e d e r Job erledigt hatte. Der 28 Jahre alte Stürmer am linken Pfosten vorbei. Was folgte, war aus Paraguay, im Dezember von Botafogo vier Minuten vor Schluss die perfekte i n der Spu r verpflichtet, war zuvor schon als Schütze Zusammenarbeit zwischen Copete und zum 1:0 für die Mannschaft aus Medellín in Zeballos. Sie katapultierte Nacional an die Sven Goldmann ist Fussball- Erscheinung getreten. Tabellenspitze. experte beim “Tagesspiegel” in Berlin. Nach vier Spieltagen steht der kolumbiani- Ein bisschen dient dieses Zwischenhoch auch sche Rekordmeister schon wieder da, wo er als Kompensation für die Enttäuschungen der Am Ende war auch ein dem eigenen Selbstverständnis nach hinge- vergangenen Wochen und Monate. Die bisschen Glück im Spiel. Es hört, nämlich auf Platz 1 der 20 Klubs schwarze Serie begann schon im Dezember, begann damit, dass Juan Carlos Osorio Mitte starken Liga. Es war allerdings nicht gerade als Nacional sich im Finale der Copa Sudame- der zweiten Halbzeit eine Eingebung hatte ein glanzvoller Sieg. Envigado, das Überra- ricana Argentiniens Meister River Plate und Jonathan Copete als Joker ins Spiel schungsteam dieser frühen Phase des geschlagen geben musste. Es folgten zwei brachte. Da hatte der Trainer von Atlético Torneo Apertura, hatte vor 8000 Zuschau- Niederlagen binnen einer Woche in den Nacional ein feines Händchen, denn der ern daheim im Estadio Polideportivo Sur entscheidenden Spielen in der Endrunde des Flügelstürmer Copete machte genau das, was keineswegs weniger vom Spiel. Die erste Torneo Clausura gegen Atlético Huila und er machen sollte: dribbeln und flanken. Kurz Saisonniederlage nach zwei Siegen und Independiente Santa Fe aus der Hauptstadt vor Schluss hob er den Ball von der linken einem Unentschieden kam recht unglück- Bogotá. Die nächste Enttäuschung folgte im Seite so geschickt in den Strafraum des lich zustande. Denn nachdem Zeballos Januar. Im Finale der Superliga de Colombia Envigado Fútbol Club, dass sein Kollege schon in der Anfangsphase die erste Chan- triumphierte nach zwei schwer umkämpften Pablo Zeballos nur noch den Fuss hinhalten ce zum Führungstor für Nacional genutzt Spielen die Konkurrenz von Santa Fe. Erst im musste. Und das, obwohl er doch von drei hatte, schaffte Yony González schnell den Februar wendeten sich die Dinge mit dem Gegenspielern umzingelt war. Kurz darauf Ausgleich. In der zweiten Halbzeit bot sich Start in die Categoría Primera A zum Besse- zappelte der Ball im Netz, und vier Minuten Cristian Arango sogar die grosse Chance ren. Dank der ersten beiden Saisontore von später war das Spitzenspiel der Categoría zum Führungstor für Envigado. Aus halb- Pablo Zeballos, dem neuen Torjäger aus Primera A auch schon vorbei. Atlético rechter Position lief er unbedrängt auf Paraguay. Å Leon Monsalve / LatinContent / Getty Images Auftrag erfüllt Neuzugang Pablo Zeballos trifft für Atlético Nacional. T H E F I FA W E E K LY 15
Österreich: Bundesliga F ü n f E l f m e te r i n z we i S p i e l e n Andreas Jaros ist freier Autor und lebt in Wien. Neun Wochen dauerte die Winterpause in Österreich. Gegen Ende wurde die Warte- zeit mit einem Schuss Aktionismus verkürzt. Rekordmeister Rapid inszenierte den Spaten- stich für sein in der Saison 2016/17 bezugsfer- tiges Allianz-Stadion als Staatsakt: Bundes- präsident Heinz Fischer, ranghöchster Anhänger der Grün-Weissen, tanzte an und schwang die Schaufel, was als Aufwärmen für seinen abendlichen Opernball-Besuch viel- leicht gar keine so üble Idee war. Und auch die Liga selbst bastelt an ihrer Zukunft. In einer gläsernen Event-Box, hoch über Wien, verkündete Vorstand Reinhard Herovits seine Visionen: “Ein fixer Startplatz in der Champions League, ein Zuschauer- schnitt von 10 000 und ein Imagewandel – weg von der Operettenliga, hin zum Vorbild im österreichischen Sport”. Ergänzend ahnte Liga-Präsident Hans Rinner: “Die Infrastruk- tur ist der Schlüssel zum Erfolg.” Natürlich geschehen Revolutionen nicht über Nacht. Daher setzte es nur wenige Tage nach dem Talk im Turm die erste Spielabsage: Grödig, ein ambitionierter Dorfverein ohne Rasenheizung, bekam Schnee und Eis nicht rechtzeitig vor dem Spiel gegen Sturm Graz vom Grün. Frustriert darüber, entzog die Liga Viel Arbeit Schiedsrichter Dominik Ouschan zeigt Ried-Spieler Gernot Trauner die Rote Karte. Grödig am 18. Februar mit sofortiger Wir- kung die Zulassung für Bewerbsspiele der höchsten Spielklasse! Ebenso turbulent ging es zum Auftakt an Austria, gepfiffen – allerdings wurden beide Punkte Rückstand. Die Mozartstädter, die zwei weiteren Schauplätzen zu: Im Wiener vergeben. Sowohl Alexander Grünwald als im Winter die Stützen Kevin Kampl (Borus- Happel-Stadion profitierte Rapid beim 3:0 auch Deutschland-Heimkehrer Raphael sia Dortmund) und Alan (Guangzhou Ever- gegen Lieblingsgegner Ried von unglaubli- Holzhauser scheiterten am famosen Wolfs- grande/China) verloren, begnügten sich beim chen drei Elfmetern innerhalb von 28 Minu- berg-Torhüter Alexander Kofler. Für Wolfs- Spiel gegen Wiener Neustadt mit einem 2:0, ten und von zwei Ausschlüssen. Deni Alar berg bedeutete das erste Tor von Michael dem zehnten Sieg en suite gegen die Nie- (2) und Robert Beric verwandelten die Berger in seinem 33. Bundesligamatch das derösterreicher. Jonatan Soriano gelang ein Elfmeter, womit die Premiere des Frei erste Drei-Punkte-Spiel nach acht Meister- Doppelpack für die Bullen. Auch die besse- stosssprays ziemlich unterging und den schaftspartien und nach einem vorangegange- ren Teams werden den Spanier nicht stoppen schäumenden Oberösterreichern auch im nen 4:0 und 2:0 den dritten Zu-Null-Saisoner- können – der 29-jährige Ballermann wird im 36. (!) Anlauf der erste Meisterschaftssieg folg gegen den Meister von 2013. Mai wieder den Meisterteller und den Schüt- bei Rapid verwehrt blieb. zentitel abstauben. Å Wie auch Altach aus Vorarlberg (2:0 gegen In Klagenfurt wurden immerhin zwei Straf- Admira) haben die Kärntner als erster imago stösse für den zweiten Wiener Grossklub, die Verfolger von Red Bull Salzburg weiter acht 16 T H E F I FA W E E K LY
Südafrika: Premier Soccer League Erfolg verpassten sie nur knapp eine neue Auch die Sundowns legten einen eher Rekord-Siegesserie in der Liga. Einen Spieltag schwachen Start in die Champions League Si n d d i e C h i e fs vor Schluss machten sie den Titel perfekt. 2015 hin. Im Hinspiel der ersten Runde gegen die Teilzeitfussballer von St. Michel n o c h e i n z u h o l e n? Das Kartenhaus der Chiefs fiel durch Verlet- United (Seychellen) kam man auswärts zungen von Schlüsselspielern und die Kon- über ein 1:1 nicht hinaus. In der heimischen Mark Gleeson ist Journalist und zentration auf die CAF-Champions-League Liga kommt der Klub jedoch langsam Fussball-Kommentator und lebt 2014 in sich zusammen. Die Reisen durch den wieder in Fahrt und konnte die letzten drei in Kapstadt. gesamten Kontinent brachten Verletzungen Spiele für sich entscheiden. Ausserdem und Erschöpfungserscheinungen mit sich. haben die Sundowns einen viel breiter Normalerweise ist es kaum Diese Erfahrung hat das Team gezeichnet, aufgestellten Kader, sodass es ihnen leich- vorstellbar, dass ein Klub, der und so geht man nun nach achtwöchiger ter fallen dürfte, sich gleichzeitig auf das nach gut der Hälfte der Saison mit 15 Punkten Pause mit etwas Vorsicht in die restlichen Rennen in der heimischen Liga und die Vorsprung an der Tabellenspitze rangiert, die Saisonspiele. Seit der Wiederaufnahme des ersten K.-o.-Runden in der Champions Meisterschaft noch verspielt. In der Regel ist Spielbetriebs haben die Chiefs bereits Punkte League zu konzentrieren. das ein grundsolides Polster. Doch beim weit liegen lassen, und der Vorsprung beträgt nur enteilten südafrikanischen Tabellenführer noch 10 Punkte. Allerdings sind sie elf Spiel Aussenseiterchancen dürfen sich im Titel- Kaizer Chiefs wird man sich noch lebhaft tage vor Schluss noch immer ungeschlagen. kampf der südafrikanischen Liga auch noch daran erinnern, dass man in der letzten Bidvest Wits auf Platz 3 und die Orlando Saison einen ähnlich hohen Vorsprung Auch in diesem Jahr nimmt der Klub wieder an Pirates auf Platz 4 ausrechnen. Allerdings verspielte und am Ende mit leeren Händen der Champions League teil und erreichte im müssten sie praktisch alle verbleibenden dastand. Den Titel in Südafrikas Premier Hinspiel der ersten Runde gegen die Township Spiele gewinnen, um die Chiefs noch einzu- Soccer League holten sich nach einer fulmi- Rollers aus dem benachbarten Botswana einen holen. Eric Tinkler, der Trainer der Pirates, nanten Aufholjagd die Mamelodi Sundowns. knappen 2:1-Heimsieg. Dieses Mal sind die brachte es in der vergangenen Woche auf Sundowns allerdings ebenfalls im afrikani- den Punkt: “Der Klub, der die Liga gewinnt, In der letzten Saison hatten die Chiefs bereits schen Wettbewerb vertreten, während sie vor verliert normalerweise in der Saison etwa elf Punkte Vorsprung vor den Sundowns zwölf Monaten keine weiteren Verpflichtungen vier bis fünf Spiele. Die Chiefs haben bis- gehabt, mussten ihre Hoffnungen auf die hatten und sich ganz auf die Aufholjagd in der lang noch kein einziges verloren. Wenn Titelverteidigung am Ende aber doch noch Liga konzentrieren konnten, die schliesslich irgendjemand noch die Chance haben soll, begraben. Stattdessen setzten sich die mit dem ersten Titelgewinn seit sieben Jahren sie einzuholen, müssten sie bald mit dem Sundowns die Krone auf. Auf dem Weg zum enden sollte. Verlieren beginnen.” Å Sydney Mahlangu / BackpagePix CAF-Champions-League Bernard Parker (rechts) von den Kaizer Chiefs im Zweikampf mit Sekhana Koko (Township Rollers, Botswana). T H E F I FA W E E K LY 17
DAS INTERVIEW “Wann Afrika die WM gewinnt? Der Tag wird kommen” Er sorgte im Finale des Afrika-Cups für die grosse Show. Ein Gespräch mit dem ivorischen Torhüter Boubacar Barry, der gegen Ghana den 21. Elfmeter hielt und den 22. verwertete. Boubacar Barry, wie fühlt man sich als haben. Mir selbst jedenfalls ist noch gar Ist es eine Fügung, dass Sie den Afrika-Cup Nationalheld? nicht richtig bewusst geworden, was da ohne Didier Drogba gewonnen haben? Boubacar Barry: Drei Jahre lang hat das passiert ist. Das sind einfach zu viele Nein! Drogba ist ein grossartiger Spieler, Land auf diesen Titel gewartet, seit der Emotionen für mich. Mir ist wichtig, dass der sehr viel zum Erfolg beigetragen hat. Finalniederlage gegen Sambia, und sogar die Menschen in der Heimat glücklich sind. Auch wenn er nicht dabei war, ist vieles 23 Jahre, wenn man die Zeit seit unserem Die Leute sind auf die Strassen und Plätze ihm und seinen grossartigen Leistungen in letzten Triumph rechnet. Wir sind natürlich geströmt und haben gefeiert. der Vergangenheit zu verdanken. Nun hat alle überglücklich, denn wir haben als Gott entschieden, dass er nicht mit von der Gruppe und Mannschaft hart dafür gearbei- Partie sein sollte. Aber auch diejenigen, die tet, diesen historischen Erfolg zu schaffen. nicht dabei waren, haben im Hintergrund Können Sie mit eigenen Worten den Moment “Es sind zu viele gearbeitet und etwas beigetragen. Das ist Schicksal. des entscheidenden Elfmeters beschreiben? In einem solchen Moment denkt man E motionen für mich. Wem wollen Sie diesen Sieg und diesen Titel nicht an das, was danach passiert. Man darf sich einfach nicht zu viele Gedanken Mir ist wichtig, dass widmen? Allen, die an uns geglaubt haben. Aber machen: Wenn dein Moment gekommen ist, vor allem möchte ich ihn meiner Mutter musst du einfach handeln. Ich habe ver- sucht, es schnell und mit Konzentration die Menschen daheim widmen. Å hinter mich zu bringen und den Ball ins Tor zu jagen. Ich danke dem lieben Gott dafür, glücklich sind.” Mit Boubacar Barry sprach Emanuele Giulianelli dass es geklappt hat. Stellt dieser Sieg für Sie eine Art Revanche für Eine ganz allgemeine Frage: Wann wird die die Finalniederlage von 2012 dar? erste afrikanische Mannschaft die Weltmeis- Nein, es ist keine Revanche, sondern terschaft gewinnen? eigentlich eher eine Fortsetzung. Wenn Was zählt, ist Geduld. Seit dieser man im Leben gewinnen will, muss man Finalniederlage haben wir als Spieler der den Blick stets nach vorn richten. Daher Elfenbeinküste drei Jahre lang auf den mache ich immer weiter und trainiere, Titelgewinn beim Afrika-Cup gewartet. trainiere, trainiere. Man darf im Leben den Glauben niemals verlieren. Die WM zu gewinnen, ist kein Woher kommt der Spitzname Copa? Jux. Ich denke, Gott wird eines Tages Name Das war der Name der Mannschaft, entscheiden, wann es so weit ist. Dieser Tag Boubacar “Copa” Barry für die mein Bruder in den 1980er-Jahren wird kommen. Der Tag wird von Gott Geburtsdatum, Geburtsort spielte. Ich habe immer das Trikot seiner bestimmt werden, und niemand weiss, 30. Dezember 1979 Mannschaft getragen, wenn ich in meinem wann es so weit sein wird. Abidjan, Elfenbeinküste Viertel zum Spielen rausgegangen bin. Da Position haben meine Freunde angefangen, mich Wann ist Ihnen klar geworden, dass Sie das Torhüter Copa zu nennen. Dieser Spitzname ist mir Turnier gewinnen können? Stationen als Spieler bis heute erhalten geblieben. Daran denkt man nicht. Die Menschen 1999–2001 ASEC Mimosas 2001–2003 Stade Rennes glauben an uns, sie haben uns immer 2003–2007 KSK Beveren Wie haben Sie den Sieg gefeiert? unterstützt und wir haben bei jedem ein- Seit 2007 Sporting Lokeren Eigentlich können wir immer noch nicht zelnen Spiel an unsere Chance geglaubt. So Nationalteam Elfenbeinküste glauben, dass wir tatsächlich gewonnen haben wir unser Ziel erreicht. 86 Einsätze, 1 Tor 18 T H E F I FA W E E K LY
Jonas Hamers / Afp T H E F I FA W E E K LY 19
First Love Ort: Herat, Afghanistan Datu m: 1 . Januar 2015 U hrzeit: 16.53 Uhr Fotog ra f: A ref Ka r im i 20 T H E F I FA W E E K LY
Afp T H E F I FA W E E K LY 21
THIS IS THE ONE Introducing Official Mascot for the FIFA U-20 World Cup New Zealand 2015 @FIFAcom #Wooliam /fifau20worldcup
DEBAT T E PRESIDENTIAL NOTE Die Meinungen der FIFA.com-User zu Rassismus: Ich kann nicht verstehen, dass es auf der Welt immer noch Rassis- mus gibt – und ich rede nicht nur vom Sport. Warum leben die Leute noch in der Vergangenheit? Die Welt ist sehr viel schöner, wenn wir alle einig sind. Letztlich brauchen wir einander, um zu überleben. dSteppa, St. Lucia Klare Haltung Die FIFA-Kampagnen für Fairplay und gegen Diskriminierung sind grossartig für die Vielfalt im Fussball und darüber hinaus. zum Thema Rassismus So kann es weitergehen. D 22792RS, Grossbritannien er Kampf gegen Rassismus duldet keine Halbheiten, auch keine ver- balen. Entweder ist man auf dieser Seite oder auf der anderen. Missverstanden worden zu sein, ist keine Entschuldigung, wenn man Seit Jahren kämpfen wir gegen Rassismus. Dann kommt Dani Alves Sätze sagt wie jene, die ein ehemaliger Nationalcoach und erfolgreicher und isst eine Banane, die nach ihm geworfen wurde. Das war das erste Klubtrainer diese Woche formulierte. Mal, dass ich eine solche Reaktion eines Rassimus-Opfers gesehen Es geht hier nicht darum, eine einzelne Person an den Pranger zu habe. Statt wütend in die Luft zu gehen, hat der brasilianische Vertei- stellen. Aber wer bekannt ist und somit eine Vorbildfunktion hat, darf diger seine Verachtung mit einem gewissen Sinn für Humor zum keinen Interpretationsspielraum bieten, wenn er sich über “zu viele Ausdruck gebracht. Das war wirklich eine aussergewöhnliche schwarze Spieler” beklagt, die in der heimischen, westeuropäischen Reaktion, die zur Ausrottung des Rassismus beitragen kann. Jugendauswahl spielen und beifügt, dass “Würde und Ehre” damit verlo- tioborowski, Indonesien ren gingen. Es ist eine Lektion für uns alle: immer wachsam zu bleiben. Persönlich glaube ich nicht, dass der Unglückliche gemeint hat, was er gesagt hat. Ich Man stelle sich eine Welt vor, in der alle Früchte dieselbe Form, möchte ihm das nicht unterstellen. Aber er hat es gesagt. Anders liegt die denselben Geschmack, dieselbe Grösse und dieselbe Farbe haben. Sache beim Vorfall in Paris, als Chelsea-Supporters sich selber und expli- Das wäre doch ungemein langweilig. Wir haben verschiedene Obstsor- zit als Rassisten bezeichneten, nachdem sie einen Schwarzen aus der ten mit unterschiedlichen Formen, Grössen, Geschmacksrichtungen U-Bahn gestossen hatten. Unfassbar. und Farben! Wie interessant! Dasselbe gilt für die Menschheit. Es ist Die FIFA engagiert sich seit Jahren gegen jede Form von Diskriminie- reine Torheit, etwas zu verpönen, was eigentlich reizvoll sein sollte: rung. Nicht immer mit dem erhofften Erfolg, aber wir tun es trotzdem – die unterschiedlichen Rassen. oder erst recht. Den Mitmenschen zu respektieren, das Andersartige zu Djenko Esse, Nigeria schätzen, die Vielfältigkeit zu fördern – das ist das Spiel, das wir gewin- nen müssen. Jeden Tag aufs Neue. Es gibt Wissenschaftler, die behaupten, der Keim rassistischen Denkens Der Rassismus hält die Menschen davon ab, sich auf die wichtigsten stecke in jedem von uns. Sie basieren ihre Erkenntnisse auf der Erforschung Dinge im Leben zu konzentrieren. Mit anderen Worten: Je mehr du der menschlichen Evolution. Die Angst vor dem Fremden, das Misstrauen über Dinge wie Rassismus nachdenkst, desto weniger Zeit hast du, gegenüber dem Unbekannten sei ein Urinstinkt, der zur Überlebensstrate- dich auf deine Alltagsaktivitäten zu konzentrieren. Rassismus lenkt gie zählte zu Zeiten, als Mammuts zum Frühstück gereicht wurden. deine Aufmerksamkeit auf die Frage, warum der Täter solche Dinge zu Seither sind zehntausende von Jahren vergangen, der Urinstinkt sei dir sagt. Rassisten glauben, sie könnten mit ihren abfälligen aber geblieben, so die Forscher. Stimmt das, dann ist das beunruhigend. Bemerkungen durchkommen, aber das gelingt nur, wenn die Opfer Denn es hiesse, dass wir alle aufgrund unserer DNA Rassisten sind. Im- kein Selbstvertrauen haben. merhin, so die Evolutionsforscher, gäbe es ein Gegenmittel. Den Intellekt. tonon10, Südsudan Er unterdrücke das Bauchgefühl, unterscheide uns vom Tier, mache uns zum Menschen. Mit klaren Wertprinzipien. Das bedeutet nicht, dass intelligentere Menschen weniger anfällig Rassismus ist wie eine Krankheit, die viele Menschen befällt und sind. Oder umgekehrt (was der Vorfall in Paris allerdings vermuten lässt). sich ausbreitet wie ein Lauffeuer. Leider wird er nie ausgelöscht Es zeigt vielmehr, dass wir immer und überall eine klare Haltung haben werden, genauso wenig wie viele Krankheiten. müssen, wenn es darum geht, Diskriminierung in all ihren Facetten zu tumo2010, Republik Irland bekämpfen. Das beginnt damit, dass wir keine Zweifel aufkommen lassen dürfen, wenn wir reden, wie wir reden, was wir reden. Vor allem: Wie wir handeln. “Die Welt ist sehr viel schöner, wenn wir alle einig sind.” Ihr Sepp Blatter T H E F I FA W E E K LY 23
FUSSBALL-LEGENDEN “Gut wie ein alter Wein” Rebellin, Ikone, Pionierin: Wir blicken auf sechs aussergewöhnliche Nationalteam-Karrieren im Frauenfussball zurück. Rainer Hennies 24 T H E F I FA W E E K LY
FUSSBALL-LEGENDEN FORMIGA – DIE AMEISE Normalerweise trägt sie das Trikot mit der Rückennummer 8 in der Seleção. In Brasilien, beim internatio- nalen Turnier des Frauenfussballs letzten Dezember, aber wurde der Mittelfeldspielerin die 20 zugeteilt. Eine Homage des Verbandes an eine aussergewöhnliche Fussballerin: Miraildes Maciel Mota. Besser unter ihrem Künstlernamen Formiga, zu Deutsch die Ameise, bekannt. Die nur 1,63 m grosse Spielerin blickt auf 20 Jahre im Nationalteam zurück. Brasilien gewann das Turnier vor den USA, China und Argentinien. Formiga selbst krönte ihre Ehrung beim 4:0-Sieg über Argentinien im Stadion Mané Garrincha in Brasília nach einem Lattenkracher mit zwei Toren. Sie liess sich von den Fans feiern und von ihren Mitspielerinnen mit Lobeshymnen überschütten. “20 Jahre in der Auswahl und Formiga wird immer besser – wie ein guter Wein”, meinte etwa die fünffache Weltfussballerin Marta. Fünf Weltmeisterschaften hat Formiga seit ihrem Debüt 1995 bestritten. Kanada 2015 soll ihr sechstes Turnier werden. Mehr Teilnahmen kann keine Spielerin aufweisen. Rio 2016 wären zudem die sechsten Olympischen Spiele und ein traumhafter Karriereabschluss im eigenen Land. “Es wäre grossartig, dann mit einem Erfolg von der Bühne abzutreten”, träumt Formiga. Bisher wurden die Brasilianerinnen weder Weltmeister noch gewannen sie Olympia-Gold. 2004 in Athen gab es Silber, ebenso 2008 in Peking. Bei der WM 2007 erreichten die Brasilianerinnen Platz 2. Für Formiga bleibt aber die WM 1999 in besserer Erinnerung: Nach torlosem Spiel im Pasadena Rose Bowl Stadium erzielte sie im Elfmeterschiessen gegen Norwegen den entscheidend Treffer zum 5:4 und sicherte Brasilien so den 3. Platz. Å Buda Mendes / Getty Images, Bob Thomas / Getty Images, Bongarts / Getty Images, imago MORACE – DIE PIONIERIN Gerade mal 14 Jahre und 8 Monate war Carolina Morace alt, als sie für die italienische Nationalmannschaft ihr erstes Spiel bestritt. Von 1978 bis 1997 absolvierte sie 153 Partien und schoss dabei 105 Tore. Die heute 50-Jährige ist damit eine von nur zehn Spielerinnen, die in ihrer Nationalmannschafts karriere über 100 Tore erzielte. Nach ihrer Karriere als Spielerin wurde Morace Trainerin. Als erste Frau überhaupt coachte sie ein italienisches Männerteam – die Mannschaft des Drittligisten AS Viterbese Calcio. Aufgrund des starken Mediendrucks trat sie aber nach nur zwei Spielen zurück. Beim darauffolgenden Engagement führte sie die italienische Frauennationalmannschaft an zwei Europameisterschaften. Weniger Erfolg hatte sie mit dem kanadischen Team: An der WM 2011 verlor sie alle drei Spiele und schied mit der schlechtesten Tordifferenz aller Mann- schaften bereits nach der Vorrunde aus. Mittlerweile wurde die zwölfmalige italienische Meisterin, die elf Jahre in Folge Torschützenkönigin war, als erste Frau in die Hall of Fame des italienischen Fussballs aufgenommen. Die Rechtsanwältin leitet heute die Fussballschule Juventus Roma in Salaria im Norden Roms. Å T H E F I FA W E E K LY 25
FUSSBALL-LEGENDEN DEVI – DIE REBELLIN Einen besseren Moment für ihren Rücktritt hätte sich Oinam Bembem Devi (34) nicht aussuchen können. Ende November 2014 besiegte die Inderin mit ihrem Team im Finale Nepal 6:0 und sicherte sich so die dritte Südasienmeisterschaft als Kapitänin. “Ich bin überglücklich, in einem passendem Moment abzutreten.” Nun will Devi Trainerin werden. Sie sieht Indiens Frauen angesichts vieler junger Talente vor einer grossen Zukunft. “Wenn wir hart arbeiten, bin ich felsenfest davon überzeugt, dass wir es in die Top-Ten der Weltrangliste schaffen.” 20 Jahre spielte Devi für ihr Nationalteam, mit 15 gab sie ihren Einstand. Als Kind hatte sie einst gegen die Widerstände im Elternhaus Fussball gespielt, aber im Laufe der Zeit mit ihrem Talent sogar den skeptischen Vater als Unterstützer gewonnen. “Meine Liebe zum Spiel und meine Beharrlichkeit haben letztlich überzeugt, gleichwohl hat mein Vater mich immer wieder daran erinnert, meine Ausbildung nicht zu vernachlässigen.” 17-mal wurde sie mit Manipur indischer Meister, 2014 gewann sie als Legionärin die maledivische Meisterschaft. Å HAMM – DIE IKONE Technisch perfekt, Zauberin am Ball, Beherrscherin des Mittelfelds oder gefährlich vor dem Tor – keine dieser Anadolu Agency, AIFF, Will Mcintyre / Getty Images, Bongarts / Getty Images, imago, NC State Media Relations Beschreibungen wird dem Phänomen Mia Hamm (42) auch nur annähernd gerecht. Ihr Name ist zum Synonym für die rasante Entwicklung und die grossen Erfolge des US-Frauenfussballs geworden. Als jüngste Debütspielerin der USA, spielte sie 1987 ihre erste Partie im Nationaldress. Es folgten 274 weitere, in denen sie 158 Tore schoss. Olympia Gold, WM-Titel, Spielerin des Jahres in den USA, Weltfussballerin, erste Frau im FIFA-100-Team, Platz in der Soccer Hall of Fame – es gibt kaum eine Auszeichnung, die Mia Hamm nicht gewonnen hat. Inzwischen gehört sie zum Board of Directors bei der AS Roma und ist mit ihrem Ehemann, Baseball-Star Nomar Garciaparra, sowie der Basketball-Legende Earvin “Magic” Johnson Teil jener Gruppe, die ab 2017 das neue MLS-Team Los Angeles FC führt. Å 26 T H E F I FA W E E K LY
FUSSBALL-LEGENDEN SAWA – DIE BESCHEIDENE Wenn man in Japan von Frauenfussball spricht, fällt früher oder später ihr Name: Homare Sawa (36) gilt als beste Spielerin des Landes und ist in den letzten 20 Jahren, in denen sie ihre Fussballschuhe für Japan schnürt, zur Legende geworden. Bereits mit 12 Jahren erzielte sie für ihren Verein Yomiuri Beleza in 13 Spielen fünf Tore und verhalf dem Klub so zum Titelgewinn. Nur drei Jahre später debütierte sie in der N ationalmannschaft. Fünf Weltmeisterschaften und vier Olympische Spiele hat sie seither erlebt. 2011 krönte sie ihre Karriere mit dem WM-Titel und gleich drei Auszeichnungen: dem Goldenen Schuh als beste Torschützin und dem Goldenen Ball als beste Spielerin des Turniers sowie der Auszeichnung als Weltfussballerin des Jahres. Die Spielführerin ist bescheiden geblieben und sagt: “Ich bin immer noch begeistert, dass die Menschen würdigen, was ich in meiner Karriere erreicht habe.” Å HOOPER – DER OLDIE Geboren in Guyana, fing Charmaine Hooper (47) in Zambia, wo ihr Vater als Diplomat stationiert war, das Fussballspielen an. In ihrer späteren Heimat Kanada ging sie dann als eine der torgefährlichsten Stürmerinnen aller Zeiten in die Geschichtsbücher des Frauenfussballs ein. 1986 war sie eine der 23 Spielerinnen, die am ersten Frauenfussball-Trainings- lager der Kanadierinnen teilnahm. Es folgten 129 Einsätze und 71 Tore für das kanadische Nationalteam. Dreimal nahm sie an der WM teil (1995, 1999, 2003). An der letzten erzielte sie als bisher älteste Spielerin mit 35 Jahren und 261 Tagen ein Tor. Charmaine Hooper beendete 2006 ihre Nationalmannschaftskarriere, zwei Jahre später hängte sie ihre Fussballschuhe ganz an den Nagel. Heute lebt sie in Waco (USA) und trainiert nebenbei ihre zehnjährige Tochter in einem kleinen lokalen Team. Å T H E F I FA W E E K LY 27
Den Fussball überall und für alle entwickeln Mitreissende Turniere organisieren Der Gesellschaft und der Umwelt Sorge tragen Für das Spiel. Für die Welt. Die FIFA will den Fussball zum Wohl aller entwickeln. Unsere Mission lautet: Das Spiel entwickeln Eine bessere Zukunft gestalten Oberstes Ziel der FIFA ist, den Fussball für ihre 209 Mitglieds- Der Fussball ist viel mehr als ein Spiel. Mit seiner weltweiten verbände zu entwickeln. Dank den Einnahmen aus der FIFA Ausstrahlung und Reichweite besitzt er eine einzigartige Kraft, Fussball-Weltmeisterschaft™ können wir täglich USD 550 000 die sorgsam einzusetzen ist. Die FIFA fühlt sich der Gesellschaft in die weltweite Fussballförderung investieren. weit über den Fussball hinaus verpflichtet. Die Welt berühren Die FIFA will die Menschen weltweit mit ihren internationalen Fussballturnieren und -veranstaltungen bewegen, zusammen- führen und begeistern. FIFA.com
SPLIT TER A ll den jungen Menschen unter 30 sei gesagt: Es gab mal eine Zeit, da waren Tattoos eine richtige Besonderheit. Seeleute, Truckfahrer, Türsteher und Rocker liessen sich Angst einflössende Bilder unter die Haut stechen. Das sah dann richtig böse aus. Heute gehört es fast schon zum guten Ton, dass ein Fussballer 20 oder mehr Tattoos mit allen möglichen Sujets trägt. Zlatan Ibrahimovic von Paris Saint-Germain hat es trotz dieser eigenartigen Salonfähigkeit geschafft, dass nun alle Welt von seinem bemalten Oberkörper spricht – für eine gute Sache: Entblösst sind auf seiner Brust, seinem Bauch und seinem Rücken die Namen von 50 Menschen zu lesen, die an Hunger leiden. Eine geniale Kampagne des Welternährungs- programms der UN. “Wann immer ihr mich seht, dann seht ihr auch sie”, sagt der Schwede im Werbespot. Die Tätowierungen sind abwaschbar und sollen an die 805 Millionen Menschen erinnern, die jeden Tag hungern. Å Alan Schweingruber “Der UN-Werbefilm mit Ibrahimovic” http://tinyurl.com/lnmw3vz D J er Fussball wird im dritten Jahrtausend immer schneller, und ude Branson ist sechs Jahre alt und glühender Aston-Villa-Fan. nicht immer liegt das nur an seinen Interpreten. Am 21. Spieltag Doch sein Team hat schon bessere Zeiten erlebt. Die Mannschaft der Bundesliga fiel im Berliner Olympiastadion ein Tor, wie es so aus Birmingham befindet sich auf dem 18. Tabellenrang und so- nur selten fällt. Auf der linken Seite trug der Gast vom SC Freiburg mit auf einem direkten Abstiegsplatz, Coach Paul Lambert wurde beim Stand von 0:0 einen Konter vor, der schon beendet zu sein entlassen. Jude schwebte also die Rettung seines Vereins vor – und schien, weil der Ball ins Aus trudelte. Doch noch bevor sich die Ver- er hielt auch gleich die Lösung bereit. Kein Geringerer als José Mou- teidigung von Hertha BSC sortiert hatte, warf ein Balljunge den Ball rinho sollte Villa wieder auf die Erfolgsstrasse führen. In einem dem angreifenden Freiburger in die Hände, sodass es nahezu ohne Brief an den Erfolgscoach schrieb der Junge: “Lieber Herr Mourinho, Tempoverlust weiterging. Ein paar Sekunden später lag der frisch mein Name ist Jude. Ich bin sechs Jahre alt und bin Fan von Aston zugeworfene Ball im Berliner Tor, und der übertragende Fernsehsen- Villa. Sie sind mein Lieblingstrainer. Könnten Sie bitte Villa trainie- der verwendete einen bemerkenswerten Teil seiner Sendezeit darauf, ren und auch gleich Costa mitbringen? Wir brauchen Hilfe. Vielen die Rolle des unfreiwilligen Helfers jenseits der Kreidelinie heraus- Dank!” Das Video vom kleinen Fan, der seinen Brief vorliest, lande- zuarbeiten. Für Hertha BSC war es der Anfang vom Ende. Das Spiel te schliesslich sogar auf dem Bildschirm des Portugiesen. Dieser ging 0:2 verloren, die Berliner stürzten auf den vorletzten Tabellen- konnte Jude seinen Wunsch zwar nicht erfüllen, doch für eine per- platz, und im Internet postete ein enttäuschter Fan: “Der reaktions- sönliche Nachricht reichte es allemal. Als der Villa-Anhänger von schnellste Herthaner war der Balljunge!” Å der Schule nach Hause kam, wartete eine unterschriebene Auto- Keystone / MAXPPP Sven Goldmann grammkarte mit persönlicher Widmung auf ihn. Aston Villa ist mitt- lerweile selbst fündig geworden: Tim Sherwood (zuletzt Tottenham Hotspur) hat bis 2018 unterschrieben. Å Sarah Steiner T H E F I FA W E E K LY 29
6 June - 5 July ©2014 FIFA TM
FREE KICK SPOTLIGHT ON ALLGEMEINE INFORMATIONEN FIFA-Kürzel: Auf der Viehweide MWI Land: Malawi Offizieller Name: Republic of Malawi David Winner Dziko la Malawi Kontinent: N och vor einer Generation hätte das leicht oftmals ballgewandten Spieler auf den Aussen- Afrika matschige Spielfeld, auf dem der Drittligist bahnen, wo die Schäden am Rasen noch am ge- Hauptstadt: Bradford City einen 2:0-Sieg gegen den Pre- ringsten waren. Lilongwe mier-League-Klub Sunderland feierte, keinerlei Roy Hartle, der in den 1950er-Jahren für die Aufsehen erregt. Bolton Wanderers spielte, erinnert sich: “Es Doch der englische Fussball hat sich mitt- hatte keinen Sinn, artistischen Fussball spielen GEOGR APHISCHE lerweile weit von seinen Wurzeln entfernt und zu wollen, wenn der Untergrund matschig und INFORMATIONEN so brachte der Favoritensturz im FA Cup eher der Ball schwer und vollgesogen war. Wir haben Landesfläche: das Gefühl eines kurzzeitigen Triumphs der den Ball nur selten gestoppt, denn wenn er ein- 118 480 km² Vergangenheit über die Gegenwart mit sich. Im mal lag, war es nicht leicht, ihn wieder in Bewe- Höchster Punkt: Vorfeld der Partie hatte Sunderlands Trainer gung zu bringen.” Sapitwa 3002 m ü. M. Gustavo Poyet den Platz im Valley Parade Sta- C. B. Fry, ein Universalgelehrter und Sport- Nachbarmeere und -ozeane: dium von Bradford als “einen der schlechtesten held der viktorianischen Zeit, schwärmte von Keine in Grossbritannien” bezeichnet. Er kündigte “zünftigen und zermürbenden” Partien auf Plät- sogar an, einen der Trainingsplätze in Sunder- zen, die heute schlichtweg als unbespielbar gel- land ebenfalls in einen schlammigen Acker zu ten würden. “Der Untergrund war durchweicht FUSSBALL MÄNNER verwandeln, damit sich seine Spieler besser auf und an einigen Stellen stand das Wasser in gro- FIFA-Ranking: die Partie vorbereiten könnten. ssen Pfützen auf dem Platz”, berichtete er von 93. Rang Doch es half nichts. Die feuchtkalte Witte- einer Partie g egen Aston Villa, “Es entwickelte Weltmeisterschaften: rung und der spärliche Rasen verursachten bei sich ein heldenhaftes Spiel.” Bisher keine Teilnahmen den Black Cats wohl mindestens ebenso viel Der Matsch wurde sogar als Waffe gegen Verunsicherung wie das energische Auftreten starke Gegner aus dem Ausland eingesetzt. 1954 Bradfords und die überaus leidenschaftlichen besiegten die Wolverhampton Wanderers den und lautstarken Fans des Gastgebers. ungarischen Spitzenklub Honved Budapest, FUSSBALL FR AUEN Aus historischer Sicht mutet dies allerdings nachdem man den Platz gewässert hatte, bis er FIFA-Ranking: seltsam an, denn früher fanden in England die “einer völlig zertrampelten Viehweide nach vier 133. Rang meisten Winterspiele auf durchweichtem Un- Tagen Dauerregen” ähnelte. Dann jedoch bra- Weltmeisterschaften: tergrund statt. Tatsächlich machte der Matsch chen die modernen Zeiten an. Beginnend mit Bisher keine Teilnahmen lange Zeit einen Grossteil des Charmes und der den 1980er-Jahren wurden, durch die nun wis- Schönheit des Fussballspiels aus. Schliesslich senschaftlich betriebene Platzpflege und besse- hatte sich das Spiel auf glitschigen Lehmböden re Drainageeinrichtungen, die matschigen eng- BIG COUNT entwickelt und die damaligen Profifussballer lischen Spielfelder nach und nach verdrängt. Alle Spieler: mussten wohl oder übel mit den Untergründen Gleichzeitig verbesserten sich die technischen 515 800 vorlieb nehmen, die angesichts der wechseln- Fähigkeiten der Spieler und die Taktik. Registrierte Spieler: den Jahreszeiten und der noch recht rudimen- Die meisten Fans sind mit der Ankündi- 20 100 tären Spielfeldpflege üblich waren. gung Bradfords, das Spielfeld im Sommer eben- Nicht registrierte Spieler: Entsprechend entwickelte sich auch die kraft- falls zu verbessern, sehr einverstanden. Doch 495 700 betonte englische Spielweise. Stattliche Stürmer wenn es so weit ist, wird mit dem Matsch auch Vereine: und Verteidiger trugen dicke, knöchelhohe Stiefel ein weiteres Bindeglied zur glorreichen Vergan- 70 und entwickelten sich zu Meistern darin, den Ball genheit verschwunden sein. Å Offizielle: direkt zu spielen und kraftvoll voranzutreiben, 2400 statt ihn zu kontrollieren. Auch die meist stäm- migen Spieler im Halbfeld trieben den Ball eher Die wöchentliche Kolumne aus der Informationen zum Verband: rustikal voran. Einzige Ausnahme waren die The-FIFA-Weekly-Redaktion http://tinyurl.com/plk zvr8 T H E F I FA W E E K LY 31
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