Wärme aus dem Netz - K21 media

 
WEITER LESEN
Wärme aus dem Netz - K21 media
7/8 2021   Energiepolitik | Klimaschutz | Rekommunalisierung

 14 Euro | ISSN 2193-195X | ZKZ 24444

Wärme aus dem Netz                                                             Politik + Strategie
                                                                               Kommunaler Klimapionier:
Nur durch den konsequenten Ausbau grüner Fernwärme kann                        Bruchsal hat einen Energie-
­Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden.                            leitplan für das ganze Stadt-
                                                                               gebiet erarbeitet.

                                                                               Energie + Effizienz
                                                                               Windenergie: Hemmnisse
                                                                               abbauen und die Ausbau­
                                                                               lücke mit konkreten Maß-
                                                                               nahmen schließen.

                                                                               IT + Technik
                                                                               Energie SaarLorLux öffnet mit
                                                                               einem neuen Serviceportal ei-
                                                                               nen weiteren digitalen Kanal
                                                                               zum Kunden.

                                                                               Praxis + Projekte
                                                                               Q-SWOP erarbeitet ein
                                                                               Planungs­tool für die Erstel-
                                                                               lung inte­grierter energetischer
                                                                               Quartiers­konzepte.

                                                                               Spezial
                                                                               BDEW Kongress: In Berlin
                                                                               geht es auch um die Zu-
                                                                               kunftsthemen Wasserstoff
                                                                               und Elektromobilität.

                                                                  www.stadt-und-werk.de
Wärme aus dem Netz - K21 media
Gemeinsam von
grüner Energie
profitieren.
         n
Sie habe
        h?
das Dac
  Wir die
         ge!
 PV-Anla

                                                  Stefan Chalupnik, Geschäftsführer G. Coreth GmbH.
                                                  Seit 10 Jahren VERBUND-Partner.

  Risikofrei und ohne Investitionskosten
  installieren wir eine auf Ihren Verbrauch
  optimierte Photovoltaik-Anlage auf dem
  Dach Ihres Industriebetriebes. So profitieren
  Sie nachhaltig mit Sonnenenergie.
  Steigen Sie jetzt mit Ihrem Unternehmen
  auf erneuerbare Energie um!
  verbund.com/pv
Wärme aus dem Netz - K21 media
Liebe Leserinnen und Leser,

       der schlafende Riese Wärmewende
       muss aufgeweckt werden – das
       schreibt Christoph Zeis, Geschäfts-   Kraft-Wärme-Kopplung und er-         lokal erzeugte regenerative Ener-
       führer der Energiedienstleistungs-    neuerbaren Energien. Laut einer      gien sowie industrielle Abwärme
       gesellschaft Rheinhessen-Nahe, in     Studie im Auftrag des Verbands       (Seite 18). Die Stadtwerke Düssel-
       seinem Gastbeitrag für das            AGFW kann der Anteil der Fern-       dorf erproben die Nutzung von
       ­T itel­t hema dieser Ausgabe von     wärme auf etwa 30 Prozent und        Wärme aus dezentralen Solarther-
        stadt+werk (Seite 22). Denn: Etwa    der Anteil von erneuerbaren Ener-    mieanlagen für das städtische
        90 Prozent des Energiebedarfs in     gien bei der Wärmeerzeugung auf      Fernwärmenetz (Seite 20). Ein in-
        Gebäuden werden für die Raum-        45 Prozent erhöht werden. Dafür      novatives Konzept für die Nahwär-
        heizung und Warmwasserberei-         sind Investitionen in Höhe von       meversorgung eines neuen Wohn-
        tung benötigt. Wenn Deutschland      insgesamt 33 Milliarden Euro nötig   gebiets der Stadt Schillingsfürst
        bereits im Jahr 2045 klimaneutral    (Seite 14).                          hat das Nürnberger Unternehmen
        sein soll, muss also zwingend die                                         N-ERGIE entwickelt. Auf Seite 24
        Wärmeversorgung in den Blick         In der Praxis ist die Wärmewende     lesen Sie, welche Vorteile das so
        genommen werden.                     schon im Gang. Die Stadt Moos-       genannte warme Netz bietet.
                                             burg beispielsweise setzt auf ein
       Der Schlüssel für die Wärme­wende     Wärmenetz 4.0 für eine klimaneu-     Alexander Schaeff, Chefredakteur
       ist der Ausbau der Fernwärme aus      trale Versorgung und nutzt dafür     a.schaeff@k21media.de

Virtuelle
Sitzungen
Sie möchten Prozesse optimieren, Ressourcen sparen
und mehr Flexibilität genießen? Dann ist unser digitaler
Sitzungsdienst SD.NET die richtige Lösung.

Ob Mitzeichnungsverfahren von Vorlagen oder Umlaufbe-
schlüsse und Freigaben: Mit dem Zusatzmodul Workflow Plus
profitieren Sie von flexiblen Prozessen und binden Entscheidungs-
träger in Ihre Workflows ein. Digital. Flexibel. Sicher.

Mehr unter www.sitzungsdienst.net/zusatzmodule
Wärme aus dem Netz - K21 media
stadt + werk | Inhalt

          8      Politik + Strategie      14           Wärmeversorgung          26       Energie + Effizienz

     Politik + Strategie                                    Energie + Effizienz

      8    Bruchsal ist ein kommunaler Klimapionier         26    Die Ausbaulücke schließen
           Bei der Energie- und Wärmeplanung zieht die            Flächenprobleme, Genehmigungs- und Um-
           Stadt an einem Strang                                  setzungshemmnisse stehen der Windenergie
                                                                  an Land im Weg
     10    Einfach mal machen
           Kerstin Busch, Sprecherin der Geschäfts­         28    Alle Potenziale nutzen
           führung der Berliner Stadtwerke, im Porträt           Biogasanlagen lassen sich auch in Zukunft
                                                                  rentabel betreiben
     12    Den Kleinen eine Stimme geben
           Andrea von Haniel, Geschäftsführerin der        30    Das Rückgrat der Erzeugung
           E-Werke Haniel Haimhausen, und edna-                   Stefan Liesner von 2G Energy erläutert
           Geschäftsführer Rüdiger Winkler stellen die          die Rolle der Kraft-Wärme-Kopplung beim
           Initiative evu+ vor                                    Erreichen der Klimaziele

     Titelthema: Wärmeversorgung                            IT + Technik

     14    Schlüssel zur Klimaneutralität                  32    In Kontakt bleiben
           Studie über die Perspektiven grüner                    Das Serviceportal von Energie SaarLorLux
           ­Fernwärme                                             kommt als zeitgemäßer Kommunikations­
                                                                  kanal bei den Kunden gut an
     18    Mehr Kapazität im Wärmenetz 4.0
           Moosburg setzt ein innovatives Versorgungs-      34    Der Roll-out ist nicht in Gefahr
           konzept um                                             Voltaris-Geschäftsführer Karsten Vortanz
                                                                  spricht über den Werdegang des intelligenten
     20    Dezentrale Anlagen einbinden                           Messwesens
           Platz für Solarthermie in städtischen Fernwär-
           menetzen schaffen

     22    Schlafender Riese                                Praxis + Projekte
           Effiziente Lösungen für Quartiere
                                                            36    Masterplan fürs Quartier
     24    Baustein der Energiewende                              Im Projekt Q-SWOP entwickeln Partner aus
           Schillingsfürst stellt hohe Anforderungen an           Praxis und Forschung Verfahren zur Strom-­
           Neubauten                                              Wärme-Optimierung

4    stadt + werk | 7/8 2021
Wärme aus dem Netz - K21 media
stadt + werk | Inhalt

  32        IT + Technik             36          Praxis + Projekte       40          Spezial

  38   Energiebedarf aktiv steuern                      44    Messe-News
       Eine Software unterstützt die Stadt Saarlouis          Aussteller beim BDEW-Kongress
       beim Liegenschaftsmanagement

  Spezial: BDEW Kongress

  40   Entwicklungschancen im Blick
       Live und virtuell befasst sich der BDEW Kon-     Rubriken
       gress mit der aktuellen Energie- und Klima-
       politik                                           3    Editorial
                                                         6    Aktuelles
  42   Den Energiewende-Turbo einlegen                  46    Termine
       BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin              48    stadt+werk Branchenindex
       ­Andreae hat klare Forderungen an die neue       50    Vorschau, Inserentenverzeichnis,
        Bundesregierung                                       Bildnachweise, Impressum

       ENERGIE
ENTSTEHT EINFACH

                                       ... DURCH QUALIFIZIERTE WEBINARE
                           ZU AKTUELLEN THEMEN DER ENERGIEWIRTSCHAFT                 www.cortility.de/webinare
Wärme aus dem Netz - K21 media
stadt + werk | Aktuelles

     Stromerzeugung

     Erneuerbare im Abwind
     Im ersten Halbjahr 2021 haben er-     und BDEW vor
     neuerbare Energien rund 43 Pro-       allem das Wetter
     zent des Bruttoinlandstromver-        verantwortlich.
     brauchs gedeckt. Im gleichen          Insbesondere das
     Zeitraum des vergangenen Jahres       erste Quartal
     lag der Anteil noch bei 50 Prozent.   2021 sei unge-
     Das zeigen vorläufige Berechnun-      wöhnlich wind-
     gen des Zentrums für Sonnenener-      still und arm an Erneuerbare Energien haben im ersten Halbjahr
     gie- und Wasserstoff-Forschung        Sonnenstunden 43 Prozent des Stromverbrauchs gedeckt.
     Baden-Württemberg (ZSW) und           gewesen. Für
     des Bundesverbands der Energie-       Kerstin Andreae, Vorsitzende der Stromerzeugung bis 2030 erforder-
     und Wasserwirtschaft (BDEW).          BDEW-Hauptgeschäftsführung, ist lich.“ ZSW-Vorstand Frithjof Staiß
     Demnach ging die Erzeugung aus        deshalb klar: „Um die ambitionier- kritisiert: „Unbeantwortet bleibt
     Windenergie an Land und auf See       ten Klimaziele im Klimaschutzge- durch die Politik die Frage, durch
     um rund 20 Prozent zurück. Einen      setz und European Green Deal zu welche Maßnahmen sichergestellt
     leichten Zuwachs von rund zwei        erreichen, müssen wir das Aus- werden soll, wie der Photovoltaik-
     Prozent gegenüber dem Vorjahres-      bautempo deutlich anziehen. Für Zubau gegenüber 2020 verdoppelt
     zeitraum verzeichnete die Strom­      das höhere CO2-Einsparziel ist ein und der Zubau bei der Windenergie
     erzeugung aus Photovoltaikanlagen.    Anteil von mindestens 70 Prozent an Land sogar verdreifacht werden
     Für den Rückgang war laut ZSW         erneuerbarer Energien an der soll.“                               ■

     Mainova                                                   Klimaschutzgesetz

     Wettbewerb für Kommunen                                   Neues für die KWK-Branche
     Mainova unterstützt bereits mehrere Partner wie           In der vorletzten Sitzung dieser Legislaturperiode hat
     Kommunen oder Unternehmen mit intelligenten Lö-           der Bundestag ein Klimaschutz-Sofortprogramm ver-
     sungen dabei, die Weichen in Richtung Zukunft zu          abschiedet und dabei eine Reihe energierechtlicher
     stellen. Von der gebündelten Kompetenz des Ener-          Vorschriften beschlossen, darunter auch Änderungen
     giedienstleisters sollen jetzt weitere Städte und Ge-     im Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) und Er-
     meinden profitieren. Mainova hat dazu einen Smart-        neuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Die wichtigsten Be-
     City-Wettbewerb gestartet. Bis zum 15. August 2021        schlüsse für die KWK-Branche hat der Bundesverband
     können Kommunen aus der Metropolregion Frankfurt          Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK) zusammengefasst.
     Rhein-Main und Hessen daran teilnehmen. Der Ge-           Die Übergangsfrist für bereits vor dem 31. Dezember
     winn: ein Smart-City-Starterpaket. Die Bewerbung ist      2020 beauftragte KWK-Anlagen im Leistungsbereich
     laut Mainova unkompliziert: Die Teilnehmenden rei-        500 Kilowatt bis ein Megawatt wird demnach vom
     chen online eine Projektidee ein, wie sie mittels digi-   31. Mai 2021 auf den 31. Dezember 2022 verlängert. Die
     taler Lösungen die Nachhaltigkeit und den Lebenswert      im Juli 2020 verabschiedeten Förderbedingungen für
     in der Kommune weiter steigern möchten. Mainova-          Anlagen bis 50 Kilowatt elektrisch (kWel) im Bereich
     Vorständin Diana Rauhut erklärt: „Wir möchten noch        der Erneuerungs-/Modernisierungsförderung werden
     mehr Kommunen auf dem Weg in die digitale Zukunft         rückwirkend zurückgenommen, sodass es beim Förder-
     unterstützen und freuen uns über eine rege Teilnah-       satz vom KWKG 2017 mit acht beziehungsweise vier
     me am Wettbewerb.“ Eine Experten-Jury bewertet die        Cent je Kilowattstunde bleibt. Im EEG entfällt die Be-
     Konzepte und wählt die beiden Siegerkommunen aus.         schränkung auf 30.000 Vollbenutzungsstunden bei der
     Die offizielle Siegerehrung findet auf dem Kongress       EEG-Umlagebefreiung für selbsterzeugten Strom aus
     „Digital Society/Smart City“ am 3. November 2021 in       Anlagen bis 30 kW. Zudem wurde die Registrierungs-
     Frankfurt am Main statt.                             ■    pflicht bis Ende September verlängert.              ■

6    stadt + werk | 7/8 2021
Wärme aus dem Netz - K21 media
stadt + werk | Aktuelles

        Esslingen                                                      Trianel

        Wasserstoff für Neue Weststadt                                 Bestes Ergebnis der Geschichte
        Mit dem Start der Wasserstoffproduktion und der Inbe-          2020 war für Trianel ein überaus erfolgreiches Jahr.
        triebnahme der Energiezentrale wurde Ende Juni 2021            Mit einem Ergebnis vor Steuern in Höhe von elf Mil-
        das Klimaquartier Neue Weststadt in Esslingen eröffnet.        lionen Euro hat Trianel eines der besten Jahresergeb-
        Auf einer Fläche von 100.000 Quadratmetern entsteht in         nisse in der 21-jährigen Firmengeschichte erreicht,
        der baden-württembergischen Kommune ein innovati-              teilt die Stadtwerke-Kooperation mit. Sven Becker,
        ves und nachhaltiges Stadtquartier mit rund 450 Woh-           Sprecher der Geschäftsführung von Trianel, erklärt:
        nungen, Büro- und Gewerbeflächen und einem Neubau              „Wesentlich für das gute Ergebnis sind die Erträge
        der Hochschule Esslingen. Zum ersten Mal wird hier die         aus dem Kerngeschäft Handel und Beschaffung, in
        Produktion und Nutzung von grünem Wasserstoff auf              dem unsere Ergebniserwartungen deutlich übertrof-
        Quartiersebene realisiert. Technisches Herzstück des           fen wurden, sowie aus der Projektentwicklung.“ Nicht
        Quartiers ist eine unterirdische Energiezentrale, in der       zuletzt profitiere die Stadtwerke-Kooperation von ih-
        mit überschüssigem Solarstrom der Photovoltaikanlagen          rer Fokussierung auf ihre Kernkompetenzen und von
        auf den Dächern mittels Elektrolyse grüner Wasserstoff         effizienten Kosten- und Organisationsstrukturen. Die
        erzeugt wird. Der Wasserstoff lässt sich über ein Block-       wirtschaftlichen Ziele seien 2020 um 7,9 Millionen Euro
        heizkraftwerk rückverstromen, zur Langzeitspeicherung          übererfüllt worden und der Umsatz um 37 Prozent
        ins Erdgasnetz einspeisen oder zur Versorgung von regi-        auf 3,1 Milliarden Euro gestiegen. Das gute Ergebnis
        onalen Industrie- und Mobilitätsunternehmen verwen-            von Trianel ermögliche eine Gewinnausschüttung an
        den. Die Umsetzung des Energiekonzepts wurde von               die 57 Trianel Gesellschafter von insgesamt 4,7 Mil-
        TÜV SÜD sicherheitstechnisch begleitet.               ■        lionen Euro.                                         ■

                                                                                                            Die
                                                                                                            Einfach-Macher
Wir sind das P in
Ihrer Performance!

Unsere aktuelle Lösung für die Energiebranche:
Vergaben digital, revisionssicher
und effizient managen –
mit ausschreiben24.com
Testen Sie jetzt kostenlos die digitale
Ausschreibungslösung. RFI, RFQ oder eAuctions –          utility.prego-services.de/
agil, günstig und sicher aus der Cloud!                  ausschreiben24

http://utility.prego-services.de
Wärme aus dem Netz - K21 media
Politik + Strategie | Energieleitplanung

Bruchsal ist ein
Klimapionier
     Die baden-württembergische Stadt Bruchsal hat einen Energieleitplan          Handlungsansätze und priorisierte
     für das gesamte Stadtgebiet erarbeitet. Gemeinderat, Stadtverwaltung         Maßnahmen abgeleitet, die es um-
     und Stadtwerke ziehen dabei mit den Bürgern an einem Strang. Unter-          zusetzen gilt. „Wärme aus erneuer-
     stützung kommt auch von der Landesenergieagentur.                            baren Energien kann nur regional
                                                                                  erzeugt werden, weshalb der Ein-
     Bruchsal ist einer der Vorreiter beim   Angriff nehmen, sondern gleich ein   fluss von Kommunen hier beson-
     Thema Energieleitplanung. Die           umfassendes Planungsinstrument       ders groß ist“, erläutert Korin. „Ein
     baden-württembergische Stadt ist        für alle relevanten Energiethemen    wichtiger Baustein sind Wärme­
     auf dem besten Weg, die von der         und in größerem Maßstab denken“,     netze, die über zentrale Erzeugungs-
     Politik gesteckten Klimaziele zu        sagt Korin. Denn die Verabschie-     anlagen besonders effizient und
     erreichen. Unterstützung kommt          dung von Klimaschutzzielen sei       wirtschaftlich arbeiten. Bei klima­
     dabei von der Klimaschutz- und          stets nur der Anfang. Danach gelte   neutraler Wärmeversorgung ist es
     Energieagentur des Landes (KEA-         es, den Weg zu definieren, kommu-    essenziell, das Thema Strom mitzu-
     BW). „Angefangen hat alles mit dem      nale Handlungsspielräume zu er-      denken. Aus diesen Überlegungen
     Maßnahmenprogramm zum Euro-             kennen, zu gestalten und systema-    heraus war es für uns wichtig, ein
     pean Energy Award (eea) vor drei        tisch zu beschreiten.                umfassendes Konzept zu erarbeiten,
     Jahren“, erinnert sich Renate Korin                                          das auch die Wechselwirkungen
     von der Umweltstelle der Stadt          Die Stadt Bruchsal entschied sich    und möglichen Symbiosen zwischen
     Bruchsal. Gemeinsam mit einer           deshalb, das Thema ganzheitlich      den Sektoren berücksichtigt.“
     Kollegin ist sie für die Umsetzung      anzupacken: Auf Basis eines Fach-
     des erarbeiteten Energieleitplans       gutachtens erarbeitete sie einen     Alle am runden Tisch
     verantwortlich. Als europaweiter        Energieleitplan für das gesamte
     Qualitätsmanagement-Prozess zer-        Stadtgebiet. Dieser betrachtet die   Bruchsals Oberbürgermeisterin
     tifiziert der eea die Nachhaltigkeit    energierelevanten Sektoren Strom,    Cornelia Petzold-Schick (parteilos)
     der Energie- und Klimaschutzpoli-       Wärme und Verkehr und zeigt Po-      unterstützte von Anfang an die Idee
     tik von Kommunen. „Wir wollten          tenziale für erneuerbare Energien    des Energieleitplans und legte Wert
     nicht nur einzelne Maßnahmen in         auf. Daraus wurden umfangreiche      darauf, dass alle relevanten Akteu-

8    stadt + werk | 7/8 2021
Wärme aus dem Netz - K21 media
Politik + Strategie | Energieleitplanung

                                                                            zu den zahlreichen Fördermöglich-
                                                                            keiten, welche Kommunen von
                                                                            Bund und Land in Anspruch neh-
                                                                            men können und beantworten
                                                                            Kosten- sowie Finanzierungsfragen.
                                                                            Der Bruchsaler Energieleitplan ist
                                                                            ein vorbildliches Beispiel dafür, wie
                                                                            die individuelle Situation vor Ort
                                                                            berücksichtigt und ein effizienter
                                                                            Weg zur klimaneutralen Wärme-
                                                                            versorgung gestaltet werden kann.
Bei der Energie- und Wärmeplanung ist Bruchsal vielen Kommunen voraus.      Zudem gibt er der Kommune Pla-
                                                                            nungssicherheit für die kommen-
re eingebunden wurden. Gemeinde­      Wenn wir wirklich etwas bewegen       den Jahrzehnte.
rat, Stadtverwaltung und Stadtwer-    wollen, müssen wir noch größer
ke ziehen heute gemeinsam mit         denken. So haben wir aktiv die        Für die Zukunft geplant
Bürgerinnen und Bürgern an einem      Zusammenarbeit mit anderen
Strang. Bei Renate Korin und einer    Stadtwerken, Energieanbietern und     Die nicht nur in Bruchsal gesam-
Kollegin laufen die Fäden zusam-      -agenturen gesucht, um Erfahrun-      melten Erfahrungswerte sind in den
men. Gemeinsam behalten sie alle      gen austauschen zu können“, sagt      Handlungsleitfaden Kommunale
Aspekte im Blick, koordinieren die    Baumgärtner                           Wärmeplanung eingeflossen, den
Maßnahmen und stehen den Betei-                                             das Ministerium für Umwelt, Klima
ligten als Ansprechpartnerinnen       Eine wichtige Erkenntnis ist, dass    und Energiewirtschaft des Landes
zur Verfügung. „Zu zweit ist das      etwa die Hälfte aller CO2-Emissio-    Baden-Württemberg herausgege-
ideal. Wir stimmen uns auf kurzen     nen einer Kommune im Wärmesek-        ben hat. In vier praktischen Schrit-
Wegen ab und fungieren jeweils als    tor entstehen. Neben einer nach-      ten erläutert der Leitfaden praxis-
Sparringspartnerin für die andere“,   haltigen Mobilität ist darum der      nah, methodenbezogen und maß-
so Korin.                             Bereich Wärme ein zentrales The-      nahmenorientiert, wie Kommunen
                                      ma im ganzheitlichen Bruchsaler       hier aktiv werden können und
Auch Armin Baumgärtner, Ge-           Energieleitplan. Mit ihrem Kompe-     sollten.
schäftsführer der Stadtwerke          tenzzentrum Wärmewende berät
Bruchsal, betont ausdrücklich die     und begleitet die KEA-BW Kommu-       In puncto Energie- und Wärmepla-
notwendige Vernetzung und Bün-        nen wie Bruchsal und erleichtert so   nung ist Bruchsal heute vielen
delung der Kräfte. Als wichtiger      den ersten Schritt in die Wärmepla-   Kommunen voraus. Dennoch beto-
Partner vor Ort waren die Stadt-      nung. Die Expertinnen und Exper-      nen sowohl Armin Baumgärtner als
werke von Anfang an erheblich an      ten für Wärmenetze, Objektversor-     auch Renate Korin, dass dies erst
der Entwicklung von Aufgaben, der     gung und Energiedienstleistungen      der Anfang ist. „Wir haben gerade
Maßnahmenformulierung und Pla-        der KEA-BW unterstützen bei der       den ersten Schritt hin zur Wärme-
nung beteiligt. „Vernetzung und       Planung und Umsetzung von Maß-        wende gemacht. Wie groß uns
offene Gespräche sind essenziell.     nahmenpaketen. Zudem beraten sie      dieser auch erscheinen mag, es
                                                                            werden viele weitere folgen müs-
                                                                            sen“, sagt der Stadtwerke-Ge-
                                                                            schäftsführer. „Wir legen heute den
                   Der Autor: Dr. Max Peters
                                                                            Grundstein für unsere Zukunft in
                   Dr. Max Peters ist Leiter des Kompetenzzentrums          20 oder 30 Jahren. Unser Augen-
                   Wärmewende der KEA Klimaschutz- und Energie­             merk darf darum nicht nur darauf
                   agentur Baden-Württemberg (KEA-BW). Er berät mit         liegen, was wir unmittelbar umset-
                   seinem Team Städte, Gemeinden und Kreise rund um         zen, sondern vor allem darauf,
                   das Thema kommunale Energie- und Wärmeplanung.           welche Welt wir unseren Kindern
                                                                            und Kindeskindern hinterlassen
                                                                            wollen.“                          ■

                                                                                       stadt + werk | 7/8 2021      9
Wärme aus dem Netz - K21 media
Politik + Strategie | Porträt

Einfach mal machen
     Learning by Doing – nach diesem Motto gestaltete Dr. Kerstin Busch eine
     facettenreiche Karriere. Erfahrungen sammelte die Sprecherin der Ge-
     schäftsführung der Berliner Stadtwerke als Ingenieurin in der Wirtschaft,
     bei Beratungsunternehmen und im Bankwesen.

     Kerstin Busch, seit Oktober 2018         tet schwierig werden kann, merkte
     Sprecherin der Geschäftsführung          sie beispielsweise, als sie Mitte der
     der Berliner Stadtwerke, blickt auf      1990er-Jahre an einem Projekt in
     eine vielseitige berufliche Laufbahn     Georgien teilnahm. „Es ging darum,
     zurück. Die gelernte Ingenieurin         ein Kraftwerk zu rehabilitieren und
     für Verfahrenstechnik fühlt sich in      bei einer ersten Schnittstellendis-
     mehreren Bereichen zu Hause.             kussion wollten mich die Mitarbei-
     Schon zu Beginn ihres Studiums an        ter des lokalen Auftraggebers nicht     Dr. Kerstin Busch
     der TU Berlin im Fachgebiet Um-          teilnehmen lassen, weil ich eine
     welttechnik zur Diplomingenieurin        Frau bin“, erinnert sich Busch. „Da     Deutschen Kreditbank an. Dort war
     setzte sie sich parallel in die Vorle-   musste tatsächlich der Vorarbeiter      sie als Banking Engineer beispiels-
     sungen der Tiermedizin. Letztend-        eine Standpauke auf Russisch hal-       weise für die Risikobewertung im
     lich entschied sie sich aber doch für    ten, danach ging es.“                   Bereich regenerativer Energien
     die Technik – und später zusätzlich                                              zuständig. Zugute kam ihr das In-
     für die Wirtschaft.                      Tagsüber Arbeit, abends Uni             genieurstudium, aus diesem wusste
                                                                                      sie beispielsweise bereits über Bio-
     Nach der Schule ging es für Kerstin      Nach Ende ihres technischen Stu-        gas Bescheid – immerhin hatte sich
     Busch erst einmal ins Ausland, ein       diums begann Busch 1998 berufs-         ihre Promotion ausführlich mit
     Jahr nach England und drei Mona-         begleitend Wirtschaft zu studieren.     Klärwerken sowie dem Nachweis
     te nach Israel. „Als ich zurückkam,      Während sie tagsüber an ihrer           hormoneller Stoffe im Trinkwasser
     habe ich 1985/86 den Studiengang         Promotion als Verfahrenstechnike-       beschäftigt. „Mein Motto ist bis
     Umwelttechnik entdeckt, der zu der       rin über hormonelle Stoffe im           heute: Learning by Doing!“, erklärt
     Zeit ganz neu war“, erzählt sie.         Wasser schrieb, ging es abends          Busch. „Natürlich war ich bank-
     „Damals war das noch mehr als            zurück in den Hörsaal. „Ich würde       technisch sozusagen Quereinstei-
     heute eine Branche mit wesentlich        so eine Doppelbelastung nicht un-       gerin, aber mein wissenschaftlicher
     höherem Männer- als Frauenanteil.        bedingt empfehlen“, sagt die heuti-     Hintergrund unterstützte mich in
     Da hat sich in den vergangenen 20        ge Stadtwerke-Chefin. „Wobei es         meiner Tätigkeit.“
     Jahren schon viel verändert.“ Den-       schon von Vorteil ist, Ingenieurwe-
     noch habe sie im Laufe ihrer Karri-      sen mit Wirtschaft zu kombinieren.      Beratung der Bundesregierung
     ere und ihres Studiums oft den           Außerdem war ich damals jung,
     Druck verspürt, starke Leistungen        hatte also genügend Energiereser-       Ihr Fachwissen kam ihr auch bei
     bringen zu müssen.                       ven – und ich war einfach sehr          der Arbeit für das Beratungsunter-
                                              motiviert.“                             nehmen PriceWaterhouseCoopers
     „Ich war immer besonders gut auf                                                 (PwC) zugute. Dort beriet sie im
     Meetings vorbereitet, habe mich          Auch vor der Rolle als Quereinstei-     Bereich Erneuerbare Energien bei-
     extra mit allen wichtigen Fakten         gerin im Bankwesen schreckte sie        spielsweise den interministeriellen
     vertraut gemacht“, erinnert sich         nicht zurück. So nahm die inzwi-        Ausschuss der Bundesregierung.
     Busch. Dass sie sich stets in män-       schen promovierte Ingenieurin und       „So konnte ich damals etwas ma-
     nerdominierten Branchen bewegt           Wirtschaftswissenschaftlerin im         chen, was mich wirklich sehr ange-
     hat, habe sie aber nie gestört: „Ich     Jahr 2000, pünktlich als das erste      sprochen hat: Etwas erledigen, das
     mache einfach das, was ich mache.“       Erneuerbare-Energien-Gesetz             einen Einfluss hat und beispielswei-
     Dass es als Frau mitunter unerwar-       (EEG) herauskam, einen Job bei der      se dabei helfen, eine Photovoltaik-

10   stadt + werk | 7/8 2021
Politik + Strategie | Porträt

Fabrik auf eine Baufläche in Spani-   Das Land Berlin zu beliefern sei       damit 25 Prozent des Strombedarfs
en zu setzen – das war schon toll“,   ebenso eine interessante Heraus-       abzudecken. Aktuell sind nur circa
blickt Busch zurück.                  forderung wie der dringend not-        110 Megawatt generiert. „Um das
                                      wendige solare Zubau auf den           gesteckte Ziel zu erreichen, müssen
Doch dann kam die Wirtschaftskri-     Berliner Dächern. Künftig wird         wir mit vielen Partnern und auch mit
se und wirkte sich auf die Errich-    außerdem der Ausbau der Lade-          Konkurrenten zusammenarbeiten“,
tung und Subventionierung von         Infrastruktur für Elektrofahrzeuge     meint Busch.
Erneuerbare-Energien-Anlagen aus.     von den Stadtwerken gemanagt.
„Es ging erstmal bergab mit den       Wichtigste Partner der Stadtwerke     Früh Begeisterung wecken
Photovoltaik-Herstellern“, berichtet  sind die Vertreter des Landes, ob
Busch. Also kam sie 2008 zurück       aus den Bezirken, der zentralen       Obwohl sich in der Vergangenheit
nach Berlin. Und auch beim neuer-     Immobilienverwaltung oder den         viel verändert hat, nimmt Kerstin
lichen Umbruch kam ihr ihre viel-     landeseigenen Unternehmen. „Das       Busch als Geschäftsführerin eines
seitige Ausbildung zugute. So         war am Anfang ein mühseliger und      Stadtwerks auch heute noch eine
übernahm sie im Jahr 2008 zunächst    langwieriger Prozess“, erinnert sich  Sonderrolle ein. „Die deutschen
die Rolle als Team-Leiterin bei       die Stadtwerke-Chefin. „Wir muss-     Stadtwerke sind zumindest in der
Ecofys, einem Beratungs-                                                             Führungsebene immer
unternehmen im Bereich                                                               noch männerdominiert“,
Erneuerbare Energien. Vier                                                           sagt sie. „Ansonsten gilt
Jahre später ereilte sie ein                                                         das mittlerweile nicht
neues Angebot: Der Job als                                                           mehr. Was die Bereiche
Abteilungsleiterin beim                                                              Politik, Wirtschaft und
Mannheimer Unternehmen                                                               auch das Ingenieurwesen
MVV Energie. „Die MVV                                                                angeht, sehen wir ein im-
gab mir Einsicht in die Inbetriebnahme der Solaranlage auf der Hochschule            mer ausgeglicheneres
Abläufe eines sehr großen, für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW).                  Verhältnis zwischen Män-
etablierten Stadtwerks. Im                                                           nern und Frauen.“ Aktio-
Grunde eine ideale Vorbereitung ten erst mal Aufbauarbeit leisten; nen wie der Girls Day, an dem die
auf meine heutige Stelle“, sagt unsere Kernkompetenzen und da- Berliner Stadtwerke teilnehmen,
Busch.                                 zugehörige Modelle entwickeln und hält sie deshalb für wichtig, um
                                       das ganze wirtschaftlich darstellen. schon früh Begeisterung für Tech-
Lokal etwas bewirken                   Da in der Vergangenheit viel Per- nik zu wecken.
                                       sonal auf behördlicher Ebene ein-
Als die MVV umstrukturiert wurde, gespart wurde, war es oft nicht Ihr Job heute vereint die drei Di-
kündigte sich für Busch der Wech- möglich, mit einem klaren Ja auf mensionen Politik, Wirtschaft und
sel zu den Berliner Stadtwerken an. unsere Modelle zu antworten. Aber Technik – genau darauf ist Busch
Ein großer Anreiz war dabei die nachdem das Thema Klimawandel mit ihrer vielseitigen Karriere gut
Lokalität. „Ich wollte gerne für immer drängender wird und auch vorbereitet. Als Ausgleich zur Ar-
Berlin arbeiten“, sagt sie. „Schließ- in einigen Berliner Bezirken der beit dienen ihr Hobbys: „Vor allem
lich bin ich seit 30 Jahren Berlinerin Klimanotstand ausgerufen wurde, beim Tennis spielen und Radfahren
und wollte natürlich auch meine ist klar, dass alle gemeinsam mehr kann ich gut abschalten. Deswegen
eigene Energie gerne da investie- tun wollen und müssen.“                   fahre ich beispielsweise auch mor-
ren, wo ich wohne.“ Zudem habe sie                                          gens immer mit dem Rad zur Ar-
an der Stelle interessiert, dass die Dabei betont Busch, dass die Berliner beit.“ Auf die Frage, ob sie rückbli-
Berliner Stadtwerke 2018 noch in Stadtwerke nur ein Player unter ckend vielleicht doch gerne Tier-
den Startlöchern standen. „Etwas vielen in diesem Bereich sind. „Al- ärztin geworden wäre, sagt Busch
aufzubauen und Teil eines jungen lerdings beim solaren Ausbau in lachend: „Da denke ich nie dran.
Stadtwerks zu sein, hat natürlich Berlin seit Jahren der mit Abstand Das wäre mir bestimmt viel zu
seine Vorzüge gegenüber der Arbeit Größte“, so die Geschäftsführerin. langweilig.“
für ein alteingesessenes Unterneh- Ziel des Senats ist es, 4,4 Gigawatt
men“, so Busch.                        auf den Dächern zu in­stallieren, um Corinna Heinicke

                                                                                       stadt + werk | 7/8 2021      11
Politik + Strategie | Interview

Den Kleinen eine Stimme geben
      Die Initiative evu+ – Energiewende von unten hat der edna Bundesver-           speisern ab 100 Kilowatt (kW)
      band gegründet. Über die Ziele sprach stadt+werk mit Gründungsmitglied         müssen ganz neue Pflichten über-
      Andrea von Haniel, Geschäftsführerin der E-Werke Haniel Haimhausen,            nommen werden: Datenlieferungen
      sowie edna-Geschäftsführer Rüdiger Winkler.                                    zu Stammdaten und Flexibilitätsop­
                                                                                     tionen, es müssen Prognosen und
      Frau von Haniel, Herr Winkler, Ver-    chen im Getriebe. Auch wie die          Fahrpläne sowie Netzzustandsana-
      sorgungsunternehmen sind traditio-     Arbeitsgruppen im BDEW bisher           lysen erstellt werden und, und, und.
      nell in Verbänden wie dem BDEW         organisiert waren – mit Präsenz-        Das ist unglaublich viel Arbeit im
      oder dem VKU beheimatet. Wofür         veranstaltungen in Berlin –, kann       operativen Betrieb. Es ist aber auch
      steht in diesem Zusammenhang die       sich ein kleines Unternehmen meist      viel an monetärem Einsatz zu stem-
      Initiative evu+ – Energiewende von     nicht leisten. Aufgrund der Corona-     men, weil man beispielsweise erst
      unten, welche im April dieses Jahres   Pandemie läuft die Arbeit nun zwar      einmal die geeignete IT-Umgebung
      unter dem Dach des edna Bundesver-     zum großen Teil online ab, der          schaffen muss.
      bands gegründet wurde?                 Aufwand bleibt dennoch sehr groß.
                                                                                     evu+ steht für „Energiewende von
      Rüdiger Winkler: Die Frage ist, ob     Winkler: Nimmt man beispielswei-        unten“: Was bedeutet das für Sie?
      sich die kleinen Unternehmen im        se die Projektgruppe edi@Energy,
      BDEW oder VKU wirklich zu Hau-         die praktisch das Kerngeschäft des      von Haniel: Das bedeutet genau das,
      se fühlen. Denn mit ihren sehr         edna abdeckt, dann sind es fast         was ich täglich erlebe: Dass wir als
      spezifischen Anliegen sind sie dort    Profis, die von den großen Unter-       Verteilnetzbetreiber die meisten
      unterrepräsentiert. Genau da setzen    nehmen für die Verbandsarbeit           Anlagen für erneuerbare Energien
      wir an: Wir wollen eine Gemein-        abgestellt werden. Da kann ein          bei uns im Netz anschließen. Mit
      schaft bilden, die unbeeinflusst ist   kleines Gemeindewerk oder ein           der Dezentralisierung und der
      von den Interessen der großen          privates E-Werk nicht mithalten.        Energiewende wird das zunehmend
                                                                                     mehr und das müssen wir technisch
                                             Was stellt die kleineren EVU vor die    beherrschen. Hinzu kommt der
      „Wir wollen unbeeinflusst              größten Herausforderungen?              Wunsch der Bürger, die Energie-
     sein von den Interessen der                                                     wende mitzugestalten. Sie benöti-
          großen Konzerne.“                  von Haniel: Das sind vor allem die      gen jedoch Profis, um das richtig zu
                                             zunehmende Komplexität und Bü-          organisieren, damit das ganze
                                             rokratisierung des Geschäfts. Wenn      System nicht irgendwann kolla-
      Konzerne, die ja die Regulierung in    ich sehe, mit wie vielen Statistiken,   biert. Die Photovoltaikunterneh-
      Deutschland mit orchestrieren. Das     Monitoring-Fragebögen oder Mel-         men verkaufen die Anlagen, berei-
      Anliegen der Initiative evu+ lautet    dungen wir überhäuft werden, ist        ten die Kunden aber nicht darauf
      deshalb, ganz spezifische Lösungen     das inzwischen ein Riesenaufwand.       vor, was damit einhergeht. Sie
      und Regelungen für die kleinen und     Hinzu kommt der energiewirt-            müssen plötzlich eine Steuererklä-
      mittleren Energieversorger zu er-      schaftliche Rahmen: Rüdiger, du         rung machen, sich im Marktstamm-
      reichen.                               weißt besser, wie viele Paragrafen      datenregister und beim Netzbetrei-
                                             das EEG 2021 hat. Und das ist ja nur    ber anmelden, müssen Daten lie-
      Andrea von Haniel: Wir als Unter-      eines von vielen Gesetzen, Regelun-     fern und vieles mehr. Viele fallen
      nehmen sind lediglich im VBEW          gen und Richtlinien, die wir umset-     dann aus allen Wolken und rufen
      organisiert und über diesen dann       zen müssen.                             bei uns an, weil sie ihre Anlage
      auch im BDEW. Beide Verbände                                                   morgen in Betrieb nehmen wollen.
      bemühen sich, auch den kleinen         Winkler: Für dieses Jahr kommt mit      Oft haben sie aber noch nicht ein-
      Unternehmen eine Stimme zu ge-         dem Redispatch 2.0 eine Riesenhe-       mal angefragt, ob am Einspeise-
      ben, etwa über den KMU-Beauf-          rausforderung auf die kleinen Un-       punkt das Einspeisen überhaupt
      tragten. Aber das ist nur ein Räd-     ternehmen zu. In Netzen mit Ein-        möglich ist.

12    stadt + werk | 7/8 2021
Politik + Strategie | Interview

Winkler: Beim Stichwort Energie-         eingespeist wird. Die Netze müssen     Wie sehen Sie die künftige Rolle der
wende von unten ist für mich der         nicht mehr im Blindflug betrieben      kleinen und mittleren EVU?
Begriff „Verantwortung überneh-          werden, weil es jetzt die entspre-
men“ zentral, gerade für die Kun-        chenden Sensoren und Aktoren im        von Haniel: Wir werden auch die
den in ihrer Rolle als Prosumer. Es      Energiebereich gibt, die miteinan-     heutigen Herausforderungen bra-
ist nicht zu bestreiten, dass sich die   der verbunden ein komplettes Bild      vourös meistern, wie es seinerzeit
Energiewirtschaft in rasendem            ergeben. Aus Vertriebssicht lassen     schon bei der Liberalisierung der
Tempo wandelt: Weg vom hierar-           sich mit diesen Daten ganz neue        Energiewirtschaft der Fall war. Weil
chischen System, wo Übertra-             Geschäftsmodelle entwickeln.           wir noch die gesamte Wertschöp-
gungsnetzbetreiber und Konzerne                                                 fung beherrschen. Wir kennen Er-
die knapp 900 Verteilnetzbetreiber       von Haniel: Digitalisierung ist ein
versorgt haben. Heute gibt es zwei       wichtiger Baustein, darf aber nicht
Millionen PV-Anlagen in privater         um ihrer selbst willen betrieben          „Digitalisierung darf nicht per
Hand und die befinden sich in der        und per Gesetz verordnet werden.            Gesetz verordnet werden.“
Niederspannung. Schon im August          Der Kunde sollte immer noch im
2019 stammten 30 Prozent der             Vordergrund stehen. Wir brauchen
Stromversorgung für ganz                 die Digitalisierung, sie erleichtert   zeugung, Netz und Vertrieb. Wir
Deutschland aus dem Niederspan-          die Arbeit und kann helfen, Kosten     wissen um die Schnittstellen und
nungsbereich. Hier liegt die Verant-     zu sparen, aber sie muss mit Ver-      die Problematiken. Und wir kennen
wortung bei den Verteilnetzbetrei-       stand und Herz eingesetzt werden.      den Kunden besser als die Großen.
bern, wo die Kommunikation mit           Auch deswegen ist eine Initiative      Zudem sind wir schneller und agiler
dem Kunden plötzlich in Form ei-         evu+ unter dem edna-Dach sinn-         am Markt, und wenn uns die Politik
nes Marktteilnehmers stattfindet.        voll.                                  nicht kaputt reguliert, werden wir
Das stellt auch eine Demokratisie-                                              eine tragende Säule der Energie-
rung der Energiewende dar – die          Winkler: Ein gutes Beispiel ist das    wende sein.
Bürger haben Teil an der Existenz-       „Steuerbare Verbrauchseinrichtun-
vorsorge.                                gen Gesetz“, das Bundeswirtschafts-    Winkler: Diese Flexibilität hat dafür
                                         minister Peter Altmaier gerade         gesorgt, dass heute immer noch fast
Welche Rolle spielt in diesem Zusam-     wieder einkassiert hat. Der richtige   alle kleinen und mittleren EVU am
menhang die Digitalisierung?             Grundgedanke war, dass in den          Markt sind. Sich flexibel auf neue
                                         Bezug von Energie beim Kunden          Anforderungen und Kundenbedürf-
Winkler: Digitalisierung ist nicht       regulierend eingegriffen wird, um      nisse einzustellen, wird in Zukunft
alles, ohne sie ist die Energiewende     das Netz zu stabilisieren: Er darf     immer wichtiger werden. Das kön-
aber nicht möglich. Das beginnt          zum Beispiel bei drohenden Eng-        nen die Kleinen leisten, und deswe-
beim Kunden, bei dem ein intelli-        pässen nicht jederzeit mit voller      gen werden sie überleben. Dass die
gentes Messsystem eingebaut wird,        Leistung sein Elektroauto laden.       Rahmenbedingungen stimmen,
sodass nun nicht nur bekannt ist,        Warum verfolgt man das nicht           dafür werden wir in der Initiative
was verbraucht wird, sondern auch,       konsequent weiter, hilft dies doch     evu+ sorgen.
wie hoch der Verbrauch zu wel-           den Netzbetreibern der unteren
chem Zeitpunkt ist und wieviel           Netzebenen?                            Interview: Uwe Pagel

                                                   Im Interview: Andrea von Haniel und Rüdiger Winkler

                                                   Andrea von Haniel ist Geschäftsführerin der E-Werke Haniel
                                                   Haimhausen OHG und Gründungsmitglied der Initiative evu+.
                                                   Rüdiger Winkler ist Geschäftsführer des edna Bundesverbands
                                                   Energiemarkt & Kommunikation e.V.

                                                                                           stadt + werk | 7/8 2021      13
Titelthema | Wärmeversorgung

Schlüssel zur
Klimaneutralität
     Das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu sein, kann Deutschland unter anderem     sowie des Hamburg Instituts im
     durch den konsequenten Ausbau grüner Fernwärme erreichen. Eine Stu-         Auftrag des Energieeffizienzver-
     die des Energieeffizienzverbands AGFW zeigt, welche Rahmenbedingun-         bands AGFW. Eine besondere Be-
     gen und Förderkulissen hierfür geschaffen werden müssten.                   deutung für das Erreichen der Kli-
                                                                                 maziele kommt dem Gebäudesektor
     Seit mehr als einem Jahr ist die      signifikant senken, um die Klima-     zu. Hier wurden in den vergange-
     Welt, wie wir sie kennen, aus den     ziele der EU und die selbst gesetz-   nen Jahren hohe Investitionen in
     Fugen geraten. Die Corona-Pande-      ten Ziele der Bundesregierung zu      die energetische Sanierung der
     mie hat die gesamte deutsche Wirt-    erreichen. Diese wurden nun noch      Gebäudehülle getätigt, was jedoch
     schaft und mit ihr die Stadtwerke     einmal verschärft, sodass Deutsch-    verhältnismäßig wenig Effekt ge-
     und Energieversorger vor große        land bereits im Jahr 2045 klimaneu-   zeigt hat. So ist schon heute abseh-
     Herausforderungen gestellt. Umso      tral sein soll. Um den ambitionier-   bar, dass selbst bei einer Verdopp-
     bemerkenswerter ist es, wie gut die   ten Kurs einhalten zu können, sind    lung der derzeitigen Sanierungsra-
     Branche bislang mit den Härten        deutliche politische Weichenstel-     te wesentlich mehr getan werden
     und Anstrengungen zurechtgekom-       lungen und verbesserte Förderkon-     muss, um die gewünschten Ener-
     men ist. Vor diesem Hintergrund       ditionen nötig. Ein wichtiges         gie- und Treibhausgaseinsparungen
     erscheint die bis dato größte He­     Schlüsselelement bildet der konse-    zu erreichen. Die Abkehr von Öl-
     rausforderung für uns als Gesell-     quente Ausbau der Fernwärme aus       heizungen hat zwar begonnen,
     schaft – der Klimawandel und die      Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und        muss aber weiter forciert werden,
     dadurch nötigen CO2-Einsparungen      erneuerbaren Energien.                soll die Wärmewende erfolgreich
     – weit entfernt.                                                            sein.
                                           Wie optimale Rahmenbedingungen
     Das ist jedoch ein gedanklicher       für die Fernwärme aussehen kön-       Die CO2-Abgabe allein wird hier als
     Luxus, den wir uns nicht erlauben     nen, beleuchtet eine kürzlich er-     Hebel nicht ausreichen. Eine deut-
     können. Deutschland muss seine        schienene Studie des Analyse- und     lich größere Wirkungskraft im
     Treibhausgasemissionen weiter         Beratungsunternehmens Prognos         Vergleich zum schrittweisen Aus-

14   stadt + werk | 7/8 2021
Titelthema | Wärmeversorgung

tausch von Einzelheizungen besitzt      wendig, da die Wärmegestehungs-       das Programm mit einer geeigneten
die Fernwärme: Wird sie auf erneu-      kosten für Wärme aus erneuerba-       Laufzeit (bis mindestens 2030) und
erbare Energien umgestellt, kann        ren Energien derzeit noch höher       den notwendigen Mitteln auszustat-
gleich ein ganzes Wärmenetz mit         ausfallen als die für Wärme aus       ten; Entschlossenheit, das Richtige
zahlreichen Wohngebäuden kli-           fossilen Brennstoffen.                in angemessener Höhe zu fördern.
maneutral mit Wärme und Warm-                                                 Im Vorfeld der Bundestagswahl im
wasser versorgt werden.                 Effizient fördern                     September dieses Jahres fordert der
                                                                              AGFW daher unter anderem, das
Durch einen ambitionierten Ausbau       Die Versorger investieren schon       Programm-Budget des BEW auf
und eine Verdichtung der Wärme-         heute Milliarden an Euro. Nicht nur   eine Milliarde Euro pro Jahr bis
netze lässt sich der Anteil der Fern-   in den Kohleausstieg, sondern auch    2030 zu erhöhen und die projektbe-
wärme langfristig auf etwa 30           in die Erschließung von zusätzli-     zogenen Höchstgrenzen auf 100
Prozent des Wärmebedarfs der            chen klimaneutralen Wärmequel-        Millionen Euro anzuheben. Wichtig
Gebäude steigern, so ein Ergebnis       len, wie Umweltwärme, Solar- und      ist zudem, weitere Fördertatbestän-
der Studie. Gleichzeitig könne bei      Geothermie, Abwärme, Wärme aus        de aufzunehmen oder stärker zu
idealen Rahmenbedingungen der           Abfall oder Power to Heat. Die        betonen. Dazu gehören beispiels-
Anteil von erneuerbaren Energien        bestehende Förderlandschaft trägt     weise angemessene Förderkonditi-
und Abwärme in der Fernwärme            diesen Bestrebungen bislang aber      onen für die Errichtung und den
bis zum Jahr 2030 auf 45 Prozent        nur zum Teil Rechnung und kon-        Betrieb von Anlagen, welche Bio-
gesteigert werden. Nötig sind hier-     zentriert sich mehr auf kleine Lö-    masse oder erneuerbare Gase nut-
für laut der Studie Investitionen in    sungen im Bereich von Neubauten,      zen. Zudem muss für langfristige
Höhe von insgesamt 33 Milliarden        mit kurzen Laufzeiten und eher        Investitionsprojekte wie etwa Tie-
Euro – pro Jahr also im Schnitt 3,3     geringen Förderbudgets. Das wird      fengeothermievorhaben Planungs-
Milliarden Euro. Mit 16 Milliarden      den Erfordernissen einer tatsächli-   sicherheit hergestellt werden.
Euro entfällt etwa die Hälfte dieser    chen Wärmewende nicht gerecht.
Summe auf den Ausbau bezie-             Es bedarf daher dringend anderer      Abwärme vollumfänglich nutzen
hungsweise die Erweiterung von          Instrumente und Ansätze, um
Wärmenetzen. Gut 11,1 Milliarden        Transformationsprojekte für           Eine weitere Erkenntnis der Studie
Euro betreffen Investitionen in         Wärme­n etze zu starten und zu        zur Perspektive der Fernwärme
Anlagen zur Erzeugung erneuerba-        beschleunigen.                        lautet, dass sämtliche Energiearten,
rer Wärme sowie zur Nutzbarma-                                                die dieser zur Verfügung stehen,
chung von Abwärme, etwa 4,3             Das Bundesförderprogramm effizi-      effizient genutzt werden müssen.
Milliarden Euro sind für den An-        ente Wärmenetze (BEW) besitzt das     Dazu zählt auch die Abwärme, die
schluss neuer Wärmequellen an           Potenzial, der Integration von er-    lange Zeit ein Schattendasein führ-
bestehende Netze fällig. Zur Schlie-    neuerbaren Energien und kli-          te. Nach konservativen Schätzun-
ßung der Wirtschaftlichkeitslücke       maneutralen Quellen in Wärmenet-      gen könnte die Abwärmenutzung
entstehe ein jährlicher Förderbedarf    zen den notwendigen Anschub zu        in Fernwärmenetzen in Kombina-
von rund 1,8 Milliarden Euro, so die    geben. Das erfordert politischen      tion mit dem Neuanschluss bisher
Experten. Diese Summe sei not-          Mut und Entschlossenheit. Mut, um     einzelversorgter Gebäude mindes-
                                                                              tens 19 Millionen Tonnen CO2 pro
                                                                              Jahr sparen.

                    Der Autor: Werner R. Lutsch
                                                                              Damit das große Potenzial der Ab-
                    Werner R. Lutsch ist seit Juli 2003 Geschäftsführer       wärme gehoben werden kann,
                    des AGFW | Der Energieeffizienzverband für Wärme,         müssen die Rahmenbedingungen
                    Kälte und KWK e. V. sowie Mitglied des Vorstands          stimmen. Woran es derzeit unter
                    des Netzwerks Euroheat & Power. Parallel zu seiner        anderem mangelt, ist eine einheit-
                    Industrietätigkeit ist er als Lehrbeauftragter an der     liche Definition der Abwärme, denn
                    Hochschule für angewandte Wissenschaften in               dann könnte sie auch besser im
                    Rosenheim tätig.                                          Rahmen von Gesetzen und Förder-
                                                                              richtlinien erfasst werden. Gemein-    ▶

                                                                                        stadt + werk | 7/8 2021          15
Titelthema | Wärmeversorgung

     sam mit Experten aus produzieren-
     den Unternehmen, Energieversor-
     gern, Stadtwerken und Fachplanern
     h a t d e r AG F W d a h e r e i n e n
     Abwärme­leitfaden erstellt. Darin
     wird Abwärme definiert als Wärme,
     die in einem Prozess entsteht, des-
     sen Hauptziel die Erzeugung eines
     Produkts, die Erbringung einer
     Dienstleistung – inklusive der Ab-
     fallentsorgung –, oder einer Ener-
     gieumwandlung ist, und die dabei
     als ungenutztes Nebenprodukt an
     die Umwelt abgeführt werden
     müsste.                                  Neues Online-Angebot des AGFW bündelt Wissenswertes rund um die
                                              ­klimafreundliche Wärmewende.
     Abwärme, die unvermeidbar in ef-
     fizienten Prozessen anfällt, müsse       Wird zum Betrieb der Großwärme-        latorischen und wirtschaftlichen
     erneuerbarer Wärme gleichgestellt        pumpen Strom aus erneuerbaren          Rahmenbedingungen angepasst
     und somit als CO2-neutral betrach-       Energien verwendet, kommt man          werden müssen, um Großwärme-
     tet werden, erklärten auch die Au-       einer CO2-neutralen Wärmeversor-       pumpen für die Fernwärme best-
     toren der Studie „Perspektive der        gung einen bedeutenden Schritt         möglich nutzbar zu machen. Denn
     Fernwärme“. Bessere Förderkondi-         näher.                                 ohne Förderung können diese aktu-
     tionen könnten insgesamt helfen,                                                ell nicht wirtschaftlich betrieben
     die großen Potenziale dieser Wär-        Wie mit Großwärmepumpen                werden. Da Großwärmepumpen
     mequelle zu heben und mehr Un-           Niedrigtemperatur-Wärme best-          durch die Nutzbarmachung von
     ternehmen zu überzeugen, die bei         möglich nutzbar gemacht werden         Niedrigtemperatur-Wärme jedoch
     ihnen entstehende Abwärme zu             kann, soll ein Verbundforschungs-      großes Potenzial für die Erreichung
     nutzen beziehungsweise an die            vorhaben des AGFW untersuchen.         der Klimaschutzziele bieten, verdie-
     Fernwärme abzugeben.                     Mehrere Energieversorger sowie         nen sie aus Sicht des AGFW eine
                                              wissenschaftliche Institute aus ganz   größere Wahrnehmung und Berück-
     Reallabor für Großwärmepumpen            Deutschland untersuchen im Rah-        sichtigung in der Wärmeplanung.
                                              men des mehrjährigen, durch das
     Neben der Hochtemperatur-Abwär-          Bundeswirtschaftsministerium           Partner des AGFW-Konsortiums
     me kann inzwischen auch solche           (BMWi) geförderten Projekts Real-      sind die Versorgungsunternehmen
     auf einem niedrigen Temperaturni-        labor GWP die Potenziale und           EnBW Energie Baden-Württem-
     veau genutzt werden. Hier liefern        Anwendungsbedingungen von              berg, Fernheizwerk Neukölln, MVV
     Großwärmepumpen einen wichti-            Großwärmepumpen in Fernwärme-          Energie, die Stadtwerke Rosenheim,
     gen Beitrag, indem sie die Abwärme       netzen. An Kraftwerksstandorten        Vattenfall Wärme Berlin sowie die
     auf das in Wärmenetzen erforder-         in Berlin, Stuttgart, Mannheim und     beiden Forschungsinstitute IER
     liche Temperaturniveau anheben.          Rosenheim werden dazu Großwär-         Universität Stuttgart und das
     Sie erschließen für die Fernwärme        mepumpen errichtet und im Real-        Fraunhofer-Institut für Solare Ener-
     eine Reihe neuer Wärmequellen,           betrieb getestet. Das Gesamtpro-       giesysteme ISE.
     die bislang aufgrund ihrer niedri-       jektvolumen beträgt 45 Millionen
     gen Temperaturen nicht oder nur          Euro. Das BMWi steuert Fördermit-      2019 zählte das Konsortium zu den
     zum Teil in die Wärmenetze inte­         tel in Höhe von 21 Millionen Euro      Gewinnern des von Bundeswirt-
     griert werden konnten. Dazu zählen       bei, der Rest (24 Millionen Euro)      schaftsminister Peter Altmaier
     beispielsweise Umweltwärme aus           wird von den Partnern erbracht.        ausgelobten Ideenwettbewerbs
     Gewässern sowie Abwärme aus                                                     „Reallabore der Energiewende“.
     Abwasser oder industriellen Pro-         Im Rahmen des Forschungsprojekts       Diese bringen Innovationen in der
     zessen.                                  wird erarbeitet, inwiefern die regu-   Praxis unter realen Bedingungen

16   stadt + werk | 7/8 2021
Titelthema | Wärmeversorgung

  zum Einsatz, um Erfahrungen zu          Know-how-Transfer und die Mög-       trem wichtig, um die notwendigen
  sammeln und die Erkenntnisse für        lichkeit, Erfahrungen auszutau-      Investitionsentscheidungen treffen
  die erfolgreiche Transformation des     schen. Aufgrund der Corona-Pan-      zu können. Aktuelle Studien wie
  gesamten deutschen Energiesys-          demie waren lokale Aktivitäten und   die des AGFW demonstrieren die
  tems anzuwenden. Um Kommunen            Vor-Ort-Veranstaltungen zunächst     Potenziale der Fernwärme, zeigen
  und Stadtwerken die Einsatzmög-         nicht möglich. Inzwischen finden     aber auch auf, welcher Investitions-
  lichkeiten und Potenziale der Fern-     erste Abstimmungen online statt      bedarf damit auf Energieversorger
  wärme insgesamt zugänglich zu           und perspektivisch wird es auch      und Stadtwerke zukommt und le-
  machen, hat der AGFW in diesem          Netzwerktreffen in verschiedenen     gen dar, welche Förderkulissen für
  Jahr zudem ein neues Online-Infor-      Städten und Gemeinden in ganz        einen effizienten Aus- und Umbau
  mationsangebot gestartet. Unter         Deutschland geben.                   der Fernwärmeversorgung in
  www.gruene-fernwaerme.de bün-                                                Deutschland notwendig sind.
  delt der Verband Wissenswertes          Passende Bedingungen schaffen
  rund um die klimafreundliche                                                 Die Politik ist nun in der Pflicht, die
  Wärmewende und zeigt Wege zu            Deutschland hat sich auf den Weg     Rahmenbedingungen passgenau zu
  deren Bewältigung auf kommunaler        in Richtung Klimaneutralität ge-     gestalten, indem beispielsweise
  Ebene auf.                              macht, muss aus Branchensicht        Förderprogramme mit einer lang-
                                          aber noch einen deutlichen Gang      fristigen Perspektive und einer
  Das Besondere: Die Plattform Grü-       zulegen, um die selbstgesetzten,     ausreichenden finanziellen Ausstat-
  ne Fernwärme ist darauf ausgelegt,      ambitionierten Ziele zu erreichen.   tung geschaffen werden. Denn die
  Kommunen und Stadtwerke, die            Für die Wärmenetzbetreiber sind      Energiewirtschaft ist sich ihrer
  bereits in diesem Bereich aktiv sind,   verlässliche Rahmenbedingungen       Verantwortung bewusst, kann sich
  mit Interessenten am Thema zu           und Planungssicherheit bis zum       den großen Herausforderungen
  vernetzen. Im Fokus stehen der          Jahr 2030 und darüber hinaus ex­     aber nicht allein stellen.           ■

Unsere ganze Energie.
Stecken wir auch
in Ihr Projekt.
Seit 1990 Ihr zuverlässiger Partner
                                                                                                4 9 9 0 7 61
für individuelle Energielösungen.                                                         030 3          erne! n Sie g
                                                                                                  ate
                                                                                           Wir ber
                                                                                                                                       -
                                                                                                                               r Wohn
                                                                                                               e , S t rom fü
                                                                                                      , Kä  lt                      te ,
                                                                                                                                      n
                                                                                             Wärme                  m   u n ale Bau
                                                                                                       re, ko   m
                                                                                             quartie                       erbe.
                                                                                                   s t r ie u nd Gew
                                                                                              Indu

www.btb-berlin.de
Titelthema | Moosburg

Mehr Kapazität im Wärmenetz 4.0
     Die Agentur für Erneuerbare Energien hat Moosburg an der Isar als Ener-        örtlichen Kläranlage entsteht, ist
     giekommune des Monats ausgezeichnet. Die Stadt rüstet sich mit dem             schon jetzt Teil der Nahwärmever-
     Wärmenetz 4.0 für eine klimaneutrale Versorgung und nutzt dafür lokal          sorgung. Da die bereits bestehen-
     erzeugte regenerative Energien sowie industrielle Abwärme.                     den Biomasse-Heizkessel in ihrer
                                                                                    Kapazität erweitert werden, können
     Moosburg an der Isar zählt etwa        Moosburgs bis 2035 vollständig auf      sie auch die künftigen Spitzenlasten
     19.000 Einwohner und ist Teil des      Erneuerbare umzustellen. Um die-        decken.
     Landkreises Freising nördlich von      ses Ziel zu erreichen, ist beispiels-
     München. Wie in vielen deutschen       weise in einem Neubaugebiet die         Um die volatilen Wärmequellen
     Städten beschäftigen sich hier Kom-    Unterlassung fossiler Energieträger     Solarthermie und Abwärme effizient
     mune und Energieversorger mit          vertraglich festgeschrieben und es      nutzen zu können, braucht es eine
     den Herausforderungen der Ener-        wird die energetische Sanierung         intelligente Regelung sowie Speiche-
     giewende. Eine entscheidende           öffentlicher Gebäude forciert. Der      rung der Wärme. Ein Speicher mit
     Rolle kommt dabei dem Gebäude-         Ausbau des regenerativ ausgerich-       einem Volumen von 1.000 Kubikme-
     wärmesektor zu, der in Moosburg        teten Nahwärmenetzes stellt einen       tern schafft die hierfür nötige Flexi-
     – exemplarisch für Deutschland –       weiteren großen Schritt im Klima-       bilität. Im Sommer und in den
     noch mehrheitlich aus Öl- und          schutzplan der Stadt dar. Aufgrund      Übergangsmonaten soll er die Effi-
     Gasheizungen bedient wird. Eine        dieses Projekts wurde sie von der       zienz der Wärmegewinne aus Solar-
     klimaneutrale Alternative stellt das   Agentur für Erneuerbare Energien        thermie und industrieller Abwärme
     Nahwärmenetz des regionalen            (AEE) als Energiekommune des            steigern. Im Winter soll er die Spit-
     Energieversorgers Bader Energie        Monats März 2021 ausgezeichnet.         zenlastdeckung unterstützen und die
     dar. Denn die dafür erzeugte Wär-                                              Versorgungssicherheit erhöhen. Eine
     me stammt ausschließlich aus           Innovatives Versorgungskonzept          Absenkung der Netz-Vorlauftempe-
     Biomasse, basierend auf Holzhack-                                              ratur auf 70 bis 80 Grad Celsius sorgt
     schnitzeln und Abwärme einer           Zunächst sollen noch mehr regene-       für geringere Wärmeverluste sowie
     Kläranlage. Im Rahmen des Förder-      rative Wärmequellen in das Moos-        eine optimale Integration von Solar-
     programms Wärmenetze 4.0 wird          burger Wärmenetz eingebunden            thermie und Niedertemperatur-
     es über die nächsten vier Jahre        werden. Das umfasst insbesondere        Abwärme. Dem gegenüber beträgt
     umfassend erweitert.                   zwei große Solarthermieanlagen an       die Rücklauftemperatur höchstens
                                            verschiedenen Standorten sowie die      55 Grad Celsius. Ein Neubau-Quar-
     Ein hohes Engagement für den           Einspeisung von Abwärme aus             tier mit niedrigen Temperaturanfor-
     Klimaschutz hat in Moosburg            Produktionsprozessen der chemi-         derungen soll über den Rücklauf
     ­Tradition. Mit ambitionierten Maß-    schen Industrie. Die Abwärme, die       angebunden werden, um diesen
      nahmen und einer starken Bürger-      bei der Verbrennung von Klärgas         weiter auszukühlen und somit die
      beteiligung fördert das Klima-        im Blockheizkraftwerk (BHKW) der        Kapazität im Netz zu erhöhen.
      schutzprogramm der Stadt die
      Energiewende schon seit Jahren.
      Umfassende Beratungs- und Bil-
                                                                       Der Autor: Robert Egelkamp
      dungsangebote zur Solarenergie
      und zur energetischen Sanierung                                  Robert Egelkamp arbeitet als wissenschaftlicher
      sowie der Ausbau von Fahrradstra-                                Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Energie-
      ßen und Ladestationen für E-Autos                                wirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) in Kassel
      ermöglichen den Einwohnern ein                                   und beschäftigt sich dort seit dem Jahr 2017 mit
      Mitwirken am Klimaschutz in allen                                der Dekarbonisierung des Gebäudewärmesektors.
      Bereichen. Im Jahr 2007 hat außer-                               So wirkte er auch an der Konzepterstellung für das
      dem der Stadtrat den Beschluss                                   Wärmenetz 4.0 in Moosburg mit.
      gefasst, die Energieversorgung

18   stadt + werk | 7/8 2021
Sie können auch lesen