Drehscheibe am Rhein CEO-Talk mit Ultra-Brag- Chef Thomas Knopf - S. 18 - SBB Cargo
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1 | 2017 Das Schweizer Logistikmagazin CEO-Talk mit Ultra-Brag- Chef Thomas Knopf S. 18 Drehscheibe am Rhein Gateway Basel Nord – ein trimodales Güterterminal für die Schweiz
Cargo 1 / 2017 4 Geschichte des Rheins als Wasserstrasse Alles im Fluss 7 Interview mit Stefan Dingerkus «Effizienz heisst Kooperation» 8 Gateway Basel Nord Logistikhauptstadt der Schweiz 15 Projekt in Weil am Rhein (D) Dreiländereck im Fokus 16 Umfrage Stimmen zum Gateway Basel Nord 18 CEO-Talk Thomas Knopf, Ultra-Brag 22 Reportage Bogotá–Antwerpen–Basel–Orbe 26 «5L»-Demonstrator-Zug 8 Die Zukunft rollt an Container für die Schweiz: Schweizerische Rheinhäfen 28 Neues aus der Branche Schotter 29 Das Objekt Kamerabasierte Güterwagenkontrolle 30 Meine Logistik Caroline Rouine, Hafenbar Marina Basel Impressum Das Logistikmagazin von SBB Cargo erscheint dreimal pro Jahr in Deutsch, Französisch und Italienisch. 30 Gesamtauflage: 7000 Exemplare Redaktion SBB Cargo: Lea Meyer (Leitung), Tamara Ritter, Anouk Ilg, Miriam Wassmer Redaktion Crafft: Roy Spring (Leitung), Kristina Morf, Pirmin Schilliger, Susanne Wagner, Robert Wildi, Stefan Boss Konzept, Gestaltung und Realisation: Crafft Kommunikation AG, Zürich Herzensprojekt Hafenbar: Caroline Rouine Übersetzungen: Traductor, Basel Lithog rafie und Druck: Neidhart + Schön AG, Zürich Redaktionsadresse: SBB Cargo «Redaktion Logistikmagazin cargo» Bahnhofstrasse 12, 4600 Olten, cargomagazin @ sbbcargo.com Das Copyright liegt bei SBB Cargo. Der Abdruck von Artikeln ist mit Quellen- angabe erlaubt. Bitte schicken Sie uns ein Belegexemplar. Gratisabonnement auf www.sbbcargo.com/de/abonnement Abonnieren Sie das Cargo Magazin schweizweit kostenlos oder lesen Sie die Onlineversion unter www.sbbcargo.com. Adressänderungen oder Löschung des Abonnements bitte an cargomagazin @ sbbcargo.com facebook.com/ twitter.com/ youtube.com/ instagram.com/ blog.sbbcargo.com sbbcargo sbbcargo sbbcargo sbbcargo
Editorial Zeit für Visionen B asel ist als Logistikdrehscheibe der Schweiz von unschätzbarer Bedeutung. Gut ein Viertel des Umschlags erfolgt per Schiff in den Rheinhäfen. Die Seehäfen Rotterdam, Antwerpen und D ass im Rhein wahre Goldschätze verborgen liegen, davon träumten die Menschen schon im Mittel- alter. An der Faszination hat sich nichts ge- ändert. Im historischen Rückblick lesen Hamburg bauen ihre Kapazitäten massiv Sie, wie sich der Strom von der sagenumwo- aus. Prognosen weisen darauf hin, dass benen Lebensader zur hochfrequentier- bis 2030 am Rheinknie Güterströme von ten Wasserstrasse entwickelt hat (Seite 4). jährlich über 600 000 TEU bewältigt werden müssen. Eine Herkulesaufgabe! Wie gelangen eigentlich Waren aller Art G über die Weltmeere bis in die Schweiz? efragt sind mutige Lösungen. Im Unsere Reportage zeichnet die lange Reise Themenschwerpunkt (Seite 8) einer grünen Kaffeebohne aus Kolumbien nehmen wir das Projekt Gateway bis in die Nestlé-Welt in Orbe nach, wo Basel Nord (GBN) unter die Lupe. sie zu Nescafé-Fertigkaffee weiterverarbei- Hier, auf einem brachliegenden Areal tet wird (Seite 22). im Dreiländereck, soll mit dem Bau eines dritten Hafenbeckens die Vision Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre. eines leistungsfähigen trimodalen Umschlagterminals verwirklicht werden. Lea Meyer Bereits 2019 könnte die Anlage Leiterin Kommunikation im optimalen Fall in Betrieb gehen. lea.meyer@sbbcargo.com «Die Zukunft liegt in verstärkten Ko- operationen von Playern der Logistikund Transportbranche», betont der renom- mierte Logistikexperte Stefan Dingerkus Cover: David Küenzi / Fotos: David Küenzi; Peter Hauser; zvg im Interview (Seite 7). Im CEO-Talk er- läutern Thomas Knopf, CEO des führenden Schifffahrts- und Hafenlogistikers Ultra- Brag, und SBB-Cargo-Chef Nicolas Perrin die Frage, mit welchen Strategien die zunehmenden Güterströme be- wältigt werden können (Seite 18). Foto: Hans Musterann SBB Cargo 1 | 2017 3
Geschichte Alles im Fluss Der Rhein war schon bei den Römern einerseits eine Handelsroute, andererseits eine Grenze. Bis heute ist der Strom zu einer der verkehrsreichsten Handelsstrassen der Welt geworden. Text: Stefan Boss D er Rhein hat verschiedene Gesichter: Für die Rheinanrainerstaaten müssen auf dem Rhein keine Ab Bewohner der Bündner Surselva ist er ein gaben bezahlen und geniessen sämtliche Verkehrsrechte. wilder Bergbach; eine Schaffhauserin asso Die Grundlage dafür schufen zwei internationale Abkom- ziiert damit tosende Wassermassen, die men: die Mainzer Akte von 1831 sowie die Mannheimer 23 Meter in die Tiefe fallen; ein Rotterdamer bringt ihn Akte von 1868 (vgl. Chronologie). Diese führten zur mit 40 Kilometer langen Kaimauern und Container - Gründung der Rheinkommission, bei der die Schweiz terminals in Verbindung. Die Geografen unterteilen den seit 1920 Mitglied ist. 1200 Kilometer langen Strom deshalb in Abschnitte. Durch die Schweiz fliessen der Hinter- und Vorderrhein Schmelztiegel der Kulturen sowie der Alpenrhein. In der wechselvollen Geschichte spielt der Rhein eine Nach dem Bodensee übernimmt der Hochrhein, und zentrale Rolle. Schon zur Zeit der Römer war er eine in Basel ist der Fluss bereits zum beachtlichen Strom an- wichtige Handelsstrasse. Sie bauten Häfen sowie Kanäle geschwollen – sein Bett befindet sich nur noch 250 Meter und Staudämme am Oberlauf, um die Schiffbarkeit zu über Meereshöhe. Hier beginnt der Oberrhein, er mar- verbessern. Nach dem Zerfall des Römischen Reichs kiert die Grenze zwischen Deutschland und Frankreich, kam der Handel zunächst zum Erliegen, bevor er unter bevor er als Mittelrhein durch das weltbekannte Unesco- den Karolingern wieder Fahrt aufnahm. Welterbe und an der Loreley vorbeiströmt. Als Nieder- Nach dem Westfälischen Frieden von 1648, der den rhein erreicht der Fluss die Niederlande, wo er sich in Dreissigjährigen Krieg beendete, nahm der Handel auf Richtung Nordsee in verschiedene Arme teilt. An einem dem Rhein rasant Aufschwung. Mit Städten wie Basel, der Endpunkte liegt der grosse Meereshafen Rotterdam. Strassburg, Mainz und Rotterdam wurde der Rhein zu Der Rhein ist eine der verkehrsreichsten Wasserstras einer der am dichtesten besiedelten Regionen in Europa. sen der Welt. 300 Millionen Tonnen Fracht sind es, die Der Westfälische Friede hatte der Eidgenossenschaft, Foto: Roland Schmid / 13 Photo jährlich auf dem Rhein befördert werden. Und zwar rund welcher Basel seit 1501 angehörte, die Unabhängigkeit um die Uhr: Dank des Radars lässt sich der Strom auch vom Deutsch-Römischen Reich gebracht. bei Nacht und Nebel befahren, und dies an 365 Tagen Während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert pro Jahr. Für die Schweiz als Binnenland garantiert der wurde der Rhein zum wichtigen Transportweg für Rhein den freien Zugang zum Meer. Kohle. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass sich Der direkte Anschluss ist von nicht zu unterschät- die chemische Industrie um 1850 in Basel ansiedelte. Im zendem Wert. Schiffe aus der Schweiz und den anderen 19. Jahrhundert wurde der Rhein zum nationalen > RHEIN-CHRONOLOGIE: VON CÄSAR BIS GATEWAY 1800 1810 1820 1830 1840 1850 1860 Foto: Hans Musterann 55 V. CHR. Cäsar setzt mit seinen 1815 Auf dem Wiener Kongress 1817 Nach den Plänen des deutschen 1831 Mit der Mainzer Akte Truppen über den Rhein und er- erhält der Rhein – wie die Elbe und Ingenieurs Johann Gottfried Tulla garantiert die Zentralkommission klärt den Fluss zur Grenze zwischen die Oder – den völkerrechtlichen wird mit der Begradigung und Vertie- für die Rheinschifffahrt die Freiheit den Belgiern und den Germanen. Status als zukünftiger Europakanal. fung des Oberrheins begonnen. des Rheins als Wasserstrasse. 4 SBB Cargo 1 | 2017
1918 Bundesbeschluss für den Bau eines Rheinhafens in Basel-Kleinhüningen und eines Bahnanschlusses an den Güter- bahnhof St. Johann durch den Kanton Basel-Stadt. 1870 1880 1890 1900 1910 1920 1930 1940 1904 Ankunft des ersten Schleppb ootes 1917 In einem Gutachten bezeichnet 1920 Die Schweiz wird Mitglied «Knipscher IX» und Schleppkahn «Christina» der Ingenieur Rudolf Gelpke Basel als der Rheinkommission mit Sitz in in Basel. Damit stellt die Schweiz den geografisch wichtigstes Handels- Strassburg. Diese sorgt für Anschluss an die internationale Rheinschiff- und Stapelzentrum der mitteleuropäi- die Freiheit und Unentgeltlichkeit fahrt her. schen Binnenschifffahrt der Zukunft. der Schifffahrt auf dem Rhein.
Geschichte Symbol. Deutsche Dichter schwärmten von «Vater Rhein» sie aus Rotterdam oder Antwerpen in Basel eintreffen. als einem seit Urzeiten «deutschen Strom». «Sie sollen Die Menge der in Basel eintreffenden Container ist ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein», dichtete von 78 000 TEU im Jahr 2009 auf 124 000 TEU im Jahr Nikolaus Becker in seinem Rheinlied mit Blick auf die 2015 angestiegen. Ein TEU entspricht einem 20-Fuss- Franzosen. In Frankreich wiederum wurde der Rhein als Container, also einer Stahlkiste von sechs Metern Länge. natürliche Ostgrenze gedeutet. Bis ins 20. Jahrhundert Der Hafen Rotterdam, nach Shanghai und Singapur blieb der Rhein umstritten; Elsass-Lothringen und das drittgrösster Meereshafen der Welt, hat grosse Pläne: Rheinland wurden wechselweise von Deutschland und Für drei Milliarden Euro baut er zurzeit seine Anlagen Frankreich für sich beansprucht und besetzt. Erst mit aus. Ein Teil der zusätzlichen Fracht, die nach Europa dem Ende des Zweiten Weltkriegs stabilisierte sich die kommen wird, wird auch Basel erreichen. Für Hans-Peter Lage. Hadorn, Direktor der Schweizerischen Rheinhäfen, ist deshalb klar, dass Basel ein neues trimodales Container- terminal benötigt, das einen effizienten Umschlag zwi- schen Wasser, Schiene und Strasse gewährleistet. «Die Die Zeiten mittelalterlicher Schifffahrt braucht am Übergang des schiffbaren Rheins, entlang des wichtigsten Güterverkehrskorridors Rotter- Heldenepen wie des Nibelungenlieds dam–Basel–Genua, einen effizienten Anschluss an das sind lange vorbei. nationale Import- und Exportverteilnetz», betont er. Basel ist nicht der erste Hafen, der ein trimodales Terminal errichten will. Auch andere Häfen haben schon kräftig in ihre Terminalanlagen investiert. Zum Beispiel Heute ist der Rhein vollends zur Handelsstrasse ge- Duisburg, der grösste Binnenhafen in Europa, der an der worden. Als Schmelztiegel der Kulturen wollte ihn auch Mündung von der Ruhr in den Rhein liegt. Heute verfügt schon der französische Historiker Lucien Febvre in sei- der Hafen über acht Containerterminals, mehrere da- nem Standardwerk «Der Rhein und seine Geschichte» ge- von sind trimodal. Auch kleinere Häfen, so etwa Nürn- deutet wissen. Die grosse Besonderheit des Rheins, berg am Main-Donau-Kanal, haben die Terminalkapazi- schrieb er, bestehe in seiner Fähigkeit, zu verbinden und täten in den letzten Jahren ausgebaut. sich anzunähern: «Auch nationale Leidenschaften haben Die Entwicklung des Rheins als Wasserstrasse geht diese Fähigkeit nie zerstören können.» weiter. Die Zeiten mittelalterlicher Heldenepen wie des Der Konkurrenzdruck auf dem Rhein ist heute riesig. Nibelungenlieds, als man einen riesigen Goldschatz im Die Schweizerischen Rheinhäfen, die 2008 aus den Häfen Rhein vermutete, sind lange vorbei. Im 19. Jahrhundert Basel-Stadt und Basel-Landschaft (Muttenz und Birsfel- hatte der Komponist Richard Wagner dem Schatz im den) hervorgingen, haben volkswirtschaftlich eine grosse Rhein eine eigene Oper gewidmet: das «Rheingold». Auch Bedeutung für das Binnenland. Ein Drittel aller Mine wenn der mysteriöse Reichtum nie gefunden wurde: Gold ralölimporte kommt über den Rhein in die Schweiz. hat der Rhein trotzdem eingebracht, durch Handel und 48 Prozent aller Ein- und Ausfuhren ab den Schweize Zusammenarbeit über Grenzen hinweg. rischen Rheinhäfen im Jahr 2015 betrafen Erdöl und Mineralölerzeugnisse, 13 Prozent Nahrungs- und Futter- mittel, 8 Prozent Eisen und Stahl. Die Entwicklung geht weiter Auch für den Containerumschlag sind die Rheinhäfen unentbehrlich. Ein Viertel der Containerimporte gelangt über den Rhein in die Schweiz. Die Schiffe brauchen heute im Durchschnitt nur noch drei bis vier Tage, bis 2008 Die Rheinhäfen der Kantone Basel-Landschaft und Basel-Stadt werden zu den Schweizerischen Rheinhäfen zusammengelegt. 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 Foto: Hans Musterann 1952 Eröffnung des Amsterdam- 1968 Vertrag zwischen der Schweiz 1986 Grossbrand bei Sandoz 2015 Contargo, SBB Cargo und Rhein-Kanals mit einer Länge von und Frankreich über den Rhein- in Schweizerhalle. Löschwasser Hupac geben beim Bundesamt für 72 km, der zwischen 1965 und ausbau zwischen Strassburg und verursacht ein Fischsterben. Verkehr das Fördergesuch für 1981 kontinuierlich verbreitert wird. Neuburgweier. Seither hat sich der Gewässer- das Projekt Gateway Basel Nord schutz deutlich verbessert. für ein trimodales Terminal ein. 6 SBB Cargo 1 | 2017
Rubrik «Effizienz heisst Kooperation» Die Verkehrszunahme in den Ballungsgebieten hat laut Stefan Dingerkus vor allem mit der stark steigenden Anzahl an Kleinsendungen zu tun. Angesichts dieser Entwicklung empfiehlt er eine bessere Zusammenarbeit aller Akteure. Interview: Peter Krebs Die Warentransporte nehmen laut allen national und im Binnenverkehr funk Sie betonen die Bedeutung von Koope Prognosen weiter zu. Welche Bereiche tionieren die Ganzzugskonzepte ganz gut, rationen. tragen besonders stark dazu bei? zum Beispiel jene von den Seehäfen nach Die Zukunft liegt in verstärkten Koope Es gibt drei wesentliche Wachstumstrei- Basel. Die Neat mit dem 4-Meter-Korridor rationen von Playern der Logistik- und ber. Der wichtigste ist das E-Business. Das wird sich im Nord-Süd-Verkehr zweifellos Transportbranche. Es wäre auch eine Auf- direkte Endkundengeschäft, Business to günstig und positiv auswirken. Sie entlas- gabe für die Politik, diesen Prozess in Consumer genannt, führt zu stark stei- tet aber die Ballungsräume nicht. Die Gang zu bringen, mit dem Ziel, Lösungen genden «KEP-Leistungen» (Kurier-, Ex- Frage ist, wie man diese Güter in den Griff zu finden, die die Infrastruktur besser press- und Paketdienste) mit kleinen Sen- bekommt. Die Chance für die SBB im auslasten und die Umwelt weniger belas- dungen, die von Kurierdiensten angeliefert KEP-Bereich liegt meines Erachtens in der ten. Mehr Effizienz heisst meiner Meinung werden. Die damit verbundene Verkehrs- Kombination von Güterverkehr und Perso- nach nicht mehr Strassen, sondern mehr zunahme spürt man vor allem in Städten nenverkehr. Wenn die Sendungen in spezi- Kooperation. und Agglomerationen. Die zweite Ursache ellen Frachtabteilen der Personenzüge in liegt in der verbesserten Logistik vieler Wie beurteilen Sie das Projekt Unternehmen begründet. Um Lagerkos- Gateway Basel Nord? ten zu sparen, beliefern sie ihre dezentra- Der kombinierte Verkehr mit den Ganz len Depots und Filialen häufiger. Auch die steigende Vielfalt an Produkten vergrö- «Ziel ist, Güter auf zügen aus den Industriegebieten und von den Häfen ist sinnvoll. Auch das Zusam- ssert den Transportaufwand. die Schiene zu bringen und menspannen aller drei Verkehrsträger, der die Ballungsgebiete vom Schiene, der Strasse und der Schifffahrt, Und drittens? ist wichtig. Die Frage ist, ob die Bahn Hier geht es um eine grundlegende Verän- Verkehr zu entlasten.» die Gelegenheit nutzen kann, um ihre derung in der Produktion. Massenartikel Hubs in der Schweiz schneller und besser werden in Zukunft vermehrt nach Kun- zu erreichen, sodass nur noch die Feinver- denwunsch gefertigt. Das erhöht die Va teilung per Lastwagen passiert. Das Pro- riantenvielfalt noch einmal stark, könnte die Städte verschickt werden, lässt sich die jekt sollte meiner Meinung nach jedenfalls allerdings den Vorteil haben, dass die Ob- vorhandene Infrastruktur nutzen, und es dazu dienen, die Stellung der Bahn im Im- soleszenz, der rasche Verfall der Güter, braucht keine zusätzlichen Fahrplan-Slots. port- und Exportverkehr zu stärken. Sonst reduziert wird. Bei Kleidern und Schuhen haben wir punkto Entlastung der In zum Beispiel werden bis zur Hälfte der Der Umlad in den Bahnhöfen wäre frastruktur nichts gewonnen. Ich sehe hergestellten Waren gar nie verkauft und wohl nicht ganz einfach. da durchaus Parallelen zum Projekt der getragen. Wenn es gelingt, diese Ver- Ich bin mir bewusst, dass dadurch die Hal- Neat. schwendung zu reduzieren, würde auch tezeiten eventuell grösser würden. Aber das Verkehrswachstum gebremst. Das wenn es das Ziel ist, Güter auf die Schiene Gleiche gilt für die hohen Rücksendequo- zu bringen und die Ballungsgebiete vom ten im Onlinehandel, die aus Sicht der Verkehr zu entlasten, müsste man solche Nachhaltigkeit absurd sind. Lösungen prüfen. Das ist umso wichtiger, als der Trend zu noch kürzeren Liefer Welche Rolle kann die Bahn spielen? zeiten geht. Man müsste studieren, wo Foto: Hans Musterann In der Schweiz haben wir trotz kurzer geeignete Knotenpunkte eingerichtet wer- Distanzen ein relativ hohes Fracht den können. Eventuell könnte der Umlad Stefan Dingerkus (60) ist seit 2010 Dozent an der Zürcher Hochschule für angewandte aufkommen auf der Schiene. Das hat mit für die Feinverteilung in einen Vororts- Wissenschaften (ZHAW). Dort leitet er dem Nachtfahrverbot auf der Strasse und bahnhof verlegt werden, um nicht den am Institut für Nachhaltige Entwicklung mit der Effizienz der Bahn zu tun. Inter Hauptbahnhof in Anspruch zu nehmen. den Forschungsbereich Integrale Logistik. SBB Cargo 1 | 2017 7
Logistikhauptstadt der Schweiz Basel will seine Stellung als führende Umschlagplattform des Landes behaupten. Das Gateway Basel Nord, ein trimodales Terminal für Schiene, Strasse und Rhein, soll diesem Anspruch gerecht werden. Text: Pirmin Schilliger Fotografie: David Küenzi
Schwerpunkt D as Projekt für das Umschlag Haller, VR-Präsident der GBN. Das ge- einbranden, könnte man sich in einer terminal ist weit fortgeschrit- plante Umschlagterminal eröffnet neue Naturidylle wähnen. Tatsächlich haben im ten. Die Planung liegt in den Möglichkeiten für die Abwicklung der Laufe der letzten Jahrzehnte seltene Händen der im Sommer 2015 Logistikkette zwischen den Nordseehäfen Pflanzen und schützenswerte Tiere wie gegründeten Gateway Basel Nord AG und der Schweiz. Im Moment präsentiert Tagfalter oder Schlingnatter das Areal (GBN) mit SBB Cargo, Hupac und Contargo sich das rund 137 000 m² grosse Gelände erobert. «Aufgrund der Artenvielfalt zählt als Trägern und Partnern. Im Mittelpunkt noch als Brache, abgesehen von der 2007 die Fläche zum nationalen Inventar der steht ein Areal des ehemaligen Rangier- prov isorisch erweiterten Zollanlage Trockenwiesen und -weiden», erklärt Beat bahnhofs der Deutschen Bahn, das sich (PEZA) des Bundesamts für Strassen Lampart, Projektleiter des Terminals als Logistikstandort geradezu anbietet. (ASTRA). SBB Cargo hat das seit den frü- GBN, beim Rundgang im Gelände. Alte Es grenzt im Südwesten ans bestehende hen neunziger Jahren ansonsten unbe- Trassen zeichnen sich verschwommen ab. Hafengebiet und ist knapp einen Kilome- nutzte Grundstück im Jahr 2003 in weiser Zwischen Stein und Schotter spriessen ter vom Rheinufer entfernt. Es erstreckt Voraussicht erworben. Gräser und Gebüsch. Rostige und halb- sich zwischen dem Bahndamm der Verbin- wegs überwucherte Gleise erinnern an dung Basel–Karlsruhe, der Autobahn A2, Die grösste Herausforderung vergangene Zeiten. Die aufgelassene Land- der Grenze zu Deutschland und dem Über das von Birken und Gebüsch bestan- schaft hier draussen im Niemandsland Flüsschen Wiese. «Der Standort ist ideal, dene Gelände fliegt ein Elsternpaar. Wür- zwischen Grenz- und Verkehrsschneisen um Schiff, Bahn und LKW im Güterver- de nicht der Lärm der Autos, Lastwagen hat ihren besonderen Wert entwickelt. Sie kehr optimal zu bedienen», sagt Martin und Züge von überall auf die Einöde her- ist Lebensraum und Vernetzungskorridor Drei Viertel der Container gelangen mit der Bahn von der Nordsee in die Schweiz: Blick über das Hafenbecken 1.
diverser trockenliebender Pflanzen und Tiere – schön für die Natur, kompliziert für das geplante Vorhaben. «Für die vom Projekt tangierte Flora und Fauna haben wir ökologischen Ausgleich geplant», sagt Lampart. Das Auffinden der in der Region nur knapp verfügbaren Ersatzflächen war die eigentliche Knacknuss, die die Projekt- verantwortlichen herausforderte. Im lau- fenden Verfahren wird sich weisen, ob die Hürde geschafft ist und die Bagger noch in diesem Jahr auffahren können. Lampart zeichnet in die Luft die Um- risse dessen, was bald schon hier stehen könnte: fünf Portalkräne, die sich als stählerne Bögen in den Horizont schneiden, darunter sechs Umschlaggleise, gesäumt von vier gestapelten Containerreihen, flan- kiert vom Hafenbecken, Abfertigungsplätze für die LKWs, Zufahrtsstrassen, Anschluss- gleise, ein paar Gebäude … Und überall «Wir werden beweisen, dass die Ziele realistisch emsiges Treiben, dominiert von den zwi- sind»: die beiden GBN-Projektverantwortlichen schen Schiffen, LKWs und Zügen zirkulie- Haller (r.) und Lampart. renden Containern. Der künftige Betrieb ist mittels Computersimulation bereits erlebbar. «Dank der Länge des Hafenbe- ckens und der Gleise kann die gesamte Schiffsfracht auf bis zu 750 Meter lange internationale Züge umgeladen werden, und zwar ohne zusätzliche Rangierbe skizzieren, könnte bald schon Realität wegungen», sagt Haller. Heute müssen die sein. Das Plangenehmigungsverfahren für Züge, weil die Gleise an den Quais lediglich den ersten Ausbauschritt des Umschlag- 150 bis 200 Meter lang sind, zuerst geteilt terminals hat die öffentliche Auflage pas- «Der Standort und dann mühsam wieder zusammen gekuppelt werden. siert. Es wird nun vom Bundesamt für Verkehr mit den Stellungnahmen der ist ideal, um Schiff, Spürbare Entlastung Fachbehörden geprüft. «Im Idealfall rech- nen wir mit Baubeginn im Verlauf von Bahn und LKW Die wirtschaftlichen Vorteile der neuen 2017», so Lampart. Die erste Etappe des im Güterverkehr Anlage sind bedeutend: optimierte Ab Ausbaus wird 73 Millionen Franken kos- läufe, effizienterer Bahnwageneinsatz, ten. Der Bund wird maximal vier Fünftel, optimal zu Mengen- und Preisvorteile, Produktions gewinne, Pünktlichkeit und Qualität. «Die die GBN den Rest des Betrags überneh- men – über den Förderbetrag des Ter bedienen.» Schweiz braucht das Terminal jetzt; es er- minals wird ebenfalls im Verlauf von 2017 MARTIN HALLER, möglicht ein kostensparendes und wettbe- definitiv entschieden. Haller und Lampart VR-PRÄSIDENT DER GBN werbsfähiges Arbeiten. Durch Bündelung sind mit dem bislang erzielten Planungs- der Mengen und schnelle Durchlaufzeiten fortschritt zufrieden. «Es gab zwar nicht Foto: Hans Musterann können die Kosten pro Sendung deutlich schlaflose Nächte, aber viele lange und gesenkt werden», betont Holger Bochow, überaus intensive Arbeitstage», meint Geschäftsführer von Contargo. Lampart. Das Umschlagterminal könnte, Der «Quantensprung auf dem Logis- wenn alles wunschgemäss läuft, 2019 tikstandort Basel», den die Projektträger fertig sein. Vorerst in einer bimodalen > SBB Cargo 1 | 2017 11
Schwerpunkt Variante für den Umschlag Strasse/ lisierung ist eine Aufgabe der SRH. Pro- Schiene, mit einer jährlichen Kapazität von jektleiter Florian Röthlingshöfer wählt 140 000 TEU oder rund 93300 Containern. * nicht zufällig den Standort an der Grenz- Die neue Anlage verspricht eine spür- brücke, um die Pläne und den Projekt- «Es gab zwar bare Entlastung angesichts des unaufhalt- stand im Detail zu erörtern. Genau hier, sam wachsenden Warenflusses auf den wo das Hafenbecken 2 heute endet, soll nicht schlaflose Weltmeeren. Die Seehäfen Rotterdam, Antwerpen und Hamburg bauen ihre das künftige Hafenbecken 3 beginnen. Im ersten Teil führt es unter der Autobahn- Nächte, aber Kapazitäten massiv aus. Der Container- grenzbrücke hindurch ostwärts, um dann viele lange und verkehr zwischen der Nordsee und den im beinahe rechten Winkel südwärts Schweizerischen Rheinhäfen (SRH) dürf- zum neuen Containerterminal zu stossen. überaus intensive te sich laut Studien in den nächsten zwan- «Der technische Berührungspunkt zwi- zig Jahren nahezu verdoppeln. Mit der schen dem Hafenbecken 3 und dem Um- Arbeitstage.» heutigen Infrastruktur kann das Wachs- schlagterminal ist die Kante der Hafenbe- BEAT LAMPART, tum im schiffseitigen Containerverkehr ckenmauer Ost», präzisiert Röthlingshöfer, PROJEKTLEITER GBN nicht mehr lange bewältigt werden. Aus während er seinen Blick zurück zum serdem verliert der Raum Basel Umschlag- Hafenbecken 2 schweifen lässt. Die beiden kapazitäten in der Grössenordnung von Quais säumen Krane, Silos, Lagerhallen – 100 000 TEU. Die Areale der Terminals eine von industriellen Zweckbauten, Stras- Basel Wolf sowie am Westquai des Hafen- sen und Gleisen geprägte, von logistischen beckens 1 werden mittelfristig ihren Stand- Bewegungen dominierte Landschaft. ort wechseln müssen. Sie stehen dem Die hier und weiter südlich am Hafen- Containerumschlag dann nicht mehr zur becken 1 versammelten Logistiker – Beton Verfügung. Am Rheinknie gibt es also AG, Contargo, Rhenus Contract bzw. > enormen Handlungsbedarf. Heute tauscht die Schweizer Wirtschaft jährlich Waren im Umfang von über 400 000 TEU im kombinierten Verkehr mit den Seehäfen DEU aus. Rund ein Viertel des Umschlags er- TSC EICH HL A ND SCH folgt per Schiff in den Rheinhäfen. Drei NK R W E IZ FR A Viertel der Container gelangen mit der Bahn von der Nordsee in die Schweiz. Im Jahr 2030 ist am Rheinknie, so die Prog- Hafenbecken 2 A2 nosen, über alle Verkehrsträger hinweg Hafenbecken 1 mit über 600 000 TEU zu rechnen. Terminal mit Wasseranschluss Standort Bild Damit das neue «Gateway Basel Nord» seine Schlüsselfunktion vollständig aus- R H E IN füllen kann, muss er in einem zweiten Hafenbecken 3 Ausbauschritt zum trimodalen Terminal mit schiffbarem Wasseranschluss erwei- Hafenbahn tert werden. So kann er im Vollausbau eine jährliche Umschlagkapazität von an nähernd 400 000 TEU bieten. Das ent- HAFENBECKEN 3 – scheidende Puzzlestück, das dazu noch DAS LETZTE PUZZLESTÜCK Containerterminal Foto: Hans Musterann fehlt, ist das Hafenbecken 3. Dessen Rea Mit dem Hafenbecken 3 erreicht das «Gateway Basel Nord» seine volle Leistungsfähigkeit als trimodales Terminal mit einer jährlichen * 1 Container entspricht 1,5 TEU Umschlagkapazität von annähernd 400 000 TEU. 1 TEU = Twenty-foot Equivalent Unit = 6,058 × 2,438 × 2,591 m³ 12 SBB Cargo 1 | 2017
Genau hier, beim Bahndamm unter der Autobahn A2, erfolgt im Projekt Gateway Basel Nord die Erweiterung des Hafenbeckens 2 um das neue Hafenbecken 3. Die Markierung auf der Karte (siehe linke Seite) zeigt die Stelle des geplanten Durchbruchs. >
Schwerpunkt die grössten Rheinschiffe mit Frachten bis zu 300 TEU – rund 200 LKWs oder drei Güterzügen entsprechend – können dann rasch entladen werden. Ein mo dernes Schiffsanmeldesystem garantiert effiziente Abläufe. Der Bau des Hafenbeckens 3 bedingt im Umfeld einige bauliche Massnahmen: an der Bahnzufahrtsstrecke, der Grenz- strasse und einigen Werkleitungen. Zwei Brückenpfeilerpaare der aufgeständerten A2-Autobahn müssen dem Wasser wei- chen. Sie werden durch eine Abfangkonst- ruktion ersetzt, die sowohl die Autobahn wie die Grenzstrassenbrücke stützen wird. Um das Projekt zur Baureife voranzu- treiben, laufen im Moment Verhandlungen mit der Deutschen Bahn und dem Kanton Basel-Stadt. Maximal die Hälfte der 110 Millionen Franken für das Hafen «Vielfältige Interessen der Logistik- und Hafenwirtschaft»: becken 3 soll auf Basis des Gütertransport GBN-Projektleiter gesetzes vom Bund gefördert werden, der Florian Röthlingshöfer. Rest wird über den Kanton Basel-Stadt und die SRH finanziert. «Eine Länder- grenze, zwei Staaten, ein Staatsvertrag, zwei Kantone, die vielfältigen Interessen der Logistik- und Hafenwirtschaft – es ist Port Logistics, Satram-Huiles, Swisster ein komplexes Projekt, ein Marathon», minal, Ultra-Brag – schlagen sowohl klas meint Röthlingshöfer. Wenn alles optimal sische Massengüter wie Stahl, Buntmetalle, läuft, könnte 2019 mit dem Aushub begon- Treib- und Brennstoffe, Getreide usw. als nen und das Hafenbecken 3 nach drei auch immer mehr Container um. Im Auf- jähriger Bauzeit 2022 eingeweiht werden. «Eine Ländergrenze, trag der Landeigner Basel-Stadt und Basel- Zur definitiven Vollendung des Gesamt landschaft verwalten und entwickeln die projekts Gateway Basel Nord soll auf zwei Staaten, ein SRH die Hafenareale, kümmern sich um diesen Zeitpunkt hin das neue Umschlag- Staatsvertrag, zwei die Infrastrukturen, koordinieren die Ab- läufe zu Lande und zu Wasser und sorgen terminal erweitert und ans Wasser an geschlossen werden. Kantone – es ist ein dafür, dass die Rahmenbedingungen für die Hafenwirtschaft und die Schifffahrt Ehrgeizige Ziele komplexes Projekt, ein zusammenspielen, heute und in Zukunft. Fest steht: Mit der Inbetriebnahme des Das Hafenbecken 3 wird auf eine Tiefe trimodalen Umschlagterminals GBN wer- Marathon.» von 4 Metern ausgelegt. Alle Schiffstypen, den die Container für die Schweiz am FLORIAN RÖTHLINGSHÖFER, die standardmässig 11,45 Meter breit und neuen Standort im Hafen Kleinhüningen GBN-PROJEKTLEITER in Koppelverbänden bis 185 Meter lang zusammengelegt. Für die optimale Bünde- sind, werden hier navigieren können. Das lung der Verkehre funktioniert der GBN 330 Meter lange Becken bietet Platz für wie ein Hauptbahnhof für kranbare Foto: Hans Musterann zwei Koppelverbände, welche über zwei Behälter wie Container, Wechselbrücken Schiffsbreiten durch die moderne Kran und Trailer. anlage bedient werden. Am westlichen Lie- Die Beteiligten steuern mit dem Aus- geplatz ist eine Warteposition für den bauprojekt auf einen historischen Moment schnellen Schiffswechsel vorgesehen. Selbst zu, auch SBB Cargo. Die SBB ist seit Anbe- 14 SBB Cargo 1 | 2017
Dreiländereck im Fokus Statt in Basel Nord könnte das ginn in den Rheinhäfen als Bahnunterneh- merin aktiv. Sie erlebte seit der Eröffnung neue Umschlagterminal auch in im Jahre 1911 alle Ausbauphasen und Transportepochen, von der Kohle über Weil am Rhein (D) angesiedelt werden, das Mineralöl bis zum Container. Heute lautet ein Vorschlag. Wirklich? verbindet SBB Cargo die Hafenbahnhöfe mit 350 Bedienpunkten für den Wagen ladungsverkehr und acht Terminals für den Containerumschlag in der ganzen Schweiz. Die Logistikdrehscheibe in Basel beschäftigt rund 7700 Personen und schlägt über 6 Millionen Tonnen Güter jährlich um, 10 Prozent des nationalen Transportvolumens. Davon werden knapp zwei Drittel mit der Bahn weiterbefördert. SBB Cargo ist auf dem Hafengelände für rund 90 Prozent der Bahnbewegungen Mehrere Gründe sprechen gegen ein solches Vorhaben: verantwortlich. Weil am Rhein (D) bietet nur eine sehr eingeschränkte Bahn- Der heutige Bahnanteil von lediglich infrastruktur. Die Projektidee ist somit eng an den Neubau 10 Prozent beim Containerumschlag soll eines Autobahnanschlusses verknüpft, dessen Planung, Um- mit dem neuen GBN für den Weitertrans- setzung und Finanzierung noch nicht gesichert sind. Die port in der Schweiz auf 50 Prozent gestei- Container würden also vom Rhein auf die Strasse verladen gert werden. «Skeptische Stimmen argu- und per LKW weiterspediert – ein Widerspruch zu den mentieren, dass wir uns zu ehrgeizige politischen Wünschen der Schweiz. Verlagerungsziele setzen», räumt Lam- Nicht zuletzt gibt es strategische und wirtschaftliche part ein. «Aber wir werden beweisen, Gründe dafür, den Containerumschlag möglichst innerhalb dass diese Ziele realistisch sind.» Das GBN der Landesgrenzen abzuwickeln. Gemäss einer aktuellen könnte die Stadt Basel dereinst von rund Studie* fallen durch das GBN in der Investitionsphase 115 000 LKW-Fahrten jährlich entlasten. (2019 bis 2022) einmalig 149,1 Millionen Franken Brutto Ausserdem ist es strategisch hervorragend wertschöpfung und 321 Arbeitsplätze bei Schweizer Unter- positioniert. «Dank seiner Lage und nehmen an. Hinzu kommen gemäss dieser Prognosen durch dank seiner Umschlagmöglichkeiten ist die Logistiktätigkeiten im laufenden Betrieb ab 2030 dauer- es prädestiniert, an der wichtigsten euro haft jährlich nochmals insgesamt 89 Millionen Franken päischen Nord-Süd-Güterverkehrsachse Bruttowertschöpfung und 578 Arbeitsplätze. zusätzlich kombinierten Verkehr zu verar- Als One-Stop-Drehscheibe an der Grenze erlaubt das beiten», sagt Lampart. Auch jene langen GBN sowohl die Zollabfertigung wie auch den trimodalen und schweren Güterzüge, die nach der Er- Containerumschlag. Weitere inländische Standorte, die all öffnung des Ceneri-Tunnels ab 2020 auf diese Vorteile bieten, gibt es nicht. Stromaufwärts beschrän- der zur alpinen Flachbahn ausgebauten ken die Brücken in Basel den Containerschiffen einen opti- Gotthardstrecke verkehren werden, wird malen Wasserweg. man dann im Gateway Basel Nord schnell Klar ist: Ohne GBN würde sich der Containerumschlag und speditiv bedienen können. Das Gate- ins Ausland verlagern und von dort auf die Strasse und nicht way-Konzept dient somit der Verlagerung auf die Schiene. Noch mehr Güter gelangten dann per LKW von Import-, Export und Transitverkehr in die Schweiz. «Das ist aus Schweizer Optik keine Alterna von der Strasse auf die Schiene. tive», sagt GBN-Projektleiter Beat Lampart. «Das GBN ist die letzte und einzige Möglichkeit, um die Rheinhäfen noch Foto: Hans Musterann besser an die Schweiz und das Meer anzubinden», verdeut- licht Florian Röthlingshöfer. (PS) * Die Studie «Volkswirtschaftliche Bedeutung des trimodalen Terminals Gateway Basel Nord» wurde durch die BAK Basel Economics AG im Auftrag der Gateway Basel Nord AG und von Port of Switzerland durchgeführt. SBB Cargo 1 | 2017 15
Wer sagt was? «Man riecht Umfrage: Robert Wildi das Meer» Braucht die Schweiz ein neues trimodales Hafenterminal? Meinungen NILS PLANZER und Einschätzungen von Experten CEO Planzer Transport AG zum Gateway Basel Nord (GBN). «Entwicklungen wie das GBN erachten wir als sehr wichtig, da in einer glo- balisierten Welt die Schnittstellenfähig- keit mit verschiedenen Handelspart- nern von existenzieller Bedeutung ist. Eine nachhaltig ausgerichtete Mo- bilität ist von höchster Bedeutung, um auch zukünftig wettbewerbsfähig zu sein. Als Binnenland ist es strategisch «Der Wohlstand in wichtig, eine effiziente Terminalstruktur Prof. Dr. in eigenen Händen zu halten. Planzer WOLFGANG STÖLZLE der Schweiz hängt als Familien-AG investiert in Generatio- nen und setzt seit Jahrzehnten auf Universität St. Gallen * stark von einem einen vernünftigen Modal Split Strasse/ «Der Wohlstand in der Schweiz hängt stark leistungsfähigen Schiene. Wir unterstützen die Inves- von einem leistungsfähigen Aussen tition GBN und versuchen, unseren Bei- handel ab. Gepaart mit einer anspruchs- Aussenhandel ab.» trag zu leisten, damit die Güter un- vollen Topografie bedeutet dies, dass WOLFGANG STÖLZLE serer Kunden auch zukünftig effizient Güterströme möglichst ohne Reibungs- rollen und sich die Schweiz nach verluste den jeweils geeigneten Ver- vorne bewegt.» kehrsträger nutzen müssen. Genau hier setzt das GBN an: Die ideale Ver- knüpfung der Verkehrsträger Binnen- schiff, Schiene und Strasse an einem logis- tischen Hot Spot der Schweiz, kom- biniert mit moderner Umschlagtechno logie, steht Pate für die Leistungs- fähigkeit von Güterverkehren im Import, Export und Transit. Gerade weil ANITA FETZ Güter keine Stimme bei Wahlen haben: Ständerätin (SP) Basel-Stadt Die Realisierung des GBN würde auch für eine Modernisierung der Ver- «Viele wissen nicht, dass Basel Nordseeanschluss hat. Dabei riecht man kehrsinfrastruktur stehen und ein bei uns schon fast das Meer! Der Hafen ist einer meiner Lieblings- positives Zeichen zugunsten des Logistik- plätze und verleiht meiner Stadt einen Hauch von grosser Welt. Wir in standorts Schweiz setzen. Dies sollte Basel unterstützen unseren Hafen, wo wir können. Auch im Interesse der Politik bewusst sein.» der gesamten Schweiz: Ein Drittel aller Schweizer Mineralölimporte und ein Viertel aller Ein- und Ausfuhren in Containern werden hier ab- * Ordinarius, Lehrstuhl für Logistikmanagement gewickelt. Unterm Strich kommt ein Achtel aller Waren über den Basler Foto: Hans Musterann Hafen ins Land. Der Containerverkehr via Rhein wird zunehmen: Wer den ausgebauten Port in Rotterdam gesehen hat, hat eine Vorstel- lung davon.» 16 SBB Cargo 1 | 2017
ERIC MALITZKE CEO Fiege Logistik (Schweiz) AG «Infrastrukturen massgeblichen Umfangs werden nicht auf Nachfrage gebaut. Realisierungszeiträume von zehn bis zwanzig Jahren sowie CHRISTOPH die erhoffte Nutzungsdauer von mehreren Jahrzehnten bedürfen immer BRUTSCHIN eines grossen Wurfs. Eine effiziente Hinterlandverbindung von den Regierungsrat (SP) * grossen Nordhäfen in die Schweiz sowie die angrenzenden Regionen braucht in Zukunft eine leistungsfähige, effiziente und trimodale «Für mich als Volkswirtschaftsminister Hafeninfrastruktur. Innovative, weitsichtige und nachhaltige Projekte des Kantons Basel-Stadt ist das GBN wie das GBN, der Ausbau des 4-Meter-Korridors oder Cargo Souter- von zentraler Bedeutung für die Region rain sind Voraussetzungen für Logistiklösungen der Zukunft.» Basel und die ganze Schweiz. Wir brauchen eine nationale Dreh- scheibe für den Containerverkehr, um die Hoheit über die Verkehrsströme zu behalten. Die Logistikregion Basel, am wichtigsten Güterverkehrskorridor LUCIA Europas von Rotterdam bis Genua LAUENER-ZWYER gelegen, steht im Wettbewerb mit den Geschäftsführerin Binnenhäfen entlang des Rheins Alpen-Initiative und mit ausländischen Landterminals. MICHAIL STAHLHUT Zur Stärkung der Rheinschifffahrt CEO SBB Cargo «Die Alpen-Initiative begrüsst jede und der Schweizerischen Rheinhäfen ist International AG Anstrengung, um die Güter von der Bau des Hafenbeckens 3 unab- der Strasse auf die Schiene zu bringen. dingbar. Nicht nur unsere Region, die «Das GBN bietet die historische Chance, Das Projekt Gateway Basel Nord ganze Schweiz profitiert von einem dem Handelsplatz Schweiz eine hoch- kann diesbezüglich einen wichtigen Güterhauptbahnhof, um die Container effiziente Anbindung an das maritime Beitrag leisten, da es die Transportkette zu bündeln und vom Schiff auf die Netz im kombinierten Güterverkehr Schiff/Bahn stärkt. Diese muss in Schiene zu bringen.» sicherzustellen. Dank einer signifikanten dem trimodalen Projekt absolute Prio- * Vorsteher Departement für Wirtschaft, Soziales Kapazitätserhöhung des Terminal- rität geniessen. Das GBN bietet die und Umwelt des Kantons Basel-Stadt abfertigungsvolumens im Vergleich zu Chance, den alpenquerenden Güterver- herkömmlichen Umschlaganlagen kehr menschen- und umweltfreund- könnten die enormen Stückkostenvortei- licher zu gestalten. Mit Infrastruktur le, welche die Eisenbahn auszeichnen, allein aber ist noch nichts gewon- endlich viel stärker auch in der Schweiz nen. Der Transport auf der Strasse ist ausgespielt werden. Wir sind auf jeden nach wie vor zu billig und wir müssen die Fall in den Startlöchern, die Nordrange- Frage stellen: Bei welchen Gütern Häfen Rotterdam, Antwerpen und ist es überhaupt sinnvoll, dass sie über Hamburg an den Schweizer Binnen immer grössere Distanzen trans- verkehr auf der Schiene anzudocken. portiert werden?» Das Gateway Basel Nord würde uns dies erlauben und damit vor allem den Handelsplatz nachhaltig stärken. Natür- lich müssten auch die Bedingungen passen. Gerade unsere Kunden aus dem deutschen Speditionsumfeld erwarten im Zuge von Gateway Basel Nord BETTINA RESCH Angebote, welche das aktuelle kommer Transport Operations Manager, Ikea Supply AG zielle Niveau verbessern.» «Das GBN ist ein wichtiger Schritt, um intermodale Lösungen im internationalen Transportmarkt voranzutreiben. Darüber hinaus ermöglicht uns dieses Projekt, die verschiedenen Verkehrsträger opti- mal zu kombinieren und damit ihr Gesamtpotenzial auszuschöpfen. Foto: Hans Musterann Ikea Transport hat heute bereits intermodale Lösungen in die globale Transportkette integriert, und wir werden auch zukünftig viel Wert darauf legen. Darum sind wir an Weiterentwicklungen in diesem Bereich sehr interessiert.» SBB Cargo 1 | 2017 17
«Ohne Logistik kann die Wirtschaft nicht existieren»: Thomas Knopf (r.) und Nicolas Perrin vor dem Hauptsitz von Ultra-Brag. Foto: Hans Musterann
CEO-Talk CEO-Talk «Die Zeiten des Gegeneinanders sind vorbei» Welche Bedeutung hat Basel als Logistikdrehscheibe der Zukunft? Gespräch zwischen Thomas Knopf, CEO des Baselbieter Schifffahrts- und Hafenlogistikers Ultra-Brag, und Nicolas Perrin, CEO von SBB Cargo. Interview: Roy Spring Fotografie: Daniel Winkler Herr Knopf, als gebürtiger Basler sind führendes Unternehmen in den Rhein Papierindustrie, für die wir früher grosse Sie sicher stolz auf den FCB. häfen schlagen wir im Jahr etwa eine Mil- Mengen an Zellulose umgeschlagen ha- THOMAS KNOPF: Natürlich bin ich gros lion Tonnen Waren um, seien es Getreide- ben, ist mehr oder weniger verschwunden. ser FCB-Fan! Ich habe eine Saisonkarte und Futtermittel, Schwer- und Massen- Ebenfalls auf dem Rückzug ist die Stahl und besuche regelmässig Fussballspiele. güter oder Container. Der Vor- und Nach- industrie – es existieren nur noch zwei Ein grosses Ereignis war aus beruflicher lauf auf der Schiene spielt für uns eine grosse Werke in der Schweiz. Dieser Wan- Sicht, als wir kürzlich im Hafen unter zentrale Rolle. Wir haben gemeinsame del findet sehr schnell statt, daher müssen grösster Geheimhaltung den neuen FCB- Kundenprojekte, bei denen wir in der Bin- wir möglichst flexibel bleiben, um auf Mannschaftsbus umschlagen durften. nenschifffahrt den Umschlag abwickeln neue Situationen sofort reagieren zu kön- Dieser wurde dann auf einem Floss im und auf die Schiene weiterführen, so etwa nen. Rhein feierlich eingeweiht. Genau wie der von Norddeutschland nach Italien und PERRIN: Die Margen sind extrem tief. Club sind auch wir täglich gefordert, umgekehrt. Diese Tatsache wird nach wie vor durch best of the class zu bleiben. PERRIN: Die Rheinhäfen spielen auch bei die Problematik des starken Frankens ver- uns eine wichtige Rolle. Fast zehn Prozent schärft. Die Luft wird immer dünner. Herr Perrin, was verbindet Sie des Binnenvolumens wird in den Rhein Doch ich bleibe optimistisch, denn ohne mit Basel? häfen generiert. Man spricht immer von Logistik kann die Wirtschaft letztlich NICOLAS PERRIN: Ich hatte in der Nord- Containern, doch auch konventionelle nicht existieren. Ein Standort ohne eine westschweiz meinen ersten Job. In dieser Umschläge und Massengüter – Getreide, starke Logistik vor Ort wird langfristig Zeit trainierte ich bei einem Wasserfahr- Stahl oder Mineralöl – haben nach wie vor seine Probleme haben. verein und bin mit dem Weidling um die einen hohen Anteil. Wir müssen auch in Brücken gekurvt. Als Wasserfahrer habe diesem Geschäft innovativ bleiben. Wie beeinflusst die Deindustrialisierung ich den Rhein kennen und schätzen ge- der Schweiz die Warenströme? lernt. Ich kenne fast jede Strömung! Wie beurteilen Sie die Logistikbranche PERRIN: Die Auswirkungen sind komplex. in der Schweiz? Da die Schweiz immer weniger produziert Foto: Hans Musterann SBB Cargo und Ultra-Brag blicken auf KNOPF: Wir leiden nach wie vor unter und gleichzeitig immer mehr importiert, eine lange Zusammenarbeit zurück. grossem Preisdruck. Zusätzlich gefordert verändern sich die Abläufe. Umgekehrt Wo liegen die Gemeinsamkeiten? sind wir aufgrund von Volumenverän führen zum Beispiel die steigenden Recyc- KNOPF: Alle unsere Anlagen sind trimodal derungen, veränderten Verkehrsströmen lingtransport zu mehr Exportvolumen, ausgerichtet, also mit Bahnanschluss. Als und neuen Provenienzen. Die Schweizer da sich die Abnehmer von Altglas und > SBB Cargo 1 | 2017 19
CEO-Talk Anteil von Ultra-Brag: circa 16 Prozent am Gesamt volumen (2015) 10 in Mio. Tonnen Altpapier zumeist im Ausland befinden. Insgesamt müssen wir uns mit einer neu- en Organisation der Warenströme ausein- 8 andersetzen. KNOPF: Tendenziell gehen wir davon aus, dass die Unpaarigkeit zwischen Import und Export zunehmen wird, was sich 6 negativ auf die Kostenstruktur auswirkt. SCHIFFSGÜTERVERKEHR IN DEN Dazu kommt, dass wir sehr immobil auf- RHEINHÄFEN SEIT 1955 gestellt sind; seit 2007 haben wir über Heute werden in den drei Hafenteilen 110 Millionen Franken in Infrastruktur in- 4 Basel-Kleinhüningen, Birsfelden vestiert. Ein Silo zum Beispiel ist auf einen und Muttenz-Au jährlich über Zeitraum von 50 Jahren ausgelegt; hier 6 Millionen Tonnen umgeschlagen. Import Export muss unser Geschäftsmodell also lang- 2 fristig sein. Doch je schneller sich das Marktumfeld verändert, desto schwieriger wird das Investieren. Das heisst, wir müssen unsere Infrastrukturen künftig so 0 auslegen, dass wir sie den sich permanent 1960 1970 1980 1990 2000 2010 «Wir dürfen uns nicht die obachten: Man versucht heute eher, auf Niemand weiss, wie es dann weitergeht – Zukunft verbauen, sondern Augenhöhe ein gemeinsames Konzept zu und unter diesen Voraussetzungen ist wir müssen uns alle entwickeln. Es ist nicht mehr ein Kampf heute niemand bereit, dort zu investieren. um die Vorherrschaft, sondern einer um PERRIN: Im Schweizer Vergleich hat Basel Optionen offenhalten.» die besten Lösungen für unsere Kunden. die wahrscheinlich höchste Affinität zur THOMAS KNOPF KNOPF: Die Zeiten des Gegeneinanders Logistik. Doch die Stadt steht unter enor- sind definitiv vorbei. Heute braucht es mem Siedlungsdruck. Wolf, Dreispitz – transparente und partnerschaftliche überall sind neue Quartiere geplant. Die Konzepte mit einer Gesamtkostenstruk- Logistik ist flächenintensiv, und in der verändernden Gegebenheiten so gut wie tur, bei der jeder etwas verdienen kann. Schweiz ist nicht mehr viel Freiraum vor- möglich anpassen können. Wer diesen handen. Deshalb müssen wir mehr aus Spagat am besten beherrscht, hat in unse- Das Getreidesilo von Ultra-Brag ist mit den bestehenden Arealen herausholen. rem Geschäft die besten Karten. 83,6 Metern das dritthöchste Gebäude Wenn wir die Logistikflächen klar definie- der Stadt – eine Art Wahrzeichen. ren und optimal ausnutzen, haben wir Welche Strategien führen zum Ziel? Wird Basel seiner Bedeutung als Logistik- dort die nötige Planungssicherheit und KNOPF: Im Zuge der Digitalisierung bie- standort gerecht? können auf lange Frist investieren. Die SBB ten sich einmalige Chancen, Kapazitäten KNOPF: Unser Silo ist – nach dem Roche- hat deshalb mit beiden Basel im Rahmen effizienter auszulasten. Ein Beispiel: Mehr Tower mit 178 Metern und dem Messe- der Gesamtperspektiven die zukünftige als ein Drittel der Container, die die turm mit 105 Metern – nach wie vor Basels Nutzung der Logistikflächen vereinbart. Schweizerischen Rheinhäfen erreichen höchstes Industriegebäude. Die Spedi- oder verlassen, ist heute leer. Da gibt tions- und Logistikbranche gilt im Kanton KNOPF: Es ist eine philosophische Frage: es viel zu optimieren. Zudem müssen wir Basel-Stadt als Schlüsselbranche und liegt Entweder man setzt auf möglichst grosse vermehrt in Partnerschaften denken, um im Fokus der Kantonsregierung. Das Dilem- Infrastrukturen oder man denkt eher de- unsere Mittel noch wirkungsvoller einset- ma ist jedoch, dass sich auf dem eng be- zentral und betrachtet die Logistik als Foto: Hans Musterann zen zu können. grenzten Raum die unterschiedlichen ein weltumspannendes Netz, in dem sich PERRIN: Es ist noch nicht lange her, als in Interessen von Gewerbe und Wohnen ge- die Ware jeden Tag ihren Weg bahnt. der Logistik jeder versuchte, den Lead zu genüberstehen. So wäre etwa das West- Wenn ich eine E-Mail verschicke, läuft übernehmen und alle anderen vom Tisch Quai eine gute Logistikfläche, doch dort diese ja auch nicht immer über die glei- zu verdrängen. Hier ist ein Wandel zu be- laufen 2029 die Baurechtsverträge aus. chen Server, sondern sie sucht sich im 20 SBB Cargo 1 | 2017
Rubrik ULTRA-BRAG Welche Bedeutung hat Basel sich immer mehr oder weniger entlang Das Kerngeschäft der Ultra-Brag AG mit als Logistikdrehscheibe der Zukunft? des Bruttoinlandprodukts entwickelt. Wenn Sitz in Muttenz sind Umschlag, Lage- PERRIN: Basel liegt zentral an der Nord- es uns nicht gäbe, könnten die anderen rung und Schiffstransport von Gütern aller Süd-Achse des transeuropäischen Ver- auch nicht funktionieren. Art. Das 1925 gegründete Unternehmen kehrskorridors und wird als «Tor zur KNOPF: Wir müssen international wett erbringt seine Dienstleistungen mit Schweiz» immer am Puls der Warenströ- bewerbsfähig bleiben. Dabei gilt es, genü- modernsten Anlagen an drei Standorten in den Schweizerischen Rheinhäfen. me liegen. Sicher werden die Mittelmeer- gend junge Leute für unsere Branche zu Weiter betreibt Ultra-Brag zusammen mit häfen weiter an Bedeutung gewinnen, aber begeistern und diese auf Topniveau aus Danser und Haeger & Schmidt eine im Verhältnis zu den ARA-Häfen – Ams- zubilden. Mit unserem hohen Standard Containerlinie auf dem Oberrhein, die terdam, Rotterdam und Antwerpen – sind sind wir in der Schweiz auch international zweimal wöchentlich die Oberrhein- die Volumen auf tiefem Niveau. Wenn absolut wettbewerbsfähig. terminals Auhafen, Birsfelder Hafen, Basel sowie Weil am Rhein, Ottmarsheim, man auf neue Logistikinfrastrukturen Neuf-Brisach, Strassburg und Kehl setzen will, ist Basel für die kommenden Ultra-Brag verfügt über sechs eigene bedient. Das Unternehmen beschäftigt Jahrzehnte sicher der beste Ort. Rangierloks und hat zusammen mit rund 150 Mitarbeitende. einem bulgarischen Hersteller eine Lok entwickelt, die in der Schweiz vertrieben wird. Eine Kampfansage an SBB Cargo? PERRIN: Wer so investiert, glaubt an die «Das Problem ist, dass Bahn! Es ist doch erfreulich, dass Ultra- wir heute vor allem Brag auf die Schiene setzt. Konkurrenz auf h istorisch gewachsenen erachte ich als positiv: Es zeichnet eine Partnerschaft aus, wenn man das aushal- Anlagen arbeiten.» ten kann. Internet jedes Mal die ideale Verbindung. NICOLAS PERRIN KNOPF: Für uns als Hafenlogistiker spielt Wer weiss, vielleicht geht das ja zukünftig der Bahnumschlag eine wichtige Rolle. Da- mit den Warenströmen in einer ähnlichen bei gilt es, Rangierdienstleistungen mög- Weise vor sich. lichst flexibel und effizient abzuwickeln. KNOPF: Die Nordhäfen werden weiterhin Als Basler sehe ich das sportlich – wie 135 Meter lange Schiffe, 750 Meter von hoher Bedeutung bleiben, obschon die beim Fussball. lange Güterzüge – die Dimensionen euphorischen Wachstumszahlen, die noch werden immer grösser. Was bedeutet vor zehn Jahren kursierten, mittlerweile das für die Logistik? nach unten korrigiert worden sind. Es zeich- PERRIN: Das Problem ist, dass wir heute net sich zudem eine gewisse Verlagerung vor allem auf historisch gewachsenen An- in Richtung Osteuropa ab, was kürzere lagen arbeiten. Diese wurden seinerzeit Wege und mehr Verlässlichkeit bedeutet. Thomas Knopf, 50, ist seit 2016 CEO bei Ultra- in einer Grösse gebaut, die den heute üb Es bleibt auch abzuwarten, wie sich der Brag. Er hat Wirtschaftswissenschaften an lichen Einheiten oft nicht mehr gewach- E-Commerce auswirkt, wenn grosse Wa- der Universität Basel studiert. Zuvor war er CEO sen sind. Hier stellt sich jeweils die Frage, renmengen über riesige Verteilzentren in des Logistikunternehmens Fiege Schweiz. Dort verantwortete er die strategische und ope- ob man die bestehenden Strukturen über- Europa laufen. Auch der 3D-Druck kann rative Führung der Geschäftseinheiten Schweiz, haupt noch an die heutigen Bedingungen einen Einfluss haben, wenn der Turn- Österreich und Süddeutschland sowie den anpassen kann – oder ob es nicht einfacher schuh direkt vor Ort hergestellt wird – Aufbau der Ländergruppe Far East. In der Region engagiert sich Thomas Knopf zudem als Vorstand wäre, von Grund auf in neue Strukturen statt irgendwo im fernen China. der Handelskammer beider Basel, als Verwal- zu investieren. tungsrat des Euro Airport Basel und als Präsident KNOPF: Dabei dürfen wir uns aber nicht Wie sichert man die 22 000 Logistik- von Spedlogswiss Nordwestschweiz. die Zukunft verbauen, sondern wir müs- arbeitsplätze in der Nordwestschweiz? Nicolas Perrin, 57, ist seit 2007 CEO von SBB sen uns möglichst alle Optionen offenhal- PERRIN: Wir kämpfen für einen starken Cargo. Der diplomierte Bauingenieur ETH arbeitet ten. Oft haben wir leider noch die Schwei- Standort. Natürlich gibt es Branchen, die seit 1987 für die Schweizerischen Bundesbahnen; Foto: Hans Musterann zer Brille auf. Dabei können wir, speziell pro Fläche mehr Arbeitsplätze generieren, unter anderem war er persönlicher Mitarbeiter hier im Dreiländereck, auch über die Gren- aber es wird häufig vergessen, dass gerade des Präsidenten der SBB-Generaldirektion und Stellvertreter des Delegierten für die Bahn zen hinausblicken, sprich: den Raum Ba- die Logistik eine Grundvoraussetzung 2000. 1999 stiess Nicolas Perrin zu SBB Cargo, den und das Elsass miteinbeziehen und dafür ist, dass ein Land überhaupt erfolg- wo er zuerst die Produktion und ab Anfang 2007 die Region als Grossraum begreifen. reich wirtschaften kann. Die Logistik hat den Geschäftsbereich International leitete. SBB Cargo 1 | 2017 21
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