WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS - Digitale Produktionsmittel im Einsatz AUSGABE 9 - Mittelstand Digital

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WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS - Digitale Produktionsmittel im Einsatz AUSGABE 9 - Mittelstand Digital
AUSGABE 9

WISSENSCHAFT TRIFFT
PRAXIS
Digitale Produktionsmittel im Einsatz
WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS - Digitale Produktionsmittel im Einsatz AUSGABE 9 - Mittelstand Digital
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Stand: Dezember 2017

ISSN (Print) 2198-8544
ISSN (Online) 2198-9362
WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS - Digitale Produktionsmittel im Einsatz AUSGABE 9 - Mittelstand Digital
Digitale Produktionsmittel im Einsatz                                                         1

Mittelstand-Digital
WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS
Digitale Produktionsmittel im Einsatz

Editorial                                                                                 3

Malte Volkwein, Andreas Bildstein
Erkenntnisse aus der Studie „Digitalisierung im Mittelstand –
Entscheidungsgrundlagen und Handlungsempfehlungen“                                        5

Marcus Lewin, Markus Wallenborn, David Küstner, Daniel Erdelmeier, Alexander Fay
Auf dem Weg zu innovativen Assistenzsystemen – Systematische Klassifizierung
für die Praxis                                                                           11

Sarah Uttendorf, Michael Rehe
Digitales Assistenzsystem unterstützt bei der Montage                                    18

Claudia Rosenkranz
3D-Drucktechnologien und ihre Geschäftsmodelle – Einsatz additiver Fertigungsverfahren   22

Constance Möhwald, Caroline Reinert
Zeit sparen, flexibel sein – Der Einsatz von 3D-Druck im Feingussverfahren               28

Marian Süße, Dan Gläser
Prozessübergreifende und effiziente Planung mit digitalen Modellen                       33

Robert Joppen, Arno Kühn
Auf dem Weg zur Digitalisierung im mittelständischen Schaltschrankbau –
Ein praxiserprobter Leitfaden                                                            39

Katrin Schilling, Werner Herfs, Markus Obdenbusch
Augmented Reality – Nur eine Spielerei für das Wohnzimmer?                               44

Eva Stüber
Der Point of Sale wird digital                                                           51

Fabienne Bosle
Digitale Informationsflüsse bei apra-norm Elektromechanik GmbH                           56

Arnd Ciprina, Janina Mücke, Christian Schwede
Digitalisierung der Möbelmontage – Mit Smart Devices in Richtung Industrie 4.0           60

Übersichtskarte der Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren und -Agenturen                      66

Glossar                                                                                  67
WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS - Digitale Produktionsmittel im Einsatz AUSGABE 9 - Mittelstand Digital
2   Mittelstand-Digital WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS | Ausgabe 9
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Digitale Produktionsmittel im Einsatz                                                                         3

Editorial
Die stark mittelständisch geprägte Produktionswirtschaft in Deutschland gründet ihre gute internationale
Wettbewerbsfähigkeit seit jeher auf den Vorsprung durch Innovationen. Produkte Made in Germany zeich-
nen sich im Allgemeinen durch hohe Qualitätsstandards sowie innovative Technik aus. Doch auch die zur
Herstellung dieser Produkte eingesetzten Produktionsmittel durchlaufen kontinuierliche Innovationszyklen,
um diese Qualität zu vertretbaren Kosten realisieren zu können. Eine zunehmende Automation und immer
schlankere Produktionsprozesse beschreiben den seit Jahrzehnten verfolgten Innovationspfad der „lean
production“.

Mit der Digitalisierung sind neue Faktoren hinzugekommen, die für absehbare Zeit das Innovationsge-
schehen der Produktionsmittel dominieren werden. Hauptmotiv ist nun nicht mehr die Kosteneinsparung,
auch wenn das im internationalen Wettbewerb immer von hoher Bedeutung ist, sondern die größere
Flexibilität, schnelleres Tempo, höhere Transparenz und vor allem die wesentlich stärkere Orientierung
an immer differenzierteren Kundenbedürfnissen. Den Unternehmen eröffnet die Digitalisierung vielfältige
Chancen, angefangen von besseren Leistungsversprechen bis hin zu gänzlich neuen Kundenbeziehungen
und digitalen Geschäftsmodellen.

Wenn mit Sensoren ausgestattete und vernetzte Maschinen mit ihrer nahen und fernen Umwelt kommuni-
zieren, wenn Produktions- und Wartungsdaten in Echtzeit verfügbar sind oder wenn Fertigungsprozesse
dezentral gesteuert werden können, eröffnet dies breite Spielräume für flexiblere und an kurzfristigen
Erfordernissen orientierte Produktionsprozesse. Selbst komplexe und kundenindividuelle Ausführungen
(„Losgröße 1“) können über digitale Produktionssteuerungen effizient und rentabel gefertigt werden.

Angesichts der nahezu endlosen neuen Möglichkeiten, die Produktion mit digitalen Technologien zu ver-
ändern, stellen sich für einen mittelständischen Unternehmer die Fragen: Womit fange ich sinnvollerweise
an? Welche Digitalisierungsinvestition bringt mir den höchsten Ertrag und wie könnte das Change Manage-
ment, also der Digitalisierungsfahrplan für meine Produktionseinrichtungen aussehen?

In dieser Ausgabe des Magazins WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS werden ausgewählte, innovative
digitale Produktionsmittel vorgestellt und Beispiele für deren erfolgreichen Einsatz in konkreten Praxis-
unternehmen geliefert. Die Beispiele stammen aus den Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren, wo Ansprech-
partner für weitergehende Informationen zu finden sind. In diesen Kompetenzzentren besteht auch für
eine gewisse Anzahl von Unternehmen die Möglichkeit, sich im Rahmen von Umsetzungsprojekten einen
individuellen Digitalisierungsfahrplan ausarbeiten zu lassen und künftig mit den gemachten Erfahrungen
als Digitalisierungsbeispiel für andere zu fungieren.

Dass eine Digitalisierungsmaßnahme nicht in jedem Unternehmen zum gleichen Erfolg führt, ist angesichts
heterogener Ausgangslagen und Marktpositionen nicht verwunderlich. Im ersten Beitrag dieser Ausgabe
analysieren Malte Volkwein und Andreas Bildstein den digitalen Autonomiegrad eines Unternehmens, um
darauf aufbauend vier Strategieklassen vorzustellen. Je nach Strategieklasse werden konkrete Handlungs-
empfehlungen für unterschiedliche Digitalisierungsinvestitionen gegeben. Empirisch abgesichert wurden
diese Empfehlungen durch Potenzialanalysen bei zwölf Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in
Baden-Württemberg. Damit reißt dieser Eingangsbeitrag bereits die Themen Assistenzsysteme, 3D-Druck,
digitales Abbild der Fabrik und Digitaler Zwilling von Produkten, digitale Planungswerkzeuge sowie digitale
Informationsflüsse in der Lieferkette an, die in den folgenden Beiträgen dieses Heftes näher beleuchtet
werden.
WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS - Digitale Produktionsmittel im Einsatz AUSGABE 9 - Mittelstand Digital
4   Mittelstand-Digital WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS | Ausgabe 9

    Marcus Lewin, Markus Wallenborn, David Küstner, Daniel Erdelmeier und Prof. Dr.-Ing. Alexander Fay
    vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Hamburg geben in ihrem Artikel einen Überblick über digitale
    Assistenzsysteme und erläutern deren Vorteile anhand eines Praxisbeispiels aus der Instandhaltung von
    Flugzeugen.

    Sarah Uttendorf und Dr. Michael Rehe stellen einen Demonstrator eines digitalen Assistenzsystems des
    Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Hannover vor, mit dessen Hilfe auch ungelernte Arbeiter sowie Men-
    schen mit Behinderungen in der Montage von elektrischen Schaltschränken eingesetzt werden können.

    Die nächsten beiden Beiträge befassen sich mit additiven Fertigungsverfahren, meist 3D-Druck genannt.
    Claudia Rosenkranz vom Fraunhofer IGCV gibt einen Überblick, für welche Geschäftsmodelle 3D-Druck-
    verfahren einen substanziellen Mehrwert liefern. Sie untermauert ihre Erkenntnisse mit vier knapp darge-
    stellten Praxisbeispielen.

    Constance Möhwald und Caroline Reinert vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Ilmenau geben ein
    anschauliches Beispiel, wie auch eine mittelständische Feingießerei mit langer Tradition ihre Prozesskette
    durch den Einsatz von 3D-Druck modernisieren und die Fertigung hierdurch flexibilisieren kann.

    Marian Süße und Dan Gläser vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Chemnitz führen in ihrem Beitrag
    in digitale Werkzeuge für die Fabrikplanung ein und skizzieren anhand von zwei praktischen Beispielen
    deren Vorteilhaftigkeit.

    Bei der industriellen Herstellung hochindividueller Produkte kommen häufig digitale Modelle, sog. „Digitale
    Zwillinge“ zum Einsatz. Robert Joppen und Dr.-Ing. Arno Kühn vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum
    Dortmund zeigen am Beispiel des Schaltschrankbaus, wie diese Digitalen Zwillinge über den gesamten
    Auftragsabwicklungsprozess als zentrales Informations-, Kommunikations- und Arbeitsmedium eingesetzt
    werden können und hierbei Transparenz schaffen, Durchlaufzeiten beschleunigen und Kosten einsparen.

    Katrin Schilling, Dr.-Ing. Werner Herfs und Markus Obdenbusch, ebenfalls vom Mittelstand 4.0-Kompe-
    tenzzentrum Dortmund, bieten in ihrem Beitrag einen Blick auf den Stand des Einsatzes von Augmented
    Reality in der Produktion. Sie geben hierbei einen Überblick über technische Ansätze sowie konkrete
    Anwendungsbeispiele.

    Einen Exkurs in den Einzelhandel unternimmt Dr. Eva Stüber aus der Mittelstand 4.0-Agentur Handel mit
    ihrem Überblick über digitale Technologien am Point of Sale, also im stationären Ladengeschäft.

    Fabienne Bosle vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Kaiserslautern zeichnet den digitalen Transfor-
    mationsprozess bei einem mittelständischen Hersteller von Gehäuse- und Schranktechnik nach. In ihrem
    Beispiel betont sie vor allem die positive Einstellung der Geschäftsführung und aller Mitarbeiter gegenüber
    dem Thema Industrie 4.0 als erfolgsentscheidenden Faktor.

    Den Abschluss dieser Ausgabe bildet ein Praxisbeispiel aus der Möbelproduktion. Arnd Ciprina, Janina
    Mücke und Dr.-Ing. Christian Schwede zeigen, wie durch ein Transferprojekt des Mittelstand 4.0-Kompe-
    tenzzentrums Dortmund der gesamte Produktionsprozess eines Möbelunternehmens digitalisiert und
    damit zukunftsfähig aufgestellt wurde.

    Mit diesen punktuellen Einblicken in den Einsatz von digitalen Produktionsmitteln in kleinen und mittleren
    Unternehmen sollen Unternehmern Anstöße gegeben werden, sich weitergehend mit digitalen Innovations-
    prozessen zu befassen. Idealerweise bieten sie Anregungen für einen Einsatz im eigenen Betrieb. Tiefer-
    gehende Informationen sind bei den in ganz Deutschland und sicher auch in Ihrer Region anzutreffenden
    Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren verfügbar.

    Peter Stamm
    Begleitforschung Mittelstand-Digital
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Digitale Produktionsmittel im Einsatz                                                                            5

Malte Volkwein, Andreas Bildstein

Erkenntnisse aus der Studie
„Digitalisierung im Mittelstand –
Entscheidungsgrundlagen und
Handlungsempfehlungen“
Durch ihre hohe Auslandsorientierung, die feste       Kleine und mittelständische Unternehmen zeichnen
Einbindung in internationale Produktionsnetzwerke     sich durch eine langfristige Orientierung und hohe
und eine starke Innovationskraft haben kleine und     Identifizierung mit den Produkten aus. Die begrenz-
mittelständische Unternehmen (KMU) der Metall-        ten Ressourcen der KMU resultieren jedoch häufig
und Elektroindustrie in Deutschland eine starke       in langsamen Veränderungsprozessen und geringer
Wettbewerbsposition. Obwohl sie über einen über-      Flexibilität bei Marktschwankungen.4 Im Gegensatz
durchschnittlichen Automatisierungs- und Digitali-    zu großen Unternehmen und Konzernen, welche die
sierungsgrad verfügen,1 zählt ein Großteil der KMU    Digitalisierung als Vorreiter aktiv vorantreiben, ist im
noch zu den „Digitalisierungsneulingen“.2 Die Digi-   Mittelstand eine abwartende Haltung festzustellen.
talisierung bedeutet für den Mittelstand daher        Unsichere Prognosen zum Erfolg einzelner Umset-
sowohl Chance als auch Herausforderung. Sie           zungsmaßnahmen und ein Mangel an pragmati-
ermöglicht eine intensive Vernetzung mit neuen        schen Handlungsempfehlungen verstärken diese
Märkten und Kunden, gleichzeitig nehmen aber          Zurückhaltung bei der Digitalisierung der Wertschöp-
Komplexität und Volatilität erheblich zu.3            fungsprozesse. Sinkende Produktivitätszuwächse
1 Vgl. Bähr et al. (2016).
2 Vgl. Lichtblau et al. (2015).
3 Vgl. Müller et al. (2016).                          4 Vgl. Bischoff et al. (2015).
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6   Mittelstand-Digital WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS | Ausgabe 9

    indizieren jedoch einen konkreten Handlungsbedarf     Kunden die Entscheidungen trifft. Für diese Gene-
    auch kleinerer Unternehmen beim Thema Digitali-       ration sind digitalisierte Lösungen selbstverständ-
    sierung. Um die aktuell gute Wettbewerbsposition      lich“. Die Wichtigkeit der Digitalisierung für die
    langfristig stärken zu können, ist eine systemati-    Unternehmen zeigt sich auch in der Tatsache, dass
    sche Analyse der Digitalisierungspotenziale kleiner   die Verantwortung für die bereits angestoßenen
    und mittlerer Unternehmen erforderlich.               Digitalisierungsaktivitäten zum Großteil auf der
                                                          höchsten Unternehmensebene des Vorstands liegt.
    Zur Untersuchung der Digitalisierungspotenziale
    bei KMU hat das Fraunhofer IPA in Kooperation         These: Integraler Bestandteil einer erfolgreichen
    mit Südwestmetall, dem Verband der Metall- und        Digitalisierungsstrategie ist ein konsistentes
    Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V., eine         Controlling der Digitalisierungsaktivitäten.
    wissenschaftliche Studie durchgeführt. Dazu
    wurden Potenzialanalysen in zwölf ausgewählten        Im Bereich des Controllings der Digitalisierungsak-
    Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in       tivitäten beschränken sich die Unternehmen bisher
    Baden-Württemberg durchgeführt. Die ausgewähl-        überwiegend auf Projektbudgets und Controlling-
    ten Unternehmen repräsentieren verschiedene           Gespräche. Indikator- und Benchmark-basierte
    Größenklassen von etwa 100 bis 5.000 Mitarbeitern,    Steuerungsansätze wurden bislang bei keinem der
    unterschiedliche Branchen und Geschäftsmodelle.       betrachteten Unternehmen umgesetzt, obwohl
    Inhaltlich wurden vier Themengebiete betrachtet:      davon ein großes Entwicklungspotenzial ausgeht.5
                                                          Grundlage für das Digitalisierungscontrolling ist die
    1. Strategische und organisationale Vorausset-        Formulierung einer Digitalisierungsstrategie. Dies
       zungen („Digitalisierungsstrategie“)               wird durch die Aussagen der untersuchten Unter-
                                                          nehmen unterstrichen: „Bislang sind die Ziele der
    2. Digitalisierung der Wertschöpfung                  Digitalisierung noch nicht definiert. Aus diesem
       („Smart Production“)                               Grund wurden noch keine Digitalisierungskennzah-
                                                          len erhoben“. Als Handlungsempfehlung lässt sich
    3. Digitalisierung der Produkte und Ableitung         daher ableiten, dass zunächst eine Gesamtunter-
       digitaler Geschäftsmodelle („Smart Product“)       nehmensstrategie zu entwickeln ist. Im Anschluss
                                                          sollten mögliche technologische Entwicklungspfade
    4. Prozesseffizienz („Lean Management“)               analysiert und ein ganzheitliches Controlling-Sys-
                                                          tem zur Steuerung der Digitalisierungsaktivitäten
    Die beiden Hauptziele der Studie waren eine Ein-      implementiert werden.
    ordnung des aktuellen Umsetzungsstandes der
    Digitalisierung von kleinen und mittelständischen     These: IT-orientiertes Change Management
    Unternehmen sowie die Ableitung konkreter, unter-     muss einen individuellen und problemorientier-
    nehmensspezifischer Handlungsempfehlungen.            ten Wissensmanagementansatz unterstützen,
    Die Ergebnisse der Studie wurden in Form von          um optimal umgesetzt werden zu können.
    Thesen zusammengefasst und setzen die Aus-
    gangsbasis zur weiteren wissenschaftlichen            Veränderungsprozesse stellen den eigentlichen
    Begleitung der Digitalisierung des Mittelstands.      Kern wirtschaftlichen Handelns dar.6 Die Veranke-
                                                          rung eines digitalen Change Managements in der
                                                          Unternehmensstrategie ist daher ein wichtiger Fak-
    Organisationale Voraussetzungen für die               tor für den Wandlungserfolg.7 In der Studie wurde
    Digitalisierung                                       die Verknüpfung von Humanressourcen und der
                                                          durch die Digitalisierung veränderten Rahmenbe-
    These: Die Digitalisierungsstrategie ist inner-       dingungen in den Unternehmen untersucht. Dazu
    halb der strategischen Führung produzierender         zählt vor allem die systematische Vorbereitung der
    Unternehmen zukünftig das wichtigste Thema.           Mitarbeiter auf den zukünftig erhöhten Grad an Digi-
                                                          talisierung und eine Veränderung der Ausbildungs-
    Trotz der grundsätzlich abwartenden Haltung in        strategie. Bei der Implementierung von problemori-
    Bezug auf die Digitalisierung wird deren Relevanz     entierten Wissensmanagementansätzen ergeben
    für den zukünftigen Unternehmenserfolg von den        sich darüber hinaus große Potenziale, das Wissen
    betrachteten Unternehmen überwiegend als sehr         einzelner Mitarbeiter in digitaler Weise zentral zu
    hoch eingeschätzt. Diese Einschätzung wird auf        dokumentieren und bedarfsgerecht bereitzustellen.
    allen Ebenen der Unternehmen gleichermaßen
                                                          5 Vgl. Schönbohm und Egle (2017).
    unterstrichen: „Wir müssen heute schon an die         6 Vgl. Lesmeister et al. (2011).
    Generation denken, die in zehn Jahren bei unseren     7 Vgl. Pescher (2010).
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These: Lean Management ist eine Grund-
voraussetzung, um den derzeitigen digitalen
Wandel erfolgreich gestalten zu können.

                                                      Digitales Potenzial der Produkte
Zentraler Ansatz des Lean Managements ist die
Fokussierung auf den Kunden mit seinen Wün-
schen und Anforderungen8 und die verschwen-
dungsfreie Produktion von Gütern und Dienstleis-
tungen.9 Da die Strukturen des Lean Managements
die Basis für eine erfolgreiche digitale Vernetzung
bilden,10 wurde der Lean Management-Reifegrad
der Unternehmen untersucht. Während die meis-
ten untersuchten Unternehmen eine ausgereifte
Umsetzung des Lean Management-Ansatzes in
den direkten Bereichen aufweisen können, beste-
hen noch Potenziale in der Erweiterung auf die
indirekten Bereiche. Dies erfordert einen Perspek-
tivenwechsel: neben den externen Kunden sind                                                               Endkundennähe
auch unternehmensinterne Abteilungen im Sinne
eines internen Kunden zu fokussieren. Ein ganz-                                          Abbildung 1: Bestimmung des digitalen
                                                                                         Autonomiegrades.12
heitlicher Lean Management-Ansatz muss daher
neben den Produktionsprozessen insbesondere
auch die Abläufe der indirekten Bereiche umfas-
sen, um sein komplettes Potenzial entfalten zu        Aus der Einschätzung des individuellen digitalen
können.                                               Autonomiegrades folgt eine direkte Einordnung des
                                                      Unternehmens in eine von vier Strategieklassen.
                                                      Abbildung 2 zeigt die Verteilung der vier Strategie-
Bestimmung des digitalen Autonomiegrades              klassen in Abhängigkeit der Endkundennähe und
zur Ableitung strategischer Handlungsfelder           des digitalen Produktpotenzials.

Aufgrund von begrenzten Ressourcen besteht für
KMU die Notwendigkeit, bei der Digitalisierung auf
einzelne Handlungsfelder zu fokussieren. Der
digitale Autonomiegrad eines Unternehmens bietet                                                          3
                                                      Digitales Potenzial der Produkte

hierbei eine Entscheidungsgrundlage, welche Digi-
talisierungsmaßnahmen für verschiedene Unter-                                                                                       4
nehmenstypen jeweils zum potenziell größten
Erfolg führen.11
                                                                                                          2
Der digitale Autonomiegrad eines Unternehmens
beschreibt die Kombination aus dessen Endkunden-
nähe und dem digitalen Potenzial des Produktport-
folios. Die Endkundennähe lässt sich direkt aus
der Positionierung innerhalb der Supply Chain als                                                                  1
Markenanbieter (Original Equipment Manufacturer
– OEM) oder Zulieferer ableiten. Das digitale
Potenzial der Produkte beschreibt die Kombination
aus dem technologischen Digitalisierungspotenzial
und dessen Vermarktungsfähigkeit. Abbildung 1
verdeutlicht, dass der digitale Autonomiegrad eines                                                        Endkundennähe
Unternehmens mit steigender Endkundennähe und                                            Abbildung 2: Strategieklassen auf Basis des digitalen
steigendem digitalen Produktpotenzial zunimmt.                                           Autonomiegrades.13

8    Vgl. Erlach (2010).
9    Vgl. Womack et al. (1990).
10   Vgl. Bergman et al. (1999).                      12 Vgl. ebd.
11   Vgl. Schöllhammer et al (2017).                  13 Vgl. ebd.
WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS - Digitale Produktionsmittel im Einsatz AUSGABE 9 - Mittelstand Digital
8   Mittelstand-Digital WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS | Ausgabe 9

    Die vier Strategieklassen implizieren jeweils ver-       Handlungsempfehlung: Je geringer der digitale
    schiedene strategische Handlungsempfehlungen             Autonomiegrad eines Produktionsunterneh-
    für die Unternehmen:                                     mens, desto notwendiger werden Investitionen
                                                             in ein feingranulares digitales Abbild der
    1. Qualität und Effizienz in der Produktion              Produktion als Grundlage der Unternehmens-
                                                             führung.
       Unternehmen dieser Strategieklasse sollten den
       Fokus der Digitalisierung auf eine Steigerung         Das digitale Abbild der Fabrik basiert auf der
       der Effizienz und der Qualität in der Produktion      durchgängigen Bereitstellung produktionsrelevan-
       legen. Ziel ist es, die Wettbewerbsposition durch     ter Daten und Informationen. Die Situation in den
       die Fertigung qualitativ hochwertiger Produkte        an der Studie beteiligten Unternehmen wurde auf
       zu einem möglichst niedrigen Preis zu stärken.        zwei Ebenen betrachtet: der Verknüpfung von Pro-
       Aufgrund des geringen digitalen Produktpoten-         duktion und Entwicklung sowie der Digitalisierung
       zials ist die Entwicklung digitaler Zusatzservices,   der Maschinenzustände. Bisher zeigen sich die
       beispielsweise auf Basis einer Produktdatennut-       Unternehmen zurückhaltend in der Umsetzung
       zung, praktisch ausgeschlossen.                       einer automatisierten Produktionsdatenanalyse,
                                                             nur von wenigen wurde der Mehrwert erkannt:
    2. Lieferketten-Kooperation                              „Qualitätsmessdaten aus dem Prüffeld werden
                                                             automatisiert an die Entwicklung weitergeleitet und
       Aufgrund des fehlenden Endkundenzuganges              dort ausgewertet. Die Erfahrung hat gezeigt, dass
       der Unternehmen in dieser Strategieklasse lässt       die Entwicklung neuer Produktlinien damit verbes-
       sich das vorhandene digitale Potenzial der Pro-       sert werden konnte“. Insbesondere in routineba-
       dukte nur dann nutzen, wenn eine umfassende           sierten Produktionen ist das digitale Abbild jedoch
       technologische und prozessuale Kooperation            unerlässlich. Speziell für Unternehmen dieses Typs
       mit dem jeweiligen Hersteller des Endprodukts         wird die Implementierung eines digitalen Abbildes
       erfolgt. Ein Zulieferer kann hierbei seine strate-    der Fabrik daher empfohlen.
       gische Rolle als Know-how-Träger stärken.
                                                             Handlungsempfehlung: Unternehmen mit einem
    3. Lieferketten-Repositionierung                         geringen digitalen Autonomiegrad profitieren
                                                             von klassischen Lieferkettenkooperationen,
       Unternehmen dieser Strategieklasse, die bislang       während ein hoher digitaler Autonomiegrad das
       als Zulieferer auftreten, sollten eine Repositio-     Potenzialfeld plattformbasierter Ökosysteme
       nierung als Markenanbieter (OEM) erörtern. Das        eröffnet.
       sehr hohe digitale Potenzial der Produkte und
       die entsprechend umfassenden Möglichkeiten            Kooperationen entlang der Lieferkette können die
       zum Anbieten digitaler Zusatzservices sind nur        Prozesseffektivität steigern, sowohl bei der Orien-
       dann in vollem Umfang nutzbar, wenn das               tierung zum Kunden als auch zu den Zulieferern.14
       Unternehmen über einen direkten Endkunden-            Bei den betrachteten Unternehmen geschieht die
       zugang verfügt.                                       Kooperation überwiegend über Regeltermine, nur
                                                             vereinzelt werden digitale Lösungen umgesetzt.
    4. Kundennutzen                                          Jedoch wird die Relevanz von den Unternehmen
                                                             erkannt: „Wir decken bereits heute einen Großteil
       Aufgrund des bereits vorhandenen Zugangs              unseres Beschaffungsvolumens automatisch über
       zum Endkunden und dem gleichzeitig hohen              Online-Plattformen ab. Zukünftig werden wir nur
       Digitalisierungspotenzial der Produkte sollten        noch mit Lieferanten zusammenarbeiten, die diese
       sich Unternehmen dieser Strategieklasse vor           Art der Vernetzung unterstützen“. Der konsequente
       allem auf die Entwicklung und Vermarktung             Ausbau solcher Plattformen, zum Beispiel zur
       digitaler Services fokussieren. Zusätzlich zum        automatischen Beschaffung von Produkten, ist vor
       Verkauf des physischen Produkts besitzt die           allem für Unternehmen mit hohem digitalen Auto-
       Etablierung digitaler Ertragsmodelle ein sehr         nomiegrad von großer Bedeutung.
       hohes Umsatzpotenzial.
                                                             Handlungsempfehlung: Je niedriger der digitale
    Über die Identifizierung einer unternehmensindividu-     Autonomiegrad, desto notwendiger werden
    ellen Strategieklasse hinaus lassen sich in Abhän-       Investitionen in eine automatisierte Material-
    gigkeit des digitalen Autonomiegrades verschiedene       wirtschaft.
    operative Handlungsempfehlungen ableiten, die im
    Folgenden beispielhaft vorgestellt werden:               14 Vgl. Oliveira et al (2010).
Digitale Produktionsmittel im Einsatz                                                                           9

Ein weiterer Fokus der Studie liegt auf der Beur-       Devices, wie z.B. Tablet-Computer, bedarfsgerecht
teilung von Automatisierungslösungen in den             auf Prozesskontexte zugreifen und somit die Pro-
Bereichen Bestellvorgang, Warenannahme und              zessqualität verbessern.
Kommissionierprozess. Digitale Lösungen werden
hier bislang nur in geringem Maße eingesetzt, zum       Handlungsempfehlung: Je kürzer die Produkt-
Beispiel in Form von Scanner-Systemen. Keines           lebenszyklen und je vielfältiger das Varianten-
der untersuchten Unternehmen hat eine automati-         spektrum, desto größer sind die Effizienzvor-
sierte Lösung implementiert. Basierend auf dem          teile einer 3D-Drucktechnologie gegenüber
realen Materialverbrauch, der Steuerfähigkeit der       herkömmlichen Prototypenverfahren.
Materialien und der Anschlussfähigkeit von Behäl-
tersystemen an das vorhandene ERP-System                Auf Basis der Unternehmensdiskussionen kann kon-
sollte daher eine unternehmensindividuelle Poten-       statiert werden, dass sich der 3D-Druck langsam
zialanalyse für die Einführung einer vollautomati-      aber kontinuierlich in den Fabriken als alternativer
sierten Lösung in der Materialwirtschaft durchge-       Standard zu herkömmlichen Techniken etabliert.
führt werden.                                           Insbesondere die gestalterischen Freiheitsgrade
                                                        sowie deren Flexibilität werden als Vorteile aner-
Handlungsempfehlung: Je höher der digitale              kannt. Allerdings stehen einer schnelleren und
Autonomiegrad eines Unternehmens, desto                 durchgängigen Etablierung der 3D-Drucktechnologie
höher ist das Potenzial für Umsatzgenerierung           auch noch prozesstechnische Bedenken entgegen:
aus datenbasierten Zusatzleistungen, bei-               „Aktuell verfügbare 3D-Drucker erfüllen noch nicht
spielsweise für Predictive Maintenance oder             unsere Anforderungen an die Beständigkeit und die
Predictive Failure-Dienste.                             Kombination verschiedener Materialien. Wir beob-
                                                        achten den Markt allerdings sehr intensiv, weil
Als Anbieter von intelligenten Produkten bietet         3D-Druck neben dem Prototypenbau auch für eine
sich ein großes Potenzial an digitalen Geschäfts-       dezentrale Ersatzteilversorgung interessant ist.“
modellen und somit der Umsatzgenerierung durch
Zusatzleistungen. Dieses Potenzial wird nur bei
einem kleinen Teil der Unternehmen umgesetzt,           Zusammenfassung
dabei wirken insbesondere die Implementierungs-
komplexität und die unklare Ergebniswirksamkeit         Die Studie „Digitalisierung im Mittelstand – Ent-
hemmend. Darüber hinaus lässt sich nicht jedes          scheidungsgrundlagen und Handlungsempfeh-
Produkt sinnvoll mit Sensoren ausstatten. Unter-        lungen“ hat ergeben, dass kleine und mittlere
nehmen mit einem hohen digitalen Autonomiegrad          Unternehmen sehr genau den Technologiemarkt
sollten dieses Potenzial jedoch umfassend nutzen.       beobachten und prüfen, welche digitalen Produk-
                                                        tionstechnologien ihnen hilfreich sein können. Aller-
Handlungsempfehlung: Je spezifischer das                dings schrecken diese Unternehmen vor einem
digitale Abbild der Produktion ausgearbeitet            Einsatz häufig noch zurück, wenn die am Markt
ist, desto größer ist der Nutzen für die Planung,       angebotenen Lösungen nicht etabliert sind, grö-
Steuerung und Optimierung der Produktion.               ßere Hemmnisse bei der Einführung im eigenen
                                                        Unternehmen befürchtet werden oder der mone-
Die Voraussetzungen für die Kommunikations-             täre Nutzen im Vorhinein nicht quantifizierbar ist.
fähigkeit von Maschinen in der Werkshalle, die als
Grundlage für eine vorausschauende Produktions-         Die bisher im Mittelstand durchgeführten Projekte
datengenerierung dient, sind aktuell bereits in der     zur Digitalisierung der Wertschöpfungskette betref-
überwiegenden Anzahl der analysierten Unterneh-         fen insbesondere die Produktion selbst. Hier ste-
men technologisch implementiert. Um ein sukzes-         hen vor allem unterstützende Prozesse im Fokus.
sives Nachrüsten zusätzlicher Maschinen und             Viele Unternehmen haben das digitale Abbild der
Anlagen mit entsprechender Sensortechnologie zu         Logistikprozesse bereits sehr weit umgesetzt,
unterstützen, bietet sich die Strategie des Retrofit-   während der Einsatz von digitalen Produktions-
tings an. Auf diese Weise können Schritt für Schritt    abbildungen im Vergleich noch hinterherhinkt. In
weitere Maschinen an die Produktionsplanung und         den Unternehmen ist allerdings der Bedarf für die
-steuerung angeschlossen werden. Die Vorteile           Umsetzung des digitalen Produktionsabbildes
eines digitalen Fabrikmodelles für Mitarbeiter und      durchaus erkannt. Auftrags- und Konstruktionsdaten
Management zeigen sich bspw. durch die analyti-         werden mehrheitlich noch in Papierform bereitge-
schen Potenziale, die vor Ort auf mobilen Geräten       stellt, jedoch ist die „Papierlose Fertigung“ eine
ihre Wirkung entfalten können. So können bei-           weit verbreitete und auch formulierte Vision, die es
spielsweise Arbeiter in der Produktion über Smart       in nächster Zeit umzusetzen gilt.
10   Mittelstand-Digital WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS | Ausgabe 9

     Literatur

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        M., Goloverov, A., Ludwig, S., Hegmanns, T., Prasse,
        C., Henke, M., Hompel, M., Döbbeler, F., Fuss, E.,
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        der Anwendung von ,Industrie 4.0‘ im Mittelstand,
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     Erlach, K. (2010): Wertstromdesign: Der Weg zur
                                                                                       Malte Volkwein ist wissenschaftlicher
        schlanken Fabrik, VDI-Buch, Springer-Verlag Berlin
                                                                                       Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für
        Heidelberg
                                                                                       Produktionstechnik und Automatisie-
     Lesmeister, F., Spindelndreier, D. und Zinser, M. (2011):                         rung IPA. Seine Forschungsschwer-
       The High-Performance Manufacturing Organization,                                punkte sind die Digitalisierung von
       Unternehmensstudie BCG                                                          Produktion und Administration sowie
                                                                                       die Entwicklung von Digitalisierungs-
     Lichtblau, K., Stich, V., Bertenrath, R., Blum, M., Bleider,
                                                                                       strategien für kleine und mittelständi-
        M., Millack, A., Schmitt, K., Schmitz, E. und Schröter,
                                                                     sche Unternehmen. Durch zahlreiche Projekte konnte
        M. (2015): Industrie 4.0 Readiness: Impuls. Aachen/
                                                                     er bereits umfangreiche Erfahrungen in der Implemen-
        Köln
                                                                     tierung von Digitalisierungslösungen und in der strate-
     Müller, F.G., Bressner, M., Görzig, D. und Röber, T.            gischen Beratung von Unternehmen erlangen.
       (2016): Industrie 4.0 Entwicklungsfelder für den
       Mittelstand: aktuelle Hemmnisse und konkrete                                     Andreas Bildstein leitet am Fraun-
       Bedarfe. Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik                              hofer IPA im Kompetenzzentrum DigI-
       und Automatisierung IPA, Stuttgart                                               Tools für die Produktion die Gruppe
     Oliveira, M. de, McCormack, K., Ladeira, M.B., Trkman,                             IT-Anwendungen und Services für
        P. und Van Den Bergh, J. (2011): Supply chain                                   die Produktion und forscht unter
        process collaboration and internet utilization:. An                             anderem an dynamischen Produk-
        international perspective of business to business                               tionsnetzwerken, Cloud-unterstützter
        relationships, in: Economic and Business Review, Vol.                           Produktion, Industrie 4.0 und der sog.
        13 No. 4, S. 203–226                                         „smart production“ mittels cyber-physischer Systeme.
                                                                     Ein besonderer Schwerpunkt seiner Forschungsaktivi-
     Pescher, J. (2010): Change Management: Taxonomie                täten liegt dabei auf der Digitalisierung und Vernetzung
       und Erfolgsauswirkungen, Dissertation, Gabler,                der Produktion und produktionsnaher Prozesse auf
       Wiesbaden                                                     Basis von Informationstechnologien und Konzepten
     Schöllhammer, O., Volkwein, M., Kuch, B., Hesping, S.           aus dem Bereich des Internet der Dinge (IoT). Im Mit-
       (2017): Digitalisierung im Mittelstand – Entscheidungs-       telstand 4.0-Kompetenzentrum Stuttgart ist Andreas
       grundlagen und Handlungsempfehlungen, Fraunhofer              Bildstein Leiter des Themenfeldes Produktion und
       Institut für Produktionstechnik und Automatisierung           damit Ansprechpartner für kleine und mittelständische
       IPA, Stuttgart                                                Unternehmen aus dem Produktionsumfeld.
Digitale Produktionsmittel im Einsatz                                                                           11

Marcus Lewin, Markus Wallenborn, David Küstner, Daniel Erdelmeier, Alexander Fay

Auf dem Weg zu innovativen
Assistenzsystemen – Systematische
Klassifizierung für die Praxis
Einleitung und Motivation

Im Rahmen der Entwicklungen im Umfeld von             Erfahrung in der Komponentenreparatur, werden in
Industrie 4.0 kommen dem Menschen die Aufgaben        diesem Beitrag Assistenzsysteme und deren Chan-
des Entscheiders und Problemlösers zuteil, er wird    cen vorgestellt. Als Basis werden aktuelle Heraus-
zum Dirigenten der Wertschöpfung.1 Dabei sollte       forderungen in der Auftragsplanung/-organisation, in
eine Unterstützung durch digitale Assistenzsys-       den Instandhaltungsprozessen, im Dokumentenma-
teme bereitgestellt werden, die über multimodale,     nagement sowie in der Dokumentation beschrieben.
bedienungsfreundliche Benutzerschnittstellen den      Anschließend wird das implementierte Assistenz-
Menschen in ein sozio-technisches System der          system vorgestellt, das intelligent und individuell die
Industrie 4.0 integrieren. Die vielfältigen techni-   Mitarbeiter bei verschiedenen Aufgaben unterstützt.
schen Lösungen zur Umsetzung der Assistenzfunk-       Hierbei werden die Vorteile und Mehrwerte für die
tionen reichen von Tablets über Headsets bis hin      Mitarbeiter im Einzelnen und für das Anwenderunter-
zu Augmented Reality (AR)-basierten Datenbrillen,     nehmen aufgeführt. Zur Unterstützung interessierter
überfordern den Erstanwender jedoch oftmals.          Unternehmen werden Assistenzsysteme und deren
                                                      Kompetenzen strukturiert aufgeführt.
Insbesondere für kleine und mittelständische Unter-
nehmen, die einen Einstieg in die Thematik der
Industrie 4.0 suchen, stellt sich die Frage, welche   Überblick über Assistenzsysteme
Assistenzsysteme für ihre Anwendungsfälle und
Rahmenbedingungen passend sind. Anhand eines          Ein Assistenzsystem im Rahmen der Industrie 4.0
Praxisbeispiels bei der Lufthansa Technik Intercoat   ist eine Verbindung von vorzugsweise mobil gestal-
GmbH (LTI), einem Luftfahrtinstandhaltungsbetrieb     teten (informations-) technischen Systemkompo-
in Kaltenkirchen mit 35 Angestellten und 30 Jahren    nenten mit dem Ziel, den Benutzer bei der Erfüllung
1 VDI (2015).                                         seiner Aufgabe in informativer, kognitiver oder
12   Mittelstand-Digital WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS | Ausgabe 9

     physischer Art zu unterstützen. Ziel von Assistenz-     zur Entscheidungsunterstützung bei, sie können
     systemen ist es hierbei, dem Beschäftigten mög-         Handlungsanweisungen in unübersichtlichen, unge-
     lichst einfach und schnell, jederzeit und überall die   wohnten Situationen vermitteln und anschließend
     Informationen zur Verfügung zu stellen, die er          über regelbasierte Lernmodelle weiteres Wissen
     gerade benötigt. In diesem Bereich sind ebenfalls       generieren. Solche Systeme können beispielsweise
     Technologien relevant, welche die Menschen bei der      für Produktionsplanung und -steuerung oder vor-
     Ausführung ihrer Arbeit unterstützen und ihnen          beugende Instandhaltungsaufgaben genutzt werden.
     ermöglichen, sich auf ihre Kernkompetenzen zu kon-      Dazu befähigt wird kognitive Unterstützung durch
     zentrieren. Dies sind insbesondere Technologien zur     umfassende Informationen aus Daten, die von ver-
     Informationsbereitstellung, wie beispielsweise Visua-   schiedenen Sensoren erzeugt werden bzw. von
     lisierungssysteme, mobile Endgeräte, Tablets und        Datenbanken bereitgestellt werden.
     Datenbrillen oder Hilfsmittel, die Berechnungen vor-
     nehmen bzw. motorisch unterstützen. Dabei reicht        In die dritte Kategorie werden körperliche Assis-
     die Spannbreite von der einfachen Anzeige von           tenzsysteme eingeteilt, die den Menschen bei phy-
     Arbeitsanweisungen über die visuelle oder multime-      sischen und motorischen Arbeitsabläufen unterstüt-
     diale Unterstützung (z. B. bei Picksystemen mit         zen und entlasten. Der Einsatz von technischen
     Anzeige und Sprachausgabe) bis hin zur kontextsen-      Systemen zur Unterstützung oder sogar Über-
     sitiven Augmented Reality für den Beschäftigten.        nahme von Tätigkeiten des Mitarbeiters fördert die
     Assistenzsysteme sollten somit „… dem Menschen          Entwicklung zu einem ergonomischen Arbeitsplatz.4
     helfen und ihn situationsangepasst mit den Informati-
     onen versorgen. So kann der Mitarbeiter qualifizier-
     ter eingesetzt werden, als es bisher der Fall war.“2    Möglichkeiten, Chancen und Risiken von
                                                             Assistenzsystemen
     Grundsätzlich können Assistenzsysteme nach Art
     und Umfang der Unterstützung in informative, kog-       Assistenzsysteme sind vor allem dann sinnvoll ein-
     nitive und körperliche Assistenz unterschieden wer-     setzbar, wenn wenig Erfahrung eines Mitarbeiters für
     den.3 Im Falle der informativen Assistenzsysteme        eine bestimmte Aufgabe, zum Bespiel eine Montage,
     werden die bereitgestellten Funktionen und Infor-       vorliegt. Hier können Schritt-für-Schritt Anweisungen
     mationen in meist statischer Form präsentiert, das      genutzt werden, um eine schnellere Einarbeitung zu
     heißt, die zu assistierenden Aufgaben liegen wie-       ermöglichen und parallel Fehler zu reduzieren. Mit
     derholt in ähnlicher Weise vor, es besteht kein gro-    steigender Erfahrung kann die Intensivität der Assis-
     ßer Bedarf hinsichtlich der Anpassungsfähigkeit an      tenz reduziert werden, bis für einen erfahrenen Mit-
     Nutzer oder ungewöhnliche Situationen. Darüber          arbeiter nur noch, wie in Abbildung 1 verdeutlicht,
     hinaus werden unter informativer Assistenz auch         eine Unterstützung auf Abruf notwendig ist. Durch
     umfassendere Assistenzsysteme verstanden, die           den steigenden Umfang und die notwendige Flexibili-
     über eine einfache Identifikation oder Positionser-     tät in den Aufgaben wird allerdings seltener die voll-
     kennung die situationsgerechte Informationsbereit-      ständige Expertise in einem Bereich aufgebaut,
     stellung für den Benutzer ermöglichen. Informative      wodurch die Assistenz an Bedeutung gewinnt.
     Assistenz beschränkt sich auf den Zugriff auf ein-
                                                             4 Elkmann et al. (2015).
     zelne Sensordaten bzw. bereits in einer Datenbank
     gespeicherte Informationen. Dazu zählen unter
     anderem das Anzeigen aktueller Betriebszustände,
     hinterlegter Produkt- oder Auftragsinformationen
     und benötigter Zusatzinformationen. Auch einfach
     gehaltene Handlungs- und Montageanweisungen
     fallen in diese Kategorie.

     Bei kognitiven Assistenzsystemen werden die
     Informationen nicht nur kontextabhängig dargestellt,
     sie werden zusätzlich adaptiv, also an die Situation
     und den Menschen angepasst. Kognitive Assistenz
     besitzt also die Fähigkeit, auch komplexere und
     flexible Prozesse zu erfassen und dem Benutzer
     die passenden Informationen situativ zur Verfügung
     zu stellen. Somit tragen diese Assistenzsysteme
     2 Spath et al. (2013).                                  Abbildung 1: Zusammenhang von Assistenz und Expertise
     3 Schumann (2015).                                      (in Anlehnung an Gorecky, Mura 2012).
Digitale Produktionsmittel im Einsatz                                                                                 13

                                                           Befähigungsdefizit, welches durch Assistenzsys-
                                                           teme verringert werden kann. Somit gewinnen
                                                           Assistenzsysteme in der Industrie 4.0 an Relevanz.

                                                           Unterschiedliche Chancen und Risiken von Assis-
                                                           tenzsystemen wurden von Bischoff et al.5 ermittelt.
                                                           So können Assistenzsysteme neben der Beschleu-
                                                           nigung der Einarbeitungsprozesse zu einer besse-
                                                           ren Beherrschung von Varianten und zur Fehlerre-
                                                           duktion bzw. -vermeidung führen. Ebenfalls können
                                                           die Produktivität sowie die Prozess- und Produkt-
                                                           qualität durch Assistenzen verbessert werden.
                                                           Zusätzlich ist eine Erhöhung der Arbeitssicherheit
Abbildung 2: Herausforderung in der Industrie 4.0          und Verbesserung der Ergonomie möglich. Neben
(in Anlehnung an Kreimeier et al. 2014).                   den beschriebenen Chancen müssen auch mögli-
                                                           che Risiken bei Assistenzsystemen und deren Ein-
                                                           führung berücksichtigt werden. Hierunter fallen die
Abbildung 2 zeigt den Zusammenhang von Anla-               fehlende Akzeptanz der Beschäftigten, Betreuungs-
gen-/ Aufgabenkomplexität und den Befähigungen             und Pflegeaufwand der Systeme sowie notwendige
von Mitarbeitern. Im Rahmen der Digitalisierung und        Weiterbildungsaufwendungen.
von Industrie 4.0 steigt die Komplexität der Aufga-
ben rasanter als die Befähigung. Es entsteht ein           5 Bischoff et al. (2015).

Praxisbeispiel im Mittelstand

Herausforderungen und Problemstellungen                    den jeweiligen Arbeiter weitergegeben werden. Neben
in der Luftfahrt                                           den Arbeitsanweisungen, die in den Dokumenten
                                                           beschrieben sind, dienen diese Papiere der Aufnahme
Die hohe Komplexität und die Qualitätsanforderungen        von Messwerten, der Zeiterfassung und der Freigabe
der Produktionsprozesse im Luftfahrtbereich erfordern      für den darauffolgenden Prozessschritt. Aus diesem
gut strukturierte Abläufe in der Fertigung und eine aus-   Grund enthalten die mitlaufenden Dokumente, die
führliche Dokumentation. Eine große Herausforderung        als sogenannte Laufkarte das Bauteil begleiten, ent-
stellt dabei die Organisation der Produktionsprozesse      sprechende Unterschriften- und Stempelfelder, die
nach dem Funktionsprinzip der Werkstattfertigung dar.      bestätigen, dass die Arbeitsanweisungen durchgeführt
Erschwert wird dies durch die Fertigung und Repara-        wurden. Die beschriebenen Dokumente werden zu
tur individueller Einzelteile.                             Beginn mithilfe des ERP-Systems der LTI erstellt und
Durch deutliche Abweichungen im Prozessablauf der          ausgedruckt. Zusätzlich zu den sogenannten Lauf-
verschiedenen Werkstücke werden zum großen Teil            karten exi­stieren Aktenschränke, in denen Maschinen-
manuelle Tätigkeiten ausgeführt, die nur schwer auto-      einrichtblätter und andere informative Dokumente ent-
matisiert oder assistiert werden können. Diese Proble-     halten sind, die die Mitarbeiter in den Prozessschritten
matik führt zur Verwendung mehrerer IT-Insel-Lösun-        unterstützen. Der Reparatur-Prozess bei der LTI
gen und zu einem erhöhten zeitlichen und finanziellen      gliedert sich grob in vier Kategorien bzw. Abteilungen:
Aufwand. Aufgrund der meist papiergebundenen Doku-         Warenmanagement, Abweichungsmanagement,
mentation fehlt eine über den Prozess stabile Qualitäts-   Qualitätskontrolle und Reparatur.
sicherung und die dazugehörige statistische Auswer-        Beginnend beim Warenmanagement im Warenein-
tung der Prozessgenauigkeit. Starke Schwankungen           gang wird ein vom Kunden geliefertes Werkstück zur
der Bearbeitungszeit und die Schwierigkeit der Pla-        Reparatur aufgenommen. In diesem ersten Prozess-
nung realistischer Zeiten sind die Folge.                  schritt erfolgt zunächst eine Sichtkontrolle auf grobe
Analyse der Ausgangssituation im Unternehmen               Beschädigungen durch den Transport, die einen
                                                           Ausschluss aus dem Reparatur-Prozess darstellen.
Der Reparatur-Prozess bei der Lufthansa Technik            Finden sich entsprechende Mängel, wird das Bauteil
Intercoat GmbH (LTI) wird, wie in vielen Unternehmen,      zum Abweichungsmanagement gegeben und entwe-
von papiergebundenen Dokumenten begleitet, die von         der verschrottet oder zum Kunden zurückgesandt.
Arbeitsschritt zu Arbeitsschritt mitsamt dem Bauteil an    Dies gilt für Abweichungen während des gesamten
14   Mittelstand-Digital WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS | Ausgabe 9

     Prozesses. In einem solchen Fall, der laut Aussagen
     der LTI bei schätzungsweise jedem fünften Bauteil
     auftritt, müssen dafür vorgesehene Dokumente aus-
     gefüllt, vom Warenmanagement freigegeben und zum
     Abweichungsmanagement weitergereicht werden.
     Besteht das Bauteil die Sichtkontrolle, wird das Bau-
     teil gereinigt und anschließend mit den dazugehörigen
     Dokumenten an die Qualitätskontrolle geleitet, wo
     eine weitere Inspektion erfolgt.
     Ist das Bauteil intakt, wird es von der Qualitätskont-
     rolle freigegeben, und es folgt eine Auftragsbestäti-
     gung. Der Reparaturprozess besteht aus mehreren
     Teilprozessen, die hier nicht alle aufgeführt werden
                                                                 Abbildung 3: Visualisierung der verknüpften Komponenten
     sollen. Wichtig dabei ist, dass Laufkarte und unterstüt-    aus dem von Synergeticon entwickelten Assistenzsystem
     zende Dokumente zum Beispiel bei Messungen oder             zur Prozessunterstützung.
     dem Non Destructive Testing (NDT) von den jeweils
     Verantwortlichen ausgefüllt und freigegeben werden
                                                                 Prozess begleitet. Die Strukturierung der Daten und
     müssen. Nachdem die Prozessschritte durchlaufen
                                                                 die digitale Transformation, um aus den Dokumenten
     wurden, können das reparierte Bauteil zum Kunden
                                                                 einen digitalen Zwilling zu erstellen, sowie die Anbin-
     versandt und die Dokumente in dafür vorgesehene
                                                                 dung an ERP-Systeme oder andere kundeninterne
     Aktenschränke einsortiert werden.
                                                                 Systeme werden im Hintergrund automatisch abge-
     Aufgrund der papiergebundenen Dokumentation der             handelt. Sämtliche Hintergrundberechnungen und
     Prozessschritte treten diverse Probleme auf, die zu         Analysen von Daten werden ebenfalls an dieser Stelle
     einer Verzögerung im Ablauf führen können. Durch            hinterlegt.
     die manuelle Eingabe der Messwerte per Hand ist
                                                                 Der entscheidende Vorteil des Assistenzsystems
     die Fehleranfälligkeit der Dokumentation sehr hoch.
                                                                 gegenüber auf dem Markt existierenden Standardpro-
     Zudem kann es zu Verwechslungen und Verlust der
                                                                 grammen ist der modulare Aufbau, sodass dieses für
     Dokumente oder Unleserlichkeit bedingt durch Abnut-
                                                                 eine Vielzahl an Anwendungsfällen genutzt werden
     zung des Papiers während des Prozessdurchlaufs
                                                                 kann.
     kommen. Die Strukturierung der Laufkarten und der
     Vorgang des Unterschreibens und Stempelns ist zudem         Der Prozessassistent, welcher durch den Werksarbei-
     sehr zeitaufwändig. Bei eventuellen Abweichungen            ter bei der Durchführung des Prozesses genutzt wird,
     während des Prozesses müssen diverse Dokumente              stellt die notwendigen Informationen, beispielsweise
     abgeändert und neu bearbeitet werden, was ebenfalls         aus Manuals, bereit und zeigt diese in der Anwendung
     eine erhebliche Zeitverzögerung nach sich zieht.            entsprechend sinnvoll an. Eine 3D-Ansicht kann den
                                                                 Arbeiter an dieser Stelle unterstützen.
     Konzeption des Prozesses ohne Datenbrüche
                                                                 Eine weitere Möglichkeit der Darstellung bietet die Ein-
     Mit der von der Firma Synergeticon entwickelten
                                                                 bindung von Mixed Reality durch Smart Glasses, die
     Lösung kann der Reparatur-Prozess von LTI digitali-
                                                                 in Versuchsaufbauten geplant wird. Der Werksarbeiter
     siert und mit umfassenden Assistenzsystemen unter-
                                                                 wird durch jeden einzelnen Arbeitsschritt geleitet, um
     stützt werden. Dazu erfolgt zunächst eine Analyse
                                                                 eine fehlerfreie und schnelle Durchführung des Arbeits-
     der IST-Situation und der analogen Dateneingabe,
                                                                 schrittes zu gewährleisten. Des Weiteren kann eine
     woraufhin Messtools, wie beispielsweise Messschie-
                                                                 schnelle Echtzeitsuche integriert werden, die es dem
     ber mit Bluetooth-Funktion, integriert werden können.
                                                                 Arbeiter ermöglicht, auf sämtliche Informationen zu dem
     Der Arbeiter erhält auf einem Tablet eine Visualisie-
                                                                 Arbeitsvorgang zuzugreifen. Mit entsprechenden Dash-
     rung der zu messenden Positionen in einem 3D-Modell
                                                                 boards kann eine Datenanalyse dargestellt und somit
     des Bauteils. Zusätzlich sind die bisher in der Lauf-
                                                                 eine vorausschauende Wartung ermöglicht werden.
     karte festgehaltenen Arbeitsschritte kurz und präzise
     beschrieben. Die Messdaten selber werden direkt an          Wie im Titelfoto dargestellt, werden bei der LTI
     das Tablet geschickt, dort verarbeitet und in der richti-   (smarte) Geräte, beispielsweise Messgeräte, industri-
     gen Weise weitergeleitet. Abbildung 3 zeigt schema-         elle Maschinen, Indoor-Navigationssysteme, Barcode-
     tisch den Aufbau des entwickelten Assistenzsystems.         Scanner, QR-Code-Erkennung und Laser-Scanner, mit
     Darin ist zu sehen, wie das System im Hintergrund           dem Prozessassistenten vernetzt. Dabei soll die Hard-
     aufgebaut ist und die einzelnen Komponenten mitein-         warekomponente keine Eigenentwicklung darstellen,
     ander verknüpft. Der Nutzer erhält Zugriff auf die          da industriereife Geräte auf dem Markt vorhanden
     Assistenzsysteme, die in diesem Fall die Geräte dar-        sind. Synergeticon lieferte für LTI die passende Soft-
     stellen, und auf das Frontend, das ihn durch den            warekomponente für die Anbindung dieser Messgeräte
Digitale Produktionsmittel im Einsatz                                                                            15

und erweitert diese, indem weitere Schnittstellen zu    Ergebnisse der Umsetzung und erreichte
Maschinen und Messwerkzeugen geschaffen werden.         Verbesserung
Im Bereich der Qualitätssicherung soll das Assistenz-   Durch die entwickelte Lösung haben Unternehmen die
system zukünftig automatisch Maße an Bauteilen          Möglichkeit ihre Fertigungs-, Qualitäts- und Wartungs-
erkennen können, was durch die Integration von          prozesse mit verringertem Aufwand in das Zeitalter der
Smart Glasses erreicht werden kann. Darin enthalten     Industrie 4.0 zu transferieren. Veränderungen in Pro-
ist eine automatisierte Analyse der Bauteilgeometrien   zessen können schnell und kostengünstig umgesetzt
mithilfe eines Laserscanners.                           werden. Dies wird durch den Einsatz einer standardi-
                                                        sierten Assistenzlösung möglich, die auf spezielle
Die Lösung stellt ein intuitives Assistenzsystem für
                                                        Branchenanforderungen zugeschnitten werden kann.
die Digitalisierung der obigen Prozesse dar, welches
von mittelständischen Unternehmen ohne speziali-        Das implementierte Assistenzsystem unterstützt den
siertes IT-Know-how genutzt werden kann. Darüber        Kunden durch Zeitersparnis in der Arbeitsvorberei-
hinaus steht Synergeticon im Anwendungsfall als         tung, sowie im Arbeitsprozess. Darüber hinaus kann
Dienstleister für die Prozessanalyse, die Implemen-     eine Fehlerprävention erreicht werden, die Spätfolgen
tierung und auch weiterführende Unterstützung zur       verhindert. Eine Reduktion von Papier ist in allen
Verfügung.                                              Bereichen eine direkte Konsequenz.

Schritte zum Assistenzsystem                            eingebundene Algorithmen und semantische
                                                        Modelle. Die softwaretechnischen Anwendungen
Die unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten           bilden somit den Kern der eigentlichen Assistenz.6
und Technologien zur Umsetzung der Unterstüt-           Erst durch diese Verarbeitung werden aus Daten
zungsfunktionen erfordern eine weitere Eingren-         die benötigten Informationen.7
zung und Kategorisierung der Assistenzsysteme.
Durch eine systematische Einordnung wird der            Stehen die erforderlichen Informationen bereit,
Thematik in der Industrie 4.0 eine methodische          müssen diese in einer dem Prozess und der
Struktur verliehen, die als Grundlage für weitere       Arbeitsumgebung angepassten Art dem Menschen
Analysen und Implementierung in der Praxis dient.       so zur Verfügung gestellt werden, dass die wich-
                                                        tigsten Informationen schnell und verständlich auf-
Notwendige Elemente von Assistenzsystemen               nehmbar sind. Zweckmäßig ist häufig eine mobile
                                                        Gestaltung der Informationsausgabe direkt beim
Primäre Aufgabe digitaler Assistenz ist die aufga-      Benutzer. Üblicherweise sind die Darstellungskom-
ben- und situationsrelevante Darbietung von Infor-      ponenten zur Informationsausgabe visuell gestal-
mationen, die fortlaufend in der vernetzten Produk-     tet, da der Mensch über diesen Kanal die meisten
tion anfallen. Dabei setzt sich ein Assistenzsystem     Informationen aufnehmen kann.8 Aber auch akusti-
aus mehreren Systemkomponenten zusammen,                sche und haptische Ausgaben können wichtige
die unterschiedliche Funktionen innehaben. Hier-        Optionen zur Ausgabe von Assistenzfunktionen
unter fallen die Datenerfassung, die Datenverarbei-     sein. Verfügen Assistenzsysteme über mehrere
tung, die Informationsausgabe, die manuelle Ein-        Ausgabekomponenten, so besitzen sie demnach
gabe sowie die Aktionsausführung.                       eine multimodale Informationsausgabe.

Für eine Bereitstellung von Informationen, die den      Weiterhin kann das Assistenzsystem als optionalen
Benutzer während eines Prozessschrittes unter-          Schritt den Mitarbeiter bei der Aktionsausführung
stützt, bedarf es einer Datenerfassung, die Auf-        physisch bzw. motorisch unterstützen oder der
trags- und Produktinformationen ermittelt, mittels      Bediener kann über manuelle Eingaben mit dem
Sensorik Objekte und Menschen identifiziert und         System interagieren. Neben der Steuerung im
lokalisiert oder aktuelle Betriebszustände erfasst.     Assistenzsystem kann der Mensch somit ebenfalls
Die erfassten Daten werden über verschiedene            zusätzliche Daten eingeben, Schritte quittieren oder
Kommunikationstechnologien übertragen und               weitere Informationen erhalten. Somit stellt sich die
anschließend zu Informationen verarbeitet. Unter        Interaktion aus Assistenzsystem und Bediener in
die Datenverarbeitung fällt die Aggregation,
                                                        6 Wölfle (2014).
Analyse und Interpretation der unterschiedlichen        7 Dengel (2012).
Informationsquellen durch softwaretechnisch             8 Zühlke (2012).
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