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EILDIENST 1/2010 Aus dem Inhalt: 쎲 Neue Geschäftsstelle des Landkreistages NRW 쎲 Landkreisversammlung am 25.11.2009 쎲 Neue Wege bei der Suche nach Pflegeeltern
Auf ein Wort Sicherung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum Aus dem Fernsehen ist es geläufig: Das Bild des klassischen Landarztes. Dieser fährt über die Dörfer, kümmert sich aufopferungsvoll um seine Patienten und ist ein gerngesehener Gast bei allen Mitgliedern der örtlichen Gemeinschaft, weil er viel Zeit mitbringt für die gesundheitlichen und andere Probleme vor Ort. Dieses Klischee hat mit der heutigen Realität wenig zu tun. In Zeiten harter Rationierung der ärztlichen Leistungen, insbesondere durch die Budgetierung, erscheint dieser Eindruck vom Landarzt eher romantisch verklärt. Der Landarzt in der heutigen Zeit wird auf Hausbesuche und Fahrten zu seinen Patienten eher verzichten wollen, weil er diese nur mit einer allgemeinen geringen Pauschale vergütet und die zurückgelegten Kilometer nur zu einem kleinen Teil erstattet bekommt. Gerade Patienten, die weiter entfernt von dem jeweiligen Praxisstand- ort wohnen, sind insofern unter ökonomischen Bedingungen betrachtet eher problematisch. Hausbesuche sind aber vor allem bei akuten oder chronischen Erkrankungen unverzichtbar, da sich der Transport der Patienten bis in die Praxis in der Regel aus medizinischen Gründen verbietet. Insgesamt ist aus der zurückliegenden Zeit, aber vor allen Dingen mit Blick auf die nächsten Jahre die Tendenz zu erkennen, dass immer mehr Ärzte ihre Praxen im ländlichen Raum aufgeben bzw. keine Nachfolger für diese finden. Dies ist insbesondere der Altersstruktur der Landärzte geschuldet, von denen ein erheblicher Teil in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen wird. Nicht nur die schlechte Vergütungslage, sondern auch andere Faktoren lassen es jungen Medizinern unattraktiv erscheinen, in ländlicher geprägten Bereichen Praxen zu übernehmen oder zu gründen. Verschiedene Untersuchungen legen es nahe, dass insbesondere in den abseits der großen und mittelgroßen Städte liegen- den ländlich strukturierten Bereichen Nordrhein-Westfalens mittelfristig ein Ärztemangel droht. Dies könnte dazu führen, dass Patienten, namentlich nicht mehr so mobile ältere Menschen, in Zukunft weite Wege zurücklegen müssen, um einen Arzttermin wahrzunehmen. Eine solche Entwicklung ist für den ländlichen Raum insgesamt problematisch, da eine gute medizinische Versorgung – sei es ambulant, sei es stationär – zu Recht auch einen Standortfaktor für die Ansiedlung von Unternehmen und Menschen darstellt. Der originäre Sicherstellungsauftrag für niedergelassene Ärzte liegt bei den Kassenärztlichen Vereinigungen. Diese haben die Möglichkeit, durch gezielte Zulassung von Arztpraxen in konkreter und kleinräumiger als bislang festgeschriebenen Regionen Abhilfe zu schaffen. Unabhängig davon haben die Kreise ihrerseits verschiedene Maßnahmen ergriffen, um der skizzierten Entwicklung ent- gegenzuwirken. So gibt es Initiativen von Kreisen an den medizinischen Fakultäten der Hochschulen, um Nachwuchs für Landarztpraxen zu gewinnen. In Kreisen werden Überlegungen angestellt, wie durch besondere Fördermaßnahmen die Niederlassung im ländlichen Raum attraktiver gestaltet werden kann. Da aber die Instrumente der Einflussnahme für die Kreisebene etwa auch durch kommunalwirtschafts- und wettbewerbsrechtliche Schranken begrenzt sind, hat der Land- kreistag bereits im Jahre 2008 einen Dialog mit dem Gesundheitsministerium mit dem Ziel aufgenommen, dass die Landes- regierung mit zusätzlichen Maßnahmen aktiv wird. Im Sommer 2009 hat das Gesundheitsministerium zusammen mit dem Wissenschaftsministerium ein umfangreiches „Aktionsprogramm zur Stärkung der hausärztlichen Medizin und Versorgung“ aufgelegt, das an vielen Stellen ansetzt, um die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum zu verbessern (vgl. www.hausarzt.nrw.de). Herausragend ist die Mög- lichkeit einer finanziellen Förderung mit einem Betrag von bis zu 50.000 € bei einer ärztlichen Niederlassung in sich pro- blematisch entwickelnden Regionen. Die Bewerbungsfrist hierfür endet am 15. März 2010. Wenngleich bereits jetzt ein großes Interesse an diesen Fördermöglichkeiten zu verzeichnen ist, sollten junge Mediziner bei ihrer Standortentscheidung nicht ausschließlich finanzielle Aspekte im Blick haben, sondern auch berücksichtigen, dass das Leben im ländlichen Raum – entgegen mancher veröffentlichter Meinung – durchaus viele positive Seiten hat und gerade für junge Familien oftmals attraktiver ist als das Leben in Großstädten. Menschen am Beginn ihres Berufslebens finden hier nicht nur insgesamt betrachtet gute Arbeitsvoraussetzungen, sie erhalten auch gute Rahmenbedingungen für die Gründung von Familien. So ist Bauland im ländlichen Raum immer noch vergleichsweise günstig, die Lebenshaltung im Ganzen preiswerter und der Freizeit- und Erholungswert der Umgebung kaum zu schlagen. Gerade auch Kinder haben hier ganz besondere Entfaltungsmöglichkeiten. In aller Regel gibt es eine gute Versorgung mit Kita-Plätzen sowie durch- aus ortsnah gelegene Grund- und weiterführende Schulen. Auch das kulturelle Angebot im ländlichen Raum wird häufig unterschätzt. Wünschenswert ist, dass viele junge Ärztinnen und Ärzte angesichts dieser Rahmenbedingungen die Überzeugung gewinnen, dass es insgesamt durchaus attraktiv ist, eine Praxis im ländlichen Raum zu übernehmen bzw. zu eröffnen. Dr. Martin Klein Hauptgeschäftsführer des Landkreistages Nordrhein-Westfalen 1
Inhalt EILDIENST 1/2010 Auf ein Wort 1 Kavalleriestraße 8 40213 Düsseldorf Telefon 0211/ 300 491-0 Telefax 02 11/ 300 491-660 Aus dem Landkreistag E-Mail: presse@lkt-nrw.de Internet: www.lkt-nrw.de Im Zeichen der Wirtschafts- und Finanzkrise: Landkreisversammlung des Landkreistages Nordrhein-Westfalen am 25.11.2009 4 Impressum Herausforderungen der Kreise, Städte und Gemeinden zur Bewältigung EILDIENST – Monatszeitschrift des Landkreistages der Finanzkrise – Rede von Innenminister Dr. Ingo Wolf 5 Nordrhein-Westfalen Herausgeber: Hauptgeschäftsführer Schwerpunkt: Neue Geschäftsstelle Dr. Martin Klein als „Botschaft“ der Kreise Redaktionsleitung: Pressesprecherin Christina Stausberg Redaktion: Landkreistag eröffnet neue Geschäftsstelle als „Botschaft“ Beigeordneter Dr. Marco Kuhn Beigeordneter Reiner Limbach der Kreise im Düsseldorfer Regierungsviertel 7 Referent Dr. Markus Faber Referentin Dr. Andrea Garrelmann Referentin Dorothée Heimann „Diesen Ort muss man haben!“ – Ansprache von Ministerpräsident Referent Dr. Christian von Kraack Referent Dr. Kai Zentara Dr. Jürgen Rüttgers zur Eröffnung der neuen Geschäftsstelle 9 Quelle Titelbild: Lothar Berns Redaktionsassistenz: Themen Christine Gröbner, Monika Dohmen Herstellung: Verfassungsrecht muss krisentauglich sein – Druckerei und Verlag Knipping GmbH, Birkenstraße 17, Veranstaltung zu Finanzhilfen des Bundes für die Kommunen 10 40233 Düsseldorf ISSN 1860-3319 Vortrag von Prof. Dr. Stefan Korioth, Ludwig-Maximilians-Universität München 12 Vortrag von NRW-Innenminister Dr. Ingo Wolf 17 Das Porträt Ulrich Rüther, Vorstandsvorsitzender der Westfälischen Provinzial Versicherung AG 20 Im Fokus Ich habe euch noch gefehlt? – Kreise in Nordrhein-Westfalen Kreis Kleve geht neue Wege bei der Suche nach Pflegeeltern 22 2
Inhalt EILDIENST 1/2010 Medien-Spektrum: Aktuelle Pressemitteilungen Eröffnung der neuen Geschäftsstelle des Landkreistages NRW mit Ministerpräsident Rüttgers und Innenminister Wolf – Kreise sind unverzichtbar für NRW 23 Gemeinsame Forderung der kommunalen Spitzenverbände in NRW: Jobcenter sollen erhalten bleiben – Plädoyer für eine Verfassungsänderung 24 Kommunen und Landschaftsverbände in NRW gemeinsam für Menschen mit Behinderung 25 Kurznachrichten Kurznachrichte Allgemeines Statistisches Jahrbuch Nordrhein-Westfalen 2009 erschienen 25 Modellrechnung zur zukünftigen Bevölkerungsentwicklung in den Städten und Gemeinden in NRW 25 Arbeit und Soziales Demografischer Wandel: Zahl der NRW-Privathaushalte geht langfristig zurück 26 Kultur Jahrbuch des Kreises Höxter 2010 26 Jahrbuch des Hochsauerlandkreises 26 Persönliches Dr. Marco Kuhn neuer Erster Beigeordneter, Reiner Limbach neuer Beigeordneter beim LKT NRW 26 Neuer Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen 26 Hinweise auf Veröffentlichungen 27 3
Aus dem Landkreistag Im Zeichen der Wirtschafts- und Finanzkrise: Landkreisversammlung des Landkreistages Nordrhein-Westfalen am 25.11.2009 Nach der Kommunalwahl haben sich in der Landkreisversammlung die Gremien des Landkreistages Nordrhein-Westfalen neu kons- tituiert und die Verbandsspitzen wurden neu gewählt. Die Landkreisversammlung fand unmittelbar im Vorfeld der Eröffnung der neuen Geschäftsstelle des Landkreistages Nordrhein-Westfalen am 25.11.2009 in Düsseldorf statt. Im öffentlichen Teil der Versammlung sprach Innenminister Dr. Ingo Wolf zur Wirtschafts- und Finanzkrise. oder die erhöhte Finanzbeteiligung der Kom- munen bei der Krankenhausfinanzierung. Anstehende Herausforde- rungen für die Kreise In der Konsolidierung der kommunalen Haushalte und der Bewältigung der Fi- nanz- und Wirtschaftskrise sehe er, so der Präsident weiter, Schwerpunktthemen für die Arbeit des Landkreistages in den näch- sten Monaten und Jahren. Daneben seien die Reform der Jobcenter und die künftige Organisation der Betreuung von Langzeit- arbeitslosen von herausragender Bedeutung, über die im nächsten halben Jahr auf Bun- desebene entschieden würde. Die aktuell vorliegenden Pläne der Bundesregierung dazu seien inakzeptabel. Landkreisversammlung des Landkreistages NRW (Quelle: Lothar Berns) Stärkung des verbands- Rückblick: Eine Bilanz der eklatant steigenden Ausgaben für Sozial- politischen Gewichts letzten fünf Jahre leistungen der Kreise auf bundesrechtlicher Grundlage oder Leistungen der Jugendhilfe, Das verbandspolitische Gewicht des Land- Der Präsident des Landkreistages Nord- aber auch die Mittelkürzungen des Landes kreistages Nordrhein-Westfalen sieht Tho- rhein-Westfalen, Landrat Thomas Kuben- etwa bei der Streichung der Grunderwerb- mas Kubendorff gestärkt. Dazu hätten die dorff, erinnerte vor der Landkreisversamm- steuer aus den GFG-Verbundgrundlagen regelmäßigen Gespräche von Kreisvertre- lung an wichtige kommunalrelevante The- men der letzten fünf Jahre. Als besonderen Erfolg hob er die Anfang 2008 in Kraft ge- tretene Verwaltungsstrukturreform mit der weitgehenden Kommunalisierung der Ver- sorgungs- und Umweltverwaltung hervor. Damit sei einer langjährigen Forderung des Landkreistages entsprochen worden, wenn auch die Frage der Angemessenheit des Be- lastungsausgleichs vor dem Verfassungs- gerichtshof noch geklärt werden müsse. In den vergangenen Jahren sei es außerdem gelungen, die Zuständigkeit der Landrätin- nen und Landräte für die Kreispolizeibehör- den zu bewahren, um eine hinreichende und bürgernahe Polizeipräsenz zu gewähr- leisten, die den jeweiligen örtlichen Gege- benheiten Rechnung trägt. Neben weiteren Erfolgen – zum Beispiel bei der Berücksich- tigung kommunaler Vorstellungen bei der Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente oder bei der Novellierung des Sparkassenrechts – benannte Thomas Ku- bendorff jedoch auch Themenfelder, für die bisher keine Lösung im Sinne der Kreise gefunden worden sei. Dazu gehörten ins- besondere finanzpolitische Themen wie die Präsident Landrat Thomas Kubendorff zieht Bilanz (Quelle: Lothar Berns) 4
Aus dem Landkreistag tern mit maßgeblichen Akteuren der Lan- tages Nordrhein-Westfalen gewählt. Tho- Besetzung des Vorstandes despolitik, aber auch der Bundespolitik bei- mas Kubendorff ist seit 1999 Landrat des des Landkreistages NRW getragen. Von der Verlegung der Geschäfts- Kreises Steinfurt, seit 2002 Vizepräsident stelle des Landkreistages in das Düsseldorfer und seit 2004 Präsident des LKT NRW. Die Landkreisversammlung beschloss im Regierungsviertel sei ebenfalls ein zusätz- Landrat Dr. Arnim Brux wird ebenfalls in Gefolge der Novellierung des nordrhein- licher Impuls für eine noch intensivere Ver- seinem Amt des Vizepräsidenten des LKT westfälischen Kommunalverfassungsrechts bandsarbeit zu erwarten. NRW bestätigt. Seit dem Jahr 2002 ist er und der Schaffung der Städteregion Aachen Landrat des Ennepe-Ruhr-Kreises. Neu ins mehrere Satzungsänderungen. Die Städte- Wahl des Präsidiums des Amt des Vizepräsidenten gewählt wurde region Aachen ist neues Mitglied des LKT Landkreistages NRW Landrat Thomas Hendele. Er folgt damit NRW. Künftig gehören alle 30 Landräte so- Landrat Frithjof Kühn nach, der nicht mehr wie der Städteregionsrat der Stadt Aachen Einstimmig wurde Landrat Thomas Kuben- für das Amt kandidierte. Thomas Hendele dem Vorstand des LKT NRW an. dorff erneut zum Präsidenten des Landkreis- ist seit 1999 Landrat im Kreis Mettmann. Innenminister Dr. Ingo Wolf zur Wirtschafts- und Finanzkrise Innenminister Dr. Ingo Wolf thematisierte in seiner Rede vor der Landkreisversamm- lung die anstehenden Herausforderungen der Kommunen zur Bewältigung der Wirt- schafts- und Finanzkrise. Angesichts der Befürchtungen der Kommunen im Hinblick auf wegbrechende Steuereinnahmen und die sozialen Folgelasten verwies er aber auch auf die guten Erfolge des gemeinsam von Land und Kommunen umgesetzten Kon- junkturpakets. 1 1 Vgl. „‘Herausforderungen der Kreise, Städte und Gemeinden zur Bewältigung der Finanzkri- se.‘ Rede von Innenminister Dr. Ingo Wolf im öffentlichen Teil der Landkreisversammlung“ in diesem Heft, S. 5 ff. Das neu gewählte Präsidium des LKT NRW mit dem Innenminister (v.l.n.r.): Vizepräsi- dent Landrat Dr. Arnim Brux, Ennepe-Ruhr-Kreis, Innenminister Dr. Ingo Wolf, Präsident Landrat Thomas Kubendorff, Kreis Steinfurt, Vizepräsident Thomas Hendele, Kreis Mett- EILDIENST LKT NRW mann (Quelle: Lothar Berns) Nr. 1/Januar 2010 00.12.01 Herausforderungen der Kreise, Städte und Gemeinden zur Bewältigung der Finanzkrise – Rede von Innenminister Dr. Ingo Wolf Innenminister Dr. Ingo Wolf betonte eingangs, dass alle öffentlichen Haushalte von der momentanen wirtschaftlichen und finanziellen Krise betroffen seien. So weise der gegenwärtige Bundeshaushalt die höchste Neuverschuldung der Geschichte auf, der Haushalt von Nordrhein-Westfalen die zweithöchste Neuverschuldung in seiner Geschichte. Vor diesem Hintergrund müsse auch die Lage bei den kommunalen Finanzen betrachtet werden. Z war befände sich gegenwärtig nur die im Vergleich zur Zeit um die Jahrtau- sendwende relativ kleine Zahl von 59 Kom- Als ein wesentliches Problem für die kom- munalen Finanzen machte Ingo Wolf die starke Schwankungsbreite der Gewerbes- junkturkrisen, zum anderen aber auch für das Verhältnis der Kommunen untereinan- der. So sei in einigen Kommunen der Ertrag munen in der Haushaltssicherung, aber diese teuer aus. Die Gewerbesteuer sei die Steu- der Gewerbesteuer um mehr als 90 Pro- relativ niedrige Zahl sei primär durch das er mit der größten Konjunkturabhängigkeit zent gesunken, in anderen Kommunen sei Neue Kommunale Finanzmanagement be- unter allen staatlichen Einnahmequellen. Er der Rückgang zum Teil aber weniger gra- gründet. Die finanzielle Situation der Kom- bezeichnete die Gewerbesteuer in diesem vierend. Insgesamt sei die Ertragslage bei munen sei in der Realität als schwieriger an- Zusammenhang als „Achterbahnsteuer“. der Gewerbesteuer vollkommen dispers und zusehen, als es die Zahl von 59 Kommunen Dies gelte zum einen für den zeitlichen Ver- oftmals von Zufälligkeiten abhängig. Letzt- in der Haushaltssicherung vermuten ließe. lauf zwischen Aufschwungphasen und Kon- lich sei die Gewerbesteuer die konjunk - 5
Aus dem Landkreistag turabhängigste Finanzquelle im gesamten pflichtung zur Sparsamkeit und Haushalts- Hinsichtlich der Stärke der kommunalen Ebe- staatlichen Einnahmesystem. Daher könne konsolidierung auslösen würde. Gegen- ne betonte der Minister, dass es ein großer er sich – entsprechend der seit Jahrzehnten wärtig werde auf Landesebene geprüft, ob Vorteil der Verwaltungsstrukturen in Nord- diskutierten, insbesondere von der FDP ver- es ein Umsetzungsgesetz zur Schuldenbe- rhein-Westfalen sei, dass es relativ große tretenen Modelle – vorstellen, unter Ver- grenzung auf Landesebene geben müsse. Verwaltungseinheiten auf der Ebene der zicht auf die Gewerbesteuer zukünftig zu In einem Exkurs ging Minister Ingo Wolf auf Kreise und kreisfreien Städte gebe. So sei stetigeren und verlässlicheren Einnahmequel- die Frage der Zulässigkeit einer Sperrklausel die kleinste kreisfreie Stadt in Nordrhein- len für die kommunale Ebene zu kommen. für Kommunalwahlen und auf das Problem Westfalen immerhin 110.000 Einwohner der Überhang- und Ausgleichsmandate ein. groß, der kleinste Kreis umfasse rund 140.000 Beide Themen seien im Nachgang zur Kom- Einwohner. Die Durchschnittswerte für Krei- munalwahl Ende August 2009, auch in eini- se und kreisfreie Städte seien noch erheb- gen Kreistagen, besonders aktuell geworden. lich größer. Eine solche Größe unterscheide Hinsichtlich einer möglichen Sperrklausel die Kreise und kreisfreien Städte in Nord- erklärte Ingo Wolf unmissverständlich, dass rhein-Westfalen von den kommunalen Struk- es aus seiner Sicht keine Form einer ver- turen in vielen anderen Bundesländern, in fassungsrechtlich unbedenklichen neuen denen teilweise Kreisgrößen von deutlich unter 100.000 Einwohnern anzutreffen sei- en. Diese Leistungsstärke der nordrhein- westfälischen Kommunen sei Voraussetzung gewesen, dass ein solch großes und bun- desweit weitgehend einmaliges Projekt wie Innenminister Dr. Ingo Wolf zur Wirtschafts- die Kommunalisierung der Umwelt- und und Finanzkrise (Quelle: Lothar Berns) Versorgungsverwaltung von der Landes- ebene auf die Kreise und kreisfreien Städte Im weiteren Verlauf betonte der Minister, überhaupt möglich gewesen sei. dass es jedoch auch positive Aspekte be- züglich der finanziellen Situation der Kom- munen gebe. So sei insbesondere das Kon- junkturpaket II in Nordrhein-Westfalen sehr gut gemanagt worden. Dies gelte vor allem Ingo Wolf vor der Landkreisversammlung im bundesweiten Vergleich, da in Nordrhein- (Quelle: Lothar Berns) Westfalen ein unbürokratisches Verfahren zur Verausgabung der Mittel gewählt wor- Sperrklausel geben würde. Dies ließen die den sei. Bundesweit gelte Nordrhein-West- in dieser Frage bisher ergangenen Entschei- falen als Vorbild für eine unbürokratische dungen des Bundesverfassungsgerichts und Umsetzung des Konjunkturpakets II. Auch des Verfassungsgerichtshofs Nordrhein- sei die kommunale Ebene im Rahmen der Westfalen nicht zu. Eine adäquate Lösung Umsetzung des Konjunkturpaketes II im für eine faktische Sperrklausel wäre es, die bundesweiten Vergleich sehr günstig ge- kommunalen Vertretungen möglichst klein In der Diskussion mit den Delegierten aus stellt worden. Dass gegenwärtig noch nicht zu halten, um so die notwendige Mindest- den Kreisen (Quelle: Lothar Berns) sämtliche Gelder abgerufen worden seien, stimmenzahl für einen Sitz faktisch relativ Zum Schluss seiner Rede ging der Innenmi- läge seiner Ansicht nach in erster Linie an hoch zu halten. Mit einem solchen Verfah- nister auf die Entscheidung der Landesre- dem notwendigen – und auch nicht zu be- ren könne in kleineren Gemeinden eine gierung zur Verortung der Einheitlichen An- anstandenden – zeitlichen Aufwand für Pro- faktische Sperrklausel von 3 Prozent bis 5 sprechpartner bei den Kommunen ein. Er jektauswahl, Planung und Ausschreibung. Prozent erreicht werden. Auch hinsichtlich stellte die Vorteile einer kommunalen Ver- Hinsichtlich des Problems der Einheitskos- des Problems der Überhang- und Ausgleichs- ortung der Aufgabe der Einheitlichen An- ten bedauerte Minister Dr. Ingo Wolf, dass mandate, die bei der Kommunalwahl 2009 sprechpartner heraus, forderte jedoch die ein Kompromissvorschlag des Landes von in einigen Kreisen zu einer erheblichen Ver- Kommunen auf, alles zu tun, um die ge- kommunaler Seite nicht akzeptiert worden größerung des Kreistages geführt hätten, setzlich geforderte Zahl von 18 Einheitli- sei. Im Rahmen eines zweiten Gutachtens erklärte Ingo Wolf, dass es aus seiner Sicht chen Ansprechpartnern durch Kooperatio- habe sich gezeigt, dass es keine exakten keine Alternative zum jetzigen System des nen zwischen den Kreisen und kreisfreien Nachberechnungsmöglichkeiten der Ein- verhältnismäßigen Ausgleiches von Über- Städten zu erreichen. Zugleich betonte er heitslasten gebe. Aus seiner Sicht gebe es hangmandaten gebe. Wenn man Überhang- die Chancen von Kooperationen auf kom- auch im Rahmen einer möglichen gericht- mandate – und infolgedessen Ausgleich- munaler Ebene, sowohl horizontal als auch lichen Überprüfung keine Aussicht auf eine smandate – verhindern wolle, so bliebe der vertikal. Hier könnten wichtige Fortschritte vollständig exakte Nachberechnung der Ein- Weg, die Zahl der Wahlkreise im Verhältnis bei der Effizienz der Erledigung von Ver- heitslasten. Hier würde eine mögliche spä- zur gesetzlichen Zahl der Sitze in einer waltungsaufgaben erzielt werden. tere Klage nicht weiterhelfen. Weiter ging Kommunalvertretung, welches derzeit 1:2 der Innenminister auf die Schuldenbegren- beträgt, zu verringern. Dann könnte die zung im Grundgesetz ein. Er betonte, dass Gefahr von Überhangmandaten und infol- die Schuldenbegrenzung, die auch für die gedessen auch von Ausgleichsmandaten EILDIENST LKT NRW Länder gelten würde, eine erhebliche Ver- faktisch verringert werden. Nr. 1/Januar 2010 00.12.01 6
Schwerpunkt: Neue Geschäftsstelle als „Botschaft“ der Kreise Landkreistag eröffnet neue Geschäftsstelle als „Botschaft“ der Kreise im Düsseldorfer Regierungsviertel Wir wollen Meinung machen! Unter diesem Motto stand der Umzug des Landkreistages Nordrhein-Westfalen aus der Düsseldorfer Stadtrandlage in die Nachbarschaft des Landtags, der Staatskanzlei und der Ministerien. Als „Botschaft“ der Kreise soll die Ge- schäftsstelle ein Ort für das persönliche Gespräch und die Begegnung von Vertreterinnen und Vertretern der Kreise mit den Akteuren der Landespolitik sein – um die Belange der Kreise noch besser in die Landespolitik zu transportieren. Die neuen Räumlichkeiten in der Kavalleriestraße 8 wurden am 25. November 2009 mit einem Festakt eröffnet. Landkreistag repräsentiert elf Millionen Bürgerinnen und Bürger Der Präsident des Landkreistages NRW, Landrat Thomas Kubendorff, begrüßte die mehr als 250 Gäste zur Eröffnung der neuen Geschäftsstelle des Landkreistages Nord- rhein-Westfalen, unter ihnen Ministerprä- sident Dr. Jürgen Rüttgers, Innenminister Dr. Ingo Wolf, Umweltminister Eckhard Uhlenberg, eine Reihe von Staatssekretären und eine große Anzahl von Landtagsabge- ordneten aus allen Fraktionen. Er betonte die Bedeutung, die die Kreise für viele Le- bensbereiche der Bürgerinnen und Bürger vor Ort haben – besonders für die Bereiche Bildung, Wirtschaft und Umwelt, Arbeit, Eröffnung der Geschäftsstelle des LKT NRW (v.l.n.r.): Der Präsident des Städte- und Ge- Soziales und Gesundheit, Polizei und Ret- meindebundes NRW, Bürgermeister Roland Schäfer, der Vizepräsident des LKT NRW, tungswesen. Die Kreise bündelten und ko- Landrat Thomas Hendele, Innenminister Dr. Ingo Wolf, Ministerpräsident Dr. Jürgen Rütt- ordinierten die Bedarfe und Aktivitäten in gers, der Präsident des LKT NRW, Landrat Thomas Kubendorff, der Vizepräsident des LKT ihren Regionen. Als Spitzenverband der Krei- NRW, Landrat Dr. Arnim Brux, der Hauptgeschäftsführer des LKT NRW, Dr. Martin Klein, se sei der Landkreistag Nordrhein-Westfa- der Zweite Landtagsvizepräsident, Oliver Keymis, MdL (Quelle: Lothar Berns) len daher der Experte für die Interessen von rund elf Millionen Menschen im Land – und Dr. Jürgen Rüttgers in seinem Grußwort zu munal getragen“, so der LKT-Präsident. ein unverzichtbarer Partner für Landespar- der Feststellung: Wenn man die SPD neben „Die kommunale Familie benötigt drin- lament und Landesregierung. Diese wichti- sich habe, sei es gut, die CDU im Rücken gend Hilfe.“ ge Funktion könne künftig durch die neue zu haben. Ein besonderer Dank galt der Die Pläne der Bundesregierung zur Neuor- Geschäftsstelle – mitten im Herzen des Düs- Landeshauptstadt Düsseldorf, die den Um- ganisation der Jobcenter, die vor Kurzem seldorfer Regierungsviertels – noch besser und Ausbau der Geschäftsstelle mit zügigem bekannt geworden waren, wies Thomas wahrgenommen werden. Er freue sich daher Verwaltungshandeln unterstützt habe. An- besonders, dass so viele prominente Gäste wesend war eine Vielzahl weiterer Koopera- diesen Anlass heute feiern wollten, so Tho- tionspartner aus der Freien Wohlfahrtspflege, mas Kubendorff. dem Finanzwesen, der Arbeitsmarktpolitik sowie aus den kommunalen Schwesterver- bänden und Landes- sowie kommunalen Einrichtungen und weiteren landesweit tä- tigen Institutionen. Aktuelle Sorgen und Probleme der Kreise Thomas Kubendorff griff auch die aktuellen Sorgen und Probleme aus dem Kreisbereich Man kennt sich – Raum für persönliche Ge- auf. Allen voran die Finanzkrise – eine Kri- spräche. V.l.n.r.: Landrat Hagen Jobi, Ober- Präsident Landrat Thomas Kubendorff be- se von gewaltigen Dimensionen –, die sich bergischer Kreis, Ministerpräsident Dr. Jür- grüßt die Gäste der Eröffnungsfeier ab dem kommenden Jahr im vollen Um- gen Rüttgers, Innenminister Dr. Ingo Wolf, (Quelle: Lothar Berns) fang auswirken und gravierende Folgen für LKT-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Klein Ein herzliches Willkommen galt auch den die Finanzlage der Kommunen haben wer- (Quelle: Lothar Berns) neuen Nachbarn des Landkreistages, der de. „Die wesentlichen Lebensrisiken der Ge- Kubendorff strikt zurück. Er unterstrich er- NRW-Bank, der SPD-Landesgeschäftsstelle sellschaft, sei es Arbeitslosigkeit, Pflegebe- neut die Forderung des Landkreistages Nord- und der CDU-Landesgeschäftsstelle. Diese dürftigkeit, Grundsicherung im Alter oder rhein-Westfalen nach einem Wahlrecht für Nachbarschaft veranlasste Ministerpräsident Behinderung, werden in hohem Maße kom- die Kommunen, ob sie die Betreuung von 7
Schwerpunkt: Neue Geschäftsstelle als „Botschaft“ der Kreise Langzeitarbeitslosen in Eigenregie oder auf Grußworte und Einweihung der Basis einer gleichberechtigten Zusam- menarbeit mit der Bundesagentur für Ar- Der Zweite Vizepräsident des Landtages beit wahrnehmen wollten. Die vorliegenden NRW, Oliver Keymis MdL, Fraktion Bündnis Eckpunkte böten dafür keine Grundlage. 90/Die Grünen, überbrachte als Vertreter Ein besonderer Dank gelte in diesem Zu- der wegen einer Auslandsreise verhinder- sammenhang aber der Landesregierung, ten Landtagspräsidentin ein Grußwort. Für die sich nicht nur für eine vernünftige Lö- die kommunalen Spitzenverbände sprach sung der Organisationsfrage eingesetzt ha- der Präsident des Städte- und Gemeinde- be, sondern auch eine Bundesratsinitiative bundes Nordrhein-Westfalen, Bürgermeis- zur Erhöhung der Bundesbeteiligung an ter Roland Schäfer, Bergkamen. Schließlich den Kosten für Unterkunft und Heizung Der Präses der Evangelischen Kirche in West- eingeleitet habe. falen, Dr. h. c. Alfred Buß, weiht die neue Ge- Diesen aktuellen Sorgen solle allerdings nicht schäftsstelle ein (Quelle: Lothar Berns) zu viel Gewicht an diesem besonderen Tag eingeräumt werden, der eigentlich ein Grund individuelle Kunst-Design der neuen Ge- zum Feiern sei. Präsident Thomas Kuben- schäftsstelle. Der national und international dorff lud alle Gäste, besonders auch seine für sein künstlerisches Schaffen mit großer Landratskollegen ein, die neue Geschäfts- Anerkennung versehene, im Oktober 2009 stelle rege zu nutzen: „Nutzen Sie ‚Ihre‘ aus seinem Amt als aktiver Landrat ausge- Botschaft in der Landeshauptstadt für Ih- schiedene Dieter Patt, Rhein-Kreis Neuss, ren Kreis, für Besuchergruppen, Gespräche hat zwei große Wände in der neuen Ge- oder für eigene Veranstaltungen!“ schäftsstelle künstlerisch gestaltet. Im Foyer Diesen Ort muß man haben Zweiter Landtagsvizepräsident Oliver Key- mis, MdL, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen In seiner Rede stellte Ministerpräsident Dr. (Quelle: Lothar Berns) Jürgen Rüttgers – gerade vor dem Hinter- grund der Finanzkrise – die Bedeutung ei- weihte Präses Dr. h.c. Alfred Buß, Evange- lische Kirche von Westfalen, als Vertreter der beiden christlichen Kirchen im Land die neue Geschäftsstelle ein. Musikalisch un- termalt wurde der Festakt durch das „Duo Aktivitées Cultouristiques“, Jürgen Löscher und Manfred Heinen, von der Kreismusik- Der Künstler und sein Werk. Landrat a. D. Dieter Patt vor dem Metallguss „Freiherr schule Viersen. LKT-Hauptgeschäftsführer vom Stein“ (mit Innenminister Dr. Ingo Wolf). (Quelle: Lothar Berns) des Erdgeschosses ist der Metallguss „Frei- herr vom Stein“ zu sehen – ein Kopfporträt des Vaters der kommunalen Selbstverwal- tung. Eine Wand im großen Sitzungssaal im ersten Obergeschoss wurde mit dem Kunst- Rede von Ministerpräsident Dr. Jürgen werk „Die kommunale Familie“ aus Holz Rüttgers anlässlich der Eröffnung (Quelle: Lothar Berns) nes gemeinsamen Vorgehens heraus: An- gesichts der Größenordnungen, um die es in der Krise gehe, solle Schluss sein mit ei- nem „Wer bezahlt was für mich“. Alle staat- lichen Ebenen seien finanziell betroffen, und nur durch ein gemeinsames Vorgehen Der Präsident des Städte- und Gemeinde- könne man Lösungen entwickeln. Dafür sei bundes NRW, Bürgermeister Roland Schäfer, gerade ein Ort wie die neue Geschäftsstelle Stadt Bergkamen (Quelle: Lothar Berns) des Landkreistages eine unverzichtbare Vo- raussetzung: Hier könnten Vorklärungen Dr. Martin Klein bedankte sich bei den an Dieter Patt und LKT-Hauptgeschäftsführer stattfinden, die dann Basis für einen weiter- Planung und Umbau Beteiligten und leitete Dr. Martin Klein vor der „Kommunalen Fa- gehenden Abstimmungsprozess sind. In die- als Hausherr zum kulinarischen Teil der Ver- milie“ (Quelle: Lothar Berns) sem Sinne schloss der Ministerpräsident: anstaltung über. „Diesen Ort muss man haben!“ 1 mit bunten Farbakzenten gestaltet – die Kunstwerke in der Kreise sind dort wohl kaum übersehbar zu 1 Vgl. Artikel „‘Diesen Ort muss man haben!‘ An- Geschäftsstelle identifizieren. sprache von Ministerpräsident Dr. Jürgen Rütt- gers zur Eröffnung der neuen Geschäftsstelle Die Landkreise machen alles selbst, sogar EILDIENST LKT NRW des Landkreistages NRW“ in diesem Heft, S. 9 ihre Kunst – so lobte Jürgen Rüttgers das Nr. 1/Januar 2010 00.12.01 8
Schwerpunkt: Neue Geschäftsstelle als „Botschaft“ der Kreise „Diesen Ort muss man haben!“ – Ansprache von Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers zur Eröffnung der neuen Geschäftsstelle Im Anschluss an die Begrüßung durch LKT-Präsident Landrat Thomas Kubendorff, sprach Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers zu den Gästen aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft. Angesichts des vertretenen „Who is Who“ des öffentlichen Lebens in Nordrhein-Westfalen stellte der Ministerpräsident dabei die Frage in den Raum, ob nicht eine verkürzte persönliche Begrüßung der Anwesenden angezeigt sei, zum Beispiel im Sinne von Paul Mikat, der bei so vielen wichtigen Amtsinhabern Ansprachen stets mit „Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Titel“ begonnen habe. Er wolle sich dem anschließen und schlicht zur Einweihung der neuen Geschäftsstelle des Landkreistages im Herzen Düsseldorfs gratulieren. D ie Frage, warum ein wichtiger Verband so lange gebraucht habe, von den Au- ßenbezirken Düsseldorfs bis in das Herz der an den Angelegenheiten der Bürgerinnen und Bürger. Jedenfalls brauche man sich um die Demokratie keine Sorgen zu machen, so rung und beim steuerlichen Querverbund. Gute Lösungen zeichneten sich dadurch aus, nicht kommunal unfreundlich zu sein. Die Stadt vorzustoßen, solle man sich nicht stel- lange dieser Wettkampf um die Nähe zu den in diesem Sinne in der Koalitionsvereinba- len. Ohnehin gebe es ja nach offizieller Le- Anliegen der Bürgerinnen und Bürger an- rung verankerten Punkte werden nun in die sart kein Regierungsviertel in Düsseldorf: In halte. Dies sei in der Geschichte Nordrhein- Phase ihrer Umsetzung gehen. der Ecke um die Kavalleriestraße gebe es Westfalens immer ein Stück Richtschnur Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers wies lediglich einige Ministerien, den Landtag, und Stärke gewesen. Diese gute Tradition jedoch auch auf ein Problem hin, das ihm die Staatskanzlei, die Geschäftsstellen von solle man nicht ändern. Erst jüngst habe am Herzen liege. Die Debatte, die ihn be- CDU und SPD. Auch wenn nun zudem die man mit den Föderalismusreformen I und II schwere, sei, dass es offensichtlich den öf- Geschäftsstelle des Landkreistages hin- das Kompetenzgefüge zwischen Bund und fentlichen Händen schlecht gehe. Den Ge- zugekommen sei, solle man die offizielle Ländern erheblich verändert und nun gelte meinden gehe es schlecht, den Kreisen gehe es angestrengt zu arbeiten, um das geän- es schlecht, den kreisfreien Städten gehe es derte Gefüge zu leben. In dieser Hinsicht sei schlecht. Auch bei den Landschaftsverbän- man mit der Politik der Landesregierung auf den sehe es schlimm aus. Die Bürgermeister dem richtigen Weg. Da jedoch schon der würden gewiss gerne wieder eine Debatte Innenminister die großen Leistungen der über die Höhe der Kreisumlage führen. Die Landesregierung im öffentlichen Teil der Landräte wiederum würden die gleiche Ar- Landkreisversammlung herausgestrichen gumentation dann gegenüber den Land- und betont habe, brauche dies der Minis- schaftsverbänden einsetzen. Letztlich wiesen terpräsident nicht zu wiederholen. Hinzu- jedoch alle mit den gleichen Argumenten – fügen wolle er lediglich, dass es der Lan- nämlich das die Haushaltslage schlimm (Quelle: Lothar Berns) Sprachregelung beibehalten, nicht von ei- nem Regierungsviertel zu sprechen. Den- noch verstehe er als Ministerpräsident, dass der Hauptgeschäftsführer dies verständli- cherweise anders sehe. Die Lage der neuen Geschäftsstelle sei jedenfalls in doppelter Hinsicht gut gewählt: Man habe die CDU hinter und die SPD neben sich. Bei einem solchen Anlass sei es sicher wich- tig, die Bedeutung eines kommunalen Spit- zenverbandes zu würdigen. Er tue dies also hiermit – jedoch kurz und knapp, wie es sich für jemanden gebühre, der selbst er- fahren habe, wie wichtig die Arbeit sei – aus seiner eigenen Tätigkeit als junger Jurist bei einem kommunalen Spitzenverband. Aus dieser Erfahrung wisse er, dass Landespoli- tik gut sei, wenn sie kommunalfreundlich sei. Welcher kommunale Spitzenverband je- (Quelle: Lothar Berns) doch der wichtigste sei, sei schwer zu ent- scheiden: Die Landräte würden gewiss auf desregierung gelungen sei, vieles für die sei – auf das Land und erwarteten von die- den Landkreistag verweisen, der anwesen- Kommunen auch im Koalitionsvertrag der sem die Lösung der Probleme. Jedoch ginge de Präsident des Städte- und Gemeinde- neuen Bundesregierung zu verankern, der es nicht nur dem Land und allen im Land bundes, Bürgermeister Roland Schäfer aus nicht umsonst in der nordrhein-westfäli- schlecht, Bundesfinanzminister Wolfgang Bergkamen, werde sicherlich auf den Städ- schen Landesvertretung in Berlin verhan- Schäuble könne angesichts einer Neuver- te- und Gemeindebund verweisen und be- delt worden sei. Er verwies hierzu auf die schuldung des Bundes in Höhe von 85 haupten, die Bürgermeister seien noch näher Veränderungen bei der Wirtschaftsförde- Milliarden Euro auch sagen, selbst dem 9
Schwerpunkt: Neue Geschäftsstelle als „Botschaft“ der Kreise / Themen Bundeshaushalt ginge es schlecht. Als Mi- „Wer bezahlt was für mich?“ verkürzen. Es würden. Der Bund habe diese Verantwor- nisterpräsident Nordrhein-Westfalens teile sei dem ganz entschiedenen Einsatz der Lan- tung ebenso akzeptiert wie die Länder. Es er die Ansicht auch mit Bundeskanzlerin Dr. desregierung zu verdanken, dass im Koali- könne nicht sein, dass angesichts der der- Angela Merkel, dass die derzeitige Wirt- tionsvertrag nunmehr die Einrichtung einer zeitigen Situation gesagt werde, meine Auf- schafts- und Finanzkrise noch nicht über- Dialogplattform zur kommunalen Finanzla- gaben kann ich nicht mehr machen. Aus fi- nanzieller Perspektive sei dies aber für jede der beteiligten Ebenen nachvollziehbar. Da- her biete die Dialogplattform eine wichtige Chance für neue Perspektiven. Er unter- strich dies unter Hinweis auf die erst am Vorabend gefundenen Strategien für die WestLB. Diese seien ein langes Stück Arbeit gewesen. Es habe deutlich unterschiedliche Positionen geben, die jedoch alle hätten nachvollzogen werden können. Es habe nie- manden gegeben, der eine offensichtlich falsche oder ‚ungehörige’ Position vertre- ten habe. Jeder habe berechtigte Anliegen gehabt. Diese seien alle beachtet worden, und die gefundene Lösung mache ihn froh: Sie bedeute eine Befreiung zu neuen Mög- lichkeiten, zu 25 Jahren ohne substantielle Gefährdung. Das Gleiche treffe auf die erst am Vortag erfolgte Erklärung von General Motors (GM) zu, die Arbeitsplätze in Bo- chum zu erhalten. All dies zeige, wenn man gemeinsam etwas mache, gehe etwas. Dies sei auch – und gerade – bei einem vielfälti- gen Staatssystem über Parteigrenzen hin- weg möglich. Eine unverzichtbare Voraus- setzung für diesen Ansatz stelle jedoch eine (Quelle: Lothar Berns) Geschäftsstelle wie die des Landkreistages wunden sei. Die Wirtschaft gehe in diesem ge auf Bundesebene beschlossen worden dar. Ein Ort wie die Geschäftsstelle sei der Jahr um etwa fünf Prozent zurück. Das sei sei. Dort sollten Bund, Länder und kommu- Ort, an dem die Vorklärungen stattfänden, ein Rückgang in einer nie gekannten Grö- nale Spitzenverbände gemeinsam nach Lö- damit Austausch möglich sei. „Diesen Ort ßenordnung seit Bestehen der Bundesre- sungen der gegenwärtigen Situation suchen. muss man haben!“. publik. Angesichts dieser Größenordnun- Entscheidend sei dabei, dass alle gemein- gen solle man mit dem Jammern aufhören, sam miteinander und nicht – wie bisher – EILDIENST LKT NRW die Debatte nicht auf eine Streiterei um zwei Beteiligte über den dritten sprechen Nr. 1/Januar 2010 00.12.01 Verfassungsrecht muss krisentauglich sein – Veranstaltung zu Finanzhilfen des Bundes für die Kommunen Von Matthias Stork, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Freiherr-vom-Stein-Institut Im Rahmen der Vortragsreihe „Kommunalverwaltung aktuell – Wissenschaft und Praxis“ veranstaltete das Freiherr-vom- Stein-Institut am 12. November 2009 im Alexander von Humboldt-Haus der Universität Münster eine Vortragsveranstaltung zum Thema „Finanzhilfen des Bundes für die Kommunen – Verfassungsgebung nach Konjunkturlage?“. Als Referenten nahmen der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Ingo Wolf, und Prof. Dr. Stefan Korioth, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Kirchenrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München, teil 1. Im Mittelpunkt der Ver- anstaltung stand die – unter dem Eindruck der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise erfolgte – erneute Änderung des erst im Rahmen der Föderalismusreform I neu eingefügten Art. 104 b GG. I m Rahmen des Konjunkturpaketes II wer- den derzeit viele Konjunkturmaßnahmen umgesetzt, die nur durch die Einführung eines neuen Art. 104 b Grundgesetz ermög- licht werden. Danach kann der Bund „in reiche zur Verfügung stellen, für die eigent- lich die Bundesländer zuständig sind, zum Beispiel für die Sanierung von Schulgebäu- 1 Vergl. die nachfolgenden Artikel ab S. 12 in die- außergewöhnlichen Notsituationen“ den den. Ist es aber überhaupt sinnvoll, wenn sem Heft. Kommunen unmittelbar Finanzhilfen für Be- Schwankungen in der Konjunkturlage und 10
Themen Reaktionen auf die Krise unmittelbaren Nie- gewährleisten sei. Die sich in einem „Anzie- ereinnahmen zu erhalten. An die Vertreter derschlag im Grundgesetz finden? Wie könnte hen der Bundeszügel“ widerspiegelnde po- von Kreisen und Gemeinden gewandt, warn- stattdessen eine nachhaltige Lösung aus- litische Interessenlage griff Prof. Janbernd te der Innenminister davor, gänzlich die Fol- sehen und wie lassen sich kurzfristige Än- Oebbecke, Geschäftsführender Direktor des gen einer größeren Eigenverantwortlich- derungen des Grundgesetzes in Zukunft Freiherr-vom-Stein-Instituts an der Univer- keit bei eigendisponierbaren Finanzquellen vermeiden? Ist eine Änderung der Finanz- sität Münster, auf. Für die notwendige aus den Augen zu verlieren. Diese bestün- verfassung oder der Aufgabenverteilung Mehrheit im Bundestag hätten auch Fach- erforderlich? Besteht eine zunehmende Ein- politiker aus anderen Ressorts von der Not- flussnahme des Bundes? Die Bedeutung und wendigkeit der Reformschritte überzeugt Reichweite des Themenkomplexes der er- werden müssen, was per se leichter falle, je neuten Verfassungsänderung bei Art. 104 b mehr Kontrolle der Bund bei der Verwen- GG offenbarte sich auch in der anschlie- dung der Gelder behalte. In die gleiche Rich- ßenden Diskussion unter der Leitung des tung argumentierte Martin Klein mit dem Hauptgeschäftsführers des Landkreistages Hinweis, dass hinter einer Verfassungsän- NRW, Dr. Martin Klein. Ausgehend von der derung auch die jeweilige politische Moti- Frage des Umgangs mit der Verfassung reich- vation beachtet werden müsse, die im Fall te die angesprochene Themenpalette vom einer großen Koalition zu anderen Ergeb- Finanzausgleich über den Wettbewerbsfö- nissen kommen könne als bei dem jetzigen deralismus bis hin zur Neuordnung der Ar- Regierungsbündnis. beitsgemeinschaften nach dem SGB II. Damit wurde die Frage aufgeworfen, wie Weitgehende Einigkeit herrschte bei Refe- die Finanzsituation von Ländern und Kom- renten und Diskussionsteilnehmern sowohl munen verbessert werden kann, ohne zu bei der Frage der Notwendigkeit von Finanz- stark von Finanzhilfen des Bundes und da- hilfen des Bundes als auch bei der Bewer- mit auch von einer politischer Einflussnah- tung der Umsetzung durch eine erneute me der Bundesebene abhängig zu sein. Änderung des Art. 104 b GG. Innenminis- Innenminister Ingo Wolf plädierte für eine ter Dr. Ingo Wolf stellte heraus, dass die im Stärkung des Wettbewerbsföderalismus. In Rahmen des Zukunftsinvestitionsgesetzes der starken Reglementierung der Finanzhil- gewährten Finanzhilfen für bestimmte In- fen manifestiere sich ein Misstrauen, so der frastrukturerneuerungen dringend benö- Innenminister, welches auf den Versuch ei- tigt worden seien und die Kommunen durch ner stetigen Nivellierung der Finanz- und die Investitionspauschale weitgehende Frei- Lebensverhältnisse in den Ländern zurück- heiten bei der Verwendung der Mittel be- zuführen sei. Ein stärkerer Wettbewerbsfö- sitzen würden. Gleichwohl, unterstrich be- deralismus und eine größere Einnahmeau- sonders Prof. Stefan Korioth, müsse die tonomie der Länder seien Ausdruck einer nachträgliche „Anpassung“ der Verfassung bislang nicht berücksichtigten Kultur des an das ZuInvG zur Legitimierung der Fi- Wettbewerbs mit Entwicklungspotenzial zu nanzhilfen mit einem Schwerpunkt in der einem verantwortungsvolleren Umgang mit Bildungsinfrastruktur als äußerst kritisch Finanzmitteln. Das Vertrauen auf Finanz- betrachtet werden. Das Dilemma zwischen hilfen, so der Innenminister weiter, bremse Prof. Dr. Janbernd Oebbecke, Geschäfts- politischen Handlungsnotwendigkeiten zur in wirtschaftlichen Notlagen die Anstren- führender Direktor des Freiherr-vom-Stein- Abmilderung der Finanzkrise und dem ge- gungen, innovativ die Entwicklung auf Lan- Instituts an der Universität Münster, be- bührenden Umgang mit der Verfassung des- oder Kommunalebene zu steuern. Mit grüßt die Gäste der Veranstaltung. hob der Innenminister, der an beiden Föde- Blick auf eine größere finanzielle Autonomie ralismusreformen mitgewirkt hat, immer wie- der Bundesländer richtete der Innenminis- den vor allem in der Verantwortungsüber- der hervor. Die folgenden Beiträge zeigten ter den Blick auch auf Finanzverteilungsmo- nahme für Fehler im Umgang mit den finan- aber, dass Alternativen für Finanzhilfen an delle im Ausland. Stefan Korioth relativierte ziellen Mitteln. Vor dem Hintergrund der Länder und Kommunen bestehen. Für Dis- aber Hoffnungen, Modelle aus Staaten wie demografischen Entwicklung dürfe zudem kussionsbedarf sorgte vor allem der im Vor- der Schweiz oder den USA auf Deutschland nicht davor zurückgeschreckt werden, Ein- trag von Prof. Stefan Korioth vorgestellte zu übertragen. Während in den genannten richtungen notfalls zu schließen und stärker Weg, Ländern einen größeren finanziellen Staaten die vertikale Aufgabenverteilung mit anderen Gemeinden zu kooperieren. Rahmen zur Abmilderung der Wirtschafts- nach Sachbereichen stattfinde, sei – so Ste- Mit der notwendigen Neuordnung der Ar- krise über die Steuerverteilung zu gewähren. fan Korioth einschränkend – in Deutsch- beitsgemeinschaften nach § 44 b SGB II bis Anhand der finanzpolitischen Stellschraube land im Wesentlichen die Staatsfunktion Ende 2010 trat anschließend ein Themen- Umsatzsteuerbeteiligung, so erläuterte der Maßstab für die vertikale Aufgabenab- bereich in den Mittelpunkt der Aufmerksam- Professor, sei die Tendenz beim Bund zu er- schichtung. Ansatzpunkt für Änderungen keit, der die bisherigen Diskussionspunkte kennen, den Ländern keine ungebundenen sei dementsprechend auch nicht die Fi- zum Umgang mit der Verfassung sowie die Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, son- nanzverfassung, sondern die Aufgabenver- zunehmende Einflussnahme des Bundes auf- dern die Verwendung des Geldes an fest- teilung mit einer stärkeren Herabzonung griff. Der Einschätzung von Martin Klein, umrissene Tatbestände zu knüpfen. Die Zur- von Gesetzgebungszuständigkeiten auf einer Kommunalisierung der Aufgabe oder verfügungstellung von Finanzmitteln über die Länder und die Kommunen. Janbernd der Einführung eines Wahlrechts der Kom- die Umsatzsteuerbeteiligung beinhalte aber Oebbecke wies zudem darauf hin, dass die munen zur Entscheidung für das Options- den Nachteil, dass im Rahmen des darauf geringe Popularität der Verkündung einer modell werde sich der Bund entgegenstel- folgenden Finanzausgleichs eine passgenaue höheren Abgabenlast das Interesse einiger len, schloss sich Stefan Korioth mit Hinweis Zuteilung wie über Art. 104 b GG nicht zu Länder begrenze, eigendisponierbare Steu- auf das hohe Finanzierungsvolumen von ca. 11
Themen als mit der Verfassung nicht vereinbar an. Neben der rechtlichen rückte aber wiede- rum auch die politische Komponente in den Fokus. Als maßgebliche Schwierigkeit bei der Umsetzung stelle sich das Bemühen um ein einheitliches Meinungsbild unter den 16 Bundesländern heraus, so der Innenminister. Mitunter sei unter dem Aspekt „finanzieller Lockmittel“ des Bundes ein Abweichen eini- ger Bundesländer nicht ausgeschlossen. Trotz einer übereinstimmend konstatierten Zunahme bundespolitischer Einflüsse er- munterte Prof. Dr. Stefan Korioth zum Ab- schluss Länder und Kommunen dazu, die ihnen zustehenden Einflussmöglichkeiten auch in ihrem Sinne zu nutzen und bei der Verteilung von Geldern gestaltend mitzu- wirken. Innenminister Dr. Ingo Wolf plä- dierte abschließend für eine Stärkung der Länderkompetenzen und eine am Subsidi- aritätsprinzip angelehnte Aufgabenvertei- lung. Dr. Martin Klein, Hauptgeschäftsführer des LKT NRW, moderiert die Diskussion. 50 Milliarden Euro an. Gleichzeitig sah Ste- tretern und auch vom Innenminister unter- EILDIENST LKT NRW fan Korioth aber die von kommunalen Ver- stützte Position für eine Kommunalisierung Nr. 1/Januar 2010 00.00.00 Vortrag von Prof. Dr. Stefan Korioth, Ludwig-Maximilians-Universität München I. Einführung Investitionen verwendet werden sollen. Vier titionen die Wirtschaftstätigkeit anregen Fünftel der öffentlichen Investitionen wer- oder sogar kräftig fördern zu müssen. Im An der Fassung des Themas fällt zweierlei den von den Ländern getätigt und von die- zweigliedrigen Bundesstaat mit dreigliedri- auf. Erstens: Ganz unbefangen wird von Fi- sen vier Fünfteln wiederum zwei Drittel von gem Verwaltungsaufbau rücken dann die nanzhilfen des Bundes an die Kommunen den Gemeinden. Investitionstätigkeit im öf- Gemeinden ganz von selbst in den Mittel- gesprochen. Gemeint sind Zahlungen des punkt der Aufmerksamkeit – mit allen Pro- Bundes auf der Grundlage des Art. 104 b blemen, die für die kommunale Ebene Grundgesetz (GG), der 2006 in der Absicht damit außerhalb des warmen finanziellen ins Grundgesetz eingefügt wurde, die seit Regens verbunden sein können. 1969 bestehende Grundlage für Investi- Noch etwas Zweites fällt an der Fassung tionshilfen in Art. 104 a Abs. 4 GG präzisie- des Themas auf. Es spricht von „Verfas- rend fortzuführen, und der bereits 2009 sungsgebung nach Konjunkturlage“. Dies wieder geändert wurde. Rechtlich ist die betrifft den Art. 104 b GG und seine Be- Redeweise von Bundeshilfen an die Kom- handlung in den beiden Stufen der Födera- munen nicht ganz korrekt. Im zweigliedri- lismusreform 2006 und 2009; die ange- gen Bundesstaat stehen sich Bund und Län- sprochene Problematik reicht jedoch weit der gegenüber, die Gemeinden gelten als darüber hinaus. In den letzten 20 Jahren Teil der Länder. Sie sind keine dritte Ebene hat die Zahl der Verfassungsänderungen in des Bundesstaates. Dies bringt die Finanz- bedenklicher Weise zugenommen. Hierbei verfassung an etwas versteckter Stelle in zeigt sich eine veränderte Rolle der Verfas- Art. 106 Abs. 9 GG zum Ausdruck. Aus die- sung. Die ursprüngliche Funktion des Grund- ser Mediatisierung der Gemeinden durch gesetzes, in seinem staatsorganisatorischen die Länder folgt: Unmittelbare Finanzbe- Teil Rahmenordnung für die Politik zu sein, ziehungen zwischen Bund und Gemeinden also unbedingt verbindliche Grenzen politi- sind ausgeschlossen. Finanzhilfen für die scher Gestaltung zu setzen, innerhalb die- Kommunen müssen vom Bund an die Län- Prof. Dr. Stefan Korioth ser Grenzen aber der Politik weitgehend der gegeben werden; diese haben dann die freie Verfügungsräume zu geben, verän- Aufgabe, die Gelder an die Gemeinden fentlichen Bereich ist also vorrangig Inves- dert sich immer mehr. Wir können feststel- weiterzuleiten. Wenn dennoch heute von tition vor Ort durch die Gemeinden. Daher len, dass neue Verfassungsnormen immer Finanzhilfen des Bundes an die Kommunen liegt es nahe, dass sich das Interesse des stärker einer bestimmten politischen Situa- die Rede ist, dann zeigt dies, worum es bei Bundes auf die Gemeinden richtet, wenn tion ihre Entstehung verdanken und be- den Finanzhilfen in der Sache geht. Es han- die Bundespolitik meint, in wirtschaftlich stimmte Kompromisse von Bund und Län- delt sich um Zahlungen des Bundes, die für schwierigen Zeiten durch öffentliche Inves- dern sowie den Parteien, die nur aus der 12
Themen Situation heraus verständlich sind, verbind- die zweite Reformstufe in einer Art und kraft eigener Entscheidung in ihren Haus- lich festschreiben. Dies führt dazu, dass die Weise geändert worden, die mit dem ur- halten bestimmten Ausgabenzwecken zu- ursprünglich sehr kurzen und knappen, mit sprünglichen Ansatz der Föderalismusre- führen können. Neben der Zuteilung von weiten Begriffen versehenen Verfassungs- form nichts mehr zu tun hat. Damit stellt steuerlichen Ertragshoheitsrechten kennt normen immer detaillierter und spezieller sich die Frage nach dem Warum und nach der Finanzausgleich aber auch zwei Um- werden. Sie sind häufig nicht mehr Leit- der Berechtigung der Änderung. Meine The- verteilungsschritte, zum einen den Länder- planke, sondern Gestaltungsobjekt der Po- se lautet: Die Änderung des Artikels 104 b finanzausgleich und zum anderen Bundes- litik. Der Vorrang der Verfassung (Art.1 Abs. GG durch die Föderalismusreform II, die im ergänzungszuweisungen, jeweils nach Art. 3, Art. 20 Abs. 3 GG) gerät ins Wanken, Folgenden der Gegenstand sein wird, ist im 107 Abs. 2 GG. Rechtstechnisch geht es hier die Funktionen von Verfassung und Gesetz Großen und Ganzen angemessen. Sie macht nicht um die Zuteilung von dinglichen Rech- vermischen sich. Schlimmer noch: Normen, allerdings deutlich, dass der Anspruch, den ten auf bestimmte Steuereinnahmen, son- die ins Gesetz gehören, aber stattdessen in kooperativen Föderalismus grundgesetz- dern um Finanzzuweisungen, also um An- weitläufige Verfassungsnormen aufgenom- licher Prägung auf ein System der Eigen- sprüche einer Gebietskörperschaft gegen men werden, lassen sich zukünftig nur er- ständigkeit und Unabhängigkeit der Ge- andere Gebietskörperschaften auf Zahlung schwert (vgl. Art. 79 Abs. 2 GG) abändern bietskörperschaften umzustellen, verfehlt bestimmter Geldmittel. Ziel dieser Umver- und verringern so den Gestaltungsbereich ist und an der politischen Wirklichkeit im teilung ist es, Disparitäten in der Finanz- der Politik1. Hinzu kommt dann noch häu- Bundesstaat scheitert und scheitern muss. kraft der Länder, die nach der Steuervertei- fig, dass Anspruch und Wirklichkeit der Ver- Wir sollten von der Vorstellung Abschied lung entstanden oder noch vorhanden sind, fassungsnovellen auseinanderfallen. Unter nehmen, dass wir auf dem Weg zu einem in bestimmtem Umfang auszugleichen. Auch diesen Gesichtspunkten sind die beiden Stu- entflochtenen Bundesstaat sind. Was sich für diese Finanzzuweisungen im Finanz- fen der Föderalismusreform mehr als kritisch abzeichnet, ist eine Entwicklung innerhalb ausgleich ist aber charakteristisch, dass sie zu sehen. Dies möchte ich nur mit wenigen des kooperativen Bundesstaates, die immer den begünstigten Gebietskörperschaften Bemerkungen skizzieren. Die Föderalismus- stärker auf eine zentrale Steuerung setzt. ungebundene Mittel verschaffen. Auch die- reform I hatte sich das Ziel gesetzt, die Un- Wir bewegen uns immer deutlicher auf ei- se Mittel können kraft freier Entscheidung abhängigkeit und Eigenständigkeit der bun- nen Bundesstaat zu, in dem sich die Anzie- durch den Haushaltsgesetzgeber bestimm- desstaatlichen Gebietskörperschaften zu hungskraft des größten Etats und die Macht ten Ausgabenzwecken zugeführt werden. stärken und zu einer Entflechtung im Bun- des Bundes gegenüber Ländern und Kom- Der Finanzausgleich insgesamt hat nach der desstaat beizutragen. Dieser explizite An- munen durchsetzen. Die nächsten Jahre ständigen Rechtsprechung des Bundesver- spruch ist allenfalls zum Teil verwirklicht werden entscheidend dafür sein, ob die Län- fassungsgerichts die zentrale Aufgabe, allen worden. Betrachtet man das Gesamtergeb- der bereit sind, diesen Weg weiter mitzuge- Gebietskörperschaften eine aufgabenan- nis der Verfassungsnovelle 2006 – von ei- hen. Ein Prüfstein hierfür wird insbesondere gemessene Finanzausstattung zu verschaf- ner echten Reform kann ohnehin nicht die die Neugestaltung des bundesstaatlichen fen3. Es geht um eine sachgerechte Auftei- Rede sein – , so zeigt sich, dass die Grund- Finanzausgleichs ab dem Jahre 2020 sein. lung der Finanzmacht – im modernen Staat, prinzipien des grundgesetzlichen Bundes- Damit genug der Vorbemerkungen. Die Fi- der praktisch immer durch den Einsatz von staates weitgehend erhalten geblieben sind, nanzhilfen des Bundes an die Kommunen Geld tätig wird, ist dies eine grundlegende aber einige von der Reformintention nicht auf der Grundlage des Art. 104 b GG will Voraussetzung effektiver Staatlichkeit vor gedeckte Akzentverschiebungen stattgefun- ich im Folgenden in drei Stufen erörtern. allem für die Länder. den haben. Im Bereich der Gesetzgebungs- Zunächst werde ich die Finanzhilfen in das Das Grundgesetz kennt aber auch Finanz- kompetenzen ist, alles in allem betrachtet, Gesamtsystem der Finanzbeziehungen von zuweisungen außerhalb des Finanzaus- eine Stärkung des Bundes festzustellen. So- Bund, Ländern und Gemeinden (II.) einord- gleichs. Die wichtigsten Fälle normieren die weit die Föderalismusreform I bereits Fi- nen. Sodann wird es um die für die gegen- Art. 91a und 91b GG im Zusammenhang nanzthemen berührte, insbesondere bei wärtige Rechtslage mehr als aufschlussrei- der Gemeinschaftsaufgaben, Art. 104 b GG den Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91 a che Historie der Finanzhilfen seit 1949 gehen mit den Finanzhilfen des Bundes und Art. und b GG und bei den Finanzhilfen des Art. (III.). Den Abschluss bilden Überlegungen 106 a GG mit den Zuweisungen des Bundes 104 b GG, lässt sich ebenfalls feststellen, zur Neugestaltung des Art. 104 b GG durch für den öffentlichen Personennahverkehr dass das Entflechtungsziel keinesfalls ver- die zweite Stufe der Föderalismusreform in in den Ländern. Rechtstechnisch ist für die wirklicht wurde. Allenfalls ansatzweise und diesem Jahr (IV). Finanzzuweisungen außerhalb des Finanz- kompromisshaft hat sich der verfassungs- ausgleichs charakteristisch, dass nur vertika- ändernde Gesetzgeber der Problematik und II. Art. 104b GG im le Zuweisungen des Bundes an die Länder seiner eigenen Zielsetzung genähert und System der Bund-Länder- möglich sind. Es gibt keine unmittelbaren auch hier im Ergebnis das Gewicht des Finanzzuweisungen des Bundes an die Bundes verstärkt2. Ähnliches gilt für die Finanzbeziehungen Kommunen, und es gibt auch keine Fi- jetzt vorliegenden Normen der Föderalis- Im Zentrum der bundesstaatlichen Finanz- nanzzuweisungen der Länder an den Bund. musreformstufe II. Ihr Kern, die neuen Ver- verfassung steht der insgesamt vierstufige Die Finanzzuweisungen außerhalb des Fi- schuldungsregeln für Bund und Länder, sind Finanzausgleich nach Art. 106 und 107 GG. nanzausgleichs sind somit in vertikaler Hin- rechtstechnisch und systematisch proble- Hier geht es zunächst um die vertikale und matisch; sie verstärken die finanzpolitische horizontale Zuteilung sämtlicher Steuerein- Stellung des Bundes und weichen der zen- nahmen auf Bund, Länder und Gemeinden tralen Problematik der staatlichen Kredit- in Art. 106 und 107 Abs. 1 GG. Rechtstech- 1 Dazu aufnahme aus, die darin besteht, ausga- nisch werden Ertragshoheitsrechte verteilt, nachdrücklich auch P. Selmer, Die Föde- benpolitische Disziplin zu üben. die so etwas wie dingliche Rechte auf be- ralismusreform II – Ein verfassungsrechtliches monstrum simile, NVwZ 2009, S. 1255 (1259 f.). Dass Anspruch und Wirklichkeit der Föde- stimmte Steuermittel darstellen. Die Zuteilung 2 Dazu S. Korioth, Neuordnung der Bund-Län- ralismusreformen I und II auseinanderge- von steuerlichen Ertragsrechten vermittelt der-Finanzbeziehungen?, ZG 2007, S. 1 ff. hen, hat man am Beispiel der Novelle 2006 den begünstigten Gebietskörperschaften 3 BVerfGE 72, 330 (388 ff.); 86, 148 (264); 108, inzwischen bemerkt. Art. 104b GG ist durch eigene und ungebundene Mittel, die sie 1 (15). 13
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