Die Geschichte der Haltung von Elefanten in Menschenobhut
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Die Geschichte der Haltung von Elefanten in Menschenobhut Fred Kurt Seit wenigstens 3.500 Jahren fangen, domestizierten, sondern Wildtiere in sche Elefanten stehen in Zoos und zähmen und dressieren Menschen Ele- Menschenobhut und die meisten von Zirkussen (BAKER & KASHIO, fanten. Doch Elefanten wurden nie ihnen wurden und werden immer noch 2002; EUROPEAN ELEPHANT planmäßig gezüchtet und dabei der aus Wildbeständen gefangen. GROUP, 2003). Häufig sind die Umwelt des Menschen angepasst, wie Lebensbedingungen gefangener Ele- es mit typischen Haustieren wie etwa In den Ursprungsländern leben zur fanten so miserabel, dass sie physische Rind, Pferd oder Haushund geschah Zeit ungefähr 14.000 Asiatische Ele- und psychische Belastung nicht durch und immer noch geschieht. Gezähmte fanten in Menschenobhut, weitere genetische oder traditionelle Anpas- und abgerichtete Elefanten sind keine 1.000 Asiatische und 1.000 Afrikani- sungen an den natürlichen Lebensraum bewältigen können. Physische, psy- chische und verhaltensbedingte Stö- rungen sind offensichtlich. Von weni- gen Ausnahmen abgesehen werden Elefanten in direktem Kontakt zum Menschen gehalten. Ernsthafte Unfälle ereignen sich verhältnismäßig häufig. Der Beruf des Elefantenpflegers und -trainers gilt als gefährlich. Fang, Zähmung, Dressur und Führen von Elefanten sind traditionell verbunden mit Misshandlungen, die seit dem Altertum mit Recht kritisiert werden. Allerdings verweisen „Elefanten- männer“, sogar solche aus westlichen Zoos und Zirkussen, auf ihre alten asiatischen Traditionen. Diese Tradi- tionen entstanden aber just in buddhis- tischen und hinduistischen Regionen, wo Elefanten religiös verehrt werden und ihre Tötung tabu ist. Um dieses Missverständnis zu erklä- ren, beginnt dieser Beitrag mit einem kurzen Überblick über die Geschichte der Elefantenkulturen. Der zweite Abschnitt widmet sich dem Wohler- gehen der Elefanten in verschiedenen Haltungsformen, der dritte befasst sich mit den Möglichkeiten der Arter- haltung in Menschenobhut. Die Daten dieses Beitrages stammen aus verschie- denen Studien und Reisen, die der Autor während der letzten 50 Jahre in Sri Lanka, Südindien, Assam, Myanmar und Thailand, bzw. in ver- schiedenen europäischen Zoos und Zirkussen durchgeführt hat. Dschungeldörfer Im 15. vorchristlichen Jahrhundert Abb. 1: Ein Pannikiya (traditioneller Elefantenfänger auf Sri Lanka) baut eine Schlingenfalle. entstanden in Nordostindien und Uda Walawe, Sri Lanka. Südchina fast gleichzeitig Elefanten- A Pannikiya, a traditional elephant catcher of Sri Lanka, prepares a noose trap. Uda Walawe, kulturen bei jagenden Stämmen, die Sri Lanka. (Foto: Fred Kurt) ihre Praktiken geändert hatten, den Zeitschrift des Kölner Zoo · Heft 2/2006 · 49. Jahrgang 59
Abb. 2: Ein junges Weibchen (links unten) lockt einen Bullen in seine Nähe. Schlingen- fänger fesseln ihn an Hals und Hinterbeinen. Tempelfries aus Konarak um 1250. A young female (below left) decoys a wild bull in its neighbourhood while hunters noose him on neck and hind feet. Carving in the temple of Konarak about 1250 AD. (Foto: Peter Jaeggi) Elefanten als ihr Totem betrachteten und ihn zwar jagten, aber nicht töte- ten. Kleine Gruppen von Jägern fingen selektiv junge Elefanten in Boden- Abb. 4: Die Halsschlinge wird gesichert, bevor der Frischfang aus der Grube geführt wird. oder Handschlingen (Abb. 1 und Kerala, Südindien. Abb. 2). Einige der Stämme lernten, The neck rope is secured, before the captured elephant is taken out of the pit. Kerala, South wie sich Elefantengruppen in natür- India. (Foto: Jacob V. Cheeran) liche Fallen, zum Beispiel Schluchten oder Gewässer oder einfach gebaute fanten und waren zudem Ärzte und hörigen über Ökologie und Verhalten Fallgruben (Abb. 3 und Abb. 4) und Priester, die das Totem, d.h. das Fang- der Elefanten enorm. Enge Beziehun- Fanggehege treiben ließen, bevor sie verbot, ausschalten konnten, indem gen zwischen ihnen und ihren Elefan- gefesselt wurden. Später lernten einige sie die Jagd mit langwierigen Ritualen ten sind Gang und Gäbe und Unfälle dieser Kulturen, auf dem Rücken zah- vorbereiteten (GILES, 1930). Für die äußerst selten. mer Elefanten reitend sich unbemerkt Stammesangehörigen waren die Elefan- wilden Artgenossen zu nähern, um ten Statussymbol, Reit- und Transport- Feudalsysteme sie mit Schlingen fangen zu können tiere und später während Feudal- und (KURT, 1992). Kolonialzeiten auch Handelsobjekte. Im Altertum und Mittelalter besaßen die buddhistischen, hinduistischen Das Wissen über Verhaltensweisen, In abgelegenen Gebieten überlebten und später die islamistischen Herr- Nahrungs- und Heilpflanzen von wil- bis heute elefantenführende Stammes- scherfamilien das Elefantenmonopol. den wie zahmen Elefanten bewahrten angehörige (Abb. 5), die ihre Tiere Sie verlangten nach großen Elefanten- die alten erfahrenen Meister der Jagd, extensiv halten, d.h. die gezähmten beständen. Die Tierriesen waren Sta- die es an jüngere Stammesangehörige Elefanten leben mit „gehobbelten“, tussymbole, fanden Verwendung beim weitergaben. Jeder der Jäger begann d.h. zusammengebundenen Vorder- Transport und beim Bau von Tempeln, seine Karriere als Helfer und Spuren- füßen, im Dschungel, wenn sie nicht Palästen und Staudämmen. Sie wirkten leser, bevor er Reiter, Fänger und gebraucht werden. Dort finden sie ihre als Scharfrichter,als Kampf- und Kriegs- schließlich Meister wurde. Die Meister Nahrung, trinken, schlafen und treffen elefanten. Beim Bau der Tempelanlagen besaßen das gesamte Wissen über Ele- mit wilden wie zahmen Artgenossen von Angkhor (1113 bis 1115) fanden zusammen. Zwischen zahmen Elefan- neben 100.000 Menschen auch 60.000 ten entstehen enge soziale Beziehun- Elefanten Arbeit. Die indischen Groß- gen. Sie pflanzen sich regelmäßig fort, reiche der Maurya (322 bis 185 v.Chr.), wenn die Besitzer nichts dagegen der Delhi Sultane (1200 bis 1526) oder unternehmen. Bei Geburten und Auf- der Moghulen (1527 bis 1700) hielten zucht helfen Ammen. Väter der in Herden von wenigstens 3.000 bis Menschenobhut geborenen Jungtiere 40.000 Elefanten. Bereits im vierten vor- sind meist wilde Bullen, die den ge- christlichen Jahrhundert exportierten fangenen überlegen sind. Während indische Reiche jährlich Hunderte von einer vergleichsweise kurzen Musth- Elefanten in den Nahen und Mittleren zeit werden gefangene Bullen an Ket- Orient und nach Zentralchina als ten gelegt. Allerdings lassen Legenden Tauschmittel für Pferde, die im Kern- vermuten, dass erwachsene Bullen raum der Elefantenkulturen äußerst Abb. 3: Ein junger Elefant wird in einer Fall- grube gefangen. Kerala, Südindien. während der Musth, einem brunftähn- krankheitsanfällig waren. Vor 2.300 A young elephant has been caught in a pit lichen Zustand, ursprünglich freige- Jahren, als die Mittelmeermächte ihre trap. Kerala, South India. lassen wurden. Heute noch ist das Armeen ausbauten, führten südindi- (Foto: Jacob V. Cheeran) praktische Wissen der Stammesange- sche Experten die Kunst des Zähmens 60
Abb. 5: Nardi, ein Dorf der traditionell elefantenführenden Kurumbas. Tamil Nadu, Südindien. Nardi, a village of traditionally elephant riding tribal people in Tamil Nadu, South India. (Foto: Fred Kurt) und Führens von Afrikanischen wurden (Abb. 7 und Abb. 8) und wur- mäßig. Daher wurden Menschen, die Elefanten in Ägypten und später in den ausschließlich vom Menschen ge- einen Elefanten reizten, bestraft. Wur- Karthago und Axum (Äthiopien) ein. füttert. Soziale Kontakte zwischen ge- den sie von einem Elefanten getötet, fangenen Elefanten wurden vermieden hatten die Hinterbliebenen kein Klage- Viele der Elefanten in Südasien kamen und solche mit wilden waren unwahr- recht. Hingegen wurde die Nachlässig- als Tribute von Vasallen und als Kriegs- scheinlich. Fortpflanzung war uner- keit von Pfleger und Besitzer, die zum beute in die Ställe der Feudalherren. wünscht und galt sogar als schlechtes Tode eines Elefanten führten, als Kapi- Zusätzliche Tiere kauften sie von Omen. Unfälle ereigneten sich regel- talverbrechen geahndet. Stammesangehörigen oder befreunde- ten Mächten. Zudem befriedigten die Herrscherhäuser ihren Elefantenhun- ger mit Fangaktionen, welche die Jagden der Urbevölkerung ums Viel- fache übertrafen. Die Männer ganzer Regionen mussten große Herden in Schluchten, Seen oder große Kraale treiben, wo Kampfelefanten, Hunger und Durst die Frischfänge dermaßen schwächten, dass viele an Erschöpfung starben. Solche so genannten Kheddas verlangten nach hochspezialisierten Kasten von Futtersammlern, Seilma- chern, Schlingenfängern, Ausbildern, Elefantendoktoren und Dutzenden von Kumkies, d.h. Helferelefanten. Hunderte von Elefanten lebten in den Städten in einem intensiven Haltungs- system wie es heute noch in Tempel- bezirken oder Touristenzentren zu finden ist (Abb. 6). Sie standen immer Abb. 6: Die meisten Tempelelefanten in Kerala (Südindien) sind Bullen. an Ketten, wenn sie nicht gebraucht Most temple elephants in Kerala (South India) are bulls. (Foto: Fred Kurt) 61
Abb. 7: Intensiv gehaltene Elefanten leben an Ketten, wenn sie nicht Abb. 8: Der Tempel von Guruvayur in Kerala (Südindien) besitzt gebraucht werden. Kegalle, Sri Lanka. rund 70 Bullen. When not used, intensively kept elephants live on chains. Kegalle, Sri The temple of Guruvajur in Kerala (South India) possesses about 70 Lanka. (Foto: Fred Kurt) bulls. (Foto: Fred Kurt) Innerhalb der Feudalsysteme kannte Kolonialzeit oder als willkommene Hilfskräfte für niemand alles Wissen um den Elefan- Forstwirtschaft und Armee (Abb. 10). ten. Jeder mit den Tierriesen Betraute Im 18. und 19. Jahrhundert erhöhte Jetzt arbeiteten plötzlich Forstdienste war ein Spezialist. Eine Reihe von die holländische Kolonialmacht in Sri und Stammesangehörige eng zusam- „Handbüchern“ regelten Haltung und Lanka die Nachfrage nach gefangenen men. In Süd- und Nordostindien, Pflege der Elefanten. Es sind für west- Elefanten enorm, ließ bis zu 400 in Myanmar und Thailand wuchs der liche Wissenschaft kaum verständliche einen einzigen Kraal treiben (Abb. 9) Bestand zahmer Elefanten in den Werke, in denen das Wissen der ele- und exportierte jährlich 200 bis 300 Dschungeldörfern rasch an. fantenführenden Stammesangehörigen der überlebenden Frischfänge nach und der Pferdehaltung vermischt wer- Süd- und Nordindien. Im 19. und 20. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert den mit transzendentalem Denken Jahrhundert leitete die British Indian verbesserten britische Beamte die Hal- und wilden Spekulationen, die sich oft Company eine tiefgreifende Land- tungsform und formulierten eine widersprechen. Allerdings entwickel- schaftsveränderung auf dem indischen Reihe von Richtlinien, welche Fang, ten buddhistische und hinduistische Subkontinent ein. Riesige Waldgebiete Haltung und Arbeitsleistung regulier- Feudalsysteme bereits im Altertum fielen dem Kahlschlag zum Opfer, um ten. Für die nach wie vor in Waldge- respektable Managementpläne zur Er- Teegärten und Pflanzungen Platz zu bieten extensiv gehaltenen Elefanten haltung der wilden Elefantenbestände. machen und um den Holzhunger schrieben sie energiereiche Zusatz- Der selektive Fang von Stoßzähne tra- der Schiffsbauer und Eisenbahngesell- nahrung aus Reis, Kopra, Zuckerrohr genden Bullen in Sri Lanka führte zu schaften zu stillen. Wilde Elefanten und Salz vor (Abb. 11). Das Wissen einer Zunahme von stoßzahnlosen galten entweder als Schädlinge und der Kolonialherren über wilde Elefan- „Maknas“ um nahezu 100%. erlagen zu Tausenden den Sportjägern, ten bezog sich auf eigene Jagderleb- nisse oder Berichte von Einheimischen und auf das Wissen über gefangene Elefanten aus Aufzeichnungen kolo- nialer Tierärzte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter- hielten britische Holzgesellschaften allein in Myanmar einen Bestand von etwa 10.000 Arbeitselefanten, die sich in erstaunlich hohem Maße fortpflanz- ten. Trotzdem stammten die meisten Tiere weiterhin von Fangaktionen. Zwischen dem späten 19. Jahrhundert und 1950 wurden jährlich allein in Assam wenigstens 500 Elefanten ge- fangen. Beachtliche Fangergebnisse wurden aus anderen Teilen Indiens (Abb. 12), aus Myanmar und Sri Lanka gemeldet. Neugeborene Frisch- Abb. 9: Im 18. und 19. Jahrhundert vergrößerten die holländischen und später die britischen Kolonialmächte die traditionellen Kraale und damit die Zahl der gefangenen Elefanten. Sri fänge, welche die Fangaktionen über- Lanka. lebten, galten als billiges Nebenpro- In the 18th and 19th century Dutch and later British colonial powers enlarged the traditional dukt. Sie wurden an Tierhändler aus kraals and the number of captured elephants. Sri Lanka. (Archiv: Fred Kurt) dem Westen verkauft. 62
Abb. 10: Ein Teil der Hilfskräfte während einer Kraalfangaktion in Kakanakote, Karnataka, Abb. 11: Extensiv gehaltene Elefanten erhal- Südindien. ten energiereiches Zusatzfutter. Nardi, Tamil A part of the capturing team during a kraal operation in Kakanakote, Karnataka, South India. Nadu, Südindien. (Archiv: Fred Kurt) Extensively kept elephants receive daily additional portions of food rich in energy. Zwischen dem 18. und der Mitte des 150 Asiatische) bis 2020 ausgestorben Nardi, Tamil Nadu, South India. (Foto: Fred Kurt) 19. Jahrhunderts kamen weniger als sein. In 83 europäischen Zoos und 50 Elefanten (beide Arten) nach Europa Safariparks lebte 2005 ein Bestand von und Amerika. Als dann aber riesige 300 Asiatischen Elefanten, der ohne KURT, 2006, dieses Heft), was unter Dschungelgebiete in Südasien weichen Importe bis 2015 bis auf etwa 180 anderem auch zu einer Zunahme der mussten, schoss die Anzahl der Ele- Tiere in 25 bis 30 Anlagen einbrechen Geburten führt (Abb. 13). Ketten fanten in Zoo und Zirkus in einer und sich dann stabilisieren oder gar machen zunehmend großzügigen ungeahnten Weise nach oben. Zwi- leicht ansteigen wird. Wahrscheinlich Boxen Platz. Bullen leben ausschließ- schen dem Ende des 19. und der Mitte wird sich ein Bestand von 218 Afrika- lich in „protected conctact“. Besonders des 20. Jahrhunderts besaßen die nischen Elefanten in den kommenden in den Niederlanden, in Frankreich großen amerikanischen und europäi- zehn Jahren zahlenmäßig halten kön- und Spanien breitet sich dieses Hal- schen Zirkusse Herden von 40 bis 70 nen (HAUFELLNER, 2005). tungssystem für alle Elefanten aus. In Elefanten (OETTERMANN, 1982). Nordamerika und Südeuropa sind in Der Zirkus betrachtete den Elefanten Eine zunehmende Zahl moderner den letzten Jahren einige großflächige als Haustier und hielt ihn an Ketten. europäischer Zoos hält Elefanten unter Elefantenparks entstanden, die ent- Viele schwere, oft tödliche Unfälle naturnahen Bedingungen (GARAÏ & weder Problemtiere aufnehmen oder nahm er in Kauf. Im Zoo lebten die ersten Elefanten in Gehegen. Doch rasch setzte sich auch hier die wesent- lich billigere Kettenhaltung durch. Auch im Zoo hatten die Tierriesen wie im Zirkus aufzutreten und Besucher durch den Zoo zu tragen. Dabei ent- puppten sich Bullen als gefährliches Problem. Viele mussten getötet wer- den und die meisten Zoos hielten fortan nur noch Elefantenkühe. Die gegenwärtige Situation Ohne Importe und/oder drastische Erhöhung der Nachwuchsraten ver- schwinden die Elefantenbestände in Nordamerika innerhalb der kommen- den 50 Jahre (WIESE, 2000). In Abb. 12: Die zweitletzte Kraalfangaktion in Kakanakote, Karnataka, Südindien, fand 1968 Europa wird der gegenwärtige Be- statt. stand von etwa 240 Elefanten in 88 The second last kraal operation in Kakanakote, Karnataka, South India, took place in 1968. Zirkusunternehmen (90 Afrikanische, (Foto: Fred Kurt) 63
250 Elephas maximus 200 150 EU 100 50 NA 0 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 90 Loxodonta africana 60 EU 30 NA 0 40 1940 50 1950 60 1960 70 1970 80 1980 90 1990 100 2000 110 Abb. 13: Oben: Bis zum März 2006 wurden in Europa (EU ) 243 Asiatische Elefanten (Elephas maximus) geboren. In Nordameri- ka (NA ) sind es 154. Unten: Die erste Zoogeburt eines Afrikani- schen Elefanten (Loxodonta africana) fand 1943 statt. Bis heute wurden in Europa (EU ) 81 und in Nordamerika (NA ) 45 geboren. Daten: European Elephant Group. Above: Until March 2006 243 Asian elephants were born in Europe (EU ) and 154 in North America (NA ). Mütter Mothers Below: In 1943 the first African elephant was Noch nicht reproduzierende Töchter Not yet reproducing daughters born in a western zoo. Until today 81 were Söhne Sons born in Europe (EU ) and 45 in North Leben in Pinnawela Living at Pinnawela America (NA ). An Tempel oder Armee abgegeben Donated to temples or army Künstlich aufgezogen Artificially raised überzählige Bullen. NOGGE (2004) gibt eine ausführliche Darstellung Abb. 14: Entwicklung der Mutterfamilien in der Pinnawela Elephant Orphanage von Sri über die Geschichte der Elefantenhal- Lanka zwischen 1983 und 2003. tung im Kölner Zoo. Development of mother-offspring groups at the Pinnawela Elephant Orphanage of Sri Lanka between 1983 and 2003. In den asiatischen Ursprungsländern schwinden die in Menschenobhut (BIST et al., 2002). Die meisten Das Wissen der Stammesangehörigen lebenden Bestände mehr oder weniger Arbeitselefanten Thailands waren ist verloren gegangen. Die häufig dro- schnell in Folge stark eingeschränkter plötzlich arbeitslos, als 1989 die Regie- gen- und alkoholabhängigen Führer Fangaktionen, hoher Juvenilsterblich- rung den Holzeinschlag verbot. Ent- versuchen mit brutalsten Methoden keit und fehlender Arbeitsmöglichkei- weder erschienen sie dann zusammen die Tiere gefügig zu halten und schwere ten, die zu einer Abwanderung vieler mit ihren Mahuts auf Betteltouren in Unfälle sind die logische Konsequenz. Arbeitselefanten von den letzten Wäl- den Städten und Tourismuszentren Aber immerhin entwickeln sich in dern in städtische Gebiete führten oder in Laos bei illegalen Holzfäller- Thailand, Indien und auf Sri Lanka (BAKER & KASHIO, 2002). In Indien camps, wo ihnen Amphetamine ver- neue Haltungsformen, Elefantenparks zum Beispiel führten die Restriktionen abreicht werden, um ihre Arbeits- und Waisenstationen. In Sri Lankas von Holzfällaktionen, die der Oberste leistung zu erhöhen. Schließlich enden Pinnawela Elephant Orphanage, wo Gerichtshof 1996 verfügte, zu einem die völlig überarbeiteten Tiere in zwischen 60 bis 70 Elefanten leben, beachtlichen Exodus von zahmen Ele- Schlachthäusern. Ihr Fleisch wird begann 1982 ein erfolgreiches Zucht- fanten aus Assam, während die Zahl dann verkauft (SALWALA, 2002). programm. Bis heute sind dort wenig- der in den Tempeln von Kerala gehal- stens 23 Junge zur Welt gekommen tenen Elefanten von 250 in 1983 auf In vielen städtischen Gebieten führen (Abb. 14). Nur eines starb kurz nach mehr als zur Zeit 800 hoch schnellte unerfahrene Menschen die Elefanten. der Geburt. 64
Fang und Einbrechen Wie aus dem bereits Geschriebenen hervorgeht, hat Gefangenschaft für Elefanten viele Gesichter. Sie umfassen eine Bandbreite, die Dschungelcamps einschließt, wo Elefanten in natürlicher ökologischer und sozialer Umwelt leben ebenso wie Haltungsformen, in denen sie mehr oder weniger einzeln an Ketten leben. Gefangene Elefanten können von Menschen versorgt und geführt werden, die ihr traditionelles Wissen vom Leben wilder Elefanten ableiten, wie von Opportunisten, denen das Wissen um wilde Elefanten völlig fehlt, die aber Elefanten als poten- tiell gefährliche Haustiere betrachten und sie dementsprechend behandeln. Ein derart breites Haltungsspektrum führt zu den verschiedensten Formen Abb. 15: Ein Arbeitselefant baut einen Zähmungs-Kraal. Coorg, Südindien. von physischem und psychischem A working elephant builds the taming-kraal. Coorg, South India. (Foto: Fred Kurt) Stress. schützen den Wildfang vor Schlägen, raubende Training durch brutale Alle Fangmethoden führen zum kom- den Trainer vor Fußtritten und Zähmungsmethoden in direktem pletten Zerfall bestehender sozialer Rüsselhieben. Bei beiden Methoden Kontakt ersetzt wurde (Abb. 17). Beziehungen. Frischfänge wurden lernt der Frischfang die ersten Kom- Die Frischfänge wurden dabei voll- früher nach dem Fang in Schlingen mandi, zum Beispiel „Vorwärts“, ständig gefesselt (oft sogar der Rüssel). oder Kraals durch Kampfelefanten, „Rückwärts“ oder „Fußheben“ ledig- Man fesselte ihre Hälse an starke Wasser- und Futterentzug geschwächt, lich mit „positive enforcement“, also Bäume, so dass sie sich nicht hinlegen bevor sie in die Trainingscamps dank Belohnung mit Futter, das er aus konnten. Holzgestelle oder „Schau- kamen. Solche Einflüsse spiegeln sich der Hand des zukünftigen Mahuts keln“, wie in Sri Lanka oder einigen wider in hohen Sterblichkeitsraten: In nimmt. Gebieten Myanmars (Abb. 18), den zahlreichen Fallgruben Südindiens erzwangen die aufrechte Haltung. starben bis ins 19. Jahrhundert bis zu Während der Feudal- und später der Zudem wurden Hinter- wie Vorder- 90% der Frischfänge, während auf Sri Kolonialzeit stieg die Nachfrage nach füße eng aneinander gebunden. Lanka 86 bis 97% der Elefanten, die Elefanten dermaßen an, dass dieses Helferelefanten hatten dann den von den Pannikiyas, die sich mutig zu verhältnismäßig humane, aber zeit- Frischfang so zu „spannen“, dass Fuß in die wilden Herden wagten und selektiv junge Elefanten mit Hand- schlingen fingen, überlebten. In den riesigen Kraalanlagen der Holländer und Briten starben im 19. Jahrhundert bis zu 70% der Frischfänge. Später gelang es, die Verluste auf 5 bis 30% zu verringern. Bei Mela-Shikar, die Methode, bei der die Jäger Wildelefan- ten vom Rücken hochspezialisierter Jagdelefanten mit Schlingen sicherten, starben in Myanmar etwa 14% (KURT et al., 1995). Die Kurumbas in Südindien, die seit 2.000 Jahren mit Fang und Führung vertraut sind, zähmten die Frischfänge unter „protected contact“. Sie hielten sie nach dem Fang einzeln in einem re- lativ großen Kraal von ungefähr 20 m2 Grundfläche (Abb. 15 und Abb. 16). In Teilen Thailands und Myanmars werden Frischfänge oder in Gefangen- Abb. 16: Junge Elefanten, die in Menschenobhut geboren werden, lernen den Zähmungs- schaft geborene Elefanten in kleinere Kraal in Anwesenheit der Mutter kennen. Mudumalai, Tamil Nadu, Südindien. Kraals verbracht, die den gleichen Young captive born elephants become familiar with the taming-kraal in the presence of their Effekt haben: Starke Baumstämme mothers. Mudumalai, Tamil Nadu, South India. (Foto: Fred Kurt) 65
Abb. 17: Frischfang, der in direktem Kontakt gezähmt wird. Wunden Abb. 18: Zähmung eines in Menschenobhut geborenen Elefanten in sind unvermeidlich. Kakanakote, Karnataka, Südindien. Myanmar. Newly captured elephant tamed in direct contact. Wounds are in- Taming of a captive born elephant in Myanmar. evitable. Kakanakote, Karnataka, South India. (Foto: Fred Kurt) (Foto: Fred Kurt) die vorderen und hinteren Fußketten In Dschungelcamps, wo heute noch ursprünglicheren Haltungssystemen ihn schließlich in einer Position Elefanten zur Welt kommen, trennen lernte das Kind in Anwesenheit seiner hielten, in der das Körpergewicht die Mahuts gewaltsam die Jungtiere im Mutter, meist indem es diese imitierte, schmerzvoll auf Ellbogen- und Knie- Alter von wenigstens zwei (Südindien) und das quälerische Einbrechen fand gelenke drückte. Während dem Ein- oder wenigstens vier (Myanmar) Jah- nicht statt. So geschieht dies heute brechen wurden Elefanten, sobald sie ren von ihren Müttern und zähmen sie noch z.B. auf den Andamanen oder sich zur Wehr setzen, von mehreren mit den bereits erwähnten Methoden. in modernen Zoos. In intensiven Männern geschlagen. Wohlverhalten Die Trennung erfolgt, um Angriffe der Haltungssystemen, wie z.B. das der belohnte der zukünftige Mahut mit Mutter und erhöhte Renitenz der Tempelelefanten von Kerala, werden Futter (Abb. 19) und die Schar der Jungen zu vermeiden. Genaue Pläne Bullen regelmäßig nach Ablauf ihrer Peiniger stimmte ein in einen beruhi- der Beamten verhindern, dass sich Musthperioden zur Wiederherstellung genden Chorgesang (Abb. 20). Aber Mutter und Kind je wieder treffen. der Dominanzverhältnisse zwischen immerhin überlebte selbst bei solchen Die Trennung vor dem Training und Mahut und Elefant erneut eingebro- brutalen Methoden des Einbrechens das Einbrechen von Jungen, die in chen (Abb. 21). noch ein letzter Respekt vor dem Tier- Menschenobhut zur Welt kamen, riesen. Ließ die Renitenz der Frisch- scheint ebenfalls mit der hohen fänge nach drei bis fünf Tagen nicht Nachfrage nach Elefanten und mit nach, entließ man sie in die Freiheit der damit verbundenen Zeitnot der zurück. Mahuts zusammenzuhängen. Denn in Abb. 20: Die Zähmung ist abgeschlossen, wenn Menschen den Frischfang berühren können und der zukünftige Mahut sich auf den Hinterrücken setzen kann. Kakanakote, Karnataka, Südindien. Taming ends when men can touch the newly Abb. 19: Während der Zähmung füttert der zukünftige Mahut den Frischfang. Kakanakote, captured elephant and the future mahout can Karnataka, Südindien. sit on the hind back of the elephant. Kakana- During taming the future mahout is feeding the newly captured elephant. Kakanakote, Karnataka, kote, Karnataka, South India. South India. (Foto: Fred Kurt) (Foto: Fred Kurt) 66
Abb. 21: Tempelbullen werden regelmäßig nach der Musth erneut Abb. 22: Frischfänge lernen durch Imitation von Helferelefanten, eingebrochen. zwischen denen sie angebunden werden. Kakanakote, Karnataka, Regularly after musth, temple bulls are broken in again. Südindien. (Archiv: European Elephant Group) Newly captured elephants are fettered between two helper elephants and learn by imitation. Kakanakote, Karnataka, South India. (Foto: Fred Kurt) Dressur und Arbeit Intensive Haltungssysteme und damit Mahuts, die jungen Elefanten erlaub- auch der Zirkus betrachteten Aggres- ten, ältere Artgenossen bei der Elefanten, die in Kraalen gezähmt sionen nie als Konsequenz der nahezu Dressur zu imitieren und damit werden, lernen das Befolgen einfacher permanenten Kettenhaltung und der aktiv zu lernen. Sie erzwangen die Befehle unter geschütztem Kontakt regelmäßigen Züchtigungen. Ganz gewünschten Tricks mit Hilfe von und durch Belohnung. Ihre spätere im Gegenteil: Besitzer und Führer Fesseln, Seilen und sogar Kränen. Ausbildung erfolgt in direktem Kon- glaubten fest, dass andauernde Unter- takt zum Menschen und mit Hilfe drückung schließlich zur kompletten Die Arbeit, welche Elefanten in Holz- von zwei oder mehr Helferelefanten Unterwerfung führen würde. Dies fällerlagern täglich während höchstens (Abb. 22), die auf jeder Seite des Aus- war nicht die einzige Fehlinterpreta- sechs Stunden zu leisten haben, ist zubildenden angebunden werden. So tion der Zirkustrainer. Ihnen fehlte zweifellos hart, aber auch vielfältiger lernt dieser einen Menschen zuerst auf das traditionelle Wissen asiatischer und abwechslungsreicher als alles dem Hinterrücken, zuletzt auf Schul- ter und Hals zu tragen und die Helfer- elefanten zu imitieren, welche den gesprochenen und taktilen Befehlen der Trainer gehorchen. Die Arbeits- elefanten in den Dschungeldörfern werden entweder ohne physische Hilfsmittel (Laos), mit kurzen Ruten (Kurumbas, Südindien, Abb. 23) oder einfachen Elefantenhaken (Südost- asien) geführt. Zur Kontrolle der Elefanten führten die Feudalsysteme ein ausgeklügeltes Kettenwerk ein, mit dem der reitende oder neben dem Elefanten gehende Mahut die Schrittlängen des Tieres ver- kürzen konnte (Abb. 24). Besonders renitente Elefanten wurden zudem mit scharfkantigen oder dornenbewehrten Fußfesseln kontrolliert sowie mit Lan- zen und Messern. Musth-Bullen an den Fürstenhöfen waren Symbole für Fruchtbarkeit und Reichtum und Abb. 23: Kurumbas führen ihre Elefanten Abb. 24: Wie alle intensiv gehaltenen Elefan- wurden in Kriegen eingesetzt. Kriegs- lediglich mit einer dünnen Rute. Nardi, ten werden Tempelelefanten mit Hilfe eines elefanten lernten mit Hilfe des Ankus, Tamil Nadu, Südindien. komplizierten Kettensystems und langen Kurumbas guide their elephants only Stangen geführt. Kerala, Südindien. des Elefantenhakens, ihre Köpfe un- with a thin rod. Nardi, Tamil Nadu, Like all intensively kept elephants also temple natürlich hoch zu tragen, um den South India. bulls are controlled with an elaborate chain Mahut, der auf dem Nacken saß, vor (Foto: Fred Kurt) work and long poles. Kerala, South India. feindlichen Geschossen zu schützen. (Foto: Fred Kurt) 67
Abb. 25: Verglichen mit den Aktivitäten anderer gefangener Elefanten Abb. 27: Intensiv gehaltene Elefanten tragen häufig Wunden und ist die Beschäftigung in Holzfällercamps vielfältig. Mudumalai, Tamil Narben am ganzen Körper. Kandy, Sri Lanka. Nadu, Südindien. Intensively kept elephants often carry wounds and scars all over their As compared to the activities of other captive elephants the work in bodies. Kandy, Sri Lanka. timber camps is variable. Mudumalai, Tamil Nadu, South India. (Foto: Marion Garaï) (Foto: Fred Kurt) andere, was Menschen anderswo den und ineinander verkeilen. Hochspe- gruppen erreichen, wo auch an- Tierriesen abfordern (Abb. 25). Häufig zialisierte Bullen lösen dann gelegent- steckende Krankheiten wie z.B. sind sie zum „Mitdenken“ gefordert. lich sogar schwimmend das Gewirr Pocken und Tuberkulose am häufig- So unterlegen sie den zu schleppenden (GALE, 1974). Derartige körperlich sten sind (EUROPEAN ELEPHANT Baumstämmen, wenn sie in steilen wie kognitiv anspruchsvolle Leistun- GROUP, 2000). Bei intensiv gehalte- Gebieten ins Rutschen oder Rollen gen sind zirkusreif. Im wirklichen nen Elefanten auf Sri Lanka zeigte kommen, sofort kopfgroße Steine Zirkus dagegen kennen Elefanten, bereits ein Viertel der Jungtiere leicht oder armdicke Aststücke und stoppen wenn es hoch kommt, etwa ein sichtbare Wunden von Haken und mit diesen Keilen ungewünschte Dutzend Tricks (z.B. Vorwärts- und Messern der Mahuts und 95% der Bewegung der Last. In Myanmar Rückwärtsgehen, Stehen, Hochstehen, über 45 Jahre alten waren an verschie- schleppen die Arbeitselefanten die Sitzen, Liegen, Fassen und Fangen), denen Körperstellen regelmäßig ver- Stämme bis zum nächsten Fluss, der die sie als Jungtiere lernten und dann letzt worden (LUDESCHER, 2001). sie beim nächsten Hochwasser weiter stereotyp bei entsprechendem Kom- transportiert. Doch in felsigen Strom- mando zeigen müssen. Auch neue Fehlendes Wissen um den Elefanten schnellen können sie sich verfangen Programme schaffen kaum Abwechs- kann physischen Stress vergrößern. lung, sind sie doch lediglich neue Zirkusleute, zum Beispiel, überschät- Abfolgen bereits bekannter Tricks. zen regelmäßig die Muskelkraft der Noch eintöniger verlaufen die Leis- Tierriesen und zwingen sie zu extrem tungen von Tempelelefanten (Abb.26). kräftezehrenden Tricks, die regel- mäßig zu Hernien und Schädigungen Gefangenschaft und von Gelenken und Sehnen führen. physischer Stress Erfrorene Ohrränder finden sich regelmäßig bei schlechter Haltung im Zeichen von Stress verursacht durch Westen und können auch infolge von Hunger, physisches und thermales Schock und Stress beschleunigt auftre- Leiden, Wunden und Krankheit sind ten (GARAÏ, 1997), während Sonnen- oft leicht auszumachen, z.B. in un- brand in Südasien regelmäßig auftritt, natürlich wachsenden Extremitäten wenn intensiv gehaltene Elefanten und Hufen, Wunden, entzündeten während langer Zeit ungeschützt in oder blinden Augen. Es sind Folgen der prallen Sonne stehen müssen. Pral- von mehr oder weniger permanenter les Sonnenlicht kann auch zu Augen- Haltung an Ketten oder in kleinen schäden führen. Erkrankungen und Ställen, Überarbeitung, häufigen Be- Verletzungen der Augen kommen bei strafungen, schmutzigen und feuch- allen in Menschenobhut gehaltenen ten Standplätzen und Sorglosigkeit Elefanten vor, sind aber bei intensiv (Abb. 27). Es liegen genügend Studien gehaltenen vergleichsweise häufig. vor, die dokumentieren, dass solche Von 121 durch KERSCHBAUMER Symptome physischen Stresses häufi- (2001) auf Sri Lanka untersuchten Abb. 26: Intensiv gehaltene Elefanten ger bei intensiver als bei extensiver Tieren hatten 55% pathologische Ver- während einer Perahera. Kandy, Sri Lanka. Haltung vorkommen und ein erschre- änderungen an einem oder beiden Intensively kept elephants during a Perahera. ckendes Ausmaß in Kleinzirkussen Augen. Die auffallendsten waren Kandy, Sri Lanka. (Foto: Fred Kurt) oder in elefantenführenden Bettler- gering- bis hochgradig seröser Aus- 68
fluss (bei 35% aller untersuchten Tiere), Nickhautvorfall (26%), Linsen- trübung (12%), Bindehautentzündung (3%) und Bulbusretraktion bzw. Bul- busverlust (3%). Verzögertes Körperwachstum ist ein typisches Symptom intensiver Ele- fantenhaltung. Extremfälle sind von Elefanten bei südasiatischen Privat- besitzern bekannt sowie vor allem von Afrikanischen Elefanten in europä- ischen Kleinzirkussen. Es tritt auch infolge von Schock und Stress auf. Unterernährung verzögert die Puber- tät. Ausgelöst wird sie durch unge- nügende Futtermenge, dem Fehlen genügender Zeit, um die dargebotene Nahrung aufzunehmen oder dem fehlenden Wissen des Elefanten, wie das dargebotene Futter mundgerecht vorbereitet werden kann. Unterer- nährung kann auch Folge geringer Futterqualität sein. Arbeitselefanten in Dschungelcamps finden die gleichen Futterpflanzen wie die wildlebenden Artgenossen. Zudem erhalten oder erhielten sie vielerorts energiereiches Zusatzfutter. Die in Südindien und auf Sri Lanka intensiv gehaltenen Elefan- ten leben fast ausschließlich lediglich vom Laub und Holz von drei Pflan- zenarten (Abb. 28). Bettelnde Elefan- ten auf den Straßen südasiatischer Hauptstädte ernähren sich vorwie- gend von Abfall oder stark kontami- niertem Gras (KURT & MAR, 2003). Zahlreiche moderne Zoos begannen, verschiedenstes Futter anzubieten und füttern ihre Elefanten u.a. auch mit möglichst großen Ästen verschieden- ster europäischer Baumarten. Diese Form des „behavioural enrichments“, gewissermaßen Beschäftigungsthera- pie, reduziert die pro Zeiteinheit auf- Abb. 28: Intensiv gehaltene Elefanten leben von wenigen Pflanzenarten, z.B. Kitulpalmen. genommene Nahrungsmenge wesent- Kandy, Sri Lanka. lich und damit auch die notorischen Intensively kept elephants live from a few plant species, as for instance Kitul palms. Kandy, Sri Übergewichtsprobleme von Zooele- Lanka. (Foto: Fred Kurt) fanten, welche in extremen Fällen zu ernsthaften gesundheitlichen Pro- Müttern und Nachkommen schaffen den 29 früh, d.h. spätestens im Alter blemen an Gelenken und Sehnen Waisen. Von 438 Asiatischen Elefan- von drei Jahren, von ihren Müttern der Extremitäten führen (KURT & ten, die in westliche Zoos gebracht getrennt. Bei 34 gab es entweder keine KUMARASINGHE, 1998). wurden, waren ungefähr 50% Neuge- oder eine vergleichsweise späte Tren- borene (1 bis 2 Jahre) und 25% ältere nung frühestens im vierten Lebens- Gefangenschaft und sozialer Stress Kinder (3 bis 4 Jahre), als sie von ihren jahr. Die Gruppe der „Frühgetrenn- Familien getrennt worden waren und ten“ brachten 51 Nachkommen zur Beziehungen zwischen Müttern, hatten nie die Gelegenheit, Geburten Welt. Davon wurden lediglich 33% Ammen und Töchtern bestehen zeit- mitzuerleben oder gar dabei zu helfen angenommen, 67,7% kamen tot zur lebens. Zahlreiche Verhaltensweisen und damit Erfahrungen zu sammeln, Welt, wurden von ihren Müttern nicht etablieren sich nur dann richtig, wenn die ihnen später die Geburt eigener angenommen oder gar getötet. In der junge Elefanten in enger Gesellschaft Nachkommen erleichtern könnten. zweiten Gruppe der „Spät- oder mit älteren Artgenossen aufwachsen. Von 63 fortpflanzungsfähigen Elefan- Nichtgetrennten“ wurden 80,3% der Fang und gewaltsame Trennung von tenkühen in europäischen Zoos wur- 61 Nachkommen angenommen und 69
die Regel. Sie bestehen aus Tieren aller Altersgruppen und beiden Geschlech- tern. Eine andere typische Verhaltensweise intensiv gehaltener Elefanten erfuhr, jedenfalls in den Ursprungsländern, bis heute kaum Beachtung. Damit sind verschiedene Formen von Bewegungs- stereotypien gemeint. Stereotypien Schulterhöhe Bullen Schulterhöhe Weibchen wie „Weben“ sind Symptome eines Shoulder height bulls Shoulder height females komplexen pathologischen Prozesses, der ursprünglich ausgelöst wird durch soziale Isolation im Jugendalter. Bei regelmäßig angebundenen Elefanten entwickelt sich das „Weben“ aus voll- ständigen Vorwärts- und Rückwärts- schritten und suchenden Rüsselbewe- gungen. Mit zunehmendem Alter und Zeit in Gefangenschaft ritualisiert sich dieses Suchverhalten, d.h. die einzel- nen Bewegungen reduzieren sich all- Gewicht Bullen Gewicht Weibchen mählich zum „Weben“, zum Vor- und Weight bulls Weight females Rückwärtsschaukeln oder regelmäßi- gen Hin- und Herbewegungen des Körpers und/oder rhythmischem Kopfnicken (Abb. 31). Stereotypien in Pinnawela geborene Elefanten Animals born in Pinnawela sind übrigens nicht zwangsläufig Waisen Orphans Anzeichen für schlechte Haltungs- Mittelwert Mean bedingungen, wie Tierschutzorganisa- 10% Abweichung vom Mittelwert Deviation of 10% from mean tionen glauben (z.B. CLUBB & MASON, 2001), sicher aber Anzei- Abb. 29: Schulterhöhe (in cm) und geschätztes Gewicht (in kg) von Bullen und Weibchen in chen für ein Trauma im Jugendalter. der Pinnawela Elephant Orphanage verglichen mit den mittleren Schulterhöhen und Gewich- ten von wilden Elefanten. Altersangaben in Jahren. Shoulder height (in cm) and estimated weight (in kg) of males and females in the Pinnawela Sozial integrierte Elefanten weben, Elephant Orphanage compared with the mean shoulder height and weight of wild elephants. wenn überhaupt, nur während der Age is given in years. Trennungen von vertrauten Kumpa- nen. Bei älteren Tieren, die während lediglich 19,7% wurden entweder ihren Müttern und Ammen. Die psy- vieler Jahre fast ausschließlich in Ketten nicht angenommen, tot geboren oder chischen Effekte auf Waisen, die ohne lebten, können selbst kleinste Aufre- getötet. Mütter und Ammen aufwachsen, soll- gungen stereotypes Verhalten auslösen ten nicht unterschätzt werden, da sie und sie „weben“ auch, wenn sie „nicht Die Anwesenheit von Müttern und zu physischen wie psychischen Ent- wissen, was sie tun sollen“, selbst Ammen kann ausschlaggebend sein wicklungsstörungen führen (GARAÏ dann, wenn sie plötzlich kettenfrei für die physische Entwicklung der et al., eingereicht). gehalten werden (KURT & GARAÏ, Nachkommen, was Beobachtungen in 2006). Solche Elefanten fallen auf der Pinnawela Elephant Orphanage Solche engen Beziehungen zwischen durch verzögertes Wachstum, verspä- ergaben (KURT, 2001; KURT & jungen und älteren Elefanten finden tete Pubertät und sie sind häufig nicht GARAÏ, 2006). Zahlreiche Waisen ha- bei intensiver Haltung kaum statt, weil mehr in der Lage, sich sozial normal ben verzögertes Wachstum (Abb. 29) dieses System Sozialverhalten unter- zu verhalten.Manche Zirkusangehörige und bereiten ihre Nahrungsportionen, drückt und beispielsweise Zirkuselefan- interpretieren die meist vor und nach die verhältnismäßig klein sind, häufig ten entsprechend ihrer Körpergröße Proben oder Vorstellungen auftreten- mit ineffektiven Methoden vor im Stall an Ketten zu stehen haben und den Stereotypien als Voraussetzung (Abb. 30). Als ineffektiv gelten jene damit Jungtiere von Älteren und Er- für normale Blutzirkulation oder gar Methoden der Futtervorbereitung, bei fahrenen kaum etwas lernen können. als Zeichen der Freude. denen entweder Backenzähne oder In Südasien leben intensiv gehaltene Rüsselhand die zu zerkleinernden Elefanten in sozial ziemlich homo- Menschen und Elefanten Pflanzenteile fixieren, so dass der Pro- genen Gruppen. So stehen zum Bei- zess von Kauen und Nachschub zeit- spiel in den Tempeln von Kerala Bei der Kraalmethode übernimmt der raubend unterbrochen wird. Doch praktisch nur Bullen und in Jaipur, wo zukünftige Mahut Zähmung und Dres- keines der Jungtiere, die mit ihren Elefanten Touristen zu den Palästen sur. Bei Methoden im direkten Kontakt Familien aufwuchsen, wuchs lang- tragen, nahezu nur Weibchen. In den hält sich der zukünftige Mahut mit samer als wilde Elefanten. Offenbar Dschungelcamps mit extensiver Hal- Schlägen zurück, füttert und lobt den lernten sie effektive Methoden von tung sind sozial heterogene Gruppen Frischfang. Zwischen Mahut und Ele- 70
Entlang eines Gradienten zwischen den Extremen der Haltungsformen, also zwischen extensiver Haltung im Dschungel und intensiver Haltung in städtischen Gebieten, werden die Methoden und Hilfsmittel der Zäh- mung und Führung immer brutaler. Caryota St. Cocos Dabei nimmt das Wohlbefinden der Elefanten eindeutig ab. Außerdem stirbt das Wissen um den Elefanten zunehmend aus, was neben vielem an- deren auch aus den Kenntnissen über natürliche Heilmittel besteht. Dies- bezüglich interviewte WASANTHA KUMARI GODAGAMA (1996) auf Sri Lanka 82 Elefantenbesitzer. Von ihnen hatten 54 wenig oder kein Wissen, aber immerhin 67 ließen ihre Tiere von einem Aliwedamahattaya, Caryota L. Artocarpus einem traditionellen Elefantendoktor behandeln, an dessen Erfolg auch drei Viertel der Mahuts glauben. Ihr Wissen führen diese seit der Feudal- zeit traditionellen Elefantendoktoren auf alte Schriften zurück, die im Laufe von 2.000 Jahren oft falsch wieder- gegeben wurden und heute zu falscher Behandlung führen können. So finden an Stelle der einst durchaus sinnvollen Augenmedikamente ledig- lich noch die Behandlung des Augen- Normales Wachstum Normal body growth umfelds mit ringförmig aufgetragenem Verzögertes Wachstum Retarded body growth Öl statt, was übrigens auch westliche Zirkusse und Zoos übernahmen. Abb. 30: Mittleres Frischgewicht der vorbereiteten Futterportionen von den Stämmen Den dunklen Ringen kommt aber der Kitul-Palme (Caryota), Wedeln der Kokos-Palme (Cocos) und der Kitul-Palme sowie Ästen des Jack-Baumes (Artocarpus) dargestellt in Abhängigkeit von Alter und Körper- keine heilende Wirkung zu, wie wachstum. WIESNER (1992) zeigte und dabei Mean wet weight of food portions prepared from Caryota stems, Cocos leaves, Caryota leaves auf den mythischen Charakter des and Artocarpus branches according to age and body growth. auffallenden Merkmals hinwies: Die schwarze Umrandung der Augen fant kann sich im Laufe der Zeit eine und riskiert dabei Angriffe, die er wie- dient als Abwehrzauber gegen den enge Beziehung entwickeln, die täglich derum mit Schlägen pariert. So wird „Bösen Blick“. zweimal verstärkt wird, wenn der der Führer allmählich zum Peiniger, Mahut seinen Elefanten beim Baden sein Elefant zur tödlichen Gefahr. Die In Indien und auf Sri Lanka ging ein ausgiebig schrubbt und massiert. Ein Häufigkeit von Strafen korreliert posi- Großteil des traditionellen Wissens guter Mahut erlaubt seinem Elefanten tiv mit der Häufigkeit von Unfällen. über Heilpflanzen allmählich verlo- während des Marsches und der Arbeit Die Kurumbas in den südindischen ren. In Thailand geschieht es jetzt Nahrung aufzunehmen und führt ihn Wäldern führen ihre Arbeitselefanten abrupt; denn Arbeitslosigkeit trieb gelegentlich zum Wasser. Er kann die äußerst einfühlend. Schläge mit der Stammesangehörige und ihre Elefan- Stimmung seines Elefanten abschätzen dünnen Holzrute sind selten. Unfälle ten schlagartig aus den plötzlich und fordert nicht allzu viel, wenn die- ereignen sich kaum. Intensiv gehal- geschützten Wäldern in die Städte und ser schlecht gelaunt ist. Trotzdem darf tene Elefanten auf Sri Lanka werden Touristenzentren, wo, wenn über- er seine dominante Rolle nicht verlie- regelmäßig mit dem Ankus geschlagen haupt, zunehmend westliche Medi- ren. Allerdings ändert sich das Rang- und gestochen. Dass sich derart kamente zum Einsatz kommen verhältnis während der Musth; denn gequälte Tiere widersetzen, zeigt die (PREECHA et al., 2005). Aber im- Musth bedeutet absolute Dominanz. Statistik: Auf Sri Lanka gelten 25% merhin kennen die älteren Mahuts Musth-Bullen greifen selektiv ihre der „zahmen“ Elefantinnen als poten- noch wenigstens 83 Heilmittel aus Führer an. tiell gefährlich und 8% haben schon 78 Pflanzen- und sechs Tierarten wenigstens einen Menschen getötet. sowie Mineralien (NEIMANIS & Bei intensiver Haltung sind die Elefan- Bei Bullen sind die Werte höher: PRANEE, 2005). Die meisten stamm- tenführer häufig unerfahren und die 40% sind allgemein gefährlich und ten von streng gehüteten und tra- von ihren Tieren verlangten Arbeits- 20% haben schon wenigstens einen dierten Kenntnissen aus uralten und zeiten häufig zu lang. Hier muss sich Menschen getötet (ILANGAKOON, immer wieder überprüften Direkt- der Mahut mit Strafen durchsetzen 1993). beobachtungen an wilden Elefanten, 71
rungsprozesses (GARAÏ & KURT, 2006, dieses Heft) Stress bedingen, den Elefanten wie andere Tiere auch u.a. mit vermehrter Angriffslust zu bewäl- tigen versuchen. Nationale und internationale Tier- schutzorganisationen bemühen sich heute um das Wohlergehen der gefan- genen Elefanten in Indien, Thailand und anderen Ländern. Sie finanzieren fahrende Kliniken, Tierärzte und Handbücher über die Pflege der Tier- riesen. Doch auch ihnen ist es bis heute nicht gelungen, die intensiven Haltungsbedingungen grundsätzlich zu ändern oder wenigstens die Zahl der tierquälerisch gehaltenen Elefanten zu verkleinern. Vergeblich warten die Mahuts in städtischen Gebieten auf höhere Löhne und höheren sozialen Status. Wohin mit 14.000 zahmen Elefanten in den Ursprungsländern? Ungefähr 14.000 Asiatische Elefanten leben zur Zeit in Menschenobhut. Das sind 25 bis 30% des weltweiten Ge- Abb. 31: Entwicklung von Stereotypien bei 44 Elefanten. Mit zunehmendem Alter und Zeit samtbestandes von Elephas maximus. in Menschenobhut werden die Vorschritte reduziert (oben), Kopf- und Rüsselbewegungen Für eine hochbedrohte Tierart wie erfolgen dabei zunehmend senkrecht zur Körperachse oder es werden Nickbewegungen den Asiatischen Elefanten bedeutet entwickelt. Gefangenschaft, in der er sich Development of stereotypy in 44 Asian elephants. With increasing age and time in captivity kaum fortpflanzt, einen ernsthaften forward steps are reduced (above) and head and trunk are increasingly moved vertically to the longitudinal body axis or “nodding” appears (below). Verlust von genetischer und etholo- gischer Vielfalt. Elefanten gelten als die etwa bei Verdauungsstörungen Bis ins 20. Jahrhundert erlangten die „keystone-species“. Solche „Schlüssel- und Parasitenbefall oder kurz vor Meister der ursprünglichen Elefanten- arten“ spielen eine bedeutende Rolle Geburten bestimmte heilende und kulturen nicht nur als Naturheilkun- innerhalb ihres arttypischen Ökosys- lindernde Pflanzen oder Mineralien dige hohes Ansehen. Einige wurden tems, indem sie Salzlager und Wasser- aufnehmen. Träger hoher Orden und sogar Mi- quellen erschließen, Samen verbreiten nister. Gelegentlich erreichten ihre und in Zusammenarbeit mit Klein- Gleiches ist von afrikanischen Men- Söhne Königsrang, wie Jayavarman II. lebewesen die Bodenfruchtbarkeit schenaffen bekannt, von denen die (ca. 770 bis ca. 843), der Gründer von erhöhen. Von einem ökologischen moderne Zoopharmakognosie (das Angkor, oder Weltruhm als Filmstar Standpunkt aus betrachtet, bedeutet Wissen um die Selbstmedikation bei wie Selar Shaik Sabu (1924 bis 1963), Gefangenschaft Verlust von ökolo- Wildtieren) annimmt, dass sie aus- der „Jungle Boy“ und „Dieb von Bag- gischen Funktionen in natürlichen schlaggebend waren für das Wissen der dad“, dessen Vater Mahut beim letzten Ökosystemen. Nachzucht in Men- Medizinmänner (HUFFMAN, 2001). regierenden Maharadscha von Mysore schenobhut ist zwangsläufig eine In Südasien fehlen Menschenaffen bis war. Heute leben die Elefantenführer der Möglichkeiten zur Erhaltung aller auf den auf kleinen Verbreitungsinseln in städtischen Gebieten am Existenz- Formen natürlicher Vielfalt. vorkommenden Orang-Utan. So lag minimum und viele von ihnen sind, es nahe, dass sich Stammesangehörige wahrscheinlich infolge permanenter In Südasien leben noch 60% der auf der Suche nach natürlichen Heil- Angst, drogen- oder alkoholabhängig 14.000 gefangenen Elefanten im oder in mitteln an den allgegenwärtigen, geworden. Auf Sri Lanka stammt nur der Nähe von Waldgebieten (BAKER erkenntnisfähigen, Traditionen bilden- noch jeder Dritte aus traditionellen & KASHIO, 2002). Nach dem Verbot den Elefanten hielten und sich dessen Mahutfamilien. Die meisten wissen forstwirtschaftlicher Nutzung natürli- medizinische Kenntnisse zu eigen nicht, dass die Aggressivität intensiv cher Restwälder in mehreren Ländern machten. Die Heilpflanzen der Elefan- gehaltener Elefanten durch Kettenhal- gilt es neue Aufgaben für Arbeitsele- ten wirken tatsächlich auch beim tung auf kleinstem Raum von etwa fanten zu finden, um den Exodus in Menschen. Logischerweise waren die 16 m2 erhöht wird, und sie wissen städtische Gebiete zu vermeiden. Dank Meister der ursprünglichen Elefanten- nicht, dass extrem eingeschränkte ihrer Geländegängigkeit eignen sich kulturen auch zuständig für die Bewegungsfreiheit ebenso wie das Elefanten hervorragend als Reittiere Behandlung kranker Menschen. Fehlen des artspezifischen Sozialisie- für Wildschutzpatrouillen, Wissen- 72
schaftler und Ökotouristen. Besonders in Indien und Nepal sind sie unersetz- liche Partner für Naturschutz und Forschung. Seit dem Altertum tragen hochspezialisierte Jagdelefanten Fän- ger in wilde Herden zur Mela Shikar, zum selektiven Schlingenfang von Wildelefanten. In Indien, Malaysia, Myanmar und Thailand spielen solche Tiere heute immer noch eine wichtige Rolle bei der Ausbildung oder Um- siedlung von Wildelefanten. Ökotourismus mit Reitelefanten hat sich in Indien und Thailand etabliert und breitet sich zur Zeit in Kambod- scha, Sri Lanka und Vietnam rasch aus. Auch im Naturschutz könnten ver- mehrt Elefanten eingesetzt werden. Thailand z.B. besitzt 100 National- parks und andere Schutzgebiete. Wenn jedes von ihnen lediglich vier „über- Abb. 32: Eine Alternative zur traditionellen Elefantenhaltung könnte die Pinnawela Elephant flüssig“ gewordene Arbeitselefanten Orphanage auf Sri Lanka werden. für Schutzpatrouillen beschäftigte, The Pinnawela Elephant Orphanage of Sri Lanka could become an alternative to the traditio- könnten 400 in natürlichem Habitat nal methods of elephant keeping. (Foto: Marion Garaï) überleben (SALWALA, 2002). Die Erhaltung von Arbeitselefanten in arteigenen Ammen besser aufwachsen wilden Elefanten durch die Wälder Dschungelgebieten bedeutet auch können. Unter den überflüssig gewor- von Kambodscha, Laos und Vietnam. Arbeit für die Lokalbevölkerung, denen Arbeitselefanten wäre es leicht Heute sind es noch einige Hundert die sich häufig aus Stammesange- solche Ammen zu finden, denn viele (BAKER & KASHIO, 2002). Elfen- hörigen zusammensetzt. Ihr traditio- erwachsene Elefantenkühe, sogar sol- beinwilderer und Bauern, die ihre nelles Wissen über Elefanten und che, die sich nie fortgepflanzt haben, Felder schützen, töten selektiv Bullen. natürliche Vielfalt könnte zu einem verhalten sich altruistisch gegenüber In Südindien führte dies bereits vor wichtigen Beitrag für Naturschutz Jungtieren, ja stillen sie sogar (GARAÏ, 20 Jahren zu oft unnatürlichen Ge- und angewandte Forschung werden. 1977). Ammen sollten zukünftig auch schlechterverhältnissen, im Extremfall in so genannten Transit Homes Ver- von nur einem erwachsenen Bullen auf Vor 2.000 Jahren schlug die Arthasa- wendung finden. In Transit Homes, 300 erwachsene Weibchen (KURT et stra, ein indisches Werk über Staats- wie zum Beispiel dem am Rande des al., 1995). führung, den Herrschern vor, ein Uda Walawe Nationalparks auf Sri Mrgavana, einen eingezäunten Park, Lanka, wachsen Elefantenwaisen bis Im Way Kambas Nationalpark von für (gezähmte) Elefanten und andere ins Alter von fünf bis neun Jahren Sumatra führten Wilderei und Fang- Wildtiere zu schaffen. Diese Idee muss in Menschenobhut auf, bevor sie aktionen durch das Indonesian Forest heute wieder aufgegriffen werden. gruppenweise ausgewildert werden. Department zu einer messbaren Ver- Große eingezäunte Flächen von Die bisherigen Experimente in Uda änderung in der Altersstruktur des wenigstens einem km2 und mit elefan- Walawe sollen bisher erfolgreich ver- schwindenden Bestandes, der zuneh- tengerechter Einrichtung könnten laufen sein, obwohl die Neuzugänge mend vor allem aus drei- bis sieben- verwaisten und anderen Problem- verzögertes Wachstum hatten und jährigen Mitgliedern besteht (REILLY, elefanten, z.B. gefährlichen oder über- wenigstens einer starb (JAYAWAR- 2002). Fehlender Kontakt zu allen flüssigen, neuen Lebensraum bieten, DENA et al., 2002). Beides beruht sozialen Klassen bedingt bei Elefanten in dem sie künstlich gefüttert und wahrscheinlich auf dem Fehlen von physische und psychische Fehlent- veterinärmedizinisch betreut, sonst Ammen (GARAÏ & KURT, 2006, wicklungen (GARAÏ & KURT, 2006, aber ohne Kontakt zu Menschen dieses Heft). dieses Heft), was bis vor kurzer Zeit gehalten werden. In Südeuropa und nur aus Zoos bekannt war. Zooähn- den USA existieren bereits solche In Südasien schmelzen gleichermaßen liche Verhältnisse entstehen für Wild- Anlagen und in Südafrika liegt reiche die letzten Waldgebiete und die elefanten aber auch dadurch, dass ihre Erfahrung vor mit der Pflege von Bestände der wilden Elefanten. In klein gewordenen letzten Lebensräume Elefanten in großen eingezäunten Riau (Zentralsumatra) zum Beispiel zunehmend eingezäunt werden müs- Gehegen (GARAÏ, 2002). brach infolge rücksichtsloser Waldro- sen, um Menschen und Felder vor dung und Wilderei der Bestand von Elefanten und Elefanten vor Men- Neben der Pinnawela Elephant Orpha- schätzungsweise 1.100 bis 1.600 Ele- schen zu schützen. Derart isolierte nage auf Sri Lanka (Abb. 32) kümmern fanten in 1983 auf 350 bis 430 in 2003 Restbestände bedürfen zunehmend sich ähnliche Stationen in Assam, zusammen (WWF INDONESIA, veterinärmedizinischer Betreuung und Malaysia oder Thailand um verwaiste 2006). Noch in der Mitte des letzten Umsiedlungen, wie sie in Zoos typisch Elefanten, die mit Unterstützung von Jahrhunderts zogen Abertausende von sind. Kurz: Die Lebensbedingungen 73
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