Multiprofessionalität: Stark im Team - nds-zeitschrift.de
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8-2016 Der weite Weg zur inklusiven Schule Stellenbedarf im Gemeinsamen Lernen Beschulung Geflüchteter: Neue Erlasse Neues BeamtInnenrecht in NRW Lehrkräftemangel an Grundschulen DIE ZEITSCHRIFT DER BILDUNGSGEWERKSCHAFT Karrierewege an der Fachhochschule 68. Jahrgang Juni / Juli 2016 ISSN 0720-9673 Multiprofessionalität: Stark im Team. K 5141
+++NEU+++NEU+++NEU+++NEU+++NEU+++NEU+++NEU+++NEU+++NEU+++ Neue D Deutsche eutsche Schule Verlagsgesellschaft mbH Dr. Klaus Spenlen Islam in Deutschland EIN LEITFADEN FÜR SCHULE, AUS- UND WEITERBILDUNG Reflektionen über „Islam“, „Islamismus“ und „muslimisches Leben“ in Deutschland mit praktischen Hinweisen, wie Fragestellungen rund um diese Themen beim täglichen Umgang mit Muslima und Muslimen beantwortet, Konflikte gelöst und dabei Gleichstellung und Prävention verbessert werden können. 228 Seiten, Format A4, 26,80 Euro, April 2016 ISBN: 978-3-87964-322-6 Jetzt versandkostenfrei bestellen Neue Deutsche Schule Verlagsgesellschaft mbH Nünningstr. 11, 45141 Essen, info@nds-verlag.de www.nds-verlag.de
nds 8-2016 3 Multiprofessionalität: Lust oder Last? In Ganztagsschulen und inklusiven Schulen ist die alltägliche Kooperation von verschiedenen ExpertInnen unumgänglich. Schließlich wurden hier Aufgaben verbunden, für die unterschiedlich ausgebildete Fachleute zuständig sind. Deren spezielle Kompetenzen gilt es im neuen Setting so zu verknüpfen, dass daraus Synergieeffekte entstehen. Um den Anforderungen der neuen Konzepte gerecht zu werden, reicht aber eine additive Zusammenarbeit mehrerer Professionen nicht aus. Vielmehr sollen gemeinsam neue, breiter fundierte und dadurch bessere Lösungen für die anstehenden Herausforderungen entwickelt werden. Komplexe Aufgaben, komplexe Kooperation Prof. Dr. Ursula Carle In Bildungseinrichtungen kooperieren heute LehrerInnen, pädagogische Fachkräfte und Professorin für Elementar- PsychologInnen innerhalb von Teamstrukturen, mit zahlreichen Schnittstellen. Neben schulfach- und Grundschulpädagogik bezogenen Teams kümmern sich andere Teams um Querschnittsangelegenheiten. Insbesondere an der Universität Bremen für die Lösung komplexer Aufgaben, für die verschiedene Fachsichten hilfreich sind, verspricht eine im Fachbereich Erziehungs- mehrperspektivische Herangehensweise mehr Erfolg. So ergibt es Sinn, dass zum Beispiel Sonder- und Bildungswissenschaften pädagogInnen sowohl in Fachteams als auch in Teams mit Querschnittsaufgaben mitarbeiten. Schade, dass sie sich nicht klonen können. Denn neben der Kooperation in den Teams gibt es ja auch noch die Hauptaufgabe: die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen. Einigkeit herrscht in der Fachliteratur über die hauptsächlichen Schwierigkeiten der Zusammen- arbeit: Es gibt zu wenig Möglichkeiten für fachlich-inhaltlichen Austausch. In der Folge entstehen Missverständnisse aufgrund unterschiedlicher Ziele, Erwartungen oder Fallinterpretationen. Die Fachgrenzen scheinen jedoch in der Realität nicht das Haupthindernis für eine gute Kooperation zu sein. Eine Klärung der gemeinsamen Ziele, der gegenseitigen Erwartungen, Offenheit und Wertschätzung für die Sichtweisen der Anderen schaffen Reflexionsanlässe als Voraussetzung für zu entwickelnde neue Lösungen. Probleme werden vor allem durch zu geringe oder fehlan- gepasste Ressourcenzuweisung, mangelnde Beweglichkeit der Organisation – wie zu wenige überschneidungsfreie Zeitfenster für die Teams – sowie geringe Kooperationsbereitschaft und zu wenig persönliche Flexibilität erzeugt. Eine Anstrengung, die sich lohnt Multiprofessionelle Zusammenarbeit ist auf personelle Ressourcen angewiesen, die zu den Aufgaben passen. Das heißt, dass die in vormaligen Settings vorhandenen personellen Ressour- cen in die neue Organisationsform einfließen müssen. Zusätzlich wird Kooperationszeit benötigt, die mit der Vielzahl der Teambeteiligungen ansteigt. Auch bei ausreichender Zuweisung von Personalressourcen kommen auf die Leitung der Bildungseinrichtung hohe organisatorische Anforderungen zu, um die optimalen Lösungen zu erreichen. Rollen und Aufgaben sowie Modi der Teamsitzungen müssen in den Teams selbst geklärt werden, aber zur Entlastung der Teams sind auf Einrichtungsebene definierte Rahmen hilfreich. Die Erarbeitung gemeinsamer Werte sowie eine Ausgewogenheit von Autonomie und gemein- samer Verantwortung tragen zur Entwicklung einer Kooperationskultur der Bildungseinrichtung bei. Vor diesem Hintergrund ist eine steigende Kooperationsbereitschaft auch der SkeptikerInnen zu erwarten. Wenn es gelingt, eine Kooperationskultur zu entwickeln, wachsen junge KollegInnen in ein Umfeld ohne EinzelkämpferInnentum hinein. Persönliche Vorbehalte und mangelnde Kooperationserfahrung lassen sich nicht in der Zurückgezogenheit überwinden. Sinnvoll sind gemeinsame, die professionellen Grenzen überschreitende Weiterbildung sowie individuelle und teambezogene Professionalisierungsmöglichkeiten, zum Beispiel Supervision. Und letztlich zahlt sich die Arbeit im Team aus: Denn angesichts der hohen Ansprüche an die Bildungseinrichtungen ist es eine große Erleichterung, wenn Verantwortung im Team geteilt wird. //
4 INHALT THEMA Multiprofessionalität: Stark im Team. Multiprofessionalität und Team- bildung: Stolpersteine gemein- sam aus dem Weg räumen 16 Multiprofessionelle Teams in der Kita: An den Kindern orientieren 18 Multiprofessionelle Teams an Grundschulen: Ein Netzwerk für die Kinder 20 S. 16 Multiprofessionelle Teams in Finnland: Unterricht im Sinne des Wohlbefindens 22 S. 8 Bochumer Memorandum 2011 bis 2017: BILDUNG Der weite Weg zur inklusiven Schule Lehrkräftebedarf, Abordnungen und Versetzungen 8 im Gemeinsamen Lernen: Der Unmut wächst 10 Geschichte und Gegenwart der syrisch-türkischen Konflikte: Crash der Kulturen und Religionen? 12 Demonstrationen gegen TTIP und CETA: Für faire Globalisierung und eine gerechte Handelspolitik 14 Neue Erlasse zur Beschulung Geflüchteter: Sparmaßnahmen gefährden die Integration 15
nds 8-2016 5 ARBEITSPLATZ Neues BeamtInnenrecht in NRW: Großer Wurf oder Reförmchen? 24 Dienstrechtsreform: Besoldung von LehrerInnen – die GEW NRW erhöht den Druck 26 Lehrkräftemangel an Grund- schulen: Jetzt müssen Notmaß- nahmen greifen 27 Lehrerratswahl: Demokratische S. 24 Beteiligung macht Schulen besser28 Schulen mit Teilstandorten: LehrerInnen on the road 29 Im Gespräch mit Doreen Siebernik: Streikbewegte Zeiten in Berlin 30 Berufswege und Karriere in der Wissenschaft: Gewerkschaften im Diskurs mit Fachhochschulen 31 S. 27 IMMER IM HEFT nachrichten6 weiterbildung33 jubilare32 infothek34 termine38 impressum39 S. 12
6 NACHRICHTEN Multiprofessionelle Teams im gebundenen Ganztag Bei den zusätzlichen Personalressourcen, die für die pädagogische Ländervergleich: Personalressourcen im gebundenen Ganztag in Zeitstunden je Klasse und Woche Arbeit im gebundenen Ganztag gewährt werden, belegt NRW im Länder- vergleich den vorletzten Platz. Das belegt die Studie „Die landesseitige Zusätzliche Zusätzliche Zusätzliches pädagogisches Lehrkräfte weiter PädagogInnen Personal insgesamt Ausstattung gebundener Ganztagsschulen mit personellen Ressourcen – ein BW 9,0 0,0 9,0 Bundesländervergleich“ von Prof. Dr. Klaus Klemm und Dr. Dirk Zorn im BY 9,0 2,3 11,3 Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Unter anderem untersucht die Studie BE 0,0 25,7 25,7 die Personalressourcen im gebundenen Ganztag und rückt dabei multi- HB 3,1 0,0 3,1 professionelle Teams in den Fokus: „Inwieweit Schulen mit ganztägiger HH 4,7 10,3 15,0 Lernorganisation die an sie gestellten Ansprüche erfüllen können, hängt HE 5,0 0,0 5,0 nicht zuletzt von den zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen NI 5,8 0,0 5,8 4,4 und deren Einsatz ab. Dies bedeutet, dass neben den Lehrkräften auch NRW 4,4 0,0 RP 8,5 0,0 8,5 weiteres pädagogisch tätiges Personal, welches im Ganztagsbetrieb tätig SL 7,1 12,2 19,3 ist, in ausreichender Zahl vorhanden sein muss.“ In NRW stehen nur 4,4 SN 0,0 13,1 13,1 Zeitstunden pro Klasse und Woche für zusätzliche Lehrkräfte zur Verfügung. SH 4,3 2,4 6,8 Ein Stundenkontingent für weitere zusätzliche PädagogInnen, beispielsweise TH 0,0 14,1 14,1 SchulsozialarbeiterInnen oder -psychologInnen, ist hier nicht vorgesehen. Mehr zu multiprofessionellen Teams ab Seite 16. ms Quelle: Die landesseitige Ausstattung gebundener Ganztagsschulen mit personellen Ressourcen. Ein Bundesländervergleich. (Bertelsmann Stiftung 2016) Glück 40 Jahre Mitbestimmung Glück ist subjektiv. Und doch „Mehr Mitbestimmung ist eine Forderung, die in die Zeit passt“, Begreifen zu erfassen? Die Professional betonte Rainer Hoffmann, Vorsitzender des DGB und des Vorstands der zum Eingreifen School of Education an der Ruhr- Hans-Böckler-Stiftung beim Jubiläumsfest: Am 1. Juli 1976 ist das Mitbe- www. Universität in Bochum sowie die stimmungsgesetz in Kraft getreten. Es garantiert den Beschäftigten und Hetze gegen Flüchtlinge AG Sch.U.L.forschung am Institut ihren Gewerkschaften die Hälfte der Sitze in den Aufsichtsräten großer Rechtsextreme Sprache und für Erziehungswissenschaft setzen Unternehmen. Allerdings verfügt bis heute die Seite der Kapitaleigne- Bilder haben sich in kurzer in Kooperation mit der Happiness rInnen im Aufsichtsrat über eine Zusatzstimme. Mehr Mitbestimmung Zeit über die Sozialen Medien reetabliert und sind normal im Research Organisation die Studie ist deshalb auch nach 40 Jahren eine wichtige Forderung, denn junge, Gespräch über Flucht und Mi- „Glück im Lehrerberuf“ um, um wachsende Unternehmen nutzen zunehmend Schlupflöcher im deutschen gration geworden. Was wir dem genau dieser Frage auf den Grund und europäischen Recht, um ArbeitnehmerInnenmitbestimmung im entgegensetzen können, zeigt zu gehen. KollgeInnen aller Schul- Aufsichtsrat zu vermeiden – sicher einer der Gründe dafür, dass die Zahl die Broschüre „Hetze gegen Flüchtlinge in Sozialen Medien – formen können sich an der Studie der mitbestimmten Unternehmen seit 2002 um gut 17 Prozent gesunken Handlungsempfehlungen“ der beteiligen. Informationen rund um ist. Dabei beweisen aktuelle Studien, dass der Einsatz für die Interessen Amadeu Antonio Stiftung. das Forschungsprojekt gibt es unter der Beschäftigten dem Unternehmen insgesamt Vorteile bringt. Material „Wir wehren uns seit 1979“ www. www.glueck-im-lehrerberuf.dekrü zu Mitbestimmung unter www.mitbestimmung.de HBS / krü Gabriel López Chiñas erläutert im taz-Interview die Forde- Richtigstellung Mehr Lehrerstellen für 2017 geplant rungen der mexikanischen Lehrergewerkschaft Coordina- In der nds 6 / 7-2016 ist im Artikel Der Haushaltentwurf für 2017 liegt vor: Die nordrhein-westfälische dora Nacional de Trabajadores „Ergebnisse der Personalratswahlen: Landesregierung rechnet im kommenden Jahr mit Ausgaben von 72,3 de la Educación (CNTE). Bei den Protesten sind bereits neun Men- Rückenwind für GEW-Personalräte“ Milliarden Euro – das ist ein Plus von 3,3 Prozent. In den Mehrausgaben schen ums Leben gekommen. (Seite 26/27) ein Druckfehler unter- sind für den Bereich der Schul- und Weiterbildung im Vergleich zum Vorjahr www. laufen. Die falsche Zahlenangabe im aktuellen Entwurf rund 505 Millionen Euro enthalten, mit denen unter Türkei: Solidarität zeigen korrigieren wir hiermit. Im Beitrag anderem 1.767 neue Lehrerstellen finanziert werden, die vor allem für Das Europäische Gewerkschafts- heißt es zu den Vertretungen für Verbesserungen bei der Inklusion sorgen sollen. Für die Versorgung und komitee für Bildung und Wissen- schaft ruft seine Mitglieds- Gymnasien und Weiterbildungskol- Integration von Flüchtlingen stellt das Land im kommenden Jahr rund 4,1 organisationen auf, zusammen legs richtig: „Im Hauptpersonalrat Milliarden Euro bereit. „Die GEW NRW erkennt an, dass das Land zusätz- gegen den rechtswidrigen entfallen weiterhin fünf Sitze auf liche Stellen für das gemeinsame Lernen und die Beschulung Geflüchteter Machtmissbrauch durch die tür- bereitstellt. Das Stellenbudget für Lern- und Entwicklungsstörungen bleibt kische Regierung zu protestieren, die GEW NRW.“ In der Tabelle muss mit dem sie Demokratie, Gerech- es dementsprechend heißen: GEW dennoch unzureichend ausgestattet. Außerdem brauchen die Schulen tigkeit und akademische Freiheit NRW 5 Sitze, Philologenverband deutlich mehr Integrationsstellen als vorgesehen sind“, bewertet Dorothea in der Türkei unterwandert. NRW 9 Sitze, Sonstige 1 Sitz.fin Schäfer, Vorsitzende der GEW NRW, den Entwurf. land.nrw / krü
nds 8-2016 7 Teilzeitlehrkräfte deutlich über Soll Numerus Clausus weit verbreitet Teilzeitlehrkräfte an Gesamtschulen in Niedersachsen leisten 2 : 31 Vier von zehn Studiengängen in Deutschland sind zulassungsbeschränkt – Stunden unbezahlte Mehrarbeit. Ihre wöchentliche Soll-Arbeitszeit beträgt das hat der „Numerus Clausus-Check 2016 / 2017“ des Centrums für Hoch- 33 : 45 Stunden. In der Realität schwanken die Arbeitszeiten in den Schul- schulentwicklung gGmbH (CHE) ergeben. 41,5 Prozent der Studiengänge zeitwochen zwischen 32 und 37 Stunden mit einem Maximum von 37 : 14 haben einen Numerus Clausus (NC). An Universitäten ist weiterhin ein Stunden. Ihre durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 36 : 16 Stunden liegt niedrigerer Prozentsatz (40,1) der Studiengänge zulassungsbeschränkt als damit deutlich über dem Sollwert. Diese Ergebnisse ihrer Arbeitszeitstudie an Fachhochschulen (45,8). In NRW sind mit 37,9 Prozent geringfügig 2015 / 2016 präsentierte die GEW Niedersachsen zusammen mit der weniger Studiengänge zulassungsbeschränkt. Weitere Infos zur Erhebung Universität Göttingen am 1. August 2016. Teilzeitlehrkräfte zeigen damit und zum NC unter www.tinyurl.com/CHE-Numerus-Clausus CHE / krü klar auf, wie viel Vor- und Nachbereitungszeit notwendig ist. Sie können diese nur leisten, weil sie ihre Unterrichtsverpflichtung reduziert haben. Alle Ergebnisse unter arbeitszeitstudie.gew-nds.de. GEW Niedersachsen Ausstattungsmangel an Grundschulen Durchschnittswoche der Schulform Obwohl Grundschule und Kindergarten die Basis des Bildungssystems Integrierte / Kooperative Gesamtschule (acht Tätigkeitsklassen) in Deutschland darstellen, ist ihre Finanzierung im Vergleich mit den weiter- führenden Schulen unterdurchschnittlich. Das gilt vor allem für die Lernzeit, 15 :29 / 31,30 % 2 :57 / 6,31 % aber auch für die Ausstattung und die Bezahlung des Personals. Prof. Dr. Unterricht Fahrten / Veranstaltungen Klaus Klemm nimmt in seinem Gutachten von Juni 2016 im Auftrag des 14 :37 / 31,30 % 1 :21 / 2,88 % Grundschulverband e. V. die „Finanzierung und Ausstattung der deutschen Unterrichtsnahe Lehrarbeit Arbeitsorganisation Grundschulen“ unter die Lupe. Pro Grundschulkind gaben die Bundesländer 3 :38 / 7,77 % 0 :47 / 1,67 % 2013 im Schnitt 5.600,- Euro im Jahr aus. Das Gefälle innerhalb Deutsch- Funktionen Weiterbildung lands ist groß: Hamburg führt die Aufstellung mit 8.700,- Euro an, NRW 5 :24 / 11,55 % 2 :30 / 5,34 % steht mit 4.800,- klar am Ende. Auch die Stundentafel weist Unterschiede Kommunikation Sonstige Tätigkeiten auf: So umfasst sie in Berlin und Schleswig-Holstein 92 Wochenstunden gegenüber 108 in Hamburg. NRW hat die Pro-Kopf-Ausgaben in den vergangenen zwei Jahren zwar erhöht, ein drohender Lehrkräftemangel an Grundschulen zum Schuljahr 2016 / 2017 aber ist kaum abzuwenden. Quelle: Arbeitszeitstudie 2015 / 2016, Kooperationsstelle Universität Göttingen www.tinyurl.com/Grundschule-Gutachten Grundschulverband / krü Abiturnoten 2016 Beteiligung an Weiterbildung sinkt 2016 haben in NRW rund 91.000 SchülerInnen an 622 Gymnasien, Der Weiterbildungsatlas 2016 der Bertelsmann Stiftung beweist NRWs 203 Gesamtschulen, 32 Weiterbildungskollegs, 32 Waldorfschulen sowie großen Nachholbedarf in Sachen Weiterbildung: Mit einer Teilnahme- an 223 Beruflichen Gymnasien die zentralen Abiturprüfungen abgelegt. quote von 10,4 Prozent teilen sich Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Die AbiturientInnen erzielten im Durchschnitt ähnliche Leistungsergeb- Sachsen-Anhalt und NRW den letzten Platz im Ländervergleich. Regional nisse wie in den Vorjahren. An den Gymnasien und Gesamtschulen lag gehen die Differenzen zudem weit auseinander: Die WissenschaftlerInnen die Durchschnittsnote bei 2,45 (2015: 2,47). Den Ländervergleich führt erklären sich die Unterschiede zu einem Drittel mit der regionalen Sozial-, Thüringen an mit einer Durchschnittsnote von 2,18, Schlusslicht bleibt Wirtschafts- und Infrastruktur – ein hoher Bildungsstand und eine starke Niedersachsen mit 2,58. MSW / krü Wirtschaft führen zu mehr Teilnahme an Weiterbildung. In Darmstadt sind Angebot und Nachfrage herausragend: Die Teilnahme liegt bei Vielfalt Rote Karte 23,1 Prozent, die Potenzialausschöpfung bei 139,4 Prozent. www.kreise. deutscher-weiterbildungsatlas.de Bertelsmann Stiftung / krü Immer mehr Lehrkräfte, Schul- Zum pädagogischen Film „Wie leitungen, Eltern und SchülerInnen im falschen Film – Geschichten aus Darmstadt: Eine von sechs Fallstudien des Weiterbildungsatlas unterstützen aktiv die Akzeptanz dem Fußball“ veröffentlichte Show Öffentlich Gemeinschaftlich Privatwirtschaftlich Betrieblich von sexueller und geschlechtlicher Racism the Red Card – Deutsch- Bundesweiter Durchschnitt Vielfalt an ihrer Schule. Der Bedarf land e. V. jetzt das begleitende Ar- 6,90 0,015 0,445 47,45 an Konzepten und Beratung nimmt beitsheft für den Unterricht: Mit zu. Um die Schulen in ihrem Engage- Gastbeiträgen von Ronny Blaschke, ment gegen Homo- und Transfeind- Hadija Haruna, Jennifer Dacqué UMFELD vor Ort vor Ort vor Ort vor Ort lichkeit zu stärken, haben Schule der und Markus End werden verschie- Vielfalt und SCHLAU NRW Fragen, dene Diskriminierungsformen ver- Tipps und Anregungen in einer tieft behandelt. Das Heft liefert 7,25 7,93 0,020 0,017 0,919 0,630 64.64 58,83 Checkliste mit Handlungsempfeh- Workshopbeispiele für unterschied- lung zusammengestellt. www.tiny- liche Altersgruppen. www.tiny- 0 – 30 0 – 0,13 0 – 1,2 0 – 90 url.com/vielfalt-Checkliste krü url.com/redcard-Arbeitsheftkrü Quelle: Bertelsmann Stiftung, Deutscher Weiterbildungsatlas
Fotos: bit.it, suze, Nalla Padam / photocase.de 8 BILDUNG Bochumer Memorandum 2011 bis 2017: Inklusion Der weite Weg zur inklusiven Schule Bereits 2011 unterstrich das Bochumer Memorandums das Ziel, in den nächsten schulen und 3,5 Prozent an den Gesamtschulen. zehn Jahren 85 Prozent der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf In den Realschulen liegt dieser Anteil bei 1,65 integrativ zu beschulen und die Inklusionsquote jährlich um sieben Prozent zu Prozent und bei 0,33 Prozent an den Gymnasien. steigern. Davon ist NRW bis heute weit entfernt. Und das obwohl mittlerweile 4.192 SchülerInnen mit SFP besuchen in der sehr viele SchülerInnen mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf an sehr Sekundarstufe II Schulen außerhalb des Förder- vielen Schulen und damit auch von sehr vielen Lehrkräften mit großer Selbstver- schulsystems. Von diesen besuchen allerdings ständlichkeit gemeinsam unterrichtet werden. nur 291 die gymnasialen Oberstufen. Von den insgesamt 133.581 SchülerInnen mit Vorsicht der Interpretation feststellen, dass der Widersprüchliche Zielsetzungen einem anerkannten Förderbedarf in zumindest berüchtigte Trichtereffekt des Übergangs zwar Auch wenn festzuhalten bleibt, dass in den einem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt immer noch vorhanden ist, dass er sich aber vergangenen Jahren die Zahl der SchülerInnen (SFP) besuchten im Schuljahr 2015 / 2016 in vor allem zwischen der Grundschule und der mit sonderpädagogischem Förderbedarf in allen Nordrhein-Westfalen 82.312 eine Förderschu- Sekundarstufe I abschwächt. Damit lässt sich Schulstufen und Schulformen deutlich gestiegen le. Ausweislich des „Statistik-TELEGRAMMs unterstellen, dass die Zahl der SchülerInnen, die ist, entsprechen diese Zahlen bei weitem noch 2015/16“ des Schulministeriums besuchten innerhalb inklusiver Settings den Wechsel der nicht den Forderungen des Bochumer Memo- 51.296 SchülerInnen mit SFP eine Schule des Schulstufen absolvieren, deutlich angestiegen randums. Zugleich werden widersprüchliche Gemeinsamen Lernens. Dies sind 38,4 Prozent ist. Diese Entwicklung kommt dem Leistungsziel Entwicklungen deutlich, die das Ziel eines inklu- dieser SchülerInnengruppe und ihr Anteil ist ge- näher, das das Bochumer Memorandum 2011 siven Schulsystems fraglich erscheinen lassen. genüber dem Vorjahr um 3,8 Prozent gestiegen. als „vorläufig wichtigstes“ formulierte, nämlich So zeigt der sehr unterschiedliche Anteil von „dass alle Kinder mit sonderpädagogischem SchülerInnen mit sonderpädagogischem Förder- Auffälligkeiten und Unterschiede bedarf in den verschiedenen Schulformen auch, Förderbedarf, die eine Grundschule besuchen, Allerdings sind die Werte in den verschie- auch in der Sekundarstufe ihre Schullaufbahn in- dass die Bereitschaft, sich dem Gemeinsamen denen Schulstufen und auch in den verschie- tegrativ – das heißt auf der allgemeinen Schule – Lernen zu öffnen, in starkem Maße schulform- denen Schularten sehr unterschiedlich. Im weiterführen können“. abhängig ist. In Verbindung mit der Entwicklung Grundschulbereich sind es 41,3 Prozent, in der Der Anteil der SchülerInnen mit SFP differiert hin zu einem zweigliedrigen Schulsystem kann Sekundarstufe I 36 Prozent und in der Sekun- allerdings nicht nur zwischen den einzelnen damit festgestellt werden: In NRW entwickelt darstufe II 43,5 Prozent der SchülerInnen mit Schulstufen, sondern auch in den verschiedenen sich auf der einen Seite ein inklusives Schulsy- SFP, die eine Schule außerhalb des Förderschul- Schulformen. Nach wie vor eröffnen neben den stem, dem ein tendenziell exklusives System von systems besuchen. Der isolierte Blick auf diese Grundschulen vor allem die Haupt-, Gesamt- Gymnasien (und Förderschulen) entgegensteht. Werte verdeckt jedoch die sehr unterschiedliche und Sekundarschulen SchülerInnen mit SFP Hinzu kommt, dass der statistische Durch- Entwicklung in den einzelnen Schulstufen. die Möglichkeit des Gemeinsamen Lernens und schnittswert die beträchtlichen Unterschiede So hat sich die Zahl der GrundschülerInnen insbesondere an Haupt- und Sekundarschulen zwischen den einzelnen Schulen und Regionen mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf werden überproportional viele SchülerInnen verdeckt. Die Statistik bildet nicht ab, in welchem seit 2006 etwa verdoppelt, während sie im mit SFP unterrichtet. So hatten im Schuljahr Umfang festgestellte Förderbedarfe während gleichen Zeitraum in der Sekundarstufe I um 2015 / 2016 etwa 3 Prozent aller Grundschü- der Schulzeit wieder aufgehoben werden. Ins- gut das sechsfache und in der Sekundarstufe lerInnen einen SFP. In der Sekundarsufe I sinkt besondere vor dem Wechsel der Schulstufen II um das 1,5-fache gestiegen ist. Insbesondere dieser Anteil auf etwa 2,5 Prozent. Allerdings oder vor der Abschlussvergabe geschieht dies in den Schulen der Sekundarstufe I ist also die sind die Unterschiede bei den Schulformen be- erfahrungsgemäß in größerem Umfang insbe- Zahl der SchülerInnen mit SFP deutlich über- trächtlich: Er liegt zwischen etwa 8 Prozent an sondere bei zieldifferent unterrichteten Schüle- proportional gestiegen. Hier lässt sich bei aller den Hauptschulen, 7 Prozent an den Sekundar- rInnen, um ihnen die Chance auf qualifizierte
nds 8-2016 9 Abschlüsse zu ermöglichen. In der gymnasialen sonderpädagogischer Förderbedarf zugewiesen Oberstufe ist außerdem die Bedeutung eines wurde. Vielmehr muss sich dieses System an der Zum Weiterlesen sonderpädagogischen Förderbedarfs oft nicht Fähigkeit messen lassen, Lernende mit generell unterschiedlichen Vorerfahrungen angemessen Markus Ottersbach, Andrea Platte, recht ersichtlich. Lisa Rosen (Hrsg.): aufzunehmen. So ist auch die Zuweisung und Qualität bleibt auf der Strecke Soziale Ungleichheit als Aufnahme von neu zugewanderten und schutz- Vor allem verliert aber das Kriterium des fest- suchenden Kindern als Aufgabe inklusiver Herausforderung für gestellten sonderpädagogischen Förderbedarfs Bildung zu betrachten, ohne dass dies in der Inklusive Bildung in zunehmendem Maße seine Aussagekraft. Be- bisherigen Diskussion und auch in der bishe- dingt durch die Änderungen der entsprechenden rigen Fassung des Bochumer Memorandums Vorschriften zur Feststellung, sowie durch den angemessen berücksichtigt wird. veränderten Stellenwert der individuellen Förde- Bewegungen in Richtung der 2011 formu- Springer VS, 2016 rung und der Gewährung von Nachteilsausglei- ISBN: 978-3-658-13494-5 lierten Forderungen für ein inklusives Bildungs- 354 Seiten chen ist es in zunehmendem Maße – im Bereich system sind erkennbar, auch wenn diese in 49,99 Euro der Schulen des Gemeinsamen Lernens – von Zahlen weit hinter den damals formulierten Das Buch geht aus der Sicht unterschiedlicher sehr vielfältigen Faktoren abhängig, ob ein Zielen zurückbleiben. Eine genauere Betrach- Disziplinen, Praxis- und Forschungsprojekte der Förderbedarf überhaupt festgestellt wird oder tung der Zahlen zeigt aber auch, dass nicht nur Frage nach, inwiefern sozialen Ungleichheiten nicht. Diese Entwicklung ist einerseits gewünscht durch die Gestaltung und Erforschung inklusi- insgesamt mehr SchülerInnen mit einem SFP ver Bildungsprozesse und -strukturen begegnet und wird unterstützt, indem beispielsweise im allgemeine Schulen besuchen sollten, sondern werden kann. Die Zusammenführung formaler, Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen dass es beispielsweise auch darum gehen muss, non-formaler und informeller Bildung entfaltet mit der Feststellung des Förderbedarfs keine sie verstärkt an der Vielfalt des Bildungssystems dabei ein Verständnis von inklusiver Bildung, Ressourcenzuweisung erfolgen soll. In diese das auf die Überwindung der Dominanz for- und an der Vergabe höherer Bildungsabschlüsse maler Kontexte zugunsten der Aufwertung des Richtung geht auch die deutliche Stärkung partizipieren zu lassen. Insbesondere die stark stärker selbstgestaltenden und partizipativen des Elternwillens. unterschiedlichen Zahlen der SchülerInnen Potenzials non-formaler und informeller Prozesse Allerdings sind die entsprechenden Entwick- abzielt. An dieser Stelle begegnen sich Soziale mit SFP an verschiedenen Schulformen zeigen Arbeit und Erziehungswissenschaft im Inklusi- lungen widersprüchlich, da nach wie vor der deutlich, dass nicht von der Entwicklung des onsdiskurs. Nicht zuletzt für deren Kooperation gemäß AO-SF bestätigte Förderbedarf für die gesamten Bildungssystems in Richtung Inklusion in der Gestaltung inklusiver Bildung soll der vor- SchülerInnenaufnahme und für die Zuweisung gesprochen werden kann. liegende Band neue Impulse geben. von Ressourcen das entscheidende Kriterium Speziell in Bezug auf das Bochumer Memo- darstellt. Das Etikettierungs-Ressourcen-Dilemma randum muss festgestellt werden, dass sich die bleibt bestehen. Insgesamt ist die Entwicklung inklusive Schule nicht nur durch die Zahl der für die Schulen derzeit mit einem beträchtlichen SchülerInnen mit SFP auszeichnet, sondern dass Anwachsen von Bürokratie verbunden. Hinzu diese Entwicklungen dringend mit den Fragen kommt die offenkundig sehr ungleichmäßige nach einer Bildungsbeteiligung in Abhängig- und zum Teil auch schwer nachvollziehbare keit von sozialer Herkunft, der Zugänglichkeit Zuweisung von LehrerInnen für Sonderpäda- von Bildungseinrichtungen für geflüchtete und gogik. In diesem Kontext stellt sich auch die schutzsuchende Lernende und der Alternativen Frage nach der eigentlichen Aufgabe dieser zum „Sitzenbleiben“ verzahnt werden müssen. Es Lehrkräfte, die in der Diskussion oft verzerrt bedarf insofern nicht nur ansteigender Zahlen. // dargestellt wird. Ähnlich unklar ist die Frage nach den Aufgaben der vielen SchulbegleiterInnen, die eine unzureichende Unterrichtsversorgung, aber auch Probleme der Unterrichtsgestaltung MSW NRW: Statistik-TELEGRAMM ausgleichen sollen. PDF 2015 / 2016 (Stand: April 2016) www.tinyurl.com/Statistiktelegramm-15-16 Zudem gibt es viele Schulen, die Inklusion notgedrungen für sich jeweils neu erfinden müssen, weil die Erfahrungen fehlen, weil die Dr. Michael Schwager Zuweisung der Lehrkräfte unangemessen ist und Abteilungsleiter an der weil Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten of- Gesamtschule Köln-Holweide fenkundig nicht so greifen, wie es gewünscht ist. Inklusion ist nicht nur eine Zahlenfrage Grundsätzlich lässt sich die Frage nach der Prof. Dr. Andrea Platte Entwicklung eines inklusiven Schulsystems nur Studiengangsleiterin B.A. Pädagogik der Kindheit und Familienbildung an bedingt quantitativ abbilden. Ein inklusives Bil- der Technischen Hochschule Köln dungssystem lässt sich nicht auf Fragen der Plat- zierung von SchülerInnen reduzieren, denen ein
10 BILDUNG Lehrkräftebedarf, Abordnungen und Versetzungen im Gemeinsamen Lernen Der Unmut wächst Das Land NRW hält für die Förderung der SchülerInnen mit sonder- pädagogischem Förderbedarf zwei parallel bestehende Fördersysteme vor: das Gemeinsame Lernen und die Förderschulen. Die verfügbaren Stellen reichen jedoch nicht aus, um den Lehrerbedarf in beiden Systemen zu decken. Abordnungen und Versetzungen gehen vor allem zulasten der Förderschulen. Während in den Förderschulen der Personal- beinhaltet deutlich zu wenig Stellen, um die Dop- deutlich, dass unter dieser Zielsetzung das Ge- bedarf nach einer LehrerInnen-SchülerInnen- pelstruktur aus Förderschule und Gemeinsamem meinsame Lernen nicht adäquat qualitativ um- Relation festgelegt wird, wendet das Land im Lernen in NRW ausreichend mit Lehrkräften zu gesetzt werden kann. Lehrkräfte der allgemeinen Gemeinsamen Lernen zwei Berechnungsarten an: versorgen und eine verlässliche sonderpädago- Schule müssen oft ohne sonderpädagogische Für die drei Förderschwerpunkte Lernen, gische Grundausstattung für den Förderbereich Unterstützung zurechtkommen. Lehrkräfte für Emotionale-soziale Entwicklung und Sprache LES zu gewährleisten. Auch die erlassmäßig Sonderpädagogik können die mangelhafte För- gibt es das Stellenbudget für Lern- und Entwick- vorgegebenen Maßstäbe der Verteilung können derung nicht mehr verantworten und möchten lungsstörungen (LES). Die Personalzuweisung nicht eingehalten werden. Stattdessen wird die deswegen nicht weiter im Gemeinsamen Lernen an die Einzelschule erfolgt also nicht mehr Personalzuweisung im Gemeinsamen Lernen in arbeiten. Eine zunehmende Anzahl von Eltern nach einer LehrerInnen-SchülerInnen-Relation, Regionalkonferenzen der Schulaufsicht mit den bricht die Förderung ihrer Kinder im Gemein- sondern wird ersetzt durch eine dauerhaft be- Schulen ausgehandelt. samen Lernen ab. reitgestellte Unterstützung durch Lehrkräfte Bildungsforscher Prof. Dr. Klaus Klemm hat Im Haushalt des Landes NRW werden aktuell für Sonderpädagogik. Gedacht ist hier an eine frühzeitig darauf hingewiesen, dass die Doppel- vermehrt Stellen bereitgestellt. Sie können jedoch verlässliche, systemische Ressource für eine lern- struktur zusätzliche Personalkosten verursacht wegen des systemischen Lehrkräftemangels nicht prozessbezogene Diagnostik, für Förderplanung und nicht allein mit dem Personalbedarf der durch ausgebildete LehrerInnen für Sonderpä- und für Förderung. Die Schulämter erhalten Förderschulen aus dem Schuljahr 2012 / 2013 dagogik besetzt werden. Gegenwärtig sind an ein Stellenbudget für die sonderpädagogische finanziert werden kann. Die GEW NRW fordert den Förderschulen die besetzten Stellen zu 87 Förderung in den Grundschulen, in der Sekun- 7.000 zusätzliche Stellen für das Gemeinsame Prozent mit sonderpädagogisch ausgebildetem darstufe I und in den Förderschulen Lernen, Lernen. Personal besetzt, im Gemeinsamen Lernen in den Emotionale-soziale Entwicklung und Sprache. Das Stellenbudget LES geht in seiner Be- Grundschulen zu 79 Prozent, in der Sekundar- Nachdem die Förderschulen aus diesem Budget rechnungsgrundlage von einer konstanten be- stufe I zu 91 Prozent. Von einer Besetzung der nach der LehrerInnen-SchülerInnen-Relation ziehungsweise abnehmenden Förderquote aus. Stellen für Sonderpädagogik nach Fachlichkeit in versorgt sind, sollen die verbleibenden Stellen Entgegen dieser Annahme steigt die Förderquote Bezug auf die Förderbereiche der SchülerInnen des Budgets hälftig den Grundschulen und der in NRW jedoch und damit auch der tatsächliche hat sich das Land im Gemeinsamen Lernen Sekundarstufe I zugewiesen werden, wobei die Bedarf an Lehrkräften für sonderpädagogische weitgehend verabschiedet. Es wird erwartet, Grundschulen mindestens eine halbe Stelle pro Förderung. Die Schulen des Gemeinsamen Ler- dass die Lehrkräfte in allen Förderbereichen Zug, die Sekundarstufenschulen mindestens nens erhalten so trotz wachsender Bedarfe fachlich qualifiziert unterrichten – auch dann, eine Stelle pro Zug erhalten sollen. weniger Mittel – das auch, weil die Förderschulen wenn sie nicht dafür ausgebildet sind. Für die Förderschwerpunkte Sehen, Hören, gemäß den Vorgaben des Stellenbudgets LES Abordnungen und Versetzungen Körperlich-motorische Entwicklung und Geistige primär versorgt werden. gehen zulasten der Förderschulen Entwicklung erfolgt die Zuweisung von Lehrkräf- Steigerung der Inklusionsquote Bereits die Online-Umfrage der GEW NRW ten für Sonderpädagogik auch im Gemeinsamen wird zum Qualitätsproblem in 2015 hat ergeben, dass aus annähernd 90 Lernen nach der entsprechenden LehrerInnen- SchülerInnen-Relation der Förderschule. Die gegenwärtige Steuerung der Inklusion Prozent der befragten Förderschulen Lehrkräfte hat primär die Steigerung der Inklusionsquote in das Gemeinsame Lernen abgeordnet oder Stellenbudget LES ist unzureichend in NRW zum Ziel. Jede Verbesserung der Quote versetzt worden sind. Im Mittel sind in den und nicht bedarfsgerecht führt jedoch zu einem zusätzlichen Lehrerbedarf Förderschulen im Bereich LES vier Lehrkräfte Das Stellenbudget LES ist auf der Grundlage im Gemeinsamen Lernen, der nur gewährt wer- von Abordnungen betroffen. In den Schulen der des sonderpädagogischen Personalbedarfs des den kann, wenn an anderer Stelle abgegeben anderen Förderbereiche ist im Durchschnitt min- Schuljahres 2012 / 2013 festgeschrieben. Es wird. Rückmeldungen von Lehrkräften machen destens eine Lehrkraft abgeordnet. Annähernd
nds 8-2016 11 50 Prozent der Förderschulen geben an, dass der SchülerInnen mit diesen Förderschwerpunk- Qualität sonderpädagogischer Abordnungen und Versetzungen zulasten der ten Lehrkräfte in das Gemeinsame Lernen ab. Es Förderung entwickeln und sichern Lehrerversorgung an den Schulen gehen. An- ist jedoch festzustellen, dass mit zunehmender Das Stellenbudget LES ist nicht ausreichend nähernd 80 Prozent dieser Schulen geben an, Tendenz Lehrkräfte dieser Schulen auch zur Erfül- bemessen, um dem tatsächlichen Bedarf an dass sie ihr Förderangebot verändern mussten. lung des Stellenbudgets LES abgeordnet werden. Lehrkräften für Sonderpädagogik gerecht werden 45 Prozent mussten die Klassen vergrößern. Das führt regelmäßig zu einer Arbeitsverdichtung zu können. Zudem stehen auch nicht genügend Hier wird deutlich: Die Förderschulen wer- an den betroffenen Förderschulen. Diese Praxis ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung. den als ein „Reservoir“ genutzt, um die Lehrer- muss beendet und für eine ausreichende Versor- In der Mülheimer Erklärung fordert die GEW bedarfe im Gemeinsamen Lernen abzudecken. gung des Stellenbudgets LES gesorgt werden! NRW zusammen mit anderen Verbänden die Die Förderschulen sind nicht mehr bereit, wegen Die Anwendung der einheitlichen Lehre- Entwicklung und Sicherung der Qualität sonder- Foto: eatcute / fotolia.com einer extensiven Abordnungspraxis die eigenen rInnen-SchülerInnen-Relation für LES in Höhe pädagogischer Förderung in Schulen des Gemein- Förderbedingungen zu verschlechtern. Es wird von 1:9,92 auch in den Schulen für Emotionale- samen Lernens und eine deutlich verbesserte der Ruf laut: „Wer sichert die Qualität der För- soziale Entwicklung macht eine Veränderung Steuerung. „Um qualitativ gutes gemeinsames derung in den Förderschulen?“ des Förderangebotes und eine Vergrößerung Lernen auch weiterhin zu ermöglichen, benötigen Selbst Förderschulen, die unterbesetzt sind, der Klassen notwendig. Die Schulen stellen dar, die Schulen des gemeinsamen Lernens deutlich sollen noch Lehrkräfte in das Gemeinsame Ler- dass die neue Berechnungsgrundlage zu einer mehr Lehrkräfte für sonderpädagogische Förde- nen abordnen. In einzelnen Regierungsbezirken Reduzierung des Unterstützungsangebotes von rung, kleine Klassen, ein erweitertes Angebot haben sich deswegen die Personalräte darauf mindestens 20 Prozent führt. Das führt dann an Fortbildungen für die Lehrkräfte, eine dem verständigt, dass nur dann Abordnungen und auch zu einer Arbeitsverdichtung von eben- Bedarf angepasste räumliche und materielle Versetzungen eingeleitet werden, wenn die falls 20 Prozent für die Lehrkräfte, die unter Ausstattung und mehr Zeitressourcen für Ab- Schulen vollständig besetzt sind. Es sind auch den alten Bedingungen schon häufig an der sprachen und Vorbereitung.“ // Regelungen getroffen worden, wann bei einer Grenze ihrer Belastbarkeit gearbeitet haben. bezirksweiten Unterbesetzung in den Förderschu- Außerdem beklagen die Lehrkräfte, dass die len noch abgeordnet oder versetzt werden kann. Schülerschaft in ihren Förderschulen insgesamt Indem man die Bedarfe in den Förderschulen schwieriger wird, da die „leichteren“ Fälle im Gerd Weidemann und im Gemeinsamen Lernen in Bezug setzt Gemeinsamen Lernen beschult werden. Bei den Leitungsteam der Kommission Inklusion der GEW NRW zu der leistbaren Bedarfserfüllung, wird ein verbleibenden SchülerInnen handelt es sich größ- Prozentsatz ermittelt. Nach diesem Wert werden tenteils um intensivpädagogisch zu fördernde dann beide Orte der sonderpädagogischen Kinder und Jugendliche. In diesen Schulen geht Förderung gleich besetzt. Der Lehrermangel es vorwiegend darum, trotz der verschlechterten Ulrich Benus wird hier quasi „gerecht“ verteilt. Rahmenbedingungen das hoch spezialisierte Leitungsteam der Fachgruppe Sonderpädagogische Berufe Die Schulen mit den Förderschwerpunkten Unterstützungsangebot für die SchülerInnen der GEW NRW Sehen, Hören, Körperlich-motorische Entwicklung und salutogene Arbeitsbedingungen für die und Geistige Entwicklung ordnen zur Förderung Lehrkräfte zu sichern. 80% der Förderschulen Förderschule veränderten ihr Förderangebot.* Abordnung 45% der Förderschulen Versetzung vergrößerten die Klassen.* * aufgrund von Abordnungen und Versetzungen ins Gemeinsame Lernen
12 BILDUNG Geschichte und Gegenwart der Konflikte im syrisch-türkischen Gebiet Crash der Kulturen und Religionen? Warum ist es so schwer, über geschichtliche Ereignisse zu sprechen, die 100 Jahre zurückliegen? Weshalb ist es für die Regierung der Türkei, aber auch für viele in Deutschland lebende Menschen türkischer Abstammung so problematisch, die Vertreibung und Vernichtung von bis zu 1,5 Millionen ArmenierInnen vor 101 Jahren als Völkermord einzuordnen? Und weshalb ist es für die armenische Community so wichtig, dass der Deutsche Bundestag genau diese Anerkennung jetzt ausgesprochen hat? Diese Fragen standen im Hintergrund des Se- Die einander bekämpfenden Gruppen formierten wie sie selbst die Vertreibung der ArmenierInnen minars „Crash der Kulturen und Religionen?“, das sich entlang ethnischer, religiöser und machtpo- und anderer christlicher Minderheiten wahr- gerade einmal zwei Tage nach der Abstimmung litischer Linien. Eine verhängnisvolle Mischung, genommen habe. In ihrem Dorf habe sie sich im Bundestag in der Akademie Villigst stattfand. die Lösungen erschwerte und zu immer neuen immer über eine leerstehende Kirche gewundert, Eingeladen hatte das DGB Bildungswerk NRW Verfolgungen und Fluchtbewegungen führte. bis sie erfuhr, dass die einstigen BesucherInnen e. V. in Kooperation mit dem Verband der Leh- Fluchtbewegungen, die zunächst innerhalb nicht mehr hier lebten. Nach und nach habe sie rerInnen aus der Türkei in NRW (NRW-TÖB). Als Syriens stattfanden: Die Flüchtenden hatten bemerkt, wie sehr Schimpfworte mit Bezügen zu Gäste dabei: Azat Ordukhanian, Vorsitzender stets die Hoffnung, bald in ihre Städte und ArmenierInnen verbunden waren. Noch heute sei des Armenisch-akademischen Vereins 1860 Dörfer zurückkehren zu können. Doch bald es nicht möglich, unbefangen mit ihren Eltern e. V., und die Schriftstellerin Heide Rieck-Wotke, schon drängten die Menschen angesichts der über dieses Thema zu sprechen. die seit vielen Jahren gegen das Vergessen des anhaltenden Konflikte in die Nachbarregionen Wie umgehen mit der Schuld Massakers an den ArmenierInnen anschreibt. und schöpften zunehmend Hoffnung auf ein der Vorfahren? neues Leben in Europa. Syrien: Große Vielfalt und Damit knüpfte sie an einen Gedanken an, komplexe Konflikte Flucht und Vertreibung: den zuvor auch Heide Rieck-Wotke formuliert Zu Beginn der Veranstaltung analysierte Dr. Wenn der Druck unerträglich wird hatte: Vergangenheitsbewältigung setze den Kenan Engin, Politikwissenschaftler an der Uni- Flucht und Vertreibung sind für viele Seminar- Willen und das Bewusstsein in der Bevölkerung versität Mainz, Hintergründe des Kriegs in Syrien teilnehmerInnen bekannte Schicksale: Dr. Kenan voraus, sich ernsthaft der Schuld der Vorfahren und der damit verbundenen Fluchtwellen. Er Engin kam selbst als Flüchtling vor 14 Jahren zu stellen. Sie erzählte, wie sie als junge Frau stellte heraus, dass die syrische Gesellschaft sich aus der Türkei. Wie er verließen auch andere mit dem Holocaust konfrontiert worden sei und aus unterschiedlichen Ethnien und Religionen die Türkei, weil sie als GewerkschafterInnen, gelernt habe, mit der Schuld umzugehen. Dabei zusammensetzt: In Syrien leben unter anderem politisch aktive KurdInnen oder Angehörige habe die 68er-Bewegung in ihrem heftigen Pro- AraberInnen, TurkmenInnen, AssyrerInnen und einer christlichen Minderheit keine Lebenspers- test gegen die Elterngeneration sicher großen ArmenierInnen. 85 Prozent der syrischen Bevölke- pektive in ihrer Heimat sahen. Gymnasiallehrer Einfluss gehabt. Doch sei die Aufarbeitung der rung sind MuslimInnen – darunter zehn Prozent Mathias Akar, dessen Familie in einem kleinen nationalsozialistischen Verbrechen in Deutsch- AlawitInnen – und zehn Prozent ChristInnen, Dorf nahe der türkisch-syrischen Grenze lebte, land nur möglich gewesen, weil die Alliierten daneben gibt es JesidInnen, DruzInnen und mehr. berichtete, dass fast alle AramäerInnen dem nach dem zweiten Weltkrieg diesen Prozess der Das Assad-Regime stütze sich – unter anderem Druck ihrer Umgebung, von ihrem christlichen Umorientierung erzwungen hätten. Die heutige kolonialgeschichtlich bedingt – vorrangig auf Glauben abzulassen und sich der kurdisch- Türkei sei davon leider noch sehr weit entfernt. nichtsunnitische Minderheiten. Latent vorhan- muslimischen Lebensweise anzuschließen, nicht Und Azat Ordukhanian ergänzte, dass auch heu- dene Konflikte seien eskaliert, nachdem der mehr ausgesetzt sein wollten. Sie sahen keine te noch die Verantwortlichen für den Völkermord sozial und politisch bedingte Aufstand gegen das Lebensperspektive mehr für sich und ihre Kinder an den ArmenierInnen als HeldInnen verehrt Assad-Regime zunächst durch unterschiedliche in ihrer Heimat und leben heute verstreut in werden und Straßen, Brücken und Stadtteile mit radikale Bewegungen dominiert und schließlich Ländern der EU oder in den USA und in Kana- ihren Namen schmücken. Nach wie vor gehöre zum Spielball internationaler Akteure wurde. da. Eine türkischstämmige Kollegin erzählte, „der offizielle Leugnungsdiskurs der türkischen
nds 8-2016 13 Workshop: Pädagogische Arbeit gegen Rassismus Was ist los in Deutschland? In dem zweitägigen Workshop „Was ist los in liberaler Gesellschaften festgehalten werden soll, Deutschland? – Ideologien des Rechtsextremis- haben sich dann politische Utopien einer post- mus im neuen Gewand als Herausforderung kapitalistischen Gesellschaft erledigt? Wie steht es an die Verständigung über die Zukunft unserer um das Verständnis von Transformationen im und Gesellschaft“ geht es um Formen der „Neuen des Kapitalismus in den aktuellen Diskussionen? Rechten“. Das Seminar ist Teil des Programms Führen scheinbare Alternativlosigkeiten politischen Fotos: Chikatze, krockenmitte / photocase.de Handelns zur Aushöhlung des Pluralismus und zur „Pädagogische Arbeit gegen Rassismus! Men- schenrechts- und Demokratieerziehung in Schu- Schließung des demokratischen Raums, während sich rechten Ideologen neue Handlungsräume eröff- len“ des DGB-Bildungswerks NRW e. V. nen? Das Seminar mit den Sozialwissenschaftlern Die „Novelle Droite“ von Alain de Benoist oder so- Dr. Heidemarie Dießner und Dr. Werner Dießner genannte „Identitäre“ kommen postmodern daher geht diesen Fragen nach. und geben ihrer antiliberalen Litanei als intellek- Termin: 12.12.2016, ab 16.00 Uhr, tuellen Gegenentwurf zur Symbolik und zu Hand- bis13.12.2016, bis 16.00 Uhr lungsformen der Neonazis ein neues Image. Mit Ort: Haus Villigst, Iserlohner Str. 25, ihrer Kritik am Kapitalismus versuchen sie, auch 58239 Schwerte klassische Felder der Linken zu besetzen. Wenn an Anmeldung: www.dgb-bildungswerk-nrw.de/gew, den zivilisatorischen Errungenschaften moderner Seminarnummer: D17-168116-195 Politik, (...) zum nationalen Selbstverständnis. (...) wird. Gelingende Kommunikation – das zeigte dass Medienkritik genaues Lesen unterschied- Dennoch, wer allein die damalige Führung des sich sehr schön während des Seminars – setzt licher Medien voraussetzt. Nur so ist dem osmanischen Staates des Genozids bezichtigt, der die Bereitschaft voraus, eigene Erfahrungen Gefühl entgegenzutreten, die Medien seien droht zu vergessen – auch das Deutsche Reich darzustellen und anderen zuzuhören. ohnehin einseitig. Denn von dort bis zum Bild war in diese monströsen Verbrechen verstrickt. Für den Umgang im Alltag mit Kindern und einer „Lügenpresse“ ist es kein weiter Weg. Es besteht Nachholbedarf bei der Aufarbeitung Jugendlichen sowie für den Unterricht lassen sich Unsere Gesellschaft ist gepägt von Vielfalt eines dunklen Kapitels. Schließlich hat sich das aus dem Seminar einige Ratschläge ableiten: hinsichtlich der Herkunft und unterschiedlicher kaiserliche Deutschland aktiver Beihilfe zum ◆◆ Vermeiden Sie als LehrerIn in Ihrem eigenen sozialer, kultureller und religiöser Orientierungen – Völkermord schuldig gemacht“, schrieb Historiker Sprachgebrauch Pauschalisierungen wie „die auch in den Klassenräumen. Von LehrerInnen Ludger Heid in der Wochenzeitung derFreitag. TürkInnen“, „die RussInnen“ oder „wir Deut- fordert dies die Bereitschaft, die Auswirkungen Menschliche und demokratische Werte schen“. Wenn Sie Positionen und Haltungen politischer Konflikte innerhalb der Zuwande- zum Thema machen darstellen und bewerten, sagen Sie genau, rungscommunitys, zwischen diesen und mit der wer diese vertritt. Mehrheitsgesellschaft zu beobachten und im Kritisch wurde auch die Frage aufgeworfen, ◆◆ Rechnen Sie bei Ihren SchülerInnen im Um- pädagogischen Alltag angemessen zu agieren: ob die aktuelle Diskussion um den Begriff „Völ- gang mit brisanten Themen wie beispielswei- multiperspektivisch und auf gemeinsame Werte kermord“ nicht die ohnehin komplizierten Bezie- se dem Völkermord an den ArmenierInnen, bezogen. // hungen zwischen der Türkei und Deutschland Terroranschlägen der kurdischen PKK, den sowie innerhalb der türkischen Community und ihrem Umfeld verschlechtert. Dem wurde ent- „Säuberungen“ durch die türkische Regierung gegengehalten, dass gerade wegen des erstar- nach dem Putschversuch oder Übergriffen kenden Nationalismus und der Tendenz zu einer gegen Frauen wie in der Kölner Silvesternacht www. Ludger Heid: Istanbuls willige Helfer fundamentalistisch anmutenden religiösen Rück- mit Abwehr und Unwissenheit. Geben Sie (derFreitag, Ausgabe 2216) deshalb Raum für die Darstellung persönlicher www.freitag.de/autoren/der-freitag/ besinnung die offene und nicht von taktischen istanbuls-willige-helfer Überlegungen bestimmte Auseinandersetzung Eindrücke und Erlebnisse und die mit ihnen mit menschlichen und demokratischen Werten verbundenen Gefühle. ◆◆ Entfalten und stärken Sie die Fähigkeit des Zülfü Gürbüz dringend notwendig sei. Dieser Ansatz bilde auch die Grundlage unserer pädagogischen Zuhörens mit Ihren SchülerInnen. Es reicht Vorsitzender des Verbands der Lehre- rInnen aus der Türkei (NRW-TÖB) Arbeit in der Schule. Die zahlreichen Konflikte im nicht aus, jemanden zu Wort kommen zu Nahen Osten machen – ebenso wie der Konflikt lassen, wenn das Umfeld nur auf Entgegnung zwischen Russland und der Ukraine – nicht vor sinnt und das Gesagte nicht aufnimmt. Üben unserer Haustür halt. Sie finden auch in den Sie dies in Ihren Klassen. Manfred Diekenbrock Communitys statt. Mehrere TeilnehmerInnen ◆◆ Sorgen Sie für Klarheit in der Sache, in- Mitglied im Leitungsteam des Referats Gewerkschaftliche beklagten, dass sie Angst hätten Meinungen dem sie unterschiedliche Medien nutzen Bildungsarbeit der GEW NRW zu äußern, die von dem abweichen, was als und Sachinformationen sorgsam von Be- Position ihres Herkunftslands wahrgenommen wertungen trennen. Machen Sie deutlich,
Foto: David-W- / photocase.de 14 BILDUNG Dezentrale Demonstrationen gegen TTIP und CETA Für faire Globalisierung und eine gerechte Handelspolitik Am 17. September 2016 werden wieder Zehntausende für einen fairen Welthandel und gegen die Handelsabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) auf die Straße gehen. Der Protest ist wichtiger denn je: Es geht um mehr als ein oder zwei weitere Freihandelsverträge. Es geht um die Frage, ob ein Neustart bei der Gestaltung der Globalisierung möglich ist. Jahrzehntelang hat die Handelspolitik ein- Sperrklinkenklausel: Sie schreiben stets das je- Welthandel muss allen zugutekommen seitig auf einen freien Weltmarkt gesetzt, weils höchste erreichte Liberalisierungsniveau Die Kritik an TTIP und CETA und der Ruf nach ohne diesem Markt die nötigen sozialen und fest und verhindern eine erneute Regulierung einer besseren Handelspolitik sind kein deutsches ökologischen Regeln zu geben. Diese Art von von deregulierten Bereichen. Phänomen. Die Gewerkschaften in anderen Globalisierung gerät zu Recht immer mehr in Nachhaltigkeit: Teilen Europas, aber auch in Kanada und den die Kritik, denn sie hat Nebenwirkungen: Die Keine Pflicht zur Umsetzung USA, teilen die Bedenken und Forderungen des Ungleichheit nimmt vielerorts zu, der verstärkte DGB. Diese internationale Einigkeit ist wichtig. Wettbewerbsdruck wird oft auf dem Rücken der Zudem ermöglichen die geplanten Regeln zum Denn die Probleme der Globalisierung werden Beschäftigten abgeladen oder geht zulasten des Investitionsschutz Unternehmen, vor Schieds- nicht durch ein Zurück zum Nationalstaat gelöst, Umwelt- und Verbraucherschutzes. gerichten gegen sinnvolle staatliche Regulierung wie manche behaupten. Die Lösung muss sein, zu klagen. Dank des öffentlichen Drucks hat Ausnahmenlisten: den Welthandel so zu gestalten, dass seine Vor- es bei CETA klare Verbesserungen gegeben – Kontrollen fast unmöglich teile wirklich allen zugutekommen. Es braucht beispielsweise hinsichtlich der Unabhängigkeit Kämen CETA und TTIP wie geplant, würden einen transparenten Diskussionsprozess, der der Schiedsrichter und der Überprüfbarkeit von sich die Probleme noch verschärfen. CETA folgt die faire Gestaltung der Globalisierung in den Urteilen. Grundsätzlich bleibt es aber dabei, dass Mittelpunkt stellt. beispielsweise als erstes EU-Abkommen über- ausländische InvestorInnen durch das Abkom- Dafür gehen wir am 17. September 2016 haupt dem sogenannten Negativlisten-Ansatz men zusätzliche Rechtsansprüche gegenüber in sieben deutschen Städten auf die Straße – und führt damit tendenziell zu immer mehr De- dem Staat erhalten und Regierungen unter gemeinsam mit vielen anderen Organisationen. // regulierung. Bislang mussten Bereiche, in denen Druck setzen können. der Wettbewerb verstärkt werden soll, explizit in Stattdessen bräuchten wir effektive Durch- einer Positivliste aufgeführt werden. Künftig soll es nach dem Willen der VerhandlungsführerInnen setzungsmechanismen für ArbeitnehmerIn- nenrechte und entsprechende staatliche NRW gegen TTIP umgekehrt sein: Möchte ein Staat Ausnahmen Auch in NRW gehen Gewerkschaften und Bür- festlegen, muss er den jeweiligen Bereich auf Regulierungen müssen gestärkt werden. Und gerInnen gemeinsam auf die Straße, um gegen eine Negativliste setzen. Damit muss nicht tatsächlich sollen CETA und TTIP auch Nach- TTIP und CETA zu demonstrieren: mehr die Liberalisierung gerechtfertigt werden, haltigkeitskapitel mit Vorgaben zum Schutz Termin: 17.09.2016, 12.00 Uhr sondern die Ausnahme davon. und zur Förderung solcher Rechte beinhalten. Ort: Deutzer Werft, Köln Das Problem: Während alle anderen Teile des Den Aufruf, weitere Materialien und alle Infos Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass wichtige zur Demo in Köln gibt es unter nrw.dgb.de/ttip Regeln – etwa zum Schutz der Daseinsvorsorge – Abkommens mit Sanktionen bewehrt sind – also auf der Negativliste vergessen werden. Die beispielsweise Verstöße gegen die Pflicht zur Ausnahmenlisten bei CETA umfassen rund 870 Zollsenkung mit Strafen belegt werden können Seiten. Damit ist kaum kontrollierbar, ob wirklich –, gilt das für die Nachhaltigkeitskapitel nicht. Stefan Körzell alle wichtigen öffentlichen Dienstleistungen Ausgerechnet im Abkommen festgeschriebene DGB-Vorstandsmitglied, Schwer- punkte: Wirtschafts-, Finanz- und vom Geltungsbereich des Abkommens effektiv ArbeitnehmerInnenrechte oder Umweltstandards Steuerpolitik sowie Struktur-, Indus- ausgenommen sind. Außerdem enthält CETA sind damit nicht effektiv durchsetzbar. Nachhal- trie- und Dienstleistungspolitik Regelungen wie die Stillstandsklausel und die tigkeitskapitel drohen zahnlose Tiger zu bleiben. Foto: DGB / Simone M. Neumann
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