Was will ich werden? Berufswahl: Erziehung & Wissenschaft 04/2017 - GEW
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Gewerkscha Erziehung und Wissenscha Erziehung & Wissenschaft 04/2017 Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW Berufswahl: Was will ich werden?
2 GASTKOMMENTAR Foto: BIBB ANGELIKA PUHLMANN Berufsberatung verbessern Über die Teilhabe von Frauen an Ausbildung und Beruf gibt es Mädchen und Jungen sollten schon frühzeitig Einblick in ein in Deutschland zwei scheinbar diametral entgegengesetzte breites – auch für sie „untypisches“ – Berufsspektrum er- Erzählungen: Die eine hebt den gestiegenen Frauenanteil mit halten. Ebenso sollten geschlechtsbezogene Konnotationen Abitur, die Selbstverständlichkeit einer Berufsausbildung und von Berufspräsentationen – Berufsbilder und Beschreibun- die gestiegene weibliche Erwerbstätigkeit hervor. Die andere gen – erkannt und durch klischeefreie Darstellungen ersetzt verweist darauf, dass Frauen trotz besserer Schulabschlüsse werden, die einen Beruf als gleichermaßen für Frauen und immer noch größere Schwierigkeiten als Männer haben, einen Männer geeignet zeigen. Entsprechende Materialien lassen Platz im dualen System zu finden und sich häufiger für schuli- sich nutzen, um die Perspektiven von Eltern auf die Ausbil- sche Ausbildungen in Gesundheit, Pflege, Sozialem, Erziehung dungsmöglichkeiten ihrer Töchter – und Söhne – zu erwei- entscheiden. Und dass Erwerbsunterbrechungen und Teilzeit- tern. So können „untypische“ Berufsentscheidungen geför- arbeit weiterhin weibliche Berufsverläufe charakterisieren. dert werden. Dazu gehören – ganz wichtig – immer auch Als dritte Erzählung lässt sich noch die über die verschiede- Informationen über Ausbildungsvergütungen, Verdienst- nen Prognosen hinzufügen: dass „die Wirtschaft“ „die Frau- und Karrierechancen in einzelnen Berufen sowie über Ar- en“ braucht, dass ihr „Arbeitsmarktpotenzial“ besser aus- beitsbedingungen in den unterschiedlichen Branchen, etwa geschöpft und ihre „zeitliche Erwerbspartizipation“ erhöht Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Rückkehrmöglich- werden sollen. keiten nach Auszeiten oder Beschäftigungssicherheit. Alle Angesichts dieser Szenarien muss man sich jedoch fragen, diese Aspekte müssten Bestandteil einer berufsbiografisch wie die Wahlmöglichkeiten junger Frauen heute tatsächlich orientierten Beratung in Hinblick auf Einkommen und Al- einzuschätzen sind. Haben sie zugenommen? Und wenn ja, terssicherung sein. Themen, die wahrscheinlich bei jungen werden sie auch genutzt? Ein vergleichender Blick auf die Frauen in der Berufswahlphase noch keine große Aufmerk- neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge junger Frauen samkeit erregen. Aber bereits mit der Entscheidung über und Männer in den 25 am stärksten besetzten dualen Aus- einen Ausbildungsweg werden diese Fragen wichtig: Denn bildungsberufen lässt daran zweifeln. Es ergibt sich ein über anders als eine schulische Berufsausbildung, die häufig so- Jahrzehnte hinweg grundlegend unverändertes Bild: ein brei- gar noch Geld kostet, ist eine duale Ausbildung mit einer teres Berufsspektrum für junge Männer mit Schwerpunkten Vergütung verbunden, inklusive einer Sozialversicherung, in gewerblich-technischen und handwerklichen Berufen, ein mit der bereits Anwartschaften für die Rente erworben wer- engeres Berufsspektrum für junge Frauen mit Schwerpunkten den. Nicht zuletzt muss allerdings die Wirtschaft für deutlich in kaufmännischen Berufen, im Verkauf und in Freien Berufen mehr gute Ausbildungs- und Beschäftigungsangebote für (s. Interview S. 12 ff.). Zudem ist die Zahl der Ausbildungsan- Frauen in „Männerdomänen“ sorgen. Nur so realisiert sich fängerinnen im dualen System weiter rückläufig. ein erweitertes Berufsspektrum. Dieser Trend spiegelt in gewisser Weise den Arbeitsmarkt wider, der ähnlich unter Männern und Frauen aufgeteilt ist. Angelika Puhlmann, Deshalb müssen wir die Berufsberatung dringend verbessern, Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), um „Grenzüberschreitungen“ bei der Berufswahl anzuregen stellvertretende Leiterin des Arbeitsbereichs Übergänge in Ausbildung und zu unterstützen (s. S. 16 f. und S. 19 f.). und Beruf, Berufsorientierung/Berufsorientierungsprogramm Erziehung und Wissenschaft | 04/2017
INHALT 3 Prämie Inhalt des Monat s Seite 5 Gastkommentar IMPRESSUM Berufsberatung verbessern Seite 2 Erziehung und Wissenschaft Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung · 69. Jg. Impressum Seite 3 Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund Auf einen Blick Seite 4 Vorsitzende: Marlis Tepe Redaktionsleiter: Ulf Rödde Redakteurin: Helga Haas-Rietschel Prämie des Monats Seite 5 Redaktionsassistentin: Katja Wenzel Postanschrift der Redaktion: Reifenberger Straße 21 Schwerpunkt: 60489 Frankfurt am Main Telefon 069 78973-0 Berufswahl: Rollenklischees und Geschlechterstereotype Fax 069 78973-202 katja.wenzel@gew.de 1. Berufswünsche: Was will ich werden? Seite 6 www.gew.de 2. Ausbildungssuche: Beharrlich stereotyp und eingeschränkt Seite 8 facebook.com/GEW.DieBildungsgewerkschaft twitter.com/gew_bund 3. Interview mit Hannelore Faulstich-Wieland: „Rollenbilder sind sehr wirksam“ Seite 12 Redaktionsschluss ist in der Regel 4. Gendersensible Berufsorientierung: „Als Lehrende sind wir Rollenvorbilder“ Seite 16 der 7. eines jeden Monats. 5. Stereotype aufbrechen – was bringen Girls‘- und Boys‘Days? Seite 19 Erziehung und Wissenschaft erscheint elfmal jährlich. Nachdruck, Aufnahme in Onlinedienste und Internet sowie Vervielfältigung auf Datenträger der „Erziehung Initiative „Bildung. Weiter denken!“ und Wissenschaft“ auch auszugweise nur nach vorheri- ger schriftlicher Genehmigung der Redaktion. 1. Kongress in Bochum: „Primat der Pädagogik gilt auch in der digitalen Bildung“ Seite 21 Gestaltung: 2. Mythen der Steuerpolitik: Bildungsausgaben – Taschenspielertrick Seite 27 Werbeagentur Zimmermann, 3. Die Kernthesen des Tobias Kaphegyi: Verheerende Bilanz des Neoliberalismus Seite 28 Heddernheimer Landstraße 144 60439 Frankfurt 4. Die Initiative präsentiert sich: Heraus zum 1. Mai! Seite 30 Für die Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitglieds- 5. Aktionszeiträume: Blick zurück und nach vorne Seite 30 beitrag enthalten. Für Nichtmitglieder beträgt der Bezugspreis jährlich Euro 7,20 zuzüglich Euro 11,30 Zustellgebühr inkl. MwSt. Für die Mitglieder der Dialog: Zeitschrift für Seniorinnen und Senioren ab Seite 23 Landesverbände Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen werden die Jugendhilfe und Sozialarbeit jeweiligen Landeszeitungen der E&W beigelegt. Für un- verlangt eingesandte Manuskripte und Rezensionsexem- 15. Kinder- und Jugendbericht: Volljährig, aber nicht unabhängig Seite 31 plare wird keine Verantwortung übernommen. Die mit dem Namen des Verfassers gekennzeichneten Beiträge stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder Marktplatz Seite 33 des Herausgebers dar. Verlag mit Anzeigenabteilung: 28. GEW-Gewerkschaftstag Stamm Verlag GmbH Goldammerweg 16 Kandidatinnen und Kandidaten für den Geschäftsführenden Vorstand der GEW Seite 34 45134 Essen Verantwortlich für Anzeigen: Mathias Müller Telefon 0201 84300-0 E&W-Serie „Willkommen in Deutschland“ Fax 0201 472590 anzeigen@stamm.de „Alles gut“ – ein Film über Flüchtlingsfamilien: „Wir schaffen das trotzdem“ Seite 43 www.erziehungundwissenschaft.de gültige Anzeigenpreisliste Nr. 40 vom 01.01.2017, Schule und Medien Anzeigenschluss Medium Film in der Schule: Filmkompetenz erwerben Seite 44 ca. am 5. des Vormonats Erfüllungsort und Gerichtsstand: Frankfurt am Main Leserforum Seite 46 Diesmal Seite 48 ISSN 0342-0671 Die E&W wird auf 100 Prozent chlorfrei Titel: Werbeagentur Zimmermann gebleichtem Recyclingpapier gedruckt. Erziehung und Wissenschaft | 04/2017
4 AUF EINEN BLICK BAföG: zu wenig zum Leben Chancen – nicht für alle Nun gibt es wieder eine Debatte über Nach wie vor – gut 15 Jahre nach dem PISA-Schock – beein- das Bundesausbildungsförderungsge- flusst die soziale Herkunft erheblich die Bildungschancen setz – kurz BAföG: Anlass ist der Mitte der Kinder und Jugendlichen. Zu diesem Ergebnis kommt die Februar veröffentlichte „Alternative aktuelle Bildungsstudie „Chancenspiegel 2017“, die Anfang BAföG-Bericht“ von DGB-Jugend, März in Berlin präsentiert worden ist. Das gemeinsame Moni- GEW, ver.di und IG Metall. Der Report toring von Bertelsmann Stiftung, TU Dortmund und Uni Jena zeigt, was bei der staatlichen Ausbildungsförderung schief zeichnet für den Zeitraum von 2002 bis 2014 nach, wie es um läuft. Zum Beispiel: Die Studierendenzahlen steigen, der Anteil Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen, um Gerech- der BAföG-Empfänger schrumpft. Die Gewerkschaften werte- tigkeit und Leistungsfähigkeit in deutschen Schulen steht. ten aktuelle BAföG-Zahlen aus und stellten fest, dass Bedarfs- Demnach liegen Neuntklässler aus einkommensschwächeren sätze und Freibeträge zu niedrig, Wohnkostenpauschale und Familien in ihrer Lesekompetenz trotz leichter Verbesserun- Altersgrenzen realitätsfern seien. Fazit: Das BAföG sei im Laufe gen immer noch mehr als zwei Schuljahre hinter ihren Klas- seiner Geschichte erheblich erodiert. Obwohl die Fördersätze senkameraden aus privilegierten Milieus (s. DIESMAL S. 48) im vergangenen Herbst um sieben Prozent erhöht worden sei- zurück. Ein weiterer Befund: Die Unterschiede zwischen den en, „liegen diese um 6,4 Prozentpunkte unter der Entwicklung Bundesländern haben sich seit 2002 vergrößert: „Land der der Lebenshaltungskosten seit 1971“, heißt es in dem Bericht. unterschiedlichen Geschwindigkeiten“ statt „gemeinsame Aktuell liegt der Höchstsatz für einen Studierenden, der nicht Bildungsrepublik“ – so könnte man die Ergebnisse des neuen bei seinen Eltern wohnt, bei 735 Euro im Monat. Zwei Drittel „Chancenspiegel Schule“ zusammenfassen. „Spiegel Online“ der Studierenden müssen jobben, um die Löcher in ihrem titelte: „Falscher Wohnort? Pech gehabt.“ Besonders schlecht Geldbeutel zu stopfen. Einem „Spiegel“-Bericht zufolge sei die kommt unter dem Aspekt der Chancengleichheit das Schul- Quote der geförderten Studierenden in den vergangenen drei system in Bayern weg – zu undurchlässig, zu wenig Ganztag, Jahren von 19 auf 15 Prozent gesunken. Dagegen hatten in den zu kleiner Inklusionsanteil. „Modernisierungsrückstände“ ersten BAföG-Jahren einmal fast 45 Prozent der Studierenden nennen das die Wissenschaftler aus Dortmund und Jena. In Förderung erhalten. Die GEW dringt darauf, die BAföG-Sätze Abstufungen gelte dies auch für das einstige Bildungsmuster- noch vor der Bundestagswahl anzuheben. Das BAföG müsse land Baden-Württemberg. endlich wieder zu 100 Prozent als Zuschuss gewährt, Förder- sätze und Freibeträge müssten automatisch an die steigenden Lebenshaltungskosten angepasst werden, fordert GEW-Vize Nachhilfeboom und Hochschulexperte Andreas Keller: „Nur so können wir Für 1,2 Millionen Jugendliche ist Nachhilfeunterricht ein fes- den sozialen Numerus clausus überwinden.“ Die GEW plädiert ter Bestandteil ihrer Schulkarriere. Darauf wies bereits eine zudem dafür, so schnell wie möglich eine umfassende Struk- Untersuchung im vergangenen Jahr hin. Eine neue Studie der turreform der Ausbildungsförderung anzupacken. Hans-Böckler-Stiftung (HBS) macht jetzt noch einmal deutlich, Mehr Infos: www.jugend.dgb.de/studium dass der kommerzielle Nachhilfeunterricht ein boomender Geschäftszweig sei, mit dem in Deutschland Milliarden Euro verdient werden. Diese Entwicklung trage dazu bei, dass sich Sozial abgehängt die soziale Kluft in der Schülerschaft vertieft. Denn Eltern mit Etwa 3,7 Millionen Minderjährige sind in Deutschland nach geringerem Einkommen könnten sich Nachhilfe für ihre Kin- Angaben der Kinder- und Jugendhilfe „sozial abgehängt“ – der kaum leisten (Report folgt im Juni-Heft). Einen Ausweg „durch Eltern ohne Berufsausbildung, ohne Job oder durch aus dieser sozialen Ungleichheit sieht der Dortmunder Bil- von Armut bedrohte Elternhäuser“. Sie gehörten zu den dungsforscher Prof. Wilfried Bos im Ausbau des Ganztags. Für „Verlierern ihrer Generation“, stellte die Vorsitzende der Ar- Bos eine Chance, einer fortschreitenden Privatisierung der beitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe, Karin Böllert, Bildung entgegenzuwirken. Ganztagsschulen könnten verhin- Ende März in Berlin fest. Von 3,7 Millionen vertanen Chan- dern, dass per Nachhilfe zunehmend cen spricht Norbert Hocke, im GEW-Vorstand für Jugendhilfe das Portemonnaie der Eltern und Sozialarbeit verantwortlich. Ein gesellschaftlicher Skan- über Lebensperspektiven der dal, der endlich behoben werden müsse. Seit langem fordert Kinder entscheide, sagte der die GEW eine Kindergrundsicherung für alle Kinder, die das Schulentwicklungsexperte Existenzminimum und eine gute Bildung ermöglicht. Dazu gegenüber der Deutschen verpflichte auch das Grundgesetz, so Hocke. Finanzielle Ar- Presse-Agentur (dpa). Der mut gehe häufig auch mit Bildungs- und Kulturarmut einher. aktuelle Nachhilfeboom sei Der Kinder- und Jugendhilfetag der Arbeitsgemeinschaft für eigentlich eine „Bankrotter- Kinder- und Jugendhilfe habe dies eindrucksvoll verdeutlicht klärung für die Schule“. (Bericht folgt in der Mai-Ausgabe). Info: Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe ist Foto: dpa ein Netzwerk bundeszentraler Organisationen und Institutio- Prof. Wilfried Bos, nen der freien und öffentlichen Jugendhilfe. Bildungsforscher Erziehung und Wissenschaft | 04/2017
Mitmachen lohnt sich ... ... für jedes neu geworbene GEW-Mitglied erwarten Sie zwei Fahrradtaschen.* Prämie des Monats April: Zwei Fahrradtaschen Neues Mitglied werben und Prämie online anfordern www.gew.de/praemienwerbung *Dieses Angebot gilt nicht für Mitglieder des GEW-Landesverbandes Niedersachsen. Keine Lust auf unser Online-Formular? Fordern Sie den Prämienkatalog an! Per E-Mail: mitglied-werden@gew.de | Per Telefon: 0 69 / 7 89 73-211 oder per Coupon: E&W-Prämie des Monats April 2017/Fahrradtaschen Bitte in Druckschrift ausfüllen. Vorname/Name GEW-Landesverband Straße/Nr. Telefon Fax PLZ/Ort E-Mail Bitte den Coupon vollständig ausfüllen und an folgende Adresse senden: # Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Reifenberger Straße 21, 60489 Frankfurt a. M., Fax: 0 69 / 7 89 73-102
6 BERUFSWAHL: ROLLENKLISCHEES UND GESCHLECHTERSTEREOTYPE Was will ich werden? // Welchen Einfluss haben Geschlechterstereotype auf die berufliche Orientierung von Mädchen und Jungen? Wissen die jungen Menschen, was ihre Entscheidung für ihr Leben bedeutet? E&W hat drei Jugendliche aus Berlin befragt. // Traumberuf Paul: „Schön wäre Hundetrainer ich irgendwann Hu werden könnte. Da es, wenn ndetrainer es den Beruf nicht als Ausb // Paul, 15 Jahre alt, il- 10 einer Sekundarschu . Klasse dungsberuf gibt, mu ss le, macht ich zunächst Tierpfle in diesem Schuljahr ger se Mittleren Schulabs inen lernen.“ chluss (MSA). // „Ich fange gerade an, mich für einen Ausbildungsplatz als Tierpfleger zu bewerben. Schön wäre es, wenn ich irgen dw an n Hu nd et rain er we rd en ann könnte. Da es den Beruf nicht als Aus- Fotos: Kay Her schelm bildungsberuf gibt, muss ich zunächst Tierpfleger lernen. Hundetrainer ist aber mein Traumbe ruf. Den Tipp hat mir meine Mutter ge Wichtig ist mir, da geben. Mit Hunden ss ich so schnell wi konnte ich schon im möglich eigenes Ge e dung sein wird. Ich mer gut umgehen. ld verdienen kann kann mir aber gut Ich habe es als Kind Ein Beruf muss mir . vorstellen, mein Le sogar geschafft, ei- aber auch Spaß ma ben lang mit Hunden nen Hund, der imme chen. Als kleiner Ju - zu arbeiten. Wenn r vor Angst bellte, nge wollte ich Feue ich er wachsen bin wenn er Kinder ge wehrmann werden r- würde ich gern in , sehen hat, die Angs , so wie viele andere einer Wohngemein vor ihnen zu nehmen t Jungs auch. Zurzeit schaft oder allein - . mache ich mir noch leben, aber nicht in keine Gedanken, wa Berlin. Kinder will s nach der Ausbil- ich keine haben, Er- ziehung wäre mir zu schwierig.“ Nach dem Abi viel reisen Asien, Südamerik a, Afrik a. Mich inte- Wenn ich 30 bin, hoffe ich, dass ich bis // Emma, 15 Jahre, besucht die dahin viel von der Welt gesehen und ei- ressieren fremde Sprac hen, deshalb 9. Klasse eines Gymnasiums. // nen Job habe, der mir gut gefällt. Aber kann ich mir gut vorstellen, später einmal etwas in diesem Bereich zu so richtig vorstellen kann ich mir das „Nach dem Abi möchte ich viel reisen, heute noch nicht. Karriere oder viel studi eren. mir viele Länder anschauen und die Zeit Geld zu verdienen, ist für mich nicht Als ich ein kleines Kind war, wollte ich genießen. Vielleicht verbinde ich das wichtig. Über Familie und Kinder mache Musikerin oder Sängerin werden. Das auch mit einem Freiwilligen Sozialen ich mir noch gar keine Gedanken. kann ich mir auch heute noch vorstel- Jahr (FSJ). len. Den Beruf der Lehrerin fand ich frü- Wenn ich erwachsen bin, würde ich Ansc hauen will ich mir vor allem ganz gerne von Zuhause ausziehen und mit her auch ganz toll. Heute nicht mehr so, beso ndere Orte; das sind für mich anderen zusammen in einer Wohnge- da ich unser Schulsystem alles andere Länd er und Kulturen außerhalb West- meinschaft leben.“ als gut finde. euro pas und Nordamer ikas – z. B. Erziehung und Wissenschaft | 04/2017
BERUFSWAHL: ROLLENKLISCHEES UND GESCHLECHTERSTEREOTYPE 7 iwilliges S oziales Jahr Zunächst: Fre Wie mein Leben in zehn oder 15 Jahre n aber alles stimmen in den nächsten . Ich hoffe, dass sic Jahren die Ge se h tze 12. Klasse rd sich zeigen. Vi el- optionen für gleich - // Jule, 17 Jahre alt, acht in aussehen wird, wi ändern, so da ss Ad s, m Partner oder eine te r mö gli ch eines Gymnasium are lei ch leicht habe ich einen geschlechtliche Pa r. // bekommen, kann diesem Jahr Abitu Partnerin. Kinder zu sind.“ rstellen. Dann muss ich mir auch gut vo rde ich zunächst „Nach dem Abi we ziales Jahr (FS J) im mich nicht ein Freiwilliges So Jule: „Gleich zu stu dieren, kommt für solvieren; wenn es d weiß gar Bereich Kultur ab infrage; ich habe so viele Interessen un r Jugendkulturen in mm en soll.“ klappt, im Archiv de nicht, wie ich die un ter einen Hut beko Mutter Historikerin Berlin. Dass meine eine Rolle bei mei- ist, spielt sicherlich i- aber keine entsche ner Entscheidung, em ch eher an mein dende. Ich habe mi tiert. Was nach dem Freundeskreis orien ich sehen. Gleich zu FSJ kommt, werde - für mich nicht infra studieren, kommt un d le Interessen ge; ich habe so vie ich die unter einen weiß gar nicht, wie Vor ein paar Jahren Hut bekommen soll. gt, ich ziehe mit 18 habe ich noch gesa it Das ist aber derze von Zuhause aus. sc h. den unrealisti aus finanziellen Grün sc he haben sich in Meine Berufswün n- Jahren stark gewa den vergangenen Ph ilo - ige wollte ich delt. Als Sechsjähr lle rin , äter Schriftste sophin werden, sp dann Schauspielerin. Emma: „Nach dem Abi möchte ich viel reisen und mir viele Länder anschauen und die Zeit genießen.“ Aufgezeichnet von Jürgen Amendt, Redakteur „neues deutschland“ Erziehung und Wissenschaft | 04/2017
8 BERUFSWAHL: ROLLENKLISCHEES UND GESCHLECHTERSTEREOTYPE Typisch männlich: der Mechatroniker. Bei der Berufswahl der jungen Männer Foto: dpa liegt er ganz vorne. Beharrlich stereotyp und eingeschränkt // Jungen wählen oft technische, Frauen eine Ausbildung zur Kauffrau für von 45 Prozent in allen Berufen zu errei- Mädchen häufig soziale und Büromanagement, gefolgt von Einzel- chen. Damit wird deutlich, dass sich die kommunikative Berufe – und handelskauffrau und medizinischer Fach Frauenanteile in den meisten Berufen hängen mit Blick auf Verdienst angestellter. Jungen entschieden sich über die letzten 35 Jahre nur wenig ver- und Karriere meist hinterher. am häufigsten für eine Lehre als Kraft- ändert haben.“ Beklagt wird dies seit längerem. fahrzeugmechatroniker, auch Industrie Trotz Initiativen wie dem 2001 gestar- Gegengesteuert wird auch. mechaniker oder Elektroniker waren teten Girls‘Day oder dem 2008 ins Le- Ohne große Erfolge. // gefragt**. Bei Studienanfängern in In- ben gerufenen „Nationalen Pakt für genieurwissenschaften lag der Frauen Frauen in MINT-Berufen“ setzt sich eine 2020 soll die erste deutsche Frau zur In- anteil 2014 lediglich bei 21 Prozent, geschlechtsstereotype Berufswahl be- ternationalen Raumstation ISS fliegen. während er in Erziehungswissenschaften harrlich fort. Dafür gibt es viele Gründe: 400 Ingenieurinnen und Naturwissen- 74 Prozent, bei Gesundheit und Sozia- „Es ist ein Zusammenspiel von Präfe- schaftlerinnen bewarben sich für das lem 72 Prozent, in Geisteswissenschaf- renzen und Persönlichkeit, biologischen Projekt „Die Astronautin“*. „Die Zukunft ten sowie Kunst 68 Prozent betrug***. Faktoren und Sozialisation“, sagt die der Raumfahrt ist weiblich“, verkünde- In einer 2015 am Hamburgischen Welt- Wirtschafts- und Sozialwissenschaftle- te Brigitte Zypries (SPD), damals noch wirtschaftsinstitut (HWWI) von Christina rin Bublitz. Konservative Perspektiven Staatssekretärin im Bundeswirtschafts- Boll, Elisabeth Bublitz und Malte Hoff- bei unterschiedlichen Akteurinnen und ministerium, im September 2016. Klingt mann erstellten Studie zur geschlechts- Akteuren der Berufsorientierung, ste- toll, doch grundsätzlich sehen die Berufs- spezifischen Berufswahl**** heißt es: reotype Werbung und Medieninhalte, wünsche junger Frauen ganz anders aus. „Im Jahr 2010 hätten noch immer 61,4 die Spielwarenindustrie, aber auch Un- Laut Statistischem Bundesamt began- Prozent der Beschäftigten ihren Job ternehmen und Wissenschaft prägten nen auch 2015 die meisten jungen wechseln müssen, um eine Frauenquote Rollenklischees, ergänzt die Geschäfts- Erziehung und Wissenschaft | 04/2017
BERUFSWAHL: ROLLENKLISCHEES UND GESCHLECHTERSTEREOTYPE 9 führerin des Kompetenzzentrums Tech- nicht erreicht: Am Girls‘Day hätten 2016 den Spaß an Wissenschaft und Technik nik-Diversity-Chancengleichheit an der rund 100 000 Mädchen teilgenom- zu erhalten, fordert sie. In der Grund- Fachhochschule Bielefeld, Ulrike Struwe. men – das seien gerade mal fünf Pro- schule seien Mädchen noch neugierig zent der Adressatinnen. „Wir müssen und offen für alle naturwissenschaft- Faktor soziale Herkunft die vorhandenen Projekte noch mehr lichen Fächer: „Erst in der Pubertät Zu unterscheiden ist indes zwischen verstetigen“, fordert Struwe. bricht das ab. Selbst Mädchen mit gu- Ausbildungsberufen und Studiengän- Jugendliche bräuchten kontinuierlich ten Fähigkeiten in diesen Bereichen gen: Auf akademischer Ebene, auf der Informationsmöglichkeiten jenseits von glauben dann, sie könnten etwas nicht.“ Berufsbilder nicht so festgelegt sind, Stereotypen. Werden solche Angebote Um das Selbstvertrauen junger Frauen gebe es weniger Geschlechtertren- aufgegeben, „fallen Erfolge sehr schnell zu stärken, plädiert Struwe dafür, Teen- nung, so die Leiterin der Arbeitsgrup- in sich zusammen“. Im Jahr 2000 sei, um ager während der Pubertät in natur- pe Geschlechterforschung am Institut den Frauenanteil in IT-Berufen zu erhö- wissenschaftlichen Fächern getrennt zu für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hen, das Ausbildungsprojekt „idee_it“ unterrichten – „damit nicht die Jungen der Bundesagentur für Arbeit (IAB), Ju- gestartet worden. 2001 habe es in der die Experimente durchführen und die liane Achatz. Akzeptiert werden müsse Fachinformatik einen Frauenanteil von Mädchen Protokoll schreiben“ (s. S. 16 f. zunächst wohl: Einiges sei angeboren. 11,6 Prozent gegeben. 2005 sei das und S. 19 f.). „Bestimmte Interessen und Vorlieben Projekt eingestellt worden, inzwischen Die GEW verlange seit langem, dass haben auch mit unseren Genen und liege der Frauenanteil nur noch bei Lehrkräfte sich Genderkompetenzen unserem Geschlecht zu tun“, stellt die 7,3 Prozent. Eine frühe Förderung von aneignen, auch um ihr eigenes Rollen- Entwicklungspsychologin und Vize Mädchen sei zwar wichtig, aber nicht verständnis zu reflektieren, so Frauke kanzlerin der Universität Jena, Eva ausschlaggebend. Viele junge Frauen Gützkow, im GEW-Vorstand für Frau- Schmitt-Rodermund fest. Auch mit entschieden sich erst kurz vor dem Abi enpolitik verantwortlich. Im Unter- Blick auf Fähigkeiten gebe es von klein tur für einen Beruf, ergab Struwes Dis- richt sollten wichtige Aspekte der Be- auf erkennbare Unterschiede: Jungen sertation zur „Berufsorientierung tech- rufswahl wie Verdienstmöglichkeiten, hätten zum Beispiel im Schnitt eine nisch interessierter Jugendlicher“. Arbeitszeiten und Weiterentwicklungs- bessere räumliche Wahrnehmung als perspektiven zudem noch ausführlicher Mädchen. Genderkompetenzen nötig thematisiert werden, um ein Bewusst- Zu diesen Anlagen gesellten sich Ein- Für Schmitt-Rodermund setzen Pro- sein für Geschlechterrollen zu schaffen flüsse von außen. Bereits Zweijährige gramme wie der Girls‘Day viel zu spät und diese aufzubrechen (s. S. 12 f.). verstünden, dass das, was ihnen Eltern an. Schon ab der ersten Klasse müsse Gützkow verweist aber auch darauf, und Erzieherinnen vorlebten, als ty- begonnen werden, auch bei Mädchen dass Lehrkräfte nach der Familie und pisch für Männer und typisch für Frau- en gelte, erklärt Schmitt-Rodermund. „Kinder haben schon in ganz frühem Typisch weiblich: die medizinische Alter eine Vorstellung davon, was Jun- Fachangestellte. Bei den jungen gen- und Mädchenberufe sind.“ All Frauen einer der drei begehrtesten dies verfestige sich im Laufe der Jahre Ausbildungsberufe. zu eigenen Stereotypen und Selbstbil- dern. Mit Blick auf die Berufswahl sei- en die Einflüsse von Müttern, Vätern und Rollenvorbildern in den Familien am besten untersucht – und wohl am wichtigsten, stellt Achatz fest. Damit sei mal wieder der Faktor soziale Her- kunft bedeutend: Ingenieurs-Eltern ermutigten ihre Töchter beispielswei- se eher, einen frauenuntypischen Be- ruf zu ergreifen. Struwe zufolge steht der notwendige gesellschaftliche Wandel nach wie vor aus. „Bei uns sind Berufe noch immer stark vergeschlechtlicht. Das ist so in den Köpfen vieler Menschen drin“, sagt sie. Girls‘Day und MINT-Pakt seien „ein Tropfen auf den heißen Stein unseres Foto: dpa Langzeitgedächtnisses“ (s. S. 19 f.). Bis- her sei die Zielgruppe auch noch längst Erziehung und Wissenschaft | 04/2017
10 BERUFSWAHL: ROLLENKLISCHEES UND GESCHLECHTERSTEREOTYPE ten eines Mathematikstudiums Frauen Hohe Erwartungen gewesen, in der Chemie habe die Quote Jugendliche haben der 17. Shell-Studie von 2015* zufolge hohe Bildungs- und bei 43,9 Prozent gelegen. „Und trotz- Berufserwartungen sowie große Ansprüche an ihre Arbeitgeber. Am wichtigs- dem heißt es immer wieder abwertend ten ist ihnen jedoch ein sicherer Arbeitsplatz (95 Prozent). Mehr als 90 Prozent ‚Mädchen interessieren sich nicht für geben an, dass Familie und Kinder gegenüber der Arbeit nicht zu kurz kommen Mathe‘. Das konterkariert viele Bemü- dürften. Für rund vier Fünftel der Befragten ist es demnach wichtig, dass sie hungen.“ Achatz mahnt daher einen ihre Arbeitszeit kurzfristig an ihre Bedürfnisse anpassen können. Drei Viertel langen Atem an: Geschlechterstereoty- wollen in Teilzeit arbeiten, wenn sie Kinder haben. Karriereorientierung steht pe ließen sich nicht einfach willentlich hinter der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben zurück. Junge Frauen sind ändern. „Jeder trägt das in sich, auch dabei im Schnitt fordernder als junge Männer. Gleichzeitig vermutet mehr als wenn er oder sie noch so moderne An- die Hälfte der befragten Jugendlichen, dass es nicht leicht werde, ihre Wünsche sichten vertritt. Man kann da keine gro- nach einer Work-Life-Balance auf dem Arbeitsmarkt umzusetzen. N. E. ßen Schritte erwarten.“ Bublitz warnt allerdings davor, Frauen in geschlech- *Shell-Studie 2015: www.shell.de/ueber-uns/die-shell-jugendstudie.html teruntypische Tätigkeiten zwingen zu wollen. Die Berufswahl sollte immer präferenz- sowie persönlichkeitsgelei- Gleichaltrigen erst an dritter Stelle Ein- der etwa im Medien- und Kulturbereich tet und frei erfolgen. Nicht jede Frau sei fluss nehmen könnten. geben. Neue Berufe seien in der Regel unzufrieden in einem geschlechter- Nach einer Studie der Vodafone-Stif- weniger geschlechtertypisiert. typischen Job. „Aus wissenschaftlicher tung von 2014 hat etwa die Hälfte der Sicht gibt es keinen Druck, eine gewisse Jugendlichen unzureichende Berufs- Schulpraktika ausbauen Quote zu erfüllen.“ informationen. Da frage man sich, auf Unterschiede zwischen Jugendlichen in welcher Basis Berufsentscheidungen Ost und West gebe es, so die IAB-Exper- Nadine Emmerich, getroffen würden, so Bublitz. „Vielleicht tin, unterdessen nicht. Zwar seien früher freie Journalistin gibt es doch nicht ausreichend Infor- in der DDR mehr Frauen voll berufstätig mationen – oder vielleicht die falschen. gewesen als in der BRD. Die Forschung Oder die pure Anzahl existierender habe inzwischen jedoch gezeigt, dass *„Die Astronautin“: Berufe überfordert.“ Um die Komple- Geschlechtertrennung und stereotype http://dieastronautin.de/ xität der Berufswahl-Möglichkeiten zu Berufsausübung in der DDR sogar noch **Destatis: Häufigste Ausbildungs- reduzieren, orientierten sich junge stärker ausgeprägt waren. 2015 gab es berufe 2015: www.destatis.de/DE/ Menschen dann einfach an Eltern die meisten MINT-Studentinnen nach PresseService/Presse/Pressemittei und Freunden. Auch nach Ansicht von Angaben des Frauen-MINT-Pakts in lungen/2016/07/PD16_254_212.html Achatz haben viele Jugendliche häufig Nordrhein-Westfalen, Bayern und Ba- ***Destatis: Frauen in Ingenieurwissen- noch keine präzisen Vorstellungen über den-Württemberg, die wenigsten in schaften: www.destatis.de/DE/ die Breite des beruflichen Spektrums. Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, PresseService/Presse/Pressemittei Wenig Wissen führe eher zu einem Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thürin- lungen/2016/09/PD16_328_217.html Rückgriff auf Stereotype. gen und Schleswig-Holstein*****. ****„Geschlechtsspezifische Berufs- Die Berufswahl sei aber nicht nur ge- Reißig ist überzeugt, dass Berufsorien- wahl: Literatur- und Datenüberblick schlechtsstereotyp, sondern „auch sehr tierung in Schulen „systematischer er- zu Einflussfaktoren, Anhaltspunkten eingeschränkt“, betont Birgit Reißig, folgen“ müsse. Lehrkräfte sollten dazu struktureller Benachteiligung und die am Deutschen Jugendinstitut (DJI) freigestellt werden. Praktika müssten Abbruchskosten“: in Halle zu Übergängen im Jugendal- intensiviert und ausgebaut werden. Die www.hwwi.org/fileadmin/hwwi/ ter forscht. „Die meisten jungen Men- DJI-Expertin plädiert für mehr Langzeit- Publikationen/Policy/HWWI_Policy_ schen konzentrieren sich auf fünf bis praktika, bei denen Schülerinnen und Paper_90.pdf zehn Berufe – von 328 anerkannten Schüler etwa ein Jahr lang einmal pro *****Studienanfängerinnen und Ausbildungsberufen in Deutschland.“ Woche in einem Betrieb seien. Auch Absolventinnen nach Bundesländern Forschungen des DJI hätten zudem er- könnten weitere Kooperationen von im Jahr 2015: geben: Berufswunsch und Ausbildungs- Schulen mit örtlichen Betrieben initiiert www.komm-mach-mint.de/Service/ wahl seien oft identisch, „da passiert werden. In DJI-Umfragen werteten viele Daten-Fakten/2015/Studium- selten noch ein Umdenken“. Stereo Jugendliche Praktika als hilfreich für die Bundeslaender-2015 type, die sich bereits durch das ganze Berufswahl. Reißig rät Schulen ferner, Leben ziehen, sind im Teenager-Alter enger mit Eltern zusammenzuarbeiten: also nicht mehr so einfach zu korri- „Das sind die wichtigsten Ratgeber.“ Mitdiskutieren gieren. Eine leichte Trendwende kann Struwe fordert zudem, Erfolge stärker www.gew.de/ es laut Achatz in den nächsten Jahren hervorzuheben. 2015 seien 47,1 Pro- EundW durch das Aufkommen neuer Berufsbil- zent der Absolventinnen und Absolven- Erziehung und Wissenschaft | 04/2017
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12 BERUFSWAHL: ROLLENKLISCHEES UND GESCHLECHTERSTEREOTYPE Cartoon: Freimut Woessner „Rollenbilder sind sehr wirksam“ // Maike wird Erzieherin, Niko E&W: Mädchen haben die besseren bildungsgänge gehen. Dabei wird die Mechatroniker – trotz eines Schulabschlüsse, aber beim Übergang Wahl allerdings durch das Angebot be- Spektrums von rund 300 Ausbil in den Beruf entscheiden sie sich tradi- stimmt – Frauen wie Männer werden dungsberufen und über 18 000 tionell für typische Frauenberufe. Hat eher in geschlechtstypischen Berufen Studiengängen fällt die Berufs- sich wirklich nichts verändert? eingestellt. Insgesamt muss man aber und Studienwahl von Frauen und Hannelore Faulstich-Wieland: Es hat berücksichtigen, dass die Untertei- Männern immer noch geschlechts sich wenig getan: Zwar finden wir bei- lung in „Männer- und Frauenberufe“ spezifisch und eingeengt auf de Geschlechter in Kaufleute-Berufen, einfach nur auf quantitativen Zahlen wenige Berufe aus (s. S. 2). Über ansonsten sind es aber oft noch „ge- beruht und nichts mit Veranlagungen, Ursachen, Hindernisse und schlechtstypische Wahlen“. So stehen Kompetenzen usw. zu tun hat. Daher Möglichkeiten einer gendersen- bei Mädchen medizinische Berufe ist diese Zuschreibung kritisch zu be- siblen Berufsorientierung sprach an dritter Stelle, bei Jungen steht der trachten, sie ist nicht in Stein gemei- E&W mit der Erziehungswissen- Kfz-Mechatroniker an erster Stelle. ßelt, sondern veränderbar und hängt schaftlerin Hannelore Faulstich- Klassisch ist, dass junge Frauen eher in von politischen und gesellschaftlichen Wieland. // schulische, junge Männer in duale Aus- Verhältnissen ab. Erziehung und Wissenschaft | 04/2017
BERUFSWAHL: ROLLENKLISCHEES UND GESCHLECHTERSTEREOTYPE 13 E&W: Können Sie uns ein Beispiel nen- E&W: Woran orientieren sich Jugendli- Faulstich-Wieland: Die Ursachen sind nen? che bei der Berufswahl? vielfältig und hängen mit der Ge- Faulstich-Wieland: Wenn wir uns den Faulstich-Wieland: Die Eltern spielen schlechtersozialisation zusammen. Das Gesundheitsbereich ansehen, war im eine entscheidende Rolle, mehr als fängt mit der Auswahl der Kleidung Mittelalter das Heilen von Menschen die Peergroup und die Schule. Eltern und mit Geschenken für die Kinder an. eine klassische Frauendomäne. Erst sind Rollenvorbilder und haben oft Dabei wird Geschlecht konstruiert: Jun- später mit der Akademisierung der Tä- geschlechterstereotype Erwartungen. gen tragen blau, interessieren sich für tigkeit im 19. Jahrhundert änderte sich Kinder werden eher unterstützt, wenn Autos, für Technik und wählen später das. Männer wurden Ärzte, denn Frauen sie diese Vorstellungen erfüllen. Aber einen entsprechenden Beruf. Mädchen durften nicht studieren. Heute sieht das es ist schwierig zu sagen, was wie viel tragen rosa, sind fürsorglich und hilfs- anders aus. Betrachtet man die Studie- Einfluss nimmt. Berufswahl ist ein bereit und sollen schön sein. Das ist rendenzahl, so kann man keineswegs Prozess, der sehr früh beginnt – erst sicherlich jetzt überspitzt ausgedrückt, mehr von einer männlichen Domäne zu Hause, dann in der Kita, später aber solche Zuschreibungen gibt es wei- sprechen. Im Wintersemester 2014/15 in der Schule. Die Frage ist, welche terhin. Sie prägen die Sicht auf das je- waren 60,7 Prozent der in Humanmedi Geschlechterbilder werden vermittelt, weilige Geschlecht und auf sich selbst. zin eingeschriebenen Studierenden Frau- was wird gelobt, sanktioniert, was Und sie beeinflussen die eigenen Ent- en. Gerade in der Berufsorientierung ist gefördert, was untersagt. Mit diesem scheidungen, das gilt auch für die Be- es wichtig, solche Tatsachen und die Wissen kommen Kinder in die Schule. rufswahl. Ob offensichtlich oder subtil: Veränderbarkeit einer Zuschreibung von Wenn Berufsorientierung sich damit Diese Rollenbilder sind sehr wirksam. Geschlecht zu Beruf deutlich zu machen. nicht auseinandersetzt, lässt sich kaum Für die Berufsorientierung werden Denn sie zeigen, dass der Berufswahl kei- etwas bewegen. folglich besondere Anstrengungen be- ne natürliche Differenz von Frauen und E&W: Anstrengungen, dieses einge- nötigt, um die Geschlechtertypisierung Männern zugrunde liegt, sondern sozia- schränkte Berufswahlspektrum aufzu- aufzubrechen. Leider sieht die Realität le Konstruktionen und gesellschaftliche brechen, hatten bisher wenig Erfolg. anders aus, es fehlt an einer systema- Übereinkünfte entscheidend sind. Warum? tischen gendersensiblen Berufsorien- Leisten Sie pädagogische Schwerstarbeit? Fühlen Sie sich ausgebrannt und müde? . . . bei uns können Sie wieder Atem schöpfen und neue Kraft- quellen erschließen. Seit über 20 Jahren kombinieren wir aktuelle und bewährte Therapiever- fahren der Psychotherapie, der Schulmedizin, des Gesundheitssports und der Naturheilkunde zu einer Ganzheitsmedizin, die zum Ziel hat, Körper, Geist und Seele wieder in eine gesunde Balance zu bringen. So können eigene Fähigkeiten frei entfaltet werden und zur Heilung beitragen. Weitere Informationen zu unseren Spezialkonzepten z.B. bei Burnout, Tinnitus, Depression oder Angsterkrankungen erhalten Sie unter www.habichtswaldklinik.de oder gebührenfrei* unter 0800 890 11 00. Habichtswald-Klinik · Wigandstraße 1 · 34131 Kassel-Bad Wilhelmshöhe * aus dem deutschen Festnetz Die Habichtswald-Klinik ist eine Klinik der Wicker-Gruppe.
14 BERUFSWAHL: ROLLENKLISCHEES UND GESCHLECHTERSTEREOTYPE tierung (s. S. 16 f.). Projekte wie der Girls‘Day sind nur ein Tropfen auf den Schule soll junge Menschen unterstützen heißen Stein. Wenn ich 364 Tage etwas Das Teilprojekt „Berufsorientierung und Gender“ des Forschungsbereichs Sozi- anderes erlebe, kann ein einziger Akti- alisation und Geschlecht der Universität Hamburg hat an Stadtteilschulen der onstag im Jahr nicht viel bewirken. Hansestadt untersucht, ob und wie schulische Berufsorientierung die gender- E&W: Wie sieht eine gendersensible untypischen Interessen der Jugendlichen fördern – oder auch behindern – kann. Berufsorientierung aus? Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, dass Schule Jugendliche unterstützt, auch Faulstich-Wieland: Eine systematische „geschlechtsuntypische“ Berufswünsche zu entwickeln. Das Projekt hat die gendersensible Berufsorientierung Hans-Böckler-Stiftung gefördert, das erste Teilprojekt „Berufsorientierung und braucht Lehrkräfte, die sich das The- Geschlecht“ die Max-Traeger-Stiftung der GEW. B. J. ma zu eigen machen und über eine be- stimmte Genderkompetenz verfügen. Zurzeit sieht es so aus, dass in der Regel www.erzwiss.uni-hamburg.de/ Klassenlehrkräfte die Berufsorientie- faulstich-wieland/Berufsorientierung%20und%20Geschlecht.htm rung übernehmen, zwar mit großem Engagement, aber oft nicht speziell ausgebildet und ohne gendersensib- gebündelt, die Schwerpunkte liegen auf habe. Die Handreichung liefert Hinter- les Unterrichtsmaterial. Oder es sind den Anforderungen und notwendigen grundinformationen zu der Geschlech- Lehrkräfte aus der Berufsschule, die Kompetenzen des jeweiligen Berufsfel- tersegregation in Bildung und Beruf, der sich zunächst erstmal auf die neue des. Es geht darum, eine möglichst gro- Geschlechtersozialisation und den Be- Altersstruktur einstellen müssen und ße Auswahl zu haben – und zwar ohne rufswahltheorien. Außerdem enthält sie sich meist auch nur in ihrem Berufs sofort in „Männer- oder Frauenberufe“ konkrete Praxishilfen für den Unterricht. bereich wirklich gut auskennen. zu unterteilen, denn Berufe werden E&W: Sollten Lehrkräfte alles unter nicht selten genau deshalb sofort aus- dem Aspekt „Geschlecht“ betrachten? geschlossen. Faulstich-Wieland: Es ist nicht leicht, E&W: Was ist zu beachten? das Geschlecht in der Phase der Berufs- Faulstich-Wieland: Ganz wichtig ist die orientierung zu thematisieren, da muss reflexive Ebene. Das heißt zu schauen, man zwischen Dramatisierung und Ent- welche Bedeutung hat das Geschlecht dramatisierung eine gute Balance fin- in der Berufsorientierung. Eine Sache den. Lehrkräfte sollten nicht alles durch hatte ich schon angesprochen: deut- die Genderbrille sehen, denn damit lich zu machen, dass es Männer- und verstärkt man die „typischen“ Zuschrei- Frauenberufe nur auf der quantitativen bungen und reproduziert die Geschlech- Ebene gibt. Das wird leider oft anders terrolle. Eine Entdramatisierung darf verstanden und so interpretiert, als andererseits aber nicht dazu führen, das wären Frauen oder Männer für einen Geschlecht für irrelevant zu halten. Eine bestimmten Beruf besonders gut geeig- gute Balance herzustellen, heißt zum net. Grundsätzlich gilt: Zuschreibungen Beispiel, als Lehrkraft zwar die Bedeu- Fotos: privat zu erkennen und zu bearbeiten. Das tung des Geschlechtes zu erkennen, es führt zu Irritationen, die zum Nachden- aber in der praktischen Arbeit nicht so- Hannelore Faulstich-Wieland ist Pro- ken anregen. Irritationen hervorzuru- fort in den Vordergrund zu rücken. fessorin für Erziehungswissenschaft an fen und aufzuzeigen, wie Stereotypi- E&W: Welche Perspektive sehen Sie? der Universität Hamburg mit Schwer- sierung und Geschlechtszuweisungen Faulstich-Wieland: Ich hoffe, dass un- punkt Schulpädagogik unter besonderer funktionieren, scheint ein geeignetes sere Handreichung Lehrkräften Mate- Berücksichtigung der Sozialisationsfor- Mittel zu sein. rial für ihre eigenen Reflexionsprozes- schung. E&W: Aus Ihrem Forschungsprojekt se ebenso wie für die Arbeit mit den (s. Kasten) haben Sie die Handreichung Schülerinnen und Schülern gibt, damit „Gendersensible Berufsorientierung“ sie Berufsorientierung gendersensibel E&W: Oft werden nur wenige Berufe für Lehrkräfte, Weiterbildner und Be- gestalten können. besprochen, die meisten der 300 Aus- rufsberaterinnen entwickelt. Was sind bildungsberufe und 18 000 Studienfä- die wichtigsten Inhalte? Interview: Britta Jagusch, cher sind nicht bekannt. Faulstich-Wieland: Gendersensibles freie Journalistin Faulstich-Wieland: Die Auseinander- Arbeiten erfordert Genderkompetenz. setzung mit den Berufen erfolgt eher Gemeint ist, dass ich über das Thema Mitdiskutieren zufällig über ein Berufe-ABC oder Ähn- Geschlecht und Berufsorientierung viel www.gew.de/ liches. Bei einer systematischen Be- wissen muss und auch meine eigene EundW rufsorientierung werden die Berufe Einstellung zu dem Thema reflektiert Erziehung und Wissenschaft | 04/2017
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16 BERUFSWAHL: ROLLENKLISCHEES UND GESCHLECHTERSTEREOTYPE „Als Lehrende sind wir Rollenvorbilder“ // Auch wenn der große Durch- Seit 2012 läuft am „Berufskolleg Vera bruch auf sich warten lässt: Beckers“ im Rahmen eines Pilotpro- „Gendersensible Berufsorientie jektes „geschlechtergetrennter na- rung“ unterstützt vielerorts turwissenschaftlicher Unterricht“. junge Frauen und Männer, bei Die jungen Frauen und Männer am der Berufswahl R ollenmuster zu Fachbereich Gesundheit und Soziales durchbrechen. Drei Beispiele. // lernen in getrennten Gruppen, aus wel- Vanessa (links) und Melissa beim ge- chen Bestandteilen sich ein Schweine schlechtergetrennten naturwissenschaft- Wie verbreitet ist „gendersensible Be- herz zusammensetzt. Das soll Schüle- lichen Unterricht am „Berufskolleg Vera r ufso rientierung“ in Schulen, in Ar- rinnen ermuntern, das Skalpell auch Beckers“ in Krefeld. Das Ziel: Die Schüle- beitsagenturen, Kammern und Un- mal selbst in die Hand zu nehmen. rinnen sollen gegenüber den Jungen nicht ternehmen? „Das Bewusstsein für die Melissa bestätigt: Beim gemeinsamen ins „Hintertreffen“ geraten. Notwendigkeit ist in den vergangenen Unterricht erlebe sie Jungen „forscher“. Jahren stetig gestiegen“, erklärt Katrin „Dadurch kommen die Mädchen ins Böhnke, wissenschaftliche Mitarbeite- Hintertreffen.“ Bei einer schulinternen rin im Bundesinstitut für Berufsbildung Evaluation im April 2016 erklärten 66 (BIBB). Es gebe inzwischen auch einige Prozent der befragten Schülerinnen: Bundesländer, die eine geschlechter- „Ich brachte mich in der reinen Mäd- bewusste Didaktik in ihren schulischen chengruppe mehr im Unterricht ein als Berufsorientierungskonzepten festge- in der gemischtgeschlechtlichen.“ Aber schrieben haben. Doch fehle bislang auch die Jungen profitierten, erklärt die „Systematisierung der Akteure“. Biologie-Lehrer Marc Thiele, 39 Jahre Um dieses Ziel zu erreichen, wurden alt: „Die konzentrieren sich dann auf die 2016 auf Initiative mehrerer Bundeslän- Arbeit – und nicht darauf, dem anderen der die „Nationalen Kooperationen zur Geschlecht zu gefallen.“ Berufs- und Studienwahl frei von Ge- schlechterklischees“ ins Leben gerufen. Ausgetretene Pfade verlassen Zu deren Mitgliedern zählen unter an- Susanne Heussen unterrichtet am Be derem die zuständigen Bundesministe- rufskolleg vor allem Englisch. Gleich- rien, die Bundesagentur für Arbeit (BA), zeitig arbeitet die 51-Jährige als Gleich- das BIBB, der DGB-Bundesvorstand und stellungsbeauftragte. Zu ihren Aufga- das arbeitgebernahe Netzwerk Schule- ben zählt, Schülerinnen und Schüler zu Wirtschaft. unterstützen, die ausgetretenen Pfade Wie sieht „gendersensible Berufsori- der Geschlechterrollen zu verlassen. entierung“ überhaupt aus? Ein Besuch Dazu könnten, so Heussen, Lehrkräfte des „Berufskollegs Vera Beckers“ in beitragen – etwa durch bestimmte Un- Krefeld, einer städtischen beruflichen terrichtsmethoden. Beispiel Gruppen- Schule mit 3 000 Schülerinnen und arbeit im kooperativen Lernen: „Mäd- Schülern: chen übernehmen gerne die Rolle der In grünen Plastikwännchen liegen Schreibenden“, erklärt die Pädagogin. Schweineherzen, dunkelrot, groß wie Die Lehrkraft könne hier einen Rollen- zwei Männerfäuste. „Ich find‘ das voll wechsel anregen: „Dann dokumentie- schön, mit den Äderchen“, sagt Melissa, ren mal die Jungen – und die Mädchen 18 Jahre alt. Ihre Mitschülerin Vanessa, präsentieren die Ergebnisse vor der ebenfalls 18, nimmt ein Glasröhrchen Klasse.“ Im Schulsport lassen sich eben- und zieht es vorsichtig durch eine Art falls Rollenklischees durchbrechen. „Bei Kanal, der durch das Herz führt. „Das uns werden auch die Jungen in Tanz ist die Aorta. Da fließt das Blut durch“, unterrichtet, mit Choreografie“, sagt weiß die junge Frau. Heussen. Sie betont zudem, „dass wir Erziehung und Wissenschaft | 04/2017
BERUFSWAHL: ROLLENKLISCHEES 17 als Lehrende ganz klare Rollenvor- bilder sind“. Es mache bei Schülern Eindruck, wenn auch männliche Lehrkräfte in Elternzeit oder auf eine Teilzeitstelle gehen. Chronische Schmerzen? Aus der Schublade raus Hilfe durch multimodale Ortswechsel. Der Weiterbildungs- anbieter Arbeit & Leben gGmbH in Schmerztherapie! Mainz organisierte in den vergan- Das Schmerztherapiezentrum Bad Mergentheim ist auf die Behand- genen Jahren Schulungen zur „gen- lung chronischer Schmerzzustände verschiedenster Ursachen speziali- dersensiblen Berufsorientierung“. siert. Unsere Schwerpunkte sind unter anderem die Behandlung von Gefördert vom Land Rheinland- Migräne, Kopf- und Gesichtsschmerzen, Rückenschmerzen, Morbus Pfalz und der Agentur für Arbeit. Sudeck und Fibromyalgie, auch mit psychischen Begleiterkrankungen Die jeweils viertägigen Veranstal- (Burn out, depressive Störungen, Angststörungen). tungen richteten sich vor allem Moderne Schmerzbehandlung = multimodale Schmerztherapie an Lehrkräfte sowie Berufsbera- Die multimodale Schmerztherapie ist interdisziplinär, setzt verschiedene terinnen und -berater. Dabei ging Strategien gleichzeitig und nicht nacheinander ein und ist individuell auf es darum, auch deren Biografie die Erfordernisse des einzelnen Patienten zugeschnitten. Maßgeschnei- anzusprechen. „Wie sensibel bin derte Therapien sind der konventionellen „Behandlung von der Stange“ ich, um meine eigenen Schubladen überlegen. Ein erfahrenes Team aus Fachärzten, Psychologen, Physiothe- wahrzunehmen?“, erklärt Ann-Kat- rapeuten, Krankenschwestern und Gestaltungstherapeuten kombiniert rin Herold, 48 Jahre, Trainerin und schulmedizinische Behandlungsmethoden sinnvoll mit komplementären Therapien wie Naturheilverfahren und Akupunktur. Coach bei Arbeit & Leben Mainz. Ziel sei, in der Berufsberatung auch Die multimodale Schmerztherapie ist der Goldstandard in der jene Wünsche zu akzeptieren, „die Versorgung von chronischen Schmerzpatienten. nicht in unser Weltbild passen“. Al- Die Effektivität dieser Therapie hängt aber entscheidend von der Behand- lerdings seien Lehrkräfte oder Be- lungsintensität, -qualität und -dauer ab. Bei uns liegt die Behandlungs- rufsberaterinnen oft gezwungen, dauer bei mindestens drei Wochen. So ist es möglich, eine chronische Schmerzerkrankung nachhaltig zu behandeln. „pragmatisch zu handeln, um junge Menschen überhaupt im Beruf un- Service-Paket für den Krankenhausbereich terzubringen“, ergänzt die 48-Jäh- · Unsere Leistungen entsprechen denen eines Krankenhauses der rige. Nach dem Motto: „Hauptsa- Maximalversorgung (z. B. Universitätsklinik). che, wir finden was.“ · Die privaten Krankenkassen und die Beihilfe übernehmen die Behand- Die Schulungen behandelten zu- lungskosten der multimodalen Schmerztherapie im Rahmen einer medi- zinisch notwendigen stationären Heilbehandlung, wenn der Versicherer dem die Frage: „Wie spreche ich diese vor Beginn der Behandlung schriftlich zugesagt hat. den Ausbilder an, der ein Mädchen · Den Aufnahmetermin stimmen wir mit Ihnen ab. nicht anstellen will?“ Sie erlebe, „dass in vielen Betrieben Unsicher- Wir beraten und unterstützen Sie individuell bei allen Fragen zur stationären Aufnahme und senden Ihnen gerne umfassende heiten bestehen“, betont Herold. Informationen zu. Rufen Sie uns unter unserer kostenlosen Schnell komme das Argument, Beratungs-Hotline an! „wir haben keine Frauentoilette“. Deshalb könne der Betrieb keine Mädchen ausbilden. Unternehmen im Elektrobereich erklärten, bei Schmerztherapiezentrum ihnen müsse man Kabeltrommeln Bad Mergentheim tragen – „und das können Mäd- Fachklinik für Spezielle Schmerztherapie chen nicht“. Dabei gebe es techni- und Schmerzpsychotherapie sche Hilfsmittel, die das Tragen von Ausbildung bei den Kölner Lasten erleichtern, entgegnet die Schönbornstr. 10 Ford-Werken. Rund 20 Prozent 48-Jährige. Geht es um gewerblich- 97980 Bad Mergentheim der Azubis in den technischen technische Ausbildungen, so finde Tel.: 07931 5493-44 Fotos: Matthias Holland-Letz Berufen sind junge Frauen wie man in vielen Unternehmen zudem Fax: 07931 5493-50 Tugce (links) und Nida. Ihre keine weiblichen Ausbilder. „Es E-Mail: schmerzklinik@schmerzklinik.com Eltern unterstützen sie, einen sind auch die Vorbilder, die fehlen.“ -Hotline: technischen Beruf zu erlernen. Besuch bei den Kölner Ford-Wer- Kostenlose Beratungs ken. 17 000 Menschen arbeiten 0800 1983 198 www.schmerzklinik.com
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