UNIPRESS* - WELTRAUMFORSCHUNG - MEDIZINTECHNIK - UNIVERSITÄT BERN
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Weltraumforschung – Medizintechnik * Gespräch – Wie sich die Finanzkrise auf die Uni auswirkt 36 * Begegnung – Was Johannes Josi an der Mathematik fasziniert 38 A p r i l 2 00 9 140 * Forschung – Warum der Klimawandel Juristen vor Probleme stellt 34 UniPress* Forschung und Wissenschaft an der Universität Bern
DAS FEST – Wissen schafft Begegnung Mit einem grossen Fest will die Universität gemeinsam mit der StudentInnenschaft (SUB) dem Jubiläumsjahr ein Glanzlicht aufsetzen. Um ihrer Verbundenheit mit dem Länggassquartier und der Stadt Ausdruck zu verleihen, öffnet sie am 6. Juni 2009 für alle Interessierten die Türen des Hauptgebäudes, der UniS, der Unitobler und des anatomischen Instituts. DAS FEST findet am Samstag, 6. Juni 2009, ab 18 Uhr im Hauptgebäude, in der UniS, in der Unitobler und am Bühlplatz statt. Details sind unter der Web-Adresse «www.175.unibe.ch» zu finden. DAS FEST wird unterstützt durch Vifor Pharma und Valiant Bank Es gibt mehr als 18 Millionen Studierende an Go! mehr als 3600 Universitäten und Fach- hochschulen in Europa. Studierende, Absolventen und Young Professionals suchen schon während des Studiums eine Arbeitsstelle: Teilzeitjob, Traineeship oder Vollzeitstelle. Mehr als 450 spezialisierte Online-Jobbörsen direkt an den Hochschulen in der Schweiz und Europa verbinden Arbeitgeber mit den Talenten. Ein Inserat mit einem Tool auf derzeit bis zu 129 Jobbörsen gleichzeitig aufschalten? www.go-uni.com. Company Profiles, Job-Offers, Communities, Eventcalenders, Newsletters, E-Mail-Shots, Banners, Skyscrapers, Leaderboards. 1 Tool = 129 online Jobbörsen 2 UniPress 140/2009 Go! Uni-Interactive www.go-uni.com
W E LT R A U M F O R S C H U N G – M E D I Z I N T E C H N I K In diesem «UniPress» werden im Rahmen des Jubiläums gleich zwei Schwerpunkte der Universität Bern näher beleuchtet: Medizintechnik und Weltraumforschung. Zwei verschiedene Gebiete, die durchaus Gemeinsamkeiten haben. Der Kanton Bern verfolgt seit einigen Jahren eine sogenannte Cluster-Strategie mit dem Ziel, die Standortattraktivität für Unternehmen in diesen Branchen zu verbessern. Eines dieser Netzwerke bündelt die Medizintechnik, die im Kanton eine lange Vergangenheit hat: Immer wenn der Berner Nobelpreisträger Theodor Kocher operierte, tat er dies nämlich mit selbst ent- worfenen Instrumenten aus Berner Produktion. Damals stammten die Instrumente zum Beispiel aus der Werkstatt von Georg Gottlob Klöpfer oder aus dem Sanitätsgeschäft von Moritz Friedrich Schärer. Heute ist das Netzwerk breiter geworden und erstreckt sich die Zusammenarbeit von Universität und Industrie über lokale Handwerksbetriebe und nationale KMU bis hin zu international tätigen Konzernen. Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ist auch für den zweiten, in diesem Heft vorgestellten Schwerpunkt selbstver- ständlich: Die Weltraumforschung. Zurzeit arbeitet die Universi- tät Bern allein in diesem Bereich mit über 30 Industriepartnern in der Schweiz zusammen. Davon profitieren immer beide Seiten. Jedes Forschungsprojekt enthält ein Budget für Technologie- entwicklung, mit dem Firmen Know-how aufbauen können, von dem die Universität dann wieder profitiert. Auch die Zusammensetzung des jeweiligen Personals lässt Vergleiche zu. In beiden Wissenschaftszweigen gibt es universi- tätsinterne Werkstätten mit Mechanikerinnen, Technikern und Ingenieurinnen, die in enger Abstimmung mit den Forschenden hochpräzise mechanische Teile und Geräte bauen. Weiter sind beide Bereiche hochgradig auf schnellste Rechnerleistung und computergestützte Instrumente angewiesen, um ihre Ziele zu erreichen. All dies geschieht mit Erfolg, wie die weltweite Anerkennung beider Bereiche der Universität Bern bescheinigt. Es ist deshalb auch kein Zufall, dass Weltraumforschung und Medizintechnik zwei jener Profilierungsthemen sind, mit denen sich die Universi- tät Bern entsprechend ihrer Strategie im internationalen Kon- kurrenzkampf um Spitzenleistungen behauptet. Nicht nur im Jubiläumsjahr. Wir wünschen eine ergiebige Lektüre. Marcus Moser UniPress 140/2009 1
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Inhalt W E LT R A U M F O R S C H U N G 5 Was der Mond über die Erde verrät. Von Ingo Leya 9 Interview mit Nicolas Thomas – Wie die Uni Bern ins All FORSCHUNG UND RUBRIKEN vorstösst. Von Marcus Moser Forschung 12 Vom Labor in den Weltraum. Von Hans Balsiger 32 Philologie: Literatur, praktisch. Von Astrid Tomczak-Plewka 15 Science, Fiction und Fun mit Berns alten Sternwarten. Von Franziska Rogger 34 Klima: Der Klimawandel beschäftigt auch Juristen. Von Susanne Brenner MEDIZINTECHNIK Rubriken 19 Berner Pioniere der Medizintechnik. 1 Editorial Von Urs Boschung 36 Gespräch 22 Visionäre und Praktiker entwickeln die Medizintechnik Daniel Odermatt – Auch die Universität Bern von morgen. spürt die Finanzkrise. Von Patrick Roth Von Marcus Moser 25 Die Werkstatt in OP 13. 38 Begegnung Von Bettina Jakob Johannes Josis Gespür für Zahlen. Von Astrid Tomczak-Plewka 29 Interview mit Lutz-Peter Nolte – Das gezüchtete Herz ist immer noch Vision. 40 Meinung Von Bettina Jakob Winterkrieg im Gasgeschäft: Ursachen und Auswirkungen. Von Thomas Cottier, Sofya Matteotti-Berkutova Bilder zum Thema: Adrian Moser und Olga Nartova 41 Universum «Nach einer alten, löblichen Sitte» – Rektoratsreden an der Universität Bern. Von Andreas Krummenacher 43 Bücher 44 Impressum UniPress 140/2009 3
Was der Mond über die Erde verrät Der Mond hat die Menschheit seit je fasziniert. licher Relevanz. In einem solchen Einschlag Diese Faszination lässt sich wissenschaftlich werden ungeheure Energiemengen frei und begründen: Erde und Mond haben viele Gemein- es wird nicht nur das Projektil zerstört, samkeiten – und: Dereinst könnten die Menschen sondern es ist zu erwarten, dass ein grosser ihren Energiebedarf mit Hilfe des Mondes decken. Teil der Erde nach dem Einschlag zumindest teilweise geschmolzen war. Das hört sich so dramatisch an wie es sicher auch war, denn dabei hat die frühe Erde nicht nur ihre Atmosphäre, sondern auch einen Grossteil ihres Wassers verloren. Das lässt uns mit den Fragen zurück, woher das Wasser kommt, in dem das frühe Leben entstanden ist und woher die Luft, die wir atmen. Von Ingo Leya Ein «Wasserarchiv» auf dem Mond Zum Thema Atmosphäre wissen wir heute, Der Mond ist vor etwa 4520 Millionen Der grosse Einschlag dass es sich bei der Erde um eine so Jahren durch einen Rieseneinschlag ent- Ausgenommen von der Erde und einigen genannte «sekundäre Atmosphäre» standen. Dabei kollidierte die (Proto-)Erde Asteroiden (kleine Objekte zwischen Mars handelt. Nachdem die erste frühe Atmos- mit einem Objekt von der Grösse des und Jupiter) kennen wir den Mond von phäre verloren ging, wurde durch vulka- Planeten Mars. Während der grösste Teil allen Objekten des Sonnensystems am nische Aktivitäten und vor allem durch der dabei entstandenen Bruchstücke auf besten. Das liegt natürlich daran, dass wir biologische Prozesse eine zweite, für uns die Erde gefallen ist, hat sich ein kleiner Teil bisher neun Mal auf ihm gelandet sind lebensfreundliche Atmosphäre gebildet. in einer Bahn um die Erde gesammelt und (Apollo 11 bis 17 mit Ausnahme von Apollo Diese Prozesse sind heute halbwegs sich zum Mond zusammengefunden. 13 und Luna 16, 20, und 24), insgesamt verstanden, auch wenn noch viele Fragen Woher wissen wir das alles? Zum einen 382,3 kg Mondgestein zur Erde zurück- offen sind. Ein grösseres Problem stellt legen physikalische Grössen wie Bahndreh- gebracht haben und dieses Material seit hingegen die Frage nach dem Ursprung des impulse und Eigenrotation ein solches 40 Jahren in den unterschiedlichen Labora- Wassers auf der Erde dar. Heute hat sich Szenario nahe, zum anderen haben Erde torien untersuchen. Einige der dabei die Meinung durchgesetzt, dass zum einen und Mond eine grosse chemische Ähnlich- gewonnenen Ergebnisse sind besonders so genannte «nasse Asteroide» – also keit. Heute zweifelt niemand mehr an hervorzuheben. So lässt sich aus der Objekte mit Grössen von nur einigen zehn diesem Entstehungsszenario, jedoch ist die nahezu gleichen chemischen (und iso- bis einhundert Kilometern, deren Ursprung Frage nach dem «wann» immer noch nicht topischen) Zusammensetzung von Erde im Asteroidengürtel zwischen Mars und vollständig geklärt. und Mond schliessen, dass beide Objekte Jupiter liegt, Wasser auf die Erde geliefert Die Entstehung des Mondes war für uns (Protoerde und marsgrosses Projektil) in den haben. Zum anderen sind Kometen ein Glücksfall. Nicht nur bietet er uns ein gleichen Bereich des Sonnensystems ent- mögliche Kandidaten als frühe «Wasser- spektakuläres Schauspiel in klaren Voll- standen sind. Darüber hinaus kann mit träger». Aber auch das ist nicht so klar wie mondnächten, er hat vermutlich die Entste- Hilfe hochempfindlicher Untersuchungen man es sich, vor allem in Anbetracht der hung des Lebens auf der Erde massgeblich spezieller Elemente und Dank komplexer Wichtigkeit des Problems, wünschen mitbestimmt. So wird zum Beispiel der geochemischer Rechnungen das Alter des würde. Mit Hilfe hochempfindlicher Übergang von Lebewesen aus dem Wasser Mondes recht genau eingegrenzt werden. Massenspektrometer ist es möglich, Wasser auf das Land durch das Auftreten von Ebbe Sein Alter bestimmt natürlich auch das aus unterschiedlichen Bereichen des und Flut deutlich erleichtert; und wir er- Alter der Erde, da ihre Vergangenheit bei Sonnensystems zu unterscheiden und damit innern uns, die Gezeiten haben wir nur dem Rieseneinschlag nahezu vollständig mögliche Herkunftsszenarien zu über- Dank des Mondes. Jedoch hat er nicht nur ausgelöscht wurde. Nach neuesten prüfen. Das Problem ist nun, dass sich das unsere Evolution mitbestimmt, er hat uns Forschungsergebnissen ist das Sonnen- Wasser auf der Erde von dem Wasser in auch viele neue wissenschaftliche Erkennt- system 4568 Millionen Jahre alt und der Kometen deutlich unterscheidet und somit nisse geliefert und ist unter Umständen Rieseneinschlag fand vor etwa 4520 Millio- Kometen als mögliche Lieferanten eigent- sogar in der Lage, einen Teil der zukünf- nen Jahren statt. Damit verbunden ergeben lich ausscheiden. Unsere Kenntnis über tigen Energieprobleme zu lösen. sich einige Fragen höchster wissenschaft- Kometen ist jedoch leider sehr beschränkt, Weltraumforschung UniPress 140/2009 5
Der Astronaut Edwin Aldrin, der zweite Mann auf dem Mond nach Neil Armstrong, stellt das Berner Sonnenwindsegel auf – noch vor der US-Flagge. und wir sollten daher keine voreiligen Mission eine höhere Präzision erreicht, Bereiche transportiert wurde. Damit wurde Schlüsse ziehen. Aus diesem Grund ist die wobei die damaligen Werte überwiegend die Entstehung des Lebens zumindest Rosina-Mission, an der auch die Uni Bern bestätigt werden. deutlich begünstigt, wenn nicht gar erst beteiligt ist, von so grosser Bedeutung. Die von den Apollo-Astronauten ermöglicht. Aber unabhängig vom Ausgang der gesammelten Proben ermöglichen eine Mission, kann uns der Mond bei diesem genaue Datierung der Mondoberfläche. Die Der Mond als Heliumlieferant Problem weiterhelfen. So gibt es im Bereich Oberfläche des Mondes ist, wie schon mit Als letztes sei noch die «lunare Zukunfts- des Mond-Nordpols Krater, deren inneren blossem Auge zu sehen, mit Kratern vision» erwähnt. Momentan wird oft über Bereiche sehr kalt sind, da sie vermutlich übersät. Die eigentliche Krater-Datierung ist die Energiekrise diskutiert und in diesem noch nie das Sonnenlicht gesehen haben. nun recht einfach – Regionen mit einer Zusammenhang ist die Fusionsenergie Je nach Modell lassen sich Temperaturen im hohen Kraterdichte müssen älter sein als wieder mehr in das Bewusstsein gerückt. Bereich von –250° C angeben. Die Idee ist solche mit einer geringen Kraterdichte. Alle bisherigen Planungen benutzen als nun wie folgt: Sollten Kometen das Wasser Soweit so gut, doch wie wird das absolute Brennstoff den schweren Wasserstoff und auf die Erde geliefert haben, werden einige Alter ermittelt? Dazu ist es notwendig, das radioaktive Tritium, die sich zu einem von ihnen sicher auch auf den Mond einge- einige Krater zu datieren, also ihr Alter mit Helium-4 und einem Neutron verbinden. schlagen sein. Die Gravitation des Mondes Hilfe bestimmter radioaktiver Elemente zu Die dabei freiwerdende Energie ist ist zu gering, um Wasser dauerhaft festzu- ermitteln; und genau das ist Dank der erwünscht, aber nicht das freie Neutron, halten, jedenfalls in flüssiger Form. Wasser- Apollo-Proben möglich. Der Fortschritt liegt da durch seine Wechselwirkungen die eis ist jedoch nahe dem Mond-Nordpol nun vor allem darin, dass mit dieser Metho- Wandmaterialien radioaktiv werden. Eine über lange Zeiten stabil und stellt damit ein de nicht nur die Mondoberfläche, sondern mögliche andere Fusionsreaktion wäre die nahezu perfektes Archiv bezüglich etwaiger alle verkraterten Oberflächen (z. B., Mars, Verschmelzung von Helium-3 mit einem Wasserlieferungen von Asteroiden und Merkur, Asteroide) datiert werden können. Kern des schweren Wasserstoffs. Bei dieser Kometen dar. Aus diesem Grund sind die Bei der Kraterdatierung gibt es eine Merk- Reaktion entstehen keine Neutronen, und Pole des Mondes für zukünftige Mond- würdigkeit hervorzuheben: Es hat den es gäbe daher weniger Probleme mit radio- missionen von grösster Bedeutung. Anschein, dass vor etwa 3900 Millionen aktiven Wandmaterialien. Eine Schwierig- Es gibt also genügend Gründe zum Jahren die Anzahl der Einschläge deutlich keit gibt es dabei doch: Helium-3 ist bei Mond zurückzufliegen, vor allem wenn höher war als kurz zuvor oder kurz danach. uns auf der Erde extrem selten. Als Aus- man bedenkt, was Dank der Apollo- und Als Ursache dafür wird oft eine Verände- weg wird darüber diskutiert, Oberflächen- Luna Missionen alles gelernt werden rung der Bahnen von Uranus und Neptun material vom Mond abzutragen, da konnte. So hat zum Beispiel das einzige angegeben. Wie dem auch sei, dieses «late Helium-3 in der Mondoberfläche hoch nicht-amerikanische Experiment der Apollo- heavy bombardment», also die hohe Zahl angereichert ist. Wir sehen also, dass der Missionen, das Berner Sonnenwindsegel- der Einschläge in kurzer Zeit, fand etwa Mond nicht nur für unsere Evolution, Experiment, unsere Kenntnisse über die gleichzeitig wie die Entstehung des Lebens sondern vielleicht auch für unsere Zukunft Sonne deutlich verbessert. Mit diesem auf der Erde statt. Erinnern wir uns an den von grosser Bedeutung war und ist. Experiment konnte die chemische und Abschnitt über den Ursprung des Wassers, isotopische Zusammensetzung des Sonnen- dann lässt sich spekulieren, dass in dieser Kontakt: PD Dr. Ingo Leya, Abteilung windes mit einer bisher nicht erreichten Zeit nicht nur Wasser, sondern vermutlich Weltraumforschung und Planetologie, Genauigkeit bestimmt werden. Erst heute, auch organisches Material aus den äusseren Physikalisches Institut, 40 Jahre später, wird Dank der Genesis- Bereichen des Sonnensystems in die inneren ingo.leya@space.unibe.ch 6 UniPress 140/2009 Weltraumforschung
Glossar Planeten Himmelskörper, die sich auf einer kepler- der Schweif, der bei grossen und sonnen- Gas- und Staubwolken sowie sonstiger schen Umlaufbahn um die Sonne nahen Objekten eine Länge von mehreren Materie sind. Bei Galaxien unterscheidet bewegen. Gemäss neuester Definition 100 Millionen Kilometern erreichen kann. man Spiralgalaxien, wie unsere Milch- befinden sich Planeten im Gleichgewicht, Während Kometen früher als Schicksals- strasse und Andromeda sowie elliptische, waren ehemals geschmolzen und haben boten angesehen wurden, sind sie heute linsenförmige und irreguläre Galaxien. daher eine kugelähnliche Gestalt. Neben wegen ihrer primitiven Vergangenheit (sie Daneben gibt es auch Mischformen, wie den 8 Planeten des Sonnensystems (Mer- wurden vermutlich seit ihrer Entstehung zum Beispiel Balkenspiralgalaxien. Wie kur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, nicht oder nur sehr wenig verändert) von Galaxien entstehen, ist noch nicht genau Neptun, Uranus) kennen wir mittlerweile grosser wissenschaftlicher Bedeutung. bekannt. Man weiss jedoch, dass viele 334 Exoplaneten (Stand Ende 2008), also Galaxien im Zentrum ein massives Planeten, die um fremde Sterne kreisen. Sterne schwarzes Loch besitzen. Die Zahl der Exoplaneten nimmt seit ihrer Massenreiche, selbstleuchtende Gasku- Entdeckung im Jahre 1995 stetig zu. geln. Die meisten Sterne bestehen aus Satelliten heissem Plasma, dessen Strahlungsenergie Künstliche Flugkörper, die einen Planeten Asteroide durch die Kernfusion im Sterninneren er- oder Mond auf einer keplerschen Bahn Kleine Objekte, die sich auf keplerschen zeugt wird. Jedoch werden auch Objekte umrunden. Die meisten Satelliten dienen Umlaufbahnen um die Sonne bewegen. in kompakten Endstadien, z. B. weisse der Erfüllung wissenschaftlicher, kommer- Ihre Gesamtmasse wird auf etwa 4 Prozent Zwerge und Neutronensterne, zu den zieller oder militärischer Zwecke. Bereits der Masse des Erdmondes geschätzt, und Sternen gezählt, obwohl sie nur aufgrund 1957 wurde mit Sputnik der erste Satellit ihren Ursprung haben sie im Bereich ihrer Restwärme Strahlung abgeben. gestartet. zwischen Mars und Jupiter. Bislang sind 438 298 Asteroide bekannt (Stand Ende Planetarische Nebel Sternschnuppen Dezember 2008), wobei die tatsächliche Sie verdanken ihren Namen der Tatsache, Die auch Meteore genannten Leucht- Zahl deutlich grösser sein dürfte. Asteroide dass sie durch ein kleines Teleskop be- erscheinungen entstehen, wenn kosmische sind die Mutterkörper der vielen tausend trachtet eher an einen Planeten als an eine Teilchen in die Atmosphäre eintreten und Meteorite, die wir auf der Erde haben. Aus Sonne erinnern. Sie bilden die letzte aufgrund des hohen Luftwiderstandes und diesem Grund sind unsere Kenntnisse über Entwicklungsstufe von sonnenähnlichen der damit verbundenen hohen Tempera- die unterschiedlichen Arten der Asteroide, Sternen. So wird sich die Sonne am Ende turen verglühen. Entgegen weit verbreite- ihre Entstehungsgeschichte und ihre ihrer Brennphase, wenn der Wasserstoff- ter Meinung stammt das Leuchten jedoch Entwicklung mittlerweile recht gut. vorrat im Kern aufgebraucht ist, zu einem nicht von dem verglühenden Staubteil- roten Riesen aufblähen. Dieser wird die chen. Vielmehr wird durch seine hohe Ge- Kometen äussere Hülle als planetarischen Nebel schwindigkeit die umgebende Atmosphäre Kleine Himmelskörper aus den äusseren abgeben und als Kern wird ein sich ionisiert, was dann die Leuchterscheinung Bereichen des Sonnensystems. In sonnen- langsam abkühlender weisser Zwerg hervorruft. Die Erde sammelt jährlich nahen Bereichen der Bahn ist der oft nur zurückbleiben. mehrere 1000 Tonnen kosmischen Staub wenige Kilometer grosse Kometenkern auf. von einer nebligen Hülle, genannt Koma, Milchstrasse umgeben. Ihre Ausdehnung kann mehrere Die Milchstrasse ist «unsere» Galaxie, Millionen Kilometer betragen. Das auffäl- wobei Galaxien gravitativ gebundene ligste Kennzeichen von Kometen ist jedoch Ansammlungen von Sternen, Planeten, Profs. Walther Burckhardt und Friedrich Stettler Nackte Verzweiflung Leise Verzweiflung übermannt liberale Ökonomen angesichts des dramatischen Schlingerns des 2008er Finanzmarktes und manch einer zweifelt an seinen Modellen. Konsternation löste um 1989 bei kommunistischen Politologen der tiefe Fall der DDR aus, und marxistische Fächer verschwan- den in den «Bruderstaaten» aus den Stundenplänen. Schon früher konnte manch ein Profes- sor – auch in Bern – irre werden an seinem Fach, wenn die Entwicklung brutal über das hinweg- fegte, was er ein ganzes Leben geglaubt und gelehrt hatte. Walter Burckhard zum Beispiel ver- zweifelte an seinem Völkerrecht angesichts des Unrechts in Nazi-Deutschland. Er brachte sich 1939 um. Hundert Jahre früher packte Staatswissenschafter Friedrich Stettler die nackte Verzweiflung. Als politisch radikaler, aber korrekter Bernburger Jurist lehnte er die militärische Auflösung des Sonderbundes als ungesetzlich ab. Seine Vorlesungen über das Bundesstaatsrecht stellte er ein, da «dieses gewaltthätig zerrissen» sei. Die Uni Bern entliess ihn deswegen 1847. Diese Massrege- lung überlebte der gebrochene Mann nicht lange. Zusätzlich bestraft eine ungerechte Ge- schichtsschreibung solche Individualisten, die weder im Mainstream noch im modischen Gegen- strom schwimmen: mit Vergessenheit. Von Stettler gibt es als einzigem Rektor der Uni Bern kein individuelles Porträt. far Völkerrechtler Walther Burckhardt (1871–1939), gezeichnet von Hanni Bay, verzweifelte angesichts des Nazi- Unrechts. Weltraumforschung UniPress 140/2009 7
Wie die Uni Bern ins All vorstösst Theorie und Praxis liegen bei der Weltraum- forschung in Bern nahe beieinander: Dank der Beteiligung an Weltraum-Missionen können Modellberechnungen mit eigenen Experimental- daten überprüft werden. Von Marcus Moser Prof. Nicolas Thomas, die Weltraumforschung an der Sonnensystems – und wenn Sie so wollen – auf unsere Universität Bern ist international bekannt. Sie bezeich- Herkunft. Als Beispiel: Entstand die Erde mit Wasser oder nen die Kombination von Messungen im All, von Expe- kam Wasser in frühen Zeiten durch Kometen auf die Erde? rimenten im Labor und von computerbasierten Modell- Es gibt Theorien, wonach auch organische Materialien rechnungen im Büro als weltweit einzigartig. Warum? durch Kometen zu uns gekommen sind. Das sind Fragen, Die Kombination von Modellrechnungen und Experimental- die uns interessieren. forschung ist selten. Unser Vorteil besteht in der Zu- sammenarbeit der verschiedenen Forschungsrichtungen. Worin liegt die spezifische Herausforderung? Damit können wir Probleme auch von verschiedenen Rich- Eine Herausforderung ist die lange Dauer solcher Missio- tungen aus angehen. nen. Die Planung begann 1989; 1994 machten wir erste Vorschläge für Instrumente, 1995 wurden die Instrumente Die gegenwärtige Bedeutung hat viel mit Leistungen in ausgewählt, dann kam die Bauphase. Der Start der Raum- der Vergangenheit zu tun: Einige Stichworte dazu sind sonde Rosetta erfolgte 2004. Es dauerte also alleine das Sonnenwindsegel mit Apollo (1969), das Massen- 15 Jahre von der ersten Studie bis zum Start. Jetzt war- spektrometer auf Giotto (1986) oder in jüngster Zeit ten wir zehn Jahre bis zu den ersten Daten ab 2014, die jenes auf Rosetta (2004). Welche dieser Leistungen hat Mission selber soll etwa 2017 abgeschlossen werden. Sie besonders beeindruckt? Mein Fachgebiet ist die Kometenphysik. Darum war mir das Ein anderer Schwerpunkt der Abteilung bildet das fern- in Bern geplante Instrument Rosina für die Raumsonde gesteuerte Aufspüren von Planeten und Satelliten mit Rosetta bereits vor meiner Berner Zeit bekannt. Ich kenne Laser- und Kameratechnik. Was muss hier gemeistert den jetzt emeritierten Professor Hans Balsiger seit Giotto- werden? Zeiten. Er war damals für dieses Massenspektrometer Bei diesen Geräten und Missionen sind die Masse, der verantwortlich. Das Fachgebiet ist klein, da kennt man die Energieverbrauch und der Schutz der Instrumente gegen Leute. energetische Teilchen unsere grössten Probleme. Schauen wir uns die drei Schwerpunkte der Abteilung Wie schwer dürfen diese Apparate denn sein? einzeln an: Die Universität Bern ist weltweit führend in Die meiste Masse ist für die Raumsonde reserviert, für der Massenspektral-Analyse vor Ort, also irgendwo im Treibstoff, Tank, Kommunikationssysteme und die Energie- All. Worum geht es genau? quelle. Bei einem Totalgewicht von drei Tonnen bleiben für Wir schicken unser Instrument mit einer Raumsonde zu die 10 bis 15 wissenschaftlichen Instrumente vielleicht 150 einem Kometen. Kometen sind deshalb interessant, weil sie Kilogramm übrig. Darum kämpfen wir bei unseren Instru- uralt sind und aus den Anfängen unseres Sonnensystems menten um jedes Gramm. Gleichzeitig sollten wir sie stammen. Wenn es gelingt, die Zusammensetzung des möglichst gut gegen die Strahlung schützen. Ein Dilemma, Kometen vor Ort mit unserem Instrument zu «erschnüf- das schwer zu lösen ist. feln», können wir auf der Erde analysieren, aus welchen chemischen Bestandteilen der Komet besteht. Es geht vor allem um die Distanz zwischen der Raum- sonde und dem Himmelskörper, den Sie im Fokus Kometen sind also gewissermassen fliegende Kühl- haben. Wie wird sie berechnet? schränke, die Daten konserviert haben? Wir bauen gerade einen Laser-Altimeter zur Distanzmes- Das kann man so sagen. Wenn wir dank dem Massen- sung. Das ist hier in Europa eine Premiere. Das Gerät spektrometer Rosina wissen, woraus unser Zielkomet besteht aus einem Laser, der aus einer Distanz von rund besteht, wissen wir, welche Stoffe vor 4,5 Milliarden Jahren 500 Kilometer auf eine Oberfläche geschossen wird. Wir bei seiner Entstehung vorhanden waren. Das erlaubt Rück- messen den Puls und den Rückpuls des Laserstrahls und schlüsse auf die Entstehung und Entwicklung unseres können so die Distanz berechnen. Weltraumforschung UniPress 140/2009 9
Welche Genauigkeit erreichen Sie? wir die Messdaten. Dann haben wir Jahre mit der Auswer- Die Flugzeitmessung ist auf drei, vier Nanosekunden genau; tung dieser Daten und den wissenschaftlichen Publika- das entspricht einer Genauigkeit der Distanzmessung von tionen zu tun. Es gibt also genügend Arbeit für Studie- unter einem Meter aus 500 Kilometern Entfernung. rende, in jeder Phase. Weil Sie wissen, wo die Raumsonde zu dieser Zeit war, Die Universität Bern arbeitet in der Weltraumforschung können Sie auch den Himmelskörper präzis lokalisie- weltweit mit rund 50 Universitäten zusammen. Wie ist ren. das Verhältnis von Kooperation und Konkurrenz? Ja. Aber wir können noch mehr: Die Aneinanderreihung Es gibt beides! Normalerweise können wir ein Instrument von Messungen erlaubt uns die dreidimensionale Abbil- nicht alleine bauen. Dann entstehen Kooperationen, die dung der Oberfläche des Himmelskörpers. Wir können also für alle beteiligten Partner Vorteile bringen. Anders kann es Oberflächenkarten erstellen und die Form des Objekts am bei der Datenauswertung aussehen, wo verschiedene Computer dreidimensional darstellen. Forschungsgruppen miteinander konkurrenzieren, weil sie überzeugt sind, das bessere Modell zu haben. Manchmal Im dritten Schwerpunkt geht es um die Modellierung ist das schwierig. Aber so funktioniert Wissenschaft – als von Zusammenstössen von Himmelskörpern mittels interkultureller Dialog. Computerberechnung. Sie könnten also den Zusam- menstoss eines Kometen mit der Erde simulieren. Sie arbeiten allein in der Schweiz mit rund 30 Industrie- Ja. Unser Sonnensystem ist durch Kollisionen verschiedener partnern zusammen. Worin liegen hier die gegensei- Himmelskörper entstanden. Wir können solche Zusammen- tigen Vorteile? stösse simulieren und mögliche Auswirkungen untersu- Das ist ein Geben und Nehmen. Kleinen spezialisierten chen. Der Planet Merkur zum Beispiel hat wohl einen Teil Unternehmen fehlt manchmal das Geld, bestimmte Dinge seiner Masse durch eine Kollision verloren. Professor Willy zu entwickeln. Denen können wir helfen, weil wir in Benz von unserem Institut hat dies simuliert und vor fast unseren Projekten immer auch ein Budget für Technologie- 20 Jahren einen wissenschaftlichen Artikel darüber publi- entwicklungen haben. Die Firma kann so Know-how ziert. Jetzt haben wir die Möglichkeiten, ein Gerät zu aufbauen, das in anderen Projekten weiter hilft. Umgekehrt bauen, es zum Merkur zu schicken und die Gegebenheiten profitieren wir dann wieder von den entwickelten vor Ort zu untersuchen. So können wir prüfen, ob die Produkten. Simulationen von Willy Benz stimmen. Weltraumforschung wird oft in Zusammenhang Und das wäre dann eben gerade der Vorteil der gebracht mit der Rüstungs- und Verteidigungsindustrie. Weltraumforschung der Universität Bern: Modell- Wie würden Sie dieses Verhältnis charakterisieren? rechnungen der einen Gruppe können dank Ex- Die von uns eingesetzte Technologie hinkt jener der Vertei- perimentaldaten einer anderen überprüft werden. digungsindustrie normalerweise hinterher. Wir sind nicht Genau. Und umgekehrt: Wir haben Experimentaldaten und die grossen Geldgeber; die Verteidigungsindustrie ist viel gehen dann auf die Suche nach möglichen theoretischen grösser als die Raumfahrtindustrie. Viele Entwicklungen Erklärungen – zum Beispiel durch Computermodellierung. stehen zuerst der Verteidigungsindustrie zur Verfügung und erst später schliesslich auch uns. Blicken wir in die Zukunft. Welche Art von Projekten sind an der Abteilung für Weltraumforschung und Die Spionageindustrie hat also die präziseren Instru- Planetologie geplant? mente als die Weltraumforschung? Wir wollen unter anderem mit einem Instrument bei einer Ich glaube, das ist so. Mission zum Jupitermond Europa vertreten sein. Und da stellen sich wieder die Probleme mit der Langzeitplanung. Kontakt: Prof. Dr. Nicolas Thomas, Physikalisches Institut, Der Start ist für 2020 vorgesehen, die Flugphase soll sechs Abteilung Weltraumforschung und Planetologie, Jahre dauern, die eigentliche Erkundung zwei, drei Jahre. nicolas.thomas@space.unibe.ch Dann sind wir im Jahr 2030 angelangt ... ... und Sie pensioniert. Ja, knapp. Aber pensioniert. Es braucht also einen guten Die Abteilung für Weltraumforschung und Planetologie Plan, damit wir das Experiment durch all diese Phasen besteht aus drei Forschungsgruppen, die um drei Profes- gut unterstützen können. Es braucht genügend junge suren gruppiert sind. Leute, die mit dem Experiment vertraut sind und nach Die Gruppen sind relativ klein, aber jeweils führend auf Forschungsaufenthalten an anderen Universitäten und in ihrem Gebiet. Zu den rund 30 Wissenschaftlerinnen und anderen Ländern zur richtigen Zeit auch wieder zurück- Wissenschaftlern kommen rund 45 Ingenieure, Mechani- kommen. Dieses Problem stellt sich uns bei jedem Experi- kerinnen und Sekretäre hinzu. Insgesamt umfasst die ment. Abteilung 75 Personen. Sie ist damit halb so gross wie das bekannte Max Planck-Institut für Sonnensystem- Welche Rolle können da Studierende spielen? So lange forschung in Deutschland. studiert wirklich niemand ... In jeder Phase gibt es andere Dinge zu tun. Studierende arbeiten mit der Hardware, helfen beim Bau mit, dann bei Interview als Podcast den Tests des Instruments. Nach dem Start muss das Instru- Sie können die ausführliche Version des Interviews ment regelmässig auf seine Funktionen hin überprüft auch hören. Den Podcast zum Herunterladen finden werden. Nach dem Eintreffen beim Himmelskörper erhalten Sie auf www.unipress.unibe.ch unter «Download». 10 UniPress 140/2009 Weltraumforschung
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Vom Labor in den Weltraum 1969 war es ein Sonnenwindsegel bei der ersten Mondlandung, heute sind es Massen-Spektrometer zur Messung von Kometengasen: Berner Technolo- gie ist im Weltraum gefragt – auch dank den Pionieren der ersten schweizerischen Weltraum- experimente. Von Hans Balsiger Vor etwa 45 Jahren hat es begonnen, das den geforderten Umwelttests zu unter- technik und Hochspannungsfestigkeit Entwickeln und Bauen der ersten schweize- ziehen: In einer Vakuumkammer, in der waren schon da gefragt, und man hatte rischen Weltraumexperimente an der Uni Weltraumbedingungen in Bezug auf Druck bereits die ersten absprengbaren Deckel Bern, vorerst für Höhenforschungsraketen, und Temperatur (–40° bis +200° Celsius) entwickelt, mit denen die extrem empfind- ab 1970 auch für Satelliten. Vorher hatten simuliert werden, muss ihre Zuverlässigkeit lichen Sensoren vor irdischen Verunreini- die Berner Physiker um Prof. Johannes Geiss und auf einem Vibrator ihre mechanische gungen geschützt wurden. die einzigen aus dem Weltraum stam- Festigkeit gegen die beim Raketenstart Früher als geplant erfolgte 1967 das menden Proben, Meteoriten, mit Labor- auftretenden Vibrationen nachgewiesen erste Vordringen der Schweiz in den Welt- Massenspektrometern untersucht und wich- werden. Und das war möglich, denn es raum, als auf Einladung der Firma Contra- tige Erkenntnisse über die Frühgeschichte war noch die gute alte Zeit, als der ves nach einigen Irrungen und Wirrungen des Sonnensystems gewonnen. Nachdem Kanton Bern in der Lage war, Reinräume relativ primitive Experimente der Universitä- sie bei Entwicklung und Bau dieser Spektro- und grosse Vakuum- und Vibrations- ten Bern und Genf an Bord einer Schweizer meter viel Erfahrung gesammelt hatten, anlagen zu finanzieren. Noch heute zehrt Zenit Rakete auf eine Höhe von 145 km nahmen sie sich vor, diese Analysetechnik die Gruppe von den damals gemachten vordrangen und einwandfrei funktionierten. auch in den Weltraum zu exportieren. Dazu Investitionen. Es folgte eine über drei Jahrzehnte erfolg- war allerdings eine Gewichtsreduktion von reiche Tätigkeit der Berner Raketengruppe einem Faktor 1000 nötig. Was zuerst noch Stationen einer Erfolgsgeschichte mit dem unterdessen fertiggestellten ziemlich gebastelt aussah, entwickelte sich In einem kleinen Land wie der Schweiz, Kleinst-Massenspektrometer, das später in Bern zur «Kunst», zur Kunst nämlich, ohne eigenes Weltraumforschungspro- auch noch für Ballonflüge umgebaut Weltraum-Massenspektrometer nicht nur gramm, muss man sich einerseits Nischen in wurde. Dem Gesellenstück, dem Raketen- sehr klein sondern auch ultra-leicht zu den Programmen der Grossen suchen, und experiment, musste zwingend das Meister- bauen und dabei erst noch zuverlässiger als darf sich andererseits keine Fehler leisten. stück, ein Satellitenexperiment folgen. Hier ihre grossen «Vorbilder» im Labor. Denn Der zweite Punkt hat bedeutet, dass man sind die Anforderungen (Gewicht, elek- dies sind die Anforderungen, die zu erfüllen vorerst die etwas weniger anspruchsvolle trische Leistung, Zuverlässigkeit), um eine sind, wenn man im internationalen Wettbe- Experimentiertechnik auf Höhenforschungs- Grössenordnung schwieriger zu erfüllen als werb einen Platz auf einem ESA- oder raketen beherrschen musste. Höhenfor- bei Höhenforschungsraketen. So wurde im NASA-Satelliten gewinnen will. schungsraketen werden zur Untersuchung Rahmen von Dissertationen an möglichen Parallel zum Erlernen der ganz speziel- der hohen Erdatmosphäre eingesetzt. Sie Satelliten-Massenspektrometern gebastelt len, auf Leichtbau und Zuverlässigkeit hin erreichen auf ihrem parabelförmigen Flug und auf die nächste Fluggelegenheit optimierten Technologie, galt es eine Infra- Höhen zwischen 100 und 200 km und gewartet. struktur aufzubauen, um die Empfindlich- landen nach circa zehn Minuten. Entschei- Vorerst kam allerdings noch dasjenige keit der Experimente zu normieren und sie dende Technologien wie Ultrahochvakuum- Experiment zum Einsatz, das dank seiner 12 UniPress 140/2009 Weltraumforschung
Erstes Vordringen der Schweiz in den Weltraum. Die Rakete Zenit mit Drucksensoren der Uni Bern startete 1967 von Sardinien aus und erreichte eine Höhe von 145 km; alle Systeme funktionieren einwandfrei. genialen Einfachheit auf fast allen Apollo- 3 kg Masse sehr präzise, hochspannungs- Gegenwart und Zukunft flügen dabei war, das Berner Sonnenwind- fest, sehr sauber und gasdicht sein musste. Zur Zeit fliegt auf der Sonde Rosetta das segel, das als Mischform zwischen Labor- Zum ersten Mal konstruierte eine Schweizer grösste je vom Berner Institut gebaute und Weltraumtechnik konzipiert war: 1969 Firma namens Contraves nach Spezifika- Experimentpaket mit zwei Massenspektro- entrollten die ersten Astronauten auf dem tionen eines Universitätsinstituts ein sehr metern und einem Drucksensor zum Mond eine bessere Haushaltfolie aus den komplexes Weltraumexperiment, das auch Kometen Churyumov-Gerasimenko. Der Berner Forschungslabors, exponierten sie im 30 Jahre später noch als kleines Wunder- Start erfolgte im März 2004, und der Sonnenwind und brachten sie zusammen- werk gilt und das auch wissenschaftlich Komet wird erst 2014 erreicht. Parallel gerollt wieder zur Erde zurück. In den äusserst erfolgreich war. laufen bereits intensive Vorbereitungen für Berner Labor-Massenspektrometern Seither brauchten sich die Berner um ein weiteres Grossexperiment auf der erfolgten dann die bis heute genausten internationale Partner und um Fluggelegen- Merkur-Sonde BepiColombo. Diese startet Edelgas-Kompositionsmessungen des in der heiten kaum mehr zu sorgen. Von den über 2015 und soll unter anderem zu einer Folie eingefangenen Sonnenmaterials. Als 20 weiteren Missionen in den vergangenen genauen Vermessung dieses noch kaum einziges nichtamerikanisches Apollo-Experi- 30 Jahren seien vor allem Giotto und untersuchten Planeten mit einem Berner ment hat es das Berner Physikalische Ulysses hervorgehoben. Sie betrafen die Laser-Altimeter führen. Weitere kleinere Institut weit herum bekannt gemacht ursprünglichen Kerngebiete der Abteilung Experimente und internationale Zusammen- und damit wohl auch den Weg für die Weltraumforschung und Planetologie. Mit arbeiten sorgen dafür, dass die Berner weitere Tätigkeit der Berner im Weltraum Ulysses konnten nun die Apollo-Folien- Forscher mit ihren Technikern und Dokto- geebnet. messungen mit direkten Messungen im randen «den Topf am Kochen halten». Weltraum ergänzt werden. Die Giotto- Denn nur wer sich dauernd mit den Ein kleines, präzises Wunderwerk Sonde der ESA flog erstmals durch die neusten Messtechniken und Technologien Und dann kam die Chance für ein erstes von einem Kometen abgedampfte Atmo- auseinandersetzt, hat in diesem hoch Schweizer Satellitenexperiment auf dem sphäre, die Koma, und das Berner Massen- kompetitiven Wettbewerb eine Chance geostationären ESA-Satelliten GEOS. Es spektrometer bestimmte in den paar weni- dabei zu sein. verlangte einige Überzeugungsarbeit, dem gen Minuten des Vorbeiflugs Element- Auswahlkomitee klar zu machen, dass im und Isotopenhäufigkeit des Kometen Kontakt: Prof. Dr. Hans Balsiger, Weltraum Kompositionsmessungen wichtig Halley. Diese Analyse von Material, das Abteilung Weltraumforschung und sind; es brauchte die Bereitschaft des Na- die Bildung unseres Sonnensystems tief- Planetologie, Physikalisches Institut, tionalfonds einige zusätzliche Millionen zu gefroren im Weltraum überlebt hat, hans.balsiger@space.unibe.ch investieren; und es benötigte eine Firma, erlaubte wichtige Rückschlüsse auf die die bereit war, ein Weltraumexperiment für Prozesse, die bei der Entstehung der einen Fixpreis zu bauen, das bei weniger als Planeten abgelaufen sind. Weltraumforschung UniPress 140/2009 13
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Science, Fiction und Fun mit Berns alten Sternwarten Alles ist in der Astronomie der alten Berner Uni- versität schon dagewesen: Die Science in den Observatorien auf der Grossen Schanze und die Fiction mit den Weltuntergangs-Prognosen rund um die Schauspiele am Sternenhimmel. Das breite Publikum hatte Fun mit einer Sternwarte, die als Sehenswürdigkeit und Aussichtspunkt brillierte. Von Franziska Rogger Samstagnachmittag, den 4. August 1877, gestirnten Himmels sichtbar» machte. Zum jäger beim Aarbergertor der Schlüssel der traf der brasilianische Kaiser Don Pedro II. andern hatte der damalige Prof. Friedrich J. Umfriedung ausgehändigt, damit er das mit Gemahlin auf seiner rastlosen Europa- Trechsel die acht oberen Öffnungen des eingezonte Sternwarte-Areal morgens öffne tournee in der Bundesstadt ein. Vom Turmes «auf eine originelle Weise» dazu und abends abschliesse. Bahnhof fuhr «der grosse stattliche Herr» benützt, in jedes Fenster eine Sternkarte «Die Promenade auf der grossen direkt ins Physikalische Institut der alten aus schwarzem Papier anzubringen, «auf Schanze ist unbestreitbar eine der aller- Hochschule. Der Kaiser verweilte über zwei der durch Durchlochung» die Sterne «eines schönsten weit und breit in ganz Europa», Stunden bei Professor Aimé Forster und entsprechenden Teils des Himmels darge- schwärmten nun die Bernerinnen und seinen vorbereiteten Versuchen zu neuen stellt» waren. So konnten sich die im Berner. Beklagt wurden allerdings man- Entdeckungen. Damit nicht genug: am verdunkelten Innern weilenden «Liebhaber gelnde Sitzgelegenheiten. «Ein Freund des folgenden «Sonntag um sechs Uhr des und Schüler mit den Sternbildern auf eine Schönen und Bequemen» machte 1855 Morgens» besuchte der wissensdurstige bequeme Weise vertraut» machen. seinem Ärger in einem Leserbrief Luft. Er Regent den Neubau des Tellurischen Obser- kritisierte, dass bloss «eine einzige Bank vatoriums auf der Grossen Schanze: «er Allerschönste Promenade von hartem Granitstein» existiere, «welche liess sich in detaillierter Weise die Pläne und herrliche Aussicht ein boshafter Geist dahin that», um das erklären und erkletterte, trotzdem die Wenn auch im Innern kaum ein natürlicher Sitzen zu verleiden. Zwar gäbe es hoch Arbeiten an der Kuppel dies erschwerten, Blick zum Himmel möglich war, so hatte oben am Observatorium noch Bänke, die den hohen viereckigen Thurm des das Publikum rund um das astronomische seien aber für ältere Leute nur mühsam zu Gebäudes». Der Besuch war ein besonderer Gebäude immerhin einen Aussichtspunkt erreichen. «Die alten schönen Berge» aber Genuss fürs Volk. Das Kaiserpaar wurde auf höchster Warte. Als nämlich die würden sich gerne Hunderte anschauen. «auf Schritt und Tritt verfolgt» und «übers Schanzen abgetragen wurden, liess man Aus Mangel an Sitzbänken verwünsche Mass des Anständigen hinaus» von den das Observatorium undemoliert, da es als man diesen schönen Ort, «weil es sich eben Medien belagert. Und dem Berner Publikum unentbehrlicher Nullpunkt-Ort der Triangu- nicht wohl schickt, weder für den Frack wurde so recht vor Augen geführt, welche lation weiterleben sollte. Die Sternwarte noch für das Shawl, am Strassenbord abzu- Köstlichkeit es an seiner eben neu erbauten thronte, nach dem Abgraben auf allen sitzen». «Sternwarte» besass. Seiten, auf einem eigenen steilen Hügel. Geklagt wurde auch über Vandalismus. Die 1877 an Stelle der alten Sternwarte Der Ort war allerdings durch Palisaden nicht Was heute Botellón und Haschnebel sind, erbaute Einrichtung war allerdings kein Ort eben volksfreundlich gesichert. 1844 aber waren um die Wende zum 20. Jahrhunderts zum wissenschaftlichen Sterngucken, hatte die Obrigkeit ein Einsehen. Der berni- die Streiche der «Nachtbuben, welche jahr- sondern ein Observatorium für meteorolo- sche Regierungsrat gönnte der Berner aus jahrein die vordere Länggasse belästig- gische und geophysikalische Forschungen. Bevölkerung den «Genuss der schönen ten». Sie hätten nicht nur die Zierbäum- Bereits die Vorgängerin, die alte, 1822 Aussicht von der Sternwarte aus wohl» und chen geköpft und verstümmelt, sondern erbaute Warte hatte nur bedingt zum entschied, dass «auf dem obersten, mit mit einem quer über die Strasse gespannten vergnüglich-exotischen Blick in die Sterne Pallisaden umgebenen Theile des Observa- Draht eine «directe Gefährdung der Fuss- getaugt. Zum einen war es keine Volksein- toriums das Thor ausgehängt werden soll, gänger» geschaffen. richtung, wie sie etwa die 1907 in Zürich um so dem ganzen Publikum die herrliche Die mäandrierenden Wege im Naherho- eröffnete Volks-Sternwarte «Urania» dar- Aussicht von dort geniessbar zu machen». lungsgebiet Grosse Schanze luden auch zu stellte, die dem Publikum «die Wunder des Nach einigem Geplänkel wurde dem Land- lockeren Bummeleien und romantischen Weltraumforschung UniPress 140/2009 15
Spaziergängen ein. Da konnte man gar – im Schnuppen als Teilchen des sich auflösen- wiederkehrt, erreichte nach 1835 im Jahre übertragenen wie im wörtlichen Sinn – sein den Kometen interpretiert wurden. Das 1910 wieder einmal seine grösste Erdnähe. Herz verlieren. Die Folgen zeigten sich in Volk interessierte sich vornehmlich für den Zehntausende wollten sich dieses Spektakel der Zeitung, manchmal als Heiratsanzeige, nach Freiherr von Biela benannten Him- nicht entgehen lassen. Und «einmal mehr manchmal auch, wie im März 1881, in melskörper. Zum einen hielt man generell wurden ... jene ins Unrecht versetzt, die Form einer Annonce: «Verloren ... goldenes Kometen mit ihren Giftgas-Schweifen für den Weltuntergang vorausgesagt hatten». Herzchen mit Haararbeit und einem kleinen Unglücksbringer, zum anderen fürchtete Heute fürchten sich Leute vor dem Teilchen- Bären». man einen Zusammenprall des Kometen beschleuniger am CERN, der ihrer Meinung mit der Erde. nach ein schwarzes, die Erde verschligendes Schaurig-schönes Schauspiel und Die Zeitungslektüre war nicht gerade Loch erzeugen wird. Früher wurden Men- Weltuntergangs-Stimmung dazu angetan, die Leute restlos zu beru- schen von auffallenden Himmels-Ereignis- Beim Flanieren wurde zweifellos auch higen, hiess es doch, dass die Erde mit dem sen, die sie als Künder wahrnahmen, in mancher Blick in die Sterne geworfen, vor Kometen «Biela» kreuzen werde, und dass Panik versetzt. Nicht nur beim «Stern von allem in Nächten, in denen Sternschnuppen kugelförmige Kometenkörper sich auszu- Bethlehem» oder den «Tränen des Lauren- zum abergläubischen Wünschen einluden. dehnen pflegten. So stand im Raum, dass tius» (zur Zeit seines Foltertods im Jahr 258 Auf diese Himmelsspektakel wiesen die die Erde «in den Umfang des Kometen wurden viele Sternschnuppen beobachtet) Tageszeitungen gerne hin. Im August 1877 selbst hineingerathen könne». «In Folge wurde – und wird – die Koinzidenz von etwa forderte die Tagespost dazu auf, «das des Bekanntwerdens dieser Resultate», wichtigem Ereignis und auffallender schöne Schauspiel ... glänzender Meteore, konstatierte das «Berner Intelligenzblatt» Himmelserscheinung konstruiert. Der Spott Sternschnuppen, untermischt mit einzelnen Mitte Dezember 1872, «verbreitete sich allerdings war den abergläubischen Unter- Feuerkugeln» zu geniessen. Fünf Jahre blitzschnell durch Europa die Kunde von gangspropheten stets gewiss – nachdem zuvor hatte die Berner Tageszeitung «Bund» dem bevorstehenden Zusammenstosse mit nichts passiert war. Auf die zweifache die damals zu beobachtende grosse Zahl dem Kometen und dem selbstverständ- Erscheinung von Sternschnuppen und von Meteoren dem Publikum wissenschaft- lichen Untergange der Erde.» Die Astro- Komet anspielend hatte etwa das «Intelli- lich zu erklären versucht: «Man nimmt an, nomen hatten gut reden, dass keine Gefahr genzblatt» 1872 maliziös gewitzelt: Wäre dass zu dieser Zeit die Bahn der in Schwär- bestehe und der Zeitungsjournalist das Publikum auf das zweite Ereignis früher men durch die Planetenbahnen ziehenden dozierte: «Die Furcht steht über allen aufmerksam gemacht worden, so hätte ein kleinen Himmelskörper von der Erdbahn Naturgesetzen, sie ist schöpferisch wie weiterer «Weltuntergang» nicht ausbleiben durchschnitten werde, so dass jene uns als keiner der Götter, ja diese sind selbst ihre können. Aber «zwei Weltuntergänge in leuchtende und gleichsam fallende Sterne Geschöpfe.» Selbstgefällig meinte die einem Jahre kann man doch Gott in seinem zu Gesicht kommen.» Der prächtige Feuer- Zeitung schliesslich: «Doch auch diesmal, grössten Zorne nicht zumuthen!» regen vom November 1872 hielt sich noch wie immer, hatte die Wissenschaft Recht eine Weile in den Zeitungen, die über das und die Menge Unrecht.» Kontakt: Franziska Rogger, Universitätsarchiv, merkwürdige Zusammentreffen zwischen Auch den nach Edmond Halley be- franziska.rogger@bibl.unibe.ch dem erwarteten Kometen «Biela» und nannten «Halleyschen Kometen» fürchtete den Sternschwärmen rätselten. Diese Ver- das Publikum im selben Masse wie es das bindung konnte damals nicht vollkommen Schauspiel genoss. Der hochaktive, licht- erklärt werden, wenn auch bereits die starke «Halley», der im Mittel alle 76 Jahre Cornelia Steinemann und Daniel Vasella Eremitin versus Konzernchef Beide haben prägende Erfahrungen mit eigenen Krankheiten und dem Tode allernächster Angehöriger. Beider Leben sind nicht verallgemeinerbar. Beides sind Persönlichkeiten mit einem Lachen, das in Erinnerung bleibt. Und beide haben´s mit dem Geld, wenn auch diametral entgegen gesetzt. Dr. med. Daniel Vasella, in den 1970er Jahren Berner Medizin- student, erhält sagenhafte Millionen-Zuwendungen von der Novartis, der er als Chef vorsteht. Sein Entgelt ist kaum noch maximierbar. Kaum mehr minimierbar hingegen sind die Batzen, die Cornelia Steinemann, in den 1990er Jahren Jus-Studentin, als Korbflechterin zusammen ferggt. Sie hat sich radikal zurückgezogen und versteht sich seit 13 Jahren als Eremitin. Steinemann fühlt sich glücklich in ihrer Liebesbeziehung zu Gott, ihrem Sehnen nach dem Reich Gottes und meint: «Richtet die Blicke etwas höher, als nur auf die Erde». Wenn «es aufwärts geht», fühlt sich Daniel Vasella gut, wenn in seinem Leben «eine Dyna- mik, eine Entwicklung auf Ziele hin» zu spüren ist. Hier das Streben inmitten des Welten- trubels, dort die Sehnsucht in abgeschiedener Einsamkeit. Will Vasellas Novartis – gemäss Firmenauftritt – mit erfolgreich vermarkteten Produkten Krankheiten vorbeugen, Leiden lindern und Lebensqualität verbessern, so will sich Cornelia Steinemann – gemäss einem Gespräch im AKI – in meditativ-kontemplatives Gebet zu Jesu vertiefen. Pillen versus Wolken oder: Aus den AbgängerInnen der Uni Bern kann noch alles, wirklich alles werden. far Pillen versus Wolken, Konzernchef versus Eremitin. 16 UniPress 140/2009 Weltraumforschung
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Berner Pioniere der Medizintechnik Die Chirurgie, die ja wörtlich Handwerk bedeutet, sonden, eine spezielle, in der Hohlhand war schon immer auf Instrumente und auf die gehaltene Ligaturschere usw. Auch ein Verbindung zur Technik angewiesen. Von etwa heizbarer, von Kocher empfohlener Opera- 1850 an werden auch für den internistisch tätigen tionstisch wird abgebildet. Als Kochers Arzt diagnostische und therapeutische Geräte und «Chirurgische Operationslehre» 1907 in der damit die Zusammenarbeit mit Handwerk und 5. Auflage erschien, präsentierte die Firma Industrie unverzichtbar. M. Schaerer AG, Bern, nun mit Filialen in Lausanne und Brüssel, in ihren «Techni- schen Mitteilungen» das gesamte Instru- mentarium Kochers. Dank des Professors «Liebenswürdigkeit …, die Modelle auf ihre Richtigkeit zu prüfen», wurde deren Origi- nalität und Qualität garantiert. Von Urs Boschung Fritz de Quervains Operationstisch und die M. Schaerer AG Die Gerätschaften, die der alte Wundarzt rung der Narkose und die antiseptischen Nachfolger Kochers wurde 1918 Fritz de zum Schienen von Knochenbrüchen und bald auch aseptischen Operations- Quervain (1868–1940), bisher Ordinarius benutzte, bezog er von Spenglern und methoden erlaubten nun bis anhin undenk- für Chirurgie in Basel. Nach Medizinstu- Schreinern, schneidende Instrumente, bare Eingriffe im Innern des Körpers, für die dium in Bern und Assistentenzeit bei Zangen und Hebel von den Zirkel- und laufend neue Instrumente benötigt wurden. Kocher, hatte de Quervain 1895 in La Messerschmieden. Mit diesen ergab sich ein Zur Sicherung des Operationserfolges setzte Chaux-de-Fonds die Stelle des chirurgischen engeres Verhältnis, erkennbar unter Kocher auf eine äusserst sorgfältige Blutstil- Chefarztes am Spital übernommen. Der anderem daran, dass im alten Zürich lung, für deren Durchführung er die bis dort vorhandene altväterische, aus Eichen- Chirurgen und Schmiede derselben Zunft heute nach ihm benannte Arterienklemme holz gezimmerte Operationstisch, veran- angehörten. Wenn es um die genaue einführte, eine arretierbare Zange mit quer- lasste ihn, ein eigenes Modell zu entwerfen, Ausgestaltung neuer Instrumente ging, gerieftem Maul und Mauszähnen am Ende. und dieses in Zusammenarbeit mit der beanspruchte selbstverständlich der Chirurg 1882, vermutlich zuerst vom Pariser Instru- Berner Firma M. Schaerer AG in mehreren die Weisungskompetenz. Der 1615 nach mentenmacher Georges Amatus Lüer Etappen zu verbessern. Das Modell, das de Bern berufene berühmte «Medicus und entwickelt, wurde die Klemme in Bern vom Quervain 1905 in Brüssel am ersten inter- Chirurgus» Wilhelm Fabry (Hildanus) Chirurgie-Instrumentenmacher Georg nationalen Chirurgenkongress vorstellte, (1560–1634) formte für eine spezielle Gottlob Klöpfer (1857–1915) hergestellt. wies bedeutende Neuerungen auf. Es Augenoperation ein Muster des Der geborene Württemberger liess sich schmiegte sich den Umrissen des Körpers gekrümmten Messers aus Blei, das er den 1884 in Bern nieder und wurde 1904 möglichst genau an und konnte in der anatomischen Verhältnisse des Schädels Burger von Bern. Das auf ihn zurückge- Längsachse allen seinen Bewegungen genau angepasst hatte. Nach diesem hende Sanitätsgeschäft Hediger bestand bis folgen. De Quervain veranlasste auch die Modell fabrizierte der Messerschmied das 1984 am Hirschengraben 5. Neben Klöpfer Entwicklung von Sterilisationsanlagen für Instrument, das Fabry vor der Operation zur trat um 1895 als Lieferant von Kocher- Spitäler, womit sich für die Firma ein Sicherheit noch an einem frischen Instrumenten die Firma Maurice Schaerer zweiter wichtiger Geschäftszweig ergab, Kalbskopf ausprobierte. Den Namen seines auf den Plan. Der burgerliche Arztsohn der ihr nachhaltigen internationalen Erfolg Lieferanten nannte Fabry nicht, was noch Moritz Friedrich Schärer (1866–1953) hatte sicherte (heute Schaerer Medical AG, lange Zeit üblich blieb. sich nach abgebrochenem Medizinstudium Münsingen). Anfänglich ein Nebenprodukt zum Bandagisten und Orthopädisten ausge- der Sterilisatoren, erwiesen sich Kaffee- Theodor Kocher bildet und betrieb an der Marktgasse 12 maschinen als Produkte mit grosser Zukunft und seine Instrumentenmacher ein Coutellerie (Messerwaren-) und Sani- (heute M. Schaerer, Zuchwil). Als Theodor Kocher 1872 in Bern zum tätsgeschäft mit einer Werkstatt in der Professor der Chirurgie und Direktor der Matte. Sein erster gedruckter Katalog Hermann Sahli und Optiker Büchi Chirurgischen Klinik am Berner Inselspital verzeichnet auf zwölf Seiten eine Vielzahl Mit Stethoskop (1836), Augenspiegel gewählt wurde, befand sich sein Fach in von Instrumenten «nach Kocher»: Narkose- (1851), Laboranalysen (ab 1880) und Rönt- tiefgreifendem Umbruch. Die Perfektionie- masken, Magen- und Darmzangen, Kropf- genapparat (ab 1896) wandelte sich im Medizintechnik UniPress 140/2009 19
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