Dialog - Industrie 4.0 02/2018 - Kommunikation und Automation
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Food & Sensor Cleanroom Hospital Beverage Coroflex® – Sensor- und Steuerleitungen Das stetig weiterentwickelte Leitungsprogramm von Coroplast für Anwendungen in der Automatisierungstechnik Coroflex® Sensor Coroflex® Food & Beverage › talkumfrei › keimabweisende Oberfläche › manuelle Abmantelung bis 150 cm › IPX9K › IPX9K › ECOLAB-zertifizert › UL/CSA › FDA-konform Coroflex® Cleanroom Coroflex® Hospital › talkumfrei › gute Reinigbarkeit (VDMA12/2007) › antistatisch › talkumfrei › partikel- und ausgasungsarm › antistatisch › IPA-zertifiziert › ausgasungsarm › UL/CSA › IPA- und ECOLAB-zertifiziert › UL/CSA www.coroplast.de/coroflex
EDITORIAL In die e-diale Zukunft! Der Countdown läuft: Am 13. und 14. November präsentiert der VDE seine neue Leit- veranstaltung, den VDE Tec Summit 2018, in der Station Berlin. Gleichzeitig feiern wir 125 Jahre VDE – eine der führenden technisch-wissenschaftlichen Organisationen Euro- pas für Technologie- und Innovationsunterstützung. Seien Sie dabei und gestalten Sie mit uns die e-diale Zukunft! Der VDE Tec Summit 2018 positioniert sich als führender Kongress für neue Technolo- gien, Digitalisierung und innovative Anwendungen. Der Fokus der Veranstaltung liegt auf den Anwendungsfeldern Energie, Industrie, Mobility, Health und Living und deren Syner- gien in Verbindung mit digitalen Technologien. Der anstehende Kongress war zudem Im- pulsgeber für die Gründung des „Tec Summit Network“, ein Netzwerk für digitale Tech- nologien mit dem Ziel, Forschungsergebnisse in die Praxis zu bringen. Mit neuen Formaten, aus verschiedenen Perspekti- ven, interdisziplinär und branchenübergreifend setzen wir ein Zeichen – und das nicht nur für den einzigartigen Teilneh- merkreis, der sich aus führenden Wissenschaftlern, Entschei- dern aus der Wirtschaft, namhaften Politikern sowie hoch- qualifizierten Ingenieurnachwuchskräften zusammensetzt. Insgesamt erstreckt sich der VDE Tec Summit 2018 über das ganze Jahr mit insgesamt drei Veranstaltungen. Der Startschuss fällt auf der Hannover Messe vom 23. bis 27. April 2018. Hier wenden wir uns mit Expertengesprächen im Rahmen des Formats „Tec Meets Business – Digitale Tech- nologien als Treiber erfolgreicher Geschäftsmodelle“ an die In- dustrie. Diskutieren Sie mit uns am VDE-Stand in Halle 13. Weiter geht es in Hannover auf der neuen CEBIT vom 12. bis 15. Juni 2018, wo wir Ihnen die Formate „Tec Innovation FOTOS: TITELSEITE: ISTOCKPHOTO / CHOMBOSAN; SEITE 03: VDE / GRAVENSTEIN Tank“ und „Tec Meets Science“ vorstellen werden. Themenschwerpunkte liegen bei digita- len Technologien und Cyber Security. Im „Tec Innovation Tank“ beschäftigen sich Berufsein- steiger und Young Professionals in kreativen Workshops mit Zukunftsszenarien, Forschung und Weiterbildung. Den Abschluss bildet der VDE Tec Summit 2018 Mitte November. Hier führen wir alle Aspekte zusammen und erwarten dazu in der Station Berlin 1800 Teilnehmer. Seien Sie dabei, wenn führende Macher, Entscheider und hochqualifizierte Nachwuchs- kräfte aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik in Berlin Wissen transferieren und Exper- tise verzahnen – für eine lebenswerte Zukunft. Unter tecsummit.vde.com finden Sie alle Themen und Informationen zu unserer neuen Leitveranstaltung. Wir freuen uns auf Sie! Herzliche Grüße, Ihr Thomas Becks, Leiter Technik & Innovation im VDE 03
INHALT 12 Die smarte Fabrik in die Praxis umzusetzen, ist keine leichte Aufgabe. Um die dafür nötige Vernetzung aller Produktionsebenen voranzutreiben, spielt die Kommunikation eine Schlüsselrolle. Noch aber „sprechen“ die Maschinen zu langsam und vor allem: nicht mit einer Sprache. SPEKTRUM TITEL 06 MELDUNGEN 12 SMARTE FABRIK Kohlekraft / Quantentechnologie / HGÜ-Systeme / Die Grundlage für Industrie 4.0 bildet die Ver- Logistik / Entwicklungszusammenarbeit / netzung der Maschinen. Damit diese reibungs- Bildverarbeitung / Automation / Cyber Security los funktioniert, ist vor allem eines nötig: eine standardisierte und schnelle Kommunikation. 07 PERSONALIA Anja Karliczek / Ralf Christian / Prof. Ralph Gott- 18 KABEL UND LEITUNGEN schalg / Dorothee Bär / Dr. Stefan Hofschen Auch im Zeitalter von Industrie 4.0 spielen Ka- bel und Leitungen weiterhin eine wichtige Rolle. 09 Die Diversität der Anforderungen und Einsatz- RUNDRUF gebiete stellt eine große Herausforderung dar. Angesichts der Digitalisierung stehen Gesellschaft 20 und Wirtschaft vor großen Herausforderungen. Was muss die Politik unternehmen, um die Digitalisie- KOLLABORATIVE ROBOTER rung in Deutschland voranzubringen? Wenn Roboter und Menschen ohne Schutzzäu- ne gemeinsam arbeiten, sind die Sicherheits- 10 anforderungen besonders hoch. Hilfestellung INTERVIEW leisten Künstliche Intelligenz und Sensoren. Autonomes Fahren spielt nicht nur im Individual- 24 verkehr eine Rolle, sondern auch im Personentrans- port. Der Flixbus-Mitbegründer Daniel Krauss ROBOTIK spricht im Interview über seine Zukunftsvision. Der Robotikmarkt wird von einer ganz neuen Spezies automatisierter Helfer aufgerollt. Im Fokus steht eine flexible und agile Generation von Robotern. 04
27 36 Sauber, kraftvoll und zeitgemäß: Auch auf und unter dem Wasser kommen zu- nehmend elektrisch betriebene Motoren zum Einsatz. 30 Ausgestattet mit einem eigenen, kleinen Stromkraftwerk an Bord: das mit Brenn- Neue Geschäftsfelder durch „Smart Lighting“: Die Lichtkonzerne treiben tech- stoffzellentechnik angetriebene Modell Toyota Mirai. nische Innovationen voran und werden zu Infrastrukturanbietern für das IoT. THEMEN KOMPAKT 27 E-MOBILITY 38 WISSEN Elektromobilität gibt es nicht nur auf der FOTOS: SEITE 04: ISTOCKPHOTO / YOH4NN; SEITE 05: SEABOB (OBEN), BOOK N‘ DRIVE (UNTEN), NORMAN A. MÜLLER (RECHTS) 40 Straße, sondern auch auf dem Wasser. Von der Jacht bis zum Jetski: eine Übersicht über elek NORMUNG / PRÜFUNG trisch angetriebene Watergadgets. 42 AUS DEN REGIONEN 30 WASSERSTOFFAUTOS 44 Wer von Elektroautos spricht, meint damit meist batterieelektrisch angetriebene Fahrzeu- VDE YOUNGNET ge. Zunehmend rückt aber auch die Brenn- 46 stoffzellentechnik ins Blickfeld. TERMINE 34 NETZNEUTRALITÄT Europaweit gilt: Alle Daten werden gleich 48 SERVICE schnell vom Empfänger zum Sender geschickt. 50 Diese Neutralität der Netze haben die USA abgeschafft – zum Unmut kleinerer Provider. DEBATTE 36 LICHTTECHNIK Neue Wege für die Beleuchtungsindustrie: Außer mit Leuchtmitteln will sie auch als An- bieter für IoT-Infrastruktur Umsätze generie- ren. „Smart Lighting“ lautet das Schlagwort. 05
SPEKTRUM KOHLEKRAFT QUANTENTECHNOLOGIE Klimaziel in Gefahr Der Quantenvision ein Stück näher Weltweit betrachtet steigt die Zahl Sowohl Hochschulen als auch die großen IT-Unternehmen forschen der Kohlekraftwerke weiterhin an. schon lange an Quantencomputern. Mithilfe eines neuen Materials und Damit sind die Ziele des Pariser „defekten“ Diamanten sind den Wissenschaftlern nun wichtige Fort- Klimaabkommens in Gefahr. schritte gelungen, die die Entwicklung vorantreiben könnten. China und Indien haben im Laufe Ein Team aus Forschern vom Jenaer Strahlung im Mikrowellenbereich ge- des Jahres 2016 über 50 Prozent ih- Leibniz-Institut für Photonische Tech- nau steuern“, berichtet Prof. Dr. Evge- rer Pläne für neue Kohlekraftwerke nologien (Leibniz-IPHT), dem Karls- ni Il’ichev vom Leibniz-IPHT. Bislang zurückgenommen. Doch global gese- ruher Institut für Technologie (KIT) war völlig unbekannt, dass man die hen steigt die Zahl dieser Kraftwerke und der National University of Sci- Transparenz dieser Materialien über weiter an. So haben etwa die Türkei, ence and Technology (NUST MISiS, die Konfiguration des Grundzustands Indonesien und Vietnam vor, zusam- Moskau) hat ein Material realisiert, der Qubits ein- und ausschalten kann. mengenommen ihre Kapazität um das als Kontrollelement in Schaltun- Unterdessen gelang Wissenschaftlern circa 160 Gigawatt zu erhöhen. Das gen bei der Quantensignalverarbei- der TU Wien ein weiterer Durchbruch: würde der Leistung aller bereits be- tung zur Anwendung kommen könnte. Sie entwickelten einen Quantenspei- stehenden Kohlekraftwerke in den 28 Dieses Metamaterial besteht aus ei- cher, der seine Informationen mehre- EU-Staaten entsprechen. Zu diesem ner linearen Anordnung von 15 Meta re Stunden behält. Bei den bisherigen Ergebnis kommt die Studie „Reports atomen, den sogenannten Quantenbits Systemen sind die Quanteninformati- of coal’s terminal decline may be ex- (Qubits): Schleifen von wenigen Mik- onen oft schon nach Sekundenbruch- aggerated“, die Wissenschaftler des rometern Durchmesser aus Alumini- teilen verloren. Die Forscher kon- Mercator Research Institute on Glo- um, die bei ihrer Arbeitstemperatur servieren die Quanteninformationen bal Commons and Climate Change von etwa -273° C elektrischen Strom dafür mithilfe spezieller Diamanten. und das Potsdam-Institut für Klima- supraleitend und verlustfrei trans- „Wir verwenden winzige Diamanten, folgenforschung veröffentlicht haben. portieren. An einigen Stellen sind die die ganz gezielt mit kleinen Defekten Nur wenn die Staaten der Welt diesem Aluminiumringe durch wenige Na- versehen wurden“, erklärt Dr. Johan- Trend aktiv entgegenwirken, könnten nometer dünne Tunnelstrukturen un- nes Majer, Forschungsgruppenleiter sie die im Pariser Abkommen verein- terbrochen. So entstehen supraleiten- am Atominstitut der TU Wien. Durch barten Klimaziele erreichen. Die Au- de Schwingkreise, in denen Strom nur eine Bestrahlung der Diamanten wird toren der Studie schlagen als Lösung in zwei definierten Zuständen fließt. an bestimmten Stellen statt eines Koh- für einen globalen Kohleausstieg einen Aus der Verbindung von zwei dieser lenstoffatoms ein Stickstoffatom in die Fahrplan zur Schließung von Kohle- Schleifen konstruierten die Forscher Diamantstruktur eingebaut. Daneben minen in Kombination mit einem so- nun sogenannte Zwillings-Qubits. „Im bleibt dann eine Stelle im Kristallgit- zial gerechten Umbau der Steuersys- Magnetfeld zeigte das Metamaterial ter unbesetzt. Diese Fehlerstelle wird teme und den Ausbau gesellschaftlich eine für uns unerwartete Eigenschaft: dann verwendet, um ein Quantenbit notwendiger Infrastrukturen vor. Wir können seine Durchlässigkeit für an Information abzuspeichern. 06
Personalia 2 3 4 5 +++ Sie war eine der großen Überraschungen in den Nominierungen für das neue Bundes- kabinett: Die designierte Bildungs- und For- schungsministerin 1 ANJA KARLICZEK ist zur Preisverleihung von INVENT a CHIP auf dem VDE Tec Sum- rung eines Staatsministeriums für Digitales im Bundeskanzleramt. mit eingeladen, der im November in Berlin stattfindet. +++ 4 DOROTHEE BÄR übernimmt das Amt der Staatsministerin und 2 RALF CHRISTIAN ist neues Mitglied des VDE-Präsidiums. führt die Fäden, die bislang auf die unterschiedlichen Ministerien Er ist bei Siemens als Chief Executive Officer für die Sparte verteilt waren, zusammen. +++ 5 DR. STEFAN HOFSCHEN hat Energiemanagement verantwortlich. +++ 3 PROF. RALPH den Vorsitz der Geschäftsführung der Bundesdruckerei GmbH GOTTSCHALG wird Leiter des Fraunhofer-Centers für Silizi- übernommen. Er folgt auf Ulrich Hamann, der nach 14 Jahren um-Photovoltaik CSP in Halle (Saale). Der Physiker kommt von an der Unternehmensspitze in den Ruhestand gegangen ist. Hof- der Loughborough University in England. Er tritt seine neue schen war bis Ende 2017 als Division President Chip Card & Se- Position am 15. April an. +++ Der VDE begrüßt die Einfüh- curity bei Infineon tätig. HGÜ-SYSTEME für Systeme zur Hochspannungs- weit einheitlich in das Stromnetz ein- BILDER: SEITE 06: FOTOLIA / CLAUDIA OTTE, TU WIEN; SEITE 07: RAUS FOTOGRAFIE (1), SIEMENS AG (2), FRAUNHOFER CSP (3), Gleichstrom-Übertragung (HGÜ- zubinden“, erklärt Heike Kerber, Nord-Power Systeme). Dazu zählen zum Beispiel Geschäftsführerin von VDE|FNN. Anforderungen an die Frequenz- „Wir wollen damit die neue Tech- für den Süden und Spannungsbereiche sowie an die nologie alltagstauglich machen und Wirkleistungsregelung und Blind- möglichst schnell ins Netz bringen.“ Eine neue VDE-Anwendungsre- leistungsbereitstellung – sowohl für gel schafft die Grundlage für die HGÜ-Systeme als auch für die dar- großräumige Übertragung von über angeschlossenen Erzeugungs- DOROTHEE-BAER.DE (4), BUNDESDRUCKEREI (5), FOTOLIA / JOZEFMICIC (ILLUSTRATION) Offshore-Windenergie. Sie defi- anlagen. Netzbetreiber, Betreiber von niert einheitliche Anforderungen Offshore-Windparks oder Anlagen- an HGÜ-Systeme. hersteller erfüllen damit auch euro- paweit geltende Bestimmungen. Um die im Norden erzeugte Ener- Die Anwendungsregel setzt die gie in die Ballungsräume im Süden europäischen Vorgaben des zu bringen, muss diese quer durch Network Codes „High Vol- Deutschland transportiert werden. tage Direct Current“ direkt Für große Strecken besonders verlust- um. Sie gilt auch für aktu- arm ist das mit Gleichstromleitungen ell geplante HGÜ-Projekte möglich. In der jetzt veröffentlichten entsprechend des Netzent- VDE-Anwendungsregel „Technische wicklungsplans. Anschlussregeln für HGÜ-Systeme „Mit der Anwen- und über HGÜ-Systeme angeschlos- dungsregel haben wir die sene Erzeugungsanlagen“ (E VDE- Grundlage geschaffen, um AR-N 4131) definieren VDE|FNN Offshore-Windenergie sys- erstmals einheitliche Anforderungen tematisch und deutschland-
SPEKTRUM LOGISTIK ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT Ohne Worte Kontinentübergreifende Kooperation Forscher der TU München (TUM) 35 Studierende aus verschiedenen Ingenieurwissenschaften arbeiten im haben ein Kommunikationssystem Kongo am Ausbau eines Wasserkraftwerks und der Verbesserung der für hörbehinderte Mitarbeiter in der lokalen Stromversorgung. Sie sind Mitglieder von Engineers Without Bor- Logistik entwickelt. ders, einem gemeinnützigen Verein in Karlsruhe. In der Regel werden in der Lagerlo- Die Bewohner der Insel Idjwi im Kon- durchführt, unterstützen PROLASA gistik die Informationen für die Kom- go sind mit steigender Ressourcen- dabei, die aktuelle Stromleitung zu missionierer auf einen Zettel ge- knappheit und schlechtem Zugang zu verbessern, die Erzeugungsleistung schrieben oder auf einem Display Versorgungsleistungen konfrontiert. des Wasserkraftwerks zu erhöhen und angezeigt. Prof. Dr. Willibald Günth- Aufgrund ihrer exponierten Lage durch den Ausbau des Stromnetzes ner und sein Team vom Lehrstuhl für ist die Insel – trotz einer Gesamtbe- der lokalen Bevölkerung in der Um- Fördertechnik, Materialfluss, Logistik völkerung von 300.000 Einwohnern gebung einen kostengünstigen Zu- an der TUM hatten eine andere Idee. – nicht an das staatliche Stromnetz gang zu Elektrizität zu ermöglichen. Sie spielen die Informationen mithilfe angeschlossen. Die wirtschaftliche EWB ist ein gemeinnütziger Ver- von Datenbrillen ein. Der Vorteil: Die Entwicklung sowie die Gesundheits- ein, der am Karlsruher Institut für Mitarbeiter haben die Hände frei und und Bildungseinrichtungen sind da- Technologie angesiedelt ist. Er hat so mehr Bewegungsspielraum. durch stark eingeschränkt. Um die- sich zum Ziel gesetzt, durch koope- Die Weiterentwicklung der Daten- ser Entwicklung entgegenzuwirken, rativ angelegte Ingenieursprojekte die brille ist aber vor allem für die Inklu- hat die lokale Nichtregierungsorga- Lebensbedingungen in Entwicklungs- sion hörbehinderter Menschen im nisation PROLASA begonnen, in der ländern nachhaltig zu verbessern. Die Arbeitsablauf von besonderer Bedeu- Nähe des Dorfes Bugarula im nördli- Projektgruppe „Hydroélectricité Id- tung. In dem dreijährigen Forschungs- chen Teil von Idjwi ein Kleinwasser- jwi“ wurde Ende 2015 gegründet und projekt „Work-by-Inclusion“ wurden kraftwerk zu errichten, dessen Strom besteht mittlerweile aus circa 35 Mit- Praxiserfahrungen ausgewertet, die momentan nur für organisationseige- gliedern unterschiedlicher Fachrich- über die Entwicklung der Verbreitung ne Einrichtungen genutzt wird. Tech- tungen. Neben Bau-, Wirtschafts-, von Textanweisungen hinausgehen. So nische Probleme bei der Stromleitung Elektro- und Maschinenbauingeni- stellte sich etwa heraus, dass es besser zwischen dem Wasserkraftwerk und euren befinden sich ebenfalls Studie- verständlich ist, Informationen durch PROLASA sind aktuell dafür verant- rende aus den Bereichen Pädagogik, kurze Symbole zu verdeutlichen. Mit wortlich, dass nur ein Bruchteil der Informatik, Physik und Gesundheits- der Datenbrille ist es zudem mög- theoretisch vorhandenen Leistung ge- wesen in der Gruppe. Der VDE ist lich, vorformulierte Kurznachrichten nutzt werden kann. Mitglieder der ge- dort mit einigen Mitgliedern, die sich mit anderen auszutauschen. Dadurch meinnützigen Hilfsorganisation En- in der VDE-Hochschulgruppe Karls- wurde eine Kommunikationsplatt- gineers Without Borders (EWB), die ruhe engagieren und den VDE-Be- form geschaffen, die ohne gesproche- ingenieurwissenschaftliche Projekte zirksverein Mittelbaden unterstützen, ne Sprache funktioniert. in der Entwicklungszusammenarbeit repräsentiert. 08
BILDVERARBEITUNG DIGITALISIERUNG Das Auge der Industrie Fit für die Transformation Die Bildverarbeitungsbranche be- Die Digitalisierung stellt Gesellschaft und Wirtschaft vor große Heraus- wegt sich von einem Rekord zum forderungen. Was muss die Politik unternehmen, um die Digitalisierung nächsten. Erfreulich für deutsche in Deutschland voranzubringen? Anbieter: Ihre Produkte sind wei- ter stark begehrt. DR. GUNTHER KEGEL, VDE-Präsident 2017 ist der Umsatz der deutschen „Wir brauchen eine umfassende Industrialisierungs- Bildverarbeitungsindustrie um 18 Pro- und Digitalisierungsstrategie mit der Mikroelektronik als zent gestiegen. Das entspricht einem Herzstück. Ohne wettbewerbsfähige Mikroelektronik- Wert von 2,6 Milliarden Euro. Für Industrie werden wir abhängig und zum Importeur von 2018 geht die Branche von einem wei- Schlüsseltechnologien – fatal für eine Exportnation. teren Wachstum von bis zu 10 Prozent Statt die Produktion aus der Hand in Richtung Asien aus. Das sind die Ergebnisse einer zu geben, muss die gesamte Innovationskette vom Umfrage des VDMA (Verband Deut- Chip-Design bis zur Fertigung vor Ort sein. Hightech scher Maschinen- und Anlagenbau) und Innovationen müssen stärker gefördert, die IKT- unter seinen Mitgliedern. „Die Bild- Infrastruktur und 5G als Kommunikationsstandard aus- verarbeitungsindustrie hat auch 2017 gebaut werden. Und es muss dringend mehr Geld in die Ausbildung unserer Kinder wieder einen Rekord umsatz erzielt gesteckt werden – von der Kita bis zum Studium.“ und bleibt auf Wachstumskurs“, sagt Anne Wendel, Leiterin der Fachab- teilung Industrielle Bildverarbeitung. PROF. DR. DIETER SPATH, Präsident der Deutschen Akademie der Technik Bereits seit acht Jahren vermeldet die wissenschaften Branche Umsatz- und Wachstumsre- „Gerade der Mittelstand steht durch die Digitalisierung korde. Der Grund: Mit Bildverarbei- vor einer grundlegenden Transformation. Er braucht Un- tungssystemen lernen Maschinen und terstützung, Zugang zu Wissen und Partnern. Gute Initi- Roboter zu „sehen“. Die Schlüssel ativen, die bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle technologie kommt nicht nur im helfen, bleiben in den kommenden Jahren essenziell. weltweiten Automations-Wettlauf der Auch brauchen Unternehmen und Mitarbeiter Freiräu- klassischen Industriezweige verstärkt me bei der Arbeitsorganisation. Die Digitalisierung wird zum Einsatz, sondern erobert konstant neue, selbstbestimmtere und flexiblere Arbeitsformen neue Anwendungsgebiete. Standards, hervorbringen. Agilität bei der Erprobung neuer Arbeits- Vernetzung und einfache Integration formen, lernförderliche Arbeitsbedingungen und lebens- sowie Digitalisierung bleiben laut langes Lernen sind dafür wichtige Voraussetzungen. Zu- Verband Wachstumstreiber. Eingebet- dem werden Lernende Systeme stärker in den Fokus rücken. Deutschland sollte tete Systeme und Machine Learning Lernende Systeme und Künstliche Intelligenz im Sinne des Menschen gestalten.“ eröffnen völlig neue Bereiche. So finden sich bildverarbeitende Techno- logien verstärkt zum Beispiel in der DR. MARIO GÜNTER, Geschäftsführer der Deutsch- FOTOS: SEITE 08: HOLGER VOGEL / FOTOSTUDIO WEST, ENGINEERS WITHOUT Medizintechnik, im Verkehr oder in sprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) BORDERS KARLSRUHE; SEITE 09: VDE, ACATECH / C.RIEKEN, DSAG (V.O.N.U.) der Landwirtschaft. „Für den Außenstehenden fehlt es der digitalen Agenda Für den Einsatz im industriellen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie an Umfeld sind vor allem die Entwick- einem transparenten Bewertungsraster. Zwar sind die lungen rund um Industrie 4.0 ein einzelnen Handlungsfelder benannt, es gibt jedoch für starker Antreiber. „Machine Vision ist diese keinen Kriterien- oder Indikatorenkatalog, um das schon heute integraler Bestandteil der Vorankommen auch stichhaltig bewerten zu können. Um Automation. Mit dem Trend zur digi- dem Thema die notwendige Beachtung zu schenken, talen Fabrik nimmt der Hunger nach brauchen wir weniger einen öffentlichkeitswirksamen Prozesswissen und Qualitätsdaten zu. IT-Gipfel, als vielmehr ein konkret abgeleitetes Maßnah- Kaum eine andere Sensortechnolo- menpaket und die Evaluierung von dessen Wirkungsgrad. Für die einzelnen Hand- gie ist in der Lage, hier ähnlich gro- lungsfelder der Agenda braucht es zudem mehr zentrale verbindliche Befugnisse, ße Beiträge zu liefern wie die Bildver- um diese zu koordinieren und einzugreifen – sonst bleibt die Agenda Stückwerk.“ arbeitung“, sagt etwa Heiko Frohn, Technikvorstand des Bildverarbei- tungsspezialisten VITRONIC. 09
SPEKTRUM PERSONENTRANSPORT Busfahren wie im Computerspiel Als Mitgründer und CIO des deutschen Fernbusunternehmens Flixbus beschäftigt sich Daniel Krauss auch mit mobilen Zukunftsszenarien. Für den künftigen Personenverkehr hat er eine ganz besondere Vision: Busfahrer steuern ihre Fahrzeuge per Virtual Reality von zu Hause aus. Wie ist Ihre Vision für den Verkehr Daher glaube ich, dass der Fernbus der Zukunft? in Zukunft noch stärker verbreitet sein Das Thema Shared Mobility als Alter- wird als heute. native zum Individualverkehr wird in Zukunft immer mehr an Bedeutung ge- Im Vergleich zum Lkw, der Güter trans- winnen. Die Menschen werden immer portiert, ist das Thema autonomes mobiler, zeitgleich nimmt der Bedarf, Fahren bei einem Bus, der Menschen ein eigenes Auto besitzen zu müssen, befördert, allerdings deutlich sensib- immer weiter ab. Eine wichtige Rolle ler. Wie sehen Sie die Chancen für die spielt dabei die smarte Vernetzung von Technologie in diesem Bereich? verschiedenen Verkehrsträgern. Eine Der Fernbus wird wahrscheinlich nicht zunehmende Nutzung des öffentlichen der Erste sein, der autonom fährt. Ich Personenverkehrs wird die Umwelt glaube stattdessen, dass wir in Ver- DANIEL KRAUSS, Mitgründer und langfristig entlasten. Das Verkehrsmittel kehrssituationen mit vielen Teilnehmern CIO von Flixbus Bahn hat bisher noch einen Vorteil: Es – also in Städten in Form von öffentli- ist vermeintlich verkehrssicher, weil es chen Stadtbussen – zunächst ein an- keinen Stau gibt. Und dadurch kann deres Szenario sehen werden. Mensch Aber warum sollte es so eine Zwi- man zum Teil schneller fahren als selbst und Maschine werden zusammenarbei- schenstufe geben? Warum nicht mit dem Auto. Doch ist die Vision der ten. Stichwort Augmented Reality. Der gleich aufs autonome Fahren set- Zukunft, dass es in 20 Jahren wohl eine Busfahrer der Zukunft steht vielleicht zen? hohe Zahl an autonomen Fahrzeugen morgens auf und setzt sich eine Virtual- Es ist ein Aberglaube, dass sich die geben wird. Das heißt: Dann ist man Reality-Brille auf. Und dann fährt er den Künstliche Intelligenz so schnell entwi- auch auf der Straße sicherer und zu- Bus virtuell von zu Hause aus – wie wir ckelt und quasi über Nacht das auto- dem schneller unterwegs. Hier benötigt es von Computerspielen kennen. Even- nome Fahren flächendeckend kommt. der Bus keine proprietäre Infrastruktur tuell kann er sogar weitere Fahrzeuge Daher halte ich das stufenweise Szena- wie ein Schienennetz. Der Fernbus bie- steuern. Denn wenn er den ersten Bus rio für viel realistischer. Es würde mich tet eine variable Gefäßgröße von 30 bis auf die Autobahn gebracht hat, wo die- nicht wundern, wenn wir die ersten An- vielleicht irgendwann mal über 100 Per- ser autonom weiterfährt, könnte er sich wendungsfälle für Virtual Reality im Bus sonen, die gleichzeitig reisen können. beim nächsten Fahrzeug einloggen. schon in ein paar Jahren sehen werden. AUTOMATION Millionen Stück wachsen, schätzt der vor allem die stark wachsende Nach- Branchenverband International Fede- frage nach Robotern in der allgemei- Bronze für ration of Robotics (IFR) in seinem ak- nen Industrie und in der Automobil- tuellen Jahresbericht. Derzeit werden industrie, so der Branchenverband. Deutschland weltweit etwa 1,3 Millionen Industrie- Weltweit hat die Republik Korea roboter eingesetzt. Der IFR geht also die mit Abstand höchste Roboter- Laut Branchenverband IFR steigt von einer deutlichen Verdopplung aus dichte in der Fertigungsindustrie. 631 die Anzahl an Robotern weltweit – und das in weniger als drei Jahren. Roboter pro 10.000 Angestellte wur- auf einen neuen Rekord. Deutsch- Mit 309 Robotern auf 10.000 An- den dort im Jahr 2016 verzeichnet. In land liegt in puncto Automation in- gestellte liegt Deutschland auf Platz 3 China, wohin die Branche die meisten ternational auf Platz 3. der am meisten automatisierten Län- Roboter verkauft, lag die Zahl hinge- der der Welt. Hierzulande schätzt der gen lediglich bei 68 Robotern. In den Die Hersteller von Robotern haben IFR zwischen 2018 und 2020 mit ei- weltweiten Top Ten finden sich außer- allen Grund zum Jubeln: Bis 2020 ner weiteren Absatzsteigerung um dem Singapur, Japan, Schweden, Dä- soll der Bestand der in Fabriken ein- durchschnittlich mindestens 5 Pro- nemark, USA, Italien, Belgien und gesetzten Roboter auf mehr als drei zent pro Jahr. Verantwortlich dafür ist Taiwan. 10
CYBER SECURITY Regeln für mehr Sicherheit Eine Charter of Trust legt verbindliche Prin- zipien für die IT-Sicherheit von Unterneh- men fest. Zu Recht, laut einer Studie des IT-Sicherheitsanbieters Kaspersky. IoT-Botnets, Viren und Sicherheitslücken wie Spectre und Meltdown können große wirt- schaftliche Schäden anrichten. Um das künf- tig zu verhindern, wurde auf der Münchner Sicherheitskonferenz gemeinsam mit acht Un- ternehmen eine Charter of Trust formuliert, die Regeln zur Cybersicherheit aufstellt. Zu den Unterzeichnern zählen unter anderem Siemens, Daimler, IBM, NXP, SGS und die Deutsche Telekom. Die Charta fordert beispielsweise obligato- rische Cybersicherheits-Zertifizierungen für kritische Infrastrukturen und Geräte, die Scha- den an Leib und Leben verursachen könnten. Außerdem soll es klar definierte Verantwort- lichkeiten und Ansprechpartner für IT-Sicher- heit bei Unternehmen, Behörden und Regie- rungen geben. Globale Expertennetzwerke sollen sich umfassender als bisher zu gemein- samen, übergreifenden Risiken austauschen. Ferner würden verbindliche Sicherheitsstan- dards für das Internet der Dinge benötigt. Und schließlich wollen die Unterzeichner, dass Cy- bersicherheit ein fester Bestandteil von Curri- cula in der schulischen und universitären Bil- dung wird. Dass der Gefahr von Cyberangriffen etwas entgegengesetzt werden muss, zeigt zum Bei- spiel eine aktuelle Studie des IT-Sicherheits- anbieters Kaspersky. Demnach waren 28 Pro- zent der Industrieunternehmen im Laufe der letzten zwölf Monate vor der Umfrage von einem Cyberangriff betroffen. Zielgerichte- te Attacken nahmen dabei um mehr als ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr zu. Da die Nachfrage im Jahr 2017 nach Zero-Day-Ex- ploits für industrielle Kontrollsysteme auf dem Schwarzmarkt sig nifikant anstieg, gehen die Kaspersky-Experten davon aus, dass im Jahr 2018 spezifische Malware auftauchen wird, die es auf Schwachstellen industrieller Auto- mationskomponenten abgesehen hat. Die Studie „Corporate IT Security Risks“ wird jährlich von Kaspersky zusammen mit BILDER: SEITE 10: FLIXBUS B2B International durchgeführt. Dabei wur- den im Jahr 2017 über 5200 Entscheider aus kleinen, mittleren und Großunternehmen in 29 Ländern zu IT-Sicherheitsthemen und Cybersicherheitsvorfällen befragt.
TITEL INDUSTRIE 4.0 Die Digitalisierung verändert unsere Welt – und die Art, wie moderne Fertigungsunter- nehmen produzieren. Echtes Potenzial liegt in der durchgängigen Digitalisierung der gesam- ten Wertschöpfungskette. (Bild: Siemens AG) 12
SMARTE FABRIK KOMMUNIKATION IST ALLES Die Vernetzung zwischen den Maschinen ist die Grundlage für die smarte Fabrik der Zukunft. Doch noch wird nicht mit einer Sprache und noch dazu zu langsam kommuniziert. Immerhin: Standards sind auf dem Weg. Das herstellerunabhängige Kommunikationsprotokoll OPC-UA und der künftige Mobilfunkstandard 5G lassen hoffen, dass die Systeme in absehbarer Zeit echtzeitfähig werden. VON MARKUS STREHLITZ Die Versprechungen, die mit Industrie 4.0 einhergehen, Doch viele der Informationen, die sich von den Ma- sind groß. Durch die Analyse von Daten sollen sich etwa schinen sammeln lassen, werden von den Unternehmen Ausfälle von Maschinen vorhersagen oder die Qualität von noch nicht verwertet. „Es fehlt häufig eine ganzheitliche Produkten verbessern lassen. Die dafür notwendigen Da- Sicht auf die Daten“, sagt Bernd Groß – genau diese aber ten kommen von Maschinen und deren Sensoren. Die be- mache das industrielle Internet of Things (IoT) aus. Groß finden sich mittlerweile auf einer Vielzahl von Anlagen, ist bei der Software AG für die IoT-Plattform Cumulocity die in den Fabriken im Einsatz sind. Selbst ältere Maschi- verantwortlich. Diese wiederum ist die technische Grund- nen können noch nachträglich fit für die smarte Fabrik ge- lage für das Joint Venture ADAMOS, bei dem sich Unter- macht werden. Das Fraunhofer-Institut für Produktions nehmen aus verschiedenen Bereichen – neben der Soft- technik und Automatisierung (IPA) zum Beispiel hat ware AG zum Beispiel die Maschinenbauer DMG MORI Drehbänke aus den Fünfzigerjahren mit verschiedenen und Zeiss – zusammengetan haben, um eine IoT-Platt- Sensoren ausgestattet, wie Petra Foith-Förster in einem form für die Industrie aufzubauen. Roundtable-Gespräch auf der Messe productronica be- Dass der Datenschatz in den Firmen häufig noch richtete. Sie leitet das Applikationszentrum Industrie 4.0 nicht gehoben wird, hat Gründe. Die smarte Fabrik in am Fraunhofer IPA. Durch die Nachrüstung mit Senso- die Praxis umzusetzen, ist nicht trivial. In den Werkshal- ren können die Daten der Werkbank – etwa zur Drehzahl len stehen nicht nur Maschinen aus verschiedenen Gene- – für Analysen genutzt werden. rationen, sondern auch von unterschiedlichen Herstellern. 13
TITEL INDUSTRIE 4.0 Um Industrie 4.0 wahr werden zu lassen, müssen sie alle »Standards sind wichtig, vernetzt werden – mit ihren spezifischen Schnittstellen und Protokollen. „Die große Diversität der Geräte, die an- um mit der Heterogenität gebunden werden müssen, ist eine Herausforderung“, so in den Fabriken fertig zu Bernd Groß. Das beginnt schon damit, überhaupt Zugang zu den Daten zu bekommen. „Maschinen nutzen unter- werden. OPC-UA ist einer schiedliche Schnittstellen“, erklärt Groß. „Das ist zum von ihnen. Doch noch Beispiel bei der einen eine Ethernet-, bei der anderen eine werden diese nicht flächen USB-Schnittstelle.“ Bei den Protokollen – also den Feld- bussystemen – ist die Vielfalt noch wesentlich größer. Das deckend eingesetzt.« zeigt schon die Zahl der verschiedenen Varianten, die die auf Industrie 4.0 ausgerichteten Cloud-Plattformen ab- Nils Herzberg, Senior Vice President für IoT, SAP decken. ADAMOS zum Beispiel unterstützt laut Bernd Groß 140 unterschiedliche Protokolle. Wie immer in sol- chen Fällen gibt es Bestrebungen, dies zu vereinheitlichen und Standards zu entwickeln. Die größte Aufmerksam- »Eine wichtige Anforderung keit genießt zurzeit OPC-UA. Dieses industrielle Machi- ne-to-Machine-Kommunikationsprotokoll ist in der Lage, an 5G ist, dass es kein ge- maschinenlesbar Daten auszutauschen. Der Standard er- schlossenes System sein möglicht die Kommunikation von der untersten – der so- genannten Feldbusebene, welche die einzelnen Sensoren darf. Daher müssen wir die und Aktoren mit der Maschinensteuerung verbindet – bis Schnittstellen öffnen. Sonst hoch in die Unternehmensebene, in der die Produktions- werden wir nie ein flexibles planung stattfindet, erklärt Horst Heinol-Heikkinen, Vor- stand des VDMA Industrielle Bildverarbeitung und als Netzwerk schaffen.« solcher Experte für OPC-UA. Die Nutzung der Daten über alle Prozessebenen hinweg Henri Tervonen, CTO Mobile Networks, Nokia ist seiner Meinung nach das Besondere an dem Standard, das ihn von den vorhandenen Protokollen unterscheidet. Wichtig sei außerdem: „OPC-UA ist plattformunabhän- gig“, sagt er. „Man ist also weder von einem bestimmten »In der Fabrik gibt es rie- Betriebssystem noch von einer bestimmten Hardware ab- hängig.“ Für Industrie 4.0 spielt der Standard laut Hei- sige Möglichkeiten, Daten nol-Heikkinen eine zentrale Rolle. „Wir alle wissen: Kom- miteinander zu verknüpfen. munikation ist alles. Konkret ist OPC-UA in der Lage, die notwendige Brücke von der Automatisierungstechnik zur Zwar ist noch viel kabel- Informationstechnik zu schlagen.“ gebunden, aber ich sehe großes Potenzial für mobile Flexible Kommunikationslösungen Lösungen.« aus der Cloud sind ideal Mats Lundquist, CEO Telenor Connexion Auch der Kommunikationsspezialist Groß hält OPC-UA für eine wichtige Entwicklung. „Es wird uns wahrschein- lich im Industriebereich helfen.“ Allerdings geht er davon aus, dass dies erst auf lange Sicht der Fall sein wird. Denn »5G wird auf jeden Fall bis in den Fabriken nur noch OPC-UA gesprochen wird, werden noch viele Daten durch die Schnittstellen fließen. eine disruptive Kraft Noch lange nicht alle Maschinen, die heute verkauft wer- besitzen. Zuverlässigkeit, den, unterstützen die Spezifikation. „Und wenn sich zum Beispiel ein Schreiner heute eine moderne Maschine kauft, die Qualität der Services die ohne OPC-UA ausgeliefert wird, dann läuft diese erst und Sicherheit gehören mal für die kommenden 15 Jahre“, sagt Bernd Groß. dabei zu den wichtigsten Immerhin: OPC-UA ist eine wichtige Hilfe – auch weil es die Kommunikation nicht nur bis zu den Geschäftsan- Aspekten.« wendungen, sondern auch vom Sensor bis in die Cloud möglich macht. Und gerade bei Industrie 4.0 kann Cloud Alpna J. Doshi, CIO Philips Computing eine wichtige Rolle spielen. Mit dem flexiblen Konzept können Unternehmen auf relativ einfache Weise neue IT-Systeme einführen – etwa Messaging-Plattformen 14
In der smarten Fabrik nimmt die Autonomie der Produktionsmittel immer weiter zu. Auch fahrerlose Transportsysteme kommen zum Einsatz. Damit diese verlässlich und effizient funktionieren, hat das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung eine cloudbasierte Navigationstechnologie entwickelt. für die Kommunikation zwischen Maschinen und IT-Infra nen umfassen soll, um Geräte, Anwender und Unterneh- struktur oder Systeme für die Datenanalyse. Schließlich men zu vernetzen. Diese bietet unter anderem Werkzeuge steht die Entwicklung bei Industrie 4.0 noch am Anfang. für die Datenanalyse und zum Gerätemanagement. Und somit sind entsprechende Projekte noch mit einem ge- Doch auch beim Thema Cloud sind Dolmetscher ge- wissen Risiko verbunden, wie Henrik Groß, Analyst beim fragt, wenn die Anlagen in der Fabrik noch nicht OPC-UA Marktforschungshaus Techconsult, betont. „Es gibt einige sprechen. „Man sollte nicht mit dem Feldbus in die Cloud große Unternehmen, die damit schon begonnen haben“, gehen“, rät Bernd Groß von der Software AG. „Diese Pro- so der Experte, „aber gerade Mittelständler müssen sich tokolle sind dafür in der Regel nicht entwickelt worden.“ mit diesem Thema erst mal auseinandersetzen, den mögli- Vor Ort muss also zunächst per Software übersetzt wer- chen Nutzen identifizieren und sich gut überlegen, welche den, um dann über eine End-to-End-Verschlüsselung die FOTOS: SEITE 14: SAP, NOKIA, TELENOR, PHILIPS (V.O.N.U.); SEITE 15: FRAUNHOFER IPA / RAINER BEZ Technologien sie überhaupt benötigen.“ Daher seien flexi- Daten in die Wolke zu schicken. Der aktuell größte Stol- ble Lösungen aus der Cloud ideal. „Wenn es nicht funktio- perstein auf dem Weg in die smarte Fabrik ist aber nicht niert, hat man wenigstens nicht in neue Server investiert.“ diese grundlegende Kommunikation. Problematischer sind die verschiedenen Datenmodelle der Geräte und An- lagen. Auch wenn sich zwei Komponenten im vernetz- Noch fehlt eine Ontologie ten Werk über das gleiche Protokoll miteinander austau- der Datenkommunikation schen, heißt das noch lange nicht, dass sie sich verstehen. „Eine Werkzeugmaschine beispielsweise und ein Roboter Neben ADAMOS gibt es noch weitere Cloud-Plattformen, haben ja unterschiedliche Aufgaben. Daher verfügen sie die sich speziell an die vernetzte Fabrik adressieren – zum auch über verschiedene Datenstrukturen“, erklärt Bernd Beispiel solche von Technikkonzernen wie Siemens oder Groß. „Auf der einen Seite geht es um Werte wie Tem- Bosch. Mit Technologien aus seinem Cloud-Angebot peratur oder Druck, auf der anderen Seite werden etwa MindSphere will Siemens Maschinen- und Anlagenbau- Daten zur Bewegung des Roboterarms im dreidimensio- er in die Lage versetzen, weltweit verteilte Maschinenflot- nalen Raum generiert.“ Solche Unterschiede lassen sich ten für Servicezwecke zu überwachen. Außerdem dient aber nicht standardisieren, sagt Bernd Groß. „Wenn heu- MindSphere als Basis, um hauseigene Services bereitzu- te über Standardisierungslücken in der Fabrik gesprochen stellen – zum Beispiel für die vorausschauende Instand- wird, dann fokussieren die Diskussionen meist auf 20 Pro- haltung von Werkzeugmaschinen. Auch Bosch nutzt seine zent des Problems.“ Aber 80 Prozent lägen in der Frage: Cloud-Plattform, um eigene Software-Dienste anzubie- Wie lassen sich diese unterschiedlichen Datenmodelle ver- ten. Kern des Angebots ist die IoT-Suite, die alle Funktio- einheitlichen? 15
TITEL INDUSTRIE 4.0 INDUSTRIELLE NETZENTWICKLUNG »Wir möchten die Hoheit über Teile unserer Netze behalten« Gemeinsam mit dem Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) hat der VDE bei der Bun- desnetzagentur einen Antrag für die Errichtung von eigenen 5G-Netzen in Fabriken gestellt. Im Interview spricht VDE-Präsident Dr. Gunther Kegel über die Gründe für diesen Vorstoß und die Rolle von Sensoren-Schwärmen. Herr Kegel, wie wichtig ist 5G für begrenzte Netze aufbauen möchten, die genau den dortigen Industrie 4.0? Anforderungen der Industrie entsprechen. Wenn wir über die Im Moment versuchen wir, mit den Grenzen der Fabrik hinausgehen, sind wir auf die Mithilfe der bestehenden Infrastrukturen sowohl großen Kommunikationsanbieter angewiesen. Wir wollen auch drahtgebunden als auch drahtlos nicht die dafür notwendigen Netzgeräte selbst entwickeln. Aber die ersten systemischen Schritte in wir möchten die Hoheit über Teile unserer Netze behalten. Richtung Digitalisierung zu machen. Aufgrund der unzureichenden Über- Aber ist denn der Vergleich mit IEEE 802.11 – also der tragungsgeschwindigkeiten und La- WLAN-Technologie – angebracht? 5G wird sich kaum so tenzzeiten in den aktuell genutzten einfach umsetzen lassen. Frequenzbändern geraten wir an Doch, neue innovative 5G-Technologie muss sich genauso DR. GUNTHER KEGEL, Grenzen. So werden wir die zweite einfach in privaten, lokal begrenzten Netzwerken aufbauen VDE-Präsident Stufe von Industrie 4.0 nicht zünden lassen wie eine bisherige WLAN-Struktur. Die Telekommuni- können. kationsfirmen sehen das allerdings anders. Auch in den Ver- bänden VDE und ZVEI wird das Für und Wider eigener lokaler Wie sieht diese zweite Stufe aus? Netze kontrovers diskutiert. Darin wird eine viel größere Zahl an Sensoren mit dem Netz verbunden. Diese smarten Sensoren müssen im Sinne einer Dann war die Intervention bei der Bundesnetzagentur Schwarmintelligenz einfache Signale so miteinander abgleichen, vielleicht unnötig? dass die Informationen in Echtzeit – innerhalb von Millisekunden Nein, es ergibt sehr viel Sinn, gleich von Beginn darauf zu – zu einem Gesamtmesswert verdichtet werden. So werden aus drängen, Zuteilungen für lokale Netze in einem eigenen Fre- Daten Informationen, die der Anlage zur Verfügung gestellt wer- quenzband zu erhalten. Denn wenn wir erst im Nachhinein be- den. Jeder einzelne Sensor muss sich dabei über eine Industrie- merken, dass wir dies benötigen, ist es zu spät. Dann sind wir 4.0-konforme Kommunikation ansprechen lassen. auf die Telekommunikationsanbieter angewiesen. Im Übrigen ist es sehr viel wert, der Souverän über die eigenen Daten zu Warum braucht die Industrie dafür ein eigenes 5G-Netz? bleiben. Das kann man kaum in Euro und Cent messen. Die Unternehmen bauen auch heute schon Teile der Netze, die sie nutzen, selbst auf. Diese Netze sind lokal begrenzt und so Wollen Sie auch auf die Entwicklung von 5G einwirken, kleinteilig und spezialisiert, dass sie für einen Dienstleister wirt- um den Standard möglichst einfach zu halten? schaftlich nicht interessant sind. Bei den internen WLAN-Netzen Ja, wir sind im ZVEI aktiv, eine entsprechende Arbeitsgruppe käme auch niemand auf die Idee, diese zwingend von Netz- zusammenzustellen, um über die industriellen Anforderungen providern umsetzen zu lassen. Wir wollen selbst entscheiden, an 5G zu sprechen. Dort sollen auch Firmen teilnehmen, die ob wir räumlich begrenzt auf Produktionsstandorte eine eigene nicht Mitglieder des ZVEI sind – wie zum Beispiel Stakeholder Infrastruktur aufbauen oder dafür einen öffentlichen Dienstleis- aus dem Bereich Netzwerkoperator, Netzwerkanbieter und ter in Anspruch nehmen. Unternehmen möchten manchmal gar Endanwender. VDE und DKE mit ihrer Standardisierungskom- nicht über eine öffentliche Struktur gehen, weil sie der Souverän petenz werden hierbei ebenfalls mitwirken – für einen Bran- über ihre Daten bleiben wollen und so selbst die für die jeweilige chenverband ein Novum. Anwendung geforderte hohe „Quality of Service“ gewährleisten können. Aus diesen Gründen haben wir so nachhaltig bei der Wann, glauben Sie, wird 5G in Deutschland in der Fabrik Bundesnetzagentur gefordert, lokale und regionale Zuteilungen eingesetzt werden? für Frequenzbänder für die Industrie zu bekommen. Große Unternehmen wie zum Beispiel Siemens werden wahr- scheinlich als Erste in der Lage sein, eine 5G-Infrastruktur auf- Werden die Industrieunternehmen damit zu Wettbewer- zusetzen. Ich schätze, das wird vielleicht in drei Jahren der bern der Telekommunikationsanbieter? Fall sein. Bis 5G flächendeckend in der Industrie genutzt wird, Es geht nicht darum, ein Netz zu entwickeln, das im Wettbe- dauert es sicherlich noch fünf Jahre. Vielleicht bin ich mit die- werb zu Telekommunikationsanbietern steht, da wir regional ser Einschätzung aber auch zu optimistisch. 16
VDE-Präsident Gunther Kegel stößt ins gleiche Horn. mer und für welche Anwendung geeignet ist. „5G ist quasi Mit einem Vergleich zur guten, alten Post macht er die ein Bündel aus Technologien. Und noch ist nicht klar, wie Schwierigkeit anschaulich. „Mit OPC-UA haben wir qua- dieses letztendlich aussehen wird“, sagt Kegel. „Man hat si Briefumschlag, Postverteilzentrum und Briefträger“, so jetzt Anforderungen gesammelt und spezifiziert. Und es Kegel. „Doch der Brief muss trotzdem noch geschrieben ist klar, wie die entsprechende Hochfrequenztechnik aus- werden und der Empfänger muss in der Lage sein, die- sehen soll. Aber das war´s auch.“ sen auch zu lesen. Er muss verstehen, was mit den Worten gemeint ist.“ Dieses Verständnis fehle bisher noch, wie es überhaupt an einer formal geordneten Darstellung der Da- Die Anforderungen lauten: tenmodelle und ihrer Kommunikation fehlt. „Dazu brau- Zuverlässigkeit und kurze Latenzzeiten chen wir eine Ontologie“, erläutert Kegel. Diese beste- he aus der Syntax, der Semantik und einem Wörterbuch. Der Kommunikationsstandard spielt auch eine große „Die Syntax erklärt mir, wie ich Sätze zusammenbauen Rolle in den Projekten des Forschungsverbunds ZDKI muss. Das Wörterbuch sagt mir, welche Worte überhaupt (Zuverlässige drahtlose Kommunikation in der Indus bekannt sind. Und die Semantik kann aus dieser syntak- trie), welche die drahtlose Vernetzung in der Industrie vo- tisch zusammengestellten Botschaft extrahieren, was da- ranbringen wollen. Sie arbeiten an Technologien, die zwei mit gemeint ist.“ grundlegende Anforderungen erfüllen müssen: Sie sollen zuverlässig sein und kurze Latenzzeiten ermöglichen. Die Ansätze reichen von der Modifizierung der WLAN-Tech- Die Reaktionsgeschwindigkeit des nik bis zur Entwicklung komplett neuer Funksysteme. Netzwerks muss schneller werden Eines der gemeinsamen Ziele ist es außerdem, in Zukunft die Technologien in einem der Industrie 4.0 zugewiesenen Eine einfache Suchanfrage auf Google zeigt, was gefor- Frequenzspektrum einzusetzen. Die VDE-Normungs dert ist. Denn diese arbeitet schon mit solchen semanti- organisation DKE leitet die Begleitforschung zu den schen Elementen. Die Eingabe einer Frage in natürlicher Projekten. Sprache wird weitestgehend verstanden, weil die Semantik Der ZDKI kooperiert eng mit zwei weiteren For- der in ihr enthaltenen Schlüsselwörter erkannt wird. „In schungsschwerpunkten, in deren Fokus ebenfalls 5G der Fabrikautomation nützt es uns aber nichts, wenn wir steht. Die Projekte, die unter dem Titel „5G: Industriel- auf eine Anfrage 40.000 Antworten erhalten, wie das bei les Internet“ zusammengefasst sind, beschäftigen sich mit der Internetsuche der Fall ist“, sagt Kegel. „Wir brauchen der Entwicklung von Technologien auf Basis des Kommu- eindeutige Ergebnisse.“ Mithilfe des Klassifizierungsstan- nikationsstandards, die die industrielle Produktion durch dards eCl@ss bewege sich die Industrie langsam in diese flexible und leistungsfähige Systeme vernetzen. Die drei Richtung. „Wir üben gerade mit den einfachen Formen Projektgruppen aus der Forschungsinitiative „5G: Takti- der Semantik“, sagt Kegel. In ersten Schritten werde etwa les Internet“ haben es sich zur Aufgabe gemacht, Kom- daran gearbeitet, dass Messstellen und Messgeräte auto- munikationssysteme für das taktile Internet – also An- matisch aufeinander abgeglichen werden können. wendungen mit minimalen Reaktionszeiten – auf Basis Die Nutzung der vorhandenen Informationen in ei- von 5G-Technologien umzusetzen. Einsatzfelder sind ne- ner Fabrik wird aber nicht nur durch Sprachprobleme er- ben Land- und Baumaschinen sowie dem Straßenverkehr schwert. Das Sammeln der Daten dauert schlicht zu lange. auch industrielle Umgebungen. Da diese nicht in Echtzeit vorliegen, kann ihre Auswertung Erste Erfahrungen aus den Projekten zeigen, dass die daher mit den Taktzeiten nicht mithalten. „Wir müssen die Industriekommunikation der Zukunft nicht nur rein tech- Reaktionsgeschwindigkeit des gesamten Netzwerks in ei- nisch, sondern auch methodisch eine Herausforderung ner Fabrik deutlich steigern“, sagt Kegel. Eine Latenz- ist. Denn bei diesem Thema treffen zwei bislang getrennte zeit von unter einer Millisekunde ist notwendig. Mit den Welten aufeinander: die auf lange Zeithorizonte und Ro- aktuellen Netzwerk-Topologien lässt sich seiner Meinung bustheit ausgelegte Maschinenbauindustrie und die hoch- nach der nächste Schritt in der Digitalisierung der Pro- dynamische IT-Branche mit kurzen Entwicklungszyklen. duktion nicht machen. Dieser soll dazu führen, dass noch Um die Versprechungen von Industrie 4.0 wahr werden viel mehr Sensoren eingesetzt werden und mithilfe einer zu lassen, müssen somit nicht nur Maschinen miteinan- Schwarmintelligenz wertvolle Informationen liefern (sie- der sprechen lernen, sondern auch die dazugehörigen he Interview). Diese tauschen ihre Daten gegebenenfalls Menschen. dann auf drahtlosem Weg aus. Die künftige Kommunikation in den Werkshallen muss daher schnell und ohne Kabel funktionieren. Die Voraus- setzungen dafür soll 5G liefern. Der Standard ist die tech- nische Basis für die smarte Fabrik der Zukunft. 5G stellt quasi ein Zusammenspiel aus verschiedenen Technologi- FOTOS: SEITE 16: VDE en dar – ein Backbone, der sowohl die kommende zellulare Mobilfunkgeneration als auch WLAN sowie weitere Sys- teme verbindet. Das Netzwerk soll zu jedem Zeitpunkt in- MARKUS STREHLITZ telligent entscheiden, welche Technik für welchen Teilneh- schreibt als freier Journalist hauptsächlich über Informationstechnologie. 17
TITEL INDUSTRIE 4.0 KABEL UND LEITUNGEN Sichere Verbindungen Wer an Vernetzung denkt, hat heutzutage oftmals nur Wireless LAN im Sinn. Doch gerade im in- dustriellen Kontext spielen auch in Zeiten von Industrie 4.0 und Smart Factory Kabel und Leitungen noch eine ganz entscheidende Rolle. Dabei gibt es die unterschiedlichsten Einsatzgebiete und An- forderungen – und damit jede Menge Herausforderungen. VON JÖRG BÖR Mit wachsendem Vernetzungsgrad in der Industrie und Einsatzbedingungen in der jeweiligen Industrieumgebung der Machine-to-Machine-, kurz M2M-Kommunikation, bestimmt werden. Die Auswahl der Netzwerkkomponen- wird die Netzwerkzuverlässigkeit immer wichtiger. Denn ten erfordert daher eine intensive Auseinandersetzung mit auch die modernsten IT-Technologien funktionieren nur den im speziellen Einsatzfall relevanten Anforderungen mit einer verlässlichen Infrastruktur. Eine entscheidende sowie eine kompetente Prüfung der entsprechenden Pro- und trotzdem häufig vernachlässigte Grundlage für Netz- dukteigenschaften. werkzuverlässigkeit ist dabei die Qualität der Verkabelung. Vor allem in der Industrie-4.0-Umgebung stellen die Schnell wird allerdings klar, dass es eine generelle Patent- Einsatzbedingungen von Kabeln und Leitungen eine gro- lösung für die Industrievernetzung nicht gibt. Zu vielfältig ße Herausforderung dar. Denn oftmals sind dem Anwen- sind die verschiedenen Industrie-4.0-Anforderungen, die der die Anforderungen an Kabel im Produktionsalltag im einerseits durch die Anwendung, andererseits durch die Vorfeld noch unbekannt. Nur eines ist sicher: Kabel sollen 18
unter allen Umständen funktionieren. Bei hohen wie nied- I N F O R MAT I O N rigen Temperaturen, unter Einfluss von Chemikalien wie Kühl- und Schmiermittel, bei mechanischen Belastun- Fachbuch gen oder im Falle von Robotern und Schleppketten unter dauerbewegtem Einsatz. Besonders anspruchsvoll wird es, Im Zusammenhang mit Indus wenn diese Kriterien in Kombination innerhalb einer An- trie 4.0 ist es wichtig, dass wendung auf die Leitung einwirken können. Planer und Anwender sich sowohl mit den funktiona- len Eigenschaften als auch Die möglichen Kabelkonstruktionen sind mit den Einsatzbedingungen ebenso vielfältig wie die Anwendungen von Kabeln und Leitungen auseinandersetzen. Das An- Entsprechend der Vielfalt der Anwendungen und der Ein- wenderhandbuch „Kabel und satzbedingungen gibt es zahlreiche verschiedene Kabel- Leitungen für bewegte Indus- konstruktionen. Aus diesem großen Angebot muss der trieanwendungen im Zeitalter Anwender ein Produkt auswählen, das alle relevanten An- von Industrie 4.0“ von Jörg Bör forderungen erfüllt und dabei – die Kostenbrille auf der ist kürzlich im VDE-Verlag erschienen. Zu beziehen für Nase – den günstigsten Kompromiss für den jeweiligen 29,80 Euro direkt beim VDE Verlag oder im Buchhandel. Anwendungsfall darstellt. Oftmals weiß der Kabelanwen- der dabei nicht, welche Auswirkung spezielle Einflüsse auf die Leitung haben können. Auch die Datenblätter der Lei- tungsprodukte werfen häufig mehr Fragen auf, als dass sie Kabel und Leitungen im VDE Antworten liefern. Für den Anwender wird schnell klar: Er kann nur dann Industrie 4.0 in seinem Betrieb realisieren, Der VDE unterstützt mit der DKE und dem VDE-Institut wenn er weiß, welche konkreten Auswirkungen die unter- Hersteller und Anwender darin, dass Produkte auch in schiedlichen Produktparameter hervorrufen können und Zeiten von Industrie 4.0 und Smart Factory den hohen wenn er diese spezifischen Anforderungen an eine Leitung Anforderungen moderner Anwendungen gewachsen zielgerichtet überprüfen kann. sind. In der DKE erarbeiten die VDE-Normungsexperten Angesichts so hoher Anforderungen an Kabel und Lei- die entsprechenden Normen in – überwiegend interna- tungen im bewegten Einsatz in Automatisierungsanwen- tionaler – Zusammenarbeit zwischen Herstellern und dungen wird die Prüfung und Zertifizierung durch ein Anwendern. Im VDE-Institut bewerten und zertifizieren neutrales Prüfinstitut immer wichtiger. Bislang spezifizie- die Prüfexperten elektrotechnische Systeme, Geräte und ren die Leitungshersteller die Eignung ihrer Produkte für Komponenten. Diese erfolgreich erprobte Zusammenar- die Verwendung in Industrierobotern oder anderen Pro- beit bewährt sich auch in Bezug auf Kabel und Leitungen duktionsanlagen anhand ihrer eigenen Prüfmöglichkeiten. für Industrie 4.0. Ein sehr praxisnahes Beispiel präsen- Im Umkehrschluss bedeutet das für den Anwender, dass tierten DKE, VDE Verlag und VDE-Institut auf der Auto- er eine große Anzahl an Produkten unterschiedlicher Her- matisierungsmesse SPS/IPC/Drives im vergangenen steller vergleichen muss. Für diesen Vergleich aber muss er November: Dort wurde der Prototyp eines Testgerätes nicht nur die jeweiligen Prüfbedingungen der unterschied- gezeigt, mit dem die kombinierte Biege- und Torsions- lichen Hersteller kennen, vielmehr muss er auch das De- belastung von Roboterleitungen simuliert werden kann. tailwissen mitbringen, welche Prüfung exakt seinem ange- strebten Einsatz am nächsten kommt. Diese Bewertung dem Anwender zu überlassen, ist kaum zielführend. Oder andersherum: Ohne allgemein anerkannte und neutrale Prüfverfahren gibt es keine verlässliche Transparenz be- ten Anwendungen. Sie entwickeln Methoden, mit denen züglich der Eignung verschiedener Leitungen für den be- die Produkteigenschaften reproduzierbar und vergleich- wegten Industrieeinsatz. bar nachgewiesen werden können. Diese Performance- Spezifikation setzt auf existierende Normen auf und be- FOTOS: SEITE 18: FOTOLIA / ROMASET; SEITE 19: VDE VERLAG handelt zusätzlich die speziellen Anforderungen aus dem VDE-Prüfbestimmung beendet Industrieeinsatz. Ziel der Bestimmung ist es somit, Prüf- Kabelwirrwarr im Industrie-4.0-Umfeld verfahren zu definieren, mit denen die VDE-Experten die Eignung unterschiedlicher Kabel und Leitungen für ent- Erschwerend kommt hinzu, dass es bis dato noch kei- sprechende dauerbewegte Einsatzbedingungen im Indus- ne internationale Kabelnorm für den industriellen Ein- trie-4.0-Umfeld nachweisen können. satz gibt, die diese Vielfalt der komplex miteinander ver- knüpften Anforderungen strukturiert oder gar klassifiziert. Um kurzfristig Prüfanfragen aus diesem hochdynami- schen Markt erfüllen zu können, arbeiten die Spezialisten des VDE-Instituts aktuell an einer Prüfbestimmung für die JÖRG BÖR Zertifizierung von Kabeln und Leitungen in automatisier- ist Experte für Datenleitungen in der Automatisierung beim VDE-Institut. 19
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