WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS - Digitale Produktionsmittel im Einsatz AUSGABE 9 - Mittelstand Digital
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Impressum Herausgeber/Redaktion: Begleitforschung Mittelstand-Digital WIK GmbH Rhöndorfer Straße 68 53604 Bad Honnef HRB: Amtsgericht Siegburg, 7225 Tel. +49 (0)2224-9225-0, Fax +49 (0) 2224-9225-68 E-Mail: mittelstand-digital@wik.org www.mittelstand-digital.de Verantwortlich: Dr. Franz Büllingen Redaktion: Peter Stamm Satz und Layout: Karin Wagner Urheberrechte: Namentlich gekennzeichnete Texte geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Für den Inhalt der Texte sind die jeweiligen Autorinnen und Autoren verantwortlich. Bildnachweis: Titel: science photo - fotolia Seite 5: Fraunhofer IPA Seite 11: LHT Intercoat / Niemann Seite 18/20/21: IPH gGmbH Seite 19: SCHUBS GmbH Seite 22: Fraunhofer IGCV Seite 25: (links) MAPAL Dr. Kress KG; (rechts) SCHUNK GmbH & Co. KG Seite 26: (links) MTU Aero Engines AG; (rechts oben) Deutsche Bahn AG / citim GmbH; (rechts unten) Deutsche Bahn AG / Oli- ver Lang Seite 28/29: Schubert & Salzer Feinguss Lobenstein GmbH Seite 33/36: Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU Seite 37: imk automotive GmbH Seite 39: Digital in NRW - Das Kompetenzzentrum für den Mittel- stand Seite 44/48/49: Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen Seite 51: Jürgen Rengel Seite 56-59: Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Kaiserslautern / A. Sell Seite 60: A. Decker Möbelwerke Stand: Dezember 2017 ISSN (Print) 2198-8544 ISSN (Online) 2198-9362
Digitale Produktionsmittel im Einsatz 1 Mittelstand-Digital WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS Digitale Produktionsmittel im Einsatz Editorial 3 Malte Volkwein, Andreas Bildstein Erkenntnisse aus der Studie „Digitalisierung im Mittelstand – Entscheidungsgrundlagen und Handlungsempfehlungen“ 5 Marcus Lewin, Markus Wallenborn, David Küstner, Daniel Erdelmeier, Alexander Fay Auf dem Weg zu innovativen Assistenzsystemen – Systematische Klassifizierung für die Praxis 11 Sarah Uttendorf, Michael Rehe Digitales Assistenzsystem unterstützt bei der Montage 18 Claudia Rosenkranz 3D-Drucktechnologien und ihre Geschäftsmodelle – Einsatz additiver Fertigungsverfahren 22 Constance Möhwald, Caroline Reinert Zeit sparen, flexibel sein – Der Einsatz von 3D-Druck im Feingussverfahren 28 Marian Süße, Dan Gläser Prozessübergreifende und effiziente Planung mit digitalen Modellen 33 Robert Joppen, Arno Kühn Auf dem Weg zur Digitalisierung im mittelständischen Schaltschrankbau – Ein praxiserprobter Leitfaden 39 Katrin Schilling, Werner Herfs, Markus Obdenbusch Augmented Reality – Nur eine Spielerei für das Wohnzimmer? 44 Eva Stüber Der Point of Sale wird digital 51 Fabienne Bosle Digitale Informationsflüsse bei apra-norm Elektromechanik GmbH 56 Arnd Ciprina, Janina Mücke, Christian Schwede Digitalisierung der Möbelmontage – Mit Smart Devices in Richtung Industrie 4.0 60 Übersichtskarte der Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren und -Agenturen 66 Glossar 67
Digitale Produktionsmittel im Einsatz 3 Editorial Die stark mittelständisch geprägte Produktionswirtschaft in Deutschland gründet ihre gute internationale Wettbewerbsfähigkeit seit jeher auf den Vorsprung durch Innovationen. Produkte Made in Germany zeich- nen sich im Allgemeinen durch hohe Qualitätsstandards sowie innovative Technik aus. Doch auch die zur Herstellung dieser Produkte eingesetzten Produktionsmittel durchlaufen kontinuierliche Innovationszyklen, um diese Qualität zu vertretbaren Kosten realisieren zu können. Eine zunehmende Automation und immer schlankere Produktionsprozesse beschreiben den seit Jahrzehnten verfolgten Innovationspfad der „lean production“. Mit der Digitalisierung sind neue Faktoren hinzugekommen, die für absehbare Zeit das Innovationsge- schehen der Produktionsmittel dominieren werden. Hauptmotiv ist nun nicht mehr die Kosteneinsparung, auch wenn das im internationalen Wettbewerb immer von hoher Bedeutung ist, sondern die größere Flexibilität, schnelleres Tempo, höhere Transparenz und vor allem die wesentlich stärkere Orientierung an immer differenzierteren Kundenbedürfnissen. Den Unternehmen eröffnet die Digitalisierung vielfältige Chancen, angefangen von besseren Leistungsversprechen bis hin zu gänzlich neuen Kundenbeziehungen und digitalen Geschäftsmodellen. Wenn mit Sensoren ausgestattete und vernetzte Maschinen mit ihrer nahen und fernen Umwelt kommuni- zieren, wenn Produktions- und Wartungsdaten in Echtzeit verfügbar sind oder wenn Fertigungsprozesse dezentral gesteuert werden können, eröffnet dies breite Spielräume für flexiblere und an kurzfristigen Erfordernissen orientierte Produktionsprozesse. Selbst komplexe und kundenindividuelle Ausführungen („Losgröße 1“) können über digitale Produktionssteuerungen effizient und rentabel gefertigt werden. Angesichts der nahezu endlosen neuen Möglichkeiten, die Produktion mit digitalen Technologien zu ver- ändern, stellen sich für einen mittelständischen Unternehmer die Fragen: Womit fange ich sinnvollerweise an? Welche Digitalisierungsinvestition bringt mir den höchsten Ertrag und wie könnte das Change Manage- ment, also der Digitalisierungsfahrplan für meine Produktionseinrichtungen aussehen? In dieser Ausgabe des Magazins WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS werden ausgewählte, innovative digitale Produktionsmittel vorgestellt und Beispiele für deren erfolgreichen Einsatz in konkreten Praxis- unternehmen geliefert. Die Beispiele stammen aus den Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren, wo Ansprech- partner für weitergehende Informationen zu finden sind. In diesen Kompetenzzentren besteht auch für eine gewisse Anzahl von Unternehmen die Möglichkeit, sich im Rahmen von Umsetzungsprojekten einen individuellen Digitalisierungsfahrplan ausarbeiten zu lassen und künftig mit den gemachten Erfahrungen als Digitalisierungsbeispiel für andere zu fungieren. Dass eine Digitalisierungsmaßnahme nicht in jedem Unternehmen zum gleichen Erfolg führt, ist angesichts heterogener Ausgangslagen und Marktpositionen nicht verwunderlich. Im ersten Beitrag dieser Ausgabe analysieren Malte Volkwein und Andreas Bildstein den digitalen Autonomiegrad eines Unternehmens, um darauf aufbauend vier Strategieklassen vorzustellen. Je nach Strategieklasse werden konkrete Handlungs- empfehlungen für unterschiedliche Digitalisierungsinvestitionen gegeben. Empirisch abgesichert wurden diese Empfehlungen durch Potenzialanalysen bei zwölf Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg. Damit reißt dieser Eingangsbeitrag bereits die Themen Assistenzsysteme, 3D-Druck, digitales Abbild der Fabrik und Digitaler Zwilling von Produkten, digitale Planungswerkzeuge sowie digitale Informationsflüsse in der Lieferkette an, die in den folgenden Beiträgen dieses Heftes näher beleuchtet werden.
4 Mittelstand-Digital WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS | Ausgabe 9 Marcus Lewin, Markus Wallenborn, David Küstner, Daniel Erdelmeier und Prof. Dr.-Ing. Alexander Fay vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Hamburg geben in ihrem Artikel einen Überblick über digitale Assistenzsysteme und erläutern deren Vorteile anhand eines Praxisbeispiels aus der Instandhaltung von Flugzeugen. Sarah Uttendorf und Dr. Michael Rehe stellen einen Demonstrator eines digitalen Assistenzsystems des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Hannover vor, mit dessen Hilfe auch ungelernte Arbeiter sowie Men- schen mit Behinderungen in der Montage von elektrischen Schaltschränken eingesetzt werden können. Die nächsten beiden Beiträge befassen sich mit additiven Fertigungsverfahren, meist 3D-Druck genannt. Claudia Rosenkranz vom Fraunhofer IGCV gibt einen Überblick, für welche Geschäftsmodelle 3D-Druck- verfahren einen substanziellen Mehrwert liefern. Sie untermauert ihre Erkenntnisse mit vier knapp darge- stellten Praxisbeispielen. Constance Möhwald und Caroline Reinert vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Ilmenau geben ein anschauliches Beispiel, wie auch eine mittelständische Feingießerei mit langer Tradition ihre Prozesskette durch den Einsatz von 3D-Druck modernisieren und die Fertigung hierdurch flexibilisieren kann. Marian Süße und Dan Gläser vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Chemnitz führen in ihrem Beitrag in digitale Werkzeuge für die Fabrikplanung ein und skizzieren anhand von zwei praktischen Beispielen deren Vorteilhaftigkeit. Bei der industriellen Herstellung hochindividueller Produkte kommen häufig digitale Modelle, sog. „Digitale Zwillinge“ zum Einsatz. Robert Joppen und Dr.-Ing. Arno Kühn vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Dortmund zeigen am Beispiel des Schaltschrankbaus, wie diese Digitalen Zwillinge über den gesamten Auftragsabwicklungsprozess als zentrales Informations-, Kommunikations- und Arbeitsmedium eingesetzt werden können und hierbei Transparenz schaffen, Durchlaufzeiten beschleunigen und Kosten einsparen. Katrin Schilling, Dr.-Ing. Werner Herfs und Markus Obdenbusch, ebenfalls vom Mittelstand 4.0-Kompe- tenzzentrum Dortmund, bieten in ihrem Beitrag einen Blick auf den Stand des Einsatzes von Augmented Reality in der Produktion. Sie geben hierbei einen Überblick über technische Ansätze sowie konkrete Anwendungsbeispiele. Einen Exkurs in den Einzelhandel unternimmt Dr. Eva Stüber aus der Mittelstand 4.0-Agentur Handel mit ihrem Überblick über digitale Technologien am Point of Sale, also im stationären Ladengeschäft. Fabienne Bosle vom Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Kaiserslautern zeichnet den digitalen Transfor- mationsprozess bei einem mittelständischen Hersteller von Gehäuse- und Schranktechnik nach. In ihrem Beispiel betont sie vor allem die positive Einstellung der Geschäftsführung und aller Mitarbeiter gegenüber dem Thema Industrie 4.0 als erfolgsentscheidenden Faktor. Den Abschluss dieser Ausgabe bildet ein Praxisbeispiel aus der Möbelproduktion. Arnd Ciprina, Janina Mücke und Dr.-Ing. Christian Schwede zeigen, wie durch ein Transferprojekt des Mittelstand 4.0-Kompe- tenzzentrums Dortmund der gesamte Produktionsprozess eines Möbelunternehmens digitalisiert und damit zukunftsfähig aufgestellt wurde. Mit diesen punktuellen Einblicken in den Einsatz von digitalen Produktionsmitteln in kleinen und mittleren Unternehmen sollen Unternehmern Anstöße gegeben werden, sich weitergehend mit digitalen Innovations- prozessen zu befassen. Idealerweise bieten sie Anregungen für einen Einsatz im eigenen Betrieb. Tiefer- gehende Informationen sind bei den in ganz Deutschland und sicher auch in Ihrer Region anzutreffenden Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren verfügbar. Peter Stamm Begleitforschung Mittelstand-Digital
Digitale Produktionsmittel im Einsatz 5 Malte Volkwein, Andreas Bildstein Erkenntnisse aus der Studie „Digitalisierung im Mittelstand – Entscheidungsgrundlagen und Handlungsempfehlungen“ Durch ihre hohe Auslandsorientierung, die feste Kleine und mittelständische Unternehmen zeichnen Einbindung in internationale Produktionsnetzwerke sich durch eine langfristige Orientierung und hohe und eine starke Innovationskraft haben kleine und Identifizierung mit den Produkten aus. Die begrenz- mittelständische Unternehmen (KMU) der Metall- ten Ressourcen der KMU resultieren jedoch häufig und Elektroindustrie in Deutschland eine starke in langsamen Veränderungsprozessen und geringer Wettbewerbsposition. Obwohl sie über einen über- Flexibilität bei Marktschwankungen.4 Im Gegensatz durchschnittlichen Automatisierungs- und Digitali- zu großen Unternehmen und Konzernen, welche die sierungsgrad verfügen,1 zählt ein Großteil der KMU Digitalisierung als Vorreiter aktiv vorantreiben, ist im noch zu den „Digitalisierungsneulingen“.2 Die Digi- Mittelstand eine abwartende Haltung festzustellen. talisierung bedeutet für den Mittelstand daher Unsichere Prognosen zum Erfolg einzelner Umset- sowohl Chance als auch Herausforderung. Sie zungsmaßnahmen und ein Mangel an pragmati- ermöglicht eine intensive Vernetzung mit neuen schen Handlungsempfehlungen verstärken diese Märkten und Kunden, gleichzeitig nehmen aber Zurückhaltung bei der Digitalisierung der Wertschöp- Komplexität und Volatilität erheblich zu.3 fungsprozesse. Sinkende Produktivitätszuwächse 1 Vgl. Bähr et al. (2016). 2 Vgl. Lichtblau et al. (2015). 3 Vgl. Müller et al. (2016). 4 Vgl. Bischoff et al. (2015).
6 Mittelstand-Digital WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS | Ausgabe 9 indizieren jedoch einen konkreten Handlungsbedarf Kunden die Entscheidungen trifft. Für diese Gene- auch kleinerer Unternehmen beim Thema Digitali- ration sind digitalisierte Lösungen selbstverständ- sierung. Um die aktuell gute Wettbewerbsposition lich“. Die Wichtigkeit der Digitalisierung für die langfristig stärken zu können, ist eine systemati- Unternehmen zeigt sich auch in der Tatsache, dass sche Analyse der Digitalisierungspotenziale kleiner die Verantwortung für die bereits angestoßenen und mittlerer Unternehmen erforderlich. Digitalisierungsaktivitäten zum Großteil auf der höchsten Unternehmensebene des Vorstands liegt. Zur Untersuchung der Digitalisierungspotenziale bei KMU hat das Fraunhofer IPA in Kooperation These: Integraler Bestandteil einer erfolgreichen mit Südwestmetall, dem Verband der Metall- und Digitalisierungsstrategie ist ein konsistentes Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V., eine Controlling der Digitalisierungsaktivitäten. wissenschaftliche Studie durchgeführt. Dazu wurden Potenzialanalysen in zwölf ausgewählten Im Bereich des Controllings der Digitalisierungsak- Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in tivitäten beschränken sich die Unternehmen bisher Baden-Württemberg durchgeführt. Die ausgewähl- überwiegend auf Projektbudgets und Controlling- ten Unternehmen repräsentieren verschiedene Gespräche. Indikator- und Benchmark-basierte Größenklassen von etwa 100 bis 5.000 Mitarbeitern, Steuerungsansätze wurden bislang bei keinem der unterschiedliche Branchen und Geschäftsmodelle. betrachteten Unternehmen umgesetzt, obwohl Inhaltlich wurden vier Themengebiete betrachtet: davon ein großes Entwicklungspotenzial ausgeht.5 Grundlage für das Digitalisierungscontrolling ist die 1. Strategische und organisationale Vorausset- Formulierung einer Digitalisierungsstrategie. Dies zungen („Digitalisierungsstrategie“) wird durch die Aussagen der untersuchten Unter- nehmen unterstrichen: „Bislang sind die Ziele der 2. Digitalisierung der Wertschöpfung Digitalisierung noch nicht definiert. Aus diesem („Smart Production“) Grund wurden noch keine Digitalisierungskennzah- len erhoben“. Als Handlungsempfehlung lässt sich 3. Digitalisierung der Produkte und Ableitung daher ableiten, dass zunächst eine Gesamtunter- digitaler Geschäftsmodelle („Smart Product“) nehmensstrategie zu entwickeln ist. Im Anschluss sollten mögliche technologische Entwicklungspfade 4. Prozesseffizienz („Lean Management“) analysiert und ein ganzheitliches Controlling-Sys- tem zur Steuerung der Digitalisierungsaktivitäten Die beiden Hauptziele der Studie waren eine Ein- implementiert werden. ordnung des aktuellen Umsetzungsstandes der Digitalisierung von kleinen und mittelständischen These: IT-orientiertes Change Management Unternehmen sowie die Ableitung konkreter, unter- muss einen individuellen und problemorientier- nehmensspezifischer Handlungsempfehlungen. ten Wissensmanagementansatz unterstützen, Die Ergebnisse der Studie wurden in Form von um optimal umgesetzt werden zu können. Thesen zusammengefasst und setzen die Aus- gangsbasis zur weiteren wissenschaftlichen Veränderungsprozesse stellen den eigentlichen Begleitung der Digitalisierung des Mittelstands. Kern wirtschaftlichen Handelns dar.6 Die Veranke- rung eines digitalen Change Managements in der Unternehmensstrategie ist daher ein wichtiger Fak- Organisationale Voraussetzungen für die tor für den Wandlungserfolg.7 In der Studie wurde Digitalisierung die Verknüpfung von Humanressourcen und der durch die Digitalisierung veränderten Rahmenbe- These: Die Digitalisierungsstrategie ist inner- dingungen in den Unternehmen untersucht. Dazu halb der strategischen Führung produzierender zählt vor allem die systematische Vorbereitung der Unternehmen zukünftig das wichtigste Thema. Mitarbeiter auf den zukünftig erhöhten Grad an Digi- talisierung und eine Veränderung der Ausbildungs- Trotz der grundsätzlich abwartenden Haltung in strategie. Bei der Implementierung von problemori- Bezug auf die Digitalisierung wird deren Relevanz entierten Wissensmanagementansätzen ergeben für den zukünftigen Unternehmenserfolg von den sich darüber hinaus große Potenziale, das Wissen betrachteten Unternehmen überwiegend als sehr einzelner Mitarbeiter in digitaler Weise zentral zu hoch eingeschätzt. Diese Einschätzung wird auf dokumentieren und bedarfsgerecht bereitzustellen. allen Ebenen der Unternehmen gleichermaßen 5 Vgl. Schönbohm und Egle (2017). unterstrichen: „Wir müssen heute schon an die 6 Vgl. Lesmeister et al. (2011). Generation denken, die in zehn Jahren bei unseren 7 Vgl. Pescher (2010).
Digitale Produktionsmittel im Einsatz 7 These: Lean Management ist eine Grund- voraussetzung, um den derzeitigen digitalen Wandel erfolgreich gestalten zu können. Digitales Potenzial der Produkte Zentraler Ansatz des Lean Managements ist die Fokussierung auf den Kunden mit seinen Wün- schen und Anforderungen8 und die verschwen- dungsfreie Produktion von Gütern und Dienstleis- tungen.9 Da die Strukturen des Lean Managements die Basis für eine erfolgreiche digitale Vernetzung bilden,10 wurde der Lean Management-Reifegrad der Unternehmen untersucht. Während die meis- ten untersuchten Unternehmen eine ausgereifte Umsetzung des Lean Management-Ansatzes in den direkten Bereichen aufweisen können, beste- hen noch Potenziale in der Erweiterung auf die indirekten Bereiche. Dies erfordert einen Perspek- tivenwechsel: neben den externen Kunden sind Endkundennähe auch unternehmensinterne Abteilungen im Sinne eines internen Kunden zu fokussieren. Ein ganz- Abbildung 1: Bestimmung des digitalen Autonomiegrades.12 heitlicher Lean Management-Ansatz muss daher neben den Produktionsprozessen insbesondere auch die Abläufe der indirekten Bereiche umfas- sen, um sein komplettes Potenzial entfalten zu Aus der Einschätzung des individuellen digitalen können. Autonomiegrades folgt eine direkte Einordnung des Unternehmens in eine von vier Strategieklassen. Abbildung 2 zeigt die Verteilung der vier Strategie- Bestimmung des digitalen Autonomiegrades klassen in Abhängigkeit der Endkundennähe und zur Ableitung strategischer Handlungsfelder des digitalen Produktpotenzials. Aufgrund von begrenzten Ressourcen besteht für KMU die Notwendigkeit, bei der Digitalisierung auf einzelne Handlungsfelder zu fokussieren. Der digitale Autonomiegrad eines Unternehmens bietet 3 Digitales Potenzial der Produkte hierbei eine Entscheidungsgrundlage, welche Digi- talisierungsmaßnahmen für verschiedene Unter- 4 nehmenstypen jeweils zum potenziell größten Erfolg führen.11 2 Der digitale Autonomiegrad eines Unternehmens beschreibt die Kombination aus dessen Endkunden- nähe und dem digitalen Potenzial des Produktport- folios. Die Endkundennähe lässt sich direkt aus der Positionierung innerhalb der Supply Chain als 1 Markenanbieter (Original Equipment Manufacturer – OEM) oder Zulieferer ableiten. Das digitale Potenzial der Produkte beschreibt die Kombination aus dem technologischen Digitalisierungspotenzial und dessen Vermarktungsfähigkeit. Abbildung 1 verdeutlicht, dass der digitale Autonomiegrad eines Endkundennähe Unternehmens mit steigender Endkundennähe und Abbildung 2: Strategieklassen auf Basis des digitalen steigendem digitalen Produktpotenzial zunimmt. Autonomiegrades.13 8 Vgl. Erlach (2010). 9 Vgl. Womack et al. (1990). 10 Vgl. Bergman et al. (1999). 12 Vgl. ebd. 11 Vgl. Schöllhammer et al (2017). 13 Vgl. ebd.
8 Mittelstand-Digital WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS | Ausgabe 9 Die vier Strategieklassen implizieren jeweils ver- Handlungsempfehlung: Je geringer der digitale schiedene strategische Handlungsempfehlungen Autonomiegrad eines Produktionsunterneh- für die Unternehmen: mens, desto notwendiger werden Investitionen in ein feingranulares digitales Abbild der 1. Qualität und Effizienz in der Produktion Produktion als Grundlage der Unternehmens- führung. Unternehmen dieser Strategieklasse sollten den Fokus der Digitalisierung auf eine Steigerung Das digitale Abbild der Fabrik basiert auf der der Effizienz und der Qualität in der Produktion durchgängigen Bereitstellung produktionsrelevan- legen. Ziel ist es, die Wettbewerbsposition durch ter Daten und Informationen. Die Situation in den die Fertigung qualitativ hochwertiger Produkte an der Studie beteiligten Unternehmen wurde auf zu einem möglichst niedrigen Preis zu stärken. zwei Ebenen betrachtet: der Verknüpfung von Pro- Aufgrund des geringen digitalen Produktpoten- duktion und Entwicklung sowie der Digitalisierung zials ist die Entwicklung digitaler Zusatzservices, der Maschinenzustände. Bisher zeigen sich die beispielsweise auf Basis einer Produktdatennut- Unternehmen zurückhaltend in der Umsetzung zung, praktisch ausgeschlossen. einer automatisierten Produktionsdatenanalyse, nur von wenigen wurde der Mehrwert erkannt: 2. Lieferketten-Kooperation „Qualitätsmessdaten aus dem Prüffeld werden automatisiert an die Entwicklung weitergeleitet und Aufgrund des fehlenden Endkundenzuganges dort ausgewertet. Die Erfahrung hat gezeigt, dass der Unternehmen in dieser Strategieklasse lässt die Entwicklung neuer Produktlinien damit verbes- sich das vorhandene digitale Potenzial der Pro- sert werden konnte“. Insbesondere in routineba- dukte nur dann nutzen, wenn eine umfassende sierten Produktionen ist das digitale Abbild jedoch technologische und prozessuale Kooperation unerlässlich. Speziell für Unternehmen dieses Typs mit dem jeweiligen Hersteller des Endprodukts wird die Implementierung eines digitalen Abbildes erfolgt. Ein Zulieferer kann hierbei seine strate- der Fabrik daher empfohlen. gische Rolle als Know-how-Träger stärken. Handlungsempfehlung: Unternehmen mit einem 3. Lieferketten-Repositionierung geringen digitalen Autonomiegrad profitieren von klassischen Lieferkettenkooperationen, Unternehmen dieser Strategieklasse, die bislang während ein hoher digitaler Autonomiegrad das als Zulieferer auftreten, sollten eine Repositio- Potenzialfeld plattformbasierter Ökosysteme nierung als Markenanbieter (OEM) erörtern. Das eröffnet. sehr hohe digitale Potenzial der Produkte und die entsprechend umfassenden Möglichkeiten Kooperationen entlang der Lieferkette können die zum Anbieten digitaler Zusatzservices sind nur Prozesseffektivität steigern, sowohl bei der Orien- dann in vollem Umfang nutzbar, wenn das tierung zum Kunden als auch zu den Zulieferern.14 Unternehmen über einen direkten Endkunden- Bei den betrachteten Unternehmen geschieht die zugang verfügt. Kooperation überwiegend über Regeltermine, nur vereinzelt werden digitale Lösungen umgesetzt. 4. Kundennutzen Jedoch wird die Relevanz von den Unternehmen erkannt: „Wir decken bereits heute einen Großteil Aufgrund des bereits vorhandenen Zugangs unseres Beschaffungsvolumens automatisch über zum Endkunden und dem gleichzeitig hohen Online-Plattformen ab. Zukünftig werden wir nur Digitalisierungspotenzial der Produkte sollten noch mit Lieferanten zusammenarbeiten, die diese sich Unternehmen dieser Strategieklasse vor Art der Vernetzung unterstützen“. Der konsequente allem auf die Entwicklung und Vermarktung Ausbau solcher Plattformen, zum Beispiel zur digitaler Services fokussieren. Zusätzlich zum automatischen Beschaffung von Produkten, ist vor Verkauf des physischen Produkts besitzt die allem für Unternehmen mit hohem digitalen Auto- Etablierung digitaler Ertragsmodelle ein sehr nomiegrad von großer Bedeutung. hohes Umsatzpotenzial. Handlungsempfehlung: Je niedriger der digitale Über die Identifizierung einer unternehmensindividu- Autonomiegrad, desto notwendiger werden ellen Strategieklasse hinaus lassen sich in Abhän- Investitionen in eine automatisierte Material- gigkeit des digitalen Autonomiegrades verschiedene wirtschaft. operative Handlungsempfehlungen ableiten, die im Folgenden beispielhaft vorgestellt werden: 14 Vgl. Oliveira et al (2010).
Digitale Produktionsmittel im Einsatz 9 Ein weiterer Fokus der Studie liegt auf der Beur- Devices, wie z.B. Tablet-Computer, bedarfsgerecht teilung von Automatisierungslösungen in den auf Prozesskontexte zugreifen und somit die Pro- Bereichen Bestellvorgang, Warenannahme und zessqualität verbessern. Kommissionierprozess. Digitale Lösungen werden hier bislang nur in geringem Maße eingesetzt, zum Handlungsempfehlung: Je kürzer die Produkt- Beispiel in Form von Scanner-Systemen. Keines lebenszyklen und je vielfältiger das Varianten- der untersuchten Unternehmen hat eine automati- spektrum, desto größer sind die Effizienzvor- sierte Lösung implementiert. Basierend auf dem teile einer 3D-Drucktechnologie gegenüber realen Materialverbrauch, der Steuerfähigkeit der herkömmlichen Prototypenverfahren. Materialien und der Anschlussfähigkeit von Behäl- tersystemen an das vorhandene ERP-System Auf Basis der Unternehmensdiskussionen kann kon- sollte daher eine unternehmensindividuelle Poten- statiert werden, dass sich der 3D-Druck langsam zialanalyse für die Einführung einer vollautomati- aber kontinuierlich in den Fabriken als alternativer sierten Lösung in der Materialwirtschaft durchge- Standard zu herkömmlichen Techniken etabliert. führt werden. Insbesondere die gestalterischen Freiheitsgrade sowie deren Flexibilität werden als Vorteile aner- Handlungsempfehlung: Je höher der digitale kannt. Allerdings stehen einer schnelleren und Autonomiegrad eines Unternehmens, desto durchgängigen Etablierung der 3D-Drucktechnologie höher ist das Potenzial für Umsatzgenerierung auch noch prozesstechnische Bedenken entgegen: aus datenbasierten Zusatzleistungen, bei- „Aktuell verfügbare 3D-Drucker erfüllen noch nicht spielsweise für Predictive Maintenance oder unsere Anforderungen an die Beständigkeit und die Predictive Failure-Dienste. Kombination verschiedener Materialien. Wir beob- achten den Markt allerdings sehr intensiv, weil Als Anbieter von intelligenten Produkten bietet 3D-Druck neben dem Prototypenbau auch für eine sich ein großes Potenzial an digitalen Geschäfts- dezentrale Ersatzteilversorgung interessant ist.“ modellen und somit der Umsatzgenerierung durch Zusatzleistungen. Dieses Potenzial wird nur bei einem kleinen Teil der Unternehmen umgesetzt, Zusammenfassung dabei wirken insbesondere die Implementierungs- komplexität und die unklare Ergebniswirksamkeit Die Studie „Digitalisierung im Mittelstand – Ent- hemmend. Darüber hinaus lässt sich nicht jedes scheidungsgrundlagen und Handlungsempfeh- Produkt sinnvoll mit Sensoren ausstatten. Unter- lungen“ hat ergeben, dass kleine und mittlere nehmen mit einem hohen digitalen Autonomiegrad Unternehmen sehr genau den Technologiemarkt sollten dieses Potenzial jedoch umfassend nutzen. beobachten und prüfen, welche digitalen Produk- tionstechnologien ihnen hilfreich sein können. Aller- Handlungsempfehlung: Je spezifischer das dings schrecken diese Unternehmen vor einem digitale Abbild der Produktion ausgearbeitet Einsatz häufig noch zurück, wenn die am Markt ist, desto größer ist der Nutzen für die Planung, angebotenen Lösungen nicht etabliert sind, grö- Steuerung und Optimierung der Produktion. ßere Hemmnisse bei der Einführung im eigenen Unternehmen befürchtet werden oder der mone- Die Voraussetzungen für die Kommunikations- täre Nutzen im Vorhinein nicht quantifizierbar ist. fähigkeit von Maschinen in der Werkshalle, die als Grundlage für eine vorausschauende Produktions- Die bisher im Mittelstand durchgeführten Projekte datengenerierung dient, sind aktuell bereits in der zur Digitalisierung der Wertschöpfungskette betref- überwiegenden Anzahl der analysierten Unterneh- fen insbesondere die Produktion selbst. Hier ste- men technologisch implementiert. Um ein sukzes- hen vor allem unterstützende Prozesse im Fokus. sives Nachrüsten zusätzlicher Maschinen und Viele Unternehmen haben das digitale Abbild der Anlagen mit entsprechender Sensortechnologie zu Logistikprozesse bereits sehr weit umgesetzt, unterstützen, bietet sich die Strategie des Retrofit- während der Einsatz von digitalen Produktions- tings an. Auf diese Weise können Schritt für Schritt abbildungen im Vergleich noch hinterherhinkt. In weitere Maschinen an die Produktionsplanung und den Unternehmen ist allerdings der Bedarf für die -steuerung angeschlossen werden. Die Vorteile Umsetzung des digitalen Produktionsabbildes eines digitalen Fabrikmodelles für Mitarbeiter und durchaus erkannt. Auftrags- und Konstruktionsdaten Management zeigen sich bspw. durch die analyti- werden mehrheitlich noch in Papierform bereitge- schen Potenziale, die vor Ort auf mobilen Geräten stellt, jedoch ist die „Papierlose Fertigung“ eine ihre Wirkung entfalten können. So können bei- weit verbreitete und auch formulierte Vision, die es spielsweise Arbeiter in der Produktion über Smart in nächster Zeit umzusetzen gilt.
10 Mittelstand-Digital WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS | Ausgabe 9 Literatur Bähr, C., Bahrke, M., Bertenrath, R., Buchweitz, C., Schönbohm, A. und Egle, U. (2017): Controlling der Fritsch, M., Lang, T., Lichtblau, K. und Millack, A. digitalen Transformation, in: Schallmo, D., Rusnjak, (2016): Dritter Strukturbereicht für die M+E-Industrie A., Anzengruber, J., Werani, T. und Jünger, M. (Hrsg.), in Deutschland: Mit den Schwerpunkten „Produktivität Digitale Transformation von Geschäftsmodellen: in der deutschen M+E-Industrie” und „Entwicklung und Grundlagen, Instrumente und Best Practices, Springer Verteilung der globalen Industriebeschäftigung”. Köln/ Fachmedien, Wiesbaden, S. 213–236 Berlin Womack, J.P., Jones, D.T. und Roos, T. (1990): The Bergman, E.M., Feser, E.J. und Kaufmann, A. (1999): machine that changed the world: Based on the Lean production systems in regions: Conceptual and Massachusetts Institute of Technology 5-million-Dollar measurement requirements, The Annals of Regional 5-year study on the future of the automobile, Scribner, Science, Vol. 33 No. 4, S. 389–423 New York Bischoff, J., Taphorn, C., Wolter, D., Braun, N., Fellbaum, M., Goloverov, A., Ludwig, S., Hegmanns, T., Prasse, C., Henke, M., Hompel, M., Döbbeler, F., Fuss, E., Kirsch, C., Mättig, B., Braun, S., Guth, M., Kaspers, M. und Scheffler, D. (2015): Erschließen der Potenziale der Anwendung von ,Industrie 4.0‘ im Mittelstand, Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Autoren Wirtschaft und Energie (BMWi), Mühlheim an der Ruhr Erlach, K. (2010): Wertstromdesign: Der Weg zur Malte Volkwein ist wissenschaftlicher schlanken Fabrik, VDI-Buch, Springer-Verlag Berlin Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Heidelberg Produktionstechnik und Automatisie- Lesmeister, F., Spindelndreier, D. und Zinser, M. (2011): rung IPA. Seine Forschungsschwer- The High-Performance Manufacturing Organization, punkte sind die Digitalisierung von Unternehmensstudie BCG Produktion und Administration sowie die Entwicklung von Digitalisierungs- Lichtblau, K., Stich, V., Bertenrath, R., Blum, M., Bleider, strategien für kleine und mittelständi- M., Millack, A., Schmitt, K., Schmitz, E. und Schröter, sche Unternehmen. Durch zahlreiche Projekte konnte M. (2015): Industrie 4.0 Readiness: Impuls. Aachen/ er bereits umfangreiche Erfahrungen in der Implemen- Köln tierung von Digitalisierungslösungen und in der strate- Müller, F.G., Bressner, M., Görzig, D. und Röber, T. gischen Beratung von Unternehmen erlangen. (2016): Industrie 4.0 Entwicklungsfelder für den Mittelstand: aktuelle Hemmnisse und konkrete Andreas Bildstein leitet am Fraun- Bedarfe. Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik hofer IPA im Kompetenzzentrum DigI- und Automatisierung IPA, Stuttgart Tools für die Produktion die Gruppe Oliveira, M. de, McCormack, K., Ladeira, M.B., Trkman, IT-Anwendungen und Services für P. und Van Den Bergh, J. (2011): Supply chain die Produktion und forscht unter process collaboration and internet utilization:. An anderem an dynamischen Produk- international perspective of business to business tionsnetzwerken, Cloud-unterstützter relationships, in: Economic and Business Review, Vol. Produktion, Industrie 4.0 und der sog. 13 No. 4, S. 203–226 „smart production“ mittels cyber-physischer Systeme. Ein besonderer Schwerpunkt seiner Forschungsaktivi- Pescher, J. (2010): Change Management: Taxonomie täten liegt dabei auf der Digitalisierung und Vernetzung und Erfolgsauswirkungen, Dissertation, Gabler, der Produktion und produktionsnaher Prozesse auf Wiesbaden Basis von Informationstechnologien und Konzepten Schöllhammer, O., Volkwein, M., Kuch, B., Hesping, S. aus dem Bereich des Internet der Dinge (IoT). Im Mit- (2017): Digitalisierung im Mittelstand – Entscheidungs- telstand 4.0-Kompetenzentrum Stuttgart ist Andreas grundlagen und Handlungsempfehlungen, Fraunhofer Bildstein Leiter des Themenfeldes Produktion und Institut für Produktionstechnik und Automatisierung damit Ansprechpartner für kleine und mittelständische IPA, Stuttgart Unternehmen aus dem Produktionsumfeld.
Digitale Produktionsmittel im Einsatz 11 Marcus Lewin, Markus Wallenborn, David Küstner, Daniel Erdelmeier, Alexander Fay Auf dem Weg zu innovativen Assistenzsystemen – Systematische Klassifizierung für die Praxis Einleitung und Motivation Im Rahmen der Entwicklungen im Umfeld von Erfahrung in der Komponentenreparatur, werden in Industrie 4.0 kommen dem Menschen die Aufgaben diesem Beitrag Assistenzsysteme und deren Chan- des Entscheiders und Problemlösers zuteil, er wird cen vorgestellt. Als Basis werden aktuelle Heraus- zum Dirigenten der Wertschöpfung.1 Dabei sollte forderungen in der Auftragsplanung/-organisation, in eine Unterstützung durch digitale Assistenzsys- den Instandhaltungsprozessen, im Dokumentenma- teme bereitgestellt werden, die über multimodale, nagement sowie in der Dokumentation beschrieben. bedienungsfreundliche Benutzerschnittstellen den Anschließend wird das implementierte Assistenz- Menschen in ein sozio-technisches System der system vorgestellt, das intelligent und individuell die Industrie 4.0 integrieren. Die vielfältigen techni- Mitarbeiter bei verschiedenen Aufgaben unterstützt. schen Lösungen zur Umsetzung der Assistenzfunk- Hierbei werden die Vorteile und Mehrwerte für die tionen reichen von Tablets über Headsets bis hin Mitarbeiter im Einzelnen und für das Anwenderunter- zu Augmented Reality (AR)-basierten Datenbrillen, nehmen aufgeführt. Zur Unterstützung interessierter überfordern den Erstanwender jedoch oftmals. Unternehmen werden Assistenzsysteme und deren Kompetenzen strukturiert aufgeführt. Insbesondere für kleine und mittelständische Unter- nehmen, die einen Einstieg in die Thematik der Industrie 4.0 suchen, stellt sich die Frage, welche Überblick über Assistenzsysteme Assistenzsysteme für ihre Anwendungsfälle und Rahmenbedingungen passend sind. Anhand eines Ein Assistenzsystem im Rahmen der Industrie 4.0 Praxisbeispiels bei der Lufthansa Technik Intercoat ist eine Verbindung von vorzugsweise mobil gestal- GmbH (LTI), einem Luftfahrtinstandhaltungsbetrieb teten (informations-) technischen Systemkompo- in Kaltenkirchen mit 35 Angestellten und 30 Jahren nenten mit dem Ziel, den Benutzer bei der Erfüllung 1 VDI (2015). seiner Aufgabe in informativer, kognitiver oder
12 Mittelstand-Digital WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS | Ausgabe 9 physischer Art zu unterstützen. Ziel von Assistenz- zur Entscheidungsunterstützung bei, sie können systemen ist es hierbei, dem Beschäftigten mög- Handlungsanweisungen in unübersichtlichen, unge- lichst einfach und schnell, jederzeit und überall die wohnten Situationen vermitteln und anschließend Informationen zur Verfügung zu stellen, die er über regelbasierte Lernmodelle weiteres Wissen gerade benötigt. In diesem Bereich sind ebenfalls generieren. Solche Systeme können beispielsweise Technologien relevant, welche die Menschen bei der für Produktionsplanung und -steuerung oder vor- Ausführung ihrer Arbeit unterstützen und ihnen beugende Instandhaltungsaufgaben genutzt werden. ermöglichen, sich auf ihre Kernkompetenzen zu kon- Dazu befähigt wird kognitive Unterstützung durch zentrieren. Dies sind insbesondere Technologien zur umfassende Informationen aus Daten, die von ver- Informationsbereitstellung, wie beispielsweise Visua- schiedenen Sensoren erzeugt werden bzw. von lisierungssysteme, mobile Endgeräte, Tablets und Datenbanken bereitgestellt werden. Datenbrillen oder Hilfsmittel, die Berechnungen vor- nehmen bzw. motorisch unterstützen. Dabei reicht In die dritte Kategorie werden körperliche Assis- die Spannbreite von der einfachen Anzeige von tenzsysteme eingeteilt, die den Menschen bei phy- Arbeitsanweisungen über die visuelle oder multime- sischen und motorischen Arbeitsabläufen unterstüt- diale Unterstützung (z. B. bei Picksystemen mit zen und entlasten. Der Einsatz von technischen Anzeige und Sprachausgabe) bis hin zur kontextsen- Systemen zur Unterstützung oder sogar Über- sitiven Augmented Reality für den Beschäftigten. nahme von Tätigkeiten des Mitarbeiters fördert die Assistenzsysteme sollten somit „… dem Menschen Entwicklung zu einem ergonomischen Arbeitsplatz.4 helfen und ihn situationsangepasst mit den Informati- onen versorgen. So kann der Mitarbeiter qualifizier- ter eingesetzt werden, als es bisher der Fall war.“2 Möglichkeiten, Chancen und Risiken von Assistenzsystemen Grundsätzlich können Assistenzsysteme nach Art und Umfang der Unterstützung in informative, kog- Assistenzsysteme sind vor allem dann sinnvoll ein- nitive und körperliche Assistenz unterschieden wer- setzbar, wenn wenig Erfahrung eines Mitarbeiters für den.3 Im Falle der informativen Assistenzsysteme eine bestimmte Aufgabe, zum Bespiel eine Montage, werden die bereitgestellten Funktionen und Infor- vorliegt. Hier können Schritt-für-Schritt Anweisungen mationen in meist statischer Form präsentiert, das genutzt werden, um eine schnellere Einarbeitung zu heißt, die zu assistierenden Aufgaben liegen wie- ermöglichen und parallel Fehler zu reduzieren. Mit derholt in ähnlicher Weise vor, es besteht kein gro- steigender Erfahrung kann die Intensivität der Assis- ßer Bedarf hinsichtlich der Anpassungsfähigkeit an tenz reduziert werden, bis für einen erfahrenen Mit- Nutzer oder ungewöhnliche Situationen. Darüber arbeiter nur noch, wie in Abbildung 1 verdeutlicht, hinaus werden unter informativer Assistenz auch eine Unterstützung auf Abruf notwendig ist. Durch umfassendere Assistenzsysteme verstanden, die den steigenden Umfang und die notwendige Flexibili- über eine einfache Identifikation oder Positionser- tät in den Aufgaben wird allerdings seltener die voll- kennung die situationsgerechte Informationsbereit- ständige Expertise in einem Bereich aufgebaut, stellung für den Benutzer ermöglichen. Informative wodurch die Assistenz an Bedeutung gewinnt. Assistenz beschränkt sich auf den Zugriff auf ein- 4 Elkmann et al. (2015). zelne Sensordaten bzw. bereits in einer Datenbank gespeicherte Informationen. Dazu zählen unter anderem das Anzeigen aktueller Betriebszustände, hinterlegter Produkt- oder Auftragsinformationen und benötigter Zusatzinformationen. Auch einfach gehaltene Handlungs- und Montageanweisungen fallen in diese Kategorie. Bei kognitiven Assistenzsystemen werden die Informationen nicht nur kontextabhängig dargestellt, sie werden zusätzlich adaptiv, also an die Situation und den Menschen angepasst. Kognitive Assistenz besitzt also die Fähigkeit, auch komplexere und flexible Prozesse zu erfassen und dem Benutzer die passenden Informationen situativ zur Verfügung zu stellen. Somit tragen diese Assistenzsysteme 2 Spath et al. (2013). Abbildung 1: Zusammenhang von Assistenz und Expertise 3 Schumann (2015). (in Anlehnung an Gorecky, Mura 2012).
Digitale Produktionsmittel im Einsatz 13 Befähigungsdefizit, welches durch Assistenzsys- teme verringert werden kann. Somit gewinnen Assistenzsysteme in der Industrie 4.0 an Relevanz. Unterschiedliche Chancen und Risiken von Assis- tenzsystemen wurden von Bischoff et al.5 ermittelt. So können Assistenzsysteme neben der Beschleu- nigung der Einarbeitungsprozesse zu einer besse- ren Beherrschung von Varianten und zur Fehlerre- duktion bzw. -vermeidung führen. Ebenfalls können die Produktivität sowie die Prozess- und Produkt- qualität durch Assistenzen verbessert werden. Zusätzlich ist eine Erhöhung der Arbeitssicherheit Abbildung 2: Herausforderung in der Industrie 4.0 und Verbesserung der Ergonomie möglich. Neben (in Anlehnung an Kreimeier et al. 2014). den beschriebenen Chancen müssen auch mögli- che Risiken bei Assistenzsystemen und deren Ein- führung berücksichtigt werden. Hierunter fallen die Abbildung 2 zeigt den Zusammenhang von Anla- fehlende Akzeptanz der Beschäftigten, Betreuungs- gen-/ Aufgabenkomplexität und den Befähigungen und Pflegeaufwand der Systeme sowie notwendige von Mitarbeitern. Im Rahmen der Digitalisierung und Weiterbildungsaufwendungen. von Industrie 4.0 steigt die Komplexität der Aufga- ben rasanter als die Befähigung. Es entsteht ein 5 Bischoff et al. (2015). Praxisbeispiel im Mittelstand Herausforderungen und Problemstellungen den jeweiligen Arbeiter weitergegeben werden. Neben in der Luftfahrt den Arbeitsanweisungen, die in den Dokumenten beschrieben sind, dienen diese Papiere der Aufnahme Die hohe Komplexität und die Qualitätsanforderungen von Messwerten, der Zeiterfassung und der Freigabe der Produktionsprozesse im Luftfahrtbereich erfordern für den darauffolgenden Prozessschritt. Aus diesem gut strukturierte Abläufe in der Fertigung und eine aus- Grund enthalten die mitlaufenden Dokumente, die führliche Dokumentation. Eine große Herausforderung als sogenannte Laufkarte das Bauteil begleiten, ent- stellt dabei die Organisation der Produktionsprozesse sprechende Unterschriften- und Stempelfelder, die nach dem Funktionsprinzip der Werkstattfertigung dar. bestätigen, dass die Arbeitsanweisungen durchgeführt Erschwert wird dies durch die Fertigung und Repara- wurden. Die beschriebenen Dokumente werden zu tur individueller Einzelteile. Beginn mithilfe des ERP-Systems der LTI erstellt und Durch deutliche Abweichungen im Prozessablauf der ausgedruckt. Zusätzlich zu den sogenannten Lauf- verschiedenen Werkstücke werden zum großen Teil karten existieren Aktenschränke, in denen Maschinen- manuelle Tätigkeiten ausgeführt, die nur schwer auto- einrichtblätter und andere informative Dokumente ent- matisiert oder assistiert werden können. Diese Proble- halten sind, die die Mitarbeiter in den Prozessschritten matik führt zur Verwendung mehrerer IT-Insel-Lösun- unterstützen. Der Reparatur-Prozess bei der LTI gen und zu einem erhöhten zeitlichen und finanziellen gliedert sich grob in vier Kategorien bzw. Abteilungen: Aufwand. Aufgrund der meist papiergebundenen Doku- Warenmanagement, Abweichungsmanagement, mentation fehlt eine über den Prozess stabile Qualitäts- Qualitätskontrolle und Reparatur. sicherung und die dazugehörige statistische Auswer- Beginnend beim Warenmanagement im Warenein- tung der Prozessgenauigkeit. Starke Schwankungen gang wird ein vom Kunden geliefertes Werkstück zur der Bearbeitungszeit und die Schwierigkeit der Pla- Reparatur aufgenommen. In diesem ersten Prozess- nung realistischer Zeiten sind die Folge. schritt erfolgt zunächst eine Sichtkontrolle auf grobe Analyse der Ausgangssituation im Unternehmen Beschädigungen durch den Transport, die einen Ausschluss aus dem Reparatur-Prozess darstellen. Der Reparatur-Prozess bei der Lufthansa Technik Finden sich entsprechende Mängel, wird das Bauteil Intercoat GmbH (LTI) wird, wie in vielen Unternehmen, zum Abweichungsmanagement gegeben und entwe- von papiergebundenen Dokumenten begleitet, die von der verschrottet oder zum Kunden zurückgesandt. Arbeitsschritt zu Arbeitsschritt mitsamt dem Bauteil an Dies gilt für Abweichungen während des gesamten
14 Mittelstand-Digital WISSENSCHAFT TRIFFT PRAXIS | Ausgabe 9 Prozesses. In einem solchen Fall, der laut Aussagen der LTI bei schätzungsweise jedem fünften Bauteil auftritt, müssen dafür vorgesehene Dokumente aus- gefüllt, vom Warenmanagement freigegeben und zum Abweichungsmanagement weitergereicht werden. Besteht das Bauteil die Sichtkontrolle, wird das Bau- teil gereinigt und anschließend mit den dazugehörigen Dokumenten an die Qualitätskontrolle geleitet, wo eine weitere Inspektion erfolgt. Ist das Bauteil intakt, wird es von der Qualitätskont- rolle freigegeben, und es folgt eine Auftragsbestäti- gung. Der Reparaturprozess besteht aus mehreren Teilprozessen, die hier nicht alle aufgeführt werden Abbildung 3: Visualisierung der verknüpften Komponenten sollen. Wichtig dabei ist, dass Laufkarte und unterstüt- aus dem von Synergeticon entwickelten Assistenzsystem zende Dokumente zum Beispiel bei Messungen oder zur Prozessunterstützung. dem Non Destructive Testing (NDT) von den jeweils Verantwortlichen ausgefüllt und freigegeben werden Prozess begleitet. Die Strukturierung der Daten und müssen. Nachdem die Prozessschritte durchlaufen die digitale Transformation, um aus den Dokumenten wurden, können das reparierte Bauteil zum Kunden einen digitalen Zwilling zu erstellen, sowie die Anbin- versandt und die Dokumente in dafür vorgesehene dung an ERP-Systeme oder andere kundeninterne Aktenschränke einsortiert werden. Systeme werden im Hintergrund automatisch abge- Aufgrund der papiergebundenen Dokumentation der handelt. Sämtliche Hintergrundberechnungen und Prozessschritte treten diverse Probleme auf, die zu Analysen von Daten werden ebenfalls an dieser Stelle einer Verzögerung im Ablauf führen können. Durch hinterlegt. die manuelle Eingabe der Messwerte per Hand ist Der entscheidende Vorteil des Assistenzsystems die Fehleranfälligkeit der Dokumentation sehr hoch. gegenüber auf dem Markt existierenden Standardpro- Zudem kann es zu Verwechslungen und Verlust der grammen ist der modulare Aufbau, sodass dieses für Dokumente oder Unleserlichkeit bedingt durch Abnut- eine Vielzahl an Anwendungsfällen genutzt werden zung des Papiers während des Prozessdurchlaufs kann. kommen. Die Strukturierung der Laufkarten und der Vorgang des Unterschreibens und Stempelns ist zudem Der Prozessassistent, welcher durch den Werksarbei- sehr zeitaufwändig. Bei eventuellen Abweichungen ter bei der Durchführung des Prozesses genutzt wird, während des Prozesses müssen diverse Dokumente stellt die notwendigen Informationen, beispielsweise abgeändert und neu bearbeitet werden, was ebenfalls aus Manuals, bereit und zeigt diese in der Anwendung eine erhebliche Zeitverzögerung nach sich zieht. entsprechend sinnvoll an. Eine 3D-Ansicht kann den Arbeiter an dieser Stelle unterstützen. Konzeption des Prozesses ohne Datenbrüche Eine weitere Möglichkeit der Darstellung bietet die Ein- Mit der von der Firma Synergeticon entwickelten bindung von Mixed Reality durch Smart Glasses, die Lösung kann der Reparatur-Prozess von LTI digitali- in Versuchsaufbauten geplant wird. Der Werksarbeiter siert und mit umfassenden Assistenzsystemen unter- wird durch jeden einzelnen Arbeitsschritt geleitet, um stützt werden. Dazu erfolgt zunächst eine Analyse eine fehlerfreie und schnelle Durchführung des Arbeits- der IST-Situation und der analogen Dateneingabe, schrittes zu gewährleisten. Des Weiteren kann eine woraufhin Messtools, wie beispielsweise Messschie- schnelle Echtzeitsuche integriert werden, die es dem ber mit Bluetooth-Funktion, integriert werden können. Arbeiter ermöglicht, auf sämtliche Informationen zu dem Der Arbeiter erhält auf einem Tablet eine Visualisie- Arbeitsvorgang zuzugreifen. Mit entsprechenden Dash- rung der zu messenden Positionen in einem 3D-Modell boards kann eine Datenanalyse dargestellt und somit des Bauteils. Zusätzlich sind die bisher in der Lauf- eine vorausschauende Wartung ermöglicht werden. karte festgehaltenen Arbeitsschritte kurz und präzise beschrieben. Die Messdaten selber werden direkt an Wie im Titelfoto dargestellt, werden bei der LTI das Tablet geschickt, dort verarbeitet und in der richti- (smarte) Geräte, beispielsweise Messgeräte, industri- gen Weise weitergeleitet. Abbildung 3 zeigt schema- elle Maschinen, Indoor-Navigationssysteme, Barcode- tisch den Aufbau des entwickelten Assistenzsystems. Scanner, QR-Code-Erkennung und Laser-Scanner, mit Darin ist zu sehen, wie das System im Hintergrund dem Prozessassistenten vernetzt. Dabei soll die Hard- aufgebaut ist und die einzelnen Komponenten mitein- warekomponente keine Eigenentwicklung darstellen, ander verknüpft. Der Nutzer erhält Zugriff auf die da industriereife Geräte auf dem Markt vorhanden Assistenzsysteme, die in diesem Fall die Geräte dar- sind. Synergeticon lieferte für LTI die passende Soft- stellen, und auf das Frontend, das ihn durch den warekomponente für die Anbindung dieser Messgeräte
Digitale Produktionsmittel im Einsatz 15 und erweitert diese, indem weitere Schnittstellen zu Ergebnisse der Umsetzung und erreichte Maschinen und Messwerkzeugen geschaffen werden. Verbesserung Im Bereich der Qualitätssicherung soll das Assistenz- Durch die entwickelte Lösung haben Unternehmen die system zukünftig automatisch Maße an Bauteilen Möglichkeit ihre Fertigungs-, Qualitäts- und Wartungs- erkennen können, was durch die Integration von prozesse mit verringertem Aufwand in das Zeitalter der Smart Glasses erreicht werden kann. Darin enthalten Industrie 4.0 zu transferieren. Veränderungen in Pro- ist eine automatisierte Analyse der Bauteilgeometrien zessen können schnell und kostengünstig umgesetzt mithilfe eines Laserscanners. werden. Dies wird durch den Einsatz einer standardi- sierten Assistenzlösung möglich, die auf spezielle Die Lösung stellt ein intuitives Assistenzsystem für Branchenanforderungen zugeschnitten werden kann. die Digitalisierung der obigen Prozesse dar, welches von mittelständischen Unternehmen ohne speziali- Das implementierte Assistenzsystem unterstützt den siertes IT-Know-how genutzt werden kann. Darüber Kunden durch Zeitersparnis in der Arbeitsvorberei- hinaus steht Synergeticon im Anwendungsfall als tung, sowie im Arbeitsprozess. Darüber hinaus kann Dienstleister für die Prozessanalyse, die Implemen- eine Fehlerprävention erreicht werden, die Spätfolgen tierung und auch weiterführende Unterstützung zur verhindert. Eine Reduktion von Papier ist in allen Verfügung. Bereichen eine direkte Konsequenz. Schritte zum Assistenzsystem eingebundene Algorithmen und semantische Modelle. Die softwaretechnischen Anwendungen Die unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten bilden somit den Kern der eigentlichen Assistenz.6 und Technologien zur Umsetzung der Unterstüt- Erst durch diese Verarbeitung werden aus Daten zungsfunktionen erfordern eine weitere Eingren- die benötigten Informationen.7 zung und Kategorisierung der Assistenzsysteme. Durch eine systematische Einordnung wird der Stehen die erforderlichen Informationen bereit, Thematik in der Industrie 4.0 eine methodische müssen diese in einer dem Prozess und der Struktur verliehen, die als Grundlage für weitere Arbeitsumgebung angepassten Art dem Menschen Analysen und Implementierung in der Praxis dient. so zur Verfügung gestellt werden, dass die wich- tigsten Informationen schnell und verständlich auf- Notwendige Elemente von Assistenzsystemen nehmbar sind. Zweckmäßig ist häufig eine mobile Gestaltung der Informationsausgabe direkt beim Primäre Aufgabe digitaler Assistenz ist die aufga- Benutzer. Üblicherweise sind die Darstellungskom- ben- und situationsrelevante Darbietung von Infor- ponenten zur Informationsausgabe visuell gestal- mationen, die fortlaufend in der vernetzten Produk- tet, da der Mensch über diesen Kanal die meisten tion anfallen. Dabei setzt sich ein Assistenzsystem Informationen aufnehmen kann.8 Aber auch akusti- aus mehreren Systemkomponenten zusammen, sche und haptische Ausgaben können wichtige die unterschiedliche Funktionen innehaben. Hier- Optionen zur Ausgabe von Assistenzfunktionen unter fallen die Datenerfassung, die Datenverarbei- sein. Verfügen Assistenzsysteme über mehrere tung, die Informationsausgabe, die manuelle Ein- Ausgabekomponenten, so besitzen sie demnach gabe sowie die Aktionsausführung. eine multimodale Informationsausgabe. Für eine Bereitstellung von Informationen, die den Weiterhin kann das Assistenzsystem als optionalen Benutzer während eines Prozessschrittes unter- Schritt den Mitarbeiter bei der Aktionsausführung stützt, bedarf es einer Datenerfassung, die Auf- physisch bzw. motorisch unterstützen oder der trags- und Produktinformationen ermittelt, mittels Bediener kann über manuelle Eingaben mit dem Sensorik Objekte und Menschen identifiziert und System interagieren. Neben der Steuerung im lokalisiert oder aktuelle Betriebszustände erfasst. Assistenzsystem kann der Mensch somit ebenfalls Die erfassten Daten werden über verschiedene zusätzliche Daten eingeben, Schritte quittieren oder Kommunikationstechnologien übertragen und weitere Informationen erhalten. Somit stellt sich die anschließend zu Informationen verarbeitet. Unter Interaktion aus Assistenzsystem und Bediener in die Datenverarbeitung fällt die Aggregation, 6 Wölfle (2014). Analyse und Interpretation der unterschiedlichen 7 Dengel (2012). Informationsquellen durch softwaretechnisch 8 Zühlke (2012).
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