Der Kanton Tessin Struktur und Perspektiven - Credit Suisse

 
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Der Kanton Tessin Struktur und Perspektiven - Credit Suisse
Investment Strategy & Research
                                         Economic Research

Swiss Issues Regionen
Juni 2015

Der Kanton Tessin
Struktur und Perspektiven
Der Kanton Tessin Struktur und Perspektiven - Credit Suisse
Credit Suisse Economic Research

Impressum

Herausgeber
Loris Centola
Global Head of Research and Head of Business Development
Tel. +41 44 333 57 89
E-Mail: loris.centola@credit-suisse.com

Fredy Hasenmaile
Head of Real Estate & Regional Research
Tel. +41 44 333 89 17
E-Mail: fredy.hasenmaile@credit-suisse.com

Autoren
Thomas Rühl
Dr. Sara Carnazzi Weber
Simon Hurst
Pascale de Raemy
Sascha Jucker
Emanuel Roos
Thomas Rieder
Fabian Hürzeler

Kontakt
E-Mail: regionen.economicresearch@credit-suisse.com
Tel. +41 44 334 74 19

Titelbild
LAC Lugano Arte e Cultura
© LAC 2015, Foto Studio Pagi

Druck
Fratelli Roda SA, Taverne

Redaktionsschluss
1. Juni 2015

Besuchen Sie uns auf dem Internet
www.credit-suisse.com/research

Copyright
Die Publikation darf mit Quellenangabe zitiert werden.
Copyright © 2015 Credit Suisse Group AG und/oder mit ihr
verbundene Unternehmen. Alle Rechte vorbehalten

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Der Kanton Tessin Struktur und Perspektiven - Credit Suisse
Credit Suisse Economic Research

Editorial

                        Geschätzte Leserinnen und Leser

                        Es freut uns, Ihnen die neue Regionalstudie über den Kanton Tessin und seine Teilregionen
                        präsentieren zu dürfen. Wir haben unseren Ökonomen den Auftrag gegeben, die Region aus
                        volkswirtschaftlicher Sicht im Detail zu analysieren. Im Vordergrund stehen dabei die Themen
                        Konjunktur, Wirtschaft, Wohnen und Kantonsfinanzen. Die Studie soll unseren Privat- und Fir-
                        menkunden sowie den Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft einen Mehrwert bieten
                        und zu Diskussionen anregen. Als Bank mit einer starken Verwurzelung im Tessin liegt es uns
                        am Herzen, die regionale Wirtschaft im Detail zu verstehen. Wir hoffen, mit diesem Beitrag den
                        wirtschaftlichen Erfolg des Kantons zu unterstützen.

                        Die geografische Lage und die italienische Sprache verleihen dem Tessin eine Sonderrolle unter
                        den Schweizer Kantonen. Mit Lugano als drittgrösstem Schweizer Bankenplatz, einem dynami-
                        schen Industrieportfolio sowie beliebten Tourismusdestinationen nördlich und südlich des Ceneri
                        besteht nicht nur gegenüber dem Rest der Schweiz, sondern auch innerhalb des Kantons eine
                        grosse Heterogenität.

                        Aus der Wirtschaftsstruktur ergeben sich für das Tessin momentan beträchtliche Herausforde-
                        rungen: Die Frankenstärke trifft an erster Stelle den Tourismussektor, den grenznahen Detail-
                        handel und die Exportwirtschaft. Für die Bauwirtschaft stellt die Zweitwohnungsinitiative eine
                        Herausforderung dar. Der Bankenplatz ist von der Umsetzung des Doppelbesteuerungsabkom-
                        mens mit Italien abhängig. Die Personenfreizügigkeit mit der EU hat den Arbeitsmarkt stark be-
                        einflusst; die Grenzgängerzahlen schnellen in die Höhe. Die Umsetzung der «Masseneinwande-
                        rungsinitiative» spielt damit für das Tessin eine besonders wichtige Rolle. In steuerlicher Hinsicht
                        steht ausserdem die Unternehmenssteuerreform III im Fokus.

                        Im Vergleich zu Italien und anderen europäischen Ländern erweist sich die Standortqualität des
                        Tessins weiterhin als hoch. Für italienische Firmen mit Bedürfnis nach Stabilität und günstigen
                        Steuer- und Finanzierungsbedingungen stellt der geografisch, sprachlich und kulturell nahe
                        Südkanton damit eine interessante Alternative dar. Die baldige Eröffnung der Basistunnels unter
                        dem Gotthard und dem Monte Ceneri verkürzt zudem die Fahrzeiten im Bahnverkehr zwischen
                        den beiden Tessiner Ballungsräumen und in die Deutschschweiz. Fragezeichen ergeben sich je-
                        doch in Bezug auf die Strassenverbindung wegen der Sanierung des Gotthardtunnels und der
                        möglichen Teilsperrung.

                        Die Credit Suisse ist seit Langem mit der italienischsprachigen Schweiz verbunden. Die damali-
                        ge Schweizerische Kreditanstalt (SKA) eröffnete 1913 in Lugano die dritte Filiale ausserhalb
                        Zürichs. Seit 1917 residiert die Credit Suisse an der Piazza della Riforma und ist an weiteren
                        zwölf Standorten im Tessin präsent. Als Universalbank mit globaler Vernetzung können wir un-
                        seren Kunden in allen Segmenten umfassende Dienstleistungen anbieten. Wir sind stolz, zahl-
                        reiche Tessiner Privatpersonen und Firmen zu unseren Kunden zählen zu dürfen.

                        Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre.

                        Alberto Petruzzella                                          Gabriele Zanzi
                        Leiter Private & Wealth Management Clients                   Leiter Firmenkunden
                        Region Tessin                                                Region Tessin

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Das Tessin auf einen Blick

Übersicht                                                   Standortqualität
                                                            2014, synthetischer Indikator, CH = 0

Quelle: BFS, Credit Suisse, Geostat                         Quelle: Credit Suisse, Geostat

Bevölkerung                                                 Bruttoinlandprodukt
2013, Fläche entspricht der Bevölkerung                     2011, Fläche entspricht dem BIP

Quelle: BFS, Credit Suisse, Geostat                         Quelle: BFS, Credit Suisse, Geostat

Grenzgänger                                                 Logiernächte
4. Quartal 2014, Fläche entspricht der Anzahl Grenzgänger   2014, Fläche entspricht der Anzahl Logiernächte

Quelle: BFS, Credit Suisse, Geostat                         Quelle: BFS, Credit Suisse, Geostat

Swiss Issues Regionen                                                                                                                      4
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Regionaler Kontext

                                    Grenzlage als Chance und Herausforderung
                                    Mit rund 350'000 Einwohnern und einer Fläche von 2812 km² zählt das Tessin zu den mittel-
                                    grossen Kantonen der Schweiz und deckt rund ein Fünfzehntel der nationalen Fläche ab. Süd-
                                    lich des Alpenhauptkamms gelegen, erstreckt sich der Kanton wie ein Brückenkopf in das
                                    Nachbarland Italien, wovon er weitgehend umgeben wird. Der Gegensatz zwischen institutionel-
                                    ler Zugehörigkeit zur Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und sprachlicher sowie kul-
                                    tureller Einbindung in die italienische Realität andererseits prägt seit jeher Charakter und Ent-
                                    wicklung dieses Kantons.

Zwischen den Deutsch-               Der Kanton Tessin positioniert sich als eigenständiger Wirtschaftsraum zwischen den Agglome-
schweizer Agglomerationen           rationen der Deutschschweiz und der Metropolitanregion Mailand sowie ihren nördlichen Ausläu-
und dem Raum Mailand                fern bei Como und Varese. Bilden die Alpen im Norden des Kantons eine topografische Barriere
                                    zu den Wirtschaftsräumen der Deutschschweiz, werden die Verflechtungen im Süden durch die
                                    nationale Grenze erschwert. Je nach Betrachtungsweise kann das Tessin in diesem regionalen
                                    Kontext als Peripherie- oder Scharnierkanton angesehen werden.

Mehr als nur die                    Die allgemeine Wahrnehmung des Kantons wird durch seine touristische Ausrichtung geprägt.
«Sonnenstube»                       Von den dank mildem Klima mediterran anmutenden Seelagen über ursprüngliche Täler bis zu
                                    den Alpenlandschaften im Norden bietet dieser Kanton zahlreiche touristische Anziehungspunk-
                                    te, was sich in einer überdurchschnittlichen Bedeutung dieses Sektors für die kantonale Wirt-
                                    schaft widerspiegelt. Das Tessin ist aber auch Standort des drittgrössten Finanzplatzes des
                                    Landes, welcher seine Entwicklung der Nähe zu Italien und den Vorteilen der Schweizer Stabili-
                                    tät in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht verdankt. Dieser Sektor begründet auch die starke
                                    Stellung weiterer wertschöpfungsintensiver Branchen im Kanton, die komplementäre Dienstleis-
                                    tungen zum Bankenplatz anbieten.

Wirtschaftliche und demografische Indikatoren
                                    Bevölkerung                      Beschäftigung                Bruttoinlandprodukt             Haushaltseinkommen
                                                                         2012                              2012                     2015 (Prognose)
                                 Anzahl       Wachstum   Sektor I     Sektor II    Sektor III    Anteil am      Pro Be-              in CHF, pro Kopf
                             Personen 2013   2003–2013                                           CH-Total     schäftigten,
                                                                                                                in CHF
Gemeinden
Locarno                            15'671         0.8%          47         2818           7010             -                 -                           -
Bellinzona                         17'962         0.8%          15         1301         11'614             -                 -                           -
Lugano                             56'944         1.1%          43         5054         37'614             -                 -                           -
Wirtschaftsregionen
Mendrisio                          50'829         0.7%        316         13'107        20'126        0.8%        143'131                         36'936
Lugano                            148'758         1.2%        475         19'169        63'714        2.1%        160'536                         43'378
Bellinzona                         48'345         1.1%        323          4291         18'193        0.6%        156'583                         35'358
Locarno                            69'202         0.7%        545          8540         17'779        0.7%        154'211                         33'590
Tre Valli                          29'405         0.4%        522          3760           4416        0.2%        152'421                         30'232
Mesolcina (GR)                       8301         0.9%        158          1067           1328        0.1%        141'159                         37'679
Kantone
TI                                346'539         0.9%       2180         48'867       124'228        3.8%        128'616                         38'257
UR                                 35'865         0.2%        924          5222           7604        0.3%        125'233                         46'169
GR                                194'959         0.4%       4493         24'390        68'993        2.0%        118'747                         48'024
VS                                327'011         1.4%       5254         35'783        88'513        2.9%        130'941                         34'127
Schweiz                          8'139'631        1.0%   107'863      1'002'233      2'750'989       100%         152'440                         51'785

Quelle: BFS, Credit Suisse

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Konjunktur

                                              Tessin wird den «Frankenschock» stark spüren
                                              Die Exportnachfrage nach Tessiner Produkten ist stark. Aufgrund der Überbewertung
                                              des Schweizer Frankens rechnen wir dennoch mit einer Stagnation der Exporte. Die
                                              schwache Konjunktur in Italien verstärkt den «Run» auf Tessiner Arbeitsplätze.

Vieles hängt am                               Das Jahr 2015 startete mit einem Paukenschlag: Mit der Aufhebung der EUR/CHF-
Euro-Wechselkurs                              Untergrenze von 1.20 durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) wurden Schweizer Unter-
                                              nehmen auf einen Schlag in eine neue Realität versetzt. Nach dem anfänglichen Kurssturz weit
                                              unter die Parität hat sich der Euro (unter anderem durch Interventionen der SNB) etwas erholt
                                              und schwankt seither in einem Bereich zwischen 1.03 und 1.07. Aufgrund seiner Rolle als «Sa-
                                              fe Haven» für internationale Anleger gewinnt der Franken besonders in Risikophasen an Wert.
                                              Wir schätzen den fairen Wert EUR/CHF bei CHF 1.22; die aktuellen Kurse sind somit Zeichen
                                              einer Überbewertung.

Exporteure und Tourismus                      Die Schweizer Wirtschaft ist seit Jahrzehnten auf einen starken Franken eingestellt. Völlig neu
sind direkt betroffen                         an der Situation seit 2010 sind jedoch die enorme Geschwindigkeit der Aufwertung und aktuell
                                              der extreme Kurssturz nach der Aufhebung der Untergrenze. Die Aufwertung trifft nicht alle
                                              Wirtschaftsbereiche gleichermassen: Direkt betroffen sind Branchen mit ausländischen Kunden
                                              und einem hohen Kostenanteil in der Schweiz, also die Exportindustrie, der Tourismus und wei-
                                              tere international orientierte Dienstleistungsbranchen.1 Gefährdet sind Unternehmen, die mit ge-
                                              ringen Margen arbeiten oder langfristige Aufträge erfüllen, bei denen die Wechselkursrisiken
                                              nicht abgesichert werden können. Branchen mit direkten ausländischen Konkurrenten, etwa der
                                              Detailhandel nahe der Grenze oder das Autogewerbe, spüren die Aufwertung ebenfalls direkt.
                                              Für Schweizer Konzerne mit globaler Wertschöpfungskette, die in CHF abrechnen, reduzieren
                                              sich – rein buchhalterisch – die Umsätze und Gewinne.

Geringeres BIP-Wachstum,                      Aufgrund der hohen Volatilität des EUR/CHF-Kurses und der Bedeutung von (nicht prognosti-
keine Rezession                               zierbaren) SNB-Interventionen sind Prognosen im Moment mit einem beträchtlichen Risiko
                                              behaftet. Wir rechnen für das laufende Jahr mit einem BIP-Wachstum von 0.8%, was eine
                                              Halbierung gegenüber den Erwartungen vor dem «Frankenschock» darstellt (vgl. Abb. 1). Eine
                                              Rezession ist aus unserer Sicht aber nicht zu erwarten. Die Inflation wird sich in den negativen
                                              Bereich bewegen, und wir rechnen mit –1.3% für 2015 und 0.0% für 2016. Ausserdem gehen
                                              wir von einer leichten Erhöhung der Arbeitslosigkeit aus.

Abbildung 1                                                                                Abbildung 2
Prognosen für die Schweizer Wirtschaft                                                     Exportbarometer Kanton Tessin
                                                                                           In Standardabweichungen; Jahreswachstumsraten, gleitender Durschnitt über 6
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent; Arbeitslosenquote: Jahresmittel
                                                                                           Monate

                                                                                             4.0
                                         2013        2014      2015p       2016p                       Exporte TI   Barometer TI      Exporte CH     Wachstumsschwelle
                                                                                             3.0
    Bruttoinlandprodukt, real              1.9         2.0         0.8        1.2
      Privater Konsum                      2.2         1.0         1.5        1.0            2.0
      Öffentlicher Konsum                  1.4         1.1         1.8        1.5
                                                                                             1.0
      Ausrüstungsinvestitionen             2.0         1.8         1.0        1.5
      Bauinvestitionen                     1.2         0.9         1.5        1.5                0
      Exporte (Güter und Dienstl.)         1.0         3.4         0.0        2.0
                                                                                            -1.0
      Importe (Güter und Dienstl.)         1.4         1.6         2.0        2.0
                                                                                            -2.0
    Konsumentenpreise                     -0.1         0.0        -1.3        0.0
    Arbeitslosenquote                      3.2         3.2         3.4        3.8           -3.0
                                                                                                2002      2004      2006       2008      2010       2012       2014

Quelle: Seco, Credit Suisse                                                                Quelle: EZV, Bloomberg, PMI Premium, Datastream, Credit Suisse

1
    Weitere Informationen: Monitor Schweiz: Ein Jahr der Stagnation, März 2015, Credit Suisse.

Swiss Issues Regionen                                                                                                                                                    6
Der Kanton Tessin Struktur und Perspektiven - Credit Suisse
Credit Suisse Economic Research

Export: Nachfrage intakt,                Die Tessiner Wirtschaft ist überdurchschnittlich stark vom EUR/CHF-Wechselkurs abhängig.
Wechselkurs bremst                       55.1% der Exporte wurden 2014 in die Eurozone geliefert, im Vergleich zu 45.8% auf Landes-
                                         ebene. Für den Aussenhandel präsentiert sich die Währungssituation als schwierig, aber fun-
                                         damental anders als in der Rezession im Jahr 2009: Während damals die internationale Nach-
                                         frage einbrach, ist diese am aktuellen Rand intakt und sogar deutlich stärker als in den letzten
                                         zwei Jahren. Dies zeigt unser Exportbarometer, das auf den Einkaufsmanager-Indizes der Ziel-
                                         länder von Tessiner Produkten basiert (vgl. Abb. 2). Während die Erholung der US-Wirtschaft
                                         bereits länger anhält, erwarten wir für die Eurozone, dass sich der langersehnte Aufschwung in
                                         diesem Jahr tatsächlich einstellt. Obschon in der Vergangenheit die Nachfragesituation wichti-
                                         ger war als der Wechselkurs, dürfte die Tessiner Wirtschaft im aktuellen Umfeld kaum ein Ex-
                                         portwachstum verzeichnen (siehe Kapitel «Exportwirtschaft», S. 20).

Arbeitsmarkt: grosse Diffe-              Bis zur Jahrtausendwende war die Beschäftigungsentwicklung im Tessin rückläufig. Anschlies-
renz zur Situation in Italien            send konnte der Kanton jedoch zum Wachstum zurückfinden und weist aktuell eine ähnliche
                                         Dynamik wie das Landesmittel auf (vgl. Abb. 4). Die Schweiz verzeichnet mit 3.4% im internati-
                                         onalen Vergleich nach wie vor eine sehr tiefe Arbeitslosigkeit. Im Tessin liegt die Quote tenden-
                                         ziell leicht über dem Landesmittel, aktuell bei 4.1%. Ganz anders präsentiert sich die Situation in
                                         Italien: 2014 hat die Arbeitslosigkeit mit über 12.7% einen neuen Höchststand erreicht. In den
                                         direkt angrenzenden Regionen Lombardei (8.2%) und Piemont (11.3%) liegen die Werte zwar
                                         unter dem nationalen Mittel. Gleichwohl besteht ein beträchtliches Überangebot an Arbeit. Das
                                         Tessin mit einem deutlich attraktiveren Arbeitsmarkt wird also auch in Zukunft Ziel von italieni-
                                         schen Grenzgängern und Zuwanderern sein. Im Gegensatz dazu sind die Ungleichgewichte auf
                                         dem Arbeitsmarkt in Deutschland geringer geworden. In der Folge sind die Migrationsbewegun-
                                         gen aus Deutschland (insbesondere in die Deutschschweiz) zurückgegangen. Nach wie vor sind
                                         die Aussichten für die italienische Konjunktur durchzogen: Nach der rückläufigen BIP-
                                         Entwicklung von –0.4% 2014 rechnen wir für die kommenden Jahre mit einem geringen
                                         Wachstum von 0.7% (2015) und 1.3% (2016).

Tessiner Wirtschaftsstruktur             Der Einkaufstourismus dürfte 2015 in der Schweiz um rund 10% zunehmen. Während Anbieter
ist anfällig auf den starken             langlebiger Güter landesweit konkurrenziert werden, werden nahe den Landesgrenzen auch
Franken                                  Lebensmittel im Ausland eingekauft. Aufgrund der hohen Bedeutung des Tourismus und der
                                         Exportindustrie im Tessin dürfte die regionale Konjunktur vom Frankenschock somit stärker
                                         gebremst werden als in anderen Kantonen.
                                         thomas.ruehl@credit-suisse.com

Abbildung 3                                                                 Abbildung 4
Dynamik im Wohnungsbau schwächer als in Vorjahren                           Beschäftigtenentwicklung
Baubewilligungen                                                            Vollzeitäquivalente, Index 1996 = 100, gleitende Durchschnitte über 4 Quartale

3'000                                                                        130
              Gesuche EFH Tessin
                                                                                       Tessin
              Bewilligungen EFH Tessin
2'500                                                                        125       Genferseeregion
              Gesuche MFH Tessin
                                                                                       Ostschweiz
              Bewilligungen MFH Tessin                                       120       Zentralschweiz
2'000                                                                                  Schweiz
                                                                             115

1'500                                                                        110

                                                                             105
1'000
                                                                             100
  500
                                                                              95

    0                                                                         90
     1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015                     1996      1998   2000    2002   2004    2006    2008    2010    2012   2014

Quelle: Baublatt, Credit Suisse                                             Quelle: BFS, Credit Suisse

Swiss Issues Regionen                                                                                                                                        7
Der Kanton Tessin Struktur und Perspektiven - Credit Suisse
Credit Suisse Economic Research

Wirtschaft | Standortqualität

                                                       Berge, Täler, Städte: Ein heterogener Kanton
                                                       Der Kanton Tessin erreicht auf der Skala der Schweizer Kantone eine unterdurch-
                                                       schnittliche Standortqualität. Mendrisio und Lugano liegen im Landesmittel, die Kan-
                                                       tonsteile nördlich des Ceneri jedoch darunter.

Standortqualität als                                   Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eines Standortes bestimmen die langfristige
Basis für Wohlstand                                    Entwicklung von Wertschöpfung und Wohlstand. An attraktiven Orten siedeln sich neue
                                                       Unternehmen an, und bereits ansässige Firmen investieren stärker als in weniger attraktiven
                                                       Gebieten. Neben den unveränderbaren natürlichen Voraussetzungen zählen staatliche
                                                       Regulierungen, die Verfügbarkeit von Arbeitskräften sowie das Geschäftsumfeld zu den
                                                       zentralen Kriterien der Standortqualität.2

Steuern, Arbeitskräfte und                             Um die Attraktivität der Schweizer Regionen und Kantone aus Unternehmersicht zu messen,
Erreichbarkeit im Fokus                                haben wir einen Standortqualitätsindikator (SQI) entwickelt. Dieser basiert auf den folgenden
                                                       sieben quantitativen Teilindikatoren und stellt die Attraktivität eines Gebiets in Form eines relati-
                                                       ven Index dar: Steuerbelastung der natürlichen und juristischen Personen, Verfügbarkeit von
                                                       Hochqualifizierten und Fachkräften sowie Erreichbarkeit der Bevölkerung, der Beschäftigten
                                                       und von Flughäfen. Landpreise und Lohnkosten werden bewusst nicht berücksichtigt, da sie in
                                                       gewissem Sinne nichts anderes als das Spiegelbild der Attraktivität sind.

Südliche Kantonsteile                                  Der Kanton Tessin positioniert sich mit einem Wert von –0.83 auf dem 21. Rang der 26
profitieren von der Nähe                               Schweizer Kantone (vgl. Abb. 1). Die Standortqualität des Kantons präsentiert sich damit ähn-
zu Mailand                                             lich wie diejenige der anderen Gotthardkantone (Uri, Graubünden, Wallis). Mendrisio und Luga-
                                                       no erreichen Werte im Landesmittel und liegen unter den 110 Schweizer Wirtschaftsregionen
                                                       auf dem 43. bzw. 47. Platz. Die teilweise gebirgigen Regionen nördlich des Monte Ceneri bele-
                                                       gen unter dem Landesmittel die Ränge 70 (Bellinzona), 81 (Locarno) und 103 (Tre Valli).

Steuerlich attraktiv für                               Ein Blick auf die Teilindikatoren der Standortqualität zeigt die Hintergründe der regionalen SQI-
Private, nicht aber für                                Werte (vgl. Abb. 3). Seitens der Steuerbelastung positioniert sich das Tessin als attraktiv für
Firmen                                                 natürliche Personen, nur bedingt jedoch für Unternehmen. Neben Zürich ist es damit der einzige
                                                       Kanton mit einer asymmetrischen Steuerpolitik (vgl. Abb. 2). Aufgrund der Tatsache, dass der
                                                       Steuerwettbewerb bei Unternehmen tendenziell intensiver geführt wird, kann dies deren Ansied-
                                                       lungs- und Investitionstätigkeiten bremsen. Dieser Nachteil trifft insbesondere die weniger zent-
                                                       ralen Regionen im Kanton, da diese wenig andere Standorttrümpfe bieten können wie etwa die

Abbildung 1                                                                                                                   Abbildung 2
Standortqualität der Schweizer Kantone 2014                                                                                   Steuerbelastung 2014
                                                                                                                              Index, CH = 100; natürliche Personen: Einkommens- und Vermögenssteuer,
Synthetischer Indikator, CH = 0
                                                                                                                              juristische Personen: Reingewinn- und Kapitalsteuer

    2.5                                                                                                                                                                   140
          ZG
                                                                                                                              Steuerbelastung der juristischen Personen

    2.0                                                                                                                                                                   130                                                     GE
           ZH                                                                                                                                                                                                                 BS
    1.5                                                                                                                                                                   120                                                VD    JU
    1.0        BS                                                                                                                                                                                    ZH                    BE
                                                                                                                                                                          110                                      TI          FR
                                                                                                      Mesolcina
                                                                              Bellinzona

                    NW LU                                                                                                                                                                                                SO BL
                                                       Lugano

                                                                                                                  Tre Valli

    0.5                  OW                                                                                                                                               100                                                   VS
                              BL SH
                                                  SO             UR VD                     NE                                                                                                                     GR                           NE
     0                                                                                                                                                                    90
                SZ AG      AR TG                                                                                                                                                                                  AG        SG
                                     Mendrisio

                                                 AI SG GE                                                                                                                 80                                 TG
-0.5                                                                                                                                                                                               UR               SH
                                                                                                                                                                                                                  GL
                                                                BE GL                                                                                                     70
-1.0                                                                                                                                                                                 ZG   SZ            AI
                                                                         TI           FR GR                                                                                                     OW           LU
-1.5                                                                                                                                                                      60                    NW                 AR
                                                                                                Locarno

-2.0                                                                                                         VS                                                           50
                                                                                                               JU                                                               50   60     70      80      90      100     110       120     130     140
-2.5                                                                                                                                                                                  Steuerbelastung der natürlichen Personen

Quelle: Credit Suisse                                                                                                         Quelle: Braingroup, Credit Suisse

2
    Weitere Informationen: «Standortqualität der Schweizer Kantone und Regionen: Ein Wegweiser für Unternehmen und Politik», Credit Suisse, September 2013.

Swiss Issues Regionen                                                                                                                                                                                                                                 8
Der Kanton Tessin Struktur und Perspektiven - Credit Suisse
Credit Suisse Economic Research

                                            Regionen Lugano und Mendrisio. Die Unterschiede in der Steuerbelastung innerhalb des Kan-
                                            tons sind relativ gering. Locarno und Tre Valli weisen eine leicht höhere Belastung von natürli-
                                            chen und juristischen Personen auf.

Lugano mit hoher                            Die Verfügbarkeit von Fachkräften und Hochqualifizierten präsentiert sich im gesamten Kanton
Verfügbarkeit qualifizierter                als unterdurchschnittlich. Das Wirtschaftszentrum Lugano kann sich jedoch nahe am Landes-
Arbeitskräfte                               mittel positionieren und weist diesbezüglich eindeutige Vorteile gegenüber den anderen Kan-
                                            tonsteilen auf.

Mendrisio profitiert von der                Die Erreichbarkeitsindikatoren verdeutlichen die beträchtliche Heterogenität des Tessins: Men-
Nähe zum Raum                               drisio zählt landesweit zu den zehn Regionen mit der höchsten Erreichbarkeit von Bevölkerung
Mailand                                     und Beschäftigten. Die Nähe zum dicht besiedelten und wirtschaftlich potenten Ballungsraum
                                            Mailand ist Ursache für dieses Resultat. Die Topografie des Tessins mit malerischen Tälern,
                                            Bergen und Seen begründet die touristische Attraktivität des Kantons. Gleichzeitig äussert sie
                                            sich jedoch auch in einer geringeren verkehrstechnischen Erreichbarkeit der nördlichen Kan-
                                            tonsteile. Im öffentlichen Verkehr dürfte das Tessin stark vom Ceneri-Basistunnel profitieren,
                                            der in den nächsten Jahren eröffnet werden sollte. Die Fahrzeiten zwischen den beiden Tessiner
                                            Ballungszentren werden deutlich verkürzt und Locarno erhält einen direkten Anschluss nach
                                            Lugano (siehe Kapitel «NEAT»).

Luftverbindungen mit                        Bei der Erreichbarkeit von Flughäfen ist das Tessin ungünstig positioniert. Einerseits weist der
Verbesserungspotenzial                      Flughafen Agno nur eine beschränkte Zahl von Verbindungen auf, und seine Zukunft ist unsi-
                                            cher. Anderseits ist im Vergleich zu anderen Schweizer Wirtschaftszentren der nächstgelegene
                                            Flughafen mit einem breiten Angebot an Direktflügen (Mailand Malpensa) relativ weit entfernt.
                                            Insbesondere im öffentlichen Verkehr ist die Verbindung vom Tessin zum Mailänder Flughafen
                                            heute klar mangelhaft, dürfte mit dem NEAT-Anschluss in den nächsten Jahren jedoch verbes-
                                            sert werden.
                                            thomas.ruehl@credit-suisse.com

Abbildung 3
Komponenten der Standortqualität
2014, synthetische Indikatoren, grössere Kreissegmente stellen eine höhere Attraktivität dar. Steuerbelastung 2013

                                                                                                                             Erreichbarkeit der
                                                                                                                             Bevölkerung

                                                                                                                             Erreichbarkeit der
                                                                                                                             Beschäftigten
                                                                                                                              Erreichbarkeit von
                                                                                                                              Flughäfen

           Kanton Tessin                                Region Mendrisio                            Region Lugano
           SQI-Wert: –0.83                              SQI-Wert: –0.11                             SQI-Wert: –0.25
           Rang: 21/26                                  Rang: 43/110                                Rang: 47/110
                                                                                                                              Verfügbarkeit von
                                                                                                                              Hochqualifizierten

                                                                                                                              Verfügbarkeit von
                                                                                                                                   Fachkräften
                                                                                                                         Steuerliche Attraktivität
                                                                                                                        für juristische Personen
                                                                                                                        Steuerliche Attraktivität
                                                                                                                        für natürliche Personen

                                                                                                                                   Schweizer Mittel

              Region Bellinzona                         Region Locarno                               Region Tre Valli
              SQI-Wert: –0.89                           SQI-Wert: –1.35                              SQI-Wert: –1.87
              Rang: 71/110                              Rang: 80/110                                 Rang: 103/110
Quelle: Credit Suisse

Swiss Issues Regionen                                                                                                                                      9
Der Kanton Tessin Struktur und Perspektiven - Credit Suisse
Credit Suisse Economic Research

Wirtschaft | Standortqualität

Die bremsende Wirkung des Monte Ceneri                               Verkehrstechnische Erreichbarkeit
                                                                     Synthetischer Indikator, nach km², Basis: öffentlicher Verkehr, Strassenverkehr
Die verkehrstechnische Erreichbarkeit betrachtet die Summe
                                                                                     Oberwald         Airolo
aller erreichbaren Potenziale an einem bestimmten Standort.
Damit stellt sie die Zentralität eines Standorts dar. Die Nähe
zum Grossraum Mailand und die gut ausgebauten Verbindun-                                                                          Biasca
gen auf Schiene und Strasse äussern sich in einer hohen Er-
reichbarkeit der Zentren im südlichen Tessin. Deutlich geringe-
re Werte weisen die nördlichen Kantonsteile auf. Obschon                                                                                   Bellinzona
                                                                                                                      Locarno
diese näher an der Deutschschweiz gelegen sind, sind die                                                                                  Giubiasco                     Erreichbarkeit
Fahrzeiten – etwa für Pendler – lang. Der Ceneri-Basistunnel                                                                                                                 hoch
führt zu einer Verkürzung der Fahrzeiten zwischen Lugano und                                                                     Lugano
Bellinzona bzw. Locarno und dürfte die Erreichbarkeit dieser
Räume erhöhen.
                                                                           Strassennetz                                                  Chiasso                             tief
                                                                           Schienennetz

thomas.ruehl@credit-suisse.com                                       Quelle: Credit Suisse, Geostat

Tessin investiert in die Universität                                 Anteil Hochqualifizierte an der Bevölkerung
                                                                     2012, Wohnbevölkerung zwischen 25 und 64 Jahren
In der Schweiz hat sich der Anteil der Einwohner mit einem                                                                                      Sc haffhausen
                                                                         16.6%    - 20%
tertiären Bildungsabschluss seit 1980 verdreifacht. Die Zu-              20.1%    - 25%                          Base l                               Frauenfeld

wanderung trägt stark dazu bei. Hauptsächlich ist dies jedoch            25.1%
                                                                         30.1%
                                                                                  - 30%
                                                                                  - 35%
                                                                                                                    Liestal
                                                                                                                              Aarau        Zü rich
                                                                                                                                                                  St.Gallen
                                                                                                                                                                Herisau
                                                                                                          Delém ont
darauf zurückzuführen, dass jüngere Bevölkerungsgruppen                  35.1%    - 40%
                                                                                                                                                                   Ap penzell

                                                                         40.1%    - 50.5%                     Solo thurn
deutlich höhere Bildungsstände aufweisen als Generationen,                                                                                 Zug
                                                                                                                                      Luzer n              Glarus
die das Pensionierungsalter erreichen. Das Angebot an Hoch-                                  Neuc hâtel
                                                                                                            Bern                       Stans
                                                                                                                                                Sc hwyz

                                                                                                                              Sarnen
schulen und Fachhochschulen wurde landesweit ausgebaut.                                           Frib ourg
                                                                                                                                                Altdorf                  Chur

1996 wurde die Università della Svizzera Italiana in Lugano
gegründet. Mittlerweile besitzt die Universität vier Fakultäten                       Lau sanne

und hat aktuell rund 3000 Immatrikulierte. Der Anteil an Hoch-
qualifizierten an der Bevölkerung in Lugano hat seit 2000 um             Genève                           Sion
                                                                                                                                                           Bellinzona

ca. 14 Prozentpunkte zugenommen und liegt mit 35% leicht
über dem Landesmittel.

thomas.ruehl@credit-suisse.com                                       Quelle: Credit Suisse

Tessin günstigerer als andere Zentrumskantone                        Gewinnsteuersätze im internationalen Vergleich
                                                                     2014 in Prozent, inkl. Bundessteuer, ausgewählte Länder
Angesichts der Bestrebungen der OECD, Steuerprivilegien
                                                                                 Isle of Man
abzuschaffen, dürften die ordentlichen Gewinnsteuersätze                           Guernsey
                                                                                Montenegro
stärker in den Fokus rücken. Einige Schweizer Kantone sind             Bosnien/Herzegowina
                                                                               Liechtenstein
                                                                                        Irland
auf den Systemwechsel, der mit der Unternehmenssteuerre-                                  OW
                                                                                          NW
form III vorgesehen ist, bestens vorbereitet: Bezüglich Gewinn-                             SZ
                                                                                           ZG
steuer sind sie bereits ähnlich positioniert wie Irland und Liech-                   Lettland
                                                                                           UR
                                                                                           GR
tenstein. Das Tessin ist leicht attraktiver positioniert als die                           NE
                                                                                             TI
Zentrumskantone Genf, Waadt, Basel und Zürich. Der Vor-                      Grossbritannien
                                                                                           ZH
sprung auf Italien ist sehr gross. Gleichwohl kann der Kanton                               VS
                                                                                           BE
nicht mit den günstigsten Standorten mithalten. Einzelne Kan-                              BS
                                                                                           VD
                                                                                           GE
tone – etwa Genf – haben zudem massive Steuersenkungen                          Niederlande
                                                                                Deutschland
angekündigt. Das Tessin könnte daher gefordert sein, darauf                            Italien
                                                                                  Frankreich
zu reagieren.                                                                        Belgien
                                                                                                  0%             5%           10%         15%             20%       25%             30%   35%

thomas.ruehl@credit-suisse.com                                       Quelle: KPMG

Swiss Issues Regionen                                                                                                                                                                     10
Credit Suisse Economic Research

Internationale Standortqualität

                                              Attraktivitätsvorsprung zu Italien als Chance
                                              Im internationalen Vergleich sind Schweizer Standorte attraktiv, aber teuer. Zentrale
                                              Regulierung für das Tessin ist das Doppelbesteuerungsabkommen mit Italien. Die Un-
                                              ternehmenssteuerreform III und die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative
                                              erhöhen die Unsicherheit für ausländische Investoren.

Der attraktivste Standort                     Als Grenzkanton steht das Tessin in einem Wettbewerb zu den Regionen Norditaliens und wei-
südlich der Alpen?                            teren südeuropäischen Gebieten. Bereits in der Vergangenheit hat sich der Kanton als Standort
                                              zahlreicher italienischstämmiger Unternehmen, etwa aus der Modewelt oder der Spitzenindust-
                                              rie, etabliert. Angesichts der anhaltend schwierigen Schuldensituation in der südlichen Eurozone
                                              und deren Auswirkungen auf die Standortqualität dürfte diese Rolle für das Tessin weiter an
                                              Bedeutung gewinnen.

Kostenvorteile für Haupt-                     In verschiedenen globalen Ranglisten positioniert sich die Schweiz unter den attraktivsten Wirt-
sitze und Handelsfirmen                       schaftsstandorten (vgl. Abb. 1). Wermutstropfen und vermutlich Hinderungsgrund für einzelne
                                              Ansiedlungen sind die vergleichsweise hohen Arbeits- und Landkosten, die mit der Aufwertung
                                              des Schweizer Frankens weiter gestiegen sind. Arbeits- und landintensive Tätigkeiten können
                                              sich hierzulande nur behaupten, wenn die Kostennachteile durch Innovation oder Spezialisierung
                                              wettgemacht werden können. Gleichwohl weist die Schweiz aus Kostensicht zwei namhafte
                                              Vorteile auf: Die Steuerbelastung und das Zinsniveau (d.h. die Kapitalkosten) erweisen sich als
                                              deutlich günstiger als im näheren europäischen Umfeld. Kapitalintensive (z.B. Grosshandel, Fi-
                                              nanzdienstleistungen) oder steuersensitive Tätigkeiten (z.B. Hauptsitze) profitieren neben der
                                              hohen Standortqualität hierzulande also auch von Kostenvorteilen.

USR III von entscheidender                    Die Schweiz steht mit der Unternehmenssteuerreform (USR) III aktuell vor einer fundamentalen
Bedeutung                                     Revision des Steuersystems. Die privilegierte Besteuerung der ausländischen Gewinne von
                                              Statusgesellschaften soll aufgehoben werden. Das Tessin ist überdurchschnittlich stark von der
                                              Abschaffung der Steuerprivilegien betroffen (vgl. Abb. 2).3 Um die steuerliche Attraktivität und
                                              die Steuereinnahmen zu sichern, sind verschiedene Begleitmassnahmen geplant, etwa die Ein-
                                              führung von «Lizenzboxen» und Abzüge für Forschung und Entwicklung. Sofern die Reform die
                                              politischen Hürden übersteht und ausländische Standorte vergleichbare Anpassungen an ihren
                                              Steuermodellen vornehmen, dürfte die Schweiz ihre steuerliche Attraktivität verteidigen können.
                                              thomas.ruehl@credit-suisse.com

Abbildung 1                                                                     Abbildung 2
Geschäftsumfeld im internationalen Vergleich                                    Handlungsbedarf der Kantone bei Einführung der USR III
                                                                                Indikative Darstellung, rot: Struktur des Steuersubstrats oder aktuelle Steuerpolitik
2014 – 2018, in Klammern Rang auf der Skala der 82 betrachteten Ländern
                                                                                löst einen Handlungsbedarf aus, blau: geringer Handlungsbedarf.

12                                                                                            Struktur Steuersubstrat
                            Deutschland (12)

                                                                                                                            TI       ZH   LU    GE     BS    VS      GR
                               Hong Kong (3)

                              Neuseeland (8)

                          Niederlande (16)
                              Dänemark (10)
                             Norwegen (11)
                                Singapur (1)

                              Schweden (6)
                              Australien (5)

                          Österrreich (18)
                               Schweiz (2)

                                                                                         Anteil Statusgesellschaften an
                         Frankreich (24)
                              Finnland (9)
                              Kanada (4)

                                                                                                          Steuerertrag      ### ### ### ### ### ### ###
                        Spanien (25)
                           Irland (15)

10
                              USA (7)

                   Rumänien (47)

                Griechenland (62)

                                                                                 Wertschöpfung aus geistigem Eigentum
                   Bulgarien (46)
                    Portugal (38)
                         UK (22)

                                                                                                             (Lizenzbox)    ### ### ### ### ### ### ###
                   Italien (48)
                   China (50)

    8                                                                                            Aktuelle Steuerpolitik
        Venezuela (82)

                                                                                       Bedeutung Steuerattraktivität für
                                                                                                       Standortpolitik           1    2     1     2      2     0      0
    6
        Iran (81)

                                                                                        Ordentliche Gewinnsteuersätze
                                                                                                                            ### ### ### ### ### ### ###
                                                                                     Empfehlung Gewinnsteuersätze bei
    4
                                                                                                    Einführung USR III

                                                                                                  grosser Handlungsbedarf                             geringer Handlungsbedarf
    2

                                                                                                             abwarten        moderat senken           stark senken
    0

Quelle: Economist Intelligence Unit                                             Quelle: BFS, EFV, KPMG, Credit Suisse

3
    Weitere Informationen: Monitor Schweiz, Juni 2015, Credit Suisse.

Swiss Issues Regionen                                                                                                                                                     11
Credit Suisse Economic Research

Wirtschaft | NEAT

                                            Verbesserter Anschluss durch NEAT
                                            Die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels steht nach 16 Jahren Bauzeit kurz bevor.
                                            Weitere Bauprojekte erhöhen die Erreichbarkeit durch Fahrzeitverkürzungen und Ka-
                                            pazitätsausbau. Ihre Fertigstellung ist aber mit Termin- und Kostenrisiken behaftet.

Güterverkehr über die                       Die Schweiz nimmt aufgrund ihrer geografischen Lage eine Sonderstellung im europäischen
Schweizer Alpen hat sich
                                            Verkehrsnetz ein. Ein bedeutender Teil des internationalen Güterverkehrs zwischen Nord- und
                                            Südeuropa passiert die Schweizer Alpenübergänge. Von Mt. Cenis/Fréjus in Frankreich bis zum
seit 1980 verdoppelt
                                            Brenner in Österreich, dem sogenannten inneren Alpenbogen, überqueren 37% der Güter
                                            Schweizer Alpenübergänge, 41% werden über Österreich transportiert und 22% über die fran-
                                            zösischen Alpen. 2013 belief sich die auf Schienen und Strassen über die Schweizer Alpen
                                            transportierte Gütermenge auf 38.2 Millionen Nettotonnen. Die Gesamtmenge hat sich seit der
                                            Eröffnung des Gotthard-Strassentunnels im Jahr 1980 mehr als verdoppelt (vgl. Abb. 1). Im
                                            Vergleich zu unseren Nachbarstaaten ist der Anteil auf Strassen transportierter Güter gering
                                            (vgl. Abb. 2).

Ziel und Umsetzung der                      Die Annahme der «Alpen-Initiative» im Februar 1994 hat eine neue Ausgangslage für den al-
Alpenschutzinitiative                       penquerenden Güterverkehr geschaffen: Einerseits soll der Transitgüterverkehr von der Strasse
                                            auf die Schiene verlagert werden, andererseits darf die Kapazität der Transitstrassen nicht wei-
                                            ter ausgebaut werden. Im Rahmen der Umsetzung des Verlagerungsziels wurde 1999 der Bau
                                            der neuen Eisenbahn-Alpentransversalen (NEAT) beschlossen. Das Projekt NEAT schliesst den
                                            Bau der Basistunnels am Gotthard, Lötschberg, Ceneri und Zimmerberg sowie den Anschluss
                                            der Ostschweiz an die Gotthardlinie im Raum Zürichsee ein. Der Lötschberg-Basistunnel ist seit
                                            2007 fahrplanmässig in Betrieb. Der Bau des Gotthard-Basistunnels hat 1999 begonnen. Die-
                                            ser wird am 11. Dezember 2016 in Betrieb genommen. Die Inbetriebnahme des Ceneri-
                                            Basistunnels ist für 2019 geplant, dürfte sich jedoch verzögern.

Anschluss an die                            Durch den NEAT-Ausbau erhöht sich die Kapazität des alpenquerenden Personen- und Güter-
Deutschschweiz                              verkehrs massiv. Das Bundesamt für Statistik hat den Zuwachs in Anzahl Zügen pro Tag ge-
                                            schätzt. Durch die NEAT kann die Anzahl alpenquerender Züge im Personenverkehr um 27%,
                                            im Güterverkehr um 42% erhöht werden. Neben den ausgebauten Kapazitäten ermöglicht die
                                            NEAT auch einen Zeitgewinn. Ab dem Fahrplanwechsel 2020 können die Kunden der SBB vo-
                                            raussichtlich voll von kürzeren Fahrzeiten und der Verdichtung des Fahrplans profitieren. Von
                                            Basel, Zürich und Luzern wird sich die Fahrzeit ins Tessin um rund eine Stunde verkürzen. Zu-
                                            dem wird die Strecke Zürich–Tessin durchgehend im Halbstundentakt bedient. Die SBB nimmt
                                            an, dass sich die Zahl der Zugreisenden über den Gotthard bis 2025 von heute 9000 Personen
                                            pro Tag mehr als verdoppeln wird.

Abbildung 1                                                                            Abbildung 2
                                                                                       Schweizer Bahnnetz schon heute zentral für den europäi-
Alpenquerender Güterverkehr
                                                                                       schen Güterverkehr
Güterverkehr in Millionen Nettotonnen über die Schweizer Alpen                         Güterverkehr in Millionen Nettotonnen über den inneren Alpenbogen, 2012

30                                                                              100%
                  Strasse                         Schiene                              35
                                                                                               Strasse     Schiene
                  Anteil Strasse (rechte Achse)   Anteil Schiene (rechte Achse) 90%
25                                                                                     30
                                                                              80%
                                                                              70%      25
20
                                                                              60%
                                                                                       20
15                                                                            50%
                                                                              40%      15
10
                                                                              30%      10
                                                                              20%
 5                                                                                      5
                                                                              10%
 0                                                                            0%        0
     1980 1983 1986 1989 1992 1995 1998 2001 2004 2007 2010                                          Frankreich               Schweiz                  Österreich

Quelle: ASTRA                                                                          Quelle: BFS

Swiss Issues Regionen                                                                                                                                               12
Credit Suisse Economic Research

Grosser Einfluss des                        Für das Tessin sind neben den verbesserten Anschlüssen in die Deutschschweiz vor allem die
Ceneri-Basistunnels                         verkürzten Fahrzeiten dank des Ceneri-Basistunnels ein grosser Vorteil. Zwischen Locarno und
                                            Lugano werden ab 2020 halbstündlich direkte Züge in weniger als 30 Minuten verkehren. Heu-
                                            te beträgt die Fahrzeit zwischen den Städten mit Umsteigen rund eine Stunde. Auch die Fahr-
                                            zeit zwischen Bellinzona und Lugano halbiert sich und beträgt künftig noch 15 Minuten.

Rücken Sotto- und Sopra-                    Diese Effizienzsteigerung hat zwei mögliche Auswirkungen auf das Tessin: Einerseits bieten die
ceneri näher zusammen?                      kürzeren ÖV-Verbindungen eine bessere Alternative zum motorisierten Individualverkehr. Im
                                            Vergleich zu anderen urbanen Regionen der Schweiz verkehrt im Tessin ein Grossteil der Pend-
                                            ler mit dem Auto (vgl. Abb. 3). Dies könnte sich durch den Ceneri-Basistunnel ändern. Zudem
                                            ermöglichen die intrakantonalen Verbindungen eine Annäherung der Tessiner Regionen. Die
                                            Pendlerströme zwischen den Regionen oberhalb des Monte Ceneri und jenen unterhalb können
                                            sich durch die NEAT intensivieren (vgl. Abb. 4). Vor allem die Regionen Bellinzona und Lugano
                                            sind künftig besser verknüpft, wovon viele Arbeitnehmer Gebrauch machen dürften. Wir schät-
                                            zen, dass eine Verkürzung der Fahrzeiten von 30 auf 15 Minuten zu einer Verdopplung der
                                            Pendlerströme führen wird. Ein deutlich stärker integrierter Arbeitsmarkt scheint ein plausibles
                                            Zukunftsszenario zu sein.

Bauverzögerungen in Italien                 Neben verkürzten Wegen innerhalb des Tessins und der Schweiz ist vor allem die bessere Er-
                                            reichbarkeit des Mailänder Flughafens Malpensa ein grosser Vorteil. Eine neue S-Bahn-Linie
                                            wird das Tessin direkt mit diesem verbinden. Die Nähe zu einem internationalen Flughafen er-
                                            höht sowohl die Erreichbarkeit des Tessins (siehe Kapitel «Standortqualität») als auch das touris-
                                            tische Potenzial. Die Erreichbarkeit des Mailänder Flughafens und der Grossstadt selbst hängt
                                            aber massgeblich von der italienischen Infrastruktur ab. Die Zufahrt zum Flughafen ist auf
                                            Schweizer Seite fast vollständig gebaut, auf der italienischen Seite hingegen stehen die Bauma-
                                            schinen still. Ursprünglich war die Fertigstellung im Jahr 2015 geplant. Neben dem öffentlichen
                                            Verkehr ist vor allem auch der Gütertransport auf einen Ausbau der Bahnstrecke auf der italieni-
                                            schen Seite angewiesen. Um diesen voranzutreiben, unterstützt die Schweiz die Finanzierung
                                            des Italienischen Bauprojekts mit zinsvergünstigten Darlehen.
                                            pascale.deraemy@credit-suisse.com

Abbildung 3                                                                                 Abbildung 4
Pendlerverkehrsmittel                                                                       Intrakantonale Pendlerverflechtungen
Anteil Pendler nach Transportmittel, 2013                                                   In 1000 Personen, 2012

80%
           Langsamverkehr     Motorisierter Individualverkehr        Öffentlicher Verkehr
70%

60%

50%

40%

30%

20%

10%

 0%
          ZH        BE       GL        ZG         GR            TI        VD         JU

Quelle: BFS                                                                                 Quelle: BFS, Credit Suisse

Swiss Issues Regionen                                                                                                                                     13
Credit Suisse Economic Research

Wirtschaft | Gotthard-Strassentunnel

                             Geister scheiden sich an zweiter Röhre
                             Die Sanierung des Gotthard-Strassentunnels wird Unternehmen beeinträchtigen, die
                             nicht flexibel genug auf die Einschränkung reagieren können. Chancen ergeben sich
                             für lokale Bauunternehmen und Tunnelausstatter.

Bundesrat will die zweite    Der Gotthard-Strassentunnel ist Teil der Nationalstrasse A2 und verbindet Basel und Chiasso
Röhre                        und somit das Tessin und die Deutschschweiz. 2008 wurde angekündigt, dass der bestehende
                             Tunnel sanierungsbedürftig ist. Mehrere Vorschläge zur Umsetzung stehen im politischen und
                             öffentlichen Diskurs. Die Sperrung kann mit oder ohne Sommeröffnung stattfinden, zur Umlei-
                             tung des Verkehrs würde eine Verlademöglichkeit eingerichtet. Eine weitere Option ist der Bau
                             einer zweiten Tunnelröhre mit anschliessender Sanierung des bestehenden Tunnels. Sowohl der
                             Bundesrat als auch die Kommissionen im Parlament sprachen sich für diese Variante aus.

Planbarkeit und zeitliche    Durch die zeitliche Begrenztheit und die Planbarkeit des Projekts können die ökonomischen
Begrenztheit erleichtern     Verluste voraussichtlich gering gehalten werden. Trotzdem wären einzelne Branchen von einer
den Umgang                   Sanierung mit mehrjähriger Schliessung des Tunnels existenziell betroffen. Allen voran rechnet
                             die Tourismusbranche durch die erschwerte Erreichbarkeit mit massiven Ertragseinbussen. Die
                             Belieferung des Tessins mit Waren aus der Deutsch- und Westschweiz sollte kein Problem dar-
                             stellen, da die grösseren Transportunternehmen andere Transportmittel und
                             -wege finden können. Dies gilt auch für grosse Logistikunternehmen. Die Eröffnung des Ba-
                             sistunnels 2016 wird zusätzliche Kapazitäten und Ausweichmöglichkeiten schaffen. Problema-
                             tisch könnte eine Sperrung für kleinere Unternehmen sein, die auf zeitkritische Transporte spe-
                             zialisiert sind und somit schlecht auf Alternativen ausweichen können. Dies gilt zum Beispiel für
                             den Transport von Frischgütern aus dem Tessin in die Deutschschweiz. Auch die Planbarkeit
                             der Sperrung wird an der Einschränkung wenig ändern. Ebenfalls betroffen ist die Attraktivität
                             für Neuansiedelungen. Standortentscheide könnten, vor allem in Branchen mit intensivem
                             Standortwettbewerb, von einer Tunnelsanierung betroffen sein. Die Unsicherheit über die Sa-
                             nierungsvariante stellt einen Nachteil dar. Profitieren können hingegen Unternehmen, die sich
                             auf den Bau und die Ausstattung von Tunnels und deren Sanierung spezialisiert haben, sofern
                             diese die Baulose zugesprochen bekommen.

2001: Kosten in Höhe von     Nach einem Unfall musste der Tunnel 2001 für zwei Monate gesperrt werden. Eine Studie
CHF 33.4 Mio.                (Rudel 2002, zitiert in INFRAS «Gotthard-Strassentunnel» 2010) untersuchte die Auswirkungen
                             auf den Produktions- und Distributionssektor sowie den Tourismus im Kanton Tessin und
                             schätzt die volkswirtschaftlichen Gesamtkosten auf CHF 33.4 Mio. Diese setzen sich aus der
                             Wahl von Alternativrouten für den Gütertransport, Zusatzkosten für Geschäftsreisen und Ein-
                             nahmenrückgänge in der Tourismusbranche zusammen. Zu beachten ist jedoch, dass die Un-
                             ternehmen durch die plötzliche Sperrung des Tunnels keinen Planungsvorsprung hatten. Zusätz-
                             lich hat die Studie keine strukturellen Auswirkungen – Betriebsschliessungen und Standortver-
                             legungen – miteinbezogen.

Zweite Röhre: erhöhte        Der Bau einer zweiten Röhre würde den Anschluss des Tessins an die Deutschschweiz gewähr-
Sicherheit vs. befürchtete   leisten. Abgesehen von einer kurzen Sperrung für eine Notsanierung von etwa 140 Tagen blie-
Kapazitätserhöhung           be der Tunnel durchgehend befahrbar. Nach der Fertigstellung des zweiten Tunnels und der
                             Sanierung des bestehenden Tunnels würden beide Röhren einspurig befahren werden. Eine
                             Erhöhung der Kapazität ist durch den Alpenschutzartikel in der Bundesverfassung ausgeschlos-
                             sen. Debattiert wird vor allem über die hohen Kosten für den Bau der zweiten Röhre und die
                             Notsanierung. Zudem befürchten die Gegner, dass langfristig trotz Alpenschutzinitiative ein Ka-
                             pazitätsausbau resultiert. Die Befürworter hingegen sehen die zweite Röhre als Möglichkeit, die
                             Sicherheit im Tunnel zu erhöhen und auf kommende Sanierungsarbeiten und Unfälle ohne Wei-
                             teres reagieren zu können. Die Risiken würden sich für das Tessin durch den «Sanierungstun-
                             nel» verringern und Unsicherheiten würden minimiert.
                             pascale.deraemy@credit-suisse.com

Swiss Issues Regionen                                                                                                             14
Credit Suisse Economic Research

Wirtschaft | Mittelmeerhäfen

                                             Importe: Mittelmeerhäfen als Alternative
                                             Zunehmende Handelsverflechtungen mit Asien erhöhen die Attraktivität der Mittel-
                                             meerhäfen in Ligurien und Südfrankreich. Die Nutzung dieser Häfen verkürzt die
                                             Land- und Seewege und ermöglicht eine bessere Auslastung der NEAT.

Verdreifachung der                           Die Ressourcenarmut der Schweiz gibt seit jeher Anlass, mit anderen Ländern Handel zu trei-
Importe aus Asien                            ben. Allein seit 1990 hat sich der Wert der importierten Waren fast verdoppelt, das aus Asien
                                             stammende Volumen hat sich sogar verdreifacht. 15% aller Warenimporte und knapp die Hälfte
                                             aller Importe aus Übersee stammen aus Asien (vgl. Abb. 1). Von den lokalen Fertigungsstätten
                                             aus werden die Güter grösstenteils über asiatische Häfen wie Singapur, Busan oder Schanghai
                                             verschifft. Die klassische Route führt über den indischen Ozean, durch den Suezkanal und über
                                             das Mittelmeer zu den Nordseehäfen. In die Schweiz gelangen die Produkte letztlich per Schie-
                                             ne, Strasse oder Flussschifffahrt.

Nordsee- versus                              Eine Alternative zu den hochfrequentierten Nordseehäfen bieten die Mittelmeerhäfen in Genua,
Mittelmeerhäfen                              La Spezia und Marseille. Aufgrund der vorhandenen Infrastruktur und der vorteilhaften Lage
                                             könnten diese Häfen eine zunehmende Bedeutung für den Handel zwischen Asien und Europa
                                             einnehmen. Auf eine Umfahrung Europas könnte verzichtet werden und die Überfahrt von Asien
                                             würde um vier bis fünf Tage verkürzt. Zudem liegen die Mittelmeerhäfen näher an der Schweiz
                                             als die Nordseehäfen. Die Strecke Zürich−Genua beträgt auf dem Landweg gut 400 km, bis an
                                             die Nordsee sind es hingegen knapp 700 km. Sinnvoll wäre eine verstärkte Nutzung der Mittel-
                                             meerhäfen auch, da die NEAT die Kapazität für den alpenquerenden Güterverkehr signifikant
                                             erhöhen wird.

Verlagerungsziel                             Der Transport der Güter müsste grösstenteils auf Schienen abgewickelt werden, da das im
beschränkt                                   Gesetz verankerte Verlagerungsziel keinen Kapazitätsausbau des Strassennetzes zwischen dem
Transportmöglichkeiten                       Tessin und der Nordschweiz zulässt. Eine zunehmende Bedeutung der Mittelmeerhäfen und die
                                             Eröffnung der NEAT könnten somit die Struktur der Import- und Exportverkehrsträger verändern
                                             (vgl. Abb. 2). Denkbar ist auch der kombinierte Transport der Güter. Ähnlich wie die Gebiete um
                                             Basel heute als Eingangstor für Güter aus dem Norden dienen, könnte das Tessin als Logistik-
                                             basis für Waren aus dem Süden stark an Bedeutung gewinnen.
                                             pascale.deraemy@credit-suisse.com

Abbildung 1                                                                      Abbildung 2
Importe nach Herkunft                                                            Warentransporte über die Schweizer Grenze
In CHF Mio., nur Übersee-Importe                                                 Mengenmässiger Anteil nach Verkehrszweig, 2014

30'000                                                                           80%
              Afrika    Asien      Amerika    Ozeanien
                                                                                                                                              Import     Export
                                                                                 70%
25'000
                                                                                 60%
20'000
                                                                                 50%

15'000                                                                           40%

                                                                                 30%
10'000
                                                                                 20%
 5'000
                                                                                 10%

      0                                                                           0%
          1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012                   Strassenverkehr       Pipeline   Bahnverkehr   Schiffverkehr   Luftverkehr

Quelle: EZV, Credit Suisse                                                       Quelle: EZV, Credit Suisse

Swiss Issues Regionen                                                                                                                                       15
Credit Suisse Economic Research

Wirtschaft | Branchenstruktur

                                                              Eine zweigeteilte Branchenlandschaft
                                                              Neben dem Finanzplatz weist Lugano ein chancenreiches Portfolio an Dienstleis-
                                                              tungsbranchen auf. Mendrisio und Locarno können sich als High-Tech-Regionen be-
                                                              haupten. Die nördlichen Kantonsteile sind strukturell klar schwächer positioniert.

Branchenportfolio ist die                                     Die Branchenstruktur ist von zentraler Bedeutung für das Leistungspotenzial einer Region. Die
Basis für Wertschöpfung                                       branchenmässige Zusammensetzung der Wirtschaft, ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihre
                                                              Wachstumsstärke liefern nicht nur Hinweise zur heutigen Wirtschaftskraft einer Region, sondern
                                                              ermöglichen auch Rückschlüsse auf das zukünftige Wachstumspotenzial der Wertschöpfung.
                                                              Die Entwicklung der Beschäftigung zeigt zudem gesamtwirtschaftliche und weitere Veränderun-
                                                              gen auf, die für die Region kennzeichnend sind und stark von der vorherrschenden Branchen-
                                                              struktur geprägt werden.

Handel und Banken prägen                                      Das Tessin bietet Arbeit für über 175'000 Beschäftigte. Aufgeteilt nach Branchen zeigt sich ein
den Dienstleistungssektor                                     breit diversifiziertes Portfolio (vgl. Abb. 1). Über 70% der Beschäftigten sind im Dienstleistungs-
                                                              sektor tätig. Das günstigste Verhältnis von Chancen auf Wertschöpfungswachstum und Risiken
                                                              rechnen wir den unternehmensnahen Dienstleistungen sowie dem Grosshandel zu. Lugano und
                                                              Mendrisio können sich im Umfeld des Finanzplatzes auch als Standort für Importeure und inter-
                                                              national orientierte Handelsfirmen etablieren. Diese dürften die Zugpferde des zukünftigen Wirt-
                                                              schaftswachstums sein. Die strukturell schwächeren Branchen Hotellerie und Gastronomie sind
                                                              dagegen auf die Region Locarno konzentriert. Der Staat nimmt einen Anteil im Rahmen des
                                                              Landesmittels ein und konzentriert sich insbesondere auf Bellinzona. Andere Kantone haben
                                                              deutlich grössere Anteile an staatsnahen Branchen, etwa im Gesundheits- und Bildungssektor.

Industrie: Elektronik und                                     Neben dem Baugewerbe weist das Tessin interessante industrielle Schwerpunkte in der Elekt-
Textilien                                                     ronik und in der Bekleidungsindustrie auf. Die Bauwirtschaft ist nach wie vor einer der wichtigen
                                                              Arbeitgeber, insbesondere in den nördlichen Kantonsteilen. Die Branche schaut auf Jahre der
                                                              Hochkonjunktur zurück, dennoch ist das Potenzial für Wertschöpfungswachstum eher gering.

Strukturschwache                                              Unsere Gesamtbewertung der Chancen und Risiken der regionalen Branchenportfolios zeigt ein
Bergregionen                                                  eindeutiges Bild: Die Regionen Lugano, Mendrisio und Bellinzona sind chancenreich und dürften
                                                              von einem landesweiten Konjunkturaufschwung stark profitieren können. Locarno und insbe-
                                                              sondere Tre Valli dürften dagegen weiterhin mit einem Strukturwandel konfrontiert sein und
                                                              weisen ein geringeres Wachstumspotenzial auf.
                                                              thomas.ruehl@credit-suisse.com

Abbildung 1                                                                                               Abbildung 2
Chancen-Risiken-Profil der Branchenstruktur                                                               Regionale Branchenschwerpunkte
Kanton Tessin, Chancen-Risiken-Profil der 15 grössten Branchen, 2015                                      Die beiden bedeutendsten Branchen nach Region, 2015, Kreisgrösse: Beschäftigung

                                                           Elektronik und                                                                                                                  Tre Valli
                                                                                                           hoch

                                                                                                                                                 Grosshandel
 hoch

                                              Heime            Uhren        Ausbaugewerbe                                                                                                  Locarno
                               Gesundheits-                    Architekten,
                                   wesen                                                                                                                                                   Bellinzona
                                                                Ingenieure        Advokaten,
                                                                                                                                                                                           Lugano
                       Öffentliche                                             Wirtschaftsprüfer
                                                                                                                                                                                           Mendrisio
                       Verwaltung                                                                                                                                          Öffentliche
Branchenbewertung

                                                                                                          Branchenbewertung

                                                                                                                                                                           Verwaltung
                      Unterrichts-                                                Grosshandel                                   Elektronik und
                        wesen                                                                                                       Uhren

                                                                         Banken                                                                  Banken   Landverkehr                     Hochbau
                                      Landverkehr                   Detailhandel            Hochbau

                             Öffentlicher Sektor                                                                                                    Landwirtschaft
                                                                         Autogewerbe
                             Bau und Industrie                                                                                   Hotellerie
                                                           Gastronomie
                             Dienstleistungen
niedrig

                                                                                                          niedrig

                    -2.0%            -1.0%          0.0%           1.0%            2.0%            3.0%                 -1.0%     1.0%       3.0%        5.0%       7.0%       9.0%            11.0%
                            Beschäftigung: Abweichung vom Landesdurchschnitt                                                         Beschäftigung: Abweichung vom Landesdurchschnitt

Quelle: BFS, Credit Suisse                                                                                Quelle: BFS, Credit Suisse

Swiss Issues Regionen                                                                                                                                                                            16
Credit Suisse Economic Research

Wirtschaft | Branchenstruktur

Tessin leicht unter dem Schweizer Durchschnitt                    Produktivität
                                                                  Bruttoinlandprodukt pro Beschäftigten in CHF, 2012
Das Bruttoinlandprodukt pro Beschäftigten ermöglicht einen
                                                                  240'000
Vergleich der Wirtschaftskraft der Regionen und ist eine Be-
                                                                  220'000                                   ZG
wertung der Resultate des jeweiligen Branchenportfolios. Auf                                                     SH

                                                                                                                                                    Bellinzona
kantonaler Ebene sind bisher nur Zahlen bis 2012 verfügbar.       200'000                                              BS

                                                                                                                                           Lugano

                                                                                                                                                                       Locarno
                                                                                                                                ZH

                                                                                                                                                                                                         Mendrisio
                                                                                                                                                                                        Tre Valli
Sie weisen für den Kanton Zug den höchsten Wert auf, gefolgt      180'000
                                                                                                                                     CH
                                                                  160'000                                                                                        TI              NW
von Schaffhausen und Basel-Stadt. Das Tessin positioniert                                                                                                                                           SZ
                                                                                                                                                                                                                     GR JU UR VS
sich mit CHF 155'000 pro Beschäftigten − getrieben durch die      140'000

Pharmaindustrie, den Bankensektor und Unternehmensdienst-         120'000

leistungen − leicht unter dem Schweizer Mittel. Damit ist das     100'000

Tessin weit produktiver als die angrenzenden Kantone; die                 80'000

Bergkantone Uri und Wallis befinden sich auf den beiden letz-             60'000

ten Plätzen im Produktivitätsranking, Graubünden belegt den               40'000

viertletzten Platz.                                                       20'000
                                                                                                     0

pascale.deraemy@credit-suisse.com                                 Quelle: BFS, Credit Suisse

Boom der Unternehmensdienste in Lugano                            Strukturwandel
                                                                  Wachstumsbeiträge der Branchengruppen, 2008–2012, in Prozent, 2./3. Sektor
In einem Prozess schöpferischer Zerstörung bewirken die
                                                                   20%                                           Traditionelle Industrie                                          Spitzenindustrie
Märkte die Abwanderung oder den Untergang unproduktiver                                                          Bau                                                              Energieversorgung
Wirtschaftsbereiche. Dadurch werden Raum und Kapazität für                                                       Handel und Verkauf                                               Verkehr, Transport, Post
                                                                   15%                                           Information, Kommunikation, IT                                   Finanzdienstleistungen
die Produktion neuer, höherwertiger Güter und Dienstleistun-                                                     Unternehmensdienstleistungen                                     Unterhaltung und Gastgewerbe
gen geschaffen. Im Tessin haben die Unternehmensdienste            10%                                           Administrative und soziale Dienste
von 2008–2012 am meisten Stellen geschaffen, das Gastge-
werbe hat an Beschäftigten eingebüsst. Die Stadt Lugano                       5%
wächst mehr als doppelt so stark wie das Landesmittel, wobei
auch das Baugewerbe kräftig expandiert. Im Gegensatz zum                      0%

Landesmittel haben die staatsnahen administrativen und sozia-
                                                                      -5%
len Dienste unterdurchschnittlich stark zugenommen. Der
Strukturwandel verläuft somit in Richtung wertschöpfungsstar-     -10%
ker Branchen.                                                                                          Stadt       ZH               GR          BS                    TI               VS            CH                   BE        UR
                                                                                                      Lugano

thomas.ruehl@credit-suisse.com                                    Quelle: Credit Suisse

Hohe Diversifikation im Branchenportfolio                         Konzentrationsindex
                                                                  Herfindahl-Index (2011); Beschäftigte (Kreisgrösse)
Im Vergleich zu anderen Kantonen weist das Tessin keine hohe
                                                                                               1.2                                                                                                                                  150'000
Konzentration auf einzelne Branchen und Unternehmen auf.
                                                                   hoch

                                                                                                                                    UR                      BS                                                                       20'000

Damit ist der wirtschaftliche Erfolg in geringerem Mass von den                                1.0
Entscheidungen einzelner Unternehmensleitungen abhängig als                                                                    NW
                                                                                                                                         FR
                                                                                                                                                                                                                     JU
                                                                   Unternehmenskonzentration

etwa in Uri oder Basel-Stadt. Bei einer konjunkturellen Abküh-                                 0.8                                            GE
                                                                                                                                                             OW
lung in einzelnen Branchen schützt eine diversifizierte Wirt-                                                                                                     AR
                                                                                                                                                                                                                               NE
                                                                                                                  SH
schaftsstruktur davor, dass die kantonale Wirtschaft übermäs-                                  0.6                               BE                               AI
                                                                                                                  GL                     VD VS
sig in Mitleidenschaft gezogen wird. So hat etwa die Uhrenkrise                                                  LU
                                                                                               0.4          SO
Anfang der Achtzigerjahre den Jurabogen sehr stark getroffen.                                                              TI
                                                                                                                                              BL
                                                                                                            AG                                                                    ZG
Die geringe Konzentration auf Branchen erschwert jedoch die                                    0.2                    SG
                                                                                                                                 ZH
                                                                                                                                                                      GR
                                                                                                                               SZ
Etablierung als «Cluster»: Wirtschaftsräume, die sich durch
                                                                                                                          TG
Ballung von Wissen über bestimmte Branchen von anderen                                         0.0
Standorten abheben können.                                                                           2.5              3              3.5                     4                   4.5                 5                    5.5            6
                                                                   tief

                                                                                                     tief                      Branchenkonzentration                                                                            hoch

thomas.ruehl@credit-suisse.com                                    Quelle: BFS, Credit Suisse

Swiss Issues Regionen                                                                                                                                                                                                                  17
Credit Suisse Economic Research

Wirtschaft | Grenzgänger

                                           Wachsende Anziehungskraft auf Italiener
                                           Das Tessin verzeichnet einen markanten Zufluss an Grenzgängern aus Italien. Deren
                                           Profil hat sich stark gewandelt. Ein wachsender Teil der Grenzgänger verfügt über ein
                                           hohes Bildungsniveau. Das neue Potenzial trägt zu erhöhtem Wachstum bei, aber
                                           auch zu Druck auf den Tessiner Arbeitsmarkt.

Tessin für Grenzgänger                     Ausländer spielen seit jeher eine wichtige Rolle auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. Für die Grenz-
attraktiver denn je                        regionen gilt dies in doppelter Hinsicht. Sie weisen nicht nur einen hohen Anteil niedergelasse-
                                           ner ausländischer Erwerbstätiger auf, sondern auch eine wachsende Zahl Grenzgänger. Der
                                           Kanton Tessin ist für internationale Pendler – vorrangig aus der Lombardei – in den vergange-
                                           nen Jahren besonders attraktiv geworden: Steigende Arbeitslosigkeit in Italien, die Abwertung
                                           des Euro gegenüber dem Franken und ein wachsendes Lohngefälle haben den Zustrom der
                                           frontalieri erhöht.

Jeder vierte Erwerbstäti-                  Seit dem Jahr 2000 hat sich die Zahl der Grenzgänger im Tessin mehr als verdoppelt. Waren es
ge kommt täglich von                       damals noch knapp 30'000, gingen 2014 mehr als 60'000 italienische Pendler im Tessin einer
Italien                                    Arbeit nach. Jeder zweite Tessiner Erwerbstätige ist Ausländer, mehr als jeder vierte ist Grenz-
                                           gänger (vgl. Abb. 1). Um die Jahrtausendwende betrug der Anteil der Grenzgänger noch gut
                                           15%, jener der niedergelassenen Ausländer verharrte seither bei rund 20%. Ähnlich hoch ist
                                           der Anteil der Grenzgänger mit 24% nur im Kanton Genf, wo rund 70'000 französische Pendler
                                           beschäftigt sind.

Steigende Qualifikation …                  Bemerkenswert ist nicht nur die Zunahme, sondern auch die sich wandelnde Zusammensetzung
                                           und berufliche Ausrichtung der italienischen Grenzgänger im Tessin. Zwar verfügen die Schwei-
                                           zer Erwerbstätigen im Kanton generell über eine höhere Ausbildung als ihre ausländischen Kol-
                                           legen, letztere haben in den vergangenen Jahren aber aufgeholt. Der Anteil Grenzgänger mit
                                           Hochschulabschluss ist zwischen 2000 und 2010 von 6% auf 17% gestiegen, der Anteil jener
                                           mit Maturität oder abgeschlossener Berufslehre von rund 20% auf 25%.

… und Verschiebung in den                  Mit der Erhöhung der Qualifikation verschiebt sich auch die berufliche Ausrichtung: 2008 hat
Dienstleistungssektor                      der Dienstleistungssektor die Industrie als wichtigstes Tätigkeitsfeld der Grenzgänger im Tessin
                                           abgelöst (vgl. Abb. 2). Seit 2000 hat sich die Anzahl Erwerbstätiger im Dienstleistungssektor
                                           mehr als verdreifacht, von gut 10'000 auf 35'000. Während die Frauen bereits ab 2001 vor-
                                           rangig im dritten Sektor tätig waren, dauerte dies bei den Männern bis 2014.

Abbildung 1                                                                        Abbildung 2
Jeder vierte Erwerbstätige ist Grenzgänger                                         Starke Zunahme im Dienstleistungssektor
Anteil an Erwerbstätigen im Kanton Tessin in Prozent (2014)                        Anzahl Grenzgänger nach Wirtschaftssektor

                                                                                   70'000
                                                                                                 Total   Landwirtschaft   Bau und Industrie    Dienstleistungen
                                                                                   60'000
                                                                     Grenzgänger
                                                                                   50'000
                                                                     27%
                                                                                   40'000
                        Ausländer
   Schweizer              49%
     51%                                                                           30'000
                                              Aufenthalter,    22%
                                          Niedergelassene u.a.                     20'000

                                                                                   10'000

                                                                                         0
                                                                                             1998    2000     2002     2004    2006     2008     2010     2012     2014

Quelle: BFS, Ustat, Credit Suisse                                                  Quelle: BFS, Ustat, Credit Suisse

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