DU BIST NICHT ALLEIN 1/20 - Schader Stiftung
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SCHADER- D IALOG Magazin der Schader-Stiftung Dialog zwischen Gesellschafts- 1 /2 0 wissenschaften und Praxis DU BIST NICHT ALLEIN 1
SEITE 3 SEITE 18 E D I TO R I A L PROJEKTE 2019 SEITE 4 ÖFFENTLICHER SEITE 22 Titelbild: „DU BIST NICHT ALLEIN. Öffentlicher Raum R AU M I M D I A LO G N AC H R I C H T E N im Dialog“ war das Thema des siebten Großen Kon- vents der Schader-Stiftung im November 2019. Was aber, wenn sich der öffent- SEITE 7 SEITE 23 liche Raum in den Welt- raum ausdehnt? Der Work- D I A LO G - CA F É S TERMINE shop „Moon Village“ für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Publizistik-, Medien- und SEITE 14 SEITE 26 Kommunikationswissenschaft in Kooperation mit der S T R AT E G I E N F Ü R SCHADER-PREIS European Space Agency (ESA) setzte auf agile Mode- LEDER 2035 2020 rationsmethoden, um exem- plarisch anhand der Kom- munikation zwischen Robo- tern, Astronautinnen und Ground Control nutzerzen- SEITE 16 SEITE 27 trierte Lösungen zu ent- wickeln. Unser Titelbild „ E I N FAC H N U R IMPRESSUM zeigt eine Astronautin vor ihrem Habitat. Mehr auf ICH SEIN“ Seite 20.
E D I TO R I A L IMPRESSUM Ist es nun eine Drohung? Ein Trost? Ein Appell? DU BIST NICHT ALLEIN, dieser auf den Das Magazin S C H A D E R - D I A L O G ersten Blick abgedroschene Schlagertitel eröffnete als Konventsthema erscheint zweimal 2019 eine enor- jährlich. me Weite und Tiefe der Auseinandersetzung mit dem Öffentlichen S C H A D E RRaum - D I A L OimG 1Dialog /2 0 , so Magazin der Schader-Stiftung der Untertitel. Die Suche nach Räumen für den Diskurs und nach Dialogräumlichen Bezügen, zwischen Gesellschafts- wissenschaften und Praxis tief in der Geschichte und im Selbstverständnis der Stiftung verankert, hat im vergange- nen Jahr Projekte und Perspektiven geprägt. Aber wir kümmern H E R A Uuns S G Ederzeit BER auch in- Schader-Stiftung, tensiv und ganz praktisch um jene Räume, die wir als Angebot für v. i. S. d. P.:den Dialog Alexander zur Verfü- Gemeinhardt gung stellen. AU TO R E N U N D AU TO R I N N E N Michèle Bernhard, Nicole Deitelhoff, Saskia Flegler, Alexander Gemeinhardt, In diesem Frühsommer 2020 schauen wir auf zehn Jahre Schader-Forum Michael Göring, Karenzurück – ein Lehmann, Peter Lonitz, Kirsten Mensch, Luca Müller, etablierter, vitaler Ort der Begegnung und des Austauschs. Aber im laufenden Laura Pauli, Jahr Tobias Robischon, wird Canan Topçu, Anna-Lena Treitz, Dennis Weis auch das gegenüberliegende Haus Schader ganz für die Stiftungsarbeit zugänglich R E DA K T I O N sein: vom Stifter für seine Familie errichtet, Anfang der 1990er als Berghäuser, Monika Ausstellungsgebäude Alexander Gemeinhardt, Peter Lonitz neu konzipiert, wird das Anwesen derzeit barrierearm umgebaut. G E S TA LT U N G Büro Schramm für Gestaltung GmbH, Die Schader-Stiftung und ihre Kooperationspartnerinnen und -partner können dort bueroschramm.de nicht nur weitere Tagungs- und Gesprächsräume bespielen, sondern D R U C K auch die seit Jahren Ph. Reinheimer, Darmstadt eingeführte Schader-Galerie im Untergeschoss sowie eine Wohnung, für die ein Scientist-/ Artist-/Journalist-in-Residence-Programm entwickelt wird. Zusammen mit dem © 2020 Schader-Stiftung, Gar- Darmstadt © der abgebildeten Werke: ten des Hauses Schader und dem Schader-Forum wird damitDavid ab Ausserhofer, Spätsommer 2020 Christoph Rau, der Schader-Stiftung Schader-Campus in seiner Gesamtheit dem Stiftungszweck dienen, dem Dialog zwi- ISSN 2199-5044 schen Gesellschaftswissenschaften und Praxis. Wir sind froh, dass Alois M. Schader auch diesen Umbau selbst konzipieren konnte und aktiv mit dem Team der Stiftung begleitet. Wir schaffen also viel Raum für das Konventsthema 2020: Das Erleben der Anderen. ALEXANDER G E M E I N H A R DT Vorstand der Schader-Stiftung 3
HERZRHYTHMUS- STÖ R U N G E N „Dissens führt dazu, dass wir besser denken“, so Nicole Deitelhoff in ihrer Keynote zum Großen Konvent. Als Direktorin des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung ist das ihr Metier und als Mitglied des Senats der Schader-Stiftung reflektiert sie auch deren Rolle. Gegenwärtig beklagen viele zwei Verfallsformen der Aus- In der Auseinandersetzung über strittige Normen und Institu- einandersetzung im öffentlichen Raum: die Einnischung tionen erkennt man sich erst als Teil eines demokratischen und die Verrohung. Obgleich diese Verfallsformen auf den Ganzen. Allerdings ist es keineswegs ausgemacht, dass dieses ersten Blick in gegensätzliche Richtungen weisen, haben Modell funktioniert: Je mehr sich nämlich die öffentliche sie einen ähnlichen Effekt: sie führen zur Erlahmung öffent- Kommunikation von der Face-to-Face-Interaktion im Sinne licher Auseinandersetzung mit potenziell gefährlichen Fol- von Versammlungsöffentlichkeiten entfernt, desto schwie- gen für die Demokratie. Der öffentliche Raum ist so etwas riger wird es, sich aktiv in den öffentlichen Raum einzuschal- wie die Herzkammer der Demokratie – ein durchaus kom- ten. Die Bürgerinnen und Bürger werden zu passiven plexer Raum, er hat Vorhöfe, die wir auch schwache Öffent- Konsumenten. lichkeiten nennen, und starke Öffentlichkeiten (also die Hauptkammer), Parlamente etwa. Während erstere Meinungen Was sind nun die Symptome der demokratischen Herz- und Positionen produzieren und verstärken, sind letztere rhythmusstörungen, die sich gegenwärtig beobachten lassen? für deren Umwandlung in politischen Willen verantwortlich. Eine Erlahmung öffentlicher Auseinandersetzung durch Entfremdung, durch Abwendung und durch Zersetzung. Es ist von großer Bedeutung, dass möglichst viele Mei- nungen und Positionen Zugang erhalten, denn nur dann Ein erklecklicher Anteil der Bevölkerung schaltet sich finden sich die Bürgerinnen und Bürger eines demokratischen nicht mehr in die allgemeine öffentliche Auseinandersetzung Gemeinwesens in diesem, das heißt in den gemeinsamen ein. Zwei mögliche Ursachen: Medial transportierte und Normen und Institutionen wieder. „Du bist nicht allein“, ist verstärkte globale Krisenerscheinungen haben bei vielen Bür- das Programm des öffentlichen Raums in der Demokratie: gerinnen und Bürgern ein Gefühl elementarer Verunsiche- 4 S C H A D E R - D I A LO G DU BIST NICHT ALLEIN
rung hervorgerufen. Globalisierung hat zwar einige profitieren Um das ganz deutlich zu sagen: es gibt keinen Anspruch lassen, für andere hat sie aber zum Wegfall von Möglich- auf widerspruchsfreie Meinungsäußerung, aber es gibt na- keiten und sozialem Abstieg geführt. Auch reduziert die Trans- türlich einen Unterschied, ob Widerspruch sich ernsthaft mit nationalisierung von sozialen Handlungszusammenhängen einer Position und ihrem Kontext auseinandersetzt oder die Wirkmächtigkeit politischer Entscheidungen auf der natio- nicht. Beide Phänomene, die Entmutigung wie auch die Ver- nalen Ebene. Entfremdung und Misstrauen sind die ver- weigerung, zersetzen die Grundlagen öffentlicher Ausein- breiteten Folgen. andersetzungen. Nur wenn wir diese Probleme effektiv lösen können, können wir Demokratie sichern. Erlahmung durch Abwendung beschreibt eine Bewegung von der Beteiligung an gesamtgesellschaftlichen öffentli- Der Text dokumentiert in gekürzter Form die Keynote von chen Auseinandersetzungen zur Auseinandersetzung in kleinen Prof. Dr. Nicole Deitelhoff anlässlich des Großen Konvents digitalen Affinity Groups. Diese digitalen Räume lassen am 8. November 2019. Der Vortrag ist in voller Länge Bestand- sich durchaus als emanzipatorisch beschreiben, indem sie Bür- teil der Dokumentation des Großen Konvents der Schader- gerinnen und Bürgern eine Chance geben, die Erfahrung Stiftung 2019. Ein Video des Vortrags findet sich unter: von Austausch zu machen. Aber diese virtuellen Räume wei- sen kaum mehr Verbindung zu den allgemeinen öffentlichen W W W. S C H A D E R - S T I F T U N G . D E / G R KO 1 9 Räumen auf. Ein neuerlicher, diesmal digitaler Strukturwan- del der Öffentlichkeit. P R O F. D R . N I C O L E Schließlich Erlahmung durch Zersetzung. Viele Bürge- DEITELHOFF rinnen und Bürger sind nicht mehr bereit, sich in öffentliche Direktorin des Leibniz- Auseinandersetzungen zu begeben, weil sie es als unange- Instituts Hessische Stiftung Friedens- und nehm empfinden, weil sie befürchten, für ihre Haltungen und Konfliktforschung Positionen direkt verunglimpft zu werden oder aber der Meinung sind, schon zu wissen, welche Positionen im öffent- lichen Raum akzeptabel seien und eben auch nicht mehr akzeptabel seien. STIF TUNGEN: CHANGE MAKER IM ÖFFENTLICHEN RAUM In seiner Keynote fordert Michael Göring, Vor- Der öffentliche Raum ist ein kostbares Gut. Er ist nicht ungefährlich und er ist nicht ungefährdet. Eine zunehmend sitzender der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd illiberale Haltung gegenüber Andersdenkenden bedroht ihn. Bucerius: „Sehen wir Stiftungen als Motor der Gemeinnützige Stiftungen sind Teil des öffentlichen Raums. Veränderung, als Change Maker im öffentli- Auch wenn sie von einem privaten Bürger, einer Bürgerin errichtet werden, gehören Stiftungen eindeutig zur res publica. chen Raum.“ Von 2014 bis 2018 stand er dem Das Stiftungskapital ist mit der Gründung der Stiftung Bundesverband Deutscher Stiftungen vor. nicht mehr im Privatbesitz, sondern im Besitz einer Institution. Ö F F E N T L I C H E R R AU M I M D I A LO G 5
gerufen haben. Stiftungen müssen sich aus Gemeinwohl- verpflichtung heraus für den gesellschaftlichen Zusammen- halt stark machen, wir alle brauchen die Mitte! Die Gesellschaft unterliegt mit der Digitalisierung einem gewaltigen Veränderungsprozess. Werden wir eines Tages komplett gelenkt, manipuliert? Wie verhält es sich mit der Wür- de des Menschen, mit seiner Selbstbestimmung? Diese Fragen müssen von uns, der Zivilgesellschaft, gestellt werden, das müssen wir in den öffentlichen Raum tragen! Und letztens: Die ökologische Transformation unserer Klaus-Dieter Altmeppen und Caroline Robertson-von Trotha, Moderation, Gesellschaft. Da hat uns eine 16-Jährige sehr zu Recht die mit den Keynote-Sprechern Nicole Dringlichkeit dieses Anliegens vor Augen geführt. Die klima- Deitelhoff und Michael Göring tischen Veränderungen sind nicht zu leugnen, auch nicht die Tatsache, dass wir Menschen zu dieser extremen Verän- Ihr Wirkungsfeld ist der öffentliche Raum! Alles öffentliche derung des öffentlichen Raums erheblich beitragen. Tun muss Antwort geben können, warum man etwas tut. Schauen wir uns das einmal konkret an. Die Pflicht zur „Du bist nicht allein“, so heißt das übergeordnete Motto Antwort, die Verantwortung, ist konstitutives Element des dieses Konvents. Nein, wir sind nicht allein, aber da wir öffentlichen Dialogs, des Verständnisses über Ziele und nicht allein sind, tragen wir Verantwortung für mehr als nur Ergebnisse sowie über Rechte und Pflichten aller öffentlich für uns. Wir müssen uns der Verantwortung stellen, das tätigen Akteure. Gemeinnütziges Wirken unterliegt den heißt, irgendwann werden uns unsere Enkel oder Urenkel jeweils gegebenen gesellschaftlichen Herausforderungen. Ich fragen, was wir denn getan haben für den öffentlichen Raum, möchte vier nennen, derer wir uns in der ZEIT-Stiftung für die Gemeinschaft der Menschen. Daher mein Plädoyer: verstärkt annehmen. Wir sind Teil des öffentlichen Raums. Nutzen wir ihn! Analog wie virtuell: nutzen wir ihn als Plattform wie als Ak- Der Bereich Integration und Migration: Der öffentliche tionsraum. Wir Stiftungen können dem einzelnen Bürger Raum ist heute wesentlich geprägt durch eine internationale, aktive Teilhabe an Veränderungsprozessen anbieten! Aus dem bunte Gesellschaft. Wenn wir da das Leitmotiv unseres Konvent wird dann ein Aktionsraum! Konvents, das „Du bist nicht allein“ ernst nehmen, wissen wir, wie wichtig gerade die von Stiftungen getroffenen Maß- Der Text dokumentiert in gekürzter Form die Keynote von nahmen zur Integration von Neu-Ankommenden, von Min- Prof. Dr. Michael Göring anlässlich des Großen Konvents am derheiten sind! 8. November 2019. Der Vortrag ist in voller Länge Bestandteil der Dokumentation des Großen Konvents der Schader-Stiftung Die Gefahren, die gegenwärtig der Demokratie drohen: 2019. Ein Video des Vortrags findet sich unter: Wir Stiftungen verdanken das enorme Stiftungswachstum der Tatsache, dass wir seit 1945 in einem demokratischen W W W. S C H A D E R - S T I F T U N G . D E / G R KO 1 9 Land leben auf der Basis eines Rechtsstaates mit Gewalten- teilung. Wir beruhen auf einer freiheitlichen Gesellschafts- ordnung mit der sozialen Marktwirtschaft als ökonomischer Grundlage, eingebunden in multilaterale Verantwortung mit einem Grundgesetz, das auf der Verpflichtung des „Nie P R O F. D R . wieder“ fußt. Rechtsnationales Gedankengut hat schon ein- MICHAEL GÖRING mal für gut 60 Millionen Menschen zwischen 1933 und Vorsitzender des Vor- 1945 den Tod bedeutet. Antisemitismus hat keinen Platz mehr stands der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius in diesem Land. Aber halten wir auch mit unseren Erfah- rungen von Sozialismus und Kommunismus nicht hinter den Berg. Da haben 17 Millionen Deutsche 40 Jahre lang in Unfreiheit gelebt, bis sie vor 30 Jahren „Wir sind das Volk“ 6 S C H A D E R - D I A LO G DU BIST NICHT ALLEIN
G R O S S E R KO N V E N T 2 0 1 9 Du bist nicht allein D I A LO G - CA F É S Der Große Konvent der Schader-Stiftung bietet in jedem Jahr Persönlichkeiten aus den Gesell- schaftswissenschaften und der Praxis die Möglichkeit, den Status quo und die Perspektiven des Dialogs zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis zu diskutieren. Ziel ist es, aktuelle so- wie kommende Herausforderungen zu formulieren und daraus Themen und Bedarfe für zukünftige Aufgaben der Gesellschaftswissenschaften, aber auch für die konkrete Arbeit der Schader-Stiftung zu explorieren. Der Große Konvent findet zu einem großen Anteil im offenen Format statt. In drei Gesprächsrunden in Dialog-Cafés, die an Projekte der Stiftung anknüpfen, konnten die gut 180 Teilnehmenden des Großen Konvents Erfahrungen und Ideen, Anregungen und Erkenntnisse austauschen. Im Zentrum standen dabei die Aufgaben und Herausforderungen der Gesellschaftswissenschaften in der Dis- kussion um das Konventsthema „DU BIST NICHT ALLEIN. Öffentlicher Raum im Dialog“. D I A LO G - CA F É S 7
SICHERHEIT Wir alle tragen Verantwortung für Sicherheit. aus Probleme, die sich im Westen als zunehmend belastend Als Nutzende von technischen Geräten stehen herausstellen – wie Kriminalität im Internet. Gleichwohl ist erschreckend, was in China passiert, es macht auch nach- wir in einer gewissen Verantwortung für deren denklich, was in Deutschland in Sachen Überwachung be- Sicherheit. Als Bürgerinnen und Bürger sollten reits üblich ist und nur nicht wahrgenommen wird. wir politische Debatten einfordern: zur Daten- Die dritte Runde des Dialog-Cafés befasst sich abermals sicherheit, zum Ausmaß staatlicher Überwachung, mit der virtuellen Realität. Wer trägt die Verantwortung, zur Rolle von IT-Unternehmen. Zugleich sind hier für Sicherheit zu sorgen? Staaten ringen im Cyberspace wir gefordert, uns für Rechtsstaatlichkeit und um ihre Einflussmöglichkeiten. Im digitalen Bereich agie- ren Akteure wie Facebook und Amazon global. Braucht es Gewaltenteilung einzusetzen, um nicht in „chi- eine zwischenstaatliche Instanz, die diese Unternehmen nesische Verhältnisse“ abzugleiten. kontrolliert? Oder hat letztlich jeder selbst für seine Geräte und deren Sicherheit zu sorgen? Alle drei Runden zeigen, dass es auch in der eigenen Verantwortung von Personen und Was gilt als Maßstab für die Sicherheit im öffentlichen Institutionen liegt, sich mit dem Thema Sicherheit und sei- Raum – die gefühlte Sicherheit in der Bevölkerung oder eine nen Facetten zu befassen. „objektive“ Sicherheit, die sich mit Zahlen und Statistiken belegen lässt? Für die Fachleute aus der Stadtplanung scheint es offenkundig zu sein: Bei Fragen der Stadtgestaltung geht es um die gefühlte Sicherheit und dabei vorrangig um die Wahrnehmung der schwächsten Nutzergruppen. So sollten beispielsweise Angstgefühle beim Durchqueren des öffentlichen Raums möglichst minimiert werden. Etwa durch Sichtach- sen, Beleuchtung und Ausrichtung von Fenstern können öf- fentliche Flächen so gestaltet sein, dass sie belebt und auch beobachtbar sind. Die so entstehende soziale Kontrolle könn- te die umstrittene Videoüberwachung unnötig machen. Keine Ecke mehr in der Stadt, in der man nicht unter Beob- achtung steht? Führt das nicht zum „China-Modell“? A N TO N I A H M A I D I DR.-ING. Wissenschaftliche Mitar- JULIAN PETRIN beiterin an der Universität Gründungsgesellschafter Genau dieses wird gleich darauf diskutiert. Die chinesische Duisburg-Essen von urbanista, Hamburg Regierung überwacht nicht nur den analogen, sondern auch den digitalen öffentlichen Raum. Die verpflichtende Abgabe der Fingerabdrücke, die Datenbank zur Gesichtserkennung von 1,4 Milliarden Menschen, dazu 170 Millionen Überwa- chungskameras, das alles gekoppelt mit nur einem zugelas- senen Messenger- und Bezahldienst, nutzbar ausschließlich mit Klarnamen und Selbstidentifikation. Eine aus westli- cher Sicht drastische Entwicklung. Doch ist es in westlichen Gesellschaften wirklich anders? THOMAS REINHOLD P R O F. D R . Ist das chinesische System nicht sogar transparenter, da Wissenschaftlicher Mitar- S T E FA N S E L K E der Staat Daten sammelt und speichert, und nicht private beiter an der Technischen Professor an der Hoch- Unternehmen? Zudem bekämpft ein solches System durch- Universität Darmstadt schule Furtwangen 8 S C H A D E R - D I A LO G DU BIST NICHT ALLEIN
GRENZEN Der Begriff „öffentlicher Raum“ suggeriert Er- Unsichtbare Grenzen erschweren die Situation. Hierzu reichbarkeit, Nutzungsrechte und freien Zu- zählen soziale Hierarchien und Abhängigkeiten, die das Verhalten des Individuums prägen, eine unterschiedlich aus- gang für jedes Mitglied einer Gemeinschaft. Tat- geprägte Privilegiertheit erzeugen und damit die gelebte sächlich aber ist öffentlicher Raum mit Gren- Inanspruchnahme des öffentlichen Raums und die Identitäten- zen verbunden – sie sind mal mehr, mal weniger bildung zu „Wir“ und „die Anderen“ maßgeblich beein- flussen. Beispielhaft steht hier die Gruppe der muslimischen sichtbar und betreffen unterschiedliche ge- Frauen, deren Zugang zum öffentlichen Raum von deren sellschaftliche Gruppen. Mit welchen Fragen eigener Definition des Raums abhängt, aber auch von den rund um die Teilhabe am öffentlichen Raum se- möglicherweise selbst gesetzten Grenzen oder gelebten Mechanismen der Selbstexklusion, um dem Wunsch nach hen wir uns jetzt und in Zukunft auf der Erde, Sicherheit und Souveränität Rechnung zu tragen. aber auch im Weltraum konfrontiert? Neben der Anerkennung, dass Grenzen für sich genom- men normal sind und sie Zugehörigkeiten im besten Sinne Öffentlicher Raum ist Ort der Aushandlung gesellschaft- schaffen, erzeugt eine frühe Einbeziehung aller Gruppen in licher Fragen. Allerdings hat dieser auch Grenzen, die mit- den Gestaltungsprozess des öffentlichen Raums ein gemein- unter den Zugang erschweren. Ausschlussmechanismen, wie sames Gefühl der Verantwortung für diesen Raum und sollte sie für freiheitliche Gesellschaften charakteristisch sind, be- in dieser Form auch von der Politik aufgegriffen werden. gegnen uns in sozialer, aber auch in materieller Gestalt. Bar- rieren können aber durchaus additiv wirken: Materialität Als letzter Raum ohne Grenzen, als idealisierter öffentli- strukturiert den öffentlichen Raum und die damit verbunde- cher Raum – ohne Ausdehnung der staatlichen Souveränität, nen Möglichkeiten des Austauschs. Sie limitiert aber unter ohne völkerrechtliche Einbindung – mit den damit verbun- Umständen zugleich die Zugänglichkeit und verstärkt damit denen Chancen und Risiken präsentiert sich derzeit (noch) bereits existierende soziale Ausschlusskriterien. Dabei ist der Weltraum. Staatliche und private Akteure betreiben je- es doch gerade Ziel des öffentlichen Raums, ein potenzielles doch die zunehmende Kommerzialisierung des Weltraums Miteinander zu ermöglichen, um Orte des Dialogs zu bie- und lassen damit eine politische Diskussion um die Frage ten und auch Orte der Kontroverse zu schaffen. Letztendlich „Wie entstehen Normen im staatenfreien Raum?“ unumgäng- müssen Menschen vor allen Dingen die Chance bekom- lich werden, um diesen grenzenlosen Raum zu schützen men, gemeinsam öffentliche Räume zu gestalten und dabei und zu bewahren. auch bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. ANDREA BARTL P R O F. D R . N A I M E DR. ANNA-LISA R A D A P O P O VA Kaufmännische Geschäfts- Ç A K I R - M AT T N E R MÜLLER Wissenschaftliche Mitar- führerin der Stiftung Professorin an der Justus- Wissenschaftliche Mitar- beiterin an der Universität Lesen, Mainz Liebig-Universität Gießen beiterin an der Universität zu Köln Osnabrück D I A LO G - CA F É S 9
PLANUNG Zwei Drittel aller Menschen werden 2050 in Es erscheint zentral, Planung transparenter, prozessualer, Städten leben – wie können sie mit unterschied- öffentlicher, demokratischer, politischer und damit konsens- fähiger werden zu lassen. Im Hinblick auf das Nutzungsver- lichen kulturellen, religiösen oder ethnischen halten wäre eine Art Knigge für die Zuständigkeiten und Hintergründen friedlich koexistieren? Welche den Umgang im öffentlichen Raum ein Ansatz zur Schlich- Beziehung besteht zwischen urbanem Planen tung vieler Nutzungskonflikte. Beispielsweise hat der Um- bau der autogerechten zur menschengerechten Stadt begonnen, und städtischen Lebensbedingungen. Wie kann doch die Raumansprüche der verschiedenen Mobilitäts- eine offene Stadt aussehen, die geprägt ist gruppen stehen weiterhin in Konkurrenz zueinander, auch von Vielfalt und Veränderung – und deren Be- der Wachstumstrend der Automobilindustrie und die Größe moderner Autos zeigen in eine andere Richtung. wohner und Bewohnerinnen Fähigkeiten im Umgang mit Unsicherheiten entwickeln? Nutzungskonflikte innerhalb der Bevölkerung können auch auf die Unterscheidung von privatem und öffentlichem Leitbilder haben für Stadtplaner eine ganz besondere Be- Raum zurückgeführt werden. Dabei stehen Öffentlichkeit deutung. Es gehört zur Profession der Planerin und des und Privatheit nicht in einem Gegensatz zueinander, sie be- Planers, mit normativen Beschreibungen der Zukunft zu ar- dingen sich vielmehr wechselseitig. Ohne Öffentlichkeit beiten. Der öffentliche Raum ist eng mit dem Leitbild der gibt es keine Privatheit, denn die Sphäre der Öffentlichkeit europäischen Stadt verknüpft. Die politische und ökonomische hat dazu geführt, dass sich parallel Privatheit ausbilden Emanzipation der Bürgerinnen und Bürger ist maßgebli- konnte. Wie der Soziologe Hans Paul Bahrdt bereits in den cher Charakterzug der europäischen Stadt, deren Freiheits- 50er Jahren zum Ausdruck brachte, eröffnen Städte so die versprechen der öffentlichen Raum deutscher Städte heute Möglichkeit zur „unvollständigen Integration“: Nicht in jeder mehr denn je erfüllt: durchgesetzte Demokratie, offene Märkte, Beziehung in eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe in- Individualisierung und soziale Integration ohne Negierung tegriert zu sein ermöglicht, an unterschiedlichen Gruppie- von Differenz. Indessen hat sich die Funktion des öffentlichen rungen teilzuhaben, aber sich aus diesen auch wieder zu- Raums im historischen Kontext gewandelt – das Öffentliche rückzuziehen. Der Rückzug in die Privatheit ist die Basis für hat sich ins Internet erweitert, dennoch sind es weiterhin die den erneuten Eintritt in unterschiedliche Gruppen und zentralen Plätze, man denke an den Neumarkt in Dresden damit in die Öffentlichkeit. Diese Differenz von Öffentlichkeit oder den Taksim-Platz in Istanbul, die als Orte der politischen und Privatheit wird als entscheidende Grundlage städtischer Auseinandersetzung genutzt werden. Kultur angesehen. R E I N E R N AG E L P R O F. D R . CA R O L I N E P R O F. D R . DR.-ING. ELENA Vorstandsvorsitzender Y. R O B E R T S O N - WOLFGANG SONNE W I E ZO R E K der Bundesstiftung VO N T R OT H A Professor an der Hauptgeschäftsführerin Baukultur, Potsdam Gründungsdirektorin Technischen der Architektenkammer des Zentrums für Ange- Universität Dortmund Rheinland-Pfalz, Mainz wandte Kulturwissen- schaft und Studium Generale am Karlsruher Institut für Technologie 10 S C H A D E R - D I A LO G DU BIST NICHT ALLEIN
A M B I VA L E N Z E N Das „Öffentliche“ hat viele Bedeutungssphären, Dialog-Café war es, öffentliche Räume wie Straßen, Plätze von Straßen und Plätzen über digitale Medien und Parks als Übungsobjekte für Toleranz und Integration zu nutzen. bis hin zu konkreten Arenen des demokratischen Diskurses. Sein Wesen ist ambivalent, das Ver- Öffentlichkeit beschreibt auch den Artikulationsraum für hältnis des Öffentlichen zum Privaten vielfach Bedürfnisse und Anliegen, die früher durch die Presse, Par- teien und andere Akteure gefiltert, aggregiert und in den po- dialektisch. Das Öffentliche ist ein instabiles, litischen Prozess eingespeist wurden. Die neuen Medien voraussetzungsreiches und von Ungleichzeitig- tragen zu stärkerer Beteiligung aller an den Austauschprozes- keiten geprägtes Konstrukt. sen bei, doch die enorme Menge an Kommunikation kann heute nicht mehr aggregiert werden. Die neue Sichtbarkeit individueller Meinungen verstärkt bereits vorhandene Plu- Die Trennung von Privatheit und Öffentlichkeit ist ein ralität und deren weitere Ausdifferenzierung. Dies ist demo- Phänomen der Moderne. Die Prinzipien des Allgemeinen und kratiepolitisch nicht negativ, es fehlen aber Möglichkeiten, Gleichen sind historisch der Gegenentwurf zu einer Gesell- die neue Vielfalt kompromiss- und konsensfähig zu machen. schaftsordnung als Aggregat privater Privilegien. Das Öffent- liche in der Demokratie besteht so im privilegienfreien, dis- kursiven Aushandeln der Lösung gemeinschaftlicher Aufgaben, die nicht allein privaten Entscheidungen und der Markt- koordination überlassen werden können. Dieses diskursive Aushandeln ist allerdings komplex und nicht trivial organisierbar, so dass die Tendenz besteht, Re- geln aus der Markt- und Privatheitssphäre auf die Öffentlich- keit zu übertragen. Das jedoch kann den pluralistischen und diskursiven Charakter des Öffentlichen konterkarieren. P R O F. D R . ALEXANDER Das Öffentliche benötigt genau wie die Koordination des OT F R I E D JA R R E N KRAHMER Professor an der Wissenschaftlicher Privaten Regeln, aber diese Regeln haben einen anderen Universität Zürich Mitarbeiter am Helmholtz- Charakter. Es ist deshalb problematisch, wenn Privatunter- Zentrum für Umwelt- nehmungen die Regeln des Öffentlichen bestimmen. forschung, Leipzig Weder im kommunikativen noch im physischen Sinne kann ohne Weiteres eine klare Trennungslinie zwischen Öffent- lichkeit und Privatheit gezogen werden. Die öffentliche und politische Kommunikation ist schon lange geprägt von privat- wirtschaftlich organisierten Medien und Sendeanstalten, und deren Unabhängigkeit und Staatsferne gilt als Grund- element demokratischer Öffentlichkeit. Flächendeckend mit Sensoren ausgestattete Smart Cities stellen in Frage, was noch als privat verstanden wird und worin eine kollektive P R O F. D R . G I S E L A P R O F. D R . Aushandelbarkeit des öffentlichen Raumes besteht. Wie privat KUBON-GILKE RICHARD STURN Professorin an der Professor an der handeln reiche Bürger, die gemeinsam den Marktplatz in Evangelischen Hoch- Karl-Franzens- ihrer Stadt gestalten, wie öffentlich agiert ein Anlagefonds, schule Darmstadt Universität Graz dem große Teile der Innenstadt gehören? Eine Vision im D I A LO G - CA F É S 11
N A C H H A LT I G E ENTWICKLUNG Der öffentliche Raum spielt in Aushandlungs- prozessen für eine nachhaltigere Entwicklung in verschiedenen Lebensbereichen eine ele- mentare Rolle. Wie können wir diesen Raum für nachhaltige Entwicklung nutzbar machen? Wo sind die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit? Wie kommen wir ins Handeln? P R O F. D R . DR. CHRISTINE GABRIELE ABELS HEYBL Professorin an der Autorin und Lehrbeauf- Eberhard Karls tragte an der Leuphana Mit dem Begriff des Anthropozäns verstärkt sich die Universität Universität Lüneburg Erkenntnis, dass die planetare Leistungsfähigkeit überstrapa- ziert wird. Es braucht eine Umstellung zu einer nachhalti- geren Wirtschafts- und Lebensweise. Dem öffentlichen Raum kommt dabei eine entscheidende Rolle bei der Aushand- lung konträrer Interessen und dem Austesten von Lösungs- möglichkeiten zu. Anhand einer Strategie der Interessenaushandlung im öffentlichen Raum zeigt sich, wie Ideen für eine nachhaltige Entwicklung bei der Umverteilung städtischer Verkehrs- D R . J O N AT H A N B R I T TA R Ö S E N E R räume, einem potenziell konfliktreichen Thema, anschluss- KROPF Wissenschaftliche fähig sind. Das vorgestellte Modell der Prozessgestaltung Wissenschaftlicher Mitar- Mitarbeiterin an der findet großen Anklang, fraglich bleibt, wo der beschriebene beiter an der Universität Rheinisch-Westfälischen Kassel Technischen Hochschule Weg zur Konsensfindung seine Grenzen findet. Ist ein par- Aachen tizipativer Ansatz geeignet, die nötige Breitenwirkung in einem relativ begrenzten Zeithorizont zu entfalten? Was kann der und die Einzelne angesichts des Klimawan- getroffen werden? Führt die Diktion des Klimadiskurses zu dels bewirken? Häufig wird an die individuelle Verantwor- Scham und Angst – und damit zur Abwendung vom Thema? tung appelliert. Das setzt aber infrastrukturelle Bedingungen Positive Zukunftsvisionen und gewaltfreie Sprache moti- voraus, die eine nachhaltig-kompetente Verantwortungs- vieren, so eine Sichtweise. Althergebrachtes Verhalten, ob im übernahme möglich machen. Diese fehlen oftmals in den Privaten oder gesamtgesellschaftlich, hat enormes Behar- Arenen des öffentlichen Raums, digital und analog. Der öf- rungsvermögen, nur dystopische Zukunftsbilder vermögen fentliche Raum des Digitalen wird zudem durch private die Bequemlichkeit der Verbrauchsgesellschaft zu durch- Akteure unter den Zwängen der Aufmerksamkeitsökonomie brechen, so das Gegenargument. gestaltet. Ohne Anreize oder Druck ist eine wirksame Selbst- verpflichtung dieser Akteure zur Unterstützung nachhaltigen Eine Mischung aus top-down gesteuertem Vorgehen und Verhaltens unwahrscheinlich. konsensorientierten Experimentierräumen scheint notwen- dig, um eine nachhaltige Transformation unter Wahrung des Wie steht es um die moralische Pflicht zum Handeln und erforderlichen gesamtgesellschaftlichen Rückhalts zu be- deren kommunikative Vermittlung im öffentlichen Raum? wirken. Denn für einen Wandel zur einer nachhaltigeren Wirt- Liegt es an der Art der Kommunikation, dass notwendige Maß- schaft und Gesellschaft bleibt nicht mehr viel Zeit. nahmen auf institutioneller und individueller Ebene nicht 12 S C H A D E R - D I A LO G DU BIST NICHT ALLEIN
V I E L F A LT Der öffentliche Raum bietet als Sphäre ver- Wie geht die Erzählung anschließend weiter? Was ge- meintlich gleichberechtigter Zugänglichkeit schieht, wenn Zugewanderte bleiben? Thema der zweiten Session „Bleiben“ sind Veränderungen in städtischen wie Gelegenheit für Begegnungen. Kulturelle Um- ländlichen Räumen, wo Mehrheiten zunehmend zu Minder- gebungen werden durch Migration vielfältiger heiten werden. Aus diesen demographischen Veränderungen und können grundlegende Aushandlungspro- kann gesellschaftliche Polarisierung resultieren. Die Bildung neuer Identitäten zieht diese Entwicklung jedenfalls sicher zesse anstoßen. Wird dieser vielfältige öffentli- nach sich. Als eine Konsequenz gewinnt das Lokale an Be- che Raum von den verschiedenen urbanen deutung. Dort, im Greifbaren, beginnt die Auseinander- Gruppen überhaupt angenommen? setzung mit der eigenen Identität. Die dritte Runde des Dialog-Cafés geht der Vielfalt von Sind wir dazu bereit, gesellschaftspolitische Errungen- Bewegungen nach. Räumliche Mobilität hat sich für einen schaften wie Teilhabe und Zugang zu öffentlichen Räumen Großteil, vor allem hochqualifizierter Migrantinnen und Mi- und Entscheidungsprozessen mit Ankommenden zu teilen? granten, zu einer Selbstverständlichkeit entwickelt. Über Und zwar Ankommende jeglicher Couleur und somit völlig das Kommen und Bleiben richtet sich der Blick in der letzten heterogene Gruppen, deren eigene Ressourcen stark vari- Runde des Dialog-Cafés auf das „Gehen“. Ortsbindungen ieren und die Angebote politischer und gesellschaftlicher Par- verlieren tendenziell an Bedeutung, es entwickeln sich statt- tizipation unterschiedlich wahrnehmen. Eine Fragestellung, dessen mehr flüchtige und mobile Identitäten. Doch anders die ebenfalls soziale Leistungen, etwa Angebote der Gesund- als zu erwarten wäre, bleiben Räume durchaus von Bedeu- heitsversorgung oder Bildung, betrifft. Und die eine grund- tung. Ankommende wählen ihren Aufenthaltsort anhand sätzliche Auseinandersetzung mit der eigenen Bereitschaft jener Kriterien, die in Einklang mit der eigenen Identität ste- eröffnet, Anderen Freiraum und Teilhabe zu gewähren. hen, auch wenn diese sich aus multilokalen Ortsbezügen speist. Drei Perspektiven rücken im Verlauf des Dialog-Cafés in den Fokus. Unter dem Titel „Kommen“ widmet sich die Wie die einzelnen Sessions verdeutlichen, bedarf es einer Runde Ankommenden, die sich in unseren Alltag und damit erhöhten Aufmerksamkeit auf Prozesse, die Zugehörigkeit ins öffentliche Leben begeben. Ihnen Partizipation zu er- und Identitätsentwicklung für verschiedene Formen der Mi- möglichen nimmt auch jene in die Pflicht, die bereits im öf- gration – Arbeitsmigration, Fluchtmigration – ermöglichen fentlichen Raum agieren. Es bleibt elementar, dass beide können, auch aus Perspektive der Ankunftsgesellschaft. Seiten aufeinander zugehen. P R O F. D R . K L A U S - P R O F. D R . DR. SEBASTIAN P R O F. D R . D I E T E R A LT M E P P E N M A R G I T FA U S E R K U RT E N B AC H A N D R E A S P OT T Professor an der Ka- Professorin an der Hoch- Vertretungsprofessor Professor an der Universi- tholischen Universität schule Darmstadt an der Fachhochschule tät Osnabrück Eichstätt-Ingolstadt Münster D I A LO G - CA F É S 13
K L A S S E S TAT T M A S S E – S T R AT E G I E N FÜR LEDER 2035 Wie kann die globale Lieferkette für Leder bis Lederlieferkette leisten können, waren 2019 ins Schader- 2035 nachhaltiger gestaltet werden? Im Rahmen Forum eingeladen. Sie stellten sich der Aufgabe, verschiedene Zukunftsvisionen, sogenannte Szenarien, zu erarbeiten. Ein des Projekts „Systeminnovation für Nachhalti- erster Schritt auf Seiten der Beteiligten war, zunächst eine ge Entwicklung (s:ne)“ wurden erste Strategien gemeinsame Perspektive einzunehmen, um auf die beste- gemeinsam mit Akteuren aus der Wirtschaft, henden Herausforderungen zu schauen und diese einordnen zu können – und die Frage zu beantworten: An welchen dem öffentlichen Sektor, der Wissenschaft und Stellschrauben muss gedreht und welche Weichen müssen der Zivilgesellschaft erarbeitet. gestellt werden, um im Jahr 2035 deutliche Verbesserungen in der globalen Lederlieferkette zu erwirken? An insgesamt drei Terminen identifizierten die Beteiligten unter anderem verschiedene Einflussfaktoren, etwa das Verbraucherverhalten Die Schader-Stiftung ist Partnerin im Projekt „System- und die Produktionskosten. Nicht zu unterschätzen war, innovation für Nachhaltige Entwicklung (s:ne)“ der Hoch- wie stark sich diese Faktoren gegenseitig beeinflussen und je schule Darmstadt. Ziel ist es, die Transferstrategie der Hoch- nach Konstellation unterschiedlich starkes Gewicht haben. schule weiterzuentwickeln und in unterschiedlichen The- menfeldern zu erproben – etwa im Bereich der Stadtentwick- Die Praxisakteure und das Projektteam der Hochschule lung oder des Chemikalienmanagements am Beispiel der formulierten im Rahmen des Szenarioprozesses zwei „Er- Lederlieferkette. gebnis-Geschichten“, also zwei mögliche Visionen für die Zu- kunft der Lederbranche. Eines dieser Szenarien zeichnete E I N S Z E N A R I O P R OZ E S S A L S für das Jahr 2035 ein besonders positives Bild, so durch die AUSGANGSPUNKT Schaffung von Transparenz bezüglich der Rückverfolgbar- keit von Chemikalien und durch eine Verbesserung der Ar- Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, aus dem öf- beitsbedingungen. Die Teilnehmenden verständigten sich fentlichen Sektor, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft, auf dieses Szenario als Basis der Weiterarbeit. die einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Gestaltung der 14 S C H A D E R - D I A LO G DU BIST NICHT ALLEIN
D E R S T R AT E G I E W O R K S H O P Abgesehen von der Beschäftigung mit globalen Liefer- LEDER 2035 ketten wird das Projekt s:ne weitere Handlungsfelder, die ei- nen Beitrag zu einer nachhaltigeren Entwicklung leisten Der anschließende Strategieworkshop widmete sich Fra- können, thematisieren. So werden Fragen der Verkehrswende gen zur Weiterführung des Szenarioprozesses: Was muss in Stadt und Region wie auch der Aspekt alternativer Liefer- jetzt, was in sechs Monaten, in fünf Jahren und darüber hin- verkehre, etwa mittels Hybrid-Lastenrädern, in den Fokus aus getan werden – und von wem, um dieses Szenario zu rücken, ebenso die Problematik der energetischen Versor- realisieren? „Uns war es wichtig, konkrete Handlungsschritte gung von Bestandsimmobilien. Gespiegelt werden diese abzuleiten, die nicht allein durch die Wissenschaft entwi- Themen immer wieder durch das „Bürgerpanel“ im Projekt ckelt werden, sondern gemeinsam mit denjenigen, die es auch s:ne, bei dem unter der Regie des Fachbereichs Umwelt- umsetzen”, so Julian Schenten, Wissenschaftlicher Mitar- psychologie an der Hochschule Darmstadt in regelmäßigen beiter an der Hochschule Darmstadt und Leiter des s:ne- Abständen die Darmstädter Bürgerinnen und Einwohner Umsetzungsvorhaben „Herausforderungen entlang globaler aus der Region befragt werden. Zuletzt standen hierbei regi- Lieferketten“. onale Mobilität und Pendlerverkehr im Blickpunkt. Auch Teilnehmende des vorausgegangenen Szenariopro- W W W. S C H A D E R - S T I F T U N G . D E / S N E zesses engagierten sich im Strategieworkshop, dazu weitere zentrale Akteure. Im Ergebnis entstanden Roadmaps mit kon- kreten Handlungsanweisungen, um die avisierten Entwick- Das Projekt wird im Rahmen des Bund-Länder-Programms lungen in Gang zu setzen. „Ich habe mich sehr gefreut an „Innovative Hochschule“ gefördert von: diesem Prozess teilzunehmen, direkt mit der Wissenschaft zusammenzuarbeiten und mit anderen Praktikern in einem neutralen Umfeld zu diskutieren”, so Ekkehard Werner, Mitarbeiter der Gerberei HELLER-LEDER und dort zustän- dig für Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Sicherheit. Aus Sicht der Schader-Stiftung demonstriert der Projektablauf Gemeinsame beispielhaft, wie das Konzept angewandter transformativer Wissenschaftskonferenz GWK Forschung eine intensive und produktive Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis ermöglicht. AUSBLICK Wie kann die Hochschule Darmstadt, die sich im Rahmen des Projekts s:ne noch mindestens bis Ende 2022 mit dieser Thematik befasst, am effektivsten den Prozess „Leder 2035“ weiterführen? Dazu sind erste Konzeptpapiere entstanden, etwa zu nachhaltigeren Lederchemikalien oder zu „Trace- ability“, der Nachverfolgbarkeit der einzelnen Schritte. Ak- DR. MICHÈLE KAREN LEHMANN tuell wird auch darüber nachgedacht, an bestehende Initiativen BERNHARD Politikwissenschaftlerin im Bereich Chemikalienmanagement in globalen Liefer- Soziologin und Wissen- und Wissenschaftliche schaftliche Referentin Referentin der Schader- ketten anzudocken, um Synergien zu schaffen. der Schader-Stiftung Stiftung L A U R A PA U L I Politikwissenschaftlerin, Ein Projekt von Persönliche Referentin des Vorstands und Wissen- schaftliche Mitarbeiterin der Schader-Stiftung S T R AT E G I E N F Ü R L E D E R 2 0 3 5 15
„ E I N FAC H N U R ICH SEIN“ Eine pluralistische Gesellschaft stellt hohe mit Themen rund um das Leben in der pluralen Gesellschaft Ansprüche und Erwartungen an Frauen und Mäd- sehr viel Energie raubt. Vor allem natürlich deshalb, weil ich persönlich involviert bin. chen mit Migrationsbiographie. Unter dem Titel „Konfusion und Konstruktion. Autorinnen Bei den vielen Begegnungen auf meiner Reise erlebte ich zu Identität in der Migrationsgesellschaft“ ver- meine Herkunft anders, sie war nicht von Belang. Niemand fragte, woher ich „eigentlich“ komme. Ich hingegen – so sehr anstalteten die Hochschule Darmstadt und die daran gewöhnt, Auskunft darüber zu geben – erwähnte auch Schader-Stiftung eine Gesprächsreihe mit ungefragt, dass ich aus der Türkei stamme. Das blieb jedoch Lesungen, die Canan Topçu moderierte. Sie be- unkommentiert. Wie mich das irritierte! Meine Herkunft war anscheinend bedeutungslos, was ich gleichzeitig als wohl- richtet hier von ihren persönlichen Erfahrun- tuend empfand. Ich bin 54 Jahre alt, lebe seit 1973 in Deutsch- gen mit Herkunft und Zugehörigkeit und zeichnet land und kann mich nicht daran erinnern, dass es hierzu- die Vorgeschichte der Veranstaltungsreihe nach. lande jemals so war. Auch in privaten Begegnungen kläre ich wildfremde Leute darüber auf, dass ich aus der Türkei bin, um dann Fragen über Türken im Allgemeinen und Türkinnen Im vergangenen Jahr nahm ich mir eine Auszeit und im Besonderen zu beantworten. tourte zwei Monate lang im Camper durch Tasmanien. Die Fernreise sollte mir dabei helfen, einen klareren Kopf zu Meine Migrationsbiographie hat sich auf meinen Werde- bekommen und herauszufinden, ob ich mich beruflich weiter- gang ausgewirkt: Ich war Hauptschülerin, schaffte durch hin mit den Themen beschäftigen möchte, auf die ich mich glückliche Zufälle den Wechsel auf die Realschule, dann aufs im Laufe meines Berufslebens – eher unfreiwillig – speziali- Gymnasium, machte Abitur und studierte. Immerzu wollte siert habe: Migration und Integration, Islam und Muslime. ich allen beweisen, ich habe trotz meiner Herkunft „was auf Mit dem Älterwerden, genauer seit ich die 50 überschritten dem Kasten“. Wie belastend und ermüdend das ist, nehme habe, bemerke ich, dass die professionelle Beschäftigung ich mit dem Älterwerden wahr. Wer hätte ich sein können, 16 S C H A D E R - D I A LO G DU BIST NICHT ALLEIN
wenn mir nicht immer wieder meine Herkunft in die Quere von Vorurteilen, Ausgrenzungen und Rassismus zu leben gekommen wäre? Wie wäre ich, wenn ich einfach nur ich haben. Damit die Studierenden Räume des öffentlichen Dis- sein könnte? Also ohne immer wieder auf den Migrations- kurses entdecken, initiierte ich eine Kooperation mit der hintergrund festgenagelt zu werden und ohne auf die mir Schader-Stiftung, die ich privat und beruflich als einen Ort deswegen zugeschriebenen Eigenschaften zu reagieren – mal des Austausches von Wissenschaft und Gesellschaft schätze. diese bestätigend, mal sie mit großem Kraftaufwand ab- weisend. Drei Autorinnen hatten wir zu Gast: Dilek Güngör, Lena Gorelik und Alice Hasters. Journalistinnen, die zudem Bü- Fragen nach Zugehörigkeit und Identität beschäftigen cher geschrieben haben – Bücher, in denen sie sich auf unter- auch viele andere Frauen mit tatsächlicher oder vermeintlicher schiedliche Weise mit ihrer Herkunft und ihrem Leben in Migrationsgeschichte. Auf eine sehr eindringliche Weise be- diesem Land beschäftigen, die Facetten ihrer Identität be- schreibt Dilek Güngör in ihrem Buch „Ich bin Özlem“ die schreiben und diese in Zusammenhang mit den Bedingungen Suche nach sich selbst. Die Autorin – wie ich Tochter türki- bringen, denen sie ausgesetzt waren und sind. Die Resonanz scher Arbeitsmigranten – verarbeitet in ihrem Roman eigene auf die Veranstaltungsreihe war überwältigend. Das Kon- Erfahrungen. Die Protagonistin Özlem lässt daran teilha- zept – Lesung, Gespräch auf dem Podium und Diskussion ben, wie sehr die Fremdzuschreibungen als „Türkin“ sie mit dem Auditorium – hat funktioniert: Es entwickelte sich prägten und einschränkten, wie sehr die Außenwahrneh- ein reger und teilweise sehr persönlicher Austausch zwischen mungen ihr Verhalten bestimmten. „Ich bin Özlem“ las ich den Autorinnen und dem Publikum. zum Ende meiner Auszeit in Tasmanien. Die Veranstaltungsreihe hat einmal mehr meine Ansicht Die Idee für die Veranstaltungsreihe „Konfusion und Kon- bestätigt, wie sehr das öffentliche Sprechen über die (Aus-) struktion. Autorinnen zu Identität in der Migrationsgesell- Wirkungen von Ausgrenzung und Diskriminierung erforder- schaft“ ist nach dieser Lektüre entstanden. Wie ich festgestellt lich ist, und sie hat denen, die von diesen Erfahrungen habe, wird dem Thema Fremdzuschreibungen und deren nicht betroffen sind, einen Perspektivwechsel ermöglicht. Das Auswirkungen auf Zugehörigkeit und Identitätsbildung nicht wiederum kann Empathie wecken – ein Gefühl, das zumin- genug Aufmerksamkeit gewidmet. Es kommt in Debatten dest verhindern kann, andere auszugrenzen, abzustempeln über gleichberechtigtes Zusammenleben zu kurz. Ausgrenzung und zu verletzen. und Abschottung, Zuschreibungen und Zugehörigkeit be- dingen sich, Begegnungen auf Augenhöhe und als Individu- W W W. S C H A D E R - S T I F T U N G . D E / en sind ein Mittel, das eigene Schubladen-Denken zu re- I D E N T I TA E T E N flektieren und zu überwinden. Die Hochschule Darmstadt ist mein Wirkungsfeld. An der Im Rahmen des Projekts „Integrationspotenziale finden Hochschule bin ich seit 2014 im Fachbereich Gesellschafts- Stadt“ der Schader-Stiftung gefördert durch: wissenschaften als Lehrbeauftragte tätig. Dort biete ich seit einigen Jahren Seminare an, in denen unterschiedliche As- pekte der Migrationsgesellschaft thematisiert werden. Dabei entstand der Gedanke, im Rahmen der Lehre Studierende mit Autorinnen zusammenzubringen, die tatsächlich mit Mi- grationsbiographie leben oder denen eine solche zugeschrie- ben wird. Die gemeinsame Lektüre ihrer Bücher und der di- rekte Austausch mit den Autorinnen sollten Einblick in das Innenleben jener gewähren, die mit den Auswirkungen CA N A N TO P Ç U Journalistin und Dozentin an der Hochschule Darm- stadt und der Hochschule für Polizei und Verwaltung E I N FA C H N U R I C H S E I N 17
I N F O R M AT I O N schader-stiftung.de P R OJ E KT E 2019 Die Schader-Stiftung fördert seit 30 Jahren die G LO BA L C H A L L E N G E S : Gesellschaftswissenschaften. Ihr Anliegen ist C H A N C E N U N D F O R M AT E F Ü R es dabei, den Praxisbezug der Gesellschaftswis- INTERDISZIPLINÄRE LEHRE senschaften und deren Dialog mit der Praxis zu stärken. Zu diesem Zweck stellt die Schader- Bereits seit zehn Jahren wird an der Technischen Univer- sität Darmstadt die Ringvorlesungsreihe „Global Challenges“ Stiftung das Schader-Forum in Darmstadt zur im Rahmen der interdisziplinären Studienschwerpunkte Verfügung. (iSP), einer Plattform zu Themenstellungen der Nachhaltigen Entwicklung und gesellschaftlichen Verantwortung, ange- boten. Anlässlich der Auszeichnung der Vorlesungsreihe mit Schwerpunkte der Förderung setzen jeweils dem „Athene-Sonderpreis für Interdisziplinäre Lehre“ lud die Themen des Großen Konvents der Schader- die Plattform iSP in Kooperation mit der Schader-Stiftung Stiftung: „DU BIST NICHT ALLEIN. Öffentlicher am 20. November 2019 zu einer „Kennenlern-Feier“ ins Schader-Forum ein, um den Erfolg der iSP zu würdigen und Raum im Dialog“ im Jahr 2019 und „Das Er- sich dabei über neue Inhalte sowie künftige Aktivitäten aus- leben der Anderen“ als Konventsthema 2020. zutauschen. Hierzu sind Anregungen und Anträge beson- ders willkommen. Ausführliche Dokumentationen der hier in Auswahl vorgestellten Veranstaltungen finden sich unter www.schader-stiftung.de Die neu gewählte Präsidentin der Technischen Universität Darmstadt (TUD), Tanja Brühl, veranschaulichte Inter- disziplinarität als einen „360 Grad-Blick“, dem für die erfolg- reiche Arbeitsmarktbefähigung von Studierenden zentrale Bedeutung zukommt, und brachte ihre Erwartungen an die weitere Kooperation zum Ausdruck: „Dazu leisten die Stu- dienschwerpunkte einen großen Beitrag, dazu leistet aber auch die Schader-Stiftung einen wichtigen Beitrag.“ An- hand des Lichtenbergzitats „Wer nichts als Chemie versteht, 18 S C H A D E R - D I A LO G DU BIST NICHT ALLEIN
versteht auch die nicht recht“, charakterisierte Jens Soentgen „Nachhaltige Helden, heldenhafte Nachhaltigkeit“. Ort der von der Universität Augsburg in seinem Festvortrag Inter- Gespräche sind jeweils die Kammerspiele des Staatstheaters disziplinarität als Vielsprachigkeit. Darmstadt. In der Konzeption der einzelnen Gespräche engagierten sich Persönlichkeiten aus dem Staatstheater, der In drei Gesprächsrunden der restlos ausgebuchten Veran- European Space Agency, der Hochschule Darmstadt und staltung wurde über die einzelnen Schwerpunkte der iSP – der Technischen Universität Darmstadt. Umweltwissenschaften, Technologie- und internationale Ent- wicklung, Wissenschafts- und Technikforschung – aus Sicht W W W. S C H A D E R - S T I F T U N G . D E / der Studierenden und der Praxisakteure in Bezug auf Rele- DA R M S TA E D T E R G E S P R A E C H vanz und Erwartungen interdisziplinärer Lehre diskutiert. Ralph Bruder, scheidender Vizepräsident für Studium, Lehre GEWERBEIMMOBILIEN IM und wissenschaftlichen Nachwuchs der TUD, fasste die Schlaglichter aus den Gesprächsrunden zusammen und hielt S T R U K T U R WA N D E L VO N W I R T- dabei fest, wie die iSP auch in Zukunft einen Raum für die SCHAFT UND GESELLSCHAFT Entwicklung einer aktiven Kommunikationskultur zwischen den Disziplinen darstellen sollen. Großunternehmen und Immobilienbranche erwarten in W W W. S C H A D E R - S T I F T U N G . D E / I S P den nächsten zehn Jahren gewaltige Umbrüche im Bereich der Gewerbeimmobilien. Massive Veränderungen von Ge- DA R M S TÄ D T E R G E S P R ÄC H schäftsmodellen, Arbeitsabläufen und Produkten werden die Immobiliennachfrage der Unternehmen verändern: 50% #HELDENREISE der betrieblich genutzten Immobilien in Deutschland sollen in den 2020er Jahren an die Zukunftsbedarfe der Unterneh- Die Darmstädter Gespräche sind eine traditionsreiche men angepasst werden. Zwei Drittel der Großunternehmen Form öffentlicher Wissenschaft und der Diskussion von „Fra- rechnen damit, stark von einer immobilienwirtschaftlichen gen unserer Zeit“, die seit den 1950er Jahren in unterschied- Transformation betroffen zu sein. Damit zeichnen sich auch lichen Konstellationen in Darmstadt stattfinden. Das erste große Herausforderungen für die Stadtentwicklungsplanung Darmstädter Gespräch widmete sich 1950 dem Thema „Das und die regionale Raumordnungspolitik ab. Menschenbild unserer Zeit“. Die Folgen von Digitalisierung, globalem Wettbewerbs- Ab Herbst 2019 werden die Darmstädter Gespräche in druck und gesellschaftlichem Wandel für die Immobilien- Kooperation des Staatstheaters Darmstadt, der Schader- nutzung durch Unternehmen standen im Mittelpunkt der Stiftung und des Runden Tischs Wissenschaftsstadt Darm- Fachkonferenz „Gewerbeimmobilien im Strukturwandel stadt in neu konzipierter Form fortgesetzt. Die Themen von Wirtschaft und Gesellschaft“, die die Schader-Stiftung der Gespräche orientieren sich am Spielzeitmotto 2019/20 gemeinsam mit dem Fachgebiet Immobilienwirtschaft und des Staatstheaters Darmstadt „Abschied von den Helden“, Baubetriebswirtschaftslehre (Real Estate) der Technischen welches die Auseinandersetzung mit Heldenerzählungen in Universität Darmstadt am 20. November 2019 durchführte. Theater und Gesellschaft sucht. Die Gesprächsreihe will tra- Die Tagung fand in Kooperation mit dem Zentralen Immo- ditionelle wie moderne Heroismen identifizieren und gleich- bilienausschuss ZIA sowie CoreNet Global – The Global zeitig die Frage nach einer postheroischen Zukunft stellen. Association for Corporate Real Estate statt. Die Teilnehmenden stammten aus dem Corporate Real Estate Management Woher rührt unsere Faszination für Heldenfiguren und (CREM), Immobilienwirtschaft, Investment und Finanzie- deren Geschichten? Das erste Darmstädter Gespräch am rung sowie aus Stadtentwicklungspolitik, Wirtschaftsförde- 27. Oktober 2019 ging den Strukturen des Heldentums auf rung, Planung und Stadtforschung. den Grund. Das zweite Gespräch am 15. Dezember „Ab- schied von den Weltraumhelden“ fragte, ob in Zukunft Hel- W W W. S C H A D E R - S T I F T U N G . D E / denmaschinen die menschlichen Heroen ersetzen. Machen GEWERBEIMMOBILIEN erst Heldenfiguren die Raumfahrt möglich? Am 16. Februar 2020 standen „Helden in der digitalen Welt“ zur Debatte. Die Gesprächsreihe schließt am 5. April und thematisiert PROJEKTE 2019 19
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