Drehscheibe am Rhein CEO-Talk mit Ultra-Brag- Chef Thomas Knopf - S. 18 - SBB Cargo

Die Seite wird erstellt Manuel Keßler
 
WEITER LESEN
Drehscheibe am Rhein CEO-Talk mit Ultra-Brag- Chef Thomas Knopf - S. 18 - SBB Cargo
1 | 2017
Das Schweizer Logistikmagazin

CEO-Talk
mit Ultra-Brag-
Chef Thomas
Knopf
S. 18

                                     Drehscheibe
                                      am Rhein
                                Gateway Basel Nord – ein trimodales
                                   Güterterminal für die Schweiz
Drehscheibe am Rhein CEO-Talk mit Ultra-Brag- Chef Thomas Knopf - S. 18 - SBB Cargo
Cargo 1 / 2017

                                                                          4     Geschichte des Rheins als Wasserstrasse
                                                                                Alles im Fluss

                                                                          7     Interview mit Stefan Dingerkus
                                                                                «Effizienz heisst Kooperation»

                                                                          8     Gateway Basel Nord
                                                                                Logistikhauptstadt der Schweiz

                                                                          15    Projekt in Weil am Rhein (D)
                                                                                Dreiländereck im Fokus

                                                                          16    Umfrage
                                                                                Stimmen zum Gateway Basel Nord

                                                                          18    CEO-Talk
                                                                                Thomas Knopf, Ultra-Brag

                                                                          22    Reportage
                                                                                Bogotá–Antwerpen–Basel–Orbe

                                                                          26    «5L»-Demonstrator-Zug
   8                                                                            Die Zukunft rollt an
Container für die Schweiz: Schweizerische Rheinhäfen
                                                                          28	Neues aus der Branche
                                                                                Schotter

                                                                          29	Das Objekt
                                                                                Kamerabasierte Güterwagenkontrolle

                                                                          30	Meine Logistik
                                                                                Caroline Rouine, Hafenbar Marina Basel

                                                                          Impressum

                                                                          Das Logistikmagazin von SBB Cargo erscheint dreimal pro Jahr in Deutsch,
                                                                          Französisch und Italienisch.

                  30                                                      Gesamtauflage: 7000 Exemplare Redaktion SBB Cargo: Lea Meyer (Leitung),
                                                                          Tamara Ritter, Anouk Ilg, Miriam Wassmer Redaktion Crafft: Roy Spring (Leitung),
                                                                          Kristina Morf, Pirmin Schilliger, Susanne Wagner, Robert Wildi, Stefan Boss
                                                                          Konzept, Gestaltung und Realisation: Crafft Kommunikation AG, Zürich
               Herzensprojekt Hafenbar: Caroline Rouine
                                                                          Übersetzungen: Traductor, Basel Litho­g rafie und Druck: Neidhart + Schön AG,
                                                                          Zürich Redaktionsadresse: SBB Cargo «Redaktion Logistikmagazin cargo»
                                                                          Bahnhofstrasse 12, 4600 Olten, cargomagazin @ sbbcargo.com

                                                                          Das Copyright liegt bei SBB Cargo. Der Abdruck von Artikeln ist mit Quellen-
                                                                          angabe erlaubt. Bitte schicken Sie uns ein Belegexemplar.

                                                                          Gratisabonnement auf www.sbbcargo.com/de/abonnement
                                                                          Abonnieren Sie das Cargo Magazin schweizweit kostenlos oder lesen
                                                                          Sie die Onlineversion unter www.sbbcargo.com. Adressänderungen oder
                                                                          Löschung des Abonnements bitte an cargomagazin @ sbbcargo.com

    facebook.com/                  twitter.com/            youtube.com/                    instagram.com/                      blog.sbbcargo.com
    sbbcargo                       sbbcargo                sbbcargo                        sbbcargo
Drehscheibe am Rhein CEO-Talk mit Ultra-Brag- Chef Thomas Knopf - S. 18 - SBB Cargo
Editorial

                                                                                    Zeit für Visionen
                                                                                   B       asel ist als Logistikdrehscheibe der
                                                                                           Schweiz von unschätzbarer Bedeutung.
                                                                                           Gut ein Viertel des Umschlags
                                                                                    erfolgt per Schiff in den Rheinhäfen. Die
                                                                                    Seehäfen Rotterdam, Antwerpen und
                                                                                                                                  D        ass im Rhein wahre Goldschätze
                                                                                                                                           verborgen liegen, davon träumten
                                                                                                                                           die Menschen schon im Mittel-
                                                                                                                                  alter. An der Faszination hat sich nichts ge-
                                                                                                                                  ändert. Im historischen Rückblick lesen
                                                                                    Hamburg bauen ihre Kapazitäten massiv         Sie, wie sich der Strom von der sagenumwo-
                                                                                    aus. Prognosen weisen darauf hin, dass        benen Lebensader zur hochfrequentier-
                                                                                    bis 2030 am Rheinknie Güterströme von         ten Wasserstrasse entwickelt hat (Seite 4).
                                                                                    jährlich über 600 000 TEU bewältigt
                                                                                    werden müssen. Eine Herkulesaufgabe!          Wie gelangen eigentlich Waren aller Art

                                                                                    G
                                                                                                                                  über die Weltmeere bis in die Schweiz?
                                                                                             efragt sind mutige Lösungen. Im      Unsere Reportage zeichnet die lange Reise
                                                                                             Themenschwerpunkt (Seite 8)          einer grünen Kaffeebohne aus Kolumbien
                                                                                             nehmen wir das Projekt Gateway       bis in die Nestlé-Welt in Orbe nach, wo
                                                                                    Basel Nord (GBN) unter die Lupe.              sie zu Nescafé-Fertigkaffee weiterverarbei-
                                                                                    Hier, auf einem brachliegenden Areal          tet wird (Seite 22).
                                                                                    im Dreiländereck, soll mit dem Bau
                                                                                    eines dritten Hafenbeckens die Vision         Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
                                                                                    eines leistungsfähigen trimodalen
                                                                                    Umschlagter­minals verwirklicht werden.       Lea Meyer
                                                                                    Bereits 2019 könnte die Anlage                Leiterin Kommunikation
                                                                                    im optimalen Fall in Betrieb gehen.           lea.meyer@sbbcargo.com

                                                                                    «Die Zukunft liegt in verstärkten Ko­-
                                                                                    opera­tionen von Playern der Logistik­und
                                                                                    Transportbranche», betont der renom-
                                                                                    mierte Logistikexperte Stefan Dingerkus
Cover: David Küenzi / Fotos: David Küenzi; Peter Hauser; zvg

                                                                                    im Interview (Seite 7). Im CEO-Talk er-
                                                                                    läutern Thomas Knopf, CEO des führenden
                                                                                    Schifffahrts- und Hafenlogistikers Ultra-
                                                                                    Brag, und SBB-Cargo-Chef Nicolas
                                                                                    Perrin die Frage, mit welchen Strategien
                                                                                    die zunehmenden Güterströme be-
                                                                                    wältigt werden können (Seite 18).
                                                Foto: Hans Musterann

                                                                       SBB Cargo 1 | 2017                                                                                              3
Drehscheibe am Rhein CEO-Talk mit Ultra-Brag- Chef Thomas Knopf - S. 18 - SBB Cargo
Geschichte

                                           Alles im Fluss
                     Der Rhein war schon bei den Römern einerseits eine Handelsroute,
                             andererseits eine Grenze. Bis heute ist der Strom zu
                      einer der verkehrsreichsten Handelsstrassen der Welt geworden.
                                                                         Text: Stefan Boss

             D
                          er Rhein hat verschiedene Gesichter: Für die             Rheinanrainerstaaten müssen auf dem Rhein keine Ab­
                          Bewohner der Bündner Surselva ist er ein                 gaben bezahlen und geniessen sämtliche Verkehrsrechte.
                          wilder Bergbach; eine Schaffhauserin asso­               Die Grundlage dafür schufen zwei internationale Abkom-
                          ziiert damit tosende Wassermassen, die                   men: die Mainzer Akte von 1831 sowie die Mannheimer
              23 Meter in die Tiefe fallen; ein Rotterdamer bringt ihn             Akte von 1868 (vgl. Chronologie). Diese führten zur
              mit 40 Kilometer langen Kaimauern und Container­        -            Gründung der Rheinkommission, bei der die Schweiz
              ter­minals in Verbindung. Die Geografen unterteilen den              seit 1920 Mitglied ist.
              1200 Kilometer langen Strom deshalb in Abschnitte.
              Durch die Schweiz fliessen der Hinter- und Vorderrhein               Schmelztiegel der Kulturen
              sowie der Alpenrhein.                                                In der wechselvollen Geschichte spielt der Rhein eine
                  Nach dem Bodensee übernimmt der Hochrhein, und                   zentrale Rolle. Schon zur Zeit der Römer war er eine
              in Basel ist der Fluss bereits zum beachtlichen Strom an-            wichtige Handelsstrasse. Sie bauten Häfen sowie Kanäle
              geschwollen – sein Bett befindet sich nur noch 250 Meter             und Staudämme am Oberlauf, um die Schiffbarkeit zu
              über Meereshöhe. Hier beginnt der Oberrhein, er mar-                 verbessern. Nach dem Zerfall des Römischen Reichs
              kiert die Grenze zwischen Deutschland und Frankreich,                kam der Handel zunächst zum Erliegen, bevor er unter
              bevor er als Mittelrhein durch das weltbekannte Unesco-              den Karolingern wieder Fahrt aufnahm.
              Welterbe und an der Loreley vorbeiströmt. Als Nieder-                    Nach dem Westfälischen Frieden von 1648, der den
              rhein erreicht der Fluss die Niederlande, wo er sich in              Dreissigjährigen Krieg beendete, nahm der Handel auf
              Richtung Nordsee in verschiedene Arme teilt. An einem                dem Rhein rasant Aufschwung. Mit Städten wie Basel,
              der Endpunkte liegt der grosse Meereshafen Rotterdam.                Strassburg, Mainz und Rotterdam wurde der Rhein zu
                  Der Rhein ist eine der verkehrsreichsten Wasserstras­            einer der am dichtesten besiedelten Regionen in Europa.
              sen der Welt. 300 Millionen Tonnen Fracht sind es, die               Der Westfälische Friede hatte der Eidgenossenschaft,

                                                                                                                                                                   Foto: Roland Schmid / 13 Photo
              jährlich auf dem Rhein befördert werden. Und zwar rund               welcher Basel seit 1501 angehörte, die Unabhängigkeit
              um die Uhr: Dank des Radars lässt sich der Strom auch                vom Deutsch-Römischen Reich gebracht.
              bei Nacht und Nebel befahren, und dies an 365 Tagen                      Während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert
              pro Jahr. Für die Schweiz als Binnenland garantiert der              wurde der Rhein zum wichtigen Transportweg für
              Rhein den freien Zugang zum Meer.                                    Kohle. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass sich
                  Der direkte Anschluss ist von nicht zu unterschät-               die che­mische Industrie um 1850 in Basel ansiedelte. Im
              zendem Wert. Schiffe aus der Schweiz und den anderen                 19. Jahrhundert wurde der Rhein zum nationalen >

RHEIN-CHRONOLOGIE:
VON CÄSAR BIS GATEWAY
                               1800               1810                1820                   1830             1840                 1850                  1860
                                                                                                                                                                  Foto: Hans Musterann

     55 V. CHR. Cäsar setzt mit seinen     1815 Auf dem Wiener Kongress            1817 Nach den Plänen des deutschen     1831 Mit der Mainzer Akte
     Truppen über den Rhein und er-        erhält der Rhein – wie die Elbe und     Ingenieurs Johann Gottfried Tulla      garantiert die Zentralkommission
     klärt den Fluss zur Grenze zwischen   die Oder – den völkerrechtlichen        wird mit der Begradigung und Vertie-   für die Rheinschifffahrt die Freiheit
     den Belgiern und den Germanen.        Status als zukünftiger Europakanal.     fung des Oberrheins begonnen.          des Rheins als Wasserstrasse.

     4                                                                                                                                      SBB Cargo 1 | 2017
Drehscheibe am Rhein CEO-Talk mit Ultra-Brag- Chef Thomas Knopf - S. 18 - SBB Cargo
1918 Bundesbeschluss für den Bau
                                                                               eines Rheinhafens in Basel-Kleinhüningen
                                                                               und eines Bahnanschlusses an den Güter-
                                                                               bahnhof St. Johann durch den Kanton
                                                                               Basel-Stadt.

1870   1880               1890                1900          1910                 1920                1930                  1940

          1904 Ankunft des ersten Schlepp­b ootes        1917 In einem Gutachten bezeichnet      1920 Die Schweiz wird Mitglied
          «Knipscher IX» und Schleppkahn «Christina»     der Ingenieur Rudolf Gelpke Basel als   der Rheinkommission mit Sitz in
          in Basel. Damit stellt die Schweiz den         geografisch wichtigstes Handels-        Strassburg. Diese sorgt für
          Anschluss an die internationale Rheinschiff-   und Stapelzentrum der mitteleuropäi-    die Freiheit und Unentgeltlichkeit
          fahrt her.                                     schen Binnenschifffahrt der Zukunft.    der Schifffahrt auf dem Rhein.
Drehscheibe am Rhein CEO-Talk mit Ultra-Brag- Chef Thomas Knopf - S. 18 - SBB Cargo
Geschichte

                Symbol. Deutsche Dichter schwärmten von «Vater Rhein»              sie aus Rotterdam oder Antwerpen in Basel eintreffen.
                als einem seit Urzeiten «deutschen Strom». «Sie sollen             Die Menge der in Basel eintreffenden Container ist
                ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein», dichtete             von 78 000 TEU im Jahr 2009 auf 124 000 TEU im Jahr
                Nikolaus Becker in seinem Rheinlied mit Blick auf die              2015 an­gestiegen. Ein TEU entspricht einem 20-Fuss-
                Fran­zosen. In Frankreich wiederum wurde der Rhein als             Container, also einer Stahlkiste von sechs Metern Länge.
                natürliche Ostgrenze gedeutet. Bis ins 20. Jahrhundert                 Der Hafen Rotterdam, nach Shanghai und Singapur
                blieb der Rhein umstritten; Elsass-Lothringen und das              drittgrösster Meereshafen der Welt, hat grosse Pläne:
                Rheinland wurden wechselweise von Deutschland und                  Für drei Milliarden Euro baut er zurzeit seine Anlagen
                Frankreich für sich beansprucht und besetzt. Erst mit              aus. Ein Teil der zusätzlichen Fracht, die nach Europa
                dem Ende des Zweiten Weltkriegs stabilisierte sich die             kommen wird, wird auch Basel erreichen. Für Hans-Peter
                Lage.                                                              Hadorn, Direktor der Schweizerischen Rheinhäfen, ist
                                                                                   deshalb klar, dass Basel ein neues trimodales Container-
                                                                                   terminal benötigt, das einen effizienten Umschlag zwi-
                                                                                   schen Wasser, Schiene und Strasse gewährleistet. «Die
                Die Zeiten mittelalterlicher                                       Schifffahrt braucht am Übergang des schiffbaren Rheins,
                                                                                   entlang des wichtigsten Güterverkehrskorridors Rotter-
            Heldenepen wie des Nibelungenlieds                                     dam–Basel–Genua, einen effizienten Anschluss an das
                     sind lange vorbei.                                            nationale Import- und Exportverteilnetz», betont er.
                                                                                       Basel ist nicht der erste Hafen, der ein trimodales
                                                                                   Terminal errichten will. Auch andere Häfen haben schon
                                                                                   kräftig in ihre Terminalanlagen investiert. Zum Beispiel
                Heute ist der Rhein vollends zur Handelsstrasse ge-                Duisburg, der grösste Binnenhafen in Europa, der an der
                worden. Als Schmelztiegel der Kulturen wollte ihn auch             Mündung von der Ruhr in den Rhein liegt. Heute verfügt
                schon der französische Historiker Lucien Febvre in sei-            der Hafen über acht Containerterminals, mehrere da-
                nem Standardwerk «Der Rhein und seine Geschichte» ge-              von sind trimodal. Auch kleinere Häfen, so etwa Nürn-
                deutet wissen. Die grosse Besonderheit des Rheins,                 berg am Main-Donau-Kanal, haben die Terminalkapazi-
                schrieb er, bestehe in seiner Fähigkeit, zu verbinden und          täten in den letzten Jahren ausgebaut.
                sich anzunähern: «Auch nationale Leidenschaften haben                  Die Entwicklung des Rheins als Wasserstrasse geht
                diese Fähigkeit nie zerstören können.»                             weiter. Die Zeiten mittelalterlicher Heldenepen wie des
                    Der Konkurrenzdruck auf dem Rhein ist heute riesig.            Nibelungenlieds, als man einen riesigen Goldschatz im
                Die Schweizerischen Rheinhäfen, die 2008 aus den Häfen             Rhein vermutete, sind lange vorbei. Im 19. Jahrhundert
                Basel-Stadt und Basel-Landschaft (Muttenz und Birsfel-             hatte der Komponist Richard Wagner dem Schatz im
                den) hervorgingen, haben volkswirtschaftlich eine grosse           Rhein eine eigene Oper gewidmet: das «Rheingold». Auch
                Bedeutung für das Binnenland. Ein Drittel aller Mine­              wenn der mysteriöse Reichtum nie gefunden wurde: Gold
                ralölimporte kommt über den Rhein in die Schweiz.                  hat der Rhein trotzdem eingebracht, durch Handel und
                48 Prozent aller Ein- und Ausfuhren ab den Schweize­               Zusammenarbeit über Grenzen hinweg.
                rischen Rheinhäfen im Jahr 2015 betrafen Erdöl und
                Mineralölerzeugnisse, 13 Prozent Nahrungs- und Futter-
                mittel, 8 Prozent Eisen und Stahl.

                Die Entwicklung geht weiter
                Auch für den Containerumschlag sind die Rheinhäfen
                unentbehrlich. Ein Viertel der Containerimporte gelangt
                über den Rhein in die Schweiz. Die Schiffe brauchen
                heute im Durchschnitt nur noch drei bis vier Tage, bis
                                                                                                            2008 Die Rheinhäfen der Kantone
                                                                                                            Basel-Landschaft und Basel-Stadt
                                                                                                            werden zu den Schweizerischen
                                                                                                            Rheinhäfen zusammengelegt.

1940             1950                  1960              1970               1980              1990                  2000               2010                  2020
                                                                                                                                                                    Foto: Hans Musterann

       1952 Eröffnung des Amsterdam-           1968 Vertrag zwischen der Schweiz   1986 Grossbrand bei Sandoz              2015 Contargo, SBB Cargo und
       Rhein-Kanals mit einer Länge von        und Frankreich über den Rhein-      in Schweizerhalle. Löschwasser          Hupac geben beim Bundesamt für
       72 km, der zwischen 1965 und            ausbau zwischen Strassburg und      verursacht ein Fischsterben.            Verkehr das Fördergesuch für
       1981 kontinuierlich verbreitert wird.   Neuburgweier.                       Seither hat sich der Gewässer-          das Projekt Gateway Basel Nord
                                                                                   schutz deutlich verbessert.             für ein trimodales Terminal ein.

       6                                                                                                                                     SBB Cargo 1 | 2017
Drehscheibe am Rhein CEO-Talk mit Ultra-Brag- Chef Thomas Knopf - S. 18 - SBB Cargo
                                                                                                                                     Rubrik

                       «Effizienz heisst Kooperation»
                       Die Verkehrszunahme in den Ballungsgebieten hat laut Stefan Dingerkus vor
                       allem mit der stark steigenden Anzahl an Kleinsendungen zu tun. Angesichts dieser
                       Entwicklung empfiehlt er eine bessere Zusammenarbeit aller Akteure.
                       Interview: Peter Krebs

                       Die Warentransporte nehmen laut allen         national und im Binnenverkehr funk­            Sie betonen die Bedeutung von Koope­
                       Prognosen weiter zu. Welche Bereiche          tionieren die Ganzzugskonzepte ganz gut,       rationen.
                       tragen besonders stark dazu bei?              zum Beispiel jene von den Seehäfen nach        Die Zukunft liegt in verstärkten Koope­
                       Es gibt drei wesentliche Wachstumstrei-       Basel. Die Neat mit dem 4-Meter-Korridor       rationen von Playern der Logistik- und
                       ber. Der wichtigste ist das E-Business. Das   wird sich im Nord-Süd-Verkehr zweifellos       Transportbranche. Es wäre auch eine Auf-
                       direkte Endkundengeschäft, Business to        günstig und positiv auswirken. Sie entlas-     gabe für die Politik, diesen Prozess in
                       Consumer genannt, führt zu stark stei-        tet aber die Ballungsräume nicht. Die          Gang zu bringen, mit dem Ziel, Lösungen
                       genden «KEP-Leistungen» (Kurier-, Ex-         Frage ist, wie man diese Güter in den Griff    zu finden, die die Infrastruktur besser
                       press- und Paketdienste) mit kleinen Sen-     bekommt. Die Chance für die SBB im             auslasten und die Umwelt weniger belas-
                       dungen, die von Kurierdiensten an­geliefert   KEP-Bereich liegt meines Erachtens in der      ten. Mehr Effizienz heisst meiner Meinung
                       werden. Die damit verbundene Verkehrs-        Kombination von Güterverkehr und Perso-        nach nicht mehr Strassen, sondern mehr
                       zunahme spürt man vor allem in Städten        nenverkehr. Wenn die Sendungen in spezi-       Kooperation.
                       und Agglomerationen. Die zweite Ursache       ellen Frachtabteilen der Personen­züge in
                       liegt in der verbesserten Logistik vieler                                                    Wie beurteilen Sie das Projekt
                       Unternehmen begründet. Um Lagerkos-                                                          Gateway Basel Nord?
                       ten zu sparen, beliefern sie ihre dezentra-                                                  Der kombinierte Verkehr mit den Ganz­
                       len Depots und Filialen häufiger. Auch die
                       steigende Vielfalt an Produkten vergrö-
                                                                         «Ziel ist, Güter auf                       zügen aus den Industriegebieten und von
                                                                                                                    den Häfen ist sinnvoll. Auch das Zusam-
                       ssert den Transportaufwand.                   die Schiene zu bringen und                     menspannen aller drei Verkehrsträger, der
                                                                      die Ballungsgebiete vom                       Schiene, der Strasse und der Schifffahrt,
                       Und drittens?                                                                                ist wichtig. Die Frage ist, ob die Bahn
                       Hier geht es um eine grundlegende Verän-        Verkehr zu entlasten.»                       die Gelegenheit nutzen kann, um ihre
                       derung in der Produktion. Massenartikel                                                      Hubs in der Schweiz schneller und besser
                       werden in Zukunft vermehrt nach Kun-                                                         zu erreichen, sodass nur noch die Feinver-
                       denwunsch gefertigt. Das erhöht die Va­                                                      teilung per Lastwagen passiert. Das Pro-
                       riantenvielfalt noch einmal stark, könnte     die Städte verschickt werden, lässt sich die   jekt sollte meiner Meinung nach jedenfalls
                       allerdings den Vorteil haben, dass die Ob-    vorhandene Infrastruktur nutzen, und es        dazu dienen, die Stellung der Bahn im Im-
                       soleszenz, der rasche Verfall der Güter,      braucht keine zusätzlichen Fahrplan-Slots.     port- und Exportverkehr zu stärken. Sonst
                       reduziert wird. Bei Kleidern und Schuhen                                                     haben wir punkto Entlastung der In­
                       zum Beispiel werden bis zur Hälfte der        Der Umlad in den Bahnhöfen wäre                frastruktur nichts gewonnen. Ich sehe
                       hergestellten Waren gar nie verkauft und      wohl nicht ganz einfach.                       da durchaus Parallelen zum Projekt der
                       getragen. Wenn es gelingt, diese Ver-         Ich bin mir bewusst, dass dadurch die Hal-     Neat.
                       schwendung zu reduzieren, würde auch          tezeiten eventuell grösser würden. Aber
                       das Verkehrswachstum gebremst. Das            wenn es das Ziel ist, Güter auf die Schiene
                       Gleiche gilt für die hohen Rücksendequo-      zu bringen und die Ballungsgebiete vom
                       ten im Onlinehandel, die aus Sicht der        Verkehr zu entlasten, müsste man solche
                       Nachhaltigkeit absurd sind.                   Lösungen prüfen. Das ist umso wichtiger,
                                                                     als der Trend zu noch kürzeren Liefer­
                       Welche Rolle kann die Bahn spielen?           zeiten geht. Man müsste studieren, wo
Foto: Hans Musterann

                       In der Schweiz haben wir trotz kurzer         geeignete Knotenpunkte eingerichtet wer-
                       Distanzen ein relativ hohes Fracht­           den können. Eventuell könnte der Umlad         Stefan Dingerkus (60) ist seit 2010 Dozent
                                                                                                                    an der Zürcher Hochschule für angewandte
                       aufkommen auf der Schiene. Das hat mit        für die Feinverteilung in einen Vororts-
                                                                                                                    Wissenschaften (ZHAW). Dort leitet er
                       dem Nachtfahrverbot auf der Strasse und       bahnhof verlegt werden, um nicht den           am Institut für Nachhaltige Entwicklung
                       mit der Effizienz der Bahn zu tun. Inter­     Hauptbahnhof in Anspruch zu nehmen.            den Forschungsbereich Integrale Logistik.

                       SBB Cargo 1 | 2017                                                                                                                        7
Drehscheibe am Rhein CEO-Talk mit Ultra-Brag- Chef Thomas Knopf - S. 18 - SBB Cargo
Drehscheibe am Rhein CEO-Talk mit Ultra-Brag- Chef Thomas Knopf - S. 18 - SBB Cargo
Logistikhauptstadt
der Schweiz
Basel will seine Stellung als führende Umschlagplattform des Landes
behaupten. Das Gateway Basel Nord, ein trimodales Terminal
für Schiene, Strasse und Rhein, soll diesem Anspruch gerecht werden.
Text: Pirmin Schilliger
Fotografie: David Küenzi
Drehscheibe am Rhein CEO-Talk mit Ultra-Brag- Chef Thomas Knopf - S. 18 - SBB Cargo
Schwerpunkt

D
          as Projekt für das Umschlag­      Haller, VR-Präsident der GBN. Das ge-       einbranden, könnte man sich in einer
          terminal ist weit fortgeschrit-   plante Umschlagterminal eröffnet neue       Natur­idylle wähnen. Tatsächlich haben im
          ten. Die Planung liegt in den     Möglichkeiten für die Abwicklung der        Laufe der letzten Jahrzehnte seltene
          Händen der im Sommer 2015         Logistikkette zwischen den Nordseehäfen     Pflanzen und schützenswerte Tiere wie
gegründeten Gateway Basel Nord AG           und der Schweiz. Im Moment präsentiert      Tagfalter oder Schlingnatter das Areal
(GBN) mit SBB Cargo, Hupac und Contargo     sich das rund 137 000 m² grosse Gelände     erobert. «Aufgrund der Artenvielfalt zählt
als Trägern und Partnern. Im Mittelpunkt    noch als Brache, abgesehen von der 2007     die Fläche zum nationalen Inventar der
steht ein Areal des ehemaligen Rangier-     pro­v isorisch  erweiterten   Zollanlage    Trockenwiesen und -weiden», erklärt Beat
bahnhofs der Deutschen Bahn, das sich       (PEZA) des Bundesamts für Strassen          Lampart, Projektleiter des Terminals
als Logistikstandort geradezu anbietet.     (ASTRA). SBB Cargo hat das seit den frü-    GBN, beim Rundgang im Gelände. Alte
Es grenzt im Südwesten ans bestehende       hen neunziger Jahren ansonsten unbe-        Trassen zeichnen sich verschwommen ab.
Hafengebiet und ist knapp einen Kilome-     nutzte Grundstück im Jahr 2003 in weiser    Zwischen Stein und Schotter spriessen
ter vom Rheinufer entfernt. Es erstreckt    Voraussicht erworben.                       Gräser und Gebüsch. Rostige und halb-
sich zwischen dem Bahndamm der Verbin-                                                  wegs überwucherte Gleise erinnern an
dung Basel–Karlsruhe, der Autobahn A2,      Die grösste Herausforderung                 vergangene Zeiten. Die aufgelassene Land-
der Grenze zu Deutschland und dem           Über das von Birken und Gebüsch bestan-     schaft hier draussen im Niemandsland
Flüsschen Wiese. «Der Standort ist ideal,   dene Gelände fliegt ein Elsternpaar. Wür-   zwischen Grenz- und Verkehrsschneisen
um Schiff, Bahn und LKW im Güterver-        de nicht der Lärm der Autos, Lastwagen      hat ihren besonderen Wert entwickelt. Sie
kehr optimal zu bedienen», sagt Martin      und Züge von überall auf die Einöde her-    ist Lebensraum und Vernetzungskorridor

Drei Viertel der Container gelangen mit
der Bahn von der Nordsee in die Schweiz:
Blick über das Hafenbecken 1.
diverser trockenliebender Pflanzen und
                       Tiere – schön für die Natur, kompliziert
                       für das geplante Vorhaben. «Für die vom
                       Projekt tangierte Flora und Fauna haben
                       wir ökologischen Ausgleich geplant», sagt
                       Lampart. Das Auffinden der in der Region
                       nur knapp verfügbaren Ersatzflächen war
                       die eigentliche Knacknuss, die die Projekt-
                       verantwortlichen herausforderte. Im lau-
                       fenden Verfahren wird sich weisen, ob
                       die Hürde geschafft ist und die Bagger
                       noch in diesem Jahr auffahren können.
                           Lampart zeichnet in die Luft die Um-
                       risse dessen, was bald schon hier stehen
                       könnte: fünf Portalkräne, die sich als
                       stählerne Bögen in den Horizont schneiden,
                       darunter sechs Umschlaggleise, gesäumt
                       von vier gestapelten Containerreihen, flan-
                       kiert vom Hafenbecken, Abfertigungsplätze
                       für die LKWs, Zufahrtsstrassen, Anschluss-
                       gleise, ein paar Gebäude … Und überall                    «Wir werden beweisen, dass die Ziele realistisch
                       emsiges Treiben, dominiert von den zwi-                   sind»: die beiden GBN-Projektverantwortlichen
                       schen Schiffen, LKWs und Zügen zirkulie-                  Haller (r.) und Lampart.

                       renden Containern. Der künftige Betrieb
                       ist mittels Computersimulation bereits
                       erlebbar. «Dank der Länge des Hafenbe-
                       ckens und der Gleise kann die gesamte
                       Schiffsfracht auf bis zu 750 Meter lange
                       internationale Züge umgeladen werden,
                       und zwar ohne zusätzliche Rangierbe­           skizzieren, könnte bald schon Realität
                       wegungen», sagt Haller. Heute müssen die       sein. Das Plangenehmigungsverfahren für
                       Züge, weil die Gleise an den Quais lediglich   den ersten Ausbauschritt des Umschlag-
                       150 bis 200 Meter lang sind, zuerst geteilt    terminals hat die öffentliche Auflage pas-                  «Der Standort
                       und dann mühsam wieder zusammen­
                       gekuppelt werden.
                                                                      siert. Es wird nun vom Bundesamt für
                                                                      Verkehr mit den Stellungnahmen der
                                                                                                                               ist ideal, um Schiff,
                       Spürbare Entlastung
                                                                      Fachbehörden geprüft. «Im Idealfall rech-
                                                                      nen wir mit Baubeginn im Verlauf von
                                                                                                                                  Bahn und LKW
                       Die wirtschaftlichen Vorteile der neuen        2017», so Lampart. Die erste Etappe des                    im Güterverkehr
                       Anlage sind bedeutend: optimierte Ab­          Ausbaus wird 73 Millionen Franken kos-
                       läufe, effizienterer Bahnwageneinsatz,         ten. Der Bund wird maximal vier Fünftel,                      optimal zu
                       Mengen- und Preisvorteile, Produktions­
                       gewinne, Pünktlichkeit und Qualität. «Die
                                                                      die GBN den Rest des Betrags überneh-
                                                                      men – über den Förderbetrag des Ter­
                                                                                                                                    bedienen.»
                       Schweiz braucht das Terminal jetzt; es er-     minals wird ebenfalls im Verlauf von 2017                        MARTIN HALLER,
                       möglicht ein kostensparendes und wettbe-       definitiv entschieden. Haller und Lampart                     VR-PRÄSIDENT DER GBN

                       werbsfähiges Arbeiten. Durch Bündelung         sind mit dem bislang erzielten Planungs-
                       der Mengen und schnelle Durchlaufzeiten        fortschritt zufrieden. «Es gab zwar nicht
Foto: Hans Musterann

                       können die Kosten pro Sendung deutlich         schlaflose Nächte, aber viele lange und
                       gesenkt werden», betont Holger Bochow,         überaus intensive Arbeitstage», meint
                       Geschäftsführer von Contargo.                  Lampart. Das Umschlagterminal könnte,
                           Der «Quantensprung auf dem Logis-          wenn alles wunschgemäss läuft, 2019
                       tikstandort Basel», den die Projektträger      fertig sein. Vorerst in einer bimodalen >

                       SBB Cargo 1 | 2017                                                                                                                 11
Schwerpunkt

Variante für den Umschlag Strasse/            lisierung ist eine Aufgabe der SRH. Pro-
Schiene, mit einer jährlichen Kapazität von   jektleiter Florian Röthlingshöfer wählt
140 000 TEU oder rund 93300 Containern. *   nicht zufällig den Standort an der Grenz-
    Die neue Anlage verspricht eine spür-     brücke, um die Pläne und den Projekt-                               «Es gab zwar
bare Entlastung angesichts des unaufhalt-     stand im Detail zu erörtern. Genau hier,
sam wachsenden Warenflusses auf den           wo das Hafenbecken 2 heute endet, soll                             nicht schlaflose
Weltmeeren. Die Seehäfen Rotterdam,
Antwerpen und Hamburg bauen ihre
                                              das künftige Hafenbecken 3 beginnen. Im
                                              ersten Teil führt es unter der Autobahn-
                                                                                                                  Nächte, aber
Kapazitäten massiv aus. Der Container-        grenzbrücke hindurch ostwärts, um dann                             viele lange und
verkehr zwischen der Nordsee und den          im beinahe rechten Winkel südwärts
Schweizerischen Rheinhäfen (SRH) dürf-        zum neuen Containerterminal zu stossen.                           überaus intensive
te sich laut Studien in den nächsten zwan-    «Der technische Berührungspunkt zwi-
zig Jahren nahezu verdoppeln. Mit der         schen dem Hafenbecken 3 und dem Um-                                 Arbeitstage.»
heutigen Infrastruktur kann das Wachs-        schlagterminal ist die Kante der Hafenbe-                                 BEAT LAMPART,
tum im schiffseitigen Containerverkehr        ckenmauer Ost», präzisiert Röthlingshöfer,                              PROJEKTLEITER GBN
nicht mehr lange bewältigt werden. Aus­       während er seinen Blick zurück zum
serdem verliert der Raum Basel Umschlag-      Hafenbecken 2 schweifen lässt. Die beiden
kapazitäten in der Grössenordnung von         Quais säumen Krane, Silos, Lagerhallen –
100 000 TEU. Die Areale der Ter­minals        eine von industriellen Zweckbauten, Stras-
Basel Wolf sowie am Westquai des Hafen-       sen und Gleisen geprägte, von logistischen
beckens 1 werden mittelfristig ihren Stand-   Bewegungen dominierte Landschaft.
ort wechseln müssen. Sie stehen dem           Die hier und weiter südlich am Hafen-
Containerumschlag dann nicht mehr zur         becken 1 versammelten Logistiker – Beton
Verfügung. Am Rheinknie gibt es also          AG, Contargo, Rhenus Contract bzw. >
enormen Handlungsbedarf. Heute tauscht
die Schweizer Wirtschaft jährlich Waren
im Umfang von über 400 000 TEU im
kombinierten Verkehr mit den Seehäfen
                                                                                      DEU
aus. Rund ein Viertel des Umschlags er-                                                      TSC
                                                                              EICH

                                                                                                    HL A
                                                                                                           ND
                                                                                     SCH
folgt per Schiff in den Rheinhäfen. Drei
                                                                            NK R

                                                                                           W E IZ
                                                                           FR A

Viertel der Container gelangen mit der
Bahn von der Nordsee in die Schweiz. Im
Jahr 2030 ist am Rheinknie, so die Prog-
                                                                                                                Hafenbecken 2        A2
nosen, über alle Verkehrsträger hinweg
                                                                           Hafenbecken 1
mit über 600 000 TEU zu rechnen.

Terminal mit Wasseranschluss
                                                                                                                                          Standort Bild
Damit das neue «Gateway Basel Nord»
seine Schlüsselfunktion vollständig aus-
                                                                R H E IN

füllen kann, muss er in einem zweiten
                                                                                                                                       Hafenbecken 3
Ausbauschritt zum trimodalen Terminal
mit schiffbarem Wasseranschluss erwei-
                                                                            Hafenbahn
tert werden. So kann er im Vollausbau eine
jährliche Umschlagkapazität von an­
nähernd 400 000 TEU bieten. Das ent-                    HAFENBECKEN 3 –
scheidende Puzzlestück, das dazu noch                   DAS LETZTE PUZZLESTÜCK                                                  Containerterminal
                                                                                                                                                               Foto: Hans Musterann

fehlt, ist das Hafenbecken 3. Dessen Rea­               Mit dem Hafenbecken 3 erreicht das «Gateway
                                                        Basel Nord» seine volle Leistungsfähigkeit
                                                        als trimodales Terminal mit einer jährlichen
* 1 Container entspricht 1,5 TEU                        ­Umschlagkapazität von annähernd 400 000 TEU.
1 TEU = Twenty-foot Equivalent Unit
= 6,058 × 2,438 × 2,591 m³

12                                                                                                                                       SBB Cargo 1 | 2017
Genau hier, beim Bahndamm unter der Autobahn A2,
erfolgt im Projekt Gateway Basel Nord die Erweiterung
des Hafenbeckens 2 um das neue Hafenbecken 3.
Die Markierung auf der Karte (siehe linke Seite) zeigt
die Stelle des geplanten Durchbruchs.

                                                         >
Schwerpunkt

                                                                                              die grössten Rheinschiffe mit Frachten
                                                                                              bis zu 300 TEU – rund 200 LKWs oder
                                                                                              drei Güterzügen entsprechend – können
                                                                                              dann rasch entladen werden. Ein mo­
                                                                                              dernes Schiffsanmeldesystem garantiert
                                                                                              effiziente Abläufe.
                                                                                                  Der Bau des Hafenbeckens 3 bedingt
                                                                                              im Umfeld einige bauliche Massnahmen:
                                                                                              an der Bahnzufahrtsstrecke, der Grenz-
                                                                                              strasse und einigen Werkleitungen. Zwei
                                                                                              Brückenpfeilerpaare der aufgeständerten
                                                                                              A2-Autobahn müssen dem Wasser wei-
                                                                                              chen. Sie werden durch eine Abfangkonst-
                                                                                              ruktion ersetzt, die sowohl die Autobahn
                                                                                              wie die Grenzstrassenbrücke stützen wird.
                                                                                                  Um das Projekt zur Baureife voranzu-
                                                                                              treiben, laufen im Moment Verhand­lungen
                                                                                              mit der Deutschen Bahn und dem Kanton
                                                                                              Basel-Stadt. Maximal die Hälfte der
                                                                                              110 Millionen Franken für das Hafen­
              «Vielfältige Interessen der
              Logistik- und Hafenwirtschaft»:                                                 becken 3 soll auf Basis des Gütertransport­
              GBN-Projektleiter                                                               gesetzes vom Bund gefördert werden, der
              Florian Röthlingshöfer.                                                         Rest wird über den Kanton Basel-Stadt
                                                                                              und die SRH finanziert. «Eine Länder-
                                                                                              grenze, zwei Staaten, ein Staatsvertrag,
                                                                                              zwei Kantone, die vielfältigen Interessen
                                                                                              der Logistik- und Hafenwirtschaft – es ist
                                                Port Logistics, Satram-Huiles, Swisster­      ein komplexes Projekt, ein Marathon»,
                                                minal, Ultra-Brag – schlagen sowohl klas­     meint Röthlingshöfer. Wenn alles optimal
                                                sische Massengüter wie Stahl, Buntmetalle,    läuft, könnte 2019 mit dem Aushub begon-
                                                Treib- und Brennstoffe, Getreide usw. als     nen und das Hafenbecken 3 nach drei­
                                                auch immer mehr Container um. Im Auf-         jähriger Bauzeit 2022 eingeweiht werden.
 «Eine Ländergrenze,                            trag der Landeigner Basel-Stadt und Basel-    Zur definitiven Vollendung des Gesamt­
                                                landschaft verwalten und entwickeln die       projekts Gateway Basel Nord soll auf
   zwei Staaten, ein                            SRH die Hafenareale, kümmern sich um          diesen Zeitpunkt hin das neue Umschlag-
  Staatsvertrag, zwei                           die Infrastrukturen, koordinieren die Ab-
                                                läufe zu Lande und zu Wasser und sorgen
                                                                                              terminal erweitert und ans Wasser an­
                                                                                              geschlossen werden.
 Kantone – es ist ein                           dafür, dass die Rahmenbedingungen für
                                                die Hafenwirtschaft und die Schifffahrt       Ehrgeizige Ziele
komplexes Projekt, ein                          zusammenspielen, heute und in Zukunft.        Fest steht: Mit der Inbetriebnahme des
                                                    Das Hafenbecken 3 wird auf eine Tiefe     trimodalen Umschlagterminals GBN wer-
     Marathon.»                                 von 4 Metern ausgelegt. Alle Schiffstypen,    den die Container für die Schweiz am
      FLORIAN RÖTHLINGSHÖFER,                   die standardmässig 11,45 Meter breit und      neuen Standort im Hafen Kleinhüningen
         GBN-PROJEKTLEITER                      in Koppelverbänden bis 185 Meter lang         zusammengelegt. Für die optimale Bünde-
                                                sind, werden hier navigieren können. Das      lung der Verkehre funktioniert der GBN
                                                330 Meter lange Becken bietet Platz für       wie ein Hauptbahnhof für kranbare
                                                                                                                                              Foto: Hans Musterann

                                                zwei Koppelverbände, welche über zwei         Be­hälter wie Container, Wechselbrücken
                                                Schiffsbreiten durch die moderne Kran­        und Trailer.
                                                anlage bedient werden. Am westlichen Lie-         Die Beteiligten steuern mit dem Aus-
                                                geplatz ist eine Warteposition für den        bauprojekt auf einen historischen Moment
                                                schnellen Schiffswechsel vorgesehen. Selbst   zu, auch SBB Cargo. Die SBB ist seit Anbe-

14                                                                                                                      SBB Cargo 1 | 2017
Dreiländereck
                                                                              im Fokus
                                                                        Statt in Basel Nord könnte das
                       ginn in den Rheinhäfen als Bahnunterneh-
                       merin aktiv. Sie erlebte seit der Eröffnung      neue Umschlagterminal auch in
                       im Jahre 1911 alle Ausbauphasen und
                       Transportepochen, von der Kohle über
                                                                     Weil am Rhein (D) angesiedelt werden,
                       das Mineralöl bis zum Container. Heute            lautet ein Vorschlag. Wirklich?
                       verbindet SBB Cargo die Hafenbahnhöfe
                       mit 350 Bedienpunkten für den Wagen­
                       ladungsverkehr und acht Terminals für
                       den Containerumschlag in der ganzen
                       Schweiz. Die Logistikdrehscheibe in Basel
                       beschäftigt rund 7700 Personen und
                       schlägt über 6 Millionen Tonnen Güter
                       jährlich um, 10 Prozent des nationalen
                       Transportvolumens. Davon werden knapp
                       zwei Drittel mit der Bahn weiterbefördert.
                       SBB Cargo ist auf dem Hafengelände für
                       rund 90 Prozent der Bahnbewegungen              Mehrere Gründe sprechen gegen ein solches Vorhaben:
                       verantwortlich.                                 Weil am Rhein (D) bietet nur eine sehr eingeschränkte Bahn-
                           Der heutige Bahnanteil von lediglich        infrastruktur. Die Projektidee ist somit eng an den Neubau
                       10 Prozent beim Containerumschlag soll          eines Autobahnanschlusses verknüpft, dessen Planung, Um-
                       mit dem neuen GBN für den Weitertrans-          setzung und Finanzierung noch nicht gesichert sind. Die
                       port in der Schweiz auf 50 Prozent gestei-      Container würden also vom Rhein auf die Strasse verladen
                       gert werden. «Skeptische Stimmen argu-          und per LKW weiterspediert – ein Widerspruch zu den
                       mentieren, dass wir uns zu ehrgeizige           politischen Wünschen der Schweiz.
                       Verlagerungsziele setzen», räumt Lam-               Nicht zuletzt gibt es strategische und wirtschaftliche
                       part ein. «Aber wir werden beweisen,            Gründe dafür, den Containerumschlag möglichst innerhalb
                       dass diese Ziele realistisch sind.» Das GBN     der Landesgrenzen abzuwickeln. Gemäss einer aktuellen
                       könnte die Stadt Basel dereinst von rund        Studie* fallen durch das GBN in der Investitionsphase
                       115 000 LKW-Fahrten jährlich entlasten.         (2019 bis 2022) einmalig 149,1 Millionen Franken Brutto­
                       Ausserdem ist es strategisch hervorragend       wertschöpfung und 321 Arbeitsplätze bei Schweizer Unter-
                       positioniert. «Dank seiner Lage und             nehmen an. Hinzu kommen gemäss dieser Prognosen durch
                       dank seiner Umschlagmöglichkeiten ist           die Logistiktätigkeiten im laufenden Betrieb ab 2030 dauer-
                       es prädestiniert, an der wichtigsten euro­      haft jährlich nochmals insgesamt 89 Millionen Franken
                       päischen Nord-Süd-Güterverkehrsachse            Bruttowertschöpfung und 578 Arbeitsplätze.
                       zusätzlich kombinierten Verkehr zu verar-           Als One-Stop-Drehscheibe an der Grenze erlaubt das
                       beiten», sagt Lampart. Auch jene langen         GBN sowohl die Zollabfertigung wie auch den trimodalen
                       und schweren Güterzüge, die nach der Er-        Containerumschlag. Weitere inländische Standorte, die all
                       öffnung des Ceneri-Tunnels ab 2020 auf          diese Vorteile bieten, gibt es nicht. Stromaufwärts beschrän-
                       der zur alpinen Flachbahn ausgebauten           ken die Brücken in Basel den Containerschiffen einen opti-
                       Gotthardstrecke verkehren werden, wird          malen Wasserweg.
                       man dann im Gateway Basel Nord schnell              Klar ist: Ohne GBN würde sich der Containerumschlag
                       und speditiv bedienen können. Das Gate-         ins Ausland verlagern und von dort auf die Strasse und nicht
                       way-Konzept dient somit der Verlagerung         auf die Schiene. Noch mehr Güter gelangten dann per LKW
                       von Import-, Export und Transitverkehr          in die Schweiz. «Das ist aus Schweizer Optik keine Alterna­
                       von der Strasse auf die Schiene.                tive», sagt GBN-Projektleiter Beat Lampart. «Das GBN ist
                                                                       die letzte und einzige Möglichkeit, um die Rheinhäfen noch
Foto: Hans Musterann

                                                                       besser an die Schweiz und das Meer anzubinden», verdeut-
                                                                       licht Florian Röthlingshöfer. (PS)
                                                                       * Die Studie «Volkswirtschaftliche Bedeutung des trimodalen Terminals
                                                                       Gateway Basel Nord» wurde durch die BAK Basel Economics AG im Auftrag
                                                                       der Gateway Basel Nord AG und von Port of Switzerland durchgeführt.

                       SBB Cargo 1 | 2017                                                                                                     15
Wer sagt was?

                               «Man riecht
      Umfrage: Robert Wildi

                                das Meer»
                                    Braucht die Schweiz ein neues
                              ­trimodales ­Hafenterminal? Meinungen
                                                                                                                        NILS PLANZER
                                  und Einschätzungen von Experten                                                       CEO Planzer
                                                                                                                        Transport AG
                                   zum Gateway Basel Nord (GBN).
                                                                                                     «Entwicklungen wie das GBN erachten
                                                                                                     wir als sehr wichtig, da in einer glo-
                                                                                                     balisierten Welt die Schnittstellenfähig-
                                                                                                     keit mit verschiedenen Handelspart-
                                                                                                     nern von existenzieller Bedeutung ist.
                                                                                                     Eine nachhaltig ausgerichtete Mo-
                                                                                                     bilität ist von höchster Bedeutung, um
                                                                                                     auch zukünftig wettbewerbsfähig zu
                                                                                                     sein. Als Binnenland ist es strategisch
                                                              «Der Wohlstand in                      wichtig, eine effiziente Terminalstruktur
                                   Prof. Dr.                                                         in eigenen Händen zu halten. Planzer
                                   WOLFGANG STÖLZLE           der Schweiz hängt                      als Familien-AG investiert in Generatio­-
                                                                                                     nen und setzt seit Jahrzehnten auf
                                   Universität St. Gallen *
                                                               stark von einem                       einen vernünftigen Modal Split Strasse/
«Der Wohlstand in der Schweiz hängt stark                      leistungsfähigen                      Schiene. Wir unterstützen die Inves-
von einem leistungsfähigen Aussen­                                                                   tition GBN und versuchen, unseren Bei-
handel ab. Gepaart mit einer anspruchs-                       Aussenhandel ab.»                      trag zu leisten, damit die Güter un-
vollen Topografie bedeutet dies, dass                             WOLFGANG STÖLZLE                   serer Kunden auch zukünftig effizient
Güterströme möglichst ohne Reibungs-                                                                 rollen und sich die Schweiz nach
verluste den jeweils geeigneten Ver-                                                                 vorne bewegt.»
kehrsträger nutzen müssen. Genau hier
setzt das GBN an: Die ideale Ver-
knüpfung der Verkehrsträger Binnen-
schiff, Schiene und Strasse an einem logis-
tischen Hot Spot der Schweiz, kom-
biniert mit moderner Umschlagtechno­
logie, steht Pate für die Leistungs-
fähigkeit von Güterverkehren im Import,
Export und Transit. Gerade weil                                                  ANITA FETZ
Güter keine Stimme bei Wahlen haben:                                             Ständerätin (SP) Basel-Stadt
Die Realisierung des GBN würde
auch für eine Modernisierung der Ver-                          «Viele wissen nicht, dass Basel Nordseeanschluss hat. Dabei riecht man
kehrsinfrastruktur stehen und ein                              bei uns schon fast das Meer! Der Hafen ist einer meiner Lieblings-
positives Zeichen zugunsten des Logistik-                      plätze und verleiht meiner Stadt einen Hauch von grosser Welt. Wir in
standorts Schweiz setzen. Dies sollte                          Basel unterstützen unseren Hafen, wo wir können. Auch im Interesse
der Politik bewusst sein.»                                     der gesamten Schweiz: Ein Drittel aller Schweizer Mineralölimporte und
                                                               ein Viertel aller Ein- und Ausfuhren in Containern werden hier ab-
* Ordinarius, Lehrstuhl für Logistikmanagement
                                                               gewickelt. Unterm Strich kommt ein Achtel aller Waren über den Basler
                                                                                                                                                    Foto: Hans Musterann

                                                               Hafen ins Land. Der Containerverkehr via Rhein wird zunehmen:
                                                               Wer den ausgebauten Port in Rotterdam gesehen hat, hat eine Vorstel-
                                                               lung davon.»

16                                                                                                                            SBB Cargo 1 | 2017
ERIC MALITZKE
                                                   CEO Fiege Logistik (Schweiz) AG

                               «Infrastrukturen massgeblichen Umfangs werden nicht auf Nachfrage
                               gebaut. Realisierungszeiträume von zehn bis zwanzig Jahren sowie                                          CHRISTOPH
                               die erhoffte Nutzungsdauer von mehreren Jahrzehnten bedürfen immer                                        BRUTSCHIN
                               eines grossen Wurfs. Eine effiziente Hinterlandverbindung von den                                         Regierungsrat (SP) *
                               grossen Nordhäfen in die Schweiz sowie die angrenzenden Regionen
                               braucht in Zukunft eine leistungsfähige, effiziente und trimodale                   «Für mich als Volkswirtschaftsminister
                               Hafeninfrastruktur. Innovative, weitsichtige und nachhaltige Projekte               des Kantons Basel-Stadt ist das GBN
                               wie das GBN, der Ausbau des 4-Meter-Korridors oder Cargo Souter-                    von zentraler Bedeutung für die Region
                               rain sind Voraussetzungen für Logistiklösungen der Zukunft.»                        Basel und die ganze Schweiz.
                                                                                                                   Wir brauchen eine nationale Dreh-
                                                                                                                   scheibe für den Containerverkehr, um
                                                                                                                   die Hoheit über die Verkehrsströme
                                                                                                                   zu behalten. Die Logistikregion Basel, am
                                                                                                                   wichtigsten Güterverkehrskorridor
                                                                                         LUCIA                     Europas von Rotterdam bis Genua
                                                                                         LAUENER-ZWYER             gelegen, steht im Wettbewerb mit den
                                                                                         Geschäftsführerin         Binnen­häfen entlang des Rheins
                                                                                         Alpen-Initiative          und mit ausländischen Landterminals.
                                             MICHAIL STAHLHUT                                                      Zur Stärkung der Rheinschifffahrt
                                             CEO SBB Cargo            «Die Alpen-Initiative begrüsst jede          und der Schweizerischen Rheinhäfen ist
                                             International AG         Anstrengung, um die Güter von                der Bau des Hafenbeckens 3 unab-
                                                                      der Strasse auf die Schiene zu bringen.      dingbar. Nicht nur unsere Region, die
                       «Das GBN bietet die historische Chance,        Das Projekt Gateway Basel Nord               ganze Schweiz profitiert von einem
                       dem Handelsplatz Schweiz eine hoch-            kann diesbezüglich einen wichtigen           Güterhauptbahnhof, um die Container
                       effiziente Anbindung an das maritime           Beitrag leisten, da es die Transportkette    zu bündeln und vom Schiff auf die
                       Netz im kombinierten Güterverkehr              Schiff/Bahn stärkt. Diese muss in            Schiene zu bringen.»
                       sicherzustellen. Dank einer signifikanten      dem trimodalen Projekt absolute Prio-
                                                                                                                   * Vorsteher Departement für Wirtschaft, Soziales
                       Kapazitätserhöhung des Terminal­-              rität geniessen. Das GBN bietet die          und Umwelt des Kantons Basel-Stadt
                       abfertigungsvolumens im Vergleich zu           Chance, den alpenquerenden Güterver-
                       herkömmlichen Umschlaganlagen                  kehr menschen- und umweltfreund-
                       könnten die enormen Stückkostenvortei-         licher zu gestalten. Mit Infrastruktur
                       le, welche die Eisenbahn auszeichnen,          allein aber ist noch nichts gewon-
                       endlich viel stärker auch in der Schweiz       nen. Der Transport auf der Strasse ist
                       ausgespielt werden. Wir sind auf jeden         nach wie vor zu billig und wir müssen die
                       Fall in den Startlöchern, die Nordrange-       Frage stellen: Bei welchen Gütern
                       Häfen Rotterdam, Antwerpen und                 ist es überhaupt sinnvoll, dass sie über
                       Hamburg an den Schweizer Binnen­               immer grössere Distanzen trans­-
                       verkehr auf der Schiene anzudocken.            portiert werden?»
                       Das Gateway Basel Nord würde uns dies
                       erlauben und damit vor allem den
                       Handelsplatz nachhaltig stärken. Natür-
                       lich müssten auch die Bedingungen
                       passen. Gerade unsere Kunden aus dem
                       deutschen Speditionsumfeld erwarten
                       im Zuge von Gateway Basel Nord                                           BETTINA RESCH
                       Angebote, welche das aktuelle kommer­                                    Transport Operations Manager, Ikea Supply AG
                       zielle Niveau verbessern.»
                                                                              «Das GBN ist ein wichtiger Schritt, um intermodale Lösungen im
                                                                              internationalen Transportmarkt voranzutreiben. Darüber hinaus
                                                                              ermöglicht uns dieses Projekt, die verschiedenen Verkehrsträger opti-
                                                                              mal zu kombinieren und damit ihr Gesamtpotenzial auszuschöpfen.
Foto: Hans Musterann

                                                                              Ikea Transport hat heute bereits intermodale Lösungen in die globale
                                                                              Transportkette integriert, und wir werden auch zukünftig viel Wert
                                                                              darauf legen. Darum sind wir an Weiterentwicklungen in diesem Bereich
                                                                              sehr interessiert.»

                       SBB Cargo 1 | 2017                                                                                                                      17
«Ohne Logistik kann die Wirtschaft nicht existieren»:
Thomas Knopf (r.) und Nicolas Perrin vor dem
Hauptsitz von Ultra-Brag.

                                                        Foto: Hans Musterann
CEO-Talk CEO-Talk

                       «Die Zeiten des Gegen­­einanders
                       sind vorbei»
                       Welche Bedeutung hat Basel als Logistikdrehscheibe der Zukunft?
                       Gespräch zwischen Thomas Knopf, CEO des Baselbieter Schifffahrts- und
                       Hafenlogistikers Ultra-Brag, und Nicolas Perrin, CEO von SBB Cargo.
                       Interview: Roy Spring
                       Fotografie: Daniel Winkler

                       Herr Knopf, als gebürtiger Basler sind      führendes Unternehmen in den Rhein­          Papierindustrie, für die wir früher grosse
                       Sie sicher stolz auf den FCB.               häfen schlagen wir im Jahr etwa eine Mil-    Mengen an Zellulose umgeschlagen ha-
                       THOMAS KNOPF: Natürlich bin ich gros­       lion Tonnen Waren um, seien es Getreide-     ben, ist mehr oder weniger verschwunden.
                       ser FCB-Fan! Ich habe eine Saisonkarte      und Futtermittel, Schwer- und Massen-        Ebenfalls auf dem Rückzug ist die Stahl­
                       und besuche regelmässig Fussballspiele.     güter oder Container. Der Vor- und Nach-     industrie – es existieren nur noch zwei
                       Ein grosses Ereignis war aus beruflicher    lauf auf der Schiene spielt für uns eine     grosse Werke in der Schweiz. Dieser Wan-
                       Sicht, als wir kürzlich im Hafen unter      zentrale Rolle. Wir haben gemeinsame         del findet sehr schnell statt, daher müssen
                       grösster Geheimhaltung den neuen FCB-       Kundenprojekte, bei denen wir in der Bin-    wir möglichst flexibel bleiben, um auf
                       Mannschaftsbus umschlagen durften.          nenschifffahrt den Umschlag abwickeln        neue Situationen sofort reagieren zu kön-
                       Dieser wurde dann auf einem Floss im        und auf die Schiene weiterführen, so etwa    nen.
                       Rhein feierlich eingeweiht. Genau wie der   von Norddeutschland nach Italien und         PERRIN: Die Margen sind extrem tief.
                       Club sind auch wir täglich gefordert,       umgekehrt.                                   Diese Tatsache wird nach wie vor durch
                       best of the class zu bleiben.               PERRIN: Die Rheinhäfen spielen auch bei      die Problematik des starken Frankens ver-
                                                                   uns eine wichtige Rolle. Fast zehn Prozent   schärft. Die Luft wird immer dünner.
                       Herr Perrin, was verbindet Sie              des Binnenvolumens wird in den Rhein­        Doch ich bleibe optimistisch, denn ohne
                       mit Basel?                                  häfen generiert. Man spricht immer von       Logistik kann die Wirtschaft letztlich
                       NICOLAS PERRIN: Ich hatte in der Nord-      Containern, doch auch konventionelle         nicht existieren. Ein Standort ohne eine
                       westschweiz meinen ersten Job. In dieser    Umschläge und Massengüter – Getreide,        starke Logistik vor Ort wird langfristig
                       Zeit trainierte ich bei einem Wasserfahr-   Stahl oder Mineralöl – haben nach wie vor    seine Probleme haben.
                       verein und bin mit dem Weidling um die      einen hohen Anteil. Wir müssen auch in
                       Brücken gekurvt. Als Wasserfahrer habe      diesem Geschäft innovativ bleiben.           Wie beeinflusst die Deindustrialisierung
                       ich den Rhein kennen und schätzen ge-                                                    der Schweiz die Warenströme?
                       lernt. Ich kenne fast jede Strömung!        Wie beurteilen Sie die Logistikbranche       PERRIN: Die Auswirkungen sind komplex.
                                                                   in der Schweiz?                              Da die Schweiz immer weniger produziert
Foto: Hans Musterann

                       SBB Cargo und Ultra-Brag blicken auf        KNOPF: Wir leiden nach wie vor unter         und gleichzeitig immer mehr importiert,
                       eine lange Zusammenarbeit zurück.           gros­sem Preisdruck. Zusätzlich gefordert    verändern sich die Abläufe. Umgekehrt
                       Wo liegen die Gemeinsamkeiten?              sind wir aufgrund von Volumenverän­          führen zum Beispiel die steigenden Recyc-
                       KNOPF: Alle unsere Anlagen sind trimodal    derungen, veränderten Verkehrsströmen        lingtransport zu mehr Exportvolumen,
                       ausgerichtet, also mit Bahnanschluss. Als   und neuen Provenienzen. Die Schweizer        da sich die Abnehmer von Altglas und >

                       SBB Cargo 1 | 2017                                                                                                              19
CEO-Talk

                                                                                                               Anteil
                                                                                                               von Ultra-Brag:
                                                                                                               circa 16 Prozent
                                                                                                               am Gesamt­
                                                                                                               volumen (2015)

                                                     10   in Mio. Tonnen
Altpapier zumeist im Ausland befinden.
Insgesamt müssen wir uns mit einer neu-
en Organisation der Warenströme ausein-
                                                      8
andersetzen.
KNOPF: Tendenziell gehen wir davon aus,
dass die Unpaarigkeit zwischen Import
und Export zunehmen wird, was sich                    6
negativ auf die Kostenstruktur auswirkt.                         SCHIFFSGÜTERVERKEHR IN DEN
Dazu kommt, dass wir sehr immobil auf-                           RHEINHÄFEN SEIT 1955
gestellt sind; seit 2007 haben wir über                          Heute werden in den drei Hafenteilen
110 Millionen Franken in Infrastruktur in-            4
                                                                 Basel-Kleinhüningen, Birsfelden
vestiert. Ein Silo zum Beispiel ist auf einen                    und Muttenz-Au jährlich über
Zeitraum von 50 Jahren ausgelegt; hier                           6 Millionen Tonnen umgeschlagen.
                                                                   Import    Export
muss unser Geschäftsmodell also lang-                 2
fristig sein. Doch je schneller sich das
Marktumfeld verändert, desto schwieriger
wird das Investieren. Das heisst, wir
müssen unsere Infrastrukturen künftig so              0

auslegen, dass wir sie den sich permanent                    1960          1970         1980            1990           2000       2010

 «Wir dürfen uns nicht die
                                                obachten: Man versucht heute eher, auf             Niemand weiss, wie es dann weitergeht –
Zukunft verbauen, sondern                       Augenhöhe ein gemeinsames Konzept zu               und unter diesen Voraussetzungen ist
    wir müssen uns alle                         entwickeln. Es ist nicht mehr ein Kampf            heute niemand bereit, dort zu investieren.
                                                um die Vorherrschaft, sondern einer um             PERRIN: Im Schweizer Vergleich hat Basel
  ­Optionen offenhalten.»                       die besten Lösungen für unsere Kunden.             die wahrscheinlich höchste Affinität zur
              THOMAS KNOPF                      KNOPF: Die Zeiten des Gegeneinanders               Logistik. Doch die Stadt steht unter enor-
                                                sind definitiv vorbei. Heute braucht es            mem Siedlungsdruck. Wolf, Dreispitz –
                                                transparente und partnerschaftliche                überall sind neue Quartiere geplant. Die
                                                Konzepte mit einer Gesamtkostenstruk-              Logistik ist flächenintensiv, und in der
verändernden Gegebenheiten so gut wie           tur, bei der jeder etwas verdienen kann.           Schweiz ist nicht mehr viel Freiraum vor-
möglich anpassen können. Wer diesen                                                                handen. Deshalb müssen wir mehr aus
Spagat am besten beherrscht, hat in unse-       Das Getreidesilo von Ultra-Brag ist mit            den bestehenden Arealen herausholen.
rem Geschäft die besten Karten.                 83,6 Metern das dritthöchste Gebäude               Wenn wir die Logistikflächen klar definie-
                                                der Stadt – eine Art Wahrzeichen.                  ren und optimal ausnutzen, haben wir
Welche Strategien führen zum Ziel?              Wird Basel seiner Bedeutung als Logistik-          dort die nötige Planungssicherheit und
KNOPF: Im Zuge der Digitalisierung bie-         ­standort gerecht?                                 können auf lange Frist investieren. Die SBB
ten sich einmalige Chancen, Kapazitäten          KNOPF: Unser Silo ist – nach dem Roche-           hat deshalb mit beiden Basel im Rahmen
effizienter auszulasten. Ein Beispiel: Mehr     Tower mit 178 Metern und dem Messe-                der Gesamtperspektiven die zukünftige
als ein Drittel der Container, die die           turm mit 105 Metern – nach wie vor Basels         Nutzung der Logistikflächen vereinbart.
Schweizerischen Rheinhäfen erreichen             höchstes Industriegebäude. Die Spedi-
oder verlassen, ist heute leer. Da gibt          tions- und Logistikbranche gilt im Kanton         KNOPF:   Es ist eine philosophische Frage:
es viel zu optimieren. Zudem müssen wir          Basel-Stadt als Schlüsselbranche und liegt        Entweder man setzt auf möglichst grosse
vermehrt in Partnerschaften denken, um           im Fokus der Kantonsregierung. Das Dilem-         Infrastrukturen oder man denkt eher de-
unsere Mittel noch wirkungsvoller einset-        ma ist jedoch, dass sich auf dem eng be-          zentral und betrachtet die Logistik als
                                                                                                                                                       Foto: Hans Musterann

zen zu können.                                   grenzten Raum die unterschiedlichen               ein weltumspannendes Netz, in dem sich
PERRIN: Es ist noch nicht lange her, als in      Interessen von Gewerbe und Wohnen ge-             die Ware jeden Tag ihren Weg bahnt.
der Logistik jeder versuchte, den Lead zu        genüberstehen. So wäre etwa das West-             Wenn ich eine E-Mail verschicke, läuft
übernehmen und alle anderen vom Tisch            Quai eine gute Logistikfläche, doch dort          diese ja auch nicht immer über die glei-
zu verdrängen. Hier ist ein Wandel zu be-        laufen 2029 die Baurechtsverträge aus.            chen Server, sondern sie sucht sich im

20                                                                                                                               SBB Cargo 1 | 2017
                                                                                                                                        Rubrik

                       ULTRA-BRAG                                      Welche Bedeutung hat Basel                     sich immer mehr oder weniger entlang
                       Das Kerngeschäft der Ultra-Brag AG mit          als Logistikdrehscheibe der Zukunft?           des Bruttoinlandprodukts entwickelt. Wenn
                       Sitz in Muttenz sind Umschlag, Lage-            PERRIN: Basel liegt zentral an der Nord-       es uns nicht gäbe, könnten die anderen
                       rung und Schiffstransport von Gütern aller      Süd-Achse des transeuropäischen Ver-           auch nicht funktionieren.
                       Art. Das 1925 gegründete Unternehmen            kehrskorridors und wird als «Tor zur           KNOPF: Wir müssen international wett­
                       erbringt seine Dienstleistungen mit
                                                                       Schweiz» immer am Puls der Warenströ-          bewerbsfähig bleiben. Dabei gilt es, genü-
                       modernsten Anlagen an drei Standorten
                       in den Schweizerischen Rheinhäfen.              me liegen. Sicher werden die Mittelmeer-       gend junge Leute für unsere Branche zu
                       Weiter betreibt Ultra-Brag zusammen mit         häfen weiter an Bedeutung gewinnen, aber       begeistern und diese auf Topniveau aus­
                       Danser und Haeger & Schmidt eine                im Verhältnis zu den ARA-Häfen – Ams-          zubilden. Mit unserem hohen Standard
                       Containerlinie auf dem Oberrhein, die           terdam, Rotterdam und Antwerpen – sind         sind wir in der Schweiz auch international
                       zweimal wöchentlich die Oberrhein­-
                                                                       die Volumen auf tiefem Niveau. Wenn            absolut wettbewerbsfähig.
                       terminals Auhafen, Birsfelder Hafen,
                       Basel sowie Weil am Rhein, Ottmarsheim,         man auf neue Logistikinfrastrukturen
                       Neuf-Brisach, Strassburg und Kehl               setzen will, ist Basel für die kommenden       Ultra-Brag verfügt über sechs eigene
                       bedient. Das Unternehmen beschäftigt            Jahrzehnte sicher der beste Ort.               Rangierloks und hat zusammen mit
                       rund 150 Mitarbeitende.                                                                        einem bulgarischen Hersteller eine Lok
                                                                                                                      entwickelt, die in der Schweiz vertrieben
                                                                                                                      wird. Eine Kampfansage an SBB Cargo?
                                                                                                                      PERRIN: Wer so investiert, glaubt an die
                                                                         «Das Problem ist, dass                       Bahn! Es ist doch erfreulich, dass Ultra-
                                                                            wir heute vor allem                       Brag auf die Schiene setzt. Konkurrenz
                                                                       auf h
                                                                           ­ istorisch gewachsenen                    erachte ich als positiv: Es zeichnet eine
                                                                                                                      Partnerschaft aus, wenn man das aushal-
                                                                            Anlagen arbeiten.»                        ten kann.
                       Internet jedes Mal die ideale Verbindung.                    NICOLAS PERRIN                    KNOPF: Für uns als Hafenlogistiker spielt
                       Wer weiss, vielleicht geht das ja zukünftig                                                    der Bahnumschlag eine wichtige Rolle. Da-
                       mit den Warenströmen in einer ähnlichen                                                        bei gilt es, Rangierdienstleistungen mög-
                       Weise vor sich.                                                                                lichst flexibel und effizient abzuwickeln.
                                                                       KNOPF: Die Nordhäfen werden weiterhin          Als Basler sehe ich das sportlich – wie
                       135 Meter lange Schiffe, 750 Meter              von hoher Bedeutung bleiben, obschon die       beim Fussball.
                       lange Güterzüge – die Dimensionen               euphorischen Wachstumszahlen, die noch
                       werden immer grösser. Was bedeutet              vor zehn Jahren kursierten, mittlerweile
                       das für die Logistik?                           nach unten korrigiert worden sind. Es zeich-
                       PERRIN: Das Problem ist, dass wir heute         net sich zudem eine gewisse Verlagerung
                       vor allem auf historisch gewachsenen An-        in Richtung Osteuropa ab, was kürzere
                       lagen arbeiten. Diese wurden seinerzeit         Wege und mehr Verlässlichkeit bedeutet.        Thomas Knopf, 50, ist seit 2016 CEO bei Ultra-
                       in einer Grösse gebaut, die den heute üb­       Es bleibt auch abzuwarten, wie sich der        Brag. Er hat Wirtschaftswissenschaften an
                       lichen Einheiten oft nicht mehr gewach-         E-Commerce auswirkt, wenn grosse Wa-           der Universität Basel studiert. Zuvor war er CEO
                       sen sind. Hier stellt sich jeweils die Frage,   renmengen über riesige Verteilzentren in       des Logistikunternehmens Fiege Schweiz.
                                                                                                                      Dort verantwortete er die strategische und ope­-
                       ob man die bestehenden Strukturen über-         Europa laufen. Auch der 3D-Druck kann          rative Führung der Geschäftseinheiten Schweiz,
                       haupt noch an die heutigen Bedingungen          einen Einfluss haben, wenn der Turn-           Österreich und Süddeutschland sowie den
                       anpassen kann – oder ob es nicht einfacher      schuh direkt vor Ort hergestellt wird –        Aufbau der Ländergruppe Far East. In der Region
                                                                                                                      engagiert sich Thomas Knopf zudem als Vorstand
                       wäre, von Grund auf in neue Strukturen          statt irgendwo im fernen China.
                                                                                                                      der Handelskammer beider Basel, als Verwal-
                       zu investieren.                                                                                tungsrat des Euro Airport Basel und als Präsident
                       KNOPF: Dabei dürfen wir uns aber nicht          Wie sichert man die 22 000 Logistik-           von Spedlogswiss Nordwestschweiz.
                       die Zukunft verbauen, sondern wir müs-          arbeitsplätze in der Nordwestschweiz?
                                                                                                                      Nicolas Perrin, 57, ist seit 2007 CEO von SBB
                       sen uns möglichst alle Optionen offenhal-       PERRIN: Wir kämpfen für einen starken
                                                                                                                      Cargo. Der diplomierte Bauingenieur ETH arbeitet
                       ten. Oft haben wir leider noch die Schwei-      Standort. Natürlich gibt es Branchen, die      seit 1987 für die Schweizerischen Bundesbahnen;
Foto: Hans Musterann

                       zer Brille auf. Dabei können wir, speziell      pro Fläche mehr Arbeitsplätze generieren,      unter anderem war er persönlicher Mitarbeiter
                       hier im Dreiländereck, auch über die Gren-      aber es wird häufig vergessen, dass gerade     des Präsidenten der SBB-Generaldirektion und
                                                                                                                      Stellvertreter des Delegierten für die Bahn
                       zen hinausblicken, sprich: den Raum Ba-         die Logistik eine Grundvoraussetzung
                                                                                                                      2000. 1999 stiess Nicolas Perrin zu SBB Cargo,
                       den und das Elsass miteinbeziehen und           dafür ist, dass ein Land überhaupt erfolg-     wo er zuerst die Produktion und ab Anfang 2007
                       die Region als Grossraum begreifen.             reich wirtschaften kann. Die Logistik hat      den Geschäftsbereich International leitete.

                       SBB Cargo 1 | 2017                                                                                                                            21
Sie können auch lesen