DROGENKURIER - 25 Jahre | 21. Juli Gedenktag für verstorbene Drogen gebraucher*innen - Deutsche Aidshilfe
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DROGENKURIERmagazin des jes-bundesverbands nr. 131 sep. 2022 25 Jahre | 21. Juli ene Gedenktag für verstorb nen Drogengebraucher*in
2 Liebe Freundinnen und Freunde, „Gemeinsam für liebe Leserinnen und Leser Menschenwürde des DROGENKURIER, und Akzeptanz“ liebe Mitwirkende am Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher*innen 2022 Impressum 25 Jahre Gedenktag für verstorbene Nr. 131, September 2022 Drogengebraucher*innen Herausgeber des DROGENKURIER: In diesem Jahr jährte sich der erste Gedenktag 1998 in Glad- beck zum fünfundzwanzigsten Mal. Nun kann man sich die Fra- JES*-Bundesverband ge stellen, ob dies ein Erfolg ist, da sich der Gedenktag Jahr für Wilhelmstr. 138, 10963 Berlin Jahr weiterentwickelt hat und immer mehr Städte und Einrichtun- Tel.: 030/69 00 87-56, gen hinzugekommen sind. Oder ob es ein eher trauriger Anlass Fax: 030/69 00 87-42 ist, dass es diesen Gedenktag immer noch geben muss, da ge- vorstand@jes-bundesverband.de rade im Jahr des 25. Gedenkens mehr Menschen an Schwarz- www.jes-bundesverband.de marktsubstanzen, Infektionen, Unfällen, Suiziden, Verfolgung und Kriminalisierung verstarben (1.826) als in den letzten Jahren. DAH-Bestellnummer: 102131 ISSN: 2512-4609 Sicherlich können viele von Ihnen und euch beiden Sichtweisen Auflage: 4.500 Exemplare etwas abgewinnen, denn der Gedenktag im Jahr 2022 mit mehr als 102 Städten und 111 Veranstaltungen unter Beteiligung von Redaktion: JES Bundesvorstand, deutlich mehr als 350 Einrichtungen hat sich in den letzten 25 Dirk Schäffer (DAH) Jahren zum bundesweit größten Gedenk- und Aktionstag im Kon- Titelfoto: JES Kassel, Drogenhilfe text illegaler Substanzen entwickelt. Nordhessen Rückseitenfoto: Drogenhilfeverein In diesem Zeitraum sind mehr als 34.000 Menschen verstorben. Manheim Viele waren uns bekannt, wir waren sogar befreundet oder wir Alle nicht extra benannte Fotos: waren Eltern, Partner*innen und Angehörige. Sie waren unsere privat Klient*innen oder Patient*innen. Satz und Layout: Carmen Janiesch Druck: onlineprinters.de Der Gedenktag wird digital Der DROGENKURIER wird unterstützt durch: Ein Blick auf den Gedenktag 2022 macht deutlich, dass der 21. (Nennung in alphabetischer Reihenfolge) Juli auch in den sozialen Medien deutlich präsenter ist als in den Jahren zuvor. Viele von Ihnen und euch nutzen Reels bei Insta- Camurus gram, Storys bei Twitter und Facebook. Selbstverständlich finden Deutsche Aidshilfe e. V. auch in jenen Einrichtungen, die sich dazu entschlossen haben GL Pharma den Gedenktag am 21. Juli im Internet und den sozialen Medien Hexal zu präsentieren, vor Ort Veranstaltungen statt. INDIVIOR In einigen Städten fanden sogar gleich mehrere Veranstaltungen statt, wie in Hamburg, Köln und Unna. Sicherlich wäre es wün- schenswert, wenn sich alle Träger einer Stadt hinter einer zentra- *Junkies, Ehemalige, Substituierte len Veranstaltungen versammeln könnten. Berlin bildet hier eine Ausnahme. Aufgrund der Größe der Stadt haben sich die Träger Die Nennung von Produktnamen bedeutet einrichtungen darauf verständigt, neben einer zentralen Veranstal- keine Werbung. tung auch Aktionen in den Stadtteilen durchzuführen.
3 Der erste Shitstorm Die Namensgebung Unsere Offenheit in den sozialen Medien bietet Am 21. Juli gelingt es, dass unterschiedliche gesellschaft- die Gefahr, dass jene die Hass und Hetze ver- liche und politische Akteur*innen zusammenfinden. Die breiten wollen, auch im Gedenktag ein passen- Drogenhilfe, Eltern und Angehörige, die Aidshilfen, die des Objekt sehen um Menschen zu stigmatisie- Kirchen, Wohlfahrtsverbände, sowie die Städte, die Wis- ren und zu verunglimpfen. So hat es auf einen senschaft und die Medizin. Kaum einer anderen Veran- Post der Landeshauptstadt Kiel 400 Kommen- staltung gelingt ein solcher Brückenschlag. tare gegeben, die in ihrer Unsachlichkeit und Menschenverachtung ihres Gleichen suchen und Es hat sich bewährt, dass Sie und ihr als vor Ort Ver- daher hier auch nicht wiedergegeben werden. antwortliche den Gedenktag völlig eigenständig umset- zen könnt. In den letzten Jahren sehen wir allerdings An dieser Stelle möchte ich mich im Namen der mehr und mehr verschiedene Namensgebungen für den Veranstalter im Bund, den Ländern und in den 21. Juli. Städten herzlich beim Bürgermeister der Landes- hauptstadt Kiel für seine Unterstützung und sei- Der offizielle Name lautet „Internationaler Gedenk ne klare Haltung bedanken. tag für verstorbene Drogengebraucher*innen“. Die damaligen Namensgeber haben sich bewusst gegen Titel wie „Drogentotengedenktag“ oder „Gedenktag für Die erste realistische Chance Drogentote“ entschieden. Denn nur eines verbindet alle auf Veränderung Menschen deren Tod wir am 21. Juli betrauern: sie waren Konsument*innen von illegalen Substanzen „Drogen“. Drogenpolitische Veränderungen vollziehen sich in ganz kleinen Schritten. Durch die Zahl der Der Name „Drogentotengedenktag“ suggeriert aller- beteiligten Einrichtungen, sowie das vielerorts dings, dass diese Menschen an den Folgen des Drogen- große Interesse der regionalen Presse, ist es uns konsums verstarben. Dies ist unserer Meinung nach eine gelungen eine klare Haltung zu transportieren. verkürzte Sichtweise, denn sie sind Opfer von vielfach Erstmals in den letzten 25 Jahren besteht nun jahrzehntelanger Verfolgung und Kriminalisierung, haben Aussicht auf substanzielle Veränderungen durch viele Jahre in Haftanstalten verbracht und durch den Kon- eine kontrollierte und legale Abgabe (Verkauf) sum unter illegalen Bedingungen Infektionen erworben, von Cannabis in Fachgeschäften. Zudem sollen an denen sie dann verstarben. Sie sind Opfer der Um- in dieser Legislatur gesetzliche Veränderungen stände und der rechtlichen sowie gesellschaftlichen Rah- zum Zugang zur Diamorphinbehandlung und menbedingungen, die Sie und wir seit vielen Jahren ver- der Möglichkeit des Drug Checkings erfolgen. suchen zu verändern. Hierzu hat auch unser Gedenktag am 21. Juli Daher möchten die Deutsche Aidshilfe, der JES Bundes- mit der Schaffung von Öffentlichkeit ein Stück verband und Akzept, Sie und euch herzlich darum bit- beigetragen. ten, im nächsten Jahr mit der Nutzung des offiziellen Na- mens ein noch stärkeres, einheitliches Signal zu senden. Unseren herzlichen Dank möchten wir Burkhard Blienert, dem Sucht- und Drigenbeauftragten der Bundesregierung und dem Schirmherr des Gedenktages 2022, ausspre- chen. Neben einer Videobotschaft hat es sich Herr Blie nert sicht nehmen lassen, einer Veranstaltung in Bielefeld beizuwohnen. Der Gedenktag am 21. Juli, die Trauer und die Aktion lebt durch Sie und euch, die vielen hundert Mitarbei ter*innen und den Einrichtungen vor Ort. Im Namen der Veranstalter im Bund möchte ich Ihnen und euch herzlich für Ihre und eure Kreativität und den Ideenreichtum dan- ken und dies mit dem Wunsch verbinden, dass Sie und ihr alle im nächsten Jahr wieder den Gedenktag am 21. Juli veranstaltet. Dirk Schäffer für das Redaktionsteam
4 Wege aus der Opioid-Abhängigkeit DE-NPR-1900019 / 201908 Opioid-Abhängigkeit ist eine Krankheit, die sich gut indi- Ausstiegs. Sowohl für Menschen mit Opioid-Abhängigkeit viduell behandeln lässt. Der erste Schritt auf dem Weg als auch für ihre begleitenden Angehörigen haben wir aus der Abhängigkeit sind Informationen über die Krank- die wichtigsten Themen übersichtlich und verständlich heit selbst und die verschiedenen Möglichkeiten eines aufbereitet. Machen Sie hier den ersten Schritt. www.opioideundmeinleben.de Diese Website wurde von der Camurus GmbH erstellt.
5 Kiel Anmerkung der Redaktion Shitstorm in den sozialen Medien Stadt Kiel unterstützt Gedenktag Erstmals war der Gedenktag mit einem Shitstorm in den sozialen Medien konfrontiert. Ein Post der Landeshaupt- Unser Gedenktag startete auf dem Vinetaplatz, einem Sze- stadt Kiel zum Gedenktag war die Ursache. In etwa 400 neplatz in Kiel. Dort fanden sich ca. 40 bis 50 Teilnehmer*innen Kommentaren echauffierte man sich über den Begriff „ver- ein. Neben den Besucher*innen, waren auch Kolleg*innen von storbene Drogen gebrauchende Menschen“. Die Kommen- JES Kiel, dem Szene Garten Grünes Eck, KJHV – aufsuchende tare war in ihrer Mehrzahl derart unterirdisch, stigmati- Sozialarbeit HBF Kiel, der Drogenhilfe Ost, des Kontaktladens sierend und verletzend, dass es sich an dieser Stelle nicht Claro, der Aidshilfe Kiel sowie der Sozialkirche Gaarden, dem lohnt hier näher darauf einzugehen. Straßenmagazin Hempels, der Stadtrat Gerwin Stöcken vor Ort. Dies war einmal mehr ein Beispiel wie Bürger*innen Musikalisch wurde es untermalt von LLP143, einem Gaardener die Anonymität des Internets nutzen, um ihren Hass ge- Rapper. genüber Drogen gebrauchenden Menschen und ihren Pastor Daniel Rathjens, Birthe Kruska von der Droge Ost, Unterstützer*innen in der Politik und im Hilfesystem, jen- und ich, hielten eine kurze Einleitungsrede, die den Passan- seits jeglicher Fachlichkeit kundzutun. ten, aber auch den Zuhörenden kurz den Hintergrund und die Wirklich erstaunlich war dann aber die Berichterstat- Geschichte des Gedenktags erläuterten. Auch unseren Protest, tung der Kieler Nachrichten, die eher die dahinterliegen- unsere Ohnmacht und Wut gegenüber den unzureichenden de „Genderdebatte“ unkritisch abbildeten anstatt sich als Strukturen und der Politik haben wir thematisiert. Journalist*innen mit dem Anliegen des Gedenktags aus- Dennoch war die Veranstaltung von einer gefühlvollen und einanderzusetzen. positiven Stimmung getragen. Nach einer Stunde gingen wir Das die Kieler Nachrichten dann noch die ehemalige geschlossen in den Szene-Garten „Grünes Eck“. Durch die Ins- Landwirtschaftsministerien Julia Klöckner (CDU) bemüh- tallation der im Vorfeld bemalten Gedenksteine erhielten Ge- ten, die sich in ähnlicher Weise kritisch zur Genderdiskus- fühle von Abschied und Trauer nochmal einen größeren Raum. sion äußerte, setzt allem die Krone auf. In einer bewegenden Zeremonie, nannten Freund*innen, An- Eine dunkle Stunde für den Journalismus der Kieler und Zugehörige die Namen der Verstorbenen und hatten dann Nachrichten. die Möglichkeit, die Steine in die vorbereitete Installation ein- Mit einer fachlichen Kommentierung zum Hinter- zulassen. Erschütternd war die große Anzahl der Steine. Dem- grund des Gedenktags und einer Erläuterung warum im entsprechend viele Menschen waren auch anwesend. Rahmen des Gedenktags die Verstorbenen nicht Drogento- An dieser Abschiedszeremonie nahmen etwa 70 Leute teil. te genannt werden, unternahm Dirk Schäffer, als Drogen- Wie auch in den vergangenen Jahren, haben uns das Team des referent der Deutschen Aidshilfe und Mitveranstalter des Szene-Gartens und des Flexwerks eine sehr schöne und würdi- Gedenktags im Bund, den Versuch einer Versachlichung. ge Veranstaltung ermöglicht. An dieser Stelle möchten sich die Veranstalter im Bund Besonders gefreut hat uns, dass der Stadtrat Stöcken uns sowie die Veranstalter des Gedenktags in Kiel ausdrück- auf Augenhöhe begegnet ist und zukünftig mit uns zusam- lich bei den verantwortlichen der Landeshauptstadt Kiel menarbeiten möchte. für ihre Unterstützung und Mitwirkung beim Gedenktag Für die Kieler JES Gruppe Martina Reschke 2022 bedanken. Eine solche Haltung ist beispielhaft.
6 Dortmund ter der Drobs Dortmund), Pfarrer Bäppler war wieder abgängig, aber das kannten wir ja schon aus dem letzten Jahr. Stefanie König war auch in diesem Jahr „die Göttin der Rückkopplung“ hold und schüttete reichlich aus ihrem Füllhorn, vielen Dank Gedenktag am Gedenkstein in der dafür. Auch die liebe Hanne (eine betroffene Mutter) hatte zu Grünanlage Stadtgarten kämpfen denn trotz ihrer schlechten Verfassung hat Sie sich es nicht nehmen lassen die Namen der Verstorbenen wieder sehr würdig zu verlesen, Ab 11 Uhr ging es schon recht geschäftig los mit den Vor- Wie jedes Jahr war das gemeinsame Fliegenlassen der be- bereitungen, die Deko platzieren, die Anlage, Getränke schriften Ballons wieder einer der Höhepunkte. Auch die Mög- und Infos vorbereiten, die Ballons befüllen und alle Ka- lichkeit der Beschriftung der Gedenkkieselsteine wurde gut bel auf dem Boden festkleben. Dann wurde das tolle Ban- angenommen. Das obligatorische Gedenktagskaffee fand tra- ner zum 25-jährigen Jubiläum gespannt und 1000 Klei- ditionell wieder im Café-Kick, quasi „umme Ecke“ statt. Beson- nigkeiten erledigt. Die Gäste waren schnell in angeregten dere gelobt wurden die bunten Logos, mit der alle Kuchen ver- Unterhaltungen involviert, denn einige Menschen treffen ziert waren, Dies Kuchen wurden von der Arbeitstherapie der sich nur einmal im Jahr, ausschließlich hier – so man sich Nado/Nado-Bewo gebacken. Meinen besonderen Dank auch an überall noch trifft und mein Name nicht nächstes Jahr bei Kirsten und Andreas vom Kick und Frau Kampmann vom An- den vorgelesenen ist. gehörigenkreis Dortmund, der Aidshilfe, dem Gesundheitsamt Pünktlich um Zwölf Uhr begann das Trauergeläut ei- Dortmund, PUR-Dortmund als maßgebliche Organisatoren, so- ner Kirche. Ich empfand es als wunderschön und würdig. wie den vielen anderen die zu einem guten Gelingen dieses Ge- Durch ruhige Gitarrenmusik von Christoph John und Be- denktags beigetragen haben. gleitung wurde ein perfekter Übergang ins Programm ge- schaffen. Durch das Programm führte Ceylan Aslan (Lei- Susanne Kottsieper JES-Dortmund
7 Bad Kreuznach Persönliche Einblicke zum Gedenktag in Bad Kreuznach Öffentliche Aktion und interne Feier waren Damit verweist der Diplom-Pädagoge auf den eigentlichen, gleichermaßen emotional spirituellen Kern der diesjährigen Aktion: eine Gedenkfeier im Jährlich am 21. Juli findet bundesweit der Gedenktag für kleineren Kreis am darauffolgen Samstag, die Caritas-Mitarbei- verstorbene Drogengebraucher*innen statt – in diesem ter und -Klienten gemeinsam mit Kaplan Patric Schützeichel Jahr zum 25. Mal. Die Bad Kreuznacher Suchtberatungs- von der Pfarreiengemeinschaft Heilig Kreuz Bad Kreuznach stelle des Caritasverbandes Rhein-Hunsrück-Nahe e.V., die und Kreuzerhöhung-Maria Himmelfahrt Norheim gestaltet sich seit sechs Jahren regelmäßig beteiligt, organisierte hatten. nun eine Aktion auf dem Bahnhofsvorplatz in der „Bäder- Eingeladen waren etwa 50 Gäste – zumeist Menschen mit stadt“. eigenem Bezug zum Thema „Drogentod“, die bereits Angehö- Suchtberater Christian Schaller von der Caritas-Fach- rige oder Freunde zu betrauern hatten. Nach einem musikali- stelle „Aufsuchende Arbeit“ und seine Kollegin Sarah Huff schen Einstieg mit „In diesem Moment“ (Roger Cicero) gab Pa- gaben damit Betroffenen eine Stimme: Etliche Luftballons, tric Schützeichel, religiös geprägte Denkanstöße. zu einer Kette aufgereiht, trugen Statements drogenab- hängiger Klienten. Eindrücklich skizzierten sie Respekt- losigkeit und Geringschätzung, die diese Menschen auf- „Im Alltag fehlt leider allzu oft grund ihrer Situation am eigenen Leib erfahren hatten. die Muße, sich mit dem Indem sie Passanten durch die oft sehr persönlichen Thema ,Trauer‘ angemessen Worte Betroffener an deren Leben teilhaben ließ, folgte die Aktion in Bad Kreuznach dem Jubiläums-Motto des auseinanderzusetzen“ Gedenktags: Dabei beschrieb der Seelsorger besondere, emotionale Momen- te, die zum Leben gehören – freudige oder traurige Ereignisse, „Gemeinsam für Menschenwürde aber auch dramatische. Für Christian Schaller ist eine Quali- und Akzeptanz“ tät einer solchen Gedenkfeier, dass sie erlebter Trauer bewusst Raum gibt. „Im Alltag fehlt leider allzu oft die Muße, sich damit „Für uns als Suchtberaterinnen und Suchtberater stehen angemessen auseinanderzusetzen“, so der Caritas-Mitarbeiter. am 21. Juli stets zwei Dinge im Vordergrund“, erläutert Schließlich stiegen weiße und schwarze Luftballons mit per- Christian Schaller. „Einerseits der politisch-gesellschaftli- sönlichen Gedanken und Wünschen für die Verstorbenen auf. che Aspekt des Umgangs mit suchtkranken und drogen- Dieses Ritual gehört in Bad Kreuznach seit jeder fest zum Ge- abhängigen Menschen, andererseits aber genauso das denktag und beschließt die Feier in jedem Jahr. Thema der individuellen Trauer von Angehörigen und Das Team der Bad Kreuznacher Suchtberatungsstelle Freunden.“
8 Fürstenfeldbruck Die Geste des Blumenschenkens Seit Bestehen des P6 Neo haben wir zunächst jeweils am 21.7. Glücksrad mit Quiz-Fragen zum Thema Sucht, an die Teilneh- mit Gedenkveranstaltungen innerhalb der Einrichtung der mer wurden kleine Preise vergeben. Wir haben auch wieder Drogentoten gedacht. Blumen verteilt, konnten so auf PassantInnen zugehen und mit der schönen Geste des Blumen-Schenkens dem schweren Da es uns aber ein Anliegen ist, in der Bevölkerung ein Be- Thema etwas Leichtigkeit beigeben. wusstsein für die Thematik zu schaffen, haben wir uns 2021 erstmals mit einem Infostand in der Fußgängerzone öffent- Die Kooperation mit den anderen Einrichtungen der Sucht- lichkeitswirksam präsentiert. Wir sind mit interessierten Pas- hilfe in FFB hat Austausch innerhalb des Suchthilfe-Systems santInnen ins Gespräch gekommen und haben Blumen ver- und eine Ausweitung der Perspektive ermöglicht. Die Akti- teilt, um auf unsere Aktion aufmerksam zu machen. on wurde auch von den PassantInnen wieder erfreulich gut aufgenommen, es kam zu angeregten Gesprächen mit Men- Nachdem der Auftakt gut gelungen ist, entschlossen wir uns schen, die sich für das Thema Sucht und die Hilfsangebote in- aus der Info-Veranstaltung am 21.7. eine Tradition werden zu teressierten. Womöglich gab es dadurch, dass mehrere Verei- lassen, um das Thema weiter zu verankern. Unsere Einrich- ne sichtbar waren, weniger Berührungsängste von Seiten des tungsleitung Sara Fremmer ist Mitglied im Suchtarbeitskreis Publikums. Auch viele Betroffene aus den verschiedenen Ein- in Fürstenfeldbruck und hat dort unsere Aktion vorgestellt. richtungen zeigten Präsenz und haben in Gesprächen deut- Daraus entstand die Idee, in diesem Jahr eine gemeinsame lich gemacht, wie wichtig die Suchthilfe-Angebote für sie sind Kampagne mit anderen Mitgliedern des Arbeitskreises zu or- und das die Angebote zur Vermeidung weiterer Drogentote ganisieren. Teilnehmer waren die Präventionsstelle des Ge- beitragen können. Da die beteiligten Einrichtungen teilweise sundheitsamtes, die Fachambulanz für Suchtfragen der Cari- mit den gleichen KlientInnen arbeiten, hatte die Veranstal- tas und die Suchtstation der kbo-Klinik in Fürstenfeldbruck, tung fast schon einen familiären Charakter. die sich der Initiative des P6 Neo anschlossen. Die gemeinsame Aktion verlief kollegial und interessant. So- Unter der Schirmherrschaft des Suchtarbeitskreises wurden wohl thematische Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede in am Geschwister-Scholl-Platz zwei Pavillons und Tische aufge- den jeweiligen Angeboten und Ansätzen gaben Anlass zu in- baut, wo wir Informationsmaterial zu unseren Einrichtungen tensivem Austausch. anboten und über allgemeine Themen der Suchthilfe infor- mierten. Deshalb freuen wir uns, 2023 den Gedenktag wieder gemein- sam zu begehen. Als Angebot zum persönlichen Gedenken wurde ein großer Team des P6 Neo Gong aufgebaut, den jedermann zur Andacht an Verstorbene für die Veranstaltergemeinschaft erklingen lassen konnte. Als Einladung zum Dialog gab es ein
9 Heilbronn Heilbronn gedenkt verstorbenen Drogengebraucher*innen 20 Namen standen in diesem Jahr auf weißen Kreuzen, die Besucher*innen des Kontaktladens, einer niederschwelligen Einrichtung für Drogengebraucher*innen, zusammen mit ei- Bayreuth ner ehrenamtlichen Mitarbeiterin, einer Vertreterin der AIDS- Hilfe und einer Seelsorgerin der katholischen Kirche am Ne- ckarufer aufstellten. Nicht alle Namen tauchen in der offiziellen Drogentoten- statistik auf. Es wird in Heilbronn jedes Jahr an Menschen er- Der Gedenktag in Bayreuth innert, die an einer akuten Überdosis verstorben sind; darüber hinaus werden auch diejenigen mit in das Gedenken hinein- genommen, die nicht unmittelbar am Drogenkonsum verstor- Unser Gedenktag in Bayreuth wurde bereits am Vortag ben sind, deren Körper und Seelen über die Jahre aber einfach im Radio Mainwelle angekündigt. Nachdem wir von JES am Ende waren. Bayreuth (Bernhard, Bärbel, Kevin und Joe) mit der Unter- Von 11.00 Uhr bis 18.00 Uhr ließen die Kreuze mit den vielen stützung von Volker, dem Leiter der Stadtmission unseren Namen, Kerzen, Rosen mit kleinen Texten daran, Passant*innen Infostand aufgebaut hatten dauerte es auch nicht lange innehalten, manche irritiert, manche interessiert. Die Seelsor- bis die ersten Interessierten eintrafen. gerin und auch andere Mitwirkende boten immer wieder Ge- Zu unserer großen Freude, fanden sich auch einige be- spräche an und informierten über die Situation drogenab- troffene Menschen sowie Mitarbeiter*innen anderer Hil- hängiger Menschen in Heilbronn. Immer wieder zeigten sich feeinrichtungen ein. Passant*innen erschüttert über die große Anzahl der Namen, Nach meiner kurzen Begrüßung und der Vorstellung nahmen eine Rose mit, waren sich der schwierigen Situation, von JES Bayreuth hielt Roland (Pastor) von der „landes- in der sich betroffene Menschen befinden, nicht bewusst. Man- kirchlichen Vereinigung“ eine Ansprache über die Stel- che Gespräche gingen auch tiefer. Da wurde dann von Sucht- lung der Substitution in unserer Gesellschaft. Es folgte geschichten im eigenen Umfeld berichtet und auch die aktu- eine christliche Andacht mit dem „Vater unser“ als Ab- elle Drogenpolitik kritisch hinterfragt. schluss und wir bildeten einen Kreis und fassten uns da- Auch Besucher*innen des Kontaktladens nutzten über den bei an den Händen. Tag verteilt immer wieder die Zeit, um vor den Kreuzen von ei- Dann wurden Kerzen entzündet und Steine beschrif- nem Freund oder einer Freundin Abschied zu nehmen. Es war tet. Mit vielen Geschichten aus vergangenen Zeiten ver- in diesen Stunden wichtig, Namen noch einmal auszuspre- ging die Zeit wie im Fluge. Ein für uns sehr gelungener chen, Erinnerungen zu teilen, zu spüren, dass jeder und jede Tag. von ihnen, eine Lücke hinterlässt. M.M JES Bayreuth Ute Müller-Dieterle, Pastoralreferentin
10 Braunschweig „Das Leben ist zu schön und zu kostbar, als es wegzudrücken“ – traditioneller Gottesdienst erinnert an Drogentote in Braunschweig Seit einem Vierteljahrhundert wird in Deutschland einmal men der Toten versehen sind und in schwarzen Rahmen aufge- jährlich, am 21. Juli mit einem Gedenktag an die verstorbenen stellt waren. „Der Gedenktag ist unglaublich wichtig. Zum ei- Drogenkonsumierenden gedacht. Traditionell findet in Braun- nen, um an die Verstorbenen zu erinnern, aber auch zu zeigen, schweig dazu seit nunmehr 23 Jahren ein Gedenk- und Trau- welche Hilfsangebote es gibt“, so Florian Kregel. ergottesdienst auf dem Windmühlenberg statt. Organisiert wird dieser vom Selbsthilfe-Netzwerk JES, der Während des Gottesdienstes gab Pastor Henning Böger den Aidshilfe und der Jugend- und Drogenberatung (Drobs). Mit Anwesenden die Möglichkeit, sich noch einmal mit persönli- dabei war wie gewohnt auch Henning Böger, Pfarrer der St.- chen Worten direkt von den Verstorbenen zu verabschieden. Magni-Gemeinde. Der Gitarrist und Sänger Jörg Hecker sorg- Die Gelegenheiten nutzen auch zwei der Teilnehmenden und te, wie auch in den vergangenen Jahren für den musikalischen zeigten Betroffenheit. Stefan verabschiedete sich noch einmal Rahmen. Zu Beginn spielte Hecker das Lied von REM „everybo- von seinem besten Freund, der mit 28 Jahren verstarb. „Wir wa- dy hurts“ eindrucksvoll und berührend. ren die dicksten Freunde, er war auf einem guten Weg. Es ist Es sei ein Tag des Erinnerns, aber auch ein politischer Ge- für mich immer noch unbegreiflich und er fehlt mir so sehr“. denktag, sagte Pfarrer Böger. 1.826 Menschen starben 2021 im Eine weitere Besucherin des Gottesdienstes zeigte sich Zusammenhang mit ihrem Drogenkonsum – die höchste Zahl beim Lesen der Namen erschrocken: „Ich kenne von den Na- seit 20 Jahren. Insgesamt starben in vergangenen 25 Jahren men, die hier stehen, fast siebzig Prozent. Alles so liebe Men- mehr als 34.000 Drogen drogenkonsumierende Menschen. schen“, sagte sie traurig. „Wir trauern um jeden einzelnen. Jede und jeder hat einen Namen, ein Gesicht, eine Lebensgeschichte. Wir schulden je- Thomas Fabian von der Drogenselbsthilfe JES wies auf die Be- der und jedem einzelnen Respekt. Es sind Menschen, die ver- deutung der Prävention und Aufklärung hin. „In der Hoffnung, storben, aber nicht vergessen sind“, sagte Böger während des dass ihr nicht so schnell Teil dieser Kreuze sein werdet, mei- Gottesdienstes. ne Bitte: Passt auf euch auf!“, sagte Fabian und verwies damit auf das Spalier von Holzkreuzen hin, das als Weg zum Gottes- Florian Kregel, neuer Leiter der Jugend- und Drogenberatung, dienst führte. „Das Leben ist zu schön und zu kostbar, um es kurz Drobs zeigte sich ebenfalls sichtlich betroffen: „Bei den wegzudrücken“, mahnte er eindringlich. Zum Abschluss bilde- Namen, die hier in diesem Jahr stehen, ist auch jemand dabei, ten die Besucherinnen und Besucher des Gottesdienstes eine den ich bereits in der Jugendberatung begleitet habe. Das geht Menschenkette, hielten noch einmal inne und gedachten den mir schon sehr nahe“, sagte Kregel, der erst jüngst die Leitung Verstorbenen. der Einrichtung übernommen hat. Die Drobs ist immer Mitor- Bereits am Mittwoch gab es auf dem Kohlmarkt Infostän- ganisator der Gedenkfeier und kümmerte sich um die optische de um auf den Gedenktag und auch auf die Hilfsangebote hin- und würdevolle Ausgestaltung wie die Bilder, die mit den Na- zuweisen. Paritätischer Braunschweig
11 Alsdorf „Another day in paradise“ – Gedenkfeier der Suchthilfe Diakonie im Café Baustein Hagen „Another day in paradise“ von Phil Collins – eine passen- de Auswahl? Ja, durchaus. Es geht in dem Song darum ei- nander wahrzunehmen, nicht wegzuschauen, sich zu be- Erster Gedenktag nach dem gegnen. Hochwasser 2021 „Es gibt immer etwas, Nachdem der Gedenktag in Hagen 2021 unter dem Ein- was ich tun kann“ druck des wenige Tage vorher eingetretenen Hochwas- sers nur ganz still begangen wurde, konnte er in diesem Pfarrerin Annegret Helmer von der evangelischen Chris- Jahr wieder in bewährter Form stattfinden. tusgemeinde Alsdorf, Würselen, Hoengen-Borichweiden, Auf dem zentral gelegenen Friedrich-Ebert-Platz stell- hat es in ihren Gedanken für die Andacht passend for- ten die Mitarbeiter*innen der Kommunalen Drogenhilfe muliert: „Es gibt immer etwas, was ich tun kann. Es gibt eine beeindruckende Anzahl an handgefertigten Holzste- immer etwas, was ich sagen kann – auch wenn mir die len auf, auf denen mit den jeweiligen Vornamen der in Worte fehlten. Ein Blick, ein Lächeln, eine Begegnung, die einem Jahr Verstorbenen erinnert wird. Über die ver- ich zulasse.“ gangenen Jahrzehnte haben sich leider etliche Todesfäl- In Vorbereitung der Gedenkfeier wurden von Klient*in le summiert. Begleitet wurde die Installation von einem nen selbst Kerzen gegossen, die während der Andacht in Infostand, der von den Mitarbeiter*innen der Drogenhil- Gedenken an Verstorbene angezündet wurden. fe betreut und mit Infomaterialien ausgestattet wurde. Und so fanden sich am 21. Juli 2022 um 11 Uhr im Café Viele Menschen folgten der Einladung der Drogenhil- Baustein der Suchthilfe Diakonie Besucher*innen, Kli fe, die Aktion zog aber auch die Aufmerksamkeit etlicher ent*innen, Angehörige und Mitarbeitende ein um ge- Passant*innen in der belebten Innenstadt auf sich und lud meinsam den verstorbenen Drogengebraucher*innen zu zu kleinen und großen Gesprächen ein. Wie in den ver- gedenken. gangenen Jahren nutzten viele Angehörige und Freunde Im Anschluss beteiligten wir uns an der bundeswei- die Gelegenheit, der Verstorbenen zu gedenken und sich ten Aktion zum Gedenktag und formten eine Menschen- gemeinsam ihrer zu erinnern. kette, um unsere Verbundenheit auszudrücken, bevor es bei einer leckeren Suppe die Möglichkeit zum Austausch Linda Schneider, Stadt Hagen und Verweilen gab. Das Team des Café Baustein
12 Pforzheim Fürsprecher der Abhängigen und Kämpfer gegen den Drogentod“ Als Kooperationsprojekt des Kontaktladen Loft (Plan B gGmbH) und der Aidshilfe Pforzheim e.V. wurde der Gedenktag traditionell in der Pforz- heimer Fußgängerzone begangen. Zum 25. Jubiläum gelang es uns au- ßerdem, einen Musiker zu gewinnen, der die Aktion mit Gitarre und Iserlohn Gesang begleitete. Erfreulicherweise hat das dazu geführt, dass viele Passant:innen auf unser Thema aufmerksam geworden sind und an unserem Stand verweilten. Wie immer konnten unsere Besucher:innen im Vorfeld eine Kachel mit Sprüchen und Gedanken beschriften, die am Gedenktag ausgelegt wurden. Der breiten Öffentlichkeit sollte so ver- Gedenken auf dem deutlicht werden, dass es sich um einzelne Schicksale und geliebte Men- Fritz-Kühn-Platz schen geht, von denen wir Abschied nehmen mussten – nicht um eine Zahl in der Statistik. Um Solidarität zu zeigen, konnten sich Vorbeige- Auch dieses Jahr fand am 21. Juli, bezüglich des hende außerdem einen Button mit dem Bundesweiten Motto mitneh- internationalen Drogengedenktags, eine Veran- men. Entweder neutral, oder aber mit der Aufschrift, um welche ver- staltung auf dem Gelände des Fritz-Kühn-Platzes storbene Person es sich handelt. So zierten die schwarzen Anstecker z. B. in Iserlohn statt. Zahlreiche BesucherInnen nah- Titel wie „Mein Freund“, „Meine Frau“ oder „Mein Herz“ – #DuFehlst. men den Weg trotz Regenwetter auf sich und Doch wir werben nicht nur für mehr Verständnis, Toleranz und Be- verbrachten einen Nachmittag in Gedenken an wusstsein innerhalb der Gesellschaft, sondern stellen auch politische die Verstorbenen der letzten Jahre miteinander. Forderungen, um die Lebenssituation der Betroffenen nachhaltig zu ver- Gemeinsam wurde zu Beginn innegehalten und bessern und auf verschiedene Missstände hinzuweisen. Gemeinsam den Reden von Sabine Plücker (Drobs Streetwor- machen wir uns stark für eine Politik, die Menschen mit Suchterkran- kerin), Lina Harnischmacher (Drobs Streetwor- kung nicht ausschließt oder verleugnet, sondern lebensweltorientierte, kerin) und Michael Frank (Leitung Lichtblick) ge- flächendeckende und ausreichend finanzierte Hilfen anbietet. Vor al- horcht. Anschließend wurde zu Bratwurst vom lem das Thema Substitution beschäftigt uns in Pforzheim, da die beiden Grill, Salat und Eis (Kuhbar Iserlohn) eingeladen. einzigen Ärzte, die die Behandlung anbieten bereits über das Rentenal- Wir als Veranstaltungsteam danken jedem ter hinaus sind und die Patient:innen bangen müssen, auch zukünftig einzelnen Menschen, welcher uns bei den Vor- ausreichend versorgt zu sein. bereitungen und dem Auf- und Abbau geholfen Es ist ein langer Weg, den es zu beschreiten gibt. Umso hoffnungs- hat. Wir danken auch für das zahlreiche Erschei- voller sind wir, wenn wir auf die Rückmeldungen der Passant:innen nen unserer Gäste. und die Reichweite der deutschlandweiten Aktionen zum Gedenktag Schön, dass wir diesen Tag gemeinsam ver- zurückschauen. bringen konnten. Pforzheimer Zeitung vom 22.07.2022 Lina Harnischmacher
13 Kassel Menschenkette am Holländischen Platz zum Gedenken an die Kasseler Drogentoten Eine Menschenkette für Drogentote: Um Er ist rund um die Uhr verfügbar. Die sauberen Nadeln den Gedenkstein auf dem Holländischen tragen zudem zur Prävention von HIV und Hepatitis Platz versammelten sich rund 30 Menschen bei, sagt Belzer. „So was hätte ich mir vor 30 Jahren ge- in Andenken an Verstorbene. Neben dem wünscht“, sagt Ralf Menger, genannt Raffi, der bei JES Kas- Gedenken wurde erneut gefordert, Drogen sel aktiv ist. wie Heroin zu legalisieren. Saubere Nadeln gibt es alternativ am Wochenende nur in Apotheken. Dort kosten sie auch mal zwei Euro Seit letzten Sommer sind 22 Menschen in Kassel an den das Stück, plus Gebühren wegen des Notdienstes. Viele Folgen ihres Drogenkonsums gestorben. Die Dunkelziffer Abhängige erleben dort eine Stigmatisierung. „Da wird dürfte jedoch höher sein, sagt Ira Belzer von der Aids-Hil- man schon mal blöd angeguckt“, sagt Raffi. Roland Baur fe Kassel. Zum Gedenken der Toten versammelten sich pflichtet bei: „Viele Abhängige fühlen sich wie Menschen zahlreiche Teilnehmer zu einer Menschenkette. Das jähr- zweiter oder dritter Kategorie.“ lich stattfindende Treffen organisierte das Café Nautilus Die Qualität von Drogen wie Heroin sei schlecht – das von der Drogenhilfe Nordhessen und der Verein JES Kas- sei das Problem der Abhängigen, sagt Raffi. „Ich habe da- sel (Junkies, Ehemalige und Substituierte). Dieses findet mals 400 D-Mark für ein Gramm gezahlt“, sagt er. Heute am Gedenkstein auf dem Holländischen Platz statt. Dort kostet das Gramm 25 Euro. „Alles wird teurer, nur Heroin hängt eine Liste mit den Namen der gestorbenen 22 Dro- nicht“, kritisiert Raffi. Ein weiteres Problem sei, dass vie- gentoten. le Abhängige zusätzlich zum Heroin auch Alkohol konsu- Für die Drogenabhängigen ist das Café Nautilus eine mieren. „Das ist eine problematische Mischung“, sagt Raf- Anlaufstelle. Seit Anfang des Jahres gibt es am Café einen fi. Diese Kombination gab es früher nicht so häufig unter Spritzenautomaten. „Der Automat wird super angenom- den Drogenabhängigen. men“, berichtet Daniel Iske vom Café Nautilus. „Wir hat- Der Verein JES setzt sich für eine Legalisierung von He- ten zunächst nur ein Fach mit Nadeln geplant.“ Jetzt gebe roin und ähnlichen Drogen ein. „Prohibition tötet“ lautet es drei Fächer für kleine und zwei für lange Nadeln. „Of- der Slogan, der auch auf dem Gedenkstein auf dem Hol- fensichtlich hat es einen Bedarf gegeben“, sagt Iske. Ge- ländischen Platz zu lesen ist. Daniel Iske sagt: „Eine Legali- rade am Wochenende werde der Automat häufig genutzt. sierung von harten Drogen ist für die nächsten Jahrzehnte sehr unwahrscheinlich.“ Die Vorteile einer Legalisierung von Drogen sieht er bei Cannabis in anderen Ländern, wie „Viele Abhängige fühlen sich in Tschechien. Bei einem staatlich kontrollierten Verkauf wie Menschen zweiter oder wisse man, was drin ist. Das sei bei nicht-legalen Drogen dritter Kategorie.“ anders. 26.07.22 HNA (Amir Selim)
14 Lever kusen Bunte Ballons als Zeichen des Gedenkens Köln In Leverkusen hat die Suchthilfe gGmbH Leverkusen im Rahmen der Angebote des Fachteams illegale Drogen zu einer kleinen Veranstaltung eingeladen und gemeinsam bei Kaffee und Kuchen den VISION begeht zum 25. Mal den Gedenktag für verstorbenen DrogengebraucherInnen verstorbene Drogengebraucher*innen gedacht. Daneben wurde ein großes Banner Anlässlich des 25. Gedenktages nutzten wir in Köln die Gelegenheit und holten aufgehängt um die Öffentlichkeit auf- alle Utensilien hervor, die im Laufe der Jahre in Köln zum Einsatz kamen. Der merksam zu machen. Nachdem die Lei- alte Sarg, der seine Premiere zu Bernd Lemke Zeiten hatte. Alle Banner, die je- tung ein paar Worte zur Begrüßung ge- mals gedruckt wurden, Kreuze und die Dokumentationen der vergangenen Jah- sprochen hat, wurde gemeinsam das re fanden ihren Platz. Wir richteten einen Memorial Zaun ein, an dem chronolo- Kondolenzbuch der Einrichtung ange- gisch alle Gedenkjahre aufgereiht waren. schaut und zu jeder Person, welche seit Für die 74 verstorbenen Kölner Drogengebraucher*innen des Jahres 2021 fan- dem letzten Gedenktag verstorben ist, den sich auf dem Gelände je 74 weiße Rosen, 74 schwarze Ballons und 74 schwar- ein paar Sätze gesagt. Ein Künstler, wel- ze Kreuze wieder. cher erst vor kurzem verstarb, hatte die Insgesamt verstarben in den vergangenen 25 Jahren in Köln 1.190 Frauen und Musik gemacht. Gemeinsam wurde eine Männer an den Folgen ihres Konsums der illegalisierten Substanzen. Das sind für Aufnahme von ihm gehört. uns 1.190 mehr als deutliche Argumente für eine Veränderung der Drogenpolitik. Die Namen jener Verstorbenen aus Konsument*innen dürfen nicht weiter kriminalisiert und stigmatisiert werden. dem vergangenen Jahr wurden außer- Der krasse Anstieg der Todeszahlen in Köln und NRW kann nicht ignoriert dem auf die Luftballons geschrieben. Zu- werden. Wir forderten die politisch Verantwortlichen auf, entscheidet endlich sätzlich hatten auch die Betroffenen die im Sinne von Drogengebrauchenden, gebt die finanziellen Mittel für die not- Möglichkeit, einige blanko Ballons zu wendigen Hilfsangebote frei, ändert die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Es beschriften. Gemeinsam wurden diese ist mehr als Zeit. dann steigen gelassen, bevor das Buffet Frau Greven-Thürmer, die Bezirksbürgermeisterin aus Kalk sprach ein eröffnet wurde. Grußwort und wies darauf hin, dass ein DKR für Kalk von den politischen Jennifer Schmitz Vertreter*innen begrüßt wird und schon lange überfällig sei.
15 Fried Bevor dann der Regen einsetzte, bot sich dennoch für alle Gäste die Gelegen- heit, die gegrillten Würste und selbstgemachten Salate zu genießen, dann stopp- te das Programm aufgrund anhaltender Regengüsse. Gemeinsame Erinnerung bei VISION Der für uns wichtigste Teil, die Gedenkzeremonie, fiel dann aber leider wortwört- lich ins Wasser. Lediglich die Menschenkette konnten wir noch formieren. Dafür richs hafen den Teilnehmenden einen riesigen Dank, da das im Regen stattfinden musste. Aber, es steht bereits ein Termin fest, zu dem wir die ausgefallene Gedenkze- remonie nachholen. Denn dieses Jahr haben wir etwas ganz Besonderes vorbe- reitet, dass unbedingt gesehen werden muss. Zum 31.8. dem Overdose Aware- ness Day, wo auf die zahlreichen Überdosierungen aufmerksam gemacht wird, Menschenkette werden wir ein deutliches Zeichen setzen und zur Teilnahme aufrufen. und eine Andacht Claudia Schieren, VISION e.V. zum Gedenken Im kleinen Kreis im Innenhof unserer Kunstinstallation der Aidshilfe Köln Beratungsstelle fand eine kleine An- dacht mit unserem geschäftsführen- Im letzten Jahr sind im Regierungsbezirk Köln 82 Menschen in Verbindung mit den Pfarrer statt. Anschließend bilde- dem Konsum illegalisierter Drogen verstorben. Das ist im Vergleich zum Vorjahr ten wir eine Menschenkette. Wir haben ein Zuwachs von 64 Prozent. uns bewusst für eine interne Veranstal- Die Aidshilfe Köln machte im Rahmen des diesjährigen Drogentoten-Ge- tung entschieden. Zudem wurden ein denktages am 21. Juli auf diese Situation mit einer Kunstinstallation aufmerk- Schaukasten im Eingangsbereich unse- sam: Vor dem Eingang zum Café Bach an der Haltestelle Heumarkt werden 82 rer PSB für den Gedenktag am 21. Juli Paar Schuhe sowie eine Infotafel platziert. Außerdem verteilen Berater:innen gestaltet. Blumen und stehen für Gespräche bereit. Jasmin Messmer
16 Bielefeld Gedenktag der besonderen Art in Bielefeld Wie schon in den vorausgegangenen Jahren bot JES Biele- Vertreter von Drobs, lokaler Politik und Stadt sprachen feld anlässlich des Gedenktags am 21.07.22 im Drogenhil- sich ausdrücklich gegen diese geplante Einrichtung aus. fezentrum der Drobs der Szene die Gelegenheit zum Ge- Ich würde mal behaupten: uns Betroffenen ist es egal, wer denken an Verstorbene bei Kaffee und Kuchen. Auch die hier so eine Ambulanz betreibt. Uns kommt es einzig auf Aids-Hilfe Bielefeld war wieder mit dabei. die Qualität der Behandlung an. Aber es bleibt festzustel- len, dass sich erst jetzt, nachdem Medikus auf den Plan ge- Nicht zuletzt durch die Bemühungen von Dirk Schäffer treten ist, in Bielefeld jemand mit dem Thema Diamorphi- (DAH/JES) gelang es, dass Herr Burkhard Blienert – der Be- nambulanz überhaupt sichtbar befasst. auftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfra- gen – an diesem Tag im Drogenhilfezentrum Bielefeld zu Natürlich müssen dann andere in Bielefeld einen Teil vom Gast war. Dies sorgte dafür, dass es einen recht großen Kuchen abgeben. Und genau dies scheint man hier über Auftrieb von Presse und lokaler Politprominenz gab. Jahrzehnte nicht gewohnt zu sein. Aufgrund des plötzlich einsetzenden Regens wurde das Nach unserer Meinung ganz und gar unsäglich wäre, Programm geändert, Vorgesehen waren eigentlich drei wenn diese lächerliche Fehde in Bielefeld nun auf dem Reden, eine von Herrn Blienert, eine von der Leitung der Rücken der Patientinnen und Patienten ausgetragen wird, Drobs und eine von JES. Dieser dritte Programmpunkt indem man Medikus (Herr Plattner) hier quasi Knüppel wurde leider ersatzlos gestrichen. zwischen die Beine wirft. Nachdem unter Beisein der Presse der Konsumraum und Die Diamorphin-Behandlung ist aus Sicht von JES wichtig weitere Teile der Einrichtung präsentiert und in diesem und richtig und sollte in allen Regionen angeboten werden! Zuge auch einige Fragen zur Zahl von „Drogentoten“ ge- stellt wurden, zog sich ein kleiner Kreis zu einer internen Da dieses Thema den Gedenktag hier derart überstrahlt Diskussion in das Café des DHZ zurück. hat, muss ich es auch in diesem Artikel so darstellen und ins Zentrum stellen. Für Gedenken blieb da leider nicht Ich selbst war als JES Vertreter ebenfalls dabei. Wie schon viel Raum. zuvor in Gegenwart der Presse, dominierte auch dort – Mathias Häde, teils hochemotional – das Thema Diamorphinambulanz, JES Bielefeld, JES Bundesvorstand angeboten von Medikus, die Diskussion.
17 Altenburg Gedenken auf dem Altenburger Markt Reckling Im vergangenen Jahr sind 1826 Menschen in Deutschland an den Folgen von Drogen gestorben. Das ist der höchste Stand seit 20 Jah- ren. In Thüringen waren es im Jahr 2020 40 Menschen. hausen Am 21. Juli 2022 war ein trauriges Jubiläum – 25 Jahre Gedenk- tag für verstorbene Drogengebraucher*innen. In vielen Städten, Ge- meinden und Kommunen in Deutschland finden Gedenkveranstal- tungen, Gottesdienste und weitere Aktionen statt – wie auch im Altenburger Land. Vertreter der Suchtberatungsstelle und der Auf- Namen und Steine suchenden Jugendsozialarbeit des Magdalenenstifts waren mit dem Tee-Mobil und einem Pavillon auf dem Altenburger Markt vor Ort. am 21. Juli 2022 Zu diesem schmerzlichen Anlass wurde vor dem Rathaus eine Kerze entzündet, die Kolleg*innen waren ansprechbar für Interes- Die DROB Recklinghausen veranstaltete den Gottes- sierte und gaben Informationen zur Situation Drogen gebrauchen- dienst in Zusammenarbeit mit der Gastkirche und der Menschen sowie zu den Einrichtungen und deren Hilfsangebote Pfarrer Ludger Ernsting. An dem Ort wo sich unse- vor Ort. „Wir müssen sie früher, einfacher und effektiver erreichen.“ re Klienten alltäglich aufhalten, neben dem Bahn- Da sind sich rund um Jonas Köhler, Sozialarbeiter des Magdalenen- hof in Recklinghausen fand ein Gottesdienst statt, stift, alle sicher. Nur wenn Hilfe und Unterstützung schnell, früh- dieser wurde musikalisch mit einer Blockflöte beglei- zeitig greift und sowohl personell als auch finanziell abgesichert ist, tet. Das ganze Team der DROB Recklinghausen war können diese Zahlen gesenkt und Menschenleben gerettet werden. anwesend und beteiligte sich an dem Gottesdienst Dazu ist in kommender Zeit eine intensivere Zusammenarbeit durch das Vorlesen der Fürbitten. Die Klienten hat- aus den Arbeitsfeldern Suchthilfe sowie Jugendhilfe geplant. Gleich- ten die Möglichkeit Steine in Gedenken an die Ver- zeitig gibt es immer weniger substituierende Ärzte. Eine flächende- storbenen zu beschriften, diese wurden wie auf dem ckende Hilfe lässt sich nicht gewährleisten, so müssen Klient*innen Bild zu sehen in einer Herzform, auf einem blauen teilweise bis nach Zwickau fahren. Diese Problematik ist auch bei der Tuch, das den Himmel symbolisieren sollte, darge- Suchtberatungsstelle bekannt. Suchtprävention kann nur gemein- legt. Dieses Jahr fand der Gottesdienst in einer inti- sam mit verschiedenen Professionen und Fachlichkeit gelingen. Da- meren Runde statt. Anschließend gab es einen guten her war an diesem Tag auch die Suchtpräventionsfachkraft des Al- Austausch mit den Klienten und die DROB verkös- tenburger Landes Frau Lydia Leder unterstützend tätig. „Gemeinsam tigte alle Besucher mit selbstgemachtem Essen und für Menschenwürde und Akzeptanz“ so war der bundesweite Auf- Getränken. Alles in allem war es trotz des schlech- ruf zum Gedenktag und dafür standen auch die Akteur*innen des ten Wetters ein schöner Tag, der den Klienten viel Tages im Altenburger Land. gegeben hat. Julia Snella Autor*in unbekannt
18 Viersen Menschenkette in Viersen erinnerte an Drogentote Zum 25. Mal jährte sich an diesem Donnerstag der „Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher* innen“. Alleine in 2021 starben 1.826 Menschen in Verbindung mit einem Drogenkonsum – es ist die Hildesheim höchste Zahl seit 20 Jahren. In mehr als 90 Städten gedachten heute Menschen bereits zum 25. Mal den Drogentoten der vergangenen Jahrzehnte. 34.000 Menschen verloren ihr Leben, seit der Tag der Erinnerung am Ein Lebensbaum in Hildesheim 21. Juli 1998 erstmals begangen wurde. Mit einer Menschenkette und einem Infostand machte die Der Gedenktag mit Info-Stand, Kaffee, Keksen und Was- Suchtberatung Kontakt-Rat-Hilfe Viersen auf die Menschen aus sermelone wurde in Hildesheim sehr gut angenommen. dem Kreis Viersen aufmerksam, die an den Folgen ihres Dro- Wir hatten ständig Menschen da und einige haben sehr genkonsums verstorben sind. „Ein trauriges Jubiläum“, sagt Ad- persönliche Dinge von sich und Verstorbenen geschildert. riane Jentges, die den Bereich Beratung und Vermittlung bei Unser „Lebensbaum“ wurde mit Namen versehene der Suchtberatung Kontakt-Rat-Hilfe Viersen koordiniert, den Schleifen bestückt und wir haben weiße Blumen verteilt. unter den 1.826 Verstorbenen in 2021 finden sich mindestens Eine Dame hat sich sofort damit aufgemacht, um ihre ver- acht Menschen aus dem Kreis Viersen, im Jahr davor mindes- storbene Freundin auf dem Friedhof zu besuchen. Ein Be- tens zehn, von denen die Suchtberatungsstelle in Kenntnis ge- statter blieb gleich eine ¾ Stunde und „schüttete sein Herz setzt wurde. aus“ – über seinen verstorbenen Neffen und dessen Bru- Die Dunkelziffer sei viel höher, sind sich die Mitarbeiter der der, der wiederum daran zugrunde geht. Suchtberatung sicher. „Wir sprechen hier nur von illegalen Dro- Sehr bewegende Berichte teilweise. Interessant war, gen. Jedes Jahr sterben Dutzende Frauen und Männer in unse- dass fast jeder jemanden kannte, der am Drogenkonsum rer Region an den Folgen ihres Alkoholkonsums“, so der stell- direkt oder indirekt verstorben ist. Insgesamt eine sehr ge- vertretende Leiter Michael Hauser. Fachleute aus dem Bereich lungene Aktion mit wenig Aufwand und gutem Kontakt der Prävention sehen die vielfältigen Gründe, die zu drogenbe- zu Menschen quer durch die Bevölkerung dingten Todesfällen führen, zahlreich in verunreinigten Sub- Den Baum möchten wir gern im Stadtgebiet einpflan- stanzen vom Schwarzmarkt und ein Leben am Rande der Ge- zen und sind auf der Suche nach Möglichkeiten. Evtl. mit sellschaft durch ständige Strafverfolgung. kleiner Gedenktafel – vielleicht findet sich ein Sponsor. Nadja Becker Rheinischer Spiegel 21.07.2022 Axel Pulvermüller
19 Bonn Die Zahl der Drogentoten in Bonn steigt Anna (Name von der Redaktion geändert) kämpft mit den „Ich denk' an Dich. Tränen. „Zwei gute Freunde habe ich diesem Jahr schon Scooby forever“ und verloren“, sagt die 36-jährige mit brüchiger Stimme. „So viele meiner Bekannten sind gestorben und ich konnte „Widlboy, mich noch nicht einmal verabschieden.“ wir vermissen Dich“ Ein schlichter schwarzer Sarg aus Pappe, ein Trauer- kranz sowie ein paar Kerzen – damit erinnerte die AIDS- So stand es auf den Zetteln, die Skomorokwsky und Jür- Initiative Bonn am Donnerstag anlässlich des bundeswei- gen Repschläger von der Aids-Initiative an die Trauer- ten Gedenkstages an die Drogenopfer aus der Stadt. Die wand hefteten. Um den Betroffenen zu helfen und ihnen Traueraktion fand rund um den Kaiserbrunnen statt. Die halbwegs menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, hat Zahl der Drogentoten ist in Bonn erneut angestiegen. die Aids-Initiative konkrete Forderungen: „Überdosierun- gen, Verelendung, Ausgrenzung und Kriminalisierung der Menschen aus dem Drogenbereich müssen verhindert „So hohe Zahlen werden“, betonte Skomorowsky. „Es muss weitere Druck- hatten wir seit 30 Jahren räume geben“, verlangte Repschläger. Kritisch betrachten Sozialarbeiter in Hilfsinitiativen nicht mehr“ die Verschiebung der Szene. „Wir sind jetzt wieder genau, wo man uns in den 1970er schon einmal vertrieben hat“., Verzeichnete die Polizei im Jahr 2020 noch 18 Todesfälle erklärt Skomorowsky. Denn rund um den heutigen Kai- (im Jahr davor waren es elf), so starben im vergangenen serbrunnen hätten sich bereits vor rund 50 Jahren Kon- Jahr insgesamt 22 Konsumenten. Ein Trend, der sich auch sumenten getroffen, bis sie aufgrund von Beschwerden in der landesweiten Statistik niederschlägt. 693 Drogen- verbannt wurden. Damals hätte sich das Klientel Rich- tote gab es in ganz NRW. „So hohe Zahlen hatten wir seit tung Poststraße verlagert, bevor sich das Bonner Loch als 30 Jahren nicht mehr“ sagt Christa Skomorowsky von der Treffpunkt etablierte. Nachdem die Betroffenen auch dort Aids-Initiative. Bundesweit starben 1826 Konsumenten, nicht mehr geduldet wurden, zogen sie zurück zum Kai- was einen Anstieg von 16 Prozent bedeutetet. Die Dunkel- serplatz. Dort gibt es jetzt ebenfalls massive Kritik. „Aber ziffer ist allerdings um ein Vielfaches höher schätzt Sko- irgendwo müssen sich die Menschen doch treffen. Vertrei- morowsky. „Denn in dieser Statistik werden nur die auf- bung löst die Probleme nicht. Das hat in den 1970ern nicht geführt, die eindeutig an einer Überdosis gestorben sind. funktioniert auch heute nicht“, betonte Skomorowsky am Diejenigen, die an Hepatitis oder Aids gestorben sind, Rande des Gedenktages. werden nicht erfasst“, erklärte sie. GA Bonn, Gabriele Immenkeppel
20 Leipzig 21. Juli 2022 – Leipzig gedenkt verstorbenen Drogengebraucher*innen Die Veranstaltung zum bundesweiten Gedenktag wurde auch in diesem Jahr wieder am Gedenkstein im Elsapark durchgeführt. Das Anliegen fand großes Interesse, etwa 100 Menschen, sowohl Betroffene und Angehörige als auch Ehrenamtliche und Fachkräfte aus der Sozialen Ar- beit beteiligten sich zwischen 16 und 20 Uhr im Leipziger Osten. Auch andere, im Stadtteil lebende Menschen nah- men am Gedenken an die Verstorbenen teil und brachten sich mit interessierten Fragen, Meinungen und Vorschlä- gen in die vielfältigen Gespräche ein. Ein kritisches Grußwort wurde von der Suchtbeauf- Speziell für Leipzig wurde von einigen der Wunsch nach tragten Sylke Lein gehalten. Die Andacht übernahm samt einem Drogenkonsumraum geäußert. Erfahrungen aus ande- musikalischer Rahmung Pfarrer Sebastian Keller. Als bun- ren Bundesländern würden zeigen, dass solche Einrichtungen desweite Aktion versammelten sich die Anwesenden zu bei Drogen gebrauchenden Menschen zur Motivation beitra- einer Menschenkette auf einer Wiese in unmittelbarer gen, adäquate Hilfen anzunehmen. Das kommunale Spektrum Nähe des 2020 errichteten Gedenksteines. Zudem konn- der Drogenhilfe aus gelingender Prävention, Therapie und In- ten an einem „Baum des Lebens“ Erinnerungen und Wün- tegration, schadenminimierenden Angeboten sowie Repressi- sche festgehalten werden. Bei Livemusik der Band „ME- on könnte damit in den beiden letztgenannten Bereichen er- LACONI“, Kuchen, Grillgut und Getränken kreisten die gänzt werden. Gespräche um die Interessen der akut Betroffenen und Der Gedenktag wird in Leipzig seit über 20 Jahren durch die der Hinterbliebenen wie auch um eine progressive Dro- IGedenkstein ,eine Initiative von Angehörigen, Freund*innen, genpolitik, die aktuell von einer rational geführten De- Konsument*innen und Sozialarbeiter*innen organisiert. batte um die Regulierung psychoaktiver Substanzen un- terstützt wird. IGedenkstein Leipzig
21 Rostock Caritas-Kontaktladen bemängelt Zugang zu Substitutionsmedikamenten Neustadt Der Rostocker Kontaktladen der Caritas Suchthilfe hat auf den seiner Auf- fassung nach mangelnden Zugang zu Ersatzstoffen für Drogensüchtige hin- gewiesen. In Rostock sei die Lage prekär, was sogenannte Substitutionsan- gebote wie Methadon angeht, sagte ein Sprecher des Kontaktladens am an der Donnerstag. Es gebe demnach zu wenig Ärzte, die Ersatzstoffe für illegale Drogen verschreiben, um Abhängigen ein geregeltes Leben zu ermöglichen. Am Donnerstag gab es anlässlich des 25. Gedenktages für Drogentote zahl- Wein reiche Veranstaltungen in Deutschland. Die Einrichtung der Caritas Suchthilfe ist nach eigenen Angaben der ein- zige Kontaktladen in Mecklenburg-Vorpommern. Drogenkonsumenten fin- den dort Kontakte und Beratung – auf Wunsch auch anonym, sie können ihre straße Wäsche waschen oder duschen. Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, wies auf die Verantwortung der Allgemeinheit hin: Sucht- kranke Menschen müssten früher, einfacher und effektiver erreicht werden. „Das sind wir ihnen als Gesellschaft schuldig!“, hieß es in einer Mitteilung Gedenken am 21. Juli des Bundesministeriums für Gesundheit. Zeit 21. Juli 2022, Wir richteten eine kleine Gedenkecke im Quelle: dpa Mecklenburg-Vorpommern Eingangsbereich der NIDRO Suchtberatung in Neustadt anlässlich des 21.Gedenktages Interview zum Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher*innen Das Team vom Caritas Kontaktladen für Drogenkonsument:innen hat ein. den Gedenktag zum Anlass genommen und mehrere anonyme Inter- Besucher*innen und Mitarbeiter*innen views (15) mit aktuellen und ehemaligen Konsument:innen geführt. Ei- der Beratungsstelle nutzten die Möglichkeit nige Interwies wurden auf der Facebook Seite veröffentlicht. die Namen der Menschen, die sie betrauern, So gaben 80 % die Interviewpartner:innen an, dass es in ihrem di- auf Papierschiffchen oder Schmetterlinge rekten Umfeld Todesfälle durch Drogenkonsum gab. Bei 73 % unserer Be- zu notieren und dem Strauß hinzuzufügen. fragten führten die Todesfälle zu einem Umdenken beim eigenen Kon- Die Gedenkecke wird ganzjährig auf- sum. Nur 7 % der Interviewpartner:innen kannten bisher den Gedenktag rechterhalten bleiben. am 21. Juli. Oder anders ausgedrückt: 1 von 15. Nun sind es mindestens 15 Menschen mehr, die den Gedenktag kennen. Autor*in unbekannt
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