Demenzerkrankungen Medikamentöse Therapie - Konsensus-Statement - State of the art 2015 - ÖGPB

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Demenzerkrankungen Medikamentöse Therapie - Konsensus-Statement - State of the art 2015 - ÖGPB
sonderausgabe november 2015

                              Demenzerkrankungen
                              Medikamentöse Therapie

                              Konsensus-Statement –
                              State of the art 2015
                              Editorial Board: Prim. Dr. Reinhard Bacher, Antonia Croy, Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter
                                                                                                                          Unter der Patronanz:
                              Fasching, Prim. Dr. Gerhard Fruhwürth, Prim. Univ.-Prof. Dr. Heinz Grunze,
                              Prim. Dr. Christian Jagsch, Prim. Dr. Helmut Jelem MSc, O.Univ.-Prof. DDr. Hans-Peter
                              Kapfhammer, Prim. Univ.-Prof. Dr. Marcus Köller, Prim. Univ.-Prof. DDr. Michael
                              Lehofer, Univ.-Prof. Dr. Nicole Praschak-Rieder, Chefarzt Prim. Dr. Georg Psota,
                              Univ.-Prof. DDr. Gabriele-Maria Sachs, Prim. Dr. Kurt Stastka, Prim. Dr. Elmar Windhager,
                              Prim. Dr. Andreas Winkler MSc, Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Dietmar Winkler,
                              MR Dr. Albert Wuschitz, Dr. Katharina Zauner                                                  Österreichische
                                                                                                                            Gesellschaft für
                              Vorsitz: O.Univ.-Prof. Dr.h.c.mult. Dr.med. Siegfried Kasper                                Neuropsychophar-
                                                                                                                          makologie und Biolo-
                                        Priv.-Doz. Dr. Michael Rainer                                                      gische Psychiatrie
Demenzerkrankungen Medikamentöse Therapie - Konsensus-Statement - State of the art 2015 - ÖGPB
Vorwort
                                             Demenzerkrankungen gehören zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen im Alter und
                                             erreichen bei den 95- bis 99-Jährigen bereits 45%. Das Alter ist eindeutig der wichtigste Risiko-
                                             faktor für das Auftreten dieser demenziellen Erkrankung, und der Pflegeaufwand steigt mit zu-
                                             nehmendem Schweregrad und der Notwendigkeit der stationären Pflege massiv an. Das Wissen
                                             um die Ursachen und die Behandlungsmöglichkeiten der demenziellen Erkrankungen hat sich
    O.Univ.-Prof. Dr.h.c.mult.
                                             in letzter Zeit, insbesondere seit Einführung moderner Antidementiva, deutlich erhöht. Die Auf-
    Dr.med. Siegfried Kasper                 klärung der Angehörigen über die Symptomatik und den Zeitverlauf der Erkrankung ist insofern
    Universitätsklinik für Psychiatrie       wichtig, da dadurch falsche Erwartungen korrigiert werden können bzw. eine adäquate Ein-
    und Psychotherapie, Wien                 schätzung im Umgang mit der Symptomatik erreicht werden kann.
                                             Das vorliegende Konsensus-Statement ist ein Update des erstmals 2006 herausgebenen Konsen-
                                             sus und befasst sich mit verschiedenen Aspekten der Demenzerkrankungen einschließlich Dia-
                                             gnostik und Differenzialdiagnostik und legt den Schwerpunkt auf die medikamentöse Therapie.
                                             Es soll ein Fortbildungsangebot an Ärzte – Fachärzte für Psychiatrie und/oder Neurologie, Allge-
                                             meinmediziner, Internisten und anderer Fachbereiche –, aber auch eine Information für Ange-
                                             hörigengruppen und in der Gesundheitspolitik Tätige sein und ein besseres Verständnis sowie ein
                                             vertieftes Wissen um den Einsatz verschiedener Antidementiva, die Indikationsstellung der Me-
                                             dikamente und die Therapieplanung bei Demenz ermöglichen. Wie bei den vorangegangenen
    Priv.-Doz. Dr. Michael Rainer
    SMZ Ost Donauspital, Karl-
                                             Konsensus-Statements der ÖGPB wurde das nun vorliegende Konsensus-Dokument mit öster-
    Landsteiner-Institut für Ge-             reichischen Experten im schriftlichen Austausch erarbeitet. Das hier vorgestellte Statement stellt
    dächtnisvorschung, Wien                  die konsensuelle Meinung der Teilnehmer dieser Arbeitsgruppe dar. Diese Arbeit wurde auch

                                                                                                                                                                    Coverbild Margot Holzapfel; Fotos: Archiv (10), Privat (6), MedUniWien Matern (1), MedUniWien (1), Klinik Pirawarth (1), LKH Rankweil (1), LK Neunkirchen (1)
                                             durch die finanzielle Unterstützung der forschenden Industrie und in Zusammenarbeit mit der
                                             Österreichischen Gesellschaft für Alterspsychiatrie und Alterspsychotherapie (ÖGAPP) ermög-
                                             licht. Wir möchten ihnen an dieser Stelle recht herzlich danken.
                                             Obwohl versucht wurde, in diesem Konsensus-Papier den aktuellen Stand der Wissenschaft und
                                             der täglichen Praxis wiederzugeben, ist es uns bewusst, dass bereits bei Schriftlegung der eine
                                             oder andere Aspekt überholt sein könnte, so dass geplant ist, in regelmäßigen Abständen wieder
                                             eine Neuauflage zu erarbeiten.
                                             Wir hoffen sehr, dass Ihnen dieses Konsensus-Statement „Demenz“ für die Behandlung und das
                                             Verständnis demenzieller Erkrankungen nützlich ist, und wie immer würden wir uns über Rück-
                                             meldungen für die dritte Auflage freuen. In diesem Sinne zeichnen …

      Österreichische
      Gesellschaft für
     Neuropsychophar-
    makologie und Biolo-
     gische Psychiatrie                      O. Univ.-Prof. Dr.h.c.mult. Dr. med. Siegfried Kasper                              Priv.-Doz. Dr. Michael Rainer

     Zitierung der Arbeit wie folgt:
     Kasper S, Rainer M, Bacher R, Croy A, Fasching P, Fruhwürth G, Grunze H, Jagsch C, Jelem H, Kapfhammer H-P, Köller M, Lehofer M, Praschak-
     Rieder N, Psota G, Sachs G-M, Stastka K, Windhager E, Winkler A, Winkler D, Wuschitz A, Zauner K, Demenzerkrankungen Medikamentöse
     Therapie. Konsensus-Statement – State of the art 2015. CliniCum neuropsy Sonderausgabe November 2015

            Liebe Leserin, lieber Leser! Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichten wir auf das Binnen-I und auf die gesonderte weibliche und männliche Form.

2   cli n i c u m n e u ro p s y s o n d e ra u s g a b e
Demenzerkrankungen Medikamentöse Therapie - Konsensus-Statement - State of the art 2015 - ÖGPB
Demenzerkrankungen
Medikamentöse Therapie
Inhalt                                                1. Einleitung
                                                      Das vorliegende Konsensus-Statement befasst sich mit Demenzer-
Vorwort                                           2   krankungen im Allgemeinen und der Alzheimer-Demenz im Beson-
                                                      deren. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der medikamentösen The-
1. Einleitung                                     3   rapie. Es soll ein Fortbildungsangebot an Ärzte – Fachärzte für
                                                      Psychiatrie und/oder Neurologie, Allgemeinmediziner, Internisten
2. Diagnose und Differenzialdiagnose              3   und andere –, aber auch für Angehörigengruppen und in der Ge-
                                                      sundheitspolitik Tätige sein und ein besseres Verständnis sowie ein
3. Epidemiologie und Verlauf                      6   vertieftes Wissen um den Einsatz verschiedener Substanzklassen,
                                                      die Indikationsstellung und die Therapieplanung bei Demenz er-
4. Symptomatik                                    7   möglichen. Nur so sind letztlich auch verbesserte therapeutische Er-
                                                      gebnisse zu erzielen.
5. Ätiologie                                      8   Demenzen stellen eines der größten gesundheitsökonomischen
                                                      Probleme dar. Waren im Jahr 2000 ca. 90.500 Patienten von einer
6. Neurophysiologie und Schlaf                   10   Demenz betroffen, so werden es im Jahr 2050 ca. 260.000 Patien-
                                                      ten österreichweit sein. Weltweit rechnet man mit 115 Millionen
7. Therapie und Substanzklassen                  11   Demenzpatienten. Gesundheits- und Pflegekosten in Österreich be-
  7.1 Cholinesterasehemmer                       11   trugen 2007 1,7 Milliarden Euro und werden im Jahr 2050 4,6 Mil-
  7.2 Memantin                                   14   liarden Euro nach Schätzungen der Wiener Gebietskrankenkasse
  7.3 Ginkgo biloba                              14   betragen. Bei den über 75-Jährigen fallen ca. 20% aller Haupt-
  7.4 Nootropika                                 14   oder Nebendiagnosen auf internen Abteilungen auf Demenzer-
  7.5 Antidepressiva                             15   krankungen. Die Prävalenzraten in Pflegeheimen betragen für De-
  7.6 Antipsychotika/Neuroleptika                15   menzen 39–87%. Da diese enorme Anzahl von Patienten zu 90%
  7.7 Benzodiazepine                             16   von Hausärzten behandelt wird, ist eine exakte Diagnosestellung
  7.8 Schlafmittel                               16   und optimale Therapie essenziell notwendig. Jedoch werden De-
                                                      menzerkrankungen bei 40–60% übersehen. Eine Frühdiagnose er-
8. Indikationsstellung und                           scheint deshalb besonders wichtig und ermöglicht eine erfolgver-
    Therapievereinbarung                         17   sprechende mehrdimensionale Therapie.
  8.1 Akuttherapie                               17
  8.2 Langzeittherapie                           17
  8.3 Auswahl der Medikation                     18   2. Diagnose und Differenzialdiagnose
  8.4 Therapieresistenz                          18   Die gegenwärtige psychiatrische Klassifikation nach ICD-10 (siehe
  8.5 Suizidrisiko                               19   Tabelle 1) und DSM-5 betrachtet die Demenz vom Alzheimer-Typ
  8.6 Spezielle Problemstellungen                19   (DAT) als erworbenes Symptommuster, welches sich aus Störungen
                                                      der kognitiven Leistungsfähigkeit und nicht kognitiven Verhaltens-
9. Nicht medikamentöse                               änderungen zusammensetzen kann.
    Behandlungsmöglichkeiten                     19
  9.1 Psychotherapie und Soziotherapie           19
                                                         Tabelle 1
  9.2 Nahrungsergänzungsmittel als Prävention
                                                         Demenz vom Alzheimer-Typ (DAT)
       der Alzheimer-Demenz                     20      ICD-10-Leitlinien (F00)
Mittelaufschlag                                  12      1. V
                                                             orhandensein eines Demenzsyndroms

                                                         2. V
                                                             erlauf: Schleichender Beginn mit langsamer
                                                            Verschlechterung. Die Demenz ist irreversibel.

                                                         3. A
                                                             usschluss Organizität (z.B. Hyperthyreose, Hyperkaliämie,
                                                            Vitamin-B-Mangel, Hydrocephalus, subdurales Hämatom)
                                                         4. F ehlen eines plötzlichen apoplektischen Beginns oder
                                                             neurologischer Herdzeichen (Hemiparese, Sensibilitätsver-
                                                             lust, Gesichtsfeldausfälle und Koordinationsstörungen in
                                                             der Frühphase, können jedoch in der Spätphase vorhanden
                                                             sein)

                                                                               c linic um neurop s y s ond erausgabe         3
Demenzerkrankungen Medikamentöse Therapie - Konsensus-Statement - State of the art 2015 - ÖGPB
Neben der Demenz bei Alzheimer-Krankheit unterscheidet das ICD-                    	Eine erhebliche Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähig-
    10 noch die vaskuläre Demenz (F01), die Demenz bei andernorts                         keit, vorzugsweise durch eine standardisierte neuropsychologi-
    klassifizierten Krankheiten, z.B. Demenz bei primärem Parkinson-                      sche Testung bzw. bei deren Fehlen durch eine sonstige quantifi-
    Syndrom (F02), und die nicht näher bezeichnete Demenz (F03).                          zierte klinische Bewertung dokumentiert.
    Die kognitiven Störungen, allen voran die Abnahme der Gedächt-                     B	Die kognitiven Einschränkungen beeinträchtigen die Unabhän-
    nisleistung, aber auch Störungen im Bereich der Urteilsfähigkeit                      gigkeit in der Verrichtung alltäglicher Aktivitäten (d.h., zumindest
    und des Denkvermögens wie auch eine verminderte Affektkontrol-                        ist Hilfe bei komplexen instrumentellen Alltagsaktivitäten wie Be-
    le und Störung des Antriebs oder Sozialverhaltens, müssen so aus-                     zahlen von Rechnungen oder Einnahme von Medikamenten not-
    geprägt sein, dass sie zu einer Beeinträchtigung der täglichen Akti-                  wendig).
    vitäten führen. Dieses Kriterium wird in der ICD-10 in Form einer                  C	Die kognitiven Einschränkungen treten nicht ausschließlich im
    dreistufigen Einteilung des Schweregrades differenziert berück-                       Zusammenhang mit einem Delir auf.
    sichtigt.                                                                          D	Die kognitiven Einschränkungen können nicht besser durch eine
    Als kognitive Testverfahren kommen neben dem MMSE (Mini-Men-                          andere psychische Störung erklärt werden (z.B. Major Depressi-
    tal-State-Examination) auch ADAS-cog (Alzheimer’s Disease Assess-                     on, Schizophrenie).
    ment Scale – cognitive section) und SIB (Severe Impairment Battery)
    infrage. Weiterhin sinnvoll sind CGI (Clinical Global Impression),                 Für den Arzt für Allgemeinmedizin sind neben der Erhebung der Ei-
    ADL (Activities of Daily Living), CIBIC-Plus (Clinician’s Interview-               genanamnese fremdanamnestische Angaben von besonderer Be-
    Based Impression of Change Plus Caregiver Input) und NPI (Neuro-                   deutung. Während Betroffene ihre Defizite häufig verleugnen, neh-
    psychiatrisches Inventar). Sowie auch CERAD+ siehe Kapitel 8.3.                    men Angehörige oft erste Veränderungen wahr.
                                                                                       Auch hier ist zu beachten, dass Verleugnungs- und Verdrängungs-
                                                                                       mechanismen der Angehörigen die tatsächliche Wahrnehmung
       Tabelle 2
                                                                                       derartiger Symptome über lange Zeit verhindern.
       Welche kognitiven Screeningtests werden
       weltweit verwendet?                                                             Dazu gehören kognitive Beeinträchtigungen (Störung des Kurzzeit-
                                                                                       gedächtnisses) ebenso wie Wesens- und Verhaltensänderungen,
       Testverfahren                                           Verwendung
                                                                                       z.B. sozialer Rückzug (vor allem von anspruchsvolleren, komplexe-
                                                               (in Prozent)
                                                                                       ren sozialen Tätigkeiten), Antriebsschwäche, Desinteresse und
       Mini-Mental-State-Examination (MMSE)                        100%                Angst. Diese Symptome nehmen mit zunehmendem Schweregrad
       Uhrentest                                                     72%               der Demenzerkrankung zu.
       Delayed Recall
                                                                     56%
       (verzögerter Worterinnerungstest)                                               Eine beginnende Alzheimer-Demenz könnte man an folgenden
       Wortflüssigkeit                                               39%               Symptomen erkennen, diese Veränderungen zeigten sich bei Pati-
                                                                                       enten, die später eine DAT entwickelten.
       Gleichheiten erkennen                                         27%
       Trail Making Test                                             25%
                                                                                       Verhalten (NPI)
                                                      Quelle: Shulman K et al., 2006
                                                                                       1.	Reizbarkeit, Depressionen, Veränderungen des Verhaltens wäh-
                                                                                           rend der Nacht
    Neue DSM-5-Kriterien bezüglich Neurocognitive Disorder (NCD)                       2. Angst, Veränderung des Appetits, Unruhe und Apathie
    „Schwere NCD“ entspricht der im DSM-5 als Demenz bezeichne-                        3.	Euphorie, motorische Unruhe, Halluzinationen, Wahn, Enthem-
    ten Erkrankung                                                                         mung
    Diagnostische Kriterien
    A	Nachweis einer erheblichen Abnahme kognitiver Leistung, relativ                 Depression (GDS, Geriatrische Depressionsskala)
       zum vorherigen Leistungsniveau in einem oder mehreren kogniti-                  In der GDS nur geringe Unterschiede: Verlust der Energie, Einstellen
       ven Bereichen (komplexe Aufmerksamkeit, exekutive Funktionen,                   der Aktivitäten, Verlust an Interesse, lieber zu Hause bleiben.
       Lernvermögen und Gedächtnis, Sprache, perzeptiv-motorische                      Der GDS wird auch als Depressionstest nach Yesavage bezeichnet
       Kognition oder soziale Kognition auf Basis von:                                 und ist ein aus 15 Fragen bestehender Fragebogen. Mithilfe dessen
    	Besorgtheit des Patienten oder eines sachkundigen Informanten                    eine eventuelle vorhandene Altersdepression oder depressive Stim-
       oder des Klinikers, dass eine erhebliche Abnahme der kognitiven                 mungslage im Rahmen des geriatrischen Assessments festgestellt
       Leistungsfähigkeit stattgefunden hat).                                          werden kann (Yesavage J.A. et al., 1986).

    Vorsitz                                                   Editorial Board

    O.Univ.-Prof.                Priv.-Doz. Dr.               Prim. Dr.                Antonia Croy             Prim. Univ.-Prof. Dr.     Prim. Dr.
    Dr.h.c.mult. Dr.med.         Michael Rainer               Reinhard Bacher          Mindmatters              Peter Fasching            Gerhard Fruhwürth
    Siegfried Kasper             SMZ Ost Donauspital,         Landeskrankenhaus                                 Wilhelminenspital, Wien   Krankenhaus der
    Universitätsklinik für       Karl-Landsteiner-Institut    Rankweil                                                                    Barmherzigen Brüder,
    Psychiatrie und Psycho-      für Gedächtnisvor-                                                                                       Eisenstadt
    therapie, Wien               schung, Wien

4   cli n i c u m n e u ro p s y s o n d e ra u s g a b e
Demenzerkrankungen Medikamentöse Therapie - Konsensus-Statement - State of the art 2015 - ÖGPB
Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL – Activities of Daily Living)
Deutliche Unterschiede bei beginnender Demenz, z.B. ein Spiel                 Tabelle 3
spielen, Rechnungen bezahlen, einkaufen, reisen.                              Apparative Zusatzuntersuchungen
Der ADL-Score misst die Alltagskompetenz von Patienten, die an
                                                                              bei Demenzabklärung
degenerativen Erkrankungen leiden (z.B. DAT, Parkinson oder Mul-                        Obligatorisch                          Fakultativ
tiple Sklerose). Das Verfahren nach Barthel umfasst zehn unter-               Labor                                  Labor
schiedliche Tätigkeitsbereiche, die vom Arzt oder Pflegepersonal              – Blutbild, Diff.                      – Harnsäure, Lipide
mit Punkten bewertet werden (Barthel D.W. et al., 1965).                      – Natrium, Kalium, Calcium             – Phosphor, Magnesium
                                                                              – Nüchternglukose                      –B
                                                                                                                       lei, Quecksilber, Benzol,
Bei weiter bestehenden Zweifeln, aber auch im Falle einer eindeuti-           – L eber- und Nieren­                  Kupfer
gen Symptomatik sollte eine Überweisung zum Facharzt erfolgen.                   parameter                           – HbA1C
                                                                              – CRP                                  – Homocystein, Thiamin
Die Aufgabe des Facharztes für Psychiatrie/Neurologie umfasst die             – TSH, T3, T4                          – HIV
nochmalige Anamneseerhebung unter Einbeziehung der Angehöri-                  – Vit. B12, Folsäure                   – Serologie Lues, Borrelien
gen, die organneurologische Untersuchung, das Erstellen des psy-              Neuroimaging                           – Parathormon, Cortisol
chopathologische Status sowie eine Untermauerung der Ergebnisse               –M
                                                                                RT (CCT) für die                    – Coreuloplasmin
durch entsprechende testpsychologische Untersuchungen. Hierfür                 Differenzialdiagnose uner-            Liquor
sind das Screening beispielsweise die Mini-Mental-State-Examinati-             lässlich                              – E ntzündliche ZNS-
on (MMSE), das Montreal Cognitive Assessment (MOCA), der Uh-                                                            Erkrankungen
rentest, der „Intracategorical Delayed Selective Reminding“-(IDSR)-                                                  – T au-Protein, Aβ42,
Gedächtnistest sowie der DemTect als brauchbare Instrumente her-                                                        Phospho-Tau
vorzuheben.                                                                                                          Neuroimaging
Über obligatorische und fakultative Zusatzuntersuchungen gibt Ta-                                                    –H
                                                                                                                       MPAO-SPECT, FDG-PET,
belle 3 Aufschluss.                                                                                                   Amyloid-PET
                                                                                                                     Apparativ, weitere
Wesentlich ist auch die Differenzialdiagnostik. Zunächst geht es ei-                                                 – Sonographie Halsgefäße
nerseits um die Abgrenzung zwischen Demenz und Depression                                                            – EKG
(siehe Tabelle 4) sowie andererseits zwischen Demenz und Delir.                                                      – EEG
Bei der Differenzialdiagnose zwischen Demenz und Delir ist zu be-                                                    – Polysomnographie

    Tabelle 4
                                                                          denken, dass das Risiko, ein Delir zu entwickeln, mit steigendem
    Abgrenzung der depressiven Pseudodemenz
    von seniler Demenz                                                    Alter ansteigt. Eine vorbestehende Demenz erhöht dieses Risiko.
                                                                          Delirante Zustände werden bei älteren Patienten häufig übersehen,
                Depression                        Demenz                  da die imponierende Verwirrtheit als Dauerzustand angenommen
    – S chneller, erkennbarer          – S chleichender, unklarer       wird. Somit ist neben der Differenzialdiagnose das Erkennen einer
       Beginn                             Beginn                          Komorbidität von Demenz und Delir von klinischer Bedeutung.
    – Symptome oft von kurzer          – Symptome dauern schon          Im Liquor können bestimmte Proteinkonstellationen nachgewiesen
       Dauer                              lange                           werden (Aß-Amyloid-Peptid1-42 und phosphorylisiertes Tau-Prote-
    – Stimmung ist beständig           – Stimmung und Verhalten         in), die mit über 90%iger Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen ei-
       depressiv                          fluktuieren
                                                                          ner Demenz vom Alzheimer-Typ sprechen. Daher kann diese Unter-
    – Ich-weiß-nicht-Antworten         – Angenähert richtige Ant-
                                                                          suchung bei Betroffenen, die ein für eine DAT nicht typisches oder
       sind typisch                       worten überwiegen
                                                                          unklares Beschwerdebild zeigen, zu einer genaueren Klärung der
    – Patient stellt Defizite          – Patient sucht Defizite zu
       besonders heraus                   verbergen                       Ursache beitragen, z.B. in der Abgrenzung der DAT zur depressiven
    – Große Schwankungen               – Kognitive Leistungsschwä-      Pseudodemenz. Es ist zu berücksichtigen, dass gerade am Beginn
       der kognitiven Leistungs-          che relativ konstant            einer demenziellen Erkrankung Symptome einer depressiven Stö-
       schwäche                                                           rung häufig sind, womit die Differenzialdiagnose Demenz/Depressi-
                                                                          on oft schwierig ist.

Prim. Univ.-Prof. Dr.        Prim. Dr.               Prim. Dr.            O.Univ.-Prof. DDr.           Prim. Univ.-Prof. Dr.       Prim. Univ.-Prof. DDr.
Heinz Grunze                 Christian Jagsch        Helmut Jelem, MSc    Hans-Peter                   Marcus Köller               Michael Lehofer
Universitätsklinik           LKH Graz Süd-West,      LKH Thermenregion,   Kapfhammer                   SMZ Sophienspital,          LKH Graz Süd-West,
für Psychiatrie und          Standort Süd, Graz      Neunkirchen          Universitätsklinik           Wien                        Standort Süd, Graz
Psychotherapie,                                                           für Psychiatrie, Graz
Salzburg

                                                                                                       c linic um neurop s y s ond erausgabe                5
Demenzerkrankungen Medikamentöse Therapie - Konsensus-Statement - State of the art 2015 - ÖGPB
Vor allem zur Differenzierung depressiver Störungen ist die CERAD                tiver Ätiologie, wobei wiederum mehr als die Hälfte dem Alzhei-
    (Consortium to Establish a Registry for Alzheimer's Disease) als                 mer-Typ zuzuordnen ist. Der Rest verteilt sich auf vaskuläre, ge-
    testpsychologisches Instrument hervorzuheben. Hier sollten soge-                 mischte und sekundäre Demenzformen.
    nannte „Late-onset-Depressionen“ eine besondere Berücksichti-                    Aufgrund der in der Zwischenzeit vorliegenden neuropathologi-
    gung finden. Hierbei handelt es sich um erstmalige depressive Stö-               schen Befunde muss davon ausgegangen werden, dass regelhaft
    rungen im höheren und hohen Lebensalter, welche in der Literatur                 eine Vielzahl verschiedenster neuropathologischer Veränderungen
    als Risikofaktor in der Entstehung demenzieller Erkrankung hervor-               in der „gemeinsamen Endstrecke“ Demenz münden.
    gehoben werden.

    Der in beiden Fällen gerechtfertigte Einsatz eines Antidepressivums              3. Epidemiologie und Verlauf
    kann unter Umständen bei diagnostischen Unklarheiten hilfreich                   Die Prävalenz der Demenzerkrankungen steigt mit zunehmendem
    sein, da im Falle einer Depression mit dem Abklingen der affektiven              Alter massiv an (siehe Abbildung 2 auf der nächsten Seite).
    Störung eine deutliche Verbesserung der kognitiven Leistungen
    einhergeht. Beweisend ist dies jedoch nicht, da umgekehrt auch                   Nach einer Metaanalyse von neun Studien mit definierten Diagno-
    depressive Symptome bei Vorliegen einer DAT auf Antidepressiva-                  sekriterien beträgt die Prävalenz in der Altersgruppe zwischen 45
    Therapie ansprechen.                                                             und 64 Jahren 0,1%, zwischen 65 und 69 Jahren 1,53% und er-
                                                                                     reicht bei den 95- bis 99-Jährigen bereits 44,48%. Zunehmendes
    Zu den neuen diagnostische Möglichkeiten zählen Amyloid-PET                      Alter ist eindeutig der wichtigste Risikofaktor für das Auftreten ei-
    und FP-CIT-SPECT.                                                                ner demenziellen Erkrankung.
                              18
    Ein Amyloid-PET, das mi F -Tracern durchgeführt wird, ermöglicht                 Nach Geschlechtern aufgeschlüsselt liegt die Prävalenz in allen Al-
    es, eine prodromale Alzheimer-Demenz, atypische Alzheimer-De-                    tersgruppen bei Frauen höher als bei Männern. Die Epidemiologie
    menz und unklare leichte kognitive Beeinträchtigungen zu verifizie-              der Demenz in Österreich wird in Tabelle 5 auf Seite 7 dargestellt.
    ren und dient auch zur Verlaufsdokumentation. Ein FP-CIT-SPECT                   Die Pflegeaufwendungen pro Patient steigen mit zunehmendem
    kann eine Lewy-Body-Demenz (LBD) sehr elegant von einer Alzhei-                  Schweregrad und Notwendigkeit der stationären Pflege deutlich an.
    mer-Demenz unterscheiden, da die Dopamintransporter bei LBD re-                  Die Stadien und der Verlauf der Alzheimer-Demenz (DAT) illustriert
    duziert sind und szintigraphisch erfasst werden können.                          Abbildung 3 auf der nächsten Seite.

    Ein zweiter Schritt in der Differenzialdiagnostik ist die ätiologische           Grundsätzlich sind hinsichtlich des Verlaufs der DAT ein präsympto-
    Zuordnung der Demenz (siehe Abbildung 1). Bis zu 70% aller De-                   matisches und ein Frühstadium, weiters eine leichte bis mittlere
    menzerkrankungen sind nach derzeitigem Wissensstand degenera-                    und schließlich eine schwere Demenz zu unterscheiden. Im prä-

       Abbildung 1
       Häufigkeitsverteilung der Demenzformen
                                                    DIFFERENZIALDIAGNOSTIK
Demenzerkrankungen Medikamentöse Therapie - Konsensus-Statement - State of the art 2015 - ÖGPB
symptomatischen Stadium lassen sich lediglich Risikofaktoren (etwa                                                   nem MMSE von 19 bis 11. Ab einem MMSE von ≤10 spricht man
bestimmte Genmutationen) definieren.                                                                                 von einer schweren Demenz.
Darauf kann das Stadium des Mild Cognitive Impairment (MCI) fol-                                                     Während die DAT einen schleichenden Beginn und eine allmähliche
gen. Patienten mit diagnostiziertem MCI haben ein deutlich erhöh-                                                    Verschlechterung zeigt, sieht man bei vaskulären Demenzen, die ei-
tes Risiko, später eine Demenz zu entwickeln (in der Literatur fin-                                                  ne pathogenetisch sehr heterogene Gruppe darstellen, häufig ei-
den sich Werte zwischen vier und 25%). Eine leichte Demenz ent-                                                      nen zeitlichen Zusammenhang zwischen ischämischem Ereignis
spricht etwa einem MMSE von 26 bis 20, eine mittlere Demenz ei-                                                      und Verschlechterung.

         Abbildung 2                                                                                                                 Tabelle 5
         Altersabhängige Prävalenzsteigerung von Demenz                                                                              Epidemiologie der Demenz
                                50                                                                                                   in Österreich
                                                                  n Jorm et al. 1987                                                                                   90.500
                                45                                n Ritchie & Kildea 1995                                            Im Jahr 2000
                                                                                                                                                                       Demenzpatienten
                                                                  n Hofman et al. 1991
                                40
                                                                  n Lobo 2000 (female)                                                                                 262.300
                                                                                                                                     Im Jahr 2050
   Prävalenzrate (in Prozent)

                                35                                n Lobo 2000 (male)                                                                                   Demenzpatienten
                                30                                                                                                   Neuerkrankungen 2000              23.600
                                25                                                                                                   Neuerkrankungen 2050              65.500
                                20                                                                                                   Anteil Alzheimer-Demenz           60–80%
                                15                                                                                                   Anteil Vaskuläre Demenz           10–25%
                                10                                                                                                   Anteil Lewy-Body-Demenz           7–25%

                                 5                                                                                                   Anteil andere
Demenzerkrankungen Medikamentöse Therapie - Konsensus-Statement - State of the art 2015 - ÖGPB
Weiterführende Informationen zu Agitation bei De-
         Abbildung 4                                                                                    menz sind im Konsensus-Statement-2013 „Die Be-
         Symptome der Alzheimer-Demenz im Zeitverlauf                                                   handlung der Agitation beim Psychiatrischen Notfall“
                                                     Zeit                                               nachzulesen.

                                                                                                   Während bei frontotemporalen Demenzen Affektver-
                                                                                                   änderungen, Verflachung, Depression, aggressive
       Verschlechterung

                    Stimmung                                        Verhalten                      Durchbrüche und Verfall des Sozialverhaltens im Vor-
                                                                                                   dergrund stehen, kommt es bei der Lewy-Body-De-
                                                                                                   menz (LBD) zu rezidivierenden szenischen Halluzinatio-
                                                                                                   nen, Halluzinationen in diversen Modalitäten und sys­
                                                                                                   tematisiertem Wahn. Häufig tritt schon zu Beginn oder
                                Kognitive            Funktionelle                 Motorische       in einem frühen Stadium der LBD-Erkrankung ein Par-
                                Funktion             Autonomie                    Funktion         kinson-Syndrom auf. Anzumerken ist die bei LBD be-
                                                                                                   stehende Hypersensitivität auf Antipsychotika mit einer
                                         Quellen: Gauthier et al. (1996); Kertesz & Mohs (1996)    stark Dopamin-blockierenden Wirkung.
                                           Gélinas & Auer (1996); Eastwood & Reisberg (1996)       Die Retrogenese-Theorie, die Reisberg aufstellte, illus­
                                                                                                   triert sehr anschaulich, dass die Entwicklung einer DAT
    tome und Verhaltensstörungen bei Demenzpatienten, unabhän-                        tatsächlich einer retrograden kindlichen Entwicklung entspricht so-
    gig von der zugrunde liegenden Ätiologie. Dazu gehören Verhal-                    wie dass nach und nach Fähigkeiten verloren gehen, die Kinder
    tensstörungen wie Agitation, Aggression oder Schlafstörungen,                     und Jugendliche im Laufe ihres Heranwachsens erwerben (siehe Ta-
    ebenso psychische Symptome wie etwa Halluzinationen, Depressi-                    belle 7 auf der nächsten Seite). Dies geht bis hin zur Kontinenz und
    on oder Angst. Die Prävalenz von BPSD wird mit 60–90% ange-                       zum Spracherwerb. Vielleicht ist dieser Gedanke hilfreich dabei, das
    geben. Tabelle 6 zeigt Störungen von Kognition, Funktion und                      Verständnis für Demenzkranke auch in der Öffentlichkeit und bei
    Verhalten, die mit einer leichten, mittelschweren und schweren                    Angehörigen zu fördern.
    Demenz einhergehen.

                                                                                                        5. Ätiologie
         Tabelle 6
                                                                                                        Pathophysiologie
         Störungen von Kognition, Funktion und
         Verhalten nach Demenzschweregrad                                                               Die mit Abstand häufigste Demenzform bei Patienten
                                                                                                        über dem 65. Lebensjahr stellt die DAT dar. Laut WHO
                          Kognition                Funktion                    Verhalten
                                                                                                        ist die DAT als „eine primär degenerative Krankheit des
               Leichte Demenz (MMSE 26–20)
                                                                                                        zentralen Nervensystems mit unbekannter Ätiologie
         – L ernfähigkeit und            – Arbeiten                     – Apathie                    und charakteristischen neuropathologischen und neu-
            Gedächtnis                    – Umgang mit Geld              – S ozialer Rückzug          rochemischen Merkmalen“ definiert. Typisch für diese
         – Wortfindungs-                 – Einkaufen                    – Depression                 Erkrankung ist die pathologische zerebrale Proteinakku-
            störungen                     – Kochen                       – Reizbarkeit
                                                                                                        mulation. Diese betrifft sowohl den intra- wie auch ex-
         – Problemlösung                  – Haushalt
                                                                                                        trazellulären Bereich. Extrazellulär kommt es hauptsäch-
         – Urteilsvermögen                – Lesen
         – Rechnen                        – Schreiben
                                                                                                        lich zu einer Ablagerung von Beta-Amyloid. Intrazellulär
                                          – Hobbys                                                     dominiert die Einlagerung von Neurofibrillen. Diese bil-
                                                                                                        den sich aus hyperphosphoriliertem Tau-Protein. Diese
               Mittelschwere Demenz (MMSE 19–11)
                                                                                                        Kombination führt schließlich zum Verlust der Funktio-
         – Kurzzeitgedächtnis            – Verlust der                  – Depression
                                                                                                        nalität der Synapsen und in weiterer Folge zum Zellun-
            (Langzeitgedächtnis              Alltagskompetenz             – Herumlaufen
                                                                                                        tergang. Wenn es im Rahmen dieses neurodegenerati-
            nicht beeinträchtigt)         – Verlegen von                 – Schlaflosigkeit
                                                                                                        ven Prozesses zur Freisetzung initial intrazellulärer Tau-
         – Sprache                          Gegenständen                 – Agitiertheit
         – Auffassung                    – Verirren                     – Wahn                       verbindungen in den Extrazellulärraum kommt, führt
         – Orientierung (zuerst          – Schwierigkeiten beim                                       dies zu einer Beschleunigung des Zelluntergangs. Als
            zeitliche, dann örtliche         Anziehen                                                   wahrscheinliche Ursache für diesen Prozess wird in ak-
            Orientierungs-                                                                              tuellen Untersuchungen die Neurotoxizität des Tau-Pro-
            störungen)                                                                                  teins angenommen. Die Wirkung dürfte über die Ver-
         – Räumliches Vor­                                                                             änderung der Zellmorphologie sowie das herabgesetzte
            stellungsvermögen                                                                           Zellwachstum vermittelt sein. Diese Prozesse münden
               Schwere Demenz (MMSE ≤10)                                                                schließlich in der charakteristischen Atrophie der grau-
         – Aufmerksamkeit                – Einfachste Alltags­          – Aggressivität              en Substanz.
         – Apraxie                          fähigkeiten wie                 ·Verbal (schreien)
         – Sprache (Sätze, Mutis-           ·Anziehen                       ·Körperlich                In aktuellen Forschungsarbeiten zu Demenzerkrankun-
            mus)                             ·Körperpflege                – Schlaflosigkeit            gen konnten Risikofaktoren im Zusammenhang mit ei-
         – Agnosie (Objektagno-             ·Hygiene                                                   ner DAT identifiziert werden. Präventionsempfehlungen
            sie, Prosopagnosie)              ·Essen                                                     befassen sich mit den beeinflussbaren Risikofaktoren.
                                             ·Laufen
                                                                                                        Hierzu zählen vor allem Änderungen des Lebensstils. So
                                          – Kontinenz
                                                                                                        wurde das Rauchen als unabhängiger Risikofaktor iden-
                                                      Quelle: modifiziert nach Galasko D et al., 1997
                                                                                                        tifiziert. Ebenso ist von einer Relevanz von kardiovasku-

8   cli n i c u m n e u ro p s y s o n d e ra u s g a b e
Demenzerkrankungen Medikamentöse Therapie - Konsensus-Statement - State of the art 2015 - ÖGPB
Tabelle 7
   Retrogenese -Theorie
                         Beschreibung           Entwicklungs-
        GDS                                                             Dauer des          Erworbene           Entwicklungs-
                           verlorene                alter
      Stadium                                                           Stadiums            Fähigkeit              alter
                          Fähigkeiten           des Patienten
          3                                                                             Beruf lernen, aus-
                         Beruf ausüben            19–12 Jahre             7 Jahre                               13–19 Jahre        Erwachsener
        (MCI)                                                                                  üben
          4             Einfache Finanz-                                                     Mit Geld
                                                  12–8 Jahre              2 Jahre                                8–12 Jahre       Späte Kindheit
      (leichte)            geschäfte                                                         umgehen
         5                  Kleidung                                                         Kleidung                                 Mittlere
                                                   7–5 Jahre             1,5 Jahre                               5–7 Jahre
      (mäßige              auswählen                                                        auswählen                                 Kindheit
          6
   (mittelschwer)
          a                Anziehen                                                         Anziehen
          b                Waschen                 5–2 Jahre             2,5 Jahre          Waschen              2–5 Jahre        Frühe Kindheit
          c                 Toilette                                                         Toilette
          d              Urinkontrolle                                                    Urinkontrolle
          e              Darmkontrolle                                                    Darmkontrolle
          7
      (schwer)
          a           5–6 Worte sprechen                                                5–6 Worte sprechen       15 Monate
          b            1 Wort sprechen          15 Monate bis                            1 Wort sprechen         12 Monate           Säuglings
                                                                          7 Jahre
          c                Gehen                   Geburt                                    Gehen               12 Monate             alter
          d                 Sitzen                                                            Sitzen            6–10 Monate
          e                Lächeln                                                           Lächeln            2–4 Monate
          f              Kopf halten                                                       Kopf halten          1–3 Monate

   GDS=Globale-Deterioration-Skala; MCI=Mild Cognitive Impairment
                                                                                                                         Quelle: Reisberg B et al., 1999

lären Risikofaktoren im mittleren Lebensalter auszugehen: Eine                  genetische Risikofaktor für die sporadische DAT ist eine Variante
frühzeitige Behandlung von z.B. arterieller Hypertonie, Adipositas              des Apolipoproteins E (ApoE) auf Chromosom 19: Apoε4.
oder Diabetes mellitus ist daher anzustreben (siehe Tabelle 8).                 Die Ätiologie der DAT ist nach wie vor unbekannt. Genetische Fak-
                                                                                toren spielen sicherlich eine Rolle (Konkordanzrate bei homozygo-
                                                                                ten Zwillingen 40%), wobei jedoch familiär gehäufte Formen sehr
   Tabelle 8
                                                                                selten sind und meistens vor dem 50. Lebensjahr auftreten. Ursäch-
   Risiko- () und protektive () Faktoren der DAT
                                                                                lich wurden Veränderungen auf den Chromosomen 1, 14, 19 und
   Faktor                                            Risiko
                                                                                21 nachgewiesen sowie auch entzündliche Vorgänge im Gehirn als
   Kardiovaskuläre Erkrankungen                                                ursächlich diskutiert. Ein höheres Lebensalter, geringere Schulbil-
   Rauchen                                                                     dung, frühere Schädel-Hirn-Verletzungen und vorausgegangene
                                                                                depressive Episoden, insbesondere im Alter, stellen zumindest Vul-
   Arterielle Hypertonie                                
                                                                                nerabilitätsfaktoren dar, während eine hohe Schulbildung und ein
   Diabetes Typ II                                                             geistig aktives Leben protektive Faktoren sein können. Ob auch
   Übergewicht                                                                 schwerwiegende Lebensereignisse einen präzipitierenden Faktor
   Schädeltraumata                                                             darstellen, wird unterschiedlich bewertet.
   Bildung                                                                     Pathogenetisch könnten Reduktionen im zerebralen Blutfluss sowie
                                                                                der Glukose- und Sauerstoffutilisation eine Rolle spielen. Letztlich
   Mediterrane Ernährung                                
                                                                                kommt es auf dem Weg über die Bildung von extrazellulären
   Körperliche Aktivität                                                       Plaques (Beta-Amyloid) und intrazellulären Neurofibrillen (Tau-Pro-
                                                Quelle: Mayeux et al., 2012
                                                                                tein) zum Absterben von Neuronen und zum Synapsenverlust mit
                                                                                seinen klinischen Folgen. Risikofaktoren für eine DAT sind weiterhin
Ein wesentlicher nicht beeinflussbarer Risikofaktor für die Entwick-            Alter, genetische Faktoren, Atherosklerose, Hypercholesterinämie,
lung der DAT ist der genetische Hintergrund. Nur bei einem sehr                 Diabetes, Hypertonie und Übergewicht.
geringen Anteil der Betroffenen besteht eine hereditäre Erkrankung              Die Ätiologie der vaskulären Demenz (VAD) ist heterogen. Häufig
mit autosomal-dominantem Vererbungsmuster (etwa unter einem                     finden sich Durchblutungsstörungen durch atherosklerotische Ver-
Prozent), wo es zu einer Mutation im Amyloid-Precursor-Protein-                 änderungen kleiner und mittlerer zerebraler Arterien, die zu kleinen
(APP)-Gen oder dem Präsenilin-1- oder -2-(PSEN1, PSEN2)-Gen                     multiplen lakunären Infarkten (
Demenzerkrankungen Medikamentöse Therapie - Konsensus-Statement - State of the art 2015 - ÖGPB
Überlappungsbereich zwischen VAD und DAT wesentlich größer ist                      Mittels EEG-Mapping der Delta/Theta-Power ist eine Differenzie-
     als bisher angenommen. Eine VAD völlig ohne AD-Pathologie tritt                     rung zwischen normalem und pathologischem Altern in einem ho-
     relativ selten auf. Besteht eine DAT mit gleichzeitiger zerebrovasku-               hen Prozentsatz möglich. Hemisphärische Asymmetrien können bei
     lärer Erkrankung (CVD), so spricht man heute von „DAT w/CVD“                        der Differenzierung unterschiedlicher Demenz-Ätiologien hilfreich
     (Alzheimer-Demenz mit zerebrovaskulärer Erkrankung).                                sein (vaskuläre Demenz: hoher Asymmetrie-Index, degenerative De-
     Risikofaktoren für VAD sind zu einem Großteil die gleichen wie für                  menz: niedriger Asymmetrie-Index). Es existieren signifikante Korre-
     DAT: Alter, genetische Faktoren, Atherosklerose, Diabetes, Rau-                     lationen zwischen EEG-Variablen (Delta/Theta-Power) einerseits
     chen, Vorhofflimmern und Übergewicht. Zu betonen ist jedoch,                        und morphologischen (CT) sowie klinischen und psychometrischen
     dass das Vorhandensein von allen vaskulären Risikofaktoren für die                  Variablen andererseits.
     Diagnose VAD nicht ausreicht. Die Rationale für eine antidementive                  Ereigniskorrelierte Potenziale („event-related potentials“ – ERP), zei-
     Therapie nicht nur bei DAT, sondern auch bei VAD und DAT w/CVD                      gen, dass im Vergleich zum normalen Altern bei kognitiv gestörten
     besteht darin, dass beide Erkrankungen gemeinsame Risikofakto-                      Patienten die sogenannte P300-Latenz (ein Maß für die Geschwin-
     ren und pathologische Merkmale haben. Bei beiden Erkrankungen                       digkeit der Informationsverarbeitung) verlängert ist, was quasi einem
     besteht eine cholinerge Dysfunktion und Excitotoxizität aufgrund                    vorzeitigen Alterungsprozess entspricht. Gleiches gilt für die Abnah-
     einer exzessiven Glutamatfreisetzung mit Überstimulation des                        me der P300-Amplitude, die eine Abnahme der für Problemlösungen
     NMDA-Rezeptors und nachfolgendem neurotoxischem Kalziumio-                          herangezogenen kognitiven Ressourcen widerspiegelt.
     neneinstrom. Im Falle der DAT sowie der Parkinson-Demenz und                        Mittels niedrig auflösender elektromagnetischer Hirntomographie
     insbesondere der Lewy-Body-Demenz existiert ein cholinerges Neu-                    („low resolution brain electromagnetic tomography“ – LORETA)
     rotransmitter-Defizit. Aber auch bei VAD sind die Marker für die                    lassen sich diese Veränderungen bestimmten Arealen zuordnen,
     cholinerge Funktion vermindert. In VAD-Tiermodellen existieren                      wobei vor allem der ventro- und dorsolaterale präfrontale Kortex
     auch kontroversielle Hinweise auf einen Verlust des Nikotinrezep-                   betroffen ist. Bei Demenzpatienten sind die ERP-Latenzen signifi-
     tors. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass vaskuläre Läsionen                      kant verlängert. Der demente Patient benützt mehr Hirnareale zur
     cholinerge Signalwege beeinträchtigen.                                              Problemlösung als der Gesunde (strukturelle Differenz) und benö-
                                                                                         tigt auch mehr Energieressourcen für perzeptive und kognitive Pro-
                                                                                         zesse (energetische Differenz). Allerdings gehen mit dem Fort-
     6. Neurophysiologie und Schlaf                                                      schreiten der kognitiven Einschränkung auch diese Kompensations-
     Im Wach-EEG findet sich bei Demenzpatienten mittels visueller, vor                  möglichkeiten mehr und mehr verloren.
     allem aber mittels quantitativer EEG-Analyse eine Zunahme der                       Der Schlaf ist bei verschiedenen demenziellen Prozessen gestört
     Delta- und Theta- sowie eine Abnahme der Alpha- und Beta-Aktivi-                    (Alzheimer-Krankheit, frontotemporale Demenz, Lewy-Body-De-
     tät. Im Gegensatz dazu zeigt sich bei normalem Altern eine Abnah-                   menz, Chorea Huntington, vaskuläre Demenz, Creutzfeldt-Jakob-
     me der Delta-, Theta- und Alpha-Aktivität sowie eine Zunahme der                    Krankheit). Üblicherweise zeigen sich Fragmentierungen, eine er-
     Beta- Aktivität. Die Abnahme der dominanten Alpha-Frequenz ist                      höhte Anzahl von Aufwachepisoden und auch ein längeres Ver­
     bei normalem Altern weniger stark ausgeprägt als bei demenziellen                   weilen in Wachzuständen. Tiefschlafstadien und REM-Stadien
     Prozessen.                                                                          (Rapid Eye Movement) sind reduziert, Schlafstadium S1 vermehrt.

        Tabelle 9
        Therapie einer Demenz:
        Substanz, Dosen, Metabolismus und Darreichungsformen derzeit zugelassener Antidementiva
                                Acetylcholinesterasehemmer                                                          NMDA-Antagonist          Ginkgo biloba
                                Donepezil               Rivastigmin                           Galantamin            Memantin                 EGb 761
                                                        Oral               Transdermal
                                                                                                                                             Multivalenter
                                                                                                                                             Radikalfänger,
                                                                                              Selektiver
                                                                                                                                             Hemmung von
                                Reversibler                                                   AChE-I,               Nonkompetitiver
                                                        Pseudoirreversibler selektiver                                                       Amyloid-beta-
        Wirkungsprinzip         selektiver                                                    Modulator an          NMDA-Rezeptor-
                                                        AChE-I und BuChE-I                                                                   Protein,
                                AChE-I                                                        nikotinischen         Antagonismus
                                                                                                                                             Steigerung der
                                                                                              ACh-Rezeptoren
                                                                                                                                             Cholin-Auf­
                                                                                                                                             nahme
        Einnahme                1x tgl.                 2x tgl.            1x tgl.            1x od. 2x tgl.        1x tgl.                  1x od. 3x tgl.
        Startdosis              5mg/Tag                 3mg/Tag            4,6mg/Tag          8mg/Tag               5mg/Tag                  240mg/Tag
        Titrationsintervall     min. 4 Wochen           4 Wochen           Min. 4 Wochen      Min. 4 Wochen         1 Woche                             ———

        Erhaltungsdosis         5–10mg/Tag              6–12mg/Tag         9,5–13,3mg/Tag     16–24mg/Tag           20mg/Tag                 240mg/Tag
                                CYP2D6,                                                       CYP2D6,               Kein hepatischer         CYP2C9*,
        Metabolismus                                    Kein hepatischer Metabolismus
                                CYP3A4                                                        CYP3A4                Metabolismus             CYP3A4*
        Halbwertszeit           ca. 70 h                1,5 h              3,4 h              5–7 h                 60–80 h                  3–11 h
        Darreichungs­           Filmtablette,           Hartkapsel,        Transdermales      Retardkapsel,         Filmtablette,            Filmtablette,
        formen                  Schmelztablette         Lösung             Pflaster           Lösung                Lösung                   Tropfen

        *Erst eine Überdosierung von Ginkgo-biloba-Präparaten führt zu einer leichten CYP2C9-Induktion sowie zu einer schwachen CYP3A4-Inhibition.
        AChE-I=Acetylcholinesterase-Inhibitor; BuChE-I=Butyrylcholinesterase-Inhibitor; Ach=Acetylcholin; NMDA=N-Methyl-D-Aspartat (Glutamatrezeptor)

10   cli n i c u m n e u ro p s y s o n d e ra u s g a b e
Hinsichtlich der Mikrostruktur des Schlafes sind Schlafspindeln,                        einen zusätzlichen Therapieeffekt bringen kann, und andererseits
K-Komplexe und rasche Augenbewegungen weniger gut ausge-                                könnte die Hemmung der zentralen BuChE in späteren Demenzsta-
prägt und auch seltener. Periodische Beinbewegungen und schlaf-                         dien von Vorteil sein.
bezogene Atmungsstörungen sind vermehrt. Bei der DAT finden                             Da diese Hypothese allerdings bei klinischen Studien bislang nicht
sich typischerweise Schlaf-Wach-Rhythmus-Störungen im Sinne des                         bestätigt werden konnte, liegt die größte Bedeutung für die Thera-
Sun-Downings (wenn die Sonne untergeht, stehen die Patienten                            pie der DAT wahrscheinlich lediglich in der Hemmung der AChE.
auf, sind agitiert und wandern ausgeprägt).                                             Zusätzlich zur Hemmung der AChE und BuChE kommt es unter Ga-
                                                                                        lantamin zu einer allosterischen Wirkung auf die Nikotinre­zeptoren.
                                                                                        Die Hemmung der Cholinesterase führt zu einem erhöhten Ach-
7. Therapie und Substanzklassen                                                         Spiegel. Gastrointestinale Nebenwirkungen werden am seltensten
Generell lässt sich sagen, dass nur ausreichende Dosierungen von                        bei Donepezil und am häufigsten bei Rivastigmin (in oraler Form) in
Antidementiva auch zur vollen Wirksamkeit führen. Die wichtigsten                       der Titrationsphase beobachtet. In der Erhaltungsphase ist die gas­
registrierten Antidementiva zeigt Tabelle 9 (auf der vorhergehenden                     trointestinale Nebenwirkungsrate von Donepezil und Rivastigmin
Seite), und der Zulassungsstatus wird in Abbildung 5 dargestellt.                       durchaus vergleichbar. Aus diesem Grund sollte die Einnahme von
                                                                                                      Rivastigmin morgens und abends zum Essen erfolgen.
                                                                                                      Verabreichung von Rivastigmin durch Hautpflaster kann
   Abbildung 5
                                                                                                      die Nebenwirkungen reduzieren und gewährt ein
   Therapie der Alzheimer-Demenz
   Zulassungsstatus nach Konsensus-Statement der                                                      gleichmäßiges Wirkprofil. Auf die Verträglichkeit des
   Österreichischen Alzheimer Gesellschaft 2010                                                       Pflasters ist zu achten. Die Applikation sollte durch Be-
                                                                                                      treuungspersonen erfolgen können.
   MMSE 26*                     MMSE 20                     MMSE 10                     MMSE 0
                                                                                                      Mittlerweile liegen für alle AChE-Hemmer Daten aus
                                                                                                      Langzeitstudien (vier bis fünf Jahre) vor. Die Daten wei-
          Leichte AD                   Mittelschwere AD                    Schwere AD                 sen darauf hin, dass es in der Langzeittherapie mit
                                                                                                      AChE-Hemmer nach einer anfänglichen Stabilisie-
               Cholinesterasehemmer:                                       Donepezil**                rungsphase zwar zu einer Verschlechterung kognitiver
               Donepezil, Rivastigmin, Galantamin                          Memantin
                                                                                                      sowie anderer Funktionen kommt; diese beginnt je-
                                                NMDA-Rezeptor-Antagonist:                             doch bei behandelten Patienten später und erfolgt
                                                  Memantin (MMSE 19-3)                                langsamer als bei unbehandelten.
                                                                                                      Etwa 50 % der Patienten sprechen auf eine Therapie
   Alternativen bei Nichtwirksamkeit oder in Kombination: Ginkgo Biloba, Cerebrolysin-Infusionen
   *MMSE=Mini Mental State Examination (Mini Mental Status Test)
                                                                                                      mit Antidementiva an. Die meisten Therapieabbrüche
   **keine Krankenkassenübernahme unter MMSE 10                                                       erfolgen wegen der Nebenwirkungen (siehe Tabelle 11
                                                                   Quelle: Schmidt R et al., 2010
                                                                                                      auf Seite 14) oder wegen des fehlenden Ansprechens.
                                                                                                      Entwickelt ein Patient auf eine bestimmte Substanz
7.1 Cholinesterasehemmer                                                                Nebenwirkungen, sollte eine andere Substanz verwendet werden,
Die drei auf dem Markt befindlichen Inhibitoren der Acetylcholin­                       die dann häufig gut vertragen wird. Bei einer solchen Umstellung
esterase (AChE) unterscheiden sich u.a. durch die Art ihrer Hemm-                       ist wahrscheinlich keine Auswaschphase notwendig. Die höchst-
wirkung auf die AChE, weiterhin durch den Grad der Hemmung                              mögliche Dosierung ist anzustreben.
der Butyrylcholinesterase (BuChE); diese wird von Donepezil kaum,                       Der Einsatz von AChE-Hemmern ist bei einer bekannten Überemp-
von Galantamin gering und von Rivastigmin stärker gehemmt, was                          findlichkeit gegen das jeweilige Präparat sowie bei Schwanger-
einerseits zu gastrointestinalen Nebenwirkungen führt, jedoch auch                      schaft kontraindiziert.

   Tabelle 10
   Medikamentenwahl bei verschiedenen Demenzformen
           Vaskuläre Demenz                Lewy-Body-Demenz (LBD)                Parkinson-Demenz (PDD)                 Frontotemporale Demenz

   Sekundärprävention von                  Rivastigmin (1b, A):              Rivastigmin (1b, A):                      SSRI (3, B): für affektive
   Schlaganfällen (1a, A)                  Mittel erster Wahl                Mittel erster Wahl                        Symptome günstig

                                                                             Donepezil und Memantin (1b, B):           Memantin (3, C):
   Donepezil oder Memantin (1a, B)         Donepezil (2b, C)
                                                                             Mittel erster Wahl                        Mittel zweiter Wahl

   Galantamin:
                                                                                                                       Cholinesterase-Hemmer:
   bei Mischformen bes. effektiv
                                                                                                                       nicht zu empfehlen (2a, D)
   (1b, B)

   Rivastigmin:
   bei Mischformen bes. effektiv
   (2b, C)

   Ginkgo biloba:
   bei Mischformen bes. effektiv
   (2b, C)
   Cerebrolysin (1b, C)

   Legende siehe Anhang
                                                                                                        Quelle: Rainer M., 2015; nach den S3-Leitlinien Demenz

                                                                                                              c linic um neurop s y s ond erausgabe               11
Antidementiva (Auswahl)

 Substanzgruppen                 Donepezil                                                                      Galantamin

 Pharmakodynamik                 Reversibler selektiver Acetylcholinesterasehemmer                              Selektiver, kompetitiver, reversibler Acetylcholinesterase­
                                                                                                                hemmer.
                                                                                                                Allosterischer Modulator präsynaptischer Azetylcholinrezep-
                                                                                                                toren mit Erhöhung der Rezeptoraffinität für Azetylcholin
                                                                                                                (insbesondere M2- und M4-Rezeptorsubtyp).

 Pharmakokinetik                 • Tmax = 3–4 Stunden                                                          •   Tmax = 4,4 Stunden
                                 • T½ = ca. 70 Stunden                                                         •   T½ = 8–10 Stunden
                                 • Bioverfügbarkeit ca. 43%                                                    •    Bioverfügbarkeit ca. 88%
                                 • Plasmaproteinbindung >90%                                                   •    Plasmaproteinbindung 18%
                                 • Steady state nach ca. drei Wochen                                           •    Steady state nach zwei bis drei Tagen
                                 •M etabolisierung über CYP 450 3A4 und CYP 2D6                                •    Metabolisierung über CYP 450 3A4 und CYP 2D6
                                 • Wirksamer Metabolit: 6-O-Desmethyldonepezil                                 •    90–97% renale Ausscheidung
                                 • Plasmakonzentration: 30–75ng/ml                                             •    Plasmakonzentration: 30–100ng/ml

 Dosierung                       Anfangsdosis: 5mg 1x tgl. Einmalgabe (abends),                                 Anfangsdosis: 8mg 1x tgl. morgens; Erhaltungsdosis (nach
                                 Steigerung auf 10mg (Einmalgabe) nach frühestens                               vier Wochen) 16mg 1x tgl. morgens (bei Bedarf nach vier
                                 einem Monat möglich                                                            Wochen Steigerung auf 24mg 1x tgl. morgens)

 Indikation                      Leichte bis mittelschwere Alzheimer-Demenz                                     Leichte bis mittelschwere Alzheimer-Demenz
                                 MMSE 2: 11–26                                                                  MMSE: 11–26

 Nebenwirkungen                  •C holinerge Begleiteffekte: Diarrhoe, Muskel-                                • Cholinerge Begleiteffekte: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe,
                                   krämpfe, Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen                                         Dyspepsie, Anorexie, Müdigkeit, Tremor
                                 • Bradykardie mit Schwindel                                                  • Bradykardie

 Kontraindikationen              • Überempfindlichkeit gegenüber Donepezil                                     • Überempfindlichkeit gegenüber Galantamin
 Warnhinweise                    •R elativ: Ulzera, vorbestehende Bradykardie,                                 • Schwere Leber- und Niereninsuffizienz
                                   Asthma bronchiale                                                            • Vorsicht bei kardiovaskulären Erkrankungen, Asthma
                                 • Schwere Leberinsuffizienz                                                      bronchiale, obstruktiven Atemwegserkrankungen
                                                                                                                • Obstruktion des Verdauungstraktes oder der ableitenden
                                                                                                                  Harnwege

 Interaktionen                   Ketokonazol, Erythromycin, Muskelrelaxantien                                   Ketokonazol, Erythromycin, Muskelrelaxantien vom Succinyl-
                                 vom Succinylcholintyp, Cholinomimetika, Anti­                                  cholintyp, Cholinomimetika, Anticholinergika, ß-Blocker
                                 cholinergika, ß-Blocker

1g  leichzeitige Mahlzeit verzögert die Resorption, dadurch Verringerung der Plasmaspitzen (Reduktion der Cmax um 30%, Erhöhung der AUC um 30%)
2 MMSE: Mini-Mental-State-Examination
Rivastigmin                                                         Memantin

Pseudoirreversibler Hemmer der Acetyl- und Butyrylcholinesterase    Spannungsabhängiger, nicht kompetetiver
mit hirnregionaler Selektivität (Kortex und Hippocampus)            N-Methyl-D-Aspartat-(NMDA-)-Rezeptorantagonist mit
                                                                    schneller Rezeptorkinetik.
                                                                    Memantin blockiert die Wirkung pathologisch erhöhter tonischer
                                                                    Konzentrationen von Glutamat, die zu neuronalen Funktions­
                                                                    störungen führen können.

• Tmax = 1 Stunde                                                  •   Tmax = 3–8 Stunden
• T½ = 0,6–2 Stunden                                               •   T½ = 60–100 Stunden
•  Bioverfügbarkeit ca. 36%                                        •    Bioverfügbarkeit ca. 100%
•   Wirkdauer im Gehirn ca. 10 Stunden                             •     Plasmaproteinbindung ca. 45%
•    Plasmaproteinbindung: 40%                                     •      Hauptmetabolite ohne NMDA-antagonistische Wirkung
•     Metabolisierung durch die Azetylcholinesterase. Das Enzym
       wird carbamyliert und mit einer T½ von mehreren Stunden
       wieder hydrolysiert, so dass es ohne Neusynthese regeniert
       („pseudoirreversible“ Hemmung).
• 95% renale Ausscheidung binnen 24 Stunden des decarbamy-
       lierten Metaboliten

Oral-Anfangsdosis: 3mg 2x tgl. (morgens und abends zum Essen1),     Anfangsdosis: 5mg/d
Dosissteigerung in vierwöchigem Abstand auf 6–12mg/tgl.             Wöchentliche Steigerung um 5mg
Transdermal-Anfangsdosis: 4,6mg 1x tgl., Dosissteigerung in vier-   Erhaltungsdosis: 20mg/d
wöchigem Abstand auf 9,5–13,3mg/tgl.

Leichte bis mittelschwere Alzheimer-Demenz                          Mittelschwere bis schwere Alzheimer-Demenz
Leichte bis mittelschwere Parkinson-Demenz                          MMSE: ≤10–19
MMSE: 11–26

•C  holinerge Begleiteffekte: Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe,       • S chwindel, Kopfschmerzen, Verstopfung, Halluzinationen,
   Schwindel, Müdigkeit, Tremor                                       Verwirrtheit, Müdigkeit, motorische Unruhe
• Transdermal: Hautrötung und -jucken

• Überempfindlichkeit gegenüber Rivastigmin                        • Überempfindlichkeit gegenüber Memantin
• Schwere Leberinsuffizienz                                        • Krampfanfälle
• Relativ: Ulzera, vorbestehende Bradykardie, Asthma bronchiale    • Bei Patienten mit mittelschweren Nierenfunktionsstörungen (eGFR
• Vorsicht bei Nierenfunktionsstörungen (Clearance von
rer bis schwerer DAT. Vorsicht ist bei Patienten mit Lewy-
        Tabelle 11                                                                      Body-Demenz (DLB) und Demenz bei Parkinson-Syndrom
        Mögliche Nebenwirkungen von AChE-Hemmern                                        (PDD) geboten, da viele Parkinson-Patienten entweder
        Organklasse                                                                     mit L-Dopa und/oder einem Dopaminagonisten behan-
        Psychopathologie                         Halluzinationen, Agitation,            delt werden und es bei gleichzeitiger Einnahme mit Me-
                                                 aggressives Verhalten                  mantin zu einer Wirkungsverstärkung und damit mögli-
                                                                                        cherweise zu unerwünschten motorischen Komplikatio-
        Nervensystem                             Synkope, Schwindel, Schlaflosigkeit,
                                                 Krampfanfälle, extrapyramidale         nen führen kann.
                                                 Symptome
                                                                                        Für die Kombination von Memantin und Acetylcholineste-
        Herz–Kreislauf-System                    Bradykardie, SA Block,
                                                 atrioventrikulärer Block               rasehemmer gibt es mittlerweile eine gute Datenlage, auch
                                                                                        bei gemischten DAT-VAD-Formen.
        Gastrointestinale Störungen              Durchfall, Erbrechen, Übelkeit,
                                                                                        Einschränkend sei erwähnt, dass für diese Kombinations-
                                                 abdominelle Störungen
                                                                                        therapie zurzeit noch keine Erstattung durch den Haupt-
        Haut und Unterhautgewebe                 Hautausschlag, Pruritis, vermehrtes    verband der österreichischen Sozialversicherungsträger
                                                 Schwitzen, Exantheme
                                                                                        besteht.
        Bewegungsapparat                         Muskelkrämpfe
        Niere                                    Harninkontinenz                      7.3 Ginkgo biloba
         Allgemeine Störungen              Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schmerzen        Der Ginkgo-Spezialextrakt EGb 761 wirkt pharmakologisch
                                                                                      multifaktoriell:
                                                                                      •	Radikalfängereigenschaften und PAF-(platelet activating
     7.2 Memantin                                                                       factor)-Antagonismus,
     Bei Memantin handelt es sich um einen nicht kompetitiven span-         •	Neuro- und Membranprotektion, Steigerung der Hypoxietole-
     nungsabhängigen NMDA-(N-Methyl-D-Aspartat)-Rezeptorantago-                ranz, Schutz vor Läsion zerebraler Strukturen, Hemmung von
     nisten, der pathologisch erhöhtes Glutamat vom Rezeptor ver-              programmiertem Zelltod (Apoptose),
     drängt und den exzessiven Kalziumeinstrom verhindert, der für den      •	Verbesserung von Gedächtnisleistung und Lernvermögen,
     Nervenzelltod mit verantwortlich ist. Memantin erwies sich in tier-    •	hämodynamische, vaskuläre und hämorheologische Effekte.
     experimentellen Studien als neuroprotektiv. Die Tagestherapiedosis     •	Nach neuesten Untersuchungen reduziert sich der Amyloid-β-
     liegt in der ersten Woche bei 5mg, ab der zweiten Woche bei               Spiegel im Plasma.
     10mg, ab der vierten Woche bei 20mg. Es sind zwei Einzeldosen zu       •	Verbesserung der Motorik (z.B. tardive Dyskinesien).
     geben, wobei die zweite Dosis nicht nach 14 Uhr genommen wer-
     den sollte. Ein Wirkungseintritt ist etwa nach vier Wochen zu er-      Für Ginkgo biloba liegen kontrollierte, den derzeitigen wissen-
     warten. Die anzustrebende Tagesdosis für die Dauertherapie liegt       schaftlichen Anforderungen standhaltende Studien vor, die Verbes-
     bei 20mg. Memantin wurde 2002 für mittelschwere bis schwere            serungen in Kognition, Alltagskompetenz und neuropsychiatri-
     Krankheitsstadien (MMSE 19 bis 3) zugelassen.                          schen Symptomen belegen. Die Tagesdosierung gemäß Fachinfor-
                                                                            mation bei demenziellem Syndrom beträgt 120 bis 240mg Spezial-
     In Studien mit bis zu einem Jahr Dauer zeigten sich signifikante       extrakt EGb 761.
     Verbesserungen in der Kognition, der Alltagskompetenz, dem kli-        Eine überzeugende Wirksamkeit wurde in den letzten zehn Jahren
     nischen Gesamteindruck (CGI, Clinical Global Impression) und der       in drei Studien bei über 1.000 Patienten in einer Dosierung von
     Pflegebedürftigkeit. In einer Vergleichsstudie von Donepezil plus      240mg pro Tag dokumentiert.
     Memantin mit Donepezil alleine zeigte sich die Kombination hin-
     sichtlich Kognition (Severe Impairment Battery = SIB), Funktion        Mögliche sehr selten auftretende Nebenwirkungen sind Kopf-
     (Alzheimer‘s Disease Cooperative Study – Activities of Daily Living    schmerzen, Schlafstörungen, Schwindel, Hitzegefühl, Nausea, gas­
     Inventory = ADCS-ADL) und klinischem Gesamteindruck                    trointestinale Störungen und Blutungsgefahr. Die erhöhte Blutungs-
     (Clinician’s Interview-Based Impression of Change Plus Caregiver       gefahr ist vor allem bei Kombination mit NSAR, Cumarinen, SSRI
     Input = CIBIC-Plus) signifikant überlegen – in der Kombinations-       und SNRI gegeben.
     gruppe wurde nicht nur eine langsamere Verschlechterung, son-
     dern sogar eine objektive Verbesserung der Kognition gefunden.         7.4 Nootropika
     Was Nebenwirkungen betrifft, war durch Memantin/Donepezil bei          Als eine erweiterte Bezeichnung für Antidementiva kann der älte-
     Agitation und Diarrhoe eine Verbesserung gegenüber Donepezil           re Begriff Nootropika dienen. Dies sind Medikamente, die bei Stö-
     alleine festzustellen, während sich der Prozentsatz an Patienten       rungen der Noopsyche, also des intellektuell-verstandesmäßigen
     mit Verwirrtheit durch Memantin/Donepezil vergrößerte.                 Bereichs des Bewusstseins, therapeutische Effekte zeigen. Durch
     Verhaltensstörungen und insbesondere Agitation und Aggression          die Studienlage und den Erfolg der AChE-Hemmer in den Hinter-
     sind ein häufiges und belastendes Demenzsymptom. Memantin              grund gedrängt, gibt es doch eine Reihe von anderen Substanz-
     zeigte sowohl in Monotherapie als auch in Kombination signifikan-      klassen, die auch eine Vielzahl von Wirkungen aufweisen, jedoch
     te Vorteile in den Bereichen Agitation/Aggression und illusionäre      zum Großteil aufgrund der fehlenden Datenlage keine Zulassung
     Verkennungen. Weitere Bereiche wie Reizbarkeit und gestörtes Ess­      erhalten haben und aus historischen Gründen unter dem ange-
     verhalten wurden ebenfalls signifikant positiv beeinflusst. Darüber    nommenen Wirkprinzip hier aufgeführt werden:
     hinaus entwickelten unter Memantin-Kombinationstherapie weni-          •	Metabolisch: Mutterkornalkaloide, Nicergolin, Piracetam
     ger Patienten Verhaltensauffälligkeiten.                               •	Osmotisch: Mannit, Sorbit, Dextran
     Memantin ist eine geeignete Therapieoption sowohl für kognitive        •	Ca-Antagonisten: Nimodipin
     als auch für nicht kognitive Beeinträchtigungen bei mittelschwe-       •	Cerebrolysin

14   cli n i c u m n e u ro p s y s o n d e ra u s g a b e
In präklinischen Studien konnten für Cerebrolysin – ein biotechno-        7.6 Antipsychotika/Neuroleptika
logisch hergestelltes Peptidpräparat (ein Mischpräparat aus gerei-        Auch hier ist zwischen älteren (Antipsychotika der ersten Generati-
nigten Schweinehirnpeptiden) – folgende Wirkmechanismen dar-              on, z.B. Haloperidol) und neueren Substanzen (Antipsychotika der
gestellt werden: Neuronale Sprossung und axonale Vernetzung,              zweiten Generation) zu unterscheiden. Leitsubstanz der typischen
Differenzierung neuronaler Stammzellen, Modulation von Neuro-             Neuroleptika ist Haliperidol, dessen Effekt bei Aggression in Meta-
transmitterdefiziten, Induktion von neuronalen Reparaturprozes-           analysen nachgewiesen ist, welches allerdings im Vergleich zu aty-
sen, antiapoptotische Wirkung. In klinischen Studien zeigt Cerebro-       pischen Substanzen eine höhere Mortalität aufweist.
lysin eine signifikante Verbesserung der kognitiven Leistungen und        Bei der Lewy-Body-Demenz (LBD) sollten Antipsychotika der ersten
des globalen klinischen Eindrucks. Für die 60ml-Dosis wurde dar-          Generation wegen schwerer Nebenwirkungen des extrapyramidal-
über hinaus eine signifikante Besserung neuropsychiatrischer Sym-         motorischen Systems nicht verwendet werden. Bei LBD wird Quetia-
ptome beschrieben. Empfohlen wird eine vierwöchige Anwendung              pin empfholen.
zwei- bis dreimal pro Jahr.                                               Primäre Zielsymptomatik der Antipsychotika der zweiten Generati-
                                                                          on ist ebenfalls Agitation sowie psychotische Symptome. Sowohl
Zusammenfassend ist zu sagen, dass neben der Substitution bzw.            Risperidon – das einzige für BPSD registrierte Atypikum – als auch
Modulation von Neurotransmittern auch andere Wirkprinzipien be-           Aripripazol, Quetiapin und Olanzapin zeigten in Studien gute Wir-
legt sind. Der Einsatz dieser Substanzen kann wegen der aus heuti-        kung, allerdings bei einer erhöhten Inzidenz zerebrovaskulärer Er-
ger Sicht unzureichenden Datenlage nur bei Unwirksamkeit bzw.             eignisse im Vergleich zu Plazebo.
bei Unverträglichkeit von Cholinesterasehemmern (ChE-Hemmer)              Bei Olanzapin ist zu berücksichtigen, dass es zu einem leichten an-
und Memantin in Einzelfällen in Erwägung gezogen werden.                  ticholinergen Effekt kommen kann.

7.5 Antidepressiva
                                                           Tabelle 12
Die Behandlung von BPSD (Behavioural and Psycho-
                                                           Pharmakologische Therapien bei BPSD*
logical Symptoms of Dementia, Psychische Sympto-
me und Verhaltensauffälligkeiten bei Demenz) ist                                                       Empfehlungsgrad           Evidenzlevel
von relevanter Bedeutung. Einerseits weil die Le-          Antidementiva                                         2                      A
benszeitprävalenz für BPSD bei Demenz knapp
                                                           Antidepressiva
100% beträgt, also irgendwann fast jeder Patient
                                                             SSRI                                                3                      B
daran leidet. Andererseits auch, weil bestimmte
Verhaltensstörungen von der Umwelt oft nicht als             Trizyklika                                          5                      D
Krankheit, sondern als Feindseligkeit des Betroffe-          MAO-Hemmer                              nicht empfehlenswert               E
nen ausgelegt werden, was ihm und den Angehöri-
                                                           Antikonvulsiva
gen die ohnehin schon schwierige Lebenssituation
weiter erschweren kann.                                      Carbamazepin                                        3                      B
Für Citalopram ist eine signifikante Wirksamkeit ge-         Valproat                                nicht empfehlenswert               E
gen Agitation nachgewiesen worden. Zu Mirtazapin             Gabapentin                                          4                     C1
existieren sogar mehrere negative Studien. Ein
                                                             Lamotrigin                                          4                     C1
Cochrane Review der vorhandenen Evidenz sugge-
riert eine geringe Wirksamkeit konventioneller Anti-       Antipsychotika
depressiva. Andere pharmakologische Ansätze zur              Haloperidol                                         2                      A
Behandlung depressiver Symptome bei DAT, z.B.                weitere z.B. Pipamperon                             4                     C3
Modulation glutamaterger Mechanismen, könnten
                                                             Risperidon, Olanzapin                               2                      A
hingegen erfolgversprechender sein.
                                                             Aripiprazol                                         3                      B
Was die Behandlung depressiver Symptome betrifft,            Quetiapin                                           4                     C3
so ist neueren Antidepressiva gegenüber Trizyklika
                                                           Benzodiazepine/Hypnotika
der Vorzug zu geben, nicht zuletzt wegen der anti-
cholinergen Wirkung, aber auch wegen der insge-              Benzodiazepine                            nur bei Notfällen, zeitlich limitiert
samt stärker ausgeprägten Nebenwirkungen der Tri-            Benzodia.-Analoga                                   4                     C3
zyklika. Für neuere Antidepressiva (SSRI, SNRI, SARI,        Hypn. Wirks. Antidepr./Antipsych.                   4                     C3
NaSSA) spricht zunächst ihre generell gute und gut           Melatonin (und -agonisten)                          3                      B
belegte Wirkung bei Depression. SSRI und Trazodon
                                                             Chloralhydrat                           nicht empfehlenswert               F
waren in kleineren und Einzelfallstudien bei Verhal-
tensstörungen im Rahmen von frontotemporalen                 Diphenhydramin                          nicht empfehlenswert               E
Demenzen wirksam, so zeigte insbesondere Citalo-             Chlomethiazol                           nicht empfehlenswert               E
pram antiimpulsive Effekte. Trazodon zeigte in einer         Baldrian                                nicht empfehlenswert               F
rezenten nicht interventionellen Studie bei einem
                                                           Andere Substanzen
depressiven dementen Patientenkollektiv (n=72) eine
positive Wirkung auf Agitation, Aggression, depres-          Analgetika                                          5                      D
sive Symptome, Angst und Schlafstörung bei einer             Ginkgo biloba                                       3                      B
guten Verträglichkeit. Bei Schlafstörungen können
                                                           *Behavioural and Psychological Symptoms of Dementia; Legende siehe Anhang
sedierende Antidepressiva wie Trazodon und Mirta-
                                                                                               Quelle: Savaskan E., Praxis 2014; 103 (3): 135–148 135
zapin eingesetzt werden.

                                                                                                    c linic um neurop s y s ond erausgabe               15
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