UNIPRESS* - WELTRAUMFORSCHUNG - MEDIZINTECHNIK - UNIVERSITÄT BERN

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UNIPRESS* - WELTRAUMFORSCHUNG - MEDIZINTECHNIK - UNIVERSITÄT BERN
Weltraumforschung – Medizintechnik

* Gespräch – Wie sich die Finanzkrise auf die Uni auswirkt   36
* Begegnung – Was Johannes Josi an der Mathematik fasziniert      38
                                                                            A p r i l 2 00 9   140
* Forschung – Warum der Klimawandel Juristen vor Probleme stellt       34

UniPress*

Forschung und Wissenschaft an der Universität Bern
UNIPRESS* - WELTRAUMFORSCHUNG - MEDIZINTECHNIK - UNIVERSITÄT BERN
DAS FEST – Wissen schafft Begegnung
Mit einem grossen Fest will die Universität gemeinsam mit der StudentInnenschaft (SUB) dem Jubiläumsjahr ein
Glanzlicht aufsetzen. Um ihrer Verbundenheit mit dem Länggassquartier und der Stadt Ausdruck zu verleihen, öffnet
sie am 6. Juni 2009 für alle Interessierten die Türen des Hauptgebäudes, der UniS, der Unitobler und des anatomischen
Instituts.

DAS FEST findet am Samstag, 6. Juni 2009, ab 18 Uhr im Hauptgebäude, in der UniS, in der Unitobler und am
Bühlplatz statt.

Details sind unter der Web-Adresse «www.175.unibe.ch» zu finden.

DAS FEST wird unterstützt durch Vifor Pharma und Valiant Bank

                                                                         Es gibt mehr als 18 Millionen Studierende an

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                                                                         mehr als 3600 Universitäten und Fach-
                                                                         hochschulen in Europa.

                                                                         Studierende, Absolventen und Young
                                                                         Professionals suchen schon während des
                                                                         Studiums eine Arbeitsstelle: Teilzeitjob,
                                                                         Traineeship oder Vollzeitstelle.

                                                                         Mehr als 450 spezialisierte Online-Jobbörsen
                                                                         direkt an den Hochschulen in der Schweiz und
                                                                         Europa verbinden Arbeitgeber mit den
                                                                         Talenten.

                                                                         Ein Inserat mit einem Tool auf
                                                                         derzeit bis zu 129 Jobbörsen
                                                                         gleichzeitig aufschalten?
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                                                                         Company Profiles, Job-Offers, Communities,
                                                                         Eventcalenders, Newsletters, E-Mail-Shots,
                                                                         Banners, Skyscrapers, Leaderboards.

1 Tool = 129 online Jobbörsen
   2   UniPress   140/2009
                                                                                             Go! Uni-Interactive
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W E LT R A U M F O R S C H U N G – M E D I Z I N T E C H N I K

   In diesem «UniPress» werden im Rahmen des Jubiläums gleich
zwei Schwerpunkte der Universität Bern näher beleuchtet:
Medizintechnik und Weltraumforschung. Zwei verschiedene
Gebiete, die durchaus Gemeinsamkeiten haben.
   Der Kanton Bern verfolgt seit einigen Jahren eine sogenannte
Cluster-Strategie mit dem Ziel, die Standortattraktivität für
Unternehmen in diesen Branchen zu verbessern. Eines dieser
Netzwerke bündelt die Medizintechnik, die im Kanton eine lange
Vergangenheit hat: Immer wenn der Berner Nobelpreisträger
Theodor Kocher operierte, tat er dies nämlich mit selbst ent-
worfenen Instrumenten aus Berner Produktion. Damals
stammten die Instrumente zum Beispiel aus der Werkstatt von
Georg Gottlob Klöpfer oder aus dem Sanitätsgeschäft von
Moritz Friedrich Schärer. Heute ist das Netzwerk breiter
geworden und erstreckt sich die Zusammenarbeit von Universität
und Industrie über lokale Handwerksbetriebe und nationale KMU
bis hin zu international tätigen Konzernen.
   Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ist auch für den
zweiten, in diesem Heft vorgestellten Schwerpunkt selbstver-
ständlich: Die Weltraumforschung. Zurzeit arbeitet die Universi-
tät Bern allein in diesem Bereich mit über 30 Industriepartnern in
der Schweiz zusammen. Davon profitieren immer beide Seiten.
Jedes Forschungsprojekt enthält ein Budget für Technologie-
entwicklung, mit dem Firmen Know-how aufbauen können,
von dem die Universität dann wieder profitiert.
   Auch die Zusammensetzung des jeweiligen Personals lässt
Vergleiche zu. In beiden Wissenschaftszweigen gibt es universi-
tätsinterne Werkstätten mit Mechanikerinnen, Technikern und
Ingenieurinnen, die in enger Abstimmung mit den Forschenden
hochpräzise mechanische Teile und Geräte bauen. Weiter sind
beide Bereiche hochgradig auf schnellste Rechnerleistung und
computergestützte Instrumente angewiesen, um ihre Ziele zu
erreichen.
   All dies geschieht mit Erfolg, wie die weltweite Anerkennung
beider Bereiche der Universität Bern bescheinigt. Es ist deshalb
auch kein Zufall, dass Weltraumforschung und Medizintechnik
zwei jener Profilierungsthemen sind, mit denen sich die Universi-
tät Bern entsprechend ihrer Strategie im internationalen Kon-
kurrenzkampf um Spitzenleistungen behauptet. Nicht nur im
Jubiläumsjahr.

Wir wünschen eine ergiebige Lektüre.

                                                     Marcus Moser

                                                                     UniPress   140/2009   1
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+ Wir machen aus
                                       Mensch und Material
                                       eine Erfolgsgeschichte.

                                                 + Giesserei
                                                 + Analytik
                                                 + Halbzeugfertigung
                                                 + Werkstoffprüfung
                                                 + Mikromechanische Fertigung
                                                 + Engineering
                                                 + Qualitätskontrolle
                                                 + Prozesskontrolle
                                                 + Refining
                                                   Wir bei Cendres+Métaux er-
                                                   zielen mit hochwertigen Werk-
                                                   stoffen in unterschiedlichen
                                                   Industriezweigen langfristige
                                                   und effiziente Resultate.
                                                   Als unabhängige Partner
                                                   entwickeln wir innovative
                                                   Lösungen: Von Engineering-
                                                   Services über die Produktion,
                                                   Verpackung und Lagerung bis
                                                   hin zur Dokumentation.
                                                   So tragen wir zum Erfolg
                                                   unserer Kunden bei.

                                                                                     Dental
                                                                                    Medical
                          Cendres+Métaux SA        Phone +41 32 344 22 11
                                                                                   Jewellery
                          P.O. Box                 info@cmsa.ch                     Watches
                          CH-2501 Biel/Bienne      www.cmsa.ch                      Refining

2   UniPress   140/2009
UNIPRESS* - WELTRAUMFORSCHUNG - MEDIZINTECHNIK - UNIVERSITÄT BERN
Inhalt

                                                        W E LT R A U M F O R S C H U N G

                                                     5 Was der Mond über die Erde verrät.
                                                       Von Ingo Leya

                                                     9 Interview mit Nicolas Thomas – Wie die Uni Bern ins All
     FORSCHUNG UND RUBRIKEN                            vorstösst.
                                                       Von Marcus Moser

     Forschung                                      12 Vom Labor in den Weltraum.
                                                       Von Hans Balsiger
 32 Philologie: Literatur, praktisch.
    Von Astrid Tomczak-Plewka                       15 Science, Fiction und Fun mit Berns alten Sternwarten.
                                                       Von Franziska Rogger
 34 Klima: Der Klimawandel beschäftigt auch
    Juristen.
    Von Susanne Brenner                                 MEDIZINTECHNIK

     Rubriken
                                                    19 Berner Pioniere der Medizintechnik.
  1 Editorial                                          Von Urs Boschung

 36 Gespräch                                        22 Visionäre und Praktiker entwickeln die Medizintechnik
    Daniel Odermatt – Auch die Universität Bern        von morgen.
    spürt die Finanzkrise.                             Von Patrick Roth
    Von Marcus Moser
                                                    25 Die Werkstatt in OP 13.
 38 Begegnung                                          Von Bettina Jakob
    Johannes Josis Gespür für Zahlen.
    Von Astrid Tomczak-Plewka                       29 Interview mit Lutz-Peter Nolte – Das gezüchtete Herz ist
                                                       immer noch Vision.
 40 Meinung                                            Von Bettina Jakob
    Winterkrieg im Gasgeschäft: Ursachen und
    Auswirkungen.
    Von Thomas Cottier, Sofya Matteotti-Berkutova       Bilder zum Thema: Adrian Moser
    und Olga Nartova

 41 Universum
    «Nach einer alten, löblichen Sitte» –
    Rektoratsreden an der Universität Bern.
    Von Andreas Krummenacher

 43 Bücher

 44 Impressum

                                                                                           UniPress   140/2009   3
UNIPRESS* - WELTRAUMFORSCHUNG - MEDIZINTECHNIK - UNIVERSITÄT BERN
4   UniPress   140/2009
UNIPRESS* - WELTRAUMFORSCHUNG - MEDIZINTECHNIK - UNIVERSITÄT BERN
Was der Mond über die Erde verrät

Der Mond hat die Menschheit seit je fasziniert.                                                   licher Relevanz. In einem solchen Einschlag
Diese Faszination lässt sich wissenschaftlich                                                     werden ungeheure Energiemengen frei und
begründen: Erde und Mond haben viele Gemein-                                                      es wird nicht nur das Projektil zerstört,
samkeiten – und: Dereinst könnten die Menschen                                                    sondern es ist zu erwarten, dass ein grosser
ihren Energiebedarf mit Hilfe des Mondes decken.                                                  Teil der Erde nach dem Einschlag zumindest
                                                                                                  teilweise geschmolzen war. Das hört sich so
                                                                                                  dramatisch an wie es sicher auch war, denn
                                                                                                  dabei hat die frühe Erde nicht nur ihre
                                                                                                  Atmosphäre, sondern auch einen Grossteil
                                                                                                  ihres Wassers verloren. Das lässt uns mit
                                                                                                  den Fragen zurück, woher das Wasser
                                                                                                  kommt, in dem das frühe Leben entstanden
                                                                                                  ist und woher die Luft, die wir atmen.

Von Ingo Leya                                                                                     Ein «Wasserarchiv» auf dem Mond
                                                                                                  Zum Thema Atmosphäre wissen wir heute,
Der Mond ist vor etwa 4520 Millionen               Der grosse Einschlag                           dass es sich bei der Erde um eine so
Jahren durch einen Rieseneinschlag ent-            Ausgenommen von der Erde und einigen           genannte «sekundäre Atmosphäre»
standen. Dabei kollidierte die (Proto-)Erde        Asteroiden (kleine Objekte zwischen Mars       handelt. Nachdem die erste frühe Atmos-
mit einem Objekt von der Grösse des                und Jupiter) kennen wir den Mond von           phäre verloren ging, wurde durch vulka-
Planeten Mars. Während der grösste Teil            allen Objekten des Sonnensystems am            nische Aktivitäten und vor allem durch
der dabei entstandenen Bruchstücke auf             besten. Das liegt natürlich daran, dass wir    biologische Prozesse eine zweite, für uns
die Erde gefallen ist, hat sich ein kleiner Teil   bisher neun Mal auf ihm gelandet sind          lebensfreundliche Atmosphäre gebildet.
in einer Bahn um die Erde gesammelt und            (Apollo 11 bis 17 mit Ausnahme von Apollo      Diese Prozesse sind heute halbwegs
sich zum Mond zusammengefunden.                    13 und Luna 16, 20, und 24), insgesamt         verstanden, auch wenn noch viele Fragen
Woher wissen wir das alles? Zum einen              382,3 kg Mondgestein zur Erde zurück-          offen sind. Ein grösseres Problem stellt
legen physikalische Grössen wie Bahndreh-          gebracht haben und dieses Material seit        hingegen die Frage nach dem Ursprung des
impulse und Eigenrotation ein solches              40 Jahren in den unterschiedlichen Labora-     Wassers auf der Erde dar. Heute hat sich
Szenario nahe, zum anderen haben Erde              torien untersuchen. Einige der dabei           die Meinung durchgesetzt, dass zum einen
und Mond eine grosse chemische Ähnlich-            gewonnenen Ergebnisse sind besonders           so genannte «nasse Asteroide» – also
keit. Heute zweifelt niemand mehr an               hervorzuheben. So lässt sich aus der           Objekte mit Grössen von nur einigen zehn
diesem Entstehungsszenario, jedoch ist die         nahezu gleichen chemischen (und iso-           bis einhundert Kilometern, deren Ursprung
Frage nach dem «wann» immer noch nicht             topischen) Zusammensetzung von Erde            im Asteroidengürtel zwischen Mars und
vollständig geklärt.                               und Mond schliessen, dass beide Objekte        Jupiter liegt, Wasser auf die Erde geliefert
   Die Entstehung des Mondes war für uns           (Protoerde und marsgrosses Projektil) in den   haben. Zum anderen sind Kometen
ein Glücksfall. Nicht nur bietet er uns ein        gleichen Bereich des Sonnensystems ent-        mögliche Kandidaten als frühe «Wasser-
spektakuläres Schauspiel in klaren Voll-           standen sind. Darüber hinaus kann mit          träger». Aber auch das ist nicht so klar wie
mondnächten, er hat vermutlich die Entste-         Hilfe hochempfindlicher Untersuchungen         man es sich, vor allem in Anbetracht der
hung des Lebens auf der Erde massgeblich           spezieller Elemente und Dank komplexer         Wichtigkeit des Problems, wünschen
mitbestimmt. So wird zum Beispiel der              geochemischer Rechnungen das Alter des         würde. Mit Hilfe hochempfindlicher
Übergang von Lebewesen aus dem Wasser              Mondes recht genau eingegrenzt werden.         Massenspektrometer ist es möglich, Wasser
auf das Land durch das Auftreten von Ebbe          Sein Alter bestimmt natürlich auch das         aus unterschiedlichen Bereichen des
und Flut deutlich erleichtert; und wir er-         Alter der Erde, da ihre Vergangenheit bei      Sonnensystems zu unterscheiden und damit
innern uns, die Gezeiten haben wir nur             dem Rieseneinschlag nahezu vollständig         mögliche Herkunftsszenarien zu über-
Dank des Mondes. Jedoch hat er nicht nur           ausgelöscht wurde. Nach neuesten               prüfen. Das Problem ist nun, dass sich das
unsere Evolution mitbestimmt, er hat uns           Forschungsergebnissen ist das Sonnen-          Wasser auf der Erde von dem Wasser in
auch viele neue wissenschaftliche Erkennt-         system 4568 Millionen Jahre alt und der        Kometen deutlich unterscheidet und somit
nisse geliefert und ist unter Umständen            Rieseneinschlag fand vor etwa 4520 Millio-     Kometen als mögliche Lieferanten eigent-
sogar in der Lage, einen Teil der zukünf-          nen Jahren statt. Damit verbunden ergeben      lich ausscheiden. Unsere Kenntnis über
tigen Energieprobleme zu lösen.                    sich einige Fragen höchster wissenschaft-      Kometen ist jedoch leider sehr beschränkt,

                                                               Weltraumforschung                                       UniPress   140/2009   5
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Der Astronaut Edwin Aldrin, der zweite Mann auf dem Mond nach
Neil Armstrong, stellt das Berner Sonnenwindsegel auf – noch vor
der US-Flagge.

und wir sollten daher keine voreiligen           Mission eine höhere Präzision erreicht,         Bereiche transportiert wurde. Damit wurde
Schlüsse ziehen. Aus diesem Grund ist die        wobei die damaligen Werte überwiegend           die Entstehung des Lebens zumindest
Rosina-Mission, an der auch die Uni Bern         bestätigt werden.                               deutlich begünstigt, wenn nicht gar erst
beteiligt ist, von so grosser Bedeutung.             Die von den Apollo-Astronauten              ermöglicht.
Aber unabhängig vom Ausgang der                  gesammelten Proben ermöglichen eine
Mission, kann uns der Mond bei diesem            genaue Datierung der Mondoberfläche. Die        Der Mond als Heliumlieferant
Problem weiterhelfen. So gibt es im Bereich      Oberfläche des Mondes ist, wie schon mit        Als letztes sei noch die «lunare Zukunfts-
des Mond-Nordpols Krater, deren inneren          blossem Auge zu sehen, mit Kratern              vision» erwähnt. Momentan wird oft über
Bereiche sehr kalt sind, da sie vermutlich       übersät. Die eigentliche Krater-Datierung ist   die Energiekrise diskutiert und in diesem
noch nie das Sonnenlicht gesehen haben.          nun recht einfach – Regionen mit einer          Zusammenhang ist die Fusionsenergie
Je nach Modell lassen sich Temperaturen im       hohen Kraterdichte müssen älter sein als        wieder mehr in das Bewusstsein gerückt.
Bereich von –250° C angeben. Die Idee ist        solche mit einer geringen Kraterdichte.         Alle bisherigen Planungen benutzen als
nun wie folgt: Sollten Kometen das Wasser        Soweit so gut, doch wie wird das absolute       Brennstoff den schweren Wasserstoff und
auf die Erde geliefert haben, werden einige      Alter ermittelt? Dazu ist es notwendig,         das radioaktive Tritium, die sich zu einem
von ihnen sicher auch auf den Mond einge-        einige Krater zu datieren, also ihr Alter mit   Helium-4 und einem Neutron verbinden.
schlagen sein. Die Gravitation des Mondes        Hilfe bestimmter radioaktiver Elemente zu       Die dabei freiwerdende Energie ist
ist zu gering, um Wasser dauerhaft festzu-       ermitteln; und genau das ist Dank der           erwünscht, aber nicht das freie Neutron,
halten, jedenfalls in flüssiger Form. Wasser-    Apollo-Proben möglich. Der Fortschritt liegt    da durch seine Wechselwirkungen die
eis ist jedoch nahe dem Mond-Nordpol             nun vor allem darin, dass mit dieser Metho-     Wandmaterialien radioaktiv werden. Eine
über lange Zeiten stabil und stellt damit ein    de nicht nur die Mondoberfläche, sondern        mögliche andere Fusionsreaktion wäre die
nahezu perfektes Archiv bezüglich etwaiger       alle verkraterten Oberflächen (z. B., Mars,     Verschmelzung von Helium-3 mit einem
Wasserlieferungen von Asteroiden und             Merkur, Asteroide) datiert werden können.       Kern des schweren Wasserstoffs. Bei dieser
Kometen dar. Aus diesem Grund sind die           Bei der Kraterdatierung gibt es eine Merk-      Reaktion entstehen keine Neutronen, und
Pole des Mondes für zukünftige Mond-             würdigkeit hervorzuheben: Es hat den            es gäbe daher weniger Probleme mit radio-
missionen von grösster Bedeutung.                Anschein, dass vor etwa 3900 Millionen          aktiven Wandmaterialien. Eine Schwierig-
    Es gibt also genügend Gründe zum             Jahren die Anzahl der Einschläge deutlich       keit gibt es dabei doch: Helium-3 ist bei
Mond zurückzufliegen, vor allem wenn             höher war als kurz zuvor oder kurz danach.      uns auf der Erde extrem selten. Als Aus-
man bedenkt, was Dank der Apollo- und            Als Ursache dafür wird oft eine Verände-        weg wird darüber diskutiert, Oberflächen-
Luna Missionen alles gelernt werden              rung der Bahnen von Uranus und Neptun           material vom Mond abzutragen, da
konnte. So hat zum Beispiel das einzige          angegeben. Wie dem auch sei, dieses «late       Helium-3 in der Mondoberfläche hoch
nicht-amerikanische Experiment der Apollo-       heavy bombardment», also die hohe Zahl          angereichert ist. Wir sehen also, dass der
Missionen, das Berner Sonnenwindsegel-           der Einschläge in kurzer Zeit, fand etwa        Mond nicht nur für unsere Evolution,
Experiment, unsere Kenntnisse über die           gleichzeitig wie die Entstehung des Lebens      sondern vielleicht auch für unsere Zukunft
Sonne deutlich verbessert. Mit diesem            auf der Erde statt. Erinnern wir uns an den     von grosser Bedeutung war und ist.
Experiment konnte die chemische und              Abschnitt über den Ursprung des Wassers,
isotopische Zusammensetzung des Sonnen-          dann lässt sich spekulieren, dass in dieser     Kontakt: PD Dr. Ingo Leya, Abteilung
windes mit einer bisher nicht erreichten         Zeit nicht nur Wasser, sondern vermutlich       Weltraumforschung und Planetologie,
Genauigkeit bestimmt werden. Erst heute,         auch organisches Material aus den äusseren      Physikalisches Institut,
40 Jahre später, wird Dank der Genesis-          Bereichen des Sonnensystems in die inneren      ingo.leya@space.unibe.ch

6   UniPress   140/2009                                       Weltraumforschung
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Glossar
Planeten
Himmelskörper, die sich auf einer kepler-       der Schweif, der bei grossen und sonnen-            Gas- und Staubwolken sowie sonstiger
schen Umlaufbahn um die Sonne                   nahen Objekten eine Länge von mehreren              Materie sind. Bei Galaxien unterscheidet
bewegen. Gemäss neuester Definition             100 Millionen Kilometern erreichen kann.            man Spiralgalaxien, wie unsere Milch-
befinden sich Planeten im Gleichgewicht,        Während Kometen früher als Schicksals-              strasse und Andromeda sowie elliptische,
waren ehemals geschmolzen und haben             boten angesehen wurden, sind sie heute              linsenförmige und irreguläre Galaxien.
daher eine kugelähnliche Gestalt. Neben         wegen ihrer primitiven Vergangenheit (sie           Daneben gibt es auch Mischformen, wie
den 8 Planeten des Sonnensystems (Mer-          wurden vermutlich seit ihrer Entstehung             zum Beispiel Balkenspiralgalaxien. Wie
kur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn,        nicht oder nur sehr wenig verändert) von            Galaxien entstehen, ist noch nicht genau
Neptun, Uranus) kennen wir mittlerweile         grosser wissenschaftlicher Bedeutung.               bekannt. Man weiss jedoch, dass viele
334 Exoplaneten (Stand Ende 2008), also                                                             Galaxien im Zentrum ein massives
Planeten, die um fremde Sterne kreisen.         Sterne                                              schwarzes Loch besitzen.
Die Zahl der Exoplaneten nimmt seit ihrer       Massenreiche, selbstleuchtende Gasku-
Entdeckung im Jahre 1995 stetig zu.             geln. Die meisten Sterne bestehen aus               Satelliten
                                                heissem Plasma, dessen Strahlungsenergie            Künstliche Flugkörper, die einen Planeten
Asteroide                                       durch die Kernfusion im Sterninneren er-            oder Mond auf einer keplerschen Bahn
Kleine Objekte, die sich auf keplerschen        zeugt wird. Jedoch werden auch Objekte              umrunden. Die meisten Satelliten dienen
Umlaufbahnen um die Sonne bewegen.              in kompakten Endstadien, z. B. weisse               der Erfüllung wissenschaftlicher, kommer-
Ihre Gesamtmasse wird auf etwa 4 Prozent        Zwerge und Neutronensterne, zu den                  zieller oder militärischer Zwecke. Bereits
der Masse des Erdmondes geschätzt, und          Sternen gezählt, obwohl sie nur aufgrund            1957 wurde mit Sputnik der erste Satellit
ihren Ursprung haben sie im Bereich             ihrer Restwärme Strahlung abgeben.                  gestartet.
zwischen Mars und Jupiter. Bislang sind
438 298 Asteroide bekannt (Stand Ende           Planetarische Nebel                                 Sternschnuppen
Dezember 2008), wobei die tatsächliche          Sie verdanken ihren Namen der Tatsache,             Die auch Meteore genannten Leucht-
Zahl deutlich grösser sein dürfte. Asteroide    dass sie durch ein kleines Teleskop be-             erscheinungen entstehen, wenn kosmische
sind die Mutterkörper der vielen tausend        trachtet eher an einen Planeten als an eine         Teilchen in die Atmosphäre eintreten und
Meteorite, die wir auf der Erde haben. Aus      Sonne erinnern. Sie bilden die letzte               aufgrund des hohen Luftwiderstandes und
diesem Grund sind unsere Kenntnisse über        Entwicklungsstufe von sonnenähnlichen               der damit verbundenen hohen Tempera-
die unterschiedlichen Arten der Asteroide,      Sternen. So wird sich die Sonne am Ende             turen verglühen. Entgegen weit verbreite-
ihre Entstehungsgeschichte und ihre             ihrer Brennphase, wenn der Wasserstoff-             ter Meinung stammt das Leuchten jedoch
Entwicklung mittlerweile recht gut.             vorrat im Kern aufgebraucht ist, zu einem           nicht von dem verglühenden Staubteil-
                                                roten Riesen aufblähen. Dieser wird die             chen. Vielmehr wird durch seine hohe Ge-
Kometen                                         äussere Hülle als planetarischen Nebel              schwindigkeit die umgebende Atmosphäre
Kleine Himmelskörper aus den äusseren           abgeben und als Kern wird ein sich                  ionisiert, was dann die Leuchterscheinung
Bereichen des Sonnensystems. In sonnen-         langsam abkühlender weisser Zwerg                   hervorruft. Die Erde sammelt jährlich
nahen Bereichen der Bahn ist der oft nur        zurückbleiben.                                      mehrere 1000 Tonnen kosmischen Staub
wenige Kilometer grosse Kometenkern                                                                 auf.
von einer nebligen Hülle, genannt Koma,         Milchstrasse
umgeben. Ihre Ausdehnung kann mehrere           Die Milchstrasse ist «unsere» Galaxie,
Millionen Kilometer betragen. Das auffäl-       wobei Galaxien gravitativ gebundene
ligste Kennzeichen von Kometen ist jedoch       Ansammlungen von Sternen, Planeten,

                                         Profs. Walther Burckhardt und Friedrich Stettler
                                         Nackte Verzweiflung

                                         Leise Verzweiflung übermannt liberale Ökonomen angesichts des dramatischen Schlingerns des
                                         2008er Finanzmarktes und manch einer zweifelt an seinen Modellen. Konsternation löste um 1989
                                         bei kommunistischen Politologen der tiefe Fall der DDR aus, und marxistische Fächer verschwan-
                                         den in den «Bruderstaaten» aus den Stundenplänen. Schon früher konnte manch ein Profes-
                                         sor – auch in Bern – irre werden an seinem Fach, wenn die Entwicklung brutal über das hinweg-
                                         fegte, was er ein ganzes Leben geglaubt und gelehrt hatte. Walter Burckhard zum Beispiel ver-
                                         zweifelte an seinem Völkerrecht angesichts des Unrechts in Nazi-Deutschland. Er brachte sich 1939
                                         um. Hundert Jahre früher packte Staatswissenschafter Friedrich Stettler die nackte Verzweiflung.
                                         Als politisch radikaler, aber korrekter Bernburger Jurist lehnte er die militärische Auflösung des
                                         Sonderbundes als ungesetzlich ab. Seine Vorlesungen über das Bundesstaatsrecht stellte er ein,
                                         da «dieses gewaltthätig zerrissen» sei. Die Uni Bern entliess ihn deswegen 1847. Diese Massrege-
                                         lung überlebte der gebrochene Mann nicht lange. Zusätzlich bestraft eine ungerechte Ge-
                                         schichtsschreibung solche Individualisten, die weder im Mainstream noch im modischen Gegen-
                                         strom schwimmen: mit Vergessenheit. Von Stettler gibt es als einzigem Rektor der Uni Bern kein
                                         individuelles Porträt. far

                                         Völkerrechtler Walther Burckhardt (1871–1939), gezeichnet von Hanni Bay, verzweifelte angesichts des Nazi-
                                         Unrechts.

                                                             Weltraumforschung                                             UniPress   140/2009    7
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8   UniPress 140/2009
Wie die Uni Bern ins All vorstösst

Theorie und Praxis liegen bei der Weltraum-
forschung in Bern nahe beieinander: Dank der
Beteiligung an Weltraum-Missionen können
Modellberechnungen mit eigenen Experimental-
daten überprüft werden.

Von Marcus Moser

Prof. Nicolas Thomas, die Weltraumforschung an der             Sonnensystems – und wenn Sie so wollen – auf unsere
Universität Bern ist international bekannt. Sie bezeich-       Herkunft. Als Beispiel: Entstand die Erde mit Wasser oder
nen die Kombination von Messungen im All, von Expe-            kam Wasser in frühen Zeiten durch Kometen auf die Erde?
rimenten im Labor und von computerbasierten Modell-            Es gibt Theorien, wonach auch organische Materialien
rechnungen im Büro als weltweit einzigartig. Warum?            durch Kometen zu uns gekommen sind. Das sind Fragen,
Die Kombination von Modellrechnungen und Experimental-         die uns interessieren.
forschung ist selten. Unser Vorteil besteht in der Zu-
sammenarbeit der verschiedenen Forschungsrichtungen.           Worin liegt die spezifische Herausforderung?
Damit können wir Probleme auch von verschiedenen Rich-         Eine Herausforderung ist die lange Dauer solcher Missio-
tungen aus angehen.                                            nen. Die Planung begann 1989; 1994 machten wir erste
                                                               Vorschläge für Instrumente, 1995 wurden die Instrumente
Die gegenwärtige Bedeutung hat viel mit Leistungen in          ausgewählt, dann kam die Bauphase. Der Start der Raum-
der Vergangenheit zu tun: Einige Stichworte dazu sind          sonde Rosetta erfolgte 2004. Es dauerte also alleine
das Sonnenwindsegel mit Apollo (1969), das Massen-             15 Jahre von der ersten Studie bis zum Start. Jetzt war-
spektrometer auf Giotto (1986) oder in jüngster Zeit           ten wir zehn Jahre bis zu den ersten Daten ab 2014, die
jenes auf Rosetta (2004). Welche dieser Leistungen hat         Mission selber soll etwa 2017 abgeschlossen werden.
Sie besonders beeindruckt?
Mein Fachgebiet ist die Kometenphysik. Darum war mir das       Ein anderer Schwerpunkt der Abteilung bildet das fern-
in Bern geplante Instrument Rosina für die Raumsonde           gesteuerte Aufspüren von Planeten und Satelliten mit
Rosetta bereits vor meiner Berner Zeit bekannt. Ich kenne      Laser- und Kameratechnik. Was muss hier gemeistert
den jetzt emeritierten Professor Hans Balsiger seit Giotto-    werden?
Zeiten. Er war damals für dieses Massenspektrometer            Bei diesen Geräten und Missionen sind die Masse, der
verantwortlich. Das Fachgebiet ist klein, da kennt man die     Energieverbrauch und der Schutz der Instrumente gegen
Leute.                                                         energetische Teilchen unsere grössten Probleme.

Schauen wir uns die drei Schwerpunkte der Abteilung            Wie schwer dürfen diese Apparate denn sein?
einzeln an: Die Universität Bern ist weltweit führend in       Die meiste Masse ist für die Raumsonde reserviert, für
der Massenspektral-Analyse vor Ort, also irgendwo im           Treibstoff, Tank, Kommunikationssysteme und die Energie-
All. Worum geht es genau?                                      quelle. Bei einem Totalgewicht von drei Tonnen bleiben für
Wir schicken unser Instrument mit einer Raumsonde zu           die 10 bis 15 wissenschaftlichen Instrumente vielleicht 150
einem Kometen. Kometen sind deshalb interessant, weil sie      Kilogramm übrig. Darum kämpfen wir bei unseren Instru-
uralt sind und aus den Anfängen unseres Sonnensystems          menten um jedes Gramm. Gleichzeitig sollten wir sie
stammen. Wenn es gelingt, die Zusammensetzung des              möglichst gut gegen die Strahlung schützen. Ein Dilemma,
Kometen vor Ort mit unserem Instrument zu «erschnüf-           das schwer zu lösen ist.
feln», können wir auf der Erde analysieren, aus welchen
chemischen Bestandteilen der Komet besteht.                    Es geht vor allem um die Distanz zwischen der Raum-
                                                               sonde und dem Himmelskörper, den Sie im Fokus
Kometen sind also gewissermassen fliegende Kühl-               haben. Wie wird sie berechnet?
schränke, die Daten konserviert haben?                         Wir bauen gerade einen Laser-Altimeter zur Distanzmes-
Das kann man so sagen. Wenn wir dank dem Massen-               sung. Das ist hier in Europa eine Premiere. Das Gerät
spektrometer Rosina wissen, woraus unser Zielkomet             besteht aus einem Laser, der aus einer Distanz von rund
besteht, wissen wir, welche Stoffe vor 4,5 Milliarden Jahren   500 Kilometer auf eine Oberfläche geschossen wird. Wir
bei seiner Entstehung vorhanden waren. Das erlaubt Rück-       messen den Puls und den Rückpuls des Laserstrahls und
schlüsse auf die Entstehung und Entwicklung unseres            können so die Distanz berechnen.

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Welche Genauigkeit erreichen Sie?                               wir die Messdaten. Dann haben wir Jahre mit der Auswer-
Die Flugzeitmessung ist auf drei, vier Nanosekunden genau;      tung dieser Daten und den wissenschaftlichen Publika-
das entspricht einer Genauigkeit der Distanzmessung von         tionen zu tun. Es gibt also genügend Arbeit für Studie-
unter einem Meter aus 500 Kilometern Entfernung.                rende, in jeder Phase.

Weil Sie wissen, wo die Raumsonde zu dieser Zeit war,           Die Universität Bern arbeitet in der Weltraumforschung
können Sie auch den Himmelskörper präzis lokalisie-             weltweit mit rund 50 Universitäten zusammen. Wie ist
ren.                                                            das Verhältnis von Kooperation und Konkurrenz?
Ja. Aber wir können noch mehr: Die Aneinanderreihung            Es gibt beides! Normalerweise können wir ein Instrument
von Messungen erlaubt uns die dreidimensionale Abbil-           nicht alleine bauen. Dann entstehen Kooperationen, die
dung der Oberfläche des Himmelskörpers. Wir können also         für alle beteiligten Partner Vorteile bringen. Anders kann es
Oberflächenkarten erstellen und die Form des Objekts am         bei der Datenauswertung aussehen, wo verschiedene
Computer dreidimensional darstellen.                            Forschungsgruppen miteinander konkurrenzieren, weil sie
                                                                überzeugt sind, das bessere Modell zu haben. Manchmal
Im dritten Schwerpunkt geht es um die Modellierung              ist das schwierig. Aber so funktioniert Wissenschaft – als
von Zusammenstössen von Himmelskörpern mittels                  interkultureller Dialog.
Computerberechnung. Sie könnten also den Zusam-
menstoss eines Kometen mit der Erde simulieren.                 Sie arbeiten allein in der Schweiz mit rund 30 Industrie-
Ja. Unser Sonnensystem ist durch Kollisionen verschiedener      partnern zusammen. Worin liegen hier die gegensei-
Himmelskörper entstanden. Wir können solche Zusammen-           tigen Vorteile?
stösse simulieren und mögliche Auswirkungen untersu-            Das ist ein Geben und Nehmen. Kleinen spezialisierten
chen. Der Planet Merkur zum Beispiel hat wohl einen Teil        Unternehmen fehlt manchmal das Geld, bestimmte Dinge
seiner Masse durch eine Kollision verloren. Professor Willy     zu entwickeln. Denen können wir helfen, weil wir in
Benz von unserem Institut hat dies simuliert und vor fast       unseren Projekten immer auch ein Budget für Technologie-
20 Jahren einen wissenschaftlichen Artikel darüber publi-       entwicklungen haben. Die Firma kann so Know-how
ziert. Jetzt haben wir die Möglichkeiten, ein Gerät zu          aufbauen, das in anderen Projekten weiter hilft. Umgekehrt
bauen, es zum Merkur zu schicken und die Gegebenheiten          profitieren wir dann wieder von den entwickelten
vor Ort zu untersuchen. So können wir prüfen, ob die            Produkten.
Simulationen von Willy Benz stimmen.
                                                                Weltraumforschung wird oft in Zusammenhang
Und das wäre dann eben gerade der Vorteil der                   gebracht mit der Rüstungs- und Verteidigungsindustrie.
Weltraumforschung der Universität Bern: Modell-                 Wie würden Sie dieses Verhältnis charakterisieren?
rechnungen der einen Gruppe können dank Ex-                     Die von uns eingesetzte Technologie hinkt jener der Vertei-
perimentaldaten einer anderen überprüft werden.                 digungsindustrie normalerweise hinterher. Wir sind nicht
Genau. Und umgekehrt: Wir haben Experimentaldaten und           die grossen Geldgeber; die Verteidigungsindustrie ist viel
gehen dann auf die Suche nach möglichen theoretischen           grösser als die Raumfahrtindustrie. Viele Entwicklungen
Erklärungen – zum Beispiel durch Computermodellierung.          stehen zuerst der Verteidigungsindustrie zur Verfügung
                                                                und erst später schliesslich auch uns.
Blicken wir in die Zukunft. Welche Art von Projekten
sind an der Abteilung für Weltraumforschung und                 Die Spionageindustrie hat also die präziseren Instru-
Planetologie geplant?                                           mente als die Weltraumforschung?
Wir wollen unter anderem mit einem Instrument bei einer         Ich glaube, das ist so.
Mission zum Jupitermond Europa vertreten sein. Und da
stellen sich wieder die Probleme mit der Langzeitplanung.       Kontakt: Prof. Dr. Nicolas Thomas, Physikalisches Institut,
Der Start ist für 2020 vorgesehen, die Flugphase soll sechs     Abteilung Weltraumforschung und Planetologie,
Jahre dauern, die eigentliche Erkundung zwei, drei Jahre.       nicolas.thomas@space.unibe.ch
Dann sind wir im Jahr 2030 angelangt ...

... und Sie pensioniert.
Ja, knapp. Aber pensioniert. Es braucht also einen guten         Die Abteilung für Weltraumforschung und Planetologie
Plan, damit wir das Experiment durch all diese Phasen            besteht aus drei Forschungsgruppen, die um drei Profes-
gut unterstützen können. Es braucht genügend junge               suren gruppiert sind.
Leute, die mit dem Experiment vertraut sind und nach             Die Gruppen sind relativ klein, aber jeweils führend auf
Forschungsaufenthalten an anderen Universitäten und in           ihrem Gebiet. Zu den rund 30 Wissenschaftlerinnen und
anderen Ländern zur richtigen Zeit auch wieder zurück-           Wissenschaftlern kommen rund 45 Ingenieure, Mechani-
kommen. Dieses Problem stellt sich uns bei jedem Experi-         kerinnen und Sekretäre hinzu. Insgesamt umfasst die
ment.                                                            Abteilung 75 Personen. Sie ist damit halb so gross wie
                                                                 das bekannte Max Planck-Institut für Sonnensystem-
Welche Rolle können da Studierende spielen? So lange             forschung in Deutschland.
studiert wirklich niemand ...
In jeder Phase gibt es andere Dinge zu tun. Studierende
arbeiten mit der Hardware, helfen beim Bau mit, dann bei         Interview als Podcast
den Tests des Instruments. Nach dem Start muss das Instru-       Sie können die ausführliche Version des Interviews
ment regelmässig auf seine Funktionen hin überprüft              auch hören. Den Podcast zum Herunterladen finden
werden. Nach dem Eintreffen beim Himmelskörper erhalten          Sie auf www.unipress.unibe.ch unter «Download».

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Vom Labor in den Weltraum

1969 war es ein Sonnenwindsegel bei der ersten
Mondlandung, heute sind es Massen-Spektrometer
zur Messung von Kometengasen: Berner Technolo-
gie ist im Weltraum gefragt – auch dank den
Pionieren der ersten schweizerischen Weltraum-
experimente.

Von Hans Balsiger

Vor etwa 45 Jahren hat es begonnen, das        den geforderten Umwelttests zu unter-          technik und Hochspannungsfestigkeit
Entwickeln und Bauen der ersten schweize-      ziehen: In einer Vakuumkammer, in der          waren schon da gefragt, und man hatte
rischen Weltraumexperimente an der Uni         Weltraumbedingungen in Bezug auf Druck         bereits die ersten absprengbaren Deckel
Bern, vorerst für Höhenforschungsraketen,      und Temperatur (–40° bis +200° Celsius)        entwickelt, mit denen die extrem empfind-
ab 1970 auch für Satelliten. Vorher hatten     simuliert werden, muss ihre Zuverlässigkeit    lichen Sensoren vor irdischen Verunreini-
die Berner Physiker um Prof. Johannes Geiss    und auf einem Vibrator ihre mechanische        gungen geschützt wurden.
die einzigen aus dem Weltraum stam-            Festigkeit gegen die beim Raketenstart             Früher als geplant erfolgte 1967 das
menden Proben, Meteoriten, mit Labor-          auftretenden Vibrationen nachgewiesen          erste Vordringen der Schweiz in den Welt-
Massenspektrometern untersucht und wich-       werden. Und das war möglich, denn es           raum, als auf Einladung der Firma Contra-
tige Erkenntnisse über die Frühgeschichte      war noch die gute alte Zeit, als der           ves nach einigen Irrungen und Wirrungen
des Sonnensystems gewonnen. Nachdem            Kanton Bern in der Lage war, Reinräume         relativ primitive Experimente der Universitä-
sie bei Entwicklung und Bau dieser Spektro-    und grosse Vakuum- und Vibrations-             ten Bern und Genf an Bord einer Schweizer
meter viel Erfahrung gesammelt hatten,         anlagen zu finanzieren. Noch heute zehrt       Zenit Rakete auf eine Höhe von 145 km
nahmen sie sich vor, diese Analysetechnik      die Gruppe von den damals gemachten            vordrangen und einwandfrei funktionierten.
auch in den Weltraum zu exportieren. Dazu      Investitionen.                                 Es folgte eine über drei Jahrzehnte erfolg-
war allerdings eine Gewichtsreduktion von                                                     reiche Tätigkeit der Berner Raketengruppe
einem Faktor 1000 nötig. Was zuerst noch       Stationen einer Erfolgsgeschichte              mit dem unterdessen fertiggestellten
ziemlich gebastelt aussah, entwickelte sich    In einem kleinen Land wie der Schweiz,         Kleinst-Massenspektrometer, das später
in Bern zur «Kunst», zur Kunst nämlich,        ohne eigenes Weltraumforschungspro-            auch noch für Ballonflüge umgebaut
Weltraum-Massenspektrometer nicht nur          gramm, muss man sich einerseits Nischen in     wurde. Dem Gesellenstück, dem Raketen-
sehr klein sondern auch ultra-leicht zu        den Programmen der Grossen suchen, und         experiment, musste zwingend das Meister-
bauen und dabei erst noch zuverlässiger als    darf sich andererseits keine Fehler leisten.   stück, ein Satellitenexperiment folgen. Hier
ihre grossen «Vorbilder» im Labor. Denn        Der zweite Punkt hat bedeutet, dass man        sind die Anforderungen (Gewicht, elek-
dies sind die Anforderungen, die zu erfüllen   vorerst die etwas weniger anspruchsvolle       trische Leistung, Zuverlässigkeit), um eine
sind, wenn man im internationalen Wettbe-      Experimentiertechnik auf Höhenforschungs-      Grössenordnung schwieriger zu erfüllen als
werb einen Platz auf einem ESA- oder           raketen beherrschen musste. Höhenfor-          bei Höhenforschungsraketen. So wurde im
NASA-Satelliten gewinnen will.                 schungsraketen werden zur Untersuchung         Rahmen von Dissertationen an möglichen
    Parallel zum Erlernen der ganz speziel-    der hohen Erdatmosphäre eingesetzt. Sie        Satelliten-Massenspektrometern gebastelt
len, auf Leichtbau und Zuverlässigkeit hin     erreichen auf ihrem parabelförmigen Flug       und auf die nächste Fluggelegenheit
optimierten Technologie, galt es eine Infra-   Höhen zwischen 100 und 200 km und              gewartet.
struktur aufzubauen, um die Empfindlich-       landen nach circa zehn Minuten. Entschei-          Vorerst kam allerdings noch dasjenige
keit der Experimente zu normieren und sie      dende Technologien wie Ultrahochvakuum-        Experiment zum Einsatz, das dank seiner

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Erstes Vordringen der Schweiz in den Weltraum. Die Rakete Zenit
mit Drucksensoren der Uni Bern startete 1967 von Sardinien aus
und erreichte eine Höhe von 145 km; alle Systeme funktionieren
einwandfrei.

genialen Einfachheit auf fast allen Apollo-      3 kg Masse sehr präzise, hochspannungs-       Gegenwart und Zukunft
flügen dabei war, das Berner Sonnenwind-         fest, sehr sauber und gasdicht sein musste.   Zur Zeit fliegt auf der Sonde Rosetta das
segel, das als Mischform zwischen Labor-         Zum ersten Mal konstruierte eine Schweizer    grösste je vom Berner Institut gebaute
und Weltraumtechnik konzipiert war: 1969         Firma namens Contraves nach Spezifika-        Experimentpaket mit zwei Massenspektro-
entrollten die ersten Astronauten auf dem        tionen eines Universitätsinstituts ein sehr   metern und einem Drucksensor zum
Mond eine bessere Haushaltfolie aus den          komplexes Weltraumexperiment, das auch        Kometen Churyumov-Gerasimenko. Der
Berner Forschungslabors, exponierten sie im      30 Jahre später noch als kleines Wunder-      Start erfolgte im März 2004, und der
Sonnenwind und brachten sie zusammen-            werk gilt und das auch wissenschaftlich       Komet wird erst 2014 erreicht. Parallel
gerollt wieder zur Erde zurück. In den           äusserst erfolgreich war.                     laufen bereits intensive Vorbereitungen für
Berner Labor-Massenspektrometern                    Seither brauchten sich die Berner um       ein weiteres Grossexperiment auf der
erfolgten dann die bis heute genausten           internationale Partner und um Fluggelegen-    Merkur-Sonde BepiColombo. Diese startet
Edelgas-Kompositionsmessungen des in der         heiten kaum mehr zu sorgen. Von den über      2015 und soll unter anderem zu einer
Folie eingefangenen Sonnenmaterials. Als         20 weiteren Missionen in den vergangenen      genauen Vermessung dieses noch kaum
einziges nichtamerikanisches Apollo-Experi-      30 Jahren seien vor allem Giotto und          untersuchten Planeten mit einem Berner
ment hat es das Berner Physikalische             Ulysses hervorgehoben. Sie betrafen die       Laser-Altimeter führen. Weitere kleinere
Institut weit herum bekannt gemacht              ursprünglichen Kerngebiete der Abteilung      Experimente und internationale Zusammen-
und damit wohl auch den Weg für die              Weltraumforschung und Planetologie. Mit       arbeiten sorgen dafür, dass die Berner
weitere Tätigkeit der Berner im Weltraum         Ulysses konnten nun die Apollo-Folien-        Forscher mit ihren Technikern und Dokto-
geebnet.                                         messungen mit direkten Messungen im           randen «den Topf am Kochen halten».
                                                 Weltraum ergänzt werden. Die Giotto-          Denn nur wer sich dauernd mit den
Ein kleines, präzises Wunderwerk                 Sonde der ESA flog erstmals durch die         neusten Messtechniken und Technologien
Und dann kam die Chance für ein erstes           von einem Kometen abgedampfte Atmo-           auseinandersetzt, hat in diesem hoch
Schweizer Satellitenexperiment auf dem           sphäre, die Koma, und das Berner Massen-      kompetitiven Wettbewerb eine Chance
geostationären ESA-Satelliten GEOS. Es           spektrometer bestimmte in den paar weni-      dabei zu sein.
verlangte einige Überzeugungsarbeit, dem         gen Minuten des Vorbeiflugs Element-
Auswahlkomitee klar zu machen, dass im           und Isotopenhäufigkeit des Kometen            Kontakt: Prof. Dr. Hans Balsiger,
Weltraum Kompositionsmessungen wichtig           Halley. Diese Analyse von Material, das       Abteilung Weltraumforschung und
sind; es brauchte die Bereitschaft des Na-       die Bildung unseres Sonnensystems tief-       Planetologie, Physikalisches Institut,
tionalfonds einige zusätzliche Millionen zu      gefroren im Weltraum überlebt hat,            hans.balsiger@space.unibe.ch
investieren; und es benötigte eine Firma,        erlaubte wichtige Rückschlüsse auf die
die bereit war, ein Weltraumexperiment für       Prozesse, die bei der Entstehung der
einen Fixpreis zu bauen, das bei weniger als     Planeten abgelaufen sind.

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Science, Fiction und Fun mit Berns alten Sternwarten

Alles ist in der Astronomie der alten Berner Uni-
versität schon dagewesen: Die Science in den
Observatorien auf der Grossen Schanze und die
Fiction mit den Weltuntergangs-Prognosen rund
um die Schauspiele am Sternenhimmel. Das breite
Publikum hatte Fun mit einer Sternwarte, die als
Sehenswürdigkeit und Aussichtspunkt brillierte.

Von Franziska Rogger

Samstagnachmittag, den 4. August 1877,         gestirnten Himmels sichtbar» machte. Zum       jäger beim Aarbergertor der Schlüssel der
traf der brasilianische Kaiser Don Pedro II.   andern hatte der damalige Prof. Friedrich J.   Umfriedung ausgehändigt, damit er das
mit Gemahlin auf seiner rastlosen Europa-      Trechsel die acht oberen Öffnungen des         eingezonte Sternwarte-Areal morgens öffne
tournee in der Bundesstadt ein. Vom            Turmes «auf eine originelle Weise» dazu        und abends abschliesse.
Bahnhof fuhr «der grosse stattliche Herr»      benützt, in jedes Fenster eine Sternkarte          «Die Promenade auf der grossen
direkt ins Physikalische Institut der alten    aus schwarzem Papier anzubringen, «auf         Schanze ist unbestreitbar eine der aller-
Hochschule. Der Kaiser verweilte über zwei     der durch Durchlochung» die Sterne «eines      schönsten weit und breit in ganz Europa»,
Stunden bei Professor Aimé Forster und         entsprechenden Teils des Himmels darge-        schwärmten nun die Bernerinnen und
seinen vorbereiteten Versuchen zu neuen        stellt» waren. So konnten sich die im          Berner. Beklagt wurden allerdings man-
Entdeckungen. Damit nicht genug: am            verdunkelten Innern weilenden «Liebhaber       gelnde Sitzgelegenheiten. «Ein Freund des
folgenden «Sonntag um sechs Uhr des            und Schüler mit den Sternbildern auf eine      Schönen und Bequemen» machte 1855
Morgens» besuchte der wissensdurstige          bequeme Weise vertraut» machen.                seinem Ärger in einem Leserbrief Luft. Er
Regent den Neubau des Tellurischen Obser-                                                     kritisierte, dass bloss «eine einzige Bank
vatoriums auf der Grossen Schanze: «er         Allerschönste Promenade                        von hartem Granitstein» existiere, «welche
liess sich in detaillierter Weise die Pläne    und herrliche Aussicht                         ein boshafter Geist dahin that», um das
erklären und erkletterte, trotzdem die         Wenn auch im Innern kaum ein natürlicher       Sitzen zu verleiden. Zwar gäbe es hoch
Arbeiten an der Kuppel dies erschwerten,       Blick zum Himmel möglich war, so hatte         oben am Observatorium noch Bänke, die
den hohen viereckigen Thurm des                das Publikum rund um das astronomische         seien aber für ältere Leute nur mühsam zu
Gebäudes». Der Besuch war ein besonderer       Gebäude immerhin einen Aussichtspunkt          erreichen. «Die alten schönen Berge» aber
Genuss fürs Volk. Das Kaiserpaar wurde         auf höchster Warte. Als nämlich die            würden sich gerne Hunderte anschauen.
«auf Schritt und Tritt verfolgt» und «übers    Schanzen abgetragen wurden, liess man          Aus Mangel an Sitzbänken verwünsche
Mass des Anständigen hinaus» von den           das Observatorium undemoliert, da es als       man diesen schönen Ort, «weil es sich eben
Medien belagert. Und dem Berner Publikum       unentbehrlicher Nullpunkt-Ort der Triangu-     nicht wohl schickt, weder für den Frack
wurde so recht vor Augen geführt, welche       lation weiterleben sollte. Die Sternwarte      noch für das Shawl, am Strassenbord abzu-
Köstlichkeit es an seiner eben neu erbauten    thronte, nach dem Abgraben auf allen           sitzen».
«Sternwarte» besass.                           Seiten, auf einem eigenen steilen Hügel.           Geklagt wurde auch über Vandalismus.
    Die 1877 an Stelle der alten Sternwarte    Der Ort war allerdings durch Palisaden nicht   Was heute Botellón und Haschnebel sind,
erbaute Einrichtung war allerdings kein Ort    eben volksfreundlich gesichert. 1844 aber      waren um die Wende zum 20. Jahrhunderts
zum wissenschaftlichen Sterngucken,            hatte die Obrigkeit ein Einsehen. Der berni-   die Streiche der «Nachtbuben, welche jahr-
sondern ein Observatorium für meteorolo-       sche Regierungsrat gönnte der Berner           aus jahrein die vordere Länggasse belästig-
gische und geophysikalische Forschungen.       Bevölkerung den «Genuss der schönen            ten». Sie hätten nicht nur die Zierbäum-
Bereits die Vorgängerin, die alte, 1822        Aussicht von der Sternwarte aus wohl» und      chen geköpft und verstümmelt, sondern
erbaute Warte hatte nur bedingt zum            entschied, dass «auf dem obersten, mit         mit einem quer über die Strasse gespannten
vergnüglich-exotischen Blick in die Sterne     Pallisaden umgebenen Theile des Observa-       Draht eine «directe Gefährdung der Fuss-
getaugt. Zum einen war es keine Volksein-      toriums das Thor ausgehängt werden soll,       gänger» geschaffen.
richtung, wie sie etwa die 1907 in Zürich      um so dem ganzen Publikum die herrliche            Die mäandrierenden Wege im Naherho-
eröffnete Volks-Sternwarte «Urania» dar-       Aussicht von dort geniessbar zu machen».       lungsgebiet Grosse Schanze luden auch zu
stellte, die dem Publikum «die Wunder des      Nach einigem Geplänkel wurde dem Land-         lockeren Bummeleien und romantischen

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Spaziergängen ein. Da konnte man gar – im      Schnuppen als Teilchen des sich auflösen-       wiederkehrt, erreichte nach 1835 im Jahre
übertragenen wie im wörtlichen Sinn – sein     den Kometen interpretiert wurden. Das           1910 wieder einmal seine grösste Erdnähe.
Herz verlieren. Die Folgen zeigten sich in     Volk interessierte sich vornehmlich für den     Zehntausende wollten sich dieses Spektakel
der Zeitung, manchmal als Heiratsanzeige,      nach Freiherr von Biela benannten Him-          nicht entgehen lassen. Und «einmal mehr
manchmal auch, wie im März 1881, in            melskörper. Zum einen hielt man generell        wurden ... jene ins Unrecht versetzt, die
Form einer Annonce: «Verloren ... goldenes     Kometen mit ihren Giftgas-Schweifen für         den Weltuntergang vorausgesagt hatten».
Herzchen mit Haararbeit und einem kleinen      Unglücksbringer, zum anderen fürchtete          Heute fürchten sich Leute vor dem Teilchen-
Bären».                                        man einen Zusammenprall des Kometen             beschleuniger am CERN, der ihrer Meinung
                                               mit der Erde.                                   nach ein schwarzes, die Erde verschligendes
Schaurig-schönes Schauspiel und                    Die Zeitungslektüre war nicht gerade        Loch erzeugen wird. Früher wurden Men-
Weltuntergangs-Stimmung                        dazu angetan, die Leute restlos zu beru-        schen von auffallenden Himmels-Ereignis-
Beim Flanieren wurde zweifellos auch           higen, hiess es doch, dass die Erde mit dem     sen, die sie als Künder wahrnahmen, in
mancher Blick in die Sterne geworfen, vor      Kometen «Biela» kreuzen werde, und dass         Panik versetzt. Nicht nur beim «Stern von
allem in Nächten, in denen Sternschnuppen      kugelförmige Kometenkörper sich auszu-          Bethlehem» oder den «Tränen des Lauren-
zum abergläubischen Wünschen einluden.         dehnen pflegten. So stand im Raum, dass         tius» (zur Zeit seines Foltertods im Jahr 258
Auf diese Himmelsspektakel wiesen die          die Erde «in den Umfang des Kometen             wurden viele Sternschnuppen beobachtet)
Tageszeitungen gerne hin. Im August 1877       selbst hineingerathen könne». «In Folge         wurde – und wird – die Koinzidenz von
etwa forderte die Tagespost dazu auf, «das     des Bekanntwerdens dieser Resultate»,           wichtigem Ereignis und auffallender
schöne Schauspiel ... glänzender Meteore,      konstatierte das «Berner Intelligenzblatt»      Himmelserscheinung konstruiert. Der Spott
Sternschnuppen, untermischt mit einzelnen      Mitte Dezember 1872, «verbreitete sich          allerdings war den abergläubischen Unter-
Feuerkugeln» zu geniessen. Fünf Jahre          blitzschnell durch Europa die Kunde von         gangspropheten stets gewiss – nachdem
zuvor hatte die Berner Tageszeitung «Bund»     dem bevorstehenden Zusammenstosse mit           nichts passiert war. Auf die zweifache
die damals zu beobachtende grosse Zahl         dem Kometen und dem selbstverständ-             Erscheinung von Sternschnuppen und
von Meteoren dem Publikum wissenschaft-        lichen Untergange der Erde.» Die Astro-         Komet anspielend hatte etwa das «Intelli-
lich zu erklären versucht: «Man nimmt an,      nomen hatten gut reden, dass keine Gefahr       genzblatt» 1872 maliziös gewitzelt: Wäre
dass zu dieser Zeit die Bahn der in Schwär-    bestehe und der Zeitungsjournalist              das Publikum auf das zweite Ereignis früher
men durch die Planetenbahnen ziehenden         dozierte: «Die Furcht steht über allen          aufmerksam gemacht worden, so hätte ein
kleinen Himmelskörper von der Erdbahn          Naturgesetzen, sie ist schöpferisch wie         weiterer «Weltuntergang» nicht ausbleiben
durchschnitten werde, so dass jene uns als     keiner der Götter, ja diese sind selbst ihre    können. Aber «zwei Weltuntergänge in
leuchtende und gleichsam fallende Sterne       Geschöpfe.» Selbstgefällig meinte die           einem Jahre kann man doch Gott in seinem
zu Gesicht kommen.» Der prächtige Feuer-       Zeitung schliesslich: «Doch auch diesmal,       grössten Zorne nicht zumuthen!»
regen vom November 1872 hielt sich noch        wie immer, hatte die Wissenschaft Recht
eine Weile in den Zeitungen, die über das      und die Menge Unrecht.»                         Kontakt: Franziska Rogger, Universitätsarchiv,
merkwürdige Zusammentreffen zwischen               Auch den nach Edmond Halley be-             franziska.rogger@bibl.unibe.ch
dem erwarteten Kometen «Biela» und             nannten «Halleyschen Kometen» fürchtete
den Sternschwärmen rätselten. Diese Ver-       das Publikum im selben Masse wie es das
bindung konnte damals nicht vollkommen         Schauspiel genoss. Der hochaktive, licht-
erklärt werden, wenn auch bereits die          starke «Halley», der im Mittel alle 76 Jahre

 Cornelia Steinemann und Daniel Vasella
 Eremitin versus Konzernchef

 Beide haben prägende Erfahrungen mit eigenen Krankheiten und dem Tode allernächster
 Angehöriger. Beider Leben sind nicht verallgemeinerbar. Beides sind Persönlichkeiten mit
 einem Lachen, das in Erinnerung bleibt. Und beide haben´s mit dem Geld, wenn auch
 diametral entgegen gesetzt. Dr. med. Daniel Vasella, in den 1970er Jahren Berner Medizin-
 student, erhält sagenhafte Millionen-Zuwendungen von der Novartis, der er als Chef
 vorsteht. Sein Entgelt ist kaum noch maximierbar. Kaum mehr minimierbar hingegen sind
 die Batzen, die Cornelia Steinemann, in den 1990er Jahren Jus-Studentin, als Korbflechterin
 zusammen ferggt. Sie hat sich radikal zurückgezogen und versteht sich seit 13 Jahren als
 Eremitin. Steinemann fühlt sich glücklich in ihrer Liebesbeziehung zu Gott, ihrem Sehnen
 nach dem Reich Gottes und meint: «Richtet die Blicke etwas höher, als nur auf die Erde».
 Wenn «es aufwärts geht», fühlt sich Daniel Vasella gut, wenn in seinem Leben «eine Dyna-
 mik, eine Entwicklung auf Ziele hin» zu spüren ist. Hier das Streben inmitten des Welten-
 trubels, dort die Sehnsucht in abgeschiedener Einsamkeit. Will Vasellas Novartis – gemäss
 Firmenauftritt – mit erfolgreich vermarkteten Produkten Krankheiten vorbeugen, Leiden
 lindern und Lebensqualität verbessern, so will sich Cornelia Steinemann – gemäss einem
 Gespräch im AKI – in meditativ-kontemplatives Gebet zu Jesu vertiefen. Pillen versus Wolken
 oder: Aus den AbgängerInnen der Uni Bern kann noch alles, wirklich alles werden. far          Pillen versus Wolken, Konzernchef versus Eremitin.

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Berner Pioniere der Medizintechnik

Die Chirurgie, die ja wörtlich Handwerk bedeutet,                                              sonden, eine spezielle, in der Hohlhand
war schon immer auf Instrumente und auf die                                                    gehaltene Ligaturschere usw. Auch ein
Verbindung zur Technik angewiesen. Von etwa                                                    heizbarer, von Kocher empfohlener Opera-
1850 an werden auch für den internistisch tätigen                                              tionstisch wird abgebildet. Als Kochers
Arzt diagnostische und therapeutische Geräte und                                               «Chirurgische Operationslehre» 1907 in der
damit die Zusammenarbeit mit Handwerk und                                                      5. Auflage erschien, präsentierte die Firma
Industrie unverzichtbar.                                                                       M. Schaerer AG, Bern, nun mit Filialen in
                                                                                               Lausanne und Brüssel, in ihren «Techni-
                                                                                               schen Mitteilungen» das gesamte Instru-
                                                                                               mentarium Kochers. Dank des Professors
                                                                                               «Liebenswürdigkeit …, die Modelle auf ihre
                                                                                               Richtigkeit zu prüfen», wurde deren Origi-
                                                                                               nalität und Qualität garantiert.

Von Urs Boschung                                                                               Fritz de Quervains Operationstisch
                                                                                               und die M. Schaerer AG
Die Gerätschaften, die der alte Wundarzt      rung der Narkose und die antiseptischen          Nachfolger Kochers wurde 1918 Fritz de
zum Schienen von Knochenbrüchen               und bald auch aseptischen Operations-            Quervain (1868–1940), bisher Ordinarius
benutzte, bezog er von Spenglern und          methoden erlaubten nun bis anhin undenk-         für Chirurgie in Basel. Nach Medizinstu-
Schreinern, schneidende Instrumente,          bare Eingriffe im Innern des Körpers, für die    dium in Bern und Assistentenzeit bei
Zangen und Hebel von den Zirkel- und          laufend neue Instrumente benötigt wurden.        Kocher, hatte de Quervain 1895 in La
Messerschmieden. Mit diesen ergab sich ein    Zur Sicherung des Operationserfolges setzte      Chaux-de-Fonds die Stelle des chirurgischen
engeres Verhältnis, erkennbar unter           Kocher auf eine äusserst sorgfältige Blutstil-   Chefarztes am Spital übernommen. Der
anderem daran, dass im alten Zürich           lung, für deren Durchführung er die bis          dort vorhandene altväterische, aus Eichen-
Chirurgen und Schmiede derselben Zunft        heute nach ihm benannte Arterienklemme           holz gezimmerte Operationstisch, veran-
angehörten. Wenn es um die genaue             einführte, eine arretierbare Zange mit quer-     lasste ihn, ein eigenes Modell zu entwerfen,
Ausgestaltung neuer Instrumente ging,         gerieftem Maul und Mauszähnen am Ende.           und dieses in Zusammenarbeit mit der
beanspruchte selbstverständlich der Chirurg   1882, vermutlich zuerst vom Pariser Instru-      Berner Firma M. Schaerer AG in mehreren
die Weisungskompetenz. Der 1615 nach          mentenmacher Georges Amatus Lüer                 Etappen zu verbessern. Das Modell, das de
Bern berufene berühmte «Medicus und           entwickelt, wurde die Klemme in Bern vom         Quervain 1905 in Brüssel am ersten inter-
Chirurgus» Wilhelm Fabry (Hildanus)           Chirurgie-Instrumentenmacher Georg               nationalen Chirurgenkongress vorstellte,
(1560–1634) formte für eine spezielle         Gottlob Klöpfer (1857–1915) hergestellt.         wies bedeutende Neuerungen auf. Es
Augenoperation ein Muster des                 Der geborene Württemberger liess sich            schmiegte sich den Umrissen des Körpers
gekrümmten Messers aus Blei, das er den       1884 in Bern nieder und wurde 1904               möglichst genau an und konnte in der
anatomischen Verhältnisse des Schädels        Burger von Bern. Das auf ihn zurückge-           Längsachse allen seinen Bewegungen
genau angepasst hatte. Nach diesem            hende Sanitätsgeschäft Hediger bestand bis       folgen. De Quervain veranlasste auch die
Modell fabrizierte der Messerschmied das      1984 am Hirschengraben 5. Neben Klöpfer          Entwicklung von Sterilisationsanlagen für
Instrument, das Fabry vor der Operation zur   trat um 1895 als Lieferant von Kocher-           Spitäler, womit sich für die Firma ein
Sicherheit noch an einem frischen             Instrumenten die Firma Maurice Schaerer          zweiter wichtiger Geschäftszweig ergab,
Kalbskopf ausprobierte. Den Namen seines      auf den Plan. Der burgerliche Arztsohn           der ihr nachhaltigen internationalen Erfolg
Lieferanten nannte Fabry nicht, was noch      Moritz Friedrich Schärer (1866–1953) hatte       sicherte (heute Schaerer Medical AG,
lange Zeit üblich blieb.                      sich nach abgebrochenem Medizinstudium           Münsingen). Anfänglich ein Nebenprodukt
                                              zum Bandagisten und Orthopädisten ausge-         der Sterilisatoren, erwiesen sich Kaffee-
Theodor Kocher                                bildet und betrieb an der Marktgasse 12          maschinen als Produkte mit grosser Zukunft
und seine Instrumentenmacher                  ein Coutellerie (Messerwaren-) und Sani-         (heute M. Schaerer, Zuchwil).
Als Theodor Kocher 1872 in Bern zum           tätsgeschäft mit einer Werkstatt in der
Professor der Chirurgie und Direktor der      Matte. Sein erster gedruckter Katalog            Hermann Sahli und Optiker Büchi
Chirurgischen Klinik am Berner Inselspital    verzeichnet auf zwölf Seiten eine Vielzahl       Mit Stethoskop (1836), Augenspiegel
gewählt wurde, befand sich sein Fach in       von Instrumenten «nach Kocher»: Narkose-         (1851), Laboranalysen (ab 1880) und Rönt-
tiefgreifendem Umbruch. Die Perfektionie-     masken, Magen- und Darmzangen, Kropf-            genapparat (ab 1896) wandelte sich im

                                                             Medizintechnik                                         UniPress   140/2009   19
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