DSTGB DOKUMENTATION NO 135 - KOMMUNALE ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT

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DSTGB DOKUMENTATION NO 135 - KOMMUNALE ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
DStGB
DOKUMENTATION NO 135

  Kommunale Entwicklungszusammenarbeit

       Deutsche Städte und Gemeinden aktiv für die Eine Welt

             Deutscher Städte-
             und Gemeindebund
DSTGB DOKUMENTATION NO 135 - KOMMUNALE ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
I Entwicklungspolitik in und von Kommunen

IMPRESSUM

Herausgeber
Deutscher Städte- und Gemeindebund (DStGB)

Redaktion
Dr. Stefan Wilhelmy
(Servicestelle Kommunen in der Einen Welt/Engagement Global)

Hanna Landfermann
(Servicestelle Kommunen in der Einen Welt/Engagement Global)

Janna Lieser
(Servicestelle Kommunen in der Einen Welt/Engagement Global)

Uwe Zimmermann
(Deutscher Städte- und Gemeindebund)

Janina Salden
(Deutscher Städte- und Gemeindebund)

Barbara Baltsch

Bildnachweise
Titel: Stadt Landau; S. 5: Bundesregierung/Kugler; S. 7 oben: Andreas Grasser, unten:
Mejía + Bendaña Fotografía; S. 8: Dominik Schmitz; S. 9: Stadt Bad Münstereifel; S. 10:
Giulio Napolitano/shutterstock.com; S. 10: UN Photo/Cia Pak; S. 13: Stadt Düssel-
dorf; S. 14: Stadt Dortmund; S. 16/17: Gemeinde Aidlingen; S. 18: Karl-Heinz Laube/
pixelio.de; S. 20: Deutsche Bundesstiftung Umwelt; S. 22: Grünes Klassenzimmer;
S. 23: Dieter Appelt; S. 24: Stadt Neumarkt i. d. OPf.; S. 25: Stephen Williams; S. 26:
fotogestoeber/shutterstock.com; S. 28: Prefeitura Municipal de Santarém; S. 29 und
30: Andreas Gasser; S. 31 und 33: Stadt Lahr; S. 34 und 36: Christiane Fritsch; S. 37
und 38: Matthias Bein; S. 39: Andreas Grasser; S. 41: Hans-Jürgen Schmitz; S. 42 bis
44: Stadtwerke Ettlingen GmbH; S. 43 Kasten: GIZ/CIM; S. 44 Kasten: SES; S. 48 und
49: Stadt Xanten; S. 50: Stadt Würselen: S. 51: Andreas Grasser; S. 52 und 53: Stadt
Landau; S. 54 und 55: Stadt Mühlheim am Main; S. 56 bis 58: Stadt Biberach; S. 59
oben: Landratsamt Ludwigsburg, unten: Barbara Frommann; S. 62: Robin Nieuwen-
kamp/shutterstock.com; S. 63: Stadt Herten.

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DSTGB DOKUMENTATION NO 135 - KOMMUNALE ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
I Entwicklungspolitik in und von Kommunen

INHALT

Vorwort Dr. Gerd Landsberg,
Hauptgeschäftsführer des Deutschen
Städte- und Gemeindebundes                           4
                                                          V      Migration und Entwicklung
Grußwort Dr. Gerd Müller,                                        Migration und Entwicklung zusammen
Bundesminister für wirtschaftliche                               denken
Zusammenarbeit und Entwicklung                       5           Von Dorea Pfafferott                                     34

                                                                 Partnerschaft mit viel Potenzial
                                                                 Von Peter Gaffert                                        37
I      Entwicklungspolitik in und von Kommunen
       Kommunen gestalten Zukunft                         VI     Wirtschaft als Handlungsfeld kommunaler
       von Dr. Stefan Wilhelmy und Janina Salden      6          Entwicklungspolitik
                                                                 Engagement zu beiderseitigem Nutzen
       Gemeinsam für die Millenniums-
                                                                 Von Dr. Klaus Nutzenberger                               40
       Entwicklungsziele
       Von Alexander Büttner                          9          Von Ettlingen nach Kabul
                                                                 Von Eberhard Oehler                                      42
II     Fairer Handel und nachhaltige Beschaffung
       in Kommunen                                        VII    Kommunale Außenpolitik
       Beitrag der Kommunen zu einer gerechten                   Völkerverständigung im besten Sinne
       Handelsordnung                                            Von Uwe Zimmermann                                       46
       Von Norbert Portz                             12          Kommunale Allianz im Nahen Osten
       „Epizentrum“ des Fairen Handels                           Von Christian Strunk                                     48
       im Landkreis Böblingen
       Von Ekkehard Fauth                            16   VIII   Land-Kommunen- und
                                                                 Multi-Akteurs-Kooperationen
III    Bildung für nachhaltige Entwicklung und                   Neue Wege für kommunale Partnerschaften
       Globales Lernen vor Ort                                   Von Janina Salden und Barbara Baltsch                    50
       Bildung findet „Stadt“                                    Landespartnerschaft vor Ort mit Leben erfüllt
       Von Hannes Siege                              20          Von Hans-Dieter Schlimmer                                52
       Mehrfach ausgezeichnete Stadt                             Bildung und Brunnen für Burkina Faso
       der UN-Weltdekade                                         Von Daniel Tybussek                                      53
       Von Thomas Thumann                            24
                                                                 Biberach engagiert sich in Telawi
       Globales Lernen an Schulen und Kindergärten               Von Nobert Zeidler                                       56
       Von Hans-Jürgen Böckelmann                    26
                                                          IX     Organisation und Finanzierung
IV     Klimaschutz und Klimaanpassung                            internationaler Arbeit
       Klimawandel – ein global-lokales Problem                  „Wir wünschen uns eine Art Lotsen
       Von Jessica Baier und Kurt-Michael Baudach    28          für Kommunen“
       Global denken – gemeinsam planen –                        Interview mit Christiane Overmans                        59
       lokal handeln                                             Online-Ratgeber der Servicestelle hilft!
       Von Dr. Wolfgang G. Müller                    31          Von Dr. Anke Valentin                                    60

                                                                                                                           3
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VORWORT

                        VORWORT DES DEUTSCHEN STÄDTE- UND GEMEINDEBUNDES

                        Kommunen sind unverzichtbare Partner
                        in der Entwicklungszusammenarbeit
                        Die Kommunen der Einen Welt sind eng miteinan­      tung kommunalpolitischen Engagements in der
                        der verbunden: Sie stehen weltweit vor ähnlichen    Entwicklungspolitik zu werben, um eine mög-
                        Herausforderungen und das Handeln jeder Kom-        lichst vielfältige Vertretung deutscher Kommunal­
Dr. Gerd Landsberg,     mune wirkt sich auf die Situation in anderen Tei-   politiker in europäischen und internationalen Gre-
Geschäftsführendes      len der Welt aus. Vor diesem Hintergrund ist ein    mien zu gewährleisten.
Präsidialmitglied des
Deutschen Städte- und   gemeinsames Engagement im Rahmen einer                 Die    kommunale      Entwicklungszusammen-
Gemeindebundes          kommunalen Entwicklungszusammenarbeit jetzt         arbeit ist und bleibt eine freiwillige Aufgabe.
                        und für die Zukunft unerlässlich. In Einer Welt     Umso bedeutender sind finanzielle und inhalt-
                        leben heißt, Verantwortung zu übernehmen, von-      liche Hilfestellungen von Bund und Ländern. Als
                        einander zu lernen und sich gegenseitig zu unter-   kommunaler Spitzenverband begrüßen wir aus-
                        stützen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen          drücklich die Ankündigung von Bundesminister
                        und diese zusammen umzusetzen.                      Dr. Gerd Müller, die bundesstaatliche Förderung
                           Vor dem Hintergrund der aktuellen Flücht-        für kommunale Entwicklungszusammenarbeit
                        lingssituation ist eine wesentliche Aufgabe der     aufzu­stocken.
                        Entwicklungszusammenarbeit      aus   Sicht   des      Städte und Gemeinden haben als bürger-
                        Deutschen Städte- und Gemeindebundes klar           nächste Ebene vielfältige Möglichkeiten, um sich
                        definiert: Fluchtursachen bekämpfen und Flücht-     durch wechselseitiges interkulturelles Lernen als
                        lingen, die in ihre Herkunftsländer zurückkehren,   weltoffene, global kompetente und zukunfts­
                        eine belastbare Perspektive bieten. Städte und      orientierte Kommune zu etablieren. Mit der vorlie-
                        Gemeinden sind hier maßgebliche Akteure, denn       genden Dokumentation wollen die Servicestelle
                        vor Ort findet sich die Expertise, um gemeinsam     Kommunen in der Einen Welt und der Deutsche
                        mit Partnern die Verhältnisse in anderen Teilen     Städte- und Gemeindebund Kommunen neu-
                        der Welt zu stabilisieren und Demokratisierungs-    gierig machen, motivieren und ermuntern, sich
                        prozesse zu unterstützen. Vor allem durch bürger-   entwicklungspolitisch zu engagieren. Die vielen
                        schaftliches Engagement und explizit mit Hilfe      Praxisbeispiele zeigen, dass Entwicklungspolitik
                        von Erfahrungen, Netzwerken und Sprachkennt-        nicht von der Größe einer Gemeinde abhängt
                        nissen der Bürgerinnen und Bürgern mit Migra­       und dass es neben den bedeutenden klassischen
                        tionshintergrund, lassen sich Brücken für eine      Städte­partnerschaften vielfältige weitere Betäti-
                        Integration bauen.                                  gungsfelder gibt, um sich für eine gerechtere und
                           Entsprechend ihrer Bedeutung für die Ent-        nachhaltige Eine Welt einzusetzen.
                        wicklungszusammenarbeit muss die Stimme der
                        Kommunen auch international Gehör finden. Der
                        Deutsche Städte- und Gemeindebund sieht es
                        als seine Aufgabe an, hierzulande für die Bedeu-    Dr. Gerd Landsberg

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GRUSSWORT

                                GRUSSWORT DES BUNDESMINISTERS FÜR WIRTSCHAFTLICHE
                                ZUSAMMENARBEIT UND ENTWICKLUNG, DR. GERD MÜLLER

                                Engagement muss von unten wachsen
                                Die kommunale Entwicklungs-          und möchte die Städte, Gemeinden und Kreise unterstützen,
                                politik hat in den letzten Jahren    diesen Weg weiter zu gehen. Mit dem Programm „Nachhaltige
                                an Bedeutung und Anerkennung         Kommunalentwicklung durch Partnerschaftsprojekte“ (NAKOPA)
                                gewonnen.     Die   Anerkennung      erhalten deutsche Kommunen seit 2013 die Möglichkeit, Mittel
                                des kommunalen Beitrages spie-       für Partnerschaftsprojekte zu beantragen.
                                gelt sich mittlerweile mit einem        Das Potenzial an kommunalem entwicklungspolitischem
eigenen BMZ-Haushaltstitel zur Förderung des Engagements von         Engagement ist jedoch bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Ich
Kommunen wider. Kommunales Engagement ist zu einem wich-             setze alles daran, dass sich noch viel mehr Städte, Gemeinden und
tigen Bestandteil der deutschen Entwicklungspolitik geworden,        Kreise in Deutschland global engagieren. Mit den neuen Post-
weil Kommunen über spezifische Kompetenzen verfügen, die für         2015-Zielen für nachhaltige Entwicklung werden alle Akteure
nachhaltige Entwicklung gebraucht werden.                            aufgerufen sein, am Erfolg der gemeinsamen Agenda mitzuar-
   Entwicklungspolitisches Engagement muss von unten                 beiten. Globale Partnerschaft muss lokal gelebt werden – dabei
wachsen und kann nicht von oben verordnet werden. Als bürger-        kommt es auf die Kommunen an.
nächste öffentliche Ebene können Städte, Gemeinden und Kreise           Immer mehr Städte und Gemeinden erkennen ihre Verant-
hier einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie eine Plattform für   wortung für eine global nachhaltige Entwicklung ebenso wie den
das vorhandene Engagement von Schulen, Kirchen, Wirtschafts-         Nutzen von Nachhaltigkeitskonzepten und Entwicklungspolitik
unternehmen, aber auch der örtlichen Handwerks-, Industrie-          für ihre eigene Kommune. Das Bundesministerium für wirtschaft-
und Handelskammern, Eine-Welt-Vereine, Migrantinnen- und             liche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt sie
Migranten­organisationen oder Bildungseinrichtungen wie Volks-       mit Hilfe seiner Organisationen Engagement Global und deren
hochschulen bereitstellen, die vielfältigen Aktivitäten unter­       Servicestelle für Kommunen in der Einen Welt sowie vor Ort mit
einander vernetzen, in der Kommune bekannt machen und so             der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gern.
auch für neues Engagement werben. In der entwicklungspoli-              Die vorliegende Dokumentation soll dazu einen Beitrag
tischen Bildungsarbeit sind Kommunen ein wichtiger Partner.          leisten. Sie gibt Anregungen sowie einen Überblick über die
   Gemeinsam entfalten Städte, Gemeinden und Kreise eine             zahlreichen Unterstützungsangebote für Kommunen, die sich
hohe Nachfrage. Durch nachhaltige Beschaffung leisten zahl-          entwicklungspolitisch engagieren möchten.
reiche Kommunen schon heute einen Beitrag zu nachhaltiger               Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre der Dokumen-
Entwicklung und geben ein wichtiges Beispiel für die Menschen,       tation und viele hilfreiche Informationen und Anregungen für die
die dort leben.                                                      Arbeit in Ihrer Kommune.
   Derzeit unterhalten über 500 Städte, Gemeinden und Kreise
in Deutschland Beziehungen zu Kommunen in Asien, Afrika und
Lateinamerika und engagieren sich mit (Projekt-)Partnerschaften
für eine nachhaltige Entwicklung.
   Die Expertise von Kommunen zur lokalen Selbstverwaltung ist
bei den Partnern gefragt, denn gut funktionierende Verwaltungen      Dr. Gerd Müller
werden von vielen Menschen als das Fundament der Gesellschaft        Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
gesehen – überall auf der Welt. Ich begrüße dieses Engagement        Entwicklung

                                                                                                                                      5
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I           ENTWICKLUNGSPOLITIK
            IN UND VON KOMMUNEN

Kommunen gestalten Zukunft
Chancen und Möglichkeiten kommunaler Entwicklungszusammenarbeit
VON DR. STEFAN WILHELMY, LEITER DER SERVICESTELLE KOMMUNEN IN DER EINEN WELT VON ENGAGEMENT GLOBAL,
UND JANINA SALDEN, DEUTSCHER STÄDTE- UND GEMEINDEBUND

Kommunen sind bedeutende Akteure der internationalen                  lungen sollen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig
Entwicklungspolitik – dies wird sowohl national als auch internati-   sein. Aber auch fast alle anderen Ziele weisen einen kommunalen
onal immer mehr anerkannt. Städte, Gemeinden und Landkreise           Bezug auf.
setzen mit Expertise und Bürgernähe auf vielfältige Art und Weise        Die kommunalen Spitzenverbände in Deutschland rufen die
entwicklungspolitische Projekte um. Als verlässliche Partner der      Kommunen auf, sich für ausgewählte Ziele der 2030-Agenda für
Entwicklungszusammen­arbeit nehmen sie ihre Verantwortung             nachhaltige Entwicklung auf lokaler Ebene einzusetzen. Die Deut-
für eine global nachhaltige Entwicklung wahr – und ihr Know-          sche Sektion des Rates der Gemeinden und Regionen Europas
how zu Handlungsfeldern der kommunalen Daseinsvorsorge ist            (RGRE) hat eine Mustererklärung erarbeitet, mit der Kommunen
weltweit gefragt.                                                     ihre Bereitschaft zum Engagement für die Nachhaltigkeitsziele
                                                                      signalisieren können. Das Thema Nachhaltigkeit bietet sich
BEDEUTUNG DER KOMMUNALEN                                              hervorragend an, um es zur zukunftsweisenden Querschnittsauf-
ENTWICKLUNGSPOLITIK WÄCHST                                            gabe zu machen und es in das kommunale Leitbild zu integrieren
Die politischen Rahmenbedingungen für Kommunale Entwick-              (siehe auch Kasten Seite 11).
lungspolitik werden immer besser, zahlreiche nationale und
internationale Beschlüsse spiegeln dies wider. So etwa werden         KOMMUNEN SIND VIELFÄLTIG AKTIV UND
Kommunen im Koalitionsvertrag der Bundesregierung für                 ENGAGIERT
die 18. Legislaturperiode erstmals als Akteure genannt, deren         Und die Kommunen selbst? Sie zeigen ihr entwicklungspoli-
entwicklungspolitisches Engagement hierzulande ebenso wie             tisches Engagement schon seit vielen Jahren in Wort und Tat:
in den Partnerländern unterstützt werden soll. Ein Beschluss des      Kommunale Akteure beteiligen sich in vielfältigen Projekten oder
Deutschen Bundestages von 2015 zur Stärkung kommunaler Part-          Partnerschaften und zahlreiche Beschlüsse vor Ort, wie etwa
nerschaften unterstreicht diese gewachsene Bedeutung. Und der         zur Fairen Beschaffung, werden umgesetzt. Die überwältigende
Deutsche Bundestag hat im November 2015 dem Vorschlag der             Teilnahme am 2014 erstmals ausgelobten und mit 50 000 Euro
Bundesregierung zugestimmt, die Mittel des Bundesministeriums         dotierten Wettbewerb „Kommune bewegt Welt“ der Servicestelle
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zur          Kommunen in der Einen Welt zum Thema Migration und Kommu-
Förderung für kommunale Entwicklungszusammenarbeit im Jahr            nale Entwicklungspolitik unter der Schirmherrschaft des Bundes-
2016 deutlich aufzustocken.                                           ministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
    Wahrnehmung und vor allem Anerkennung der kommu-                  zeigt die Vielfalt der kommunalen Aktivitäten in diesem immer
nalen Rolle in der Entwicklungspolitik spiegelt sich in der Folge     wichtiger werdenden Bereich.
in den Instrumenten der Servicestelle Kommunen in der Einen              Dieses Engagement erfährt konsequenten Rückhalt durch
Welt (SKEW) von Engagement Global zur inhaltlichen und finan-         die nationalen und internationalen Interessensverbände der
ziellen Unterstützung von entwicklungspolitischen Projekten der       Kommunen und gewinnt durch die aktuelle Flüchtlingsthematik
kommunalen Ebene.                                                     neue Bedeutung. Der politische Rahmen für Kommunale Entwick-
    Auch international wird der kommunalen Ebene immer                lungspolitik ist durch Wertschätzung auf allen Ebenen abgesteckt
größere Bedeutung zugesprochen. Im September 2015 haben               und macht Mut, aktiv zu werden.
die Vereinten Nationen die 2030-Agenda für eine nachhaltige              Die Gründe, warum Städte, Gemeinden und Landkreise sich
Entwicklung verabschiedet. Die darin enthaltenen 17 neuen             in der Entwicklungspolitik engagieren, sind vielfältig. Durch
globalen Nachhaltigkeitsziele werden nicht ohne die aktive Mitar-     den internationalen Erfahrungsaustausch von guter kommu-
beit der Kommunen umzusetzen sein. Eines der 17 Agenda-Ziele          naler Praxis wird neues Wissen und mehr Handlungskompetenz
ist sogar speziell auf Kommunen ausgerichtet: Städte und Sied-        gewonnen – und das sowohl im Globalen Süden als auch im

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DSTGB DOKUMENTATION NO 135 - KOMMUNALE ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
Die neuen
                                                                                                                   Nachhaltigkeits-
                                                                                                                   ziele sind global;
                                                                                                                   sie können am
                                                                                                                   effektivsten durch
                                                                                                                   das Wirken der
                                                                                                                   kommunalen
                                                                                                                   Ebene erreicht
                                                                                                                   werden

Globalen Norden. In den Kommunen wächst die interkulturelle        Engagement in anderen Ländern birgt zudem Chancen, Demo-
Vielfalt, die das Image als weltoffene, tolerante Kommune stärkt   kratisierungsprozesse aktiv zu unterstützen – und das nicht nur
und damit eine nachhaltige, soziale und wirtschaftliche Dynamik    nach, sondern auch in Krisenzeiten. Gerade über Städtepartner-
auslöst. Und nicht zuletzt: Bei den kommunalen Akteuren und        schaften bestehen auch Handlungsspielräume, um Beziehungen
in der Bevölkerung wächst das Bewusstsein für die komplexen        aufrecht zu erhalten, auch wenn die nationalen Kontakte zurück-
Problemstellungen einer globalisierten Welt. Wesentlicher          haltender sind. Kommunale Entwicklungszusammenarbeit ist
Bestandteil dessen ist, das Konzept des Globalen Lernens vor Ort   damit auch Bestandteil einer kommunalen Außenpolitik.
vor allem gemeinsam mit Bildungseinrichtungen zu verankern.           Wie sehr deutsche Städte, Gemeinden und Landkreise ihrer-
                                                                   seits durch diesen Erfahrungsaustausch gewinnen können,
SERVICESTELLE KOMMUNEN IN DER EINEN WELT                           zeigt sich beispielsweise im Projekt „50 Kommunale Klimapart-
BERÄT UND UNTERSTÜTZT                                              nerschaften bis 2015“ der Servicestelle Kommunen in der
Bei der Suche nach geeigneten Handlungsschwerpunkten für           Einen Welt in Kooperation mit der Landesarbeitsgemeinschaft
entwicklungspolitisches Engagement gibt es zahlreiche Auswahl-     Agenda 21 NRW (LAG 21 NRW), das vom Deutschen Städte- und
möglichkeiten. Kommunen, gleich welcher Größe, können in           Gemeindebund seit Jahren unterstützt wird. Hier bringen sowohl
vielen Bereichen aktiv werden. Die Servicestelle Kommunen in       deutsche als auch Kommunen der Süd-Partnerländer Expertise
der Einen Welt von Engagement Global dient Ihnen bundesweit        sehr unterschiedlicher Art mit. Beide Seiten können voneinander
als Ansprechpartner. Information und Beratung, um kommunale        lernen und profitieren – unmittelbar durch Verbesserungen in
Akteure zu qualifizieren und zu vernetzen, gehören ebenso zu       ihrem lokalen Umfeld und mittelbar durch die gemeinsamen
den Kerngebieten der Servicestelle wie auch die Auslobung von      Beiträge zu globalem Klimaschutz und Klimaanpassung. Die
Wettbewerben.                                                      kommunalen Klimapartnerschaften sind ein vielversprechender
   Die Teilnahme etwa an dem seit 2003 ausgelobten Wett­bewerb     Ansatz, um ein globales Thema gemeinsam lokal anzugehen.
„Hauptstadt des Fairen Handels“ steigert Sichtbarkeit, Anerken-
nung und Würdigung kommunalen entwicklungs­
                                          politischen
Engagements, motiviert Bürgerinnen und Bürger zur Beteiligung
und schafft Bewusstsein für die gemeinsame Verantwortung
in der Einen Welt. Der Bereich Fairer Handel und nachhaltige
Beschaffung bietet großes Potenzial, um viele Menschen direkt
anzusprechen. Jeder ist Konsument. Und jede Institution, jede
Verwaltung kann durch die Umstellung des Konsums von Gütern
auf eine nachhaltige Entwicklung hinwirken.
   Wer sich in kommunalen Partnerschaften und internationalen
entwicklungspolitischen Kommunalbeziehungen mit Partnern
in Asien, Afrika oder Lateinamerika engagiert, weiß, dass deut-
sche Kommunen mit ihrer Expertise oft begehrte Partner sind.
                                                                   Im Rahmen des Projekts „50 Kommunale Klimapartnerschaften bis 2015“
Die kommunale Selbstverwaltung ist dabei nur einer von vielen      entwickeln deutsche Städte mit Kommunen im Globalen Süden gemeinsam
„Exportschlagern“ von deutschem Know-how. Kommunales               Handlungsprogramme in den Bereichen Klimaschutz und Klimaanpassung

                                                                                                                                        7
DSTGB DOKUMENTATION NO 135 - KOMMUNALE ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
I Entwicklungspolitik in und von Kommunen

KOMMUNALE ENTWICKLUNGSPOLITIK BRAUCHT                                        Die kommunale Entwicklungszusammenarbeit ist eine freiwillige
BÜRGERSCHAFTLICHES ENGAGEMENT                                                Aufgabe von Kommunen. Daran soll auch nicht gerüttelt werden.
Kommunale Entwicklungspolitik ist nicht ohne bürgerschaftliches              Für viele Städte und Gemeinden mit klammen Haushaltskassen
Engagement denkbar. Eine breite zivilgesellschaftliche Beteili-              ist ein entwicklungspolitisches Engagement jedoch nur schwer
gung ist Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung. Hier                umsetzbar – aber deshalb nicht gleich unrealistisch. Über die
finden sich Wechselwirkungen zu einem weiteren kommunalen                    vielen Fördermöglichkeiten, etwa themen- und projektbezogene
Handlungsfeld: Migration und Entwicklung. Menschen mit Migra-                Fördermittel von Ländern, dem Bund oder der Europäischen
tionshintergrund und ihre Organisationen besitzen oft besondere              Union, informiert die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt
Kenntnisse über und Kontakte in ihre Herkunftsländer. Sie können             umfänglich.
so bei der Entwicklung passgenauer Entwicklungsstrategien
behilflich sein. Gerade für die Kommunale Entwicklungs­politik               POTENZIALE IN DER KOMMUNE BÜNDELN
ist dies ein attraktives Potenzial, insbesondere im Hinblick auf             Und: Nicht immer muss Engagement mit viel Geld gefördert
Städtepartnerschaften und den Fairen Handel. Gleichzeitig wird               werden. Ein erster Schritt kann es schon sein, das bereits vorhan-
die interkulturelle Kompetenz aller Akteure gefördert und ein                dene Potenzial in einer Kommune zu bündeln. Private Initiativen,
wesentlicher Beitrag zur Integration geleistet.                              Partnerschaftsvereine, Migrantengruppen, Bürgerinnen und
    Städtepartnerschaften sind seit Jahren und auch heute noch               Bürger, die private Kontakte in andere Ländern pflegen: Hier anzu-
zumeist Grundlage entwicklungspolitischen Handelns. Aus                      knüpfen, Netzwerke zu bilden, gemeinsame Aktionen durchzu-
Kooperationen zwischen zwei Städten können neue Projekte                     führen in Kooperation mit Schulen, Kindergärten, Sportvereinen
erwachsen, sich Netzwerke bilden oder Multi-Akteurs-Partner-                 oder Handels- und Handwerkskammern schafft Aufmerksamkeit
schaften entstehen. Mehrere deutsch-französische Partner-                    und Motivation für ein umfangreicheres zivilgesellschaftliches
schaften haben schon heute eine dritte Kommune aus dem                       Engagement, bei dem die Kommune unterstützen und mitwirken
Globalen Süden in ihren Kreis aufgenommen. Gemeinschaftliches                kann, ohne dass viel Geld aufgebracht werden muss.
Engagement mit mehreren Partnern, etwa auch orientiert an den                    Kommunale Entwicklungspolitik bietet viele Chancen für
Partnerschaften der Bundesländer oder aber im Rahmen von                     deutsche Städte, Gemeinden und Landkreise. Wer von ihnen
Städtenetzwerken, verteilt die Aufgaben auf mehreren Schultern               entwicklungspolitisch aktiv wird, kann nur gewinnen – in Deutsch­-
und erhöht zugleich den Output für alle Beteiligten.                         land und in der Einen Welt.

Das Engagement von Kommunen für Fairen Handel wird alle zwei Jahre im Rahmen des Wettbewerbs „Hauptstadt des Fairen Handels“ ausgezeichnet – zuletzt
im September 2015

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DSTGB DOKUMENTATION NO 135 - KOMMUNALE ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
I Entwicklungspolitik in und von Kommunen

   Zur Unterzeichnung
des Millenniums-Gene-
     rationen-Vertrages
    am 9. Oktober 2007
    konnten der dama-
      lige Bürgermeister
      Alexander Büttner
     (Mitte) und Werner
       Ohlert (links) vom
  Partnerschaftsverein
 die Beauftragte für die
 UN-Millenniumskam-
pagne in Deutschland,
         Dr. Renée Ernst,
                begrüßen

Gemeinsam für die Millenniums-Entwicklungsziele
Partnerschaft zwischen Bad Münstereifel und Piéla in Burkina Faso
VON ALEXANDER BÜTTNER, EHEMALIGER BÜRGERMEISTER DER STADT BAD MÜNSTEREIFEL

Die am 9. September 2000 von den Vereinten Nationen (UN)                als 50 Wohnplätze verteilt in einem rund 151 Quadratkilometer
verabschiedete Millenniums-Erklärung ist zunächst einmal eine           großen Gemeindegebiet wohnen, in einem engen Rahmen.
Absichtserklärung von Staaten. Deren kleinste Organisations-            Vielleicht kann man ihn am treffendsten mit einem „Magischen
einheiten sind indes die Gemeinden – eine Überlegung, die zu            Viereck“ mit den Eckpunkten „Politischer Wille“, „Finanzielle
einer Herangehensweise in Form einer Entwicklungspolitik von            Gestaltungsmöglichkeiten“, „Personelle Ressourcen“ und „Zusam-
unten beziehungsweise zu einer Politik der nachhaltigen kleinen         menarbeit mit Dritten“ beschreiben.
Schritte führt.                                                            Die Erkenntnis, in „Einer Welt“ zu leben, in der Veränderungen
                                                                        Auswirkungen für alle haben, bewegt zum Handeln. Sicherlich
MILLENNIUMS-ERKLÄRUNG UND                                               ist der Gedanke zum helfenden Miteinander in Bad Münstereifel
GENERATIONENVERTRAG IN BAD MÜNSTEREIFEL                                 auch durch das Vorbild „Friedrich Joseph Haass“ geschärft. Er
Aus diesem Grund hat der Rat der Stadt Bad Münstereifel 2007 die        wurde 1780 in Bad Münstereifel geboren und kümmerte sich im
Millenniums-Erklärung des Deutschen Städte- und Gemeinde-               zaristischen Russland des 19. Jahrhunderts um die Gefangenen-
bundes und den Generationenvertrag des Vereins Partnerschaft            fürsorge, weshalb er heute noch als „Heiliger Doktor von Moskau“
Piéla-Bad Münstereifel e. V. zu den Millenniums-Entwicklungs-           verehrt wird. Sein Beispiel zeigt, wie segensreich Menschen
zielen der Vereinten Nationen beschlossen und unterzeichnet.            wirken können.
Auf Initiative der Partnerschaft Piéla-Bad Münstereifel e. V. und der
Stadt Bad Münstereifel wurde die Millenniums-Erklärung 2009 von         STÄDTISCHES UND EHRENAMTLICHES
allen Kommunen des Kreises Euskirchen in einem Festakt unter-           ENGAGEMENT
zeichnet, an dem auch der damalige NRW-Integrations­minister            Bei der finanziellen Gestaltung des politischen Willens zur Hilfe
Armin Laschet und die Beauftragte für die UN-Millenniums­               sind Bad Münstereifel allerdings sehr enge Grenzen gesteckt.
kampagne in Deutschland, Dr. Renée Ernst, teilnahmen.                   Es wird noch einige Jahre dauern, bis sie laut Plan wieder einen
    Bei der angestrebten Erreichung der Millenniums-Entwick­            ausgeglichenen Haushalt erreicht haben wird. Obwohl die Stadt
lungsziele bewegt sich eine kleine Kommune wie Bad Münster­             in den vergangenen Jahren zur Haushaltskonsolidierung auch
eifel, deren rund 18 000 Einwohnerinnen und Einwohner auf mehr          viel Personal abgebaut hat – allein von 2011 bis 2014 entfielen

                                                                                                                                           9
DSTGB DOKUMENTATION NO 135 - KOMMUNALE ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT
I Entwicklungspolitik in und von Kommunen

15 Prozent der Stellen –, besteht nach wie vor die Bereitschaft,
lokale Initiativen personell und insbesondere organisatorisch zu
unterstützen.
     Allerdings ist festzuhalten, dass eine kommunale Entwick-
lungspolitik ohne die Mitarbeit des Ehrenamtes durch eine Stadt
der Größenordnung Bad Münstereifels nicht realisierbar wäre.
Diese Einbindung des Ehrenamtes spiegelt sich auf vielen Ebenen
wider. Schulen, Vereine, kirchliche Einrichtungen und private          Burkina Faso, was übersetzt Land des aufrichtigen Menschen heißt, gehört
Initiativen arbeiten Hand in Hand mit der Stadt Bad Münstereifel       immer noch zu den ärmsten Ländern der Welt

zusammen. Schnittstelle zwischen Kommune und Ehrenamt
war zuerst das Ratsbüro, später dann die Stabsstelle. Heute liegt      lich der Einkommen war man noch weit vom angestrebten Ziel
die Zuständigkeit beim Amt für Schule, Kultur, Kurwesen und            entfernt. Zur Bekämpfung des Hungers wurde nach der Erhebung
Tourismus, das wesentlich mehr leisten muss als reine Koordina-        ein Digett-Projekt gestartet, das die Bodenerosion mindern und
tionsaufgaben. Das Amt unterstützt die ehrenamtlich Tätigen auf        höhere Ernteerträge sichern soll. Im Rahmen der Krankenversor-
vielerlei Weise, insbesondere auf dem Gebiet der Öffentlichkeits-      gung gab es immer noch zu wenige und zudem kostenpflichtige
arbeit.                                                                Krankenstationen, die nur für die wenigsten Kranken zugänglich
     Als Beispiel kommunaler Entwicklungspolitik muss die              waren. Dennoch konnten die Kinder- und die Müttersterblich-
herausragende Arbeit des Vereins Partnerschaft Piéla-Bad               keit gesenkt werden. Fortschritte konnten auch bei der Schulbil-
Münstereifel e. V. hervorgehoben werden. Er wurde 1993                 dung erzielt werden, wobei das angestrebte Ziel aber noch nicht
gegründet, um die akute Notlage des Ortes in Burkina Faso              erreicht wurde. Dieses Fazit lässt sich auch für die anderen Millen-
zu lindern. Angebahnt wurde der Kontakt auf einem Partner-             niums-Entwicklungsziele ziehen.
schaftstreffen im französischen Fougères. Gemeinsam mit der                Vieles wurde getan, einiges erreicht, doch bleibt noch ein
bretonischen Stadt und dem in der englischen Grafschaft Kent           langer Weg zu gehen. Wichtig ist, dass ein individueller Weg
gelegenen Ashford unterhält Bad Münstereifel eine Städtepart-          möglich sein muss. In Fortschreibung der Millenniums-Erklärung
nerschaft, die jeweils aus einem gegenseitigen Jugendaustausch         gibt nun die 2030-Agenda für eine nachhaltige Entwicklung mit
erwuchs.                                                               ihren globalen Nachhaltigkeitszielen die Richtung vor. Schritt-
                                                                       länge und Schrittfrequenz müssen die betroffenen Akteure selbst
PRAKTISCHE UNTERSTÜTZUNG FÜR                                           wählen dürfen, damit sie auf ihrem langen Weg nicht aus der
PARTNERGEMEINDE IN BURKINA FASO                                        Puste kommen.
Zuerst nahm sich der Verein der Trinkwasserversorgung an. Brun-
nenbau zählt zwar immer noch zu den wichtigsten Projekten,                        KONTAKT
aber im Laufe der Zeit wurde die Hilfe zur Selbsthilfe um wichtige                Stadt Bad Münstereifel
Themen wie Gesundheitsvorsorge, insbesondere Aids-Vorsorge,                       Marktstraße 11-15
sowie um die Patenkinder-Aktion und die Förderung der Schulen                     53902 Bad Münstereifel
erweitert. Für Letztgenanntes wurden auch Schulpartnerschaften                    Tel.: 02253 505-0
mit der Grundschule in Bad Münstereifel-Arloff, der Friedrich-                    Fax: 02253 505-114
Haass-Gemeinschaftsgrundschule und dem St.-Michael-Gymna-                         E-Mail: info@bad-muenstereifel.de
sium begründet. Selbst Kindergartenkinder laufen und sammeln                      Internet: www.bad-muenstereifel.de/
für Piéla. Das ist gelebte Völkerverbindung.
     Neben der Piéla-Hilfe sind Bad Münstereifeler Initiativen auch               Partnerschaft Piela-Bad Münstereifel e.V.
in Chile, Brasilien und Indien aktiv. Die Tradition des „Heiligen                 Walessiefen 8
Doktors“ führt die Friedrich-Joseph-Haass-Gesellschaft fort, die                  53902 Bad Münstereifel
sich unter anderem im deutsch-russischen Jugendaustausch und                      Tel.: 02257 4022
einem deutsch-ukrainischen Behindertenprojekt engagiert.                          Fax: 02257 950171
     Wie gezeigt, liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der Hilfe für              E-Mail: info@piela-cuofi.de
die westafrikanische Partnergemeinde Piéla, die 2007 zum Stand                    Internet: www.piela-cuofi.de
der Millenniums-Entwicklungsziele befragt wurde. Hinsicht-

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I Entwicklungspolitik in und von Kommunen

   Millenniums-Entwicklungsziele                                                                                  Anlässlich der

   und Nachhaltigkeitsziele                                                                                       Verabschiedung der
                                                                                                                  2030-Agenda für
                                                                                                                  eine nachhaltige
                                                                                                                  Entwicklung hatten
                                                                                                                  die Vereinten Nati-
                                                                                                                  onen die 17 neuen
                                                                                                                  globalen Nachhal-
                                                                                                                  tigkeitsziele auf
                                                                                                                  die Fassade ihres
                                                                                                                  Hauptquartiers in
                                                                                                                  New York projiziert

Im September 2000 unterschrieben die       schaftliche Ziele unter einem Dach und        bundes und der Deutschen Sektion des
Staats- und Regierungschefs von 189        sie gelten für alle Länder – egal ob arm      Rates der Gemeinden und Regionen
Ländern die Millenniums-Erklärung der      oder reich. Zudem wurden sie in einem         Europas (RGRE) auch von deutschen
Vereinten Nationen, in der acht Entwick-   breiten Konsultationsprozess entwickelt,      Kommunen unterzeichnet wurde.
lungsziele für das Überleben der Mensch-   an dem sich neben Politik, Wirtschaft und         Da auch die neuen globalen Nach-
heit festgeschrieben wurden. Danach        Zivilgesellschaft auch die Kommunen           haltigkeitsziele nicht ohne die aktive
sollten bis zum Jahr 2015 der weltweite    beteiligt haben. Eines der 17 Ziele richtet   Mitwirkung der Kommunen in Deutsch-
Hunger und die extreme Armut halbiert      sich denn auch explizit an die kommu-         land, aber auch weltweit, erreicht werden
werden, alle Kinder eine Grundschul-       nale Ebene. Ziel 11 fordert, „Städte und      können,    empfehlen      die    deutschen
ausbildung erhalten, die Gleichstellung    Siedlungen inklusiv, sicher, widerstands-     kommunalen       Spitzenverbände       ihren
der Geschlechter gefördert, Kindersterb-   fähig und nachhaltig machen“.                 Mitgliedskommunen, sich – ähnlich wie
lichkeit verringert, die Gesundheit der        Wie bereits die Millenniums-Entwick-      bei den Millenniums-Entwicklungszielen
Mütter verbessert, Aids bekämpft, der      lungsziele richten sich auch die neuen        – für ausgewählte Ziele der 2030-Agenda
Schutz der Umwelt verbessert und eine      globalen Nachhaltigkeitsziele an die          für eine nachhaltige Entwicklung auf
weltweite    Entwicklungspartnerschaft     Kommunen. „Unsere Ziele sind global,          lokaler Ebene zu engagieren. Die Deut-
aufgebaut werden.                          aber sie können am effektivsten durch         sche Sektion des RGRE hat dazu eine
   Nach Auslaufen der Millenniums-         das Wirken der kommunalen Ebene               Mustererklärung erarbeitet. Durch Unter-
Entwicklungsziele haben die Vereinten      erreicht werden“, betonte denn auch 2005      zeichnung dieser Erklärung können
Nationen auf ihrer 70. Vollversamm-        der damalige UN-Generalsekretär Kofi          Städte, Gemeinden und Landkreise ihre
lung im September 2015 in New York         Annan die zentrale Rolle der Kommunen         Bereitschaft signalisieren, die Nachhal-
die 2030-Agenda für eine nachhaltige       zur Erreichung der acht Millenniums-          tigkeitsziele mit Leben zu füllen.
Entwicklung verabschiedet. Die darin       Entwicklungsziele. Die Generalversamm-
enthaltenen 17 Ziele und 169 Unterziele    lung des Weltverbandes der Kommunen           WEITERFÜHRENDE
für eine nachhaltige Entwicklung sind      verabschiedete daher 2005 die Millen-         INFORMATIONEN
noch wesentlich ambitionierter als die     niums-Erklärung der Kommunen, die             Deutsche Sektion des Rates der
Millenniums-Entwicklungsziele. Denn sie    auf Initiative des Deutschen Städtetages,     Gemeinden und Regionen Europas
vereinen ökologische, soziale und wirt-    des Deutschen Städte- und Gemeinde-           (RGRE): www.rgre.de

                                                                                                                                        11
II           FAIRER HANDEL UND NACHHALTIGE
             BESCHAFFUNG IN KOMMUNEN

Beitrag der Kommunen zu einer gerechten
Handelsordnung
Berücksichtigung sozialer und ökologischer Kriterien in der öffentlichen
Beschaffung
VON NORBERT PORTZ, BEIGEORDNETER DES DEUTSCHEN STÄDTE- UND GEMEINDEBUNDES

KOMMUNEN ALS VORBILDER                                                1. Leistungsbeschreibung und technische Spezifikationen: Die
Faire und nachhaltige Beschaffungen beinhalten die Beachtung             Nichterfüllung einer entsprechenden Vorgabe durch ein
der ökologischen, ökonomischen, sozialen und ethischen Krite-            anbietendes Unternehmen führt im Sinne eines K.-o.-Krite-
rien bei der Herstellung und dem Handel mit Waren und Dienst-            riums des Auftraggebers zum Ausschluss des Bieters;
leistungen. Dabei nehmen die Kommunen eine Vorbildfunktion            2. Eignung des Unternehmens (Fachkunde und Leistungsfähig-
ein. Sie sind bei einem jährlichen öffentlichen Auftragsvolumen          keit);
in Deutschland von insgesamt etwa 300 Milliarden Euro nicht nur       3. Zuschlagskriterien (Umwelt und Soziales neben dem Preis)
im Vergleich zum Bund und den Ländern die größten öffentlichen           sowie bei der
Auftraggeber; die Kommunen sind auch Vorbild für ihre Bürger          4. Auftragsausführung.
und Bürgerinnen und können vor Ort mit ihrem Verhalten viele
Anstöße gerade für Private und für die örtliche Wirtschaft geben.     FAIRE BESCHAFFUNGEN
Mit fairen Beschaffungen leisten Kommunen zudem einen wich-           VERGABERECHTSKONFORM
tigen Beitrag zu einer gerechteren Handelsordnung und stärken         Unstreitig ist, dass Kommunen nachhaltige Beschaffungen im
ihr entwicklungspolitisches Profil. Es sollte daher Ziel jeder        Einklang mit dem Vergaberecht durchführen können. Insoweit
Kommune sein, eklatante Rechtsverstöße bei der Herstellung von        bestimmt § 97 Abs. 4 S. 2 des noch aktuellen Gesetzes gegen Wett-
Produkten sowohl im In- als auch im Ausland zu verhindern und         bewerbsbeschränkungen (GWB), dass „für die Auftragsausfüh-
eine nachhaltige Beschaffung zu gewährleisten. Dadurch wird der       rung zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden
Grundsatz „Lokal denken, global handeln“ in der konkreten Praxis      können, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative
umgesetzt.                                                            Aspekte betreffen, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit dem
                                                                      Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung
VERGABERECHTLICHE STELLSCHRAUBEN                                      ergeben“. § 97 Abs. 3 des neuen und bis zum 18. April 2016 in
Tatsächlich orientieren sich immer mehr Kommunen mit ihrem            nationales Recht umzusetzenden GWB-Entwurfs vom 8. Juli 2015
Einkaufsverhalten an den Prinzipien einer fairen und nachhal-         bestimmt noch eindeutiger im Sinne einer Vorgabe für öffentliche
tigen Beschaffung. Diese Prinzipien spielen zudem aufgrund von        Auftraggeber, dass „bei der Vergabe […] soziale und umweltbezo-
Vorgaben im EU-Recht, in den nationalen Vergabeordnungen              gene Aspekte […] berücksichtigt werden.“
sowie auch aufgrund von Vergabegesetzen in den einzelnen                 Auch enthält § 124 Abs. 1 Nr. 1 GWB-E eine ausdrückliche
Bundesländern eine immer größere Rolle. Im Vollzug kommt es           Bestimmung, dass öffentliche Auftraggeber unter Berücksichti-
dabei auch auf eine vergaberechtlich richtige und tatsächlich effi-   gung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen
ziente Gestaltung der Einkäufe und Beschaffungen an, etwa von         zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme
Bauten aus nachwachsenden Rohstoffen oder nachhaltigem Holz,          ausschließen können, wenn „das Unternehmen bei der Ausführung
von Spielwaren für Kindertagesstätten, von Natursteinen für die       öffentlicher Aufträge nachweislich gegen geltende umwelt-, sozial-
Ortsgestaltung, von Berufskleidung für die Feuerwehr oder aber        oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen hat“. Ergänzend
von Nahrungsmitteln und Kaffee für den täglichen Gebrauch             bestimmen die aktuellen §§ 16 Abs. 6 Nr. 3 S. 2 VOB/A, 16 Abs. 8
und Verzehr. Die Berücksichtigung von Kriterien der Nachhaltig-       VOL/A sowie auch § 127 Abs. 1 GWB-E, dass der Auftraggeber bei
keit und insbesondere von Umwelt- und Sozialaspekten kann bei         seiner Entscheidung über den Zuschlag auf das wirtschaftlichste
Vergabeverfahren grundsätzlich auf vier Stufen erfolgen:              Angebot unter anderem auch „Umwelteigenschaften“ bzw. umwelt-

12
II Fairer Handel und nachhaltige Beschaffung in Kommunen

                                                                        Zudem macht es Sinn, die Unternehmen frühzeitig über die
                                                                        Einzelheiten und das Verfahren nachhaltiger Beschaffungen zu
Immer mehr Kommunen setzen bei der Ausstattung ihrer Feuerwehren        informieren. Dadurch können die Unternehmen ihre Angebots­
auf Berufskleidung, die unter Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen
produziert wird                                                         palette auf „faire Ausschreibungen“ ausrichten.

bezogene oder soziale Aspekte“ berücksichtigen kann. Weiter heißt       FAIRE BESCHAFFUNGEN OHNE
es etwa in § 16 Abs. 6 Nr. 3 S. 3 VOB/A, dass für die Zuschlagsertei-   KOSTENSTEIGERUNGEN
lung „der niedrigste Angebotspreis allein nicht entscheidend ist“.      Alle kommunalen Erfahrungen zeigen, dass „faire“ Vergaben und

    In gefestigter Rechtsprechung hat der Europäische Gerichtshof       damit etwa die Beschaffung von Produkten, die ohne ausbeute-

vier Voraussetzungen für vergaberechtskonforme nachhaltige              rische Kinderarbeit hergestellt werden, nicht zur Erhöhung der

Beschaffungen, die insbesondere soziale und Umweltaspekte               Einkaufskosten führen. So wird ein Lieferant die Einhaltung der

berücksichtigen, aufgestellt:                                           ILO-Kernarbeitsnormen in seinem Angebot kaum preis­erhöhend

1. Die jeweils vorgegebenen Kriterien müssen mit dem Gegen-             berücksichtigen. Auch ein personeller Mehraufwand in der

   stand des Auftrags zusammenhängen (Auftragsbezug).                   Verwaltung dürfte sich bei einer effizienten Durchführung der

2. Die Zuschlagskriterien müssen klar, objektiv und nachprüfbar         Verfahren im Rahmen halten.

   sein.
3. Der Auftraggeber muss die jeweiligen Kriterien vorab in
   der Bekanntmachung sowie in der Leistungsbeschreibung
   nennen und
4. bei Beachtung der Kriterien müssen alle wesentlichen Grund-             WETTBEWERB „HAUPTSTADT
   sätze des Gemeinschaftsrechts (Verbot der Diskriminierung               DES FAIREN HANDELS“
   etc.) gewahrt bleiben.
                                                                           Die Servicestelle Kommunen in der

UMSETZUNG IN KOMMUNEN UNTER                                                Einen Welt von Engagement Global

EINBEZIEHUNG ALLER AKTEURE                                                 richtet seit 2003 alle zwei Jahre den

Eine faire Beschaffung sollte in der Kommune „Chefsache“ sein.             Wettbewerb „Hauptstadt des Fairen

Dies beinhaltet eine breite Unterstützung sowohl durch die                 Handels“ aus. Der Titel geht an Städte

gesamte Politik als auch durch die Verwaltung. Es empfiehlt sich,          und Gemeinden, die sich in besonderer Weise für Fairen

durch Stadt-, Gemeinderats- oder Kreistagsbeschluss die Grund-             Handel, Faire Beschaffung und nachhaltigen Konsum

sätze einer fairen Beschaffung, also insbesondere die Einhaltung           engagieren. Die Auszeichnung soll das lokale Engagement

der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisa-                 für den Fairen Handel würdigen, Öffentlichkeit und Medien

tion (ILO), bei allen Vergabeverfahren der jeweiligen Kommune              auf innovative Beispiele aufmerksam machen und so noch

vorzugeben. Dies gewährleistet, dass insbesondere keine Waren              mehr Kommunen sowie Bürgerinnen und Bürger zu global

beschafft werden, die mithilfe ausbeuterischer Kinderarbeit,               verantwortungsvollem Handeln motivieren. Die ausge-

Dumpinglöhnen sowie anderer menschenunwürdiger Arbeits-                    zeichneten Kommunen erhalten Preisgelder von insgesamt

verhältnisse hergestellt wurden.                                           105 000 Euro für die Weiterführung ihrer fairen Projekte.

    Derartige Kommunalbeschlüsse müssen aber durch die                         Bisher hat der Wettbewerb, der vom Bundesministe-

Verwaltung in der täglichen Vergabepraxis mit Leben erfüllt                rium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

werden. Dazu sind nicht nur alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter          (BMZ) gefördert wird, bereits mehr als 1000 vorbildliche

der Beschaffungsstellen, also speziell die kommunalen Fach­                Projekte und innovative Aktionen zum Fairen Handeln

bereiche und die zentralen Vergabestellen, über die Umsetzung              hervorgebracht, die in einer eigens dafür eingerichteten

fairer und nachhaltiger Beschaffungen in das Vergabeverfahren              Datenbank der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt

zu informieren und auch zu schulen. Weiter sollte das Verfahren            aufgeführt sind.

der nachhaltigen Beschaffung mit seinen einzelnen Stufen in                WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN
die kommunalen Vergabeordnungen und Dienstanweisungen                      Hauptstadt des Fairen Handels: www.service-eine-welt.de/
einfließen. Gewährleistet werden so Gleichbehandlung und                   hauptstadtfh/hauptstadtfh-start.html
Transparenz für alle kommunalen Beschaffungen.

                                                                                                                                              13
II Fairer Handel und nachhaltige Beschaffung in Kommunen

LEITFÄDEN UND WEBSEITEN ALS
INFORMATIONSQUELLEN NUTZEN
Ferner sollten frühzeitig die jeweiligen Nutzer der zu beschaffenden
Leistungen (Fachbereiche in den Kommunen) sowie auch Umwelt-
experten eingebunden werden und eine genaue Bedarfs­analyse            Neben dem fairen Umgang untereinander spielt beim Fußball auch
                                                                       die Verwendung fair gehandelter Bälle eine immer wichtigere Rolle
(Für welche Produkte ist eine nachhaltige Beschaffung besonders
zielführend?) erfolgen. Empfehlenswert ist zudem, zunächst eine
Konkretisierung der Beschaffung auf Produkte mit hohen Umwelt-         Allerdings gilt dies nur in dem Maße, in dem sich eine Herkunfts-
und Sozialauswirkungen vorzunehmen. Die Beschaffungsstellen            region für gebietseigene Gehölze nicht auch auf einen anderen
sind allerdings häufig überfordert, eigenständig die Umwelt- und       Mitgliedstaat erstreckt. So reicht beispielsweise der Oberrhein-
erst recht die Sozialgerechtigkeit von Produkten zu prüfen. Daher      graben auch nach Frankreich hinein, so dass hieraus stammende
empfiehlt sich der Rückgriff auf vorhandene Handbücher, Leit-          Gehölze ebenso wie solche aus Deutschland bei einer „Berück-
fäden und insbesondere auch Internetseiten:                            sichtigung von Gehölzen aus dem Oberrheingraben“ zugelassen
•    Beispiel: Umweltbundesamt, Rechtsgutachten                        werden müssen. Keinesfalls ist es zulässig, die konkreten Liefe-
     „Umweltfreundliche öffentliche Beschaffung“,                      ranten von Gehölzen auf bestimmte Gebiete zu beschränken. Dies
     www.uba.de/uba-info-medien/4314.html                              wäre ein Wettbewerbsverstoß, da damit entfernte Unternehmen
                                                                       nicht die Möglichkeit hätten, sich ebenfalls um die Lieferung der
Sowie auf Datenbanken und Internetseiten,
                                                                       betreffenden Gehölze zu bewerben.
zum Beispiel:
•    www.eu-energystar.org
•    www.blauer-engel.de
                                                                       INTEGRATION IN DAS VERGABEVERFAHREN
•    www.eu-ecolabel.de
                                                                       MITTELS GÜTEZEICHEN UND ZERTIFIZIERUNGEN
                                                                       Zentrales Problem bei der Durchführung nachhaltiger Beschaf-
Des Weiteren kann es hilfreich sein, sich mit anderen Kommunen         fungen ist die Überprüfung durch eine Kommune, dass etwa
auszutauschen oder das Thema in Schulungen (Beispiel: Kommu-           Baumaterialien, Nahrungsprodukte oder auch Textilien, also die
nale Spitzenverbände, ICLEI) aufzugreifen. Hierüber können wert-       Berufskleidung der Feuerwehr, ohne ausbeuterische Kinder­
volle Informationen, insbesondere über umweltfreundliche und           arbeit hergestellt wurden. Hier sind die Kommunen allein über-
klimaschonende sowie energieeffiziente Produkte und deren              fordert. Daher empfiehlt es sich, von den Anbietern der Produkte
Alternativen, gewonnen werden.                                         entweder unabhängige Nachweise, also Gütezeichen (s. § 34
                                                                       des Entwurfs der neuen Vergabeverordnung vom 9. November
AUFTRAGS- UND UMWELTBEZOGENE                                           2015 = VgV-E) oder Zertifizierungen beziehungsweise zumindest
BESCHAFFUNGEN AUS DER REGION ZULÄSSIG?                                 eine Selbsterklärung zu verlangen, wonach etwa die Natursteine
Als auftragsbezogene und damit zulässige Beschaffung im Sinne          ohne ausbeuterische Kinderarbeit produziert wurden. Manko bei
der Nachhaltigkeit kann grundsätzlich in der Vergabebekannt-           Selbsterklärungen der Bieter ist, dass die Kommune auf deren
machung und den Vergabeunterlagen nicht nur die Vorgabe                Glaubwürdigkeit vertrauen muss. Insoweit hat der Verwaltungs-
gemacht werden, dass bei der Beschaffung von Hölzern, etwa             gerichtshof Baden-Württemberg am 21. Mai 2015 entschieden,
für zu errichtende kommunale Bauten, Tropenhölzer und damit            dass den Zertifizierungen bei Grabsteinen (Xertifix und fairstone)
eine Schädigung von Urwäldern ausgeschlossen werden. Auch              keine hinreichend gesicherte Glaubwürdigkeit beizumessen ist.
die Ausschreibung von gebietseigenen (regionalen) Gehölzen             Daher ist das Verlangen verbindlicher Nachweise vom Bestbieter,
muss als vergaberechtlich zulässig angesehen werden. Zwar              also dem Bieter, der den Zuschlag erhalten soll, rechtzeitig vor
wird hiermit eine Beeinträchtigung der EU-Warenverkehrsfreiheit        der Zuschlagserteilung zielführender. Die Bieternachweise bein-
(Art. 28 ff. AEUV) vorgenommen. Diese kann aber ausnahmsweise          halten, dass etwa die angebotenen Natursteine ohne ausbeute-
dann gerechtfertigt sein, wenn nur gebietseigene Gehölze dazu          rische Kinderarbeit im Sinne des ILO-Übereinkommens Nr. 182
führen, dass zum Beispiel die heimische Flora nicht genetisch          gefertigt wurden.
verändert wird und damit stabil für künftige Entwicklungen wie            Eine Kommune dürfte einen Nachweis zumindest immer
den Klimawandel bleibt. In diesem Fall kann eine kommunale             dann auch rechtlich zweifelsfrei verlangen können, wenn dieser
Vergabestelle aus Umweltschutzgründen bei ihrer Beschaffung            Nachweis verhältnismäßig einfach beizubringen ist. In diesem
im Einzelfall gebietsfremde Gehölze ausschließen.                      Fall stellt die Forderung keinen zu starken Eingriff in die Berufs-

14
II Fairer Handel und nachhaltige Beschaffung in Kommunen

   KAMPAGNE FAIRTRADE-TOWNS
   Kommunen in Deutschland können sich seit Anfang 2009              auch in den Medien ein
   um den Titel „Fairtrade-Town“ bewerben. Zur Erlangung des         regelmäßi­ges    Forum
   Titels ist die Umsetzung von fünf Kriterien erforderlich. Dazu    geboten,     steht     der
   gehört die Nutzung von Kaffee und einem weiteren Produkt          Auszeichnung nichts mehr im Wege. Dabei wird der Titel „Fair-
   aus Fairem Handel bei Rats- und Ausschusssitzungen sowie im       trade-Town“ zunächst auf zwei Jahre vergeben, danach erfolgt
   Bürgermeisterbüro. Zudem müssen Einzelhandelsgeschäfte            eine Überprüfung.
   und Gastronomiebetriebe fair gehandelte Produkte anbieten,           In Deutschland wurden mittlerweile fast 400 Kommunen
   wobei sich die notwendige Anzahl nach der jeweiligen Einwoh-      als „Fairtrade-Towns“ ausgezeichnet. International gibt es
   nerzahl der Kommune richtet.                                      bereits mehr als 2500 „Fairtrade-Towns“, wobei Großbritannien
      Kommunen, die den Titel anstreben, müssen darüber              mit über 500 „Fairtrade-Towns“ die Bewegung anführt. Als
   hinaus eine lokale Steuerungsgruppe unter Einbindung              Träger der Kampagne in Deutschland steht der Verein Trans-
   von Verwaltung, Einzelhandel, Agenda 21, Kirchen, Schulen         Fair interessierten Kommunen in der Planungsphase beratend
   und Medien eingerichtet haben, die die fairen Aktivitäten         zur Seite und stellt im Internet umfangreiches Material bereit.
   vor Ort koordiniert. Werden dann noch öffentliche Einrich-
   tungen wie etwa Schulen oder Kirchen für die Verwendung           WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN
   fair gehandelter Produkte gewonnen und wird dem Thema             Kampagne „Fairtrade-Towns“: www.fairtrade-towns.de

ausübungsfreiheit der anbietenden Unternehmen dar und ist            werden. Eine Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
verfassungsgemäß. Dabei muss das besondere Gewicht der von           empfiehlt sich ebenso wie eine Information der Bürgerschaft und
den ILO-Kernarbeitsnormen erfassten Bereiche berücksichtigt          insbesondere auch der bei Ausschreibungen potenziell anbie-
werden. Diese umfassen allesamt grundgesetzlich geschützte           tenden Unternehmen. Faire Beschaffungen führen nach allen
Rechtsgüter.                                                         Erfahrungen nicht zu Kostensteigerungen. Sie sind im Allgemein-
   Wenn der Bestbieter die Erklärung der Kommune zur verbind-        interesse. Zudem tragen sie zu einem faireren Welthandel bei und
lichen Beibringung des konkreten Nachweises unterzeichnet            beeinflussen das Verhalten von Herstellern und Lieferanten.
hat, wird diese im Zuschlagsfall Vertragsbestandteil. Verstößt ein       Faire und nachhaltige Vergaben sollten durch Kommunen
Auftragnehmer daher gegen die ihm auferlegte Verpflichtung,          effizient durchgeführt werden. Hierzu bieten sich – neben
liegt ein schwerwiegender Pflichtenverstoß und ein Verstoß           schwer überprüfbaren Selbsterklärungen der Bieter – insbeson-
gegen die Auftragsausführung (vgl. § 128 GWB-E) vor. Dieser          dere von den Unternehmen beizubringende Gütezeichen und
berechtigt die Kommune zum Rücktritt vom Vertrag oder zur frist-     Nachweise unabhängiger Institute an. Diese gewährleisten, dass
losen Kündigung. Auch sollte die Kommune für diesen Fall in ihren    die zu liefernden Produkte insbesondere ohne ausbeuterische
Vergabeunterlagen eine entsprechende Vertragsstrafe vorsehen.        Kinder­arbeit und unter Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen
                                                                     hergestellt wurden. Ein Verstoß kann im Vergabeverfahren zum
FAZIT                                                                Angebotsausschluss des Unternehmens und nach Auftragsertei-
Faire und nachhaltige Beschaffungen finden in der kommunalen         lung wegen eines Verstoßes gegen die Vorgaben zur Auftrags-
Praxis immer mehr Eingang. Sie schärfen das entwicklungs­            ausführung zum Rücktritt vom Vertrag oder zur Zahlung einer
politische Profil von Kommunen. Faire und nachhaltige Beschaf-       Vertragsstrafe führen. Bei Beachtung dieser Vorgaben können
fungen sind bei richtiger Anwendung vergaberechtskonform.            gerade die Kommunen als größter öffentlicher Auftraggeber
Sie sollten auf der Grundlage klarer politischer Zielvorgaben und    in Deutschland mit nachhaltigen und fairen Beschaffungen
damit auf der Grundlage von Rats- und Kreistagsbeschlüssen           einen wertvollen Beitrag zu einer gerechteren Handelsordnung
sowie einer Dienstanweisung in den Kommunen umgesetzt                erbringen.

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Aidlingen wurde als
   erste Gemeinde im
 Landkreis Böblingen
 und 81. Kommune in
Deutschland mit dem
Titel „Fairtrade-Town“
        ausgezeichnet

      „Epizentrum“ des Fairen Handels
      im Landkreis Böblingen
      Fairer Handel und nachhaltige Beschaffung in der Gemeinde Aidlingen
      VON EKKEHARD FAUTH, BÜRGERMEISTER DER GEMEINDE AIDLINGEN
      UND VORSITZENDER DER LENKUNGSGRUPPE „AIDLINGEN IST FAIR“

      Die Gemeinde Aidlingen hat etwa 9000 Einwohnerinnen und             Um dieses Ziel zu erreichen, müssen fünf Kriterien erfüllt werden:
      Einwohner und liegt im Landkreis Böblingen in Baden-Württem­        1. Es liegt ein Beschluss der Kommune vor, bei allen Sitzungen
      berg. In der Vergangenheit wurde Aidlingen, die „Perle des             der Ausschüsse, des Gemeinderats sowie im Bürgermeister-
      Heckengäus“, als beliebtes Naherholungsgebiet bekannt, denn            büro Fairtrade-Kaffee und darüber hinaus noch ein weiteres
      mehr als die Hälfte der Gemeindegemarkung sind Natur- und              Produkt aus Fairem Handel zu verwenden. Es wird die Entschei-
      Landschaftsschutzgebiete. Seit einiger Zeit jedoch hat sich die        dung getroffen, als Gemeinde den Titel „Fairtrade-Gemeinde“
      Gemeinde nun auch als „Epizentrum“ des Fairen Handels im Land-         anzustreben.
      kreis Böblingen etabliert.                                          2. Es wird eine lokale Steuerungsgruppe gebildet, die auf dem
                                                                             Weg zur „Fairtrade-Gemeinde“ die Aktivitäten vor Ort koordi-
      AUF DEM WEG ZUR FAIRTRADE-TOWN                                         niert.
      Im Zuge der Diskussion um ein Sanierungsgebiet fanden sich          3. In den lokalen Einzelhandelsgeschäften werden gesiegelte
      Räumlichkeiten, die für die Nutzung als Eine-Welt-Laden geeignet       Produkte aus Fairem Handel angeboten und in Cafés und
      waren. Die Idee, mit einem Verein einen Eine-Welt-Laden aufzu-         Restaurants Fairtrade-Getränke ausgeschenkt. Für die Größen-
      bauen und zu betreiben, löste in der Bürgerschaft spontane             ordnung von Aidlingen sind dies vier Einzelhandelsgeschäfte
      Begeisterung aus. So konnte der „fair Weltladen & Café“ seinen         und zwei gastronomische Betriebe.
      Betrieb im November 2010 aufnehmen und wird auch heute noch         4. In öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Vereinen und
      sehr gut angenommen.                                                   Kirchen werden Fairtrade-Produkte verwendet und Bildungs-
            Im Frühjahr 2011 verfestigte sich die Idee, eine örtliche        aktivitäten zum Thema „Fairer Handel“ durchgeführt.
      Lenkungsgruppe zu gründen, die die Aktivitäten des Fairen           5. Die örtlichen Medien berichten über alle Aktivitäten auf dem
      Handels koordinieren soll. Der Bürgermeister konnte hierfür als        Weg zur „Fairtrade-Gemeinde“.
      Vorsitzender gewonnen werden. Und schnell formierte sich eine       Bereits im Mai 2011 hat der Gemeinderat einstimmig den
      zwölfköpfige örtlich breit vernetzte Gruppe mit Vertreterinnen      Beschluss gefasst, bei Beschaffungen der Gemeinde Aidlingen
      und Vertretern aus der Gemeindeverwaltung, dem Gemeinderat,         zukünftig nur noch Produkte zu berücksichtigen, die ohne
      Weltladen, Kirchen, Schulen, Vereinen, dem Einzelhandel und der     ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der Kernarbeitsnormen
      Gastronomie. In der konstituierenden Sitzung im Juli 2011 wurde     der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hergestellt werden.
      das Ziel formuliert, in den nächsten fünf Jahren einen Antrag für   Seither gilt in der Gemeindeverwaltung der oberste Grundsatz
      die Anerkennung als „Fairtrade-Town“ zu stellen.                    „Regionalität vor Internationalität“.

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