Durchblick - Unter Leuten - Diakonische Stiftung Wittekindshof

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Durchblick - Unter Leuten - Diakonische Stiftung Wittekindshof
Oktober | 2 - 2022       Diakonische Stiftung
                         Wittekindshof

Durchblick

                     Unter Leuten
Durchblick - Unter Leuten - Diakonische Stiftung Wittekindshof
Unter Leuten

Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,
   „unter Leuten“ haben wir den Titel dieser Ausgabe des Durchblicks genannt.
In der Tat geht es uns in der Arbeit des Wittekindshofes darum, dass wir Menschen,
die uns dazu beauftragen, dabei unterstützen unter Leuten sein zu können – gerade,
wenn sie vielleicht in der Gefahr stehen, daran gehindert zu werden. Wir orientieren
uns dabei am modernen Begriff von Behinderung, wie er in der Behindertenrechts-
konvention der Vereinten Nationen gefasst wurde, die seit 2009 auch in Deutschland
gilt. Danach entstehen Behinderungen dadurch, dass von der Gesellschaft Barrieren
aufgebaut werden, die manche Menschen aufgrund ihrer Eigenschaften nicht über-
winden können. Das einfachste Beispiel dafür sind Treppen, es geht aber auch um
sprachliche und soziale, emotionale und mentale Barrieren. Wir haben uns deshalb
im Wittekindshof vorgenommen, unsere Auftraggeber bei der Überwindung dieser
Barrieren zu unterstützen, damit sie an verschiedenen gesellschaftlichen Aktivitäten
nach ihrem Wunsch und Willen teilhaben können. Einzelne Beiträge dieses Heftes
sind schöne und vorbildhafte Beispiele dafür.

    Wir müssen uns aber auch selbstkritisch damit auseinandersetzen, dass an
einzelnen Stellen in unserer Arbeit solche Teilhabeförderung nicht gelingt und wir
stattdessen sogar selbst Barrieren schaffen – nicht nur in der Vergangenheit,
­sondern vielleicht auch in der Gegenwart. Das bedauern wir von Herzen. Seien sie
 aber ver­sichert, dass wir in all unseren Arbeitsbereichen höchste Anstrengungen
 ­unternehmen, damit die Teilhabemöglichkeiten unserer Auftraggeber immer weiter
  verbessert werden.

     Ihr Pfarrer Prof. Dr. Dierk Starnitzke, Vorstandssprecher

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Durchblick - Unter Leuten - Diakonische Stiftung Wittekindshof
Diakonische Stiftung
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Inhalt
2 Editorial
4 #wittekindshof:
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 5 Angezählt

 		Unter Leuten
  6 Wenn die Werte stimmen Mit dem Beatmungs-
      gerät über das Dorffestival
   8 Eine Frage der Körpersprache Im Wing-Tsun-
       Unterricht lernt Iwona Stawinoga sich selbst
        zu behaupten
    10 Ein Umzug für alle Wittekindshof und ­
         „Juengerbistro“ leben Inklusion
          auf der ­Cranger Kirmes
      12 Sprung ins kalte Wasser Wie Carl-Friedrich
           Heinke zum Tenor im Kirchenchor wurde
       13 Ein Anpacker Andreas Strigan setzt sich für
            die Gründung eines Behindertenbeirates in
            Espelkamp ein
         14 „Ich fühle mich hier ganz normal“ Pierre Fischer
              kickt in der dritten Herren-Fußballmannschaft
              von Fortuna Gronau

          		Wittekindshofer Themen
          16 Fotosafari durch die Herner Innenstadt
           17 Ideen gemeinsam umsetzen
            18 Neue Kita an der Wörthstraße
             19 Einfach und digital lernen
             20 Gruppenfoto
              21 Impressum
               22 Blick zurück
                   Vom Heilpädagogischen Seminar zum Berufskolleg
                24 Was macht eigentlich …
                    der ehemalige Schülersprecher Sebastian Wefer?
                 26 Auf ein Wort
                     Willkommen!

                                                                      D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 2   3
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Angezählt

    633…                                              rund 4000…

                                          wikimedia.com / Zv0486~commonswiki
Wilfried Gandras

            … Umzugskartons wurden
            beim Umzug der Johannes-
            schule gepackt. Hinzu kamen                                … Handys/Smartphones (1000) und Festnetz­
            unzählige Einzelteile wie                                  telefone (3000) sind in der gesamten ­Diakonischen
           ­Möbel.                                                     Stiftung Wittekindshof im Einsatz.

                                                                                                             D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 2   5
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Unter Leuten

                                    Wenn die

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Unter Leuten

Werte stimmen                                      Mit dem Beatmungsgerät über das Dorffestival

                                                   gehalt im Blut – stündlich werden diese kon-     Ketchup, Eis in allen Geschmacksrichtungen
                                                   trolliert. Aber auch seine Mimik, Gestik und     und etwas Zuckerhaltiges tränken und ihm auf
                                                   Anspannung des gesamten Körpers sind             die Zunge streichen. Es muss schön intensiv
                                                   Indikatoren für seine Tagesform. „Nur wenn       schmecken. Das mag Dennis sehr. Alles, was
                                                   das und die Werte stimmen, können wir so         anders als der Alltag ist. Und das ist hier auf
                                                   eine Unternehmung auch machen“, erklärt          dem Dorffestival natürlich vieles“, erklärt die
                                                   die Gesundheits- und Krankenpflegerin, die       Krankenpflegerin, die extra ehrenamtlich aus
                                                   Dennis Reiters Bezugsmitarbeiterin ist. Sie      ihrem Urlaub gekommen ist, um mit Dennis
                                                   kennt ihn seit zehn Jahren und weiß genau,       Reiter über das Fest zu gehen, das fast direkt
                                                   wann er einen guten oder schlechten Tag hat:     vor der Tür des Hauses Bethanien beginnt.
                                                   „Die Werte können sich von der einen auf
                                                   die andere Sekunde verändern. So sehr wir            Mitarbeitende engagieren sich
                                                   es uns als Mitarbeitende nach den langen             „Ohne das ehrenamtliche Engagement der
                                                   und intensiven Corona-Restriktionen wün-         Mitarbeitenden könnten wir es nicht leisten,

 „R
                                                   schen, mit den Bewohnern und Bewohnerin-         dass fast alle Bewohner und Bewohnerinnen
                   iech mal, Dennis, die Zucker-   nen Feste zu besuchen – wenn es nicht geht,      der Gruppen A1 und B1 auf das Dorffestival kön-
                   watte“, sagt Stefanie Brand-    geht es nicht. Wir spielen nicht mit Menschen­   nen. Die Kollegen und Kolleginnen kommen
                   horst und fächert mit ihrer     leben und müssen uns immer wieder der Ver-       aus dem ,Frei‘, sogar aus dem Urlaub, um den
                   Hand den vanilligen Duft in     antwortung bewusst sein – dass es von jetzt      Besuch zu ermöglichen. Denn die Mitarbeiten-
 Dennis Reiters Richtung. Die beiden stehen        auf gleich zu einer lebensbedrohlichen Situa-    den, die im Dienst sind, müssen die Versor-
 vor der Süßwarenbude auf dem Dorffesti-           tion kommen kann.“ Deshalb ist ihr Begleiter     gung der Menschen vor Ort gewährleisten. Ein
 val in Bad Oeynhausen-Volmerdingsen. Die          auf dem Fest auch ein Handy, immer greifbar,     zeitaufwendiger Ausflug aufs Fest ist da nicht
 Luft ist gespickt mit Zucker, die Aromen von      für den Fall, dass ein Notarzt gerufen werden    drin“, erklärt Christian Pohlmann, Bereichs­
 gebrannten Mandeln, kandierten Äpfeln und         muss. Unverzichtbar sind zudem das Absaug-       leitung im Haus B   ­ ethanien und verantwort-
 Lebkuchenherzen hängen über dem Kirmes-           gerät, das Dennis Reiters Atemwege reinigt,      lich für das spezialisierte Wohnangebot mit
 platz. Auch wenn Dennis Reiters Geruchs-          und Bedarfsmedikation.                           außerklinischer Intensivversorgung, etwa bei
 sinn durch sein Tracheostoma eingeschränkt                                                         Beatmungspflicht und Atem­unterstützung.
 ist, versucht Stefanie Brandhorst ihn an den    Visuelle und geschmackliche Reize                  Knapp 30 Frauen und Männer sind in seinem
 Gerüchen teilhaben zu lassen. „Dann wol-        Dennis Reiters Gesicht ist noch etwas              Team tätig, im Dreischichtsystem, 24 Stunden,
 len wir dir mal ein Andenken kaufen“, sagt  weiß und glänzt. Sonnencreme gehört eben-              sieben Tage die Woche versorgen sie 21 Men-
 die Wittekindshofer Mitarbeiterin, greift zum
                                             falls zur Vorbereitung für den Festbesuch.             schen. Trotz aller Belastungen sei es für die
 Portemonnaie und sucht ein Lebkuchenherz    „Dennis spürt jetzt intensiv die Wärme der             Mitarbeitenden fast schon selbstverständlich,
 für den 38-Jährigen aus. „Räuber“ steht in  Sonne“, erklärt Stefanie Brandhorst und legt           zu diesen seltenen Anlässen im Einsatz zu
 weißer Schnörkelschrift auf dem Lebkuchen.  ihre Hand fühlend auf die Brust des 38-Jäh-            sein. „Ich kann es als Leitung nicht verlangen
 „Das passt zu dir“, sagt Stefanie Brandhorst,
                                             rigen. Sie schiebt seinen Rollstuhl vorbei an          oder einfordern. Wir sprechen in der Team­
 hebt behutsam Dennis Reiters Kopf und hängt der Bühne auf dem Combi-Parkplatz, auf der             sitzung darüber, wenn ein Fest ansteht. Die
 ihm das Herzchen um den Hals. Dabei achtet  gerade der Shanty-Chor singt. Es ist eng, aber         Kollegen und Kolleginnen melden sich dann
 sie besonders darauf, dass das Band nicht andie Leute machen Platz für den Rollstuhl. Über-        freiwillig. Ich achte dann darauf, dass alles gut
 sein Tracheo­stoma kommt, durch das er atmenall sind Geräusche: fröhliche Gespräche, das           auf viele Schultern verteilt wird. Aber ohne
 kann. D­ ennis R
                ­ eiter ist schwerstmehrfachbe-
                                             Brutzeln der Pommes in der Fritteuse und die           diesen Einsatz ginge es nicht“, betont Chris-
 hindert. Er lebt im Haus Bethanien auf dem  Bimmelbahn Minna. Vorbei am Bratwurst-                 tian Pohlmann.
 Gründungsgelände der Stiftung in einer hoch-stand und dem Flohmarkt geht es die Volmer-                „Wer diesen Job in der Intensivpflege macht,
 spezialisierten Wohngruppe.                 dingsener Straße hinunter zur Kirchwiese. Die          macht ihn mit Herz“, sagt Stefanie Brandhorst.
                                             Geräusche und vor allem die visuellen Reize            In einem anderen Bereich zu arbeiten, kommt
     Der Verantwortung bewusst sein          machen ­Dennis Reiters Tag zu einem beson-             für sie derzeit nicht in Frage. Und wenn nötig,
     Heute hat er einen guten Tag, das liest deren. „Es ist natürlich schwer für Dennis mit         kommt sie auch wieder aus dem Urlaub, damit
 ­Stefanie Brandhorst an seinen Gesundheits- der Tracheal­kanüle etwas zu essen. Wir arbei-         Dennis Reiter mit dabei sein kann. „Wir hatten
  werten ab. Puls, Blutdruck und Sauerstoff­ ten daher mit Mundpflegestäbchen, die wir in           heute einen super Tag!“

                                                                                                                             D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 2   7
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Unter Leuten

       Eine Frage der Körpersprache                                                                  Im Wing-Tsun-Unterricht

I
     wona Stawinoga fokussiert sich auf die     unterwegs: Neben dem Wing-Tsun-Training,
     Hände ihres Gegners. Langsam setzt         geht sie außerdem zu einer Tanzschule und
     sie einen Fuß nach vorne, verlagert das    nimmt einmal wöchentlich am Lauftreff teil,
     Gewicht, bevor der Angreifer zum Schlag    der vom Wittekindshofer Kontakt- und Infor-
ausholt. Kurzes Luftholen, dann wehrt sie die   mationszentrum (KIZ) Herne angeboten wird.
Faust mit dem Unterarm ab, dreht sich zur       „Ich bewege mich gerne. Das macht mir Spaß
Seite und drückt dem Gegner ihre Hand in den    und hilft mir gegen Stress.“ Der Vorschlag
Rücken. Glücklicherweise droht der 24-Jähri-    einer Mitarbeiterin, beim Probetraining der
gen keine Gefahr. Iwona Stawinoga trainiert     Wing-Tsun-Schule mitzumachen und sich ihrer
Wing Tsun. Einmal wöchentlich besucht die       Angst zu stellen, kam für die sportliche Herne-
Hernerin die Schule von Lars Heyden im Orts-    rin daher gerade richtig.
teil Eickel.                                        „Bei uns kann jeder mitmachen“ betont
                                                Lars Heyden. So habe er schon einen Roll-
   Bewegungen des Gegners fühlen                stuhlfahrenden und eine Person mit Seh-
   „Wing Tsun ist eine Kampfsportart, die sich  behinderung unterrichtet. „Wir machen mit
aus dem Kung-Fu ableitet. Im Fokus stehen       jedem und jeder ein Probetraining und gehen
Selbstverteidigung und Selbstbehauptung.        dann im Gespräch auf persönliche Probleme
Ziel ist es, den Gegner innerhalb kurzer Zeit   und Ziele ein, um das Training an die indivi-        Einen Einblick ins ­Training
bewegungs- und kampfunfähig zu machen“,         duellen Wünsche anzupassen.“ Während des             gibt es auch auf
erklärt der Leiter der Wing-Tsun-Schule Herne,  Trainings herrscht eine familiäre Stimmung.          youtube.de/wittekindshof.
die der Europäischen Wing-Tsun-Organisa-        Man kennt sich, plaudert miteinander und             Der abgebildete QR-Code,
tion (EWTO) untersteht. Dabei sind die Tech-    tauscht sich aus. „Das macht die Schule aus“,        der einfach mit dem Handy
niken so ausgerichtet, die Kraft oder auch die  findet Lars Heyden. „Wir machen kontinu-             abgescannt werden kann,
Schwachpunkte des Gegners zum eigenen           ierlich etwas zusammen, ob es ein gemein-            führt zum Video.
Vorteil zu nutzen. „Wing Tsun ist eigentlich einsames Grillen ist – oder Spaziergänge und
fauler Sport“, sagt er und lacht. „Die Schüle-  Ausflüge.“ Die Beweggründe der Kurs-Teil-             „Willst du mal würgen?“, fragt Lars ­Heyden
rinnen und Schüler lernen die Bewegungen        nehmenden sind vielfältig, hat Lars Heyden        die 24-Jährige. Jetzt ist Rollentausch ange-
des Gegners zu fühlen, seine Körpersprache      über die Jahre festgestellt: „Wir trainieren      sagt. Iwona Stawinoga greift an, Fabio ver-
zu lesen. Es geht darum, wenige Bewegungen      beispielweise Kinder, die in der Schule Prob-     teidigt. Immer wieder wiederholen sie die
machen zu müssen, um sich zu verteidigen.“      leme haben oder gemobbt werden, Jugend-           Bewegungsabläufe. Das Training macht der
Nicht auf die eigene körperliche Stärke kommt   liche, die Selbstverteidigung lernen, oder        Hernerin sichtlich Spaß. „Es ist aber auch
es an, sondern auf Konzentration und schnelle   Erwachsene, die selbstbewusster oder sport-       anstrengend und man muss sich konzentrie-
Reflexe. „Wir weichen nicht zurück und neh-     licher werden wollen.“                            ren“, sagt sie, fächelt sich Luft zu und nimmt
men stattdessen den Raum des Angreifers ein.                                                      einen Schluck aus der Wasserflasche, die ihr
Eine vermeintlich unterlegene Person kann mit      Konzentration gefordert                        Max Fischer reicht. Er ist Mitarbeiter in der Dia-
diesen Techniken die Oberhand gewinnen“. So        Egal, welche Ziele die Teilnehmenden           konischen Stiftung Wittekindshof und begleitet
wie Iwona Stawinoga es gerade mit Trainings- haben, gestartet wird jedes Training mit einer       Iwona Stawinoga zu ihren Trainingsstunden.
partner Fabio (16) geübt hat.                    gemeinsamen Aufwärmrunde. Iwona Sta-             „Das gibt zusätzliche Sicherheit. Hauptsäch-
                                                 winoga sucht sich einen Platz zwischen den       lich begleite ich Iwona aber auf dem Weg hier
   Jeder kann mitmachen                          anderen Trainierenden vor der großen Spie-       her.“ Jede Woche geht es mit dem Bus von der
   „Ich wollte lernen, wie ich mich selbst ver- gelfront im hellen Trainingsraum. Langsam         Vinckestraße nach Eickel. Den Fahrtweg hat sie
teidigen kann“, sagt die 24-Jährige. Sie lebt strecken die Wing-Tsun-Schülerinnen und             mittlerweile gut verinnerlicht. „Iwona macht
im Wohnhaus an der Vinckestraße, in dem -Schüler die Arme aus, lassen sie kreisen, deh-           super Fortschritte. Ziel ist es, dass sie eigen-
sie sich eine Wohnung mit einer Mitbewoh- nen die Muskeln. In einer Ecke steht ein Box-           ständig zur Schule fährt und am Training teil-
nerin teilt und vom Wittekindshof unterstützt Dummy, mit dem auch ohne Partner trainiert          nehmen kann“, sagt Fischer. Stawinoga fügt
wird. „Ich hatte immer Angst, wenn ich alleine werden kann. Die Puppe kommt heute aber            hinzu: „Und durch das Training fühle ich mich
unterwegs war.“ Und Iwona Stawinoga ist viel nicht zum Einsatz.                                   sicherer, wenn ich alleine draußen bin.“

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lernt Iwona Stawinoga sich selbst zu behaupten

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Ein Umzug für alle                                   Wittekindshof und
                                                    ­„Juengerbistro“
                                                     leben Inklusion auf
                                                     der ­Cranger Kirmes

    „K
                    umma hia! Wir leben Inklu-      im Rollstuhl, mit Brille und ohne, mit dunk-
                    sion“ prangt auf den Bannern    len und hellen Haaren, und, und, und – „Wir
                    seitlich am Kirmeswagen, der    leben Inklusion!“
                    sich langsam im Festumzug          Seit vielen Jahren besteht die Freund-
    zur Cranger Kirmes durch die Stadt schiebt.     schaft zwischen dem „Hot“ und dem Witte-
    „Guck mal hier!“, fordern der Wittekinds-       kindshof. Neben zahlreichen Gemeinschafts-
    hof Herne und das „Hot Juengerbistro“ der       aktionen wird jedes Jahr zur Cranger Kirmes
    ­Evangelischen Jugend Herne. Schaut uns an,     zusammen ein Umzugswagen gestaltet.
     wir – Große, Kleine, Junge, Ältere, Menschen   Dieses Jahr mit vielen bunten Ballons. „Die
                                                    letzten Jahre ging das wegen Corona leider
                                                    nicht. Aber umso mehr feiern wir jetzt wie-
                                                    der. Es ist einfach super, wieder beim Umzug
                                                    dabei zu sein. Was für eine Party!“, freut sich
                                                    Thorsten Thieme, Bereichsleitung des Witte-
                                                    kindshofer Wohnhauses an der Burgstraße
                                                    und eine der treibenden Kräfte an diesem
                                                    Tag.

                                                        Berührungsängste gibt es nicht
                                                        In T-Shirts mit passendem Aufdruck
                                                    zum Motto des Festwagens sitzen Mitarbei-
                                                    tende des Wittekindshofs, der Evangelischen
                                                    Jugend Herne, Ehrenamtliche, Jugendliche
                                                    und Menschen, die Wittekindshofer Ange-
                                                    bote nutzen, auf dem Wagen oder laufen
                                                    nebenher und verteilen Süßigkeiten. Berüh-
                                                    rungsängste gibt es weder bei den Umzugs­
                                                    teilnehmenden, noch beim Publikum am
                                                    Straßenrand, das sich gerne auch die klei-
                                                    nen Geschenke direkt in die Tasche wer-
                                                    fen lässt oder direkt an die Leute herantritt.
                                                    Alle genießen die gemeinsame Party. Lukas
                                                    ­Hillmann startet eine La-Ola-Welle nach der
                                                     anderen und feuert das Publikum an, Lucy
                                                     Kalisch lässt Konfetti regnen und Michaela
                                                     Schäfer verteilt Blumen. Die Leute klatschen,
                                                     wenn die inklusive Truppe an ihnen vorbei-
                                                     kommt. Und aus der Ferne hört man eine
                                                     Frau, die durch ein Megafon ruft: „Ihr seid
                                                     alle wertvoll!“.

                                                                           D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 2   11
Unter Leuten

            Sprung ins                             Wie Carl-Friedrich Heinke zum Tenor
                                                   im Kirchenchor wurde
          kalte Wasser

„A
                 chtet auf das Doppel-T von
                 Gott. Das wird auf der Pause
                 betont.“ Coletta Lehmen-
                 kühler gibt klare Anwei­
sungen, während sie das Lied auf dem
Klavier anspielt. „Erst die Alt- und Sopran-
Stimmen, im nächsten Durchlauf setzen
dann die Bässe und Tenöre ein“, sagt die         über was ich mit den anderen reden soll –
Leiterin des St.-Elisabeth-Chors. Die Sänge-     oder wie ich ein Gespräch anfangen kann.
rinnen und Sänger blicken aufmerksam auf         Ich habe mich einfach erstmal dazugestellt,
ihre Notenblätter zu „Ich lobe meinen Gott       zugehört und dann auch was gesagt.“ Ein
von ganzem Herzen“. Das Stück gehört zum         mutiger Schritt. Das findet auch Coletta Leh-
Repertoire des Kirchenchores der katholi-        menkühler. „In der Pubertät hören viele Jun-
schen Gemeinde in Hamm-Berge. Seit 50            gen mit dem Singen auf, weil sich die Stimme
Jahren besteht der Chor schon, seit etwa fünf    verändert. Das kann verunsichern“, weiß
Jahren dabei ist auch Carl-Friedrich Heinke,     sie. Umso mehr freue es sie, dass sich Carl-
den alle nur „Kalle“ nennen.                     Friedrich Heinke im Erwachsenenalter wie-
   „Als ich jünger war, habe ich mal im Kin-     der für die Musik und die Chorarbeit interes-
derchor gesungen. Und eine Zeit lang habe        siere. „Kalle ist sehr zuverlässig und bei jeder
ich Geige gespielt, aber das Notenlesen war      Probe dabei“, lobt die studierte Musikerin.
nicht so meins“, sagt der 32-Jährige. Ansons-    „Und er ist nicht der einzige, der keine Noten
ten habe er mit Musik seit seiner Jugend         lesen kann. So geht es vielen im Chor – und
eigentlich nicht viel am Hut gehabt. „Ich bin    das ist auch gar nicht schlimm“, betont sie.
in meiner Freizeit viel unterwegs, reise gerne   Jeder und jede könne mitmachen. „Es gibt
mit Bus und Bahn, beispielswiese in die          keine unmusikalischen Menschen“, ist sie
Kreise Herford und Minden-Lübbecke. Dort         überzeugt.
bin ich in meiner Jugend zur Schule gegan-          Einmal wöchentlich treffen sich die 25
gen“, erinnert sich Carl-Friedrich Heinke.       Sängerinnen und Sänger im Gemeindehaus
Wie und wann kam er also zum Chor? „Das          zur eineinhalbstündigen Probe. Die Zeit
war 2017. Meine Mutter kennt die Chorleite-      reicht, um etwa drei bis vier Stücke durch­
rin und hat mir vorgeschlagen, mal bei einer     zugehen. „Darunter sind immer bekannte
Probe mitzumachen. Das habe ich dann auch        und neue Lieder, die wir gemeinsam erar-
getan und seitdem bin ich als Tenor dabei“,      beiten.“ Schnell wird deutlich: Chorarbeit ist
erinnert sich der Hammer, der in seiner eige-    Detail­arbeit. Hochkonzentriert gehen Carl-
nen Wohnung lebt und vom Wittekindshof           Friedrich Heinke und die anderen Sänge-
ambulant unterstützt wird.                       rinnen und Sänger die Textpassagen durch,
   Obwohl er keine Noten lesen kann und          überprüfen den Takt und justieren an der
abgesehen von der Chorleiterin auch nie-         Betonung, bevor Sopran, Alt, Bass und
manden kannte, hat Carl-Friedrich Heinke         Tenor dann zueinanderfinden und zum gro-
den Sprung ins kalte Wasser gewagt – und         ßen Ganzen werden. „Ich mag es, wenn
nicht bereut. Das laute Mitsingen habe ihn       alle zusammensingen“, sagt Carl-Friedrich
zunächst Überwindung gekostet. „Aber mit         Heinke, während er im Notenheft zurück-
Übung geht es nun besser“, sagt er. Neben        blättert. Es geht wieder auf Anfang. „Achtet
dem Singen gefalle ihm auch das Miteinan-        auf das Doppel-T von Gott“, erinnert Coletta
der im Chor. „Anfangs wusste ich gar nicht,      Lehmenkühler. Und dann stimmen alle ein.

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Unter Leuten

      Ein Anpacker                                 Andreas Strigan setzt sich für die Gründung eines
                                                   Behindertenbeirates in Espelkamp ein

M
             ehr als 26.300 Menschen leben           „Ich habe mich schon immer für politi-
             in Espelkamp. Einer von ihnen       sche Themen interessiert“, sagt er. „Helmut
             ist Andreas Strigan. Wenn der       Schmidt war mein Lieblingspolitiker, der war
             70-Jährige in der Stadt unter-      ein richtiger Anpacker.“ Wie der Altkanzler,
wegs ist, gibt es fast immer jemanden, der       ist auch Andreas Strigan ein Anpacker: Er
ihn grüßt. Nur schnell einen Liter Milch ein-    möchte mitbestimmen und mitgestalten. „Ich
kaufen gehen? Das klappt meistens nicht:         will mich für Schwächere einsetzen, die sonst
„Mich kennen schon einige Leute. Wenn            vielleicht nicht gehört werden.“ Ein wichtiges
ich im Supermarkt bin, werde ich eigentlich      Anliegen ist für ihn die Barrierefreiheit in der
immer angesprochen“, räumt er mit einem          Stadt: Breite Bürgersteige, abgesenkte Bord-
verschmitzten Grinsen ein. Kein Wunder.          steine und ausreichend Sitzmöglichkeiten für
   Denn Andreas Strigan hat viele Freunde        Senioren oder Menschen mit körperlichen
und Bekannte: Montags spielt er Fußball in       Beeinträchtigungen. Aber Andreas Strigan
der inklusiven Mannschaft des VfB Fabben­        hat noch weitere Ideen: „Umkleidekabinen
stedt, mittwochs geht es auf die Boule-Bahn      in Bädern sollten groß genug sein, damit sie
in Espelkamp oder ins benachbarte Als-           jeder nutzen kann.“
wede, donnerstags steht Hallen-Boccia auf            Einstehen für andere – das ist für ­Andreas
dem Programm. Und die Spiele von Hand-           Strigan nichts Neues: Jahrelang hat er im
ballzweitligist TuS N-Lübbecke – ob daheim       Werkstattrat die Belange von Menschen mit
oder auswärts – sind bei ihm sowieso rot im      Behinderung in der Betriebsstätte Benk­
Kalender markiert. Schließlich ist er schon      hausen vertreten. Mittlerweile ist Andreas
jahrelang Mitglied im Fanclub Red Devils.        Strigan Rentner und genießt das Leben mit-
„Am Wochenende ist eigentlich immer etwas        ten im bunten Burano-Viertel der Stadt. Er
los – ich schaue Handball, Fußball, gehe zu      mag das Miteinander in der Nachbarschaft,
Konzerten oder reise.“ Das ist aber noch nicht   aber auch die Unabhängigkeit, die ihm seine
alles: Der Espelkamper engagiert sich außer-     eigene Wohnung bietet. „Ich bekomme
dem im Bürgerverein des Ortsteils Gestrin-       Unterstützung, wenn ich sie brauche. Zwei-
gen und setzt sich für die Gründung eines        mal die Woche koche ich mit einer Mitarbei-
Behindertenbeirates in der Stadt Espelkamp       terin und lerne dabei neue Rezepte. Einige
ein. Dazu ist Andreas Strigan im Frühjahr        Eintöpfe kann ich schon.“ Langeweile bei
2022 einer Arbeitsgruppe beigetreten, die        Andreas Strigan? Ausgeschlossen!
die Gründung eines solchen Beirates vorbe-
reitet. Regelmäßig treffen sich die Mitglieder
seitdem im Espelkamper Rathaus.
   Und so ist es auch nicht verwunderlich,
dass Andreas Strigan selbst dort auf viele
bekannte Gesichter stößt. „Ach, hallo And-
reas, wie geht es dir?“, ist aus einem der
Büros zu hören, an dem der 70-Jährige auf
seinem Weg zum Ratssaal vorbeikommt. „Ich
bin gerne unter Leuten und ich bin gerne für
Leute da. Das ist mir wichtig.“ Deshalb nimmt
er sich die Zeit für einen kleinen Plausch,
bevor es ins holzgetäfelte Sitzungszimmer
geht, in dem nicht nur der Stadtrat sowie die
Fachausschüsse tagen – sondern auch die
Arbeitsgruppe.
                                                                                                    D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 2   13
Taktvoll
Unter Leuten

                                     „Ich fühle mich hier

14   D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 2
Unter Leuten

ganz normal“                                       Pierre Fischer kickt in der dritten
                                                   Herren-Fußballmannschaft von Fortuna Gronau

                                                   vom Wittekindshof dort unterstützt, wo er Hilfe     Danach Flanke ins Mittelfeld und Abschluss
                                                   benötigt, insbesondere bei der Bewältigung          aufs Tor. Pierre Fischer versemmelt den langen
                                                   des Alltags und des Haushalts. „Ich kann viel       Pass. „Man, Pierre!“, schallt es über das Spiel-
                                                   alleine machen, aber nicht alles so, dass ich       feld. „Sorry, Jungs. Meiner.“ Pierre Fischer
                                                   hier nicht wohnen müsste“, erklärt der Gro-         hebt entschuldigend die Hand. „Nächstes
                                                   nauer. Pierre Fischer hat eine fetale Alkohol-      Mal“, sagt einer seiner Mitspieler und nickt
                                                   spektrum-Störung. Seine leibliche Mutter hat        ihm zu.
                                                   während der Schwangerschaft Alkohol getrun-
                                                   ken. „Ich habe das schon als Baby im Bauch              Eigenes Turnier organisiert
                                                   mit aufgenommen und so etwas wie Löcher im              Für Pierre Fischer bedeutet das Vereins-
                                                   Gehirn“, beschreibt er. Sein großer Wunsch ist      leben mehr als nur „etwas mit den Jungs zu
                                                   es, irgendwann alleine in seiner eigenen Woh-       kicken“. „Ich engagiere mich auch“, betont
                                                   nung zu leben, vielleicht mit seiner Freundin.      er. So kommt es vor, dass er die Trikots der
                                                   Und in der Regionalliga spielen. „Das wäre          gesamten Mannschaft wäscht, wenn der Trai-
                                                   super“, sagt Pierre Fischer mit einem Grinsen       ner es nicht schafft. Oder er bietet sich als
                                                   im Gesicht. Bis es dazu kommt, kickt er aber        Schiri an. „Denn einen Schiri-Schein habe ich
                                                   noch fleißig bei Fortuna in der Kreisliga D.        auch.“ Aber sein Engagement geht über die
                                                                                                       dritte Herren-Mannschaft hinaus. Gemein-
                                                       Verstehen, wie Pierre tickt                     sam mit den Mitarbeitenden Dietmar Schaaf
                                                       „Meine Lieblingsposition ist im Sturm. Ich      und Kai Wissemborski hat der Gronauer ein
                                                   werde aber auch im Mittelfeld, rechts außen         Wittekindshofer Fußball-Turnier auf die Beine
                                                   oder im Tor eingesetzt. Den linken Flügel           gestellt, bei dem Menschen mit und ohne
                                                   spiele ich nicht so gerne. Aber eigentlich will     Behinderung aus unterschiedlichen Bereichen

 „I
            ch bin, wie ich bin und möchte,        ich nur Fußball spielen. Das kann ich in der        der Stiftung gegeneinander angetreten sind.
            dass mich die Leute dann auch so       Dritten Herren. Die Leute haben mich gut auf-       Der Clou: Es war ein Spenden-Cup zuguns-
            akzep­tieren“, sagt Pierre Fischer.    genommen. Hier fühle ich mich ganz normal“,         ten geflüchteter Menschen aus der Ukra-
            Er möchte keinen „Behinderten­         sagt der 22-Jährige, der mittlerweile in sein       ine. „Der Krieg ist schrecklich. Die Regierung
 bonus“. „Wenn ich ein Arschloch bin, bin ich      Trainings-Outfit geschlüpft ist. Dabei war es       macht ja etwas, aber sie macht nicht genug.
 ein Arschloch. Ganz einfach. Nicht, weil ich      am Anfang nicht ganz leicht fürs Team, einen        Die Menschen haben nichts mehr. Da ist alles
 eine Einschränkung habe, sondern weil ich         jungen Mann mit Behinderung aufzunehmen.            kaputt. Die brauchen Geld“, sagt Fischer. Er
 mich wie ein Arsch verhalte.“ Eine Sonder-        „Wir mussten Pierre erst einmal kennen­lernen       wollte helfen und sprach Kai ­Wissemborski als
 behandlung will er auch nicht beim Sport.         und verstehen, wie er tickt“, sagt ­Trainer         Ideen- und Beschwerdebeauftragten an. „Ich
 Daher hat sich der 22-Jährige der dritten Her-    ­Florian Haupt. „Aber das ist mittlerweile kein     habe gedacht, man kann sich doch sportlich
 ren-Fußballmannschaft von Fortuna Gronau           Thema mehr. Wir wissen, dass es manch-             betätigen und etwas Gutes tun“, erklärt Pierre
 angeschlossen.                                     mal schwierig ist mit seiner Konzentration         Fischer. Gemeinsam mit Dietmar Schaaf, der
    Es ist Dienstagabend und Pierre Fischer         beispielsweise. Aber er hat tolle Fortschritte     die inklusive Mannschaft des Wittekindshofs
 packt seine Tasche. Handtuch, Stollenschuhe        gemacht, seitdem er mit uns trainiert. Er hat      bei Fortuna Gronau trainiert, und Kai Wiss-
 für den Kunstrasenplatz, Strümpfe – „irgend-       sich fußballerisch weiterentwickelt und spielt     emborski, der ebenfalls im Team ist, erarbei-
 was wollte ich noch einpacken“, grübelt er.        ganz normal mit. Pierre wird hier angenom-         tete Fischer die Turnier-Idee. „Pierre hat dann
 „Wasser!“ Er greift in die Kiste, die in seinem    men, wie er ist“, sagt der Coach, der Pierre       mit einem Kollegen aus der Werkstatt ein Pla-
 Wohnzimmer steht, wirft zwei Flaschen Was-         Fischers Zuverlässigkeit schätzt. „Im Winter ist   kat entworfen, Anmelde­bögen verteilt und
 ser in seine Sporttasche und schnallt sie sich     die Motivation, zum Training zu kommen, nicht      Mannschaften aufgestellt. Wir haben ihn bei
 auf den Rücken. Den Weg zum Sportplatz an          immer die höchste. Aber Pierre ist immer da“,      den restlichen Planungen unterstützt“, berich-
 der Laubstiege legt er mit dem Fahrrad zurück.     sagt Trainer Haupt und wendet sich ans Team,       tet Dietmar Schaaf. Beim nächsten Mal könnte
    Seit knapp zwei Jahren spielt Pierre Fischer    um die nächste Trainingseinheit zu erklären.       es, wenn es nach Pierre Fischer geht, dann ein
 bei Fortuna Gronau. Etwa genauso lange lebt           Das Pass-Spiel wird geübt. Langer Pass          größeres Turnier sein, mit mehr Zuschauern
 er in seinem eigenen Appartement und wird          aus dem Strafraum, Annahme und Rückspiel.          und mehr Einnahmen.

                                                                                                                             D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 2   15
Wittekindshofer Themen

                                                                                                                                                    Jaqueline Patzer
Frauen und Männer mit Behinderung forschen mit Hochschule zum Thema Stadtgesundheit

Fotosafari durch die Herner Innenstadt
„Der Boden gefällt mir nicht, da stolpert man    wie eine inklusive und vor allem partizipative           „Genau darum geht es im Projekt. Wir gehen
schnell“, sagt Pia Bruchhage und deutet auf      gesundheitsfördernde Gestaltung der Stadt            den Fragen nach, was bedeutet Gesundheit für
einen aus dem Pflaster ragenden Stein in der     stattfinden kann. Ein Jahr lang werden die Co-       dich und wie trägt die Stadt, in der du lebst,
Bahnhofstraße. „Dann halten wir das fest“,       Forschenden gemeinsam daran arbeiten.                dazu bei? Gibt es Bereiche, die dir guttun oder
sagt Julia Brüggemann, legt einen roten Rah-          „Wir freuen uns, dass die Hochschule an         die dir nicht gefallen? Und was kann verbes-
men um die Stolperfalle und zückt das Tablet     uns herangetreten ist, um bei diesem wich-           sert werden? Stadtentwicklung soll die Pers-
für ein Foto. Jetzt den Standort markieren und   tigen Prozess mitzuwirken. Menschen mit              pektive aller Bürger und Bürgerinnen einneh-
speichern. Dann geht es weiter auf der Suche     Behinderung wissen am besten, was sie benö-          men und wir freuen uns, mit unserem Projekt
nach Orten in der Stadt, wo Pia Bruchhage        tigen, welche Barrieren es im Alltag gibt. Es        zu einer inklusiveren und gesünderen Stadt
sich unwohl fühlt oder ihr etwas gut gefällt.    ist Zeit, Inklusion auch in diesen planerischen      beizutragen“, sagt Prof. Dr. Christian Walter-
   Pia Bruchhage und Julia Brüggemann            Bereichen voranzutreiben und nicht mehr nur          Klose, wissenschaftlicher Leiter des Projekts
sind Co-Forschende des Projekts „ParStaR –       über die Menschen zu sprechen und für sie            „ParStaR“. Er und Kolleginnen und Kollegen
partizipative Methoden für StadtGesundheit       zu entscheiden“, betont Matthias Jacob­stroer,       des Projekts sowie der niederländischen Uni-
Ruhr“. Das Projekt der Hochschule Gesund-        zuständiger Wittekindshofer Geschäftsbe-             versität Twente begleiten die Fotosafari durch
heit Bochum hat zum Ziel, Methoden zu ent-       reichsleiter für die Angebote in Herne und           die Innenstadt. Denn der Clou: Die U ­ niversität
wickeln, um Menschen mit Behinderung bei         Oberhausen.                                          Twente arbeitet an einer interaktiven Platt-
der Stadtentwicklung besser einzubeziehen.            Pia Bruchhage spürt derweil weitere Orte        form, in die die Ergebnisse der Fotosafari ein-
„Vulnerable Gruppen werden zunehmend in          und Dinge in der Innenstadt auf, die sie posi-       fließen werden.
stadtplanerische Prozesse einbezogen. Aber       tiv oder negativ bewertet. „Ich mag es nicht,            Ute Röseler, Pia Bruchhage und zahl­reiche
Menschen mit Behinderung bleiben weiterhin       dass so viel Müll herumliegt. Das ist nicht gut      weitere Frauen und Männer mit Behinderung
unter­repräsentiert. Gemeinsam mit der Diako­    für die Umwelt und dann auch schlecht für            forschen derweil weiter daran, wie Herne
nischen Stiftung Wittekindshof und Frauen und    die Menschen und ihre Gesundheit“, sagt die          gesunder und inklusiver werden kann. „Mir
Männern, die Angebote der Stiftung nutzen,       ­Hernerin. Die Umweltverschmutzung ist auch          macht es richtig Spaß. Ich finde forschen toll
wollen wir Methoden und Formate entwickeln,       Ute Röseler ein Dorn im Auge. Genauso die           und wir sind eine gute Gruppe“, betont Ute
die es ermöglichen, diese Gruppe Menschen         Unterführung zum Bahnhof. „Das könnte doch          Röseler, die beim nächsten Treffen zum Aus-
besser einzubeziehen“, erklärt Julia Brügge-      heller und bunter, vielleicht mit Bildern gestal-   werten und Besprechen der gemachten Fotos
mann, wissenschaftliche Mitarbeiterin. Am         tet werden“, hat die Seniorin direkt eine Ver-      auf jeden Fall wieder mit von der Partie sein
Ende sollen Empfehlungen formuliert werden,       besserungsidee.                                     will.

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Wittekindshofer Themen

Wittekindshof erweitert Fort- und Weiterbildungsmöglichkeit – Beteiligung an Fachpool GmbH

Ideen gemeinsam umsetzen
Man lernt nie aus und da die kontinuierliche           hilfe, dem Gesundheitswesen, der Justiz, dem           lichen Pflegefachkräfte, Fachkräfte Adipositas,
Bildung der Mitarbeitenden essentiell für die          Bildungssystem und der Wirtschaft tätig sind,          die Kolleginnen und Kollegen aus den psy-
Arbeit des Wittekindshofs sind, schwimmt die           entwickelt und durchführt. Dabei legt die Fach-        chologischen Fachdiensten oder auch unsere
Stiftung seit Anfang 2022 sinnbildlich in einem        pool GmbH großen Wert darauf, ihre Angebote            Lehrkräfte des Berufskollegs als potentielle
besonderen Pool: einem Pool aus W   ­ issen. Die       an die Interessenten anzupassen und den Aus-           Dozenten ein“, nennt André Weber spontane
Diakonische Stiftung hat sich finanziell an der        tausch untereinander zu fördern.                       Beispiele.
Fachpool GmbH aus Herne beteiligt. Sie soll                „Die Mitarbeitenden in den unterschied­                Doch die Frage ist nicht nur, was der Witte-
das Portfolio der Bildungsangebote zusätzlich          lichen Einrichtungen haben besonderes Kön-             kindshof geben kann, sondern welche Schu-
zum bestehenden internen Fort- und Weiter-             nen, spezielles Wissen und Berufserfah-                lungen auch in der Stiftung benötigt werden:
bildungsangebot bereichern.                            rung weiterzugeben. Wir sind immer auf der             „Vor-Ort-Veranstaltungen sind immer mög-
    Weiterbildung ist eine Win-Win-Möglich-            Suche nach diesen Menschen“, sagt Fachpool-            lich“, betont Volker Rhein – in allen Regionen.
keit: Mitarbeitende bauen bestehende Quali-            Geschäftsführer Volker Rhein. Und der Witte-           Gerne könne auch gemeinsam ein Angebot
fikationen und Fähigkeiten aus, vorhandene             kindshof sei stets interessiert an maßgeschnei-        speziell für die Bedarfe der Mitarbeitenden
Kenntnisse werden erhalten und vor allem               derten Fort- und Weiterbildungen, wie André            konzipiert werden. „Die Menschen vor Ort
aufgefrischt. Für Arbeitgeber bedeutet dies,           Weber, Geschäftsführer in der Region Rhein-            wissen, welche Fortbildungen sie benötigen
bestmöglich qualifizierte Menschen im Team             Ruhr, bekräftigt. „Wir wollen aber auch unser          und haben Ideen, die sie umsetzen wollen.
zu haben, die neugewonnenes Wissen direkt              Wissen teilen und im Netzwerk der Fachpool             Dafür brauchen sie einen Partner. Und daraus
mit ins Unternehmen tragen. Die verbesserte            GmbH zuhause sein. Wir können uns gegen-               entwickeln wir ein Angebot. Das ist ein erfolg-
Expertise kommt auch den Kolleginnen und               seitig Türen öffnen und Gemeinsamkeiten fin-           reicher Weg, da Menschen dahinterstehen,
Kollegen zugute. Die Fachpool GmbH ist eine            den“, betont der Diakon, dem gleich zahlrei-           die den Erfolg auch wollen“, erklärt Rhein das
gemeinnützige Gesellschaft, die solche Ange-           che Ideen in den Kopf kommen, um zukünftig             Prinzip. Und auf diesen Weg machen sich die
bote zur Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie           zu kooperieren. „Wir haben tolle Mitarbei-             Diakonische Stiftung Wittekindshof und die
Beratung von Fachkräften, die in verschiede-           tende in der Stiftung, die sich mitunter sehr          Fachpool GmbH nun gemeinsam.
nen Arbeitsbereichen wie beispielsweise der            spezialisiert haben und großes Fachwissen                  Weitere Informationen:
Kinder- und Jugendhilfe, der Eingliederungs-           mitbringen. Mir fallen da unsere verantwort-               www.fachpool.de

André Weber (Zweiter von links) und Matthias Jacobstroer (Dritter von links) begrüßen (von links) Volker Rhein, Olympia Kirchberg,
Ayten Kacar und Peter Eichenauer von der Fachpool GmbH im KIZ Herne zum Austausch.

                                                                                                                                        D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 2   17
Wittekindshofer Themen

Wittekindshof wird Träger der Einrichtung: 90 Betreuungsplätze entstehen
                                                                                                            Fahrzeugen verfügen. W   ­ eiterhin sind eine
Neue Kita an der Wörthstraße                                                                                Matschanlage und ein Gemüsebeet geplant.
                                                                                                               Im Gebäude entstehen fünf großzügige
                                                                                                            Gruppenräume mit je einem Gruppen-Neben-
Die Nachfrage nach Kita-Plätzen in Herne ist           straße 11. Das Gebäude gehört der HFO, die           raum, einem Differenzierungs- sowie einem
größer als das derzeitige Angebot. Die Dia-            auch die Umbaumaßnahmen durchfüh-                    Sanitärraum. Eine Gruppe ist für Jungen und
konische Stiftung Wittekindshof und die HFO           ren wird, der Wittekindshof wird die Räume            Mädchen im Alter von vier Monaten bis drei
Heckendorf Family Office GmbH & Co. KG wol-           ­langfristig mieten. „Wir sind im August mit          Jahren (zehn Kinder), eine für Dreijährige bis
len Abhilfe schaffen und planen gemeinsam              den Umbaumaßnahmen gestartet“, erklärt               zur Einschulung (20 Kinder) und drei Gruppen
eine neue, inklusive Kita an der Wörthstraße.          Thorsten Heckendorf. Zwar gebe es noch viel          für Zweijährige bis zur Einschulung (jeweils
90 Betreuungsplätze entstehen für Kinder ab            zu tun, aber geplant sei die Fertigstellung im       20 Kinder). Zu den Gruppenräumen kom-
vier Monaten bis hin zu ihrer Einschulung. Die         Frühjahr 2023. Zuvor war in den Räumen, die          men Therapieräume, zwei Kinderrestaurants,
Eröffnung ist im Frühjahr 2023 geplant.                schon etwas länger leer stehen, eine Kurz-           ein Bewegungsraum, ein Snoezelenraum,
   „Wir freuen uns, einen Teil der Betreuungs-         und Langzeitpflege ansässig.                         ein Werkraum, ein Atelier und ein Raum für
lücke zu schließen. Herne ist unsere Stadt. Der           Außerdem befinden sich eine Pflegewohn-           Elternarbeit. Das im Gebäude vorhandene
Wittekindshof ist Teil davon und leistet seinen        gemeinschaft und weitere Seniorenwohnun-             Schwimmbad kann ebenfalls für Angebote

                                                                                                                                                        Jaqueline Patzer
Beitrag für das Gemeinwesen“, sagt Matthias            gen im Haus.                                         genutzt werden. „Auch unser Bewegungs-
Jacobstroer, Geschäftsbereichsleiter für die              Den generationenübergreifenden Ansatz             raum wird toll ausgestattet. Die Kinder haben
Wittekindshofer Angebote in Herne und Ober-            lobt Dezernent Merkendorf. Und Kita-Leitung          viele Möglichkeiten sich auszutoben. Neben
hausen. Die Freude über die neue Kita ist auch         Kerstin Guth hat auch schon Ideen, die Parteien      der Bewegung werden wir aber auch beson-
auf Seiten der Stadt groß: „Es gibt großen             zusammenzuführen. Doch erst einmal freut sie         ders die Sprachentwicklung, Partizipation
Bedarf an Betreuungsplätzen. Die Lücke wird            sich darauf, den Aufbau der neuen Wittekinds-        sowie die soziale und kulturelle Bildung för-
mit der neuen Kita zwar nicht geschlossen,             hofer Kita zu begleiten. „Wir haben eine tolle       dern“, sagt Kita-Leiterin Kerstin Guth. Neben
aber jeder Kita-platz ist natürlich willkom-           Ausgangslage und viele Ideen. Auch das große         ihr werden künftig etwa 20 weitere Personen
men. Hier haben wir tolle Partner gefunden,            Außengelände mit etwa 1000 Quadrat­metern            in der Kita arbeiten – „alles neue Stellen, die
die dieses Projekt umsetzen“, sagt Bildungs-           hat viel Potential“, erklärte die Kita-Leiterin.     wir schaffen“, so Matthias Jacobstroer.
dezernent Andreas Merkendorf.                          Das Außengelände wird unter anderem über
   Die neue Kita entsteht auf rund 1250 Qua-           zwei Spielgeräte, zwei Nestschaukeln, zwei
dratmetern im Bestandsbau an der Wörth­                Sandkästen und eine Fläche zur Nutzung von

Heike Hütter, Abteilungsleiterin Kindertagesbetreuung (von links), Investor Thorsten Heckendorf, Bildungsdezernent Andreas Merkendorf,
Geschäftsbereichsleiter Matthias Jacobstroer und Kita-Leiterin Kerstin Guth stehen vor dem Gebäude an der Wörthstraße, in dessen Untergeschoss
die neue Kita entstehen wird.

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Wittekindshofer Themen

Neues E-Learning – Angebot für Wittekindshofer Mitarbeitende

Einfach und digital lernen
Was gibt es beim Verabreichen von Medika-
menten zu beachten? Welche Hygiene­regeln
gelten? Was muss ich bei einem Feueralarm
tun? Und was hat es eigentlich mit dem
Datenschutz auf sich?
    All diese Fragen müssen die circa 3700
Mitarbeitenden der Diakonischen Stiftung
Wittekindshof in ganz unterschiedlichen
Berufen und mit unterschiedlichen Quali-
fikationen jeden Tag beantworten können.
Damit sie das können, haben viele Mitar-
beitende eine Ausbildung, beispielsweise
als Heilerziehungspfleger*in, Bürokauffrau/
-mann oder Tischler*in absolviert und eine
Fachqualifikation erworben. Im Berufsalltag
können jedoch manche Dinge in Vergessen-
heit geraten. Gleichzeitig kommen aufgrund
neuer Technologien oder gesetzlicher Vorga-
ben regelmäßig neue Anforderungen hinzu.
    Um diesen Herausforderungen gerecht zu
werden, bietet der Wittekindshof jedes Jahr
bis zu 300 Schulungen zu ganz unterschied-
lichen Themen an. Manche Berufe erfor-
dern regelmäßige Pflichtfortbildungen oder
                                                 © storyset.com

Sicherheitsunterweisungen, die gesetzlich
vorgeschrieben sind. Zusätzlich wurden vom
Wittekindshof viele Fort- und Weiterbildun-
gen selbst konzipiert, um einen hohen Qua-
litätsstandard in allen Angebotsbereichen zu
gewährleisten. So kommt eine Vielzahl von
unterschiedlichen Fort- und Weiterbildungen
pro Jahr zusammen.                                      Mit Hilfe des „Vivendi PEP Self-Service“    arbeitenden. Damit ist insbesondere die
     Für viele Mitarbeitende bedeutet die           können Mitarbeitende im Internet einsehen,      ortsunabhängige Verfügbarkeit von Fort-
Teilnahme an einer Fortbildung einen gro-           welche Fortbildungen zur Verfügung stehen.      bildungen und der Verzicht auf Reisezeit
ßen Aufwand, weil sie aus unterschiedlichen         Bislang werden 43 Kurse zu verschiedenen        gemeint. Mitarbeitende können Fortbildun-
Regionen extra nach Volmerdingsen anreisen          medizinischen und pflegerischen Themen,         gen zukünftig im Büro, in Computerräumen,
müssen. Insbesondere bei mehrtägigen Fort-          zur Arbeitssicherheit sowie zu IT & Daten-      in der Wohngruppe oder auch von zu Hause
bildungen können Mitarbeitende aus entfern-         schutz angeboten.                               aus absolvieren. Nach erfolgreicher Teil-
ten Standorten nicht abends nach Hause fah-             So erhalten die Mitarbeitenden ein ziel-    nahme wird ihnen die Zeit für die Fortbildung
ren. Diese Reisezeit bedeutet wertvolle Zeit,       gruppengerechtes Angebot, um sich persön-       gutgeschrieben.
in der sie nicht ihrer Arbeit nachgehen und         lich weiterzuentwickeln und für neue berufli-      Natürlich gibt es auch Themen, die nicht
den Feierabend nicht mit der Familie verbrin-       che Herausforderungen vorzubereiten.            digital vermittelt werden können. „Fortbil-
gen können.                                             „Unser neues E-Learning-Angebot ist ein     dungen, die eine praktische Übung erfor-
    In Zeiten der Digitalisierung gibt es neue      modernes Instrument zur Entwicklung von         dern, wie etwa ein Erste-Hilfe-Kurs oder
Möglichkeiten, um Wissen auf elektroni-             Fach- und Führungskräften. Zudem wird die       Feuerlöschübungen werden auch zukünf-
schem Weg zu vermitteln. Im Englischen wird         Chancengleichheit zur Teilnahme an Fort-        tig in Präsenz stattfinden“, erläutert Sabine
das unter dem Begriff E-Learning zusammen-          bildungen und gleichzeitig die Vereinbar-       Kathmann, „häufig können jedoch die theo-
Ann-Christin Lüke

gefasst. Nach einer ausführlichen Pilotphase        keit von Familie und Beruf erhöht“, betont      retischen Grundlagen schon vorher über ein
steht dieses Angebot seit Juli 2022 allen Mit-      Sabine ­Kathmann, Leiterin des Personal­        E-Learning vermittelt werden.“
arbeitenden im Wittekindshof zur Verfügung.         managements, den Mehrwert für die Mit­                                          Christian Fitte

                                                                                                                          D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 2   19
Das Gruppenfoto

Das Gruppenfoto

Heilerziehungspfleger und Heilerziehungspflegerinnen
Zu den 107 Absolventen des Evangelischen Berufskollegs Wittekindshof gehören die staatlich anerkannten Heilerziehungspfle-
gerinnen und staatlich anerkannten Heilerziehungspfleger: Malina Gerkensmeyer, Phillip Gropp, Luca Jonas Zuch (alle Bad
Oeynhausen), Felix Freise (Enger), Jeanette Dyck, Stefan-Alexander Frey, Svenja Rauer (alle Espelkamp), Maximilian Beckmann,
­Joshua Brüning, Kim Lukas Wagner (alle Herford), Sophie Hannemann, Maurice Schneider (beide Hiddenhausen), Gina Kolk-
 mann (Hille), Sabrina Bärwald (Kreuztal), Kim-Malina Südmersen (Lemgo), Miriam Bröderhausen, Carla Iburg, Laura Matschuck,
 Jennifer Rolfsmeyer (alle Löhne), Michel Beckschebe, Mara Franziska Voss (beide Lübbecke), Nicole Brozik, Liane Ens, Christian
 Herrmann, Markus Kreklau, Benjamin Oluschinsky, Aron Rolfs, Sabine Vogel (alle Minden), Jana-Marie Keisler (Petershagen),
 Leonhard Fertl, Andrea Korff (beide Porta Westfalica), Michaela Jahnke (Preußisch Oldendorf), Cora Charlotte Dyszbalis (Rahden),
 Lisa Altemeier, Charlene Pavic, Carmen Wobker (alle Rödinghausen), Lea-Sophie Reimler und Tim Ole Seifert (beide Vlotho).

                             Sozialassistenz
                             mit Schwerpunkt Heilpädagogik
                             Erfolgreich ihre Ausbildung als ­staatlich
                             geprüfte Sozialassistentin oder -­ assistent
                             mit Schwerpunkt Heilpädagogik haben
                             abge­schlossen: Rouven Noel Brentführer,
                             ­Christian Enns, Sarah Marie Falkner, Jose-
                              fine Gerdes, Mona Spanke, Aleksandar Vasic,
                              Samuel ­Wagner, Angelika Weiler (alle Bad
                              ­Oeynhausen), Charline Miller (Bielefeld),
                               ­Stefan Fertig, Nora Janzen, Sarah ­Klassen,
                                ­Leonie Ladwig (alle Espelkamp), Lukas
                                 ­Schröder (Hille), Marvin Orbke, Lea-Deborah
                                  Parpart, (beide Kirchlengern), Tobias Witt
                                  (Löhne), Gideon Garen, Melissa Zapke (beide
                                  Lübbecke), Michelle Küsters (Porta Westfalica)
                                  und Niklas Gohlke.

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Das Gruppenfoto

                                                                                           Sozialassistenz und geprüfte Fachkraft für
                                                                                           Arbeits- und Berufsförderung (gFAB)
                                                                                           Zusätzlich die Weiterbildung als geprüfte Fachkraft für Arbeits-
                                                                                           und Berufsförderung (gFAB) haben abgeschlossen: Anja ­Schäfer
                                                                                           (Bad Oeynhausen), Norbert Hillebrand (Belm), Stefan Kastrup
                                                                                           ­(Bielefeld), Lisa Pape (Bückeburg), Georg Franz, Lilia Hellweg,
                                                                                            ­Everline Odera Ulrich (alle Espelkamp), Tanja Rettig (Lübbecke),
                                                                                             Bianca ­Giller (Minden), Sascha Langhans, Selcan Songün (beide
                                                                                             Nienburg), Maren Kolwes (Porta Westfalica), Andreas Busenius
                                                                                             (Spenge) und Insa Dankleff (Wietzen). Michael Hagemeier aus
                                                                                             Löhne hat nur die Weiterbildung als geprüfte Fachkraft für
                                                                                             Arbeits- und Berufsförderung (gFAB) abgeschlossen.

Erzieher und und Erzieherinnen
Die Ausbildung als staatlich anerkannte Erzieherin und staatlich anerkannter Erzieher am Evangelischen Berufs­
kolleg Wittekindshof haben abgeschlossen: Miriam Baurichter, Katharina Epp, Evelyn Frank, Larissa Korsmeier, Jean-
Pierre Reitmeier, Sophie Rongen (alle Bad Oeynhausen), Nadine Flentje (Bad Salzuflen), Louisa Scholz (Blomberg),
Julia Katharina Reifert (Bünde), Nikola Doreen Erk (Diepenau), Robin Massilge (Espelkamp) Juliane Karl, Aike ­Frieder
­Schäfer (beide Herford), Nicole Meinsen, Paul Simon von Behren, (beide Hille), Irina Fieguth (Lübbecke), Verena
 ­Henschel, Maleen Heuer, Laura Hölzel, Franziska Meyer, Michel Wanek (alle Minden) , Jastine Sieveking (Osnabrück),
  Tanya Janine Hach-Klein, Daniela Penner, Jan Filipp Prelle, Nuria Rehberg, Carolin Richard, Jana-Marie Schlottmann
  (alle Porta Westfalica), Malin Bekemeier (Preußisch Oldendorf), Ksenia Scheller (Schüttorf), Yildiz Yildirim, Zara
  ­Yildirim (beide Stadthagen) und Marcel Heinrichs (Vlotho)

                      Impressum
                       Durchblick   Zeitschrift der Diakonischen Stiftung Wittekindshof

                       Herausgeber: Pfarrer Prof. Dr. Dierk Starnitzke,         Zur Kirche 2, 32549 Bad Oeynhausen                       Versand: Wiegmann GmbH, Petershagen
                       Theologischer Vorstand (v.i.S.d.P.)                      info@wittekindshof.de                                    Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht
                       Redaktion:                                               Texte und Fotos soweit nicht anders benannt:             unbedingt die ­Meinung des Herausgebers wieder.
                       Ann-Christin Lüke, Jaqueline Patzer                      Ann-Christin Lüke und Jaqueline Patzer                   Alle Rechte vorbehalten.
                                                                                Gestaltung und Layout: Wilfried Gandras, Hamburg         Nachdruck auch auszugsweise nur mit Genehmigung
                                                                                Druck: Druckerei + Verlag Kurt Eilbracht                 der Redaktion.
                                                                                GmbH & Co KG, Löhne
                                                                                Gedruckt auf zertifiziertem 100-prozentigem Altpapier.

                                                                                                                                                                    D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 2   21
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Vom Heilpädagogischen Seminar zum Berufskolleg

Mit Beginn der 1960er Jahre rückten die         freien Schwestern theoretisch ausgebildet.                 auch, einen Krankenpflegelehrgang einzu-
Interessen von Menschen mit Behinderung         Dabei gab es neben einem pflegerisch-medi-                 richten, der mit einem staatlich anerkann-
zunehmend ins Blickfeld der Gesellschaft. Die   zinischen Teil auch einen psychiatrischen und              ten Examen abgeschlossen werden konnte.
Medien schenkten diesen Personengruppen         heilpädagogischen Anteil. Eine wenige Stun-                Anstaltsleiter Johannes Klevinghaus und der
mehr Aufmerksamkeit und auch im Bundes-         den umfassende Unterweisung reichte ange-                  Rektor der Wittekindshofer Schule, Gerhard
tag und den Landesparlamenten wurde über        sichts der wachsenden Zahl an unterstützten                Brandt, setzten sich in der Folgezeit mit dem
die Lebenssituationen der Kinder, Jugendli-     Menschen mit unterschiedlichen Förderbe-                   Plan dieser beiden nebeneinander laufen-
chen und Erwachsenen debattiert. Als Ergeb-     darfen nun nicht mehr aus. „Die Besonderheit               den Lehrgänge auseinander, führten Gesprä-
nis wurden entsprechende Gesetze verab-         heilpädagogischen Helfens liegt darin, aus                 che mit anderen Einrichtungen, aber auch
schiedet.                                       einer gründlichen Kenntnis des Behinderten                 mit Behörden. Die finanzielle Belastung war
   Im Wittekindshof folgte daraus ein regel-    die noch offenen Bildungs- und Erziehungs-                 jedoch zunächst zu groß.
rechter Boom an neuen Bildungs- und Aus-        möglichkeiten zu erspähen und mittels son-                    Schließlich entschloss man sich doch,
bildungsmöglichkeiten und -einrichtungen.       derpädagogischer Maßnahmen zu nutzen“,                     eine staatlich anerkannte Ausbildungsstätte
Dies betraf nicht nur die Differenzierung zur   hieß es 1964 in der Wittekindshofer Informa-               im Wittekindshof einzurichten. 1964 hatte
Förderung von Bewohnerinnen und Bewoh-          tionsbroschüre „Wir suchen das Leben“ zur                  sich der nordrhein-westfälische Landesver-
nern, sondern auch die Ausbildungen der         Gründung des Heilpädagogischen Seminars.                   band der Lebenshilfe e.V. gegründet. Unter
Mit­arbeitenden. Schon von Beginn an hatte                                                                 dem Dach der Lebenshilfe waren im Rahmen
man die Brüder und                                          Zusatzausbildung                               der Behindertenhilfe offene heilpädagogi-
                                                            Schon 1961 prüfte die Anstalts-                sche Tageseinrichtungen für Menschen mit
                                                         leitung, wie den Mitarbeitenden                   geistiger Behinderung jeden Alters entstan-
                                                          eine vertiefende heilpädagogische                den. Häufig arbeiteten dort Mitarbeitende,
                                                          Zusatzausbildung angeboten wer-                  die keine heilpädagogische Ausbildung hat-
                                                           den könnte. Es folgten Überlegun-               ten und darin geschult werden sollten. Des-
                                                           gen, eine Fachschule oder eine                  halb trat die Lebenshilfe an den Wittekindshof
                                                            Höhere Fachschule für Heilerzie-               heran, sich an der Ausbildung zu beteiligen.
                                                            hung zu gründen. Im Raum stand                 „Dem Heilpädagogischen Seminar Witte-

                                                                                                                                                                         Archiv Wittekindshof

                                                                oben links: Johannes Klevinghaus, oben rechts: Gerhard Brandt
                                                                links: Mit dieser Anzeige in der Informationsbroschüre „Wir suchen das Leben“ von Juli 1964 machte der
                                                                Wittekindshof auf die Gründung des Heilpädagogischen Seminars aufmerksam.
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kindshof ist daher die Aufgabe gestellt, heil-
pädagogische Fachkräfte für den Dienst an
geistig Behinderten nicht nur in Anstalten
und Heimen, sondern auch in Sonderkinder-
gärten, Tagesstätten, Beschützenden Werk-
stätten und Wohnheimen auszubilden“, wie
es in dem Informationsheft von 1964 weiter
heißt.
   Das besondere Merkmal des Studiums war,
dass es berufsbegleitend stattfand. Die Teil-
nehmenden konnten also ihrer bisherigen
beruflichen Tätigkeit weiter nachgehen. Das
Studium sollte vier Semester mit je 20 Unter-
richtswochen umfassen, die sich auf zwölf
Stunden pro Woche aufteilten, also insgesamt
960 Stunden. Letztlich wurde es auf sechs
Semester und insgesamt 1200 Stunden inklu-
sive eines mehrwöchigen Praktikums und ver-
schiedener Studienfahrten ausgedehnt.              tischen Arbeit gestanden hatten, den Besuch      und Pflegeanstalten, die Lebenshilfe sowie
   Schwierig erwies sich die Anschubfinanzie-      des Seminars ermöglichen. Dies war der           der Landesverband der Inneren Mission. Auch
rung. Eine Beteiligung an dem berufsbeglei-        maßgebliche Grund, die Ausbildung berufs-        mit der Wissenschaft kam es zu Kooperatio-
tenden Seminar lehnte das Kultusministerium        begleitend anzubieten. Die Teilnehmenden         nen, so mit den Pädagogischen Hochschulen
in Düsseldorf ab, weil es nicht als Ersatzschule   des ersten Ausbildungsgangs verdeutlichen        in Köln und Dortmund. Man erhoffte sich Syn-
anerkannt werden konnte. Kleine Starthilfen        das. Die 21 Teilnehmenden waren zwischen         ergieeffekte und gegenseitige Unterstützung
kamen schließlich vom Landesverband der            21 und 56 Jahre alt und brachten unterschied-    bei den Bemühungen nach staatlicher Aner-
Inneren Mission, dem Landschaftsverband            lichste Berufserfahrungen mit. So war eine       kennung.
Westfalen-Lippe (LWL) und der Bezirksregie-        Diakonisse ebenso dabei wie ein Teilnehmer           Die Finanzierungsfrage klärte sich, wobei
rung in Detmold. Der LWL sagte zu, die Kosten      mit kaufmännischer Ausbildung.                   der Wittekindshof die Hauptlast trug. Das
des Seminars im Pflegesatz zu berücksichti-                                                         wurde aber in Kauf genommen, weil man mit
gen. Trotz der noch nicht gesicherten Finan-          Studienfahrten                                dem Seminar über eine moderne Bildungs-
zierung wurde das Heilpädagogische Seminar            Teil der Ausbildung waren auch etliche Stu-   einrichtung für Mitarbeitende in der Behin-
Wittekindshof am 6. November 1964 eröffnet.        dienfahrten zu anderen deutschen, schwei-        dertenhilfe verfügte, die sogar für andere
Leiter war Gerhardt Brandt. Zu den Lehrenden       zerischen oder niederländischen Einrichtun-      ­Einrichtungen zum Vorbild wurde. 1968
sollten neben Mitarbeitenden des Wittekinds-       gen. Leiter Gerhardt Brandt ging es dabei um      konnte ein eigenes Gebäude an der Pfarrer-
hofes auch externe Fachkräfte gehören.             die Erweiterung des Gesichtskreises und die       Krekeler-Straße bezogen werden, das seit
   Im Juli 1965 wurde die heilpädagogische         Anregungen für die eigene Arbeit. Ein kluger      2000 den Namen Gerhardt-Brandt-Haus trägt.
Zusatzausbildung vom Arbeits- und Sozial­          Schachzug war die Besetzung des Prüfungs-         1972 wurde das Heilpädagogische Seminar in
ministerium Nordrhein-Westfalens staat-            ausschusses. Mit ihm vernetzte sich der Witte­    „Fachschule für Sozialpädagogik mit Schwer-
lich anerkannt. Abgelehnt wurde jedoch der         kindshof mit allen für seine Arbeit wichtigen     punkt Heilpädagogik“ umbenannt. Sie war
Antrag, das Heilpädagogische Seminar als           Stellen. Den Vorsitz trug man dem Arbeits-        nun staatlich anerkannte Ersatzschule. 1998
Private Fachschule betreiben zu dürfen. Man        und Sozialministerium an, Sitz und Stimme         wurde aus der Fachschule Wittekindshof das
wollte auch Menschen ohne höheren Schulab-         hatten darin auch der LWL, der Verband Deut-      Evangelische Berufskolleg Wittekindshof.
schluss oder denen, die bisher nur in der prak-    scher Evangelischer Heilerziehungs-, Heil-                                      Michael Spehr

                                                                                                                         D u rc h b l i c k 2 -2 0 2 2   23
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