EmpaQuarterly - Heimische Werte Architektin der Energie
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
EmpaQuarterly Forschung & Innovation #63 | Januar 19 Heimische Werte Edle Metalle aus Brandschutz Architektin Elektroschrott aus Altpapier der Energie
02 03 MICHAEL HAGMANN Leiter Kommunikation Fokus Die Schweiz als Heimische Werte: Rohstoffland? Ressourcen aus der Schweiz Liebe Leserin, lieber Leser 10 Edle Metalle aus Elektronikschrott «Rohstoffarm» ist eines der weniger erfreulichen Indium, Neodym und Gold lagern mitten unter uns Attribute, die der Schweiz anhaften. Wenn wir uns mit Rohstoffgiganten wie China vergleichen, die 13 Zweites Leben für Altbauten vor klassischen Bodenschätzen nur so strotzen, Beton-Verstärkung mit Memory-Steel – ohne Hydraulikpressen dann hat das auch seine Richtigkeit. Und doch ver- bergen sich hierzulande Goldminen, die nur darauf 14 Wärme aus der Konserve warten, geschürft zu werden – etwa in unseren aus- Saisonale Energiespeicherung – das Thema der Zukunft rangierten elektronischen Gadgets und anderem Elektroschrott. 18 Ganz schön verfault Bio-Marmorierung verschönert Schweizer Buchenholz Dazu sind allerdings helle Köpfe und innovative Technologien notwendig – einer der «Rohstoffe», über die die Schweiz gottlob zu Hauf verfügt. Die 20 Das Ohr aus dem 3-D-Drucker aktuelle Ausgabe des EmpaQuaterly präsentiert Ih- Knorpel-Implantate aus bioabbaubarer Nanocellulose nen einige dieser ressourcenschonenden Ansätze sowie die findigen Forscherinnen und Forscher, die 22 Brandschutz aus Altpapier dahinterstehen. Dabei werden Sie vermutlich auf Ein erfolgreicher Dämmstoff gewinnt durch Empa-Know-how an Wert einiges Erstaunliche stossen. Etwa auf einen Dämm- stoff, der als Brandschutz dient und aus Altpapier hergestellt wird. Oder auf holzzersetzende Pilze, die herkömmliches Buchenholz – eher billig und von 04 Virtueller Lärm biederem Aussehen – in hochpreisiges «Marmor- Eine Computersimulation zeigt, was wir gegen Eisenbahnlärm tun können holz» verwandeln, wunderschön gemasert und von Möbeldesignern hochgeschätzt. 24 Architektin der Energie Kristina Orehounig leitet die Abteilung «Urban Energy Systems» Unabhängig von ihrer konkreten Anwendung ha- ben die in diesem Magazin vorgestellten Konzepte 27 Auf zum Merkur! eines gemeinsam: Sie stehen für einen verantwor- Heizelemente der Empa schützen Raumsonden der ESA tungsvolleren Umgang mit unseren endlichen na- türlichen Ressourcen. Ein Thema, dem wir indes nur gerecht werden können, wenn wir uns nicht auf 30 Drohnen, Schweiss und Wasserstoff neue Technologien allein verlassen, sondern auch Was an der Empa sonst noch geschah, Kurznachrichten unser alltägliches Verhalten anpassen. Nachdem 18 20 27 der weihnachtliche Kaufrausch vorbei ist, wäre das ein guter Vorsatz für 2019. Lassen Sie sich durch die aktuelle Ausgabe des Em- paQuaterly ein wenig zum Nachdenken anregen. Eine spannende Lektüre, und alles Gute fürs neue Titelbild Impressum Jahr! Die Altstadt von St. Gallen. Hier schlummern Ressourcen, Herausgeberin Empa, Überlandstrasse 129, PERFORM ANCE und hier werden sie verbraucht: 80 Prozent der im Winter 8600 Dübendorf, Schweiz, www.empa.ch / neutral benötigten Energie ist Wärme. Muss man sie aus fossilen Redaktion & Gestaltung Abteilung Kommunikation / Drucksache No. 01-18-258146 – www.myclimate.org Empa Social Media Brennstoffen erzeugen? In jeder grossen Stadt lagern Tau- Tel. +41 58 765 47 33 empaquarterly@empa.ch, © myclimate – The Climate Protection Partnership sende von LCD-Bildschirmen, Festplatten und Handys. Wie www.empaquarterly.ch // Erscheint viermal jährlich gewinnt man die darin enthaltenen seltenen Metalle zu- Anzeigenmarketing rainer.klose@empa.ch rück? Seite 09 – 23. Bild: © St. Gallen-Bodensee Tourismus, ISSN 2297-7406 EmpaQuarterly (deutsche Ausg.) Mattias Nutt
04 05 Virtueller Lärm Eisenbahnlärm stört. Vor allem in der Nähe von Wohngebieten sorgen Züge regelmässig für schlaflose Nächte. Umso wichtiger ist es, Züge und Schienen so zu optimieren, dass Geräusche gedämmt werden. Empa-Forschende haben eine Computersimulation entwickelt, die realitätsgetreu aufzeigt, wie Bahnlärm entsteht und welche technischen Massnahmen zielführend sind, ihn zu verhindern. Hier sehen Sie, was Sie hören werden: die Lärm- Simulation der Empa läuft auch auf Virtual-Reality- Brillen, tragbar und stereo. >>
06 07 >> TEXT: Cornelia Zogg / BILDER: Empa D er Zug rauscht heran, der Lärmpegel steigt, es dröhnt unan- ist massgeblich an der entstehenden Reibung mit den Geleisen und genehm in den Ohren, wenn die Waggons vorbeirattern. Ein somit an der Schall- respektive Lärmentwicklung beteiligt. Je weni- paar Sekunden später ist der Spuk vorbei, die Lautstärke ger Unebenheiten die Oberfläche der Räder und der Gleise aufwei- nimmt ab, und die Wagons verschwinden am Horizont. Was auf den sen, umso leiser das Fahrgeräusch. ersten Blick wirkt wie die gewöhnliche Aufnahme eines vorbeifah- renden Zuges, ist in Wirklichkeit weit mehr. Weder die Geräusche, Der Schall macht es aus die man durch Lautsprecher oder Kopfhörer hört, noch die Bilder, Ein vorbeifahrender Zug verursacht Lärm, so viel ist klar. Wie ein die man sieht, sind echt: Alles entstand im Rahmen einer Simulation Anwohner diesen Lärm allerdings wahrnimmt, hängt massgeblich am Computer. von der lokalen Umgebung und der Schallausbreitung ab. Schall erfährt bei der Ausbreitung diverse Veränderungen. Er wird durch Lärm: Ein Ensemble aus über hundert Geräuschquellen Luft absorbiert, was dazu führt, dass hohe Frequenzen stärker ge- «Lärm besteht aus verschiedenen Bestandteilen», erklärt Reto Pieren dämpft werden als tiefe. Ähnliches passiert bei einer Lärmschutz- von der Empa-Abteilung «Akustik und Lärmminderung», verant- wand: Hohe Frequenzen sind hinter der Wand tatsächlich weniger wortlich für die Programmierung der Simulation, die ein Team von laut, tiefe Töne werden jedoch über die Wand gebeugt. Diese zent- Empa-Forschern in einem Horizon2020-Projekt der EU entwickelte. ralen Faktoren können in der Simulation ebenfalls nachgestellt wer- «Die Räder, die Schienen, die Lüftung, der Motor – alles erzeugt den, ebenso wie der Standort des Zuhörers – von dem die eigentliche Geräusche und verursacht als Ganzes dann die Lärmemission des akustische Wahrnehmung des Lärms abhängt. Zuges.» In anderen Worten: Pieren hat für die über 100 Geräusch- Den künstlich erzeugten Lärm hat Pieren mit Probanden in ei- quellen eines fahrenden Zuges einzelne Algorithmen entwickelt. nem Hörexperiment überprüft. Erfreulicherweise zeigte sich, dass Das ermöglicht es, den Zug als Ganzes «hörbar» zu machen oder die Probanden die Simulationen und die künstlich generierten Ge- aber nur einzelne Komponenten. räusche als sehr plausibel einstuften. Mit der Simulation lassen sich Nebst den diversen Geräuschquellen eines fahrenden Zuges also Auswirkungen von unterschiedlichen Massnahmen «auralisie- integriert er ausserdem Umwelteinflüsse in seine Berechnungen. ren», also hörbar machen. Beispielsweise lässt Pieren die Simulation Dazu gehören Lärmschutzwände, Fahrgeschwindigkeit, Zustand der laufen, platziert im Anschluss eine Schallschutzwand und lässt er- Gleise, Aussentemperatur und sogar die Beschaffenheit des Bodens. neut einen Zug vorbeifahren. «Wenn wir sagen, eine Massnahme Was der Zuhörer als Lärm wahrnimmt, ist eine Ziel der Simulation ist es, nicht nur Optimierungspotenzial beste- reduziert den Geräuschpegel um drei Dezibel, können sich die we- K ombination zahlreicher Einzelgeräusche. hender Zugkompositionen aufzuzeigen, sondern in Zukunft auch nigsten vorstellen, was das bedeutet. Wenn ich diese drei Dezibel Voraussagen treffen zu können, wie beispielswiese neue Räder oder im direkten Vergleich aber hörbar mache, ist der Effekt sofort klar.» Bauteile den Lärm einer Bahnlinie verändern würden. Die Simulation funktioniert nicht nur im Labor oder mit einem Virtual-Reality-Set. Auch Videos auf YouTube zeigen den Vergleich Erschaffen am Computer und machen deutlich, was die Simulation leisten kann. Zukünftig Im «AuraLab» der Empa kann die Simulation in einem Die Simulation der Empa ist einzigartig, denn bisherige Programme soll sie helfen, wichtige Entscheidungen bezüglich Bau und Ausbau schalldichten Raum an Probanden getestet werden. verwenden echte Tonaufnahmen. Pieren jedoch hat die einzelnen von Bahnlinien und Zügen zu unterstützen. Davon profitieren lang- Geräusche am Computer hergestellt. Dabei wird für jede Zugkom- fristig Bahnbetreiber, Planer und vor allem die Anwohner.// ponente unter Berücksichtigung der physikalischen Parameter das entsprechende akustische Signal berechnet. Physikalische Parame- ter heisst in diesem Fall Eigenschaften wie die Oberflächenbeschaf- fenheit und das Material der Gleise und der einzelnen Räder. Diese Grundparameter stammen dabei aus eigenen Messungen, Messun- gen von Fahrzeugherstellern und Simulationsrechnungen und wer- den in die Simulation eingespeist. Aus diesen Daten berechnet der Algorithmus den abgestrahlten Schalldruck, aus dem wiederum das Geräusch bei einem bestimmten Zuhörerpunkt simuliert wird. Doch es geht noch komplexer: Beim Rollgeräusch beispielswei- se wird das Bremssystem der Wagen mit einberechnet. «Dahinter verbergen sich Datensätze, die die Oberflächenmikrostruktur der Räder beschreiben. So wird für jedes Rad eine individuelle Oberflä- chenstruktur berechnet», erklärt Pieren. Diese Oberflächenstruktur Empa Rail-Noise-Experience Stört es? Auf YouTube können Sie Empa-Lärmsimulationen unterschiedlicher Züge und Lärmschutzmassnahmen vergleichen. https://youtu.be/rtEB_qsaiWw
08 // FOKUS Ressourcen aus der Schweiz FOKUS Ressourcen aus der Schweiz // 09 Ressourcen aus der Schweiz Längst schlummern die wertvollsten Rohstoffe nicht mehr unter der Erde, sondern in unseren Städten. Wie können wir sie erfolgreich nutzen? Wir könnten Indium, Neodym und Gold aus Elektronikschrott gewinnen, wir könnten Altbauten mit Memory-Steel zu neuen Nutzungen ertüchtigen. Wir könnten Dämmstoffe für Holzhäuser aus Altpapier und Knorpel-Implantate aus Zellulose herstellen. Wir könnten Sommerwärme einlagern und an kalten Wintertagen nutzen. In dieser Ausgabe von EmpaQuarterly erfahren Sie, wie.
10 // FOKUS Ressourcen aus der Schweiz FOKUS Ressourcen aus der Schweiz // 11 Edle Metalle TEXT: Karin Weinmann / BILDER: Empa, iStockphoto D ie drei Rohstoffe Gold, Neodym und Recycling wäre ökologisch sinnvoll aus Elektronikschrott Indium gehören zu den rarsten Ele- Bereits 2015 untersuchte das Empa-Team menten auf der Erde: Jedes der drei unter der Leitung von Heinz Böni im Auftrag Metalle macht weniger als 0,0000 1% der des Bundesamts für Umwelt (BAFU) und Erdkruste aus. Sie finden sich in einer Viel- dem schweizerischen Verband der Anbieter zahl von elektronischen Geräten – zwar in von Informations- und Kommunikations- geringen Mengen, dafür aber in Schlüssel- technologien (Swico), ob die Rückgewin- Indium, Neodym und Gold inden sich in vielen elektronischen Geräten. Was funktionen: Indium ist als Indiumzinnoxid nung von Indium und Neodym ökologisch geschieht mit den wertvollen Stoffen, wenn die Geräte nicht mehr gebraucht elektrisch leitend und gleichzeitig durch- sinnvoll und wirtschaftlich tragbar ist. sichtig. Wegen diesen Eigenschaften wird Technisch lässt sich Indium bereits heu- werden? Und wie viel edles Metall steckt in Mobiltelefonen, Computern und das Material etwa in LCD-Bildschirmen ein- te zurückgewinnen, wenn auch mit relativ Bildschirmen, die derzeit noch in Gebrauch sind? Diesen Fragen sind Empa- gesetzt. Neodym wird in Verbindung mit grossem Aufwand. Und wirtschaftlich gese- Forscher nachgegangen. Eisen und Bor verwendet, um starke Magne- hen fallen für die Rückgewinnung von Indi- ten herzustellen. Sie finden sich etwa in um aus Bildschirmen nur moderate Zusatz- Festplatten, Lautsprechern, Kopfhörern kosten an. Sie liessen sich durch eine Erhö- und Mobiltelefonen. Gold ist ein sehr guter hung des vorgezogenen Recyclingbeitrags Leiter, der nicht korrodieren kann. Das von 50 Rappen pro Bildschirm decken. Öko- Metall wird deshalb in Elektronikbauteilen logisch jedoch ist die Sache klar: Einen Berg wie Schaltkontakten oder Leiterplatten ver- ausgedienter Bildschirme hat einen höheren wendet. Indiumanteil als eine Mine mit dem gleichen Das Problem: Insbesondere Neodym Volumen, aus der das Indium als Primärroh- und Indium gelten als kritische Metalle. Das stoff gewonnen wird. Auch sind die Umwelt- heisst, es besteht zum einen ein Risiko des wirkungen beim Recycling laut Studie gleich Versorgungsunterbruchs, da die beiden hoch, wenn nicht sogar besser als bei der seltenen Elemente fast ausschliesslich in Primärproduktion aus Mineralien. Dies gilt China abgebaut werden. Zum anderen wird aber nur, wenn die ausgedienten Geräte im ihre Bedeutung für Schlüsseltechnologien ersten Verarbeitungsschritt manuell zerlegt als hoch und die Auswirkungen möglicher und nicht mechanisch zerkleinert werden. Unterbrüche als besonders gravierend ein Bei Neodym ist die Bilanz aus ökologi- gestuft. scher Sicht sogar noch eindeutiger: Stammt Doch genau genommen besitzt auch die das Material aus dem Recyclingprozess, Schweiz Minen für diese drei Rohstoffe. Und dann belastet dies die Umwelt um einen zwar unter anderem in elektronischen Ge Drittel weniger, als wenn es aus einer Mine räten, die in Gebrauch stehen oder schon gewonnen wird. ausgedient haben. Die Empa-Doktorandin Esther Thiébaud von der Abteilung «Techno- Die Menge machts logie und Gesellschaft» hat nun erstmals Ähnlich wie Gold befinden sich auch Indium untersucht, wo sich die drei seltenen Metal- und Neodym klar lokalisiert in separierba- le in der Schweiz finden lassen – und wie ren Komponenten eines elektronischen Ge- viel davon für einen weiteren Gebrauch be- räts. Auch wäre die Wiedergewinnung der reits verloren ist. Rohstoffe machbar, wenn auch mit einigem Thiébauds Analyse zeigte, dass sich bei Aufwand. Warum also werden diese Metalle allen drei Stoffen der grösste Anteil in Gerä- bisher nicht zurückgewonnen? ten befindet, die zurzeit im Gebrauch sind. Dazu lohnt es sich, die Mengen zu be- Dann trennen sich die Wege der Elemente: trachten. Indium wird erst seit der Jahrtau- Der zweitgrösste Anteil an Indium befindet sendwende in nennenswerten Mengen ge- sich in der Schlacke aus Müllverbrennungs- nutzt. Im Jahr 2014, für das die aktuellsten anlagen – und ist damit für eine Rückgewin- Zahlen vorliegen, waren in der Schweiz 1,7 nung verloren. Dasselbe gilt für den zweit- Tonnen des Metalls in Geräten vorhanden, grössten Anteil an Neodym; er findet sich in die noch in Gebrauch waren. Die Geräte, die Schlacke aus Metallhütten, die für den Bau- im gleichen Jahr entsorgt wurden, enthiel- bereich verwendet wird. Gold hingegen wird ten insgesamt aber nur 135 kg Indium. Rund bereits heute aus ökonomischen Gründen zu ein Drittel davon erreichten den Recycling- 70% wiedergewonnen, wenn Geräte ihren prozess gar nicht – etwa, weil die Geräte in Gold aus elektronischen Kontakten wird heute grössten- Lebenszyklus beendet haben. Während also den normalen Kehricht geworfen oder ins teils wiedergewonnen –Indium und Neodym hingegen bei Gold die Recyclingquote schon sehr gut Ausland ausgeführt wurden. Von den 90 kg gehen verloren. ist, wird Neodym und Indium in der Schweiz Indium, die den Recyclingprozess durchlie- noch überhaupt nicht zurückgewonnen. fen, endeten laut Studie 90% in Kehrichtver- >>
12 // FOKUS Ressourcen aus der Schweiz FOKUS Ressourcen aus der Schweiz // 13 >> brennungsanlagen, 5% gehen im Schmelz- Zweites Leben für Altbauten prozess verloren – und nur 5% wurden für eine allfällige zukünftige Wiederaufberei- tung aufbewahrt. Neodym ist schon seit Anfang der 80er- Ein neues, an der Empa entwickeltes Baumaterial kommt auf den Jahre in grösseren Mengen in verkauften Markt: Mit Memory-Steel lassen sich nicht nur neue, sondern auch Elektronikgeräten vorhanden. 2014 befan- bestehende Betonstrukturen verstärken – ein probates Mittel, um den sich 39 Tonnen Neodym in noch genutz- ten Geräten, die im gleichen Jahr entsorgten Altbauten für neue Nutzungen vorzubereiten. Geräte enthielten 3,9 Tonnen. Davon er- reichten immerhin 2,8 Tonnen den Recyc- lingprozess, wo das Element indes in der Schlacke des Schmelzprozesses endete. Beim Gold liegen die Zahlen dazwischen: 4,8 Tonnen waren in Geräten, 440 Kilo wur- den in goldhaltigen Komponenten separiert, und 330 Kilo davon erreichten den Recyc- lingprozess. Ab da sind die Verluste gering: Das Gold, welches die Phase der manuellen Zerlegung erreicht, kann zu 95% wiederge- wonnen werden. An den Mengen allein kann es also nicht liegen, dass nur beim Gold der zusätzliche Aufwand für die Rückgewinnung betrieben wird. Interessant wird es, wenn man den Wert der Metalle betrachtet: Die 90 kg Indi- um, die im Entsorgungsprozess landen, sind zurzeit 36 000 US-$ wert; 2800 Kilo Neodym TEXT: Rainer Klose / BILDER: Empa 200 000 US-$ und 330 Kilo Gold 13 600 000 B US-$. Bei Gold lohnt sich also der Aufwand links islang wurden die Stahl-Armierungen in Betonbauwerken meist hydraulisch vorge- wirtschaftlich betrachtet trotz der geringen Armierungsstäbe spannt. Dazu sind Hüllrohre für die Führung der Spannkabel, Anker zur Kraftüber- Mengen – bei Neodym und Indium ist die aus Memory-Steel tragung und ölgefüllte Hydraulikpressen notwendig. Der Raumbedarf all dieser Ap- sind seit Ende 2018 finanzielle Motivation für die Recyc ling auf dem Markt. paraturen schuf die geometrischen Rahmenbedingungen für jedes Bauwerk aus Spannbeton; unternehmen hingegen (noch) gering. die nachträgliche Versteifung älterer Bauten scheitert daher bisweilen am hohen Platzbedarf «Der weitaus grösste Anteil an Neodym rechts dieser bewährten Methode. und Indium ist immer noch in den aktuell Verstärkung einer In rund 15 Jahren Forschungsarbeit haben Experten der Empa und des Spin-offs genutzten Geräten», erklärt Esther Thiébaud. Altbau-Zwischendecke Refer AG nun eine alternative Methode zur Serienreife gebracht: Formgedächtnislegierungen mit Hilfe von Streifen «Eine geringfügige Erhöhung des vorgezoge- aus Memory-Steel. auf Eisenbasis, die sich beim Erhitzen zusammenziehen und die Betonstruktur so dauerhaft nen Recyclingbeitrags würde bereits genü- vorspannen. Auf hydraulische Vorspannung kann dadurch verzichtet werden – es genügt, gen, um das Recycling wirtschaftlich attrak- den Stahl kurz zu erhitzen, etwa durch elektrischen Strom oder mittels Infrarotstrahler. tiv zu machen.» Bis dahin wäre es zumin- Unter dem Namen Memory-Steel wird der neue Baustoff ab sofort vertrieben. Mehrere Pilot dest sinnvoll, Bauteile mit einem relativ projekte, etwa die Verstärkung von Stahlbetondecken, verliefen bereits erfolgreich. hohen Anteil an Indium und Neodym zwi- schenzulagern – damit die Rohstoffe nicht Neue Möglichkeiten für alte Gebäude für immer verloren sind. // Memory-Steel eignet sich ganz besonders dafür, bestehende Gebäude nachträglich zu ver- stärken. Sobald zum Beispiel in die Betonstruktur eines Altbaus neue Fenster, Türen oder Aufzugsschächte eingebaut werden, ist eine Verstärkung der Tragstruktur oft unumgänglich. Oben Bei Industriegebäuden muss bisweilen die Traglast einer alten Zwischendecke erhöht wer- LCD-Bildschirme enthalten kleine Mengen an Indium. Ökologisch gesehen lohnt den. Dank Memory-Steel sind solche Aufgaben nun auch in engen Räumen gut lösbar: es sich, das Material zu extrahieren – doch nur dann, wenn die Geräte manuell Entweder wird ein Streifen des Spezialstahls mittels Dübeln unter der Decke befestigt und auseinandergenommen werden. dann mit Strom oder per Infrarotstrahler erhitzt. Alternativ dazu kann die Verstärkung auch Unten einbetoniert werden. Indium und Neodym gelten als kritische Metalle: Es besteht ein Risiko von Versor- gungsunterbrüchen, da die beiden seltenen Elemente fast ausschliesslich in China Markteinführung von Memory-Steel in riesigen Minen abgebaut werden. Das Risiko ist enorm: Schlüsselindustrien können ohne diese Materialien nicht arbeiten. Ein Versorgungsengpass würde Die einbaufertigen Profile aus Memory-Steel werden von der Voestalpine Böhler Edelstahl gewaltige Schäden verursachen. GmbH & Co KG in Österreich hergestellt. Ausserdem entwickelt die Firma gemeinsam mit Refer und der Empa die Zusammensetzung der Legierung weiter. //
14 FOKUS Ressourcen aus der Schweiz // 15 Wärme aus der Konserve können wir mit Hilfe gespeicherter Wärme CO2-Emissionen einsparen und die wach- sende Spitzenlast auf den elektrischen Net- steht. Phasenwechselspeicher können aber auch mit Paraffin oder mit speziellen Salzen anstatt mit reinem Wasser betrieben zen verringern.» Aber wie lassen sich grosse werden. Wärmemengen vom Sommer in den Winter überführen? Man kann die Technologien in Sorptionsspeicher Der Ausbau von Solarenergie und das Abschalten von Atom- vier Kategorien einteilen (siehe Grafik auf Im Sorptionsspeicher wird eine «trockene» kraftwerken wird unsere Energieversorgung drastisch verändern: der folgenden Doppelseite). Die Empa ist auf Substanz beispielsweise mit Wasser ange- Überschüsse an Strom und Wärme entstehen im Sommer, im allen Gebieten mit Forschungsprojekten feuchtet. Die Wasseraufnahme erzeugt Wär- aktiv. me. Ist die Substanz vollständig durchfeuch- Winter mangelt es an beidem. Abhilfe könnten Wärmespeicher- tet, hat der Speicher seine gesamte Wärme- technologien bringen, die Sommerwärme bis in den Winter Erdbecken- und Erdsondenspeicher energie abgegeben. Zum Aufladen benötigt konservieren können. Die Empa forscht daran. Erdbeckenspeicher sind besonders grosse, er wieder Wärme, die das Wasser verdampft abgedeckte Speicherbecken, die wie er- beziehungsweise die Substanz wieder Luca Baldini leitet die Forschungsgruppe BEST – «Building wähnt mit Wasser oder einer Wasser-Kies- «trocknet». Manche dieser Speicher arbeiten Energy Systems and Technologies» an der Empa. Mischung gefüllt sind. Das Wasser in so ge- mit Zeolith, einem porösen, künstlich herge- nannten Nutzwärmespeichern wird, zum stellten Silikatmineral. Auch mikroporöse, Beispiel mit Abwärme aus der Industrie, auf metallorganische Materialien, so genannte bis zu 90 Grad Celsius aufgeheizt, die Wär- MOFs, werden untersucht. me kann direkt verbraucht werden. Die Empa forscht in verschiedenen Pro- unser künftiges Energiesystem eine ent- Niedertemperaturspeicher werden dagegen jekten auf dem Gebiet. Matthias Koebel un- scheidende Frage. bei 5 bis 25 Grad betrieben. Daraus wird die tersuchte im NFP70-Projekt «THRIVE» ge- Wärme mit Hilfe von Wärmepumpen ent- meinsam mit IBM Research in Rüschlikon Wärme speichern, Geld verdienen nommen. Auch Erdsonden zählen zu dieser Adsorptionswärmespeicher, die Bestandteile Während bei der ersten Generation von Wär- Art Speicher. künftiger Klimaanlagen werden könnten. mespeichern Solarwärme aus Sonnenkollek- Baldinis Arbeitsgruppe ermittelt via Luca Baldini forscht mit seiner Gruppe BEST toren direkt genutzt wurde, scheint es heute Computersimulation, wie viel Wärme ein an flüssigen Speichersystemen aus konzent- sinnvoller, Wärmespeicher mittels Solar- Erdsondenfeld maximal speichern kann und rierter Natronlauge. Die Lauge setzt beim strom und elektrischen Wärmepumpen auf- wie sich dessen Betrieb optimieren lässt, um Verdünnen mit Wasser Wärme frei; zum zuladen. Dadurch erreicht man eine Kopp- insgesamt möglichst wenig CO2 auszustos- Wiederaufladen des Speichers muss die Lau- lung zum Stromnetz, und es wird möglich, sen. In einem solchen Feld heizt sich der ge erhitzt und dadurch entwässert werden. das Netz zu stabilisieren: Wenn im Sommer Boden am Rand des Feldes weniger stark, in Thermochemische Speicher sind leis- Solar- und Windkraftwerke zu viel Strom der Mitte des Feldes aber stärker auf. Ein tungsfähiger als Erdbecken- und Phasen- liefern und eine Netzüberlastung droht, solches Erdsondenfeld würde geringere wechselspeicher. Sie eignen sich daher für könnten die Speicher-Wärmepumpen den Wärmeverluste erleiden als einzelne Erdson- kompakte saisonale Wärmespeicher in ein- überschüssigen Strom abnehmen und die den und könnte im Winter den CO2-Ausstoss zelnen Gebäuden. Wärmespeicher aufladen. Schon heute wird und die Spitzenlast auf den elektrischen Net- der Verbrauch von Überschussstrom als zen deutlich verringern. Power-to-Gas-Anlagen Dienstleistung bezahlt. Der Bedarf nach die- Bei der Power-to-Gas-Technologie wird zum ser «Regelleistung» wird in Zukunft stark Phasenwechselspeicher Aufladen des Energiepeichers nicht Wärme, wachsen. Man kann also mit dem Einlagern TEXT: Rainer Klose / BILDER: QC-Expert AG, Empa Hier kühlt sich das Speichermedium bei der sondern Elektrizität verwendet: Überschüs- von Wärme sogar Geld verdienen. Wärmeentnahme ab, bis sich dessen Aggre- siger Strom aus Solar- oder Windenergie, der Eine weitere Chance bietet sich darin, gatzustand ändert, etwa von flüssig zu fest. im Sommer nicht sofort genutzt werden die (Ab-)Wärme aus der sommerlichen Kli- U nser Forschungsgebiet ist nicht ganz das bereits seit Mitte der 1980er-Jahre er- Zusätzlich zur Wärme aus der Flüssigkeit kann, wird mittels Elektrolyse von Wasser in matisierung von Gebäuden abzuleiten und neu, aber wir erleben gerade eine forscht. Es gab Pionieranlagen zur Wärme- gewinnt man dadurch die Kristallisations- Wasserstoff umgewandelt und kann dann in für den Winter zu speichern. Bis jetzt geben Renaissance», sagt Luca Baldini. Er speicherung etwa an der Universität Stutt- energie, die beim Festwerden freigesetzt Gasflaschen gespeichert werden. In einem die meisten Klimaanlagen ihre Hitze an die ist Mitarbeiter der Empa-Abteilung «Urban gart. Diese einfachen Wärmespeicherbecken, wird. Ein Eisspeicher etwa gibt gerade ein- weiteren Schritt ist es möglich, aus Wasser- Umgebung ab, was städtische Gebiete – die Energy Systems» und leitet dort die For- gefüllt mit Wasser oder einem Wasser-Kies- mal ein Drittel seiner gespeicherten Energie stoff und CO2 Methan (CH4) zu erzeugen – im Sommer ohnehin Hitzeinseln im Ver- schungsgruppe «BEST – Building Energy Gemisch wurden über die Jahre weiterent- durch das Abkühlen des Wassers von 30 auf das ist künstlich hergestelltes Erdgas. Dieses gleich zu ihrer Umgebung sind – noch zu- Systems and Technologies». Baldini und sei- wickelt, vor allem in Deutschland und in 0 °C ab; zwei Drittel der Energie werden frei, Gas kann im bereits bestehenden Erdgasnetz sätzlich aufheizt. ne Kollegen sind Spezialisten, wenn es dar- Skandinavien. wenn das Wasser dann gefriert. Ein weiterer eingelagert und verteilt werden. um geht, im Sommer gewonnene Energie bis Vorteil: Die Wärmeverluste an die Umge- Der Vorteil dieser Technologie: Aus der Mitarbeit in politischen Gremien in die Wintermonate zu speichern. Vernetzung statt Autarkie bung sind je nach Schmelztemperatur ge- gespeicherten Energie lässt sich nicht nur Um die Energiewende zu verwirklichen, darf «Wenn man über Speichertechnik Nun steht ein Paradigmenwechsel an, den ring – bisweilen wird sogar Umgebungswär- Wärme, sondern auch Elektrizität gewinnen. die Forschung an Wärmespeichern nicht im spricht, denken die meisten sofort an Elekt- Baldini so beschreibt: «Früher waren saiso- me gewonnen, wenn der Speicher im Boden Die Empa untersucht die Power-to-Gas- Verborgenen stattfinden. Luca Baldini ist da- rizität und an Batterien», sagt der Forscher. nale Wärmespeicher etwas für Öko-Freaks, eingegraben ist. Technologie in ihrem Mobilitätsdemonstra- her etwa im «Forum Energiespeicher» der «Doch im Sektor Privathaushalte ist im Win- die ihr Häuschen ganz allein autark durch Die Empa betreibt einen knapp 70 Ku- tor Move in Dübendorf. AEE Suisse aktiv, der Dachorganisation der ter mehr als 90 Prozent des Energiever- den Winter bringen wollten. Heute gilt es, bikmeter grossen Eisspeicher, der zur kom- Wie viel der elektrischen Überschuss- Wirtschaft für erneuerbare Energien und brauchs Wärme. Wir müssen also auch dar- Wärmespeicher landesweit einzusetzen binierte Wärme- und Kälteversorgung des energie in Wärmespeicher oder aber in che- Energieeffizienz. Die AEE Suisse nimmt an über nachdenken, wie wir Wärme speichern und mit anderen Energieflüssen, etwa der Forschungsgebäudes NEST dient und gleich- mische Energieträger wie Wasserstoff oder Vernehmlassungen teil und organisiert par- können – nicht nur Strom.» Tatsächlich wird Elektrizitätsversorgung, zu vernetzen. So zeitig für Forschungszwecke zur Verfügung Methan umgewandelt werden soll, ist für lamentarische Anlässe. //
16 // FOKUS Ressourcen aus der Schweiz FOKUS Ressourcen aus der Schweiz // 17 Saisonale Energiespeicher. Welche Technik wofür? Erdbecken-/Erdsondenspeicher entladen Phasenwechselspeicher entladen = Speicher für sensible Wärme = Speicher für latente Wärme Material Wasser oder Wasser-Kies-Gemisch, Erdreich Material Wasser, Salzösung oder Paraffin (flüssig/fest). Vorteil einfache, robuste Technik 25–90 °C 3–20 °C flüssig fest Vorteil mehr Speicherkapazität pro Volumen als bei Nachteil lohnt nur für Grossspeicher ab ca. 100 Kubik- Erdbecken-Erdsonden-Speichern. meter, Wärmeverlust an Umgebung Nachteil teureres Speichermedium (Salz, Paraffin). Funktion Speicher wird mit Überschusswärme aufge- 20 m aufladen 20 m aufladen Bei Eisspeichern Wärmepumpe notwendig. heizt, Wärme wird direkt oder über eine Funktion Speicherung in Form von Kristallisationsenergie: Wärmepumpe genutzt. Wasser wird zu Eis, Paraffin wird fest. Beim Verfestigen wird Wärme frei. Beim Verflüssigen wird Energie gespeichert. Sorptionsspeicher entladen entladen Power-to-Gas-Anlagen = thermochemische Speicher Erdgas = Elektrolyse mit Überschussstrom + trocken feucht Biogas entladen Material Natronlauge, Zeolith oder MOF («metal-organic Material Wasserstoff, Erdgas frameworks») Vorteil speichert Elektrizität, erzeugt Wärme und Vorteil höhere Energiedichte, verlustfreie Lagerung, Elektrizität zugleich. Verlustfreie Lagerung. auch Kleinspeicher sind möglich H2 + Nachteil hohe Verluste beim Umwandeln von Elektrizität Nachteil teures Speichermedium, komplexere Technik CH4 in Wasserstoff oder Erdgas. Funktion Wärme ist im entwässerten Medium gespeichert. aufladen Funktion überschüssiger Solar- und Windstrom wird Beim Anfeuchten wird Wärme frei. + CO2 +H2O per Elektrolyse in Wasserstoff verwandelt. Beim Austrocknen wird Energie gespeichert. Aus Wasserstoff kann Erdgas erzeugt werden. Nutzung der gespeicherten Energie mit aufladen aufladen Brennstoffzellen, Gasturbinen oder Motoren.
18 // FOKUS Ressourcen aus der Schweiz FOKUS Ressourcen aus der Schweiz // 19 Ganz schön verfault Pilze, die normalerweise Baumstämme zersetzen, können auch deutlich voneinander abgegrenzt. Die feinen präzis. Morris ist sich sicher, dass den Pilzen Produkte aus Schweizer Buche Fäden der Pilzgemeinschaft schützen mit beizeiten sogar das Schreiben von Worten Gemeinsam mit dem Industriepartner Koster Kunstwerke ins Holz zaubern. In der Natur verzieren die Fäulnis diesen Demarkationslinien ihre Kolonie aber im Holz abgerungen werden kann. Holzwelten AG in Arnegg (SG) sind die For- erreger den Baum jedoch nicht nur, sie zerstören ihn auch. Empa- nicht nur vor anderen Pilzen – die Pigment- scher daran, einen effizienten und ökolo- Forscher bringen den Pilzen im Labor nun das Zeichnen bei. Dabei grenze sorgt zudem dafür, dass Bakterien Holzstruktur bleibt stabil gisch nachhaltigen Produktionsweg zu im- und Insekten fernbleiben und dem Lebens- Besonders vorteilhaft an den im Empa-Labor plementieren. Hierzu gehört die Nutzung entstehen marmorierte Hölzer, die zu wunderschönen Möbeln und raum ein ideales Mass an Feuchtigkeit erhal- verwendeten Pilzen ist deren sanfter Biss: regionalen Holzes. «Buchenholz ist ein in Musikinstrumenten verarbeitet werden können. ten bleibt. Denn trotz des ausgeprägten Zeichentalents der Schweiz häufiges, aber für Möbeldesig- zernagen die ausgewählten Kandidaten ih- ner uninteressantes Hartholz», erklärt Fir- Schwarze Linien aus Melanin ren Untergrund kaum. «Das Holz wird zwar meninhaber Tobias Koster. Mit Marmorholz «Wir konnten in der Natur wachsende Pilz- von den Pilzen grosszügig mit Pigmenten aus einheimischer Buche könne man jedoch arten identifizieren und analysieren, um versorgt, behält aber seine Stabilität und am Schweizer Holzmarkt, dessen jährlicher jene mit den günstigsten Eigenschaften als Form bei», so der Biologe. Umsatz rund drei Milliarden Franken betra- TEXT: Andrea Six / BILDER: Jan Thornhill, Empa Holzveredler auszuwählen», sagt Empa-For- Dass der Prozess je nach gewünschtem ge, gesuchte Produkte anbieten. scher Hugh Morris von der Abteilung «Ap- Ergebnis gesteuert werden kann, liegt je- Zusätzlich zu Möbeln, Parkettböden plied Wood Materials» in St. Gallen. Der doch nicht nur an der Art der verwendeten und Küchenfronten kann Marmorholz auch M itunter entdeckt man Schönheit an lässt, muss Jahre warten, bis er hoffen kann, Kampfes. Mal schlängeln sie sich unruhig Brandkrustenpilz etwa oder die Schmetter- Fäulniserreger. Die Forscher entwickelten für dekorative Objekte und Musikinstrumen- ganz ungewöhnlichen Orten. Wie ein von Pilzen verziertes und dennoch nutz- aufeinander zu und trennen kleine Parzellen lingstramete hinterlassen mit dem Farbstoff zudem ein Verfahren, bei dem das Holz be- te verwendet werden. Bereits in der Antike Phoenix aus der Asche entsteht bares Holz zu erhalten. Forscher der Empa auf ihrem hellen Untergrund ab. An anderen Melanin pigmentierte schwarze Linien und reits innert Wochen zur Verarbeitung bereit- wurden aus dem gemusterten Holz Unikate beispielsweise aus faulendem Holz am haben nun eine Technologie entwickelt, mit Stellen fliessen die dunklen Zeichnungen bleichen gleichzeitig das umliegende Holz steht. Grund ist unter anderem, dass die geschaffen. Mit der neuen Technologie las- Waldboden die begehrte Trüffelbuche. Ein- der Harthölzer wie Buche, Esche und Ahorn ruhig und gelassen als Mahnmal einer Gren- dank ihres Enzyms Laccase aus. «So entsteht gewählten Pilzarten bei deutlich geringerer sen sich diese Einzelstücke nun schneller, zigartig gemustert, ist sie seit der Antike ein mit Pilzkulturen behandelt werden können, ze, die keiner der Beteiligten überschreiten ein Muster mit besonders starkem Kontrast Feuchtigkeit im Holz zur Tat schreiten. Da- nachhaltiger und erst noch mit der ge- gesuchter Rohstoff für die Möbelherstellung. so dass sich die Musterung im Holz kontrol- mag im Holz», erklärt Morris. her muss der Rohstoff nach seiner Veredlung wünschten Marmorierung herstellen. // Nur ist die Suche nach natürlich entstande- lieren, steuern lässt. Pilze haben hier im Holz ein Gefecht um Je nach Kombination der eingesetzten und vor der Verarbeitung zum Möbel nicht nen Trüffelbuchen aufwändig. Selbst wer Die feinen schwarzen Linien ziehen Territorium und Ressourcen ausgetragen Pilzspezies, gestalten sich die Linien wild erst langwierig, kosten- und energieintensiv Baumstämme absichtlich im Wald verrotten sich hierbei durch das Holz als Spuren eines und sich mit dunkel pigmentierten Linien und ungestüm oder nahezu geometrisch getrocknet werden. Magie der Natur: Pilze, die totes Holz besiedeln, erzeugen mit ihren Marmorholz aus dem Labor: Je nach verwendeter Pilzart Pigmenten ein bezauberndes Muster aus Farben und Linien. lässt sich der Verlauf der Muster im Holz steuern.
20 // FOKUS Ressourcen aus der Schweiz FOKUS Ressourcen aus der Schweiz // 21 Das Ohr aus dem 3-D-Drucker Aus Holz gewonnene Nanocellulose verfügt über erstaunliche Materialeigenschaften. Empa-Forscher bestücken den biologisch abbaubaren Rohstoff nun mit zusätzlichen Fähigkeiten, um Implantate für Knorpelerkrankungen mittels 3-D-Druck fertigen zu können. TEXT: Andrea Six / BILDER: Empa A lles beginnt mit einem Ohr. Empa-Forscher Michael Hausmann entfernt das Objekt in Form eines menschlichen Ohrs aus dem 3-D-Drucker und erklärt: «Nanocellulose lässt sich in zähflüssiger Form hervorragend mit dem Bioplotter zu komplexen räum- lichen Formen gestalten.» Einmal ausgehärtet, bleibt die produzierte Struktur trotz ihrer Zartheit stabil. Hausmann untersucht derzeit die Charakteristika des Nanocellulose-Hydro- Mit dem Bioplotter lässt sich das zähflüssige Nanocellulose- gels, um die Stabilität und den Druckprozess weiter zu optimieren. Wie die Zellulose in dem Hydrogel zu komplexen Formen ausdrucken. Biopolymerkomposit verteilt und organisiert ist, ermittelte der Forscher bereits durch rönt- genanalytische Untersuchungen. Momentan besteht das ausgedruckte Ohr zwar lediglich aus Nanocellulose und einer zu- sätzlichen Biopolymerkomponente. Ziel ist es jedoch, das Grundgerüst mit körpereigenen Ohr aus dem 3-D-Drucker: Empa-Forscher Michael Zellen und Wirkstoffen zu bestücken, um biomedizinische Implantate zu erzeugen. Wie Hausmann nutzt Nanocellulose sich beispielsweise Knorpelzellen in das Gerüst integrieren lassen, wird derzeit in einem als Basis für neuartige neuen Projekt erforscht. Implantate. Sobald die Besiedlung des Hydrogels mit Zellen etabliert ist, könnten die Nanocellulose- basierten Komposite in Ohrform Kindern mit einer angeborenen Ohrmuschelfehlbildung als Implantat dienen. Bei der so genannten Mikrotie etwa sind die äusseren Ohren nur unvoll- ständig ausgebildet. Mit einer Rekonstruktion der Ohrmuschel wird die Fehlbildung kosme- tisch, aber auch medizinisch behoben, da die Hörfähigkeit ansonsten stark eingeschränkt sein kann. Im weiteren Verlauf des Projekts sollen die Nanocellulose enthaltenden Hydro- gele auch für Kniegelenksimplantate bei Gelenkverschleiss etwa durch chronische Arthritis eingesetzt werden. Das Implantat löst sich im Körper auf Ist das Implantat einmal im Körper eingepflanzt, kann sich ein Teil des Materials biologisch abbauen und mit der Zeit im Körper auflösen. Nanocellulose selbst wird zwar nicht abge- baut, eignet sich aber als biokompatibles Material dennoch gut als Implantat-Gerüst. «Zu- sätzlich machen die mechanischen Eigenschaften die Nanocellulose zu einem eleganten Kandidaten, da die winzigen, aber stabilen Fasern beispielsweise Zugkräfte sehr gut aufneh- men», so Hausmann. Zudem erlaubt die Nanocellulose, Funktionen über ganz unterschiedliche chemische Modifizierungen in das zähflüssige Hydrogel einzubinden. So lassen sich Struktur, mecha- nische Kapazität und die Interaktion der Nanocellulose mit ihrer Umgebung je nach ge- wünschtem Endprodukt variieren. «Auch Wirkstoffe, die das Wachstum der Knorpelzellen begünstigen oder Gelenkentzündungen lindern, lassen sich in das Hydrogel einbauen», sagt der Empa-Forscher. Nicht zuletzt ist der Rohstoff Cellulose das am häufigsten vorkommen- de natürliche Polymer auf der Erde. Die Nutzung der kristallinen Nanocellulose profitiert demnach nicht nur von der schlichten Eleganz des Verfahrens, sondern auch von der ein- fachen Verfügbarkeit des Rohstoffs. Das weisse Ohr aus Nanocellulose liegt glänzend auf dem Glasträger. Frisch aus dem Bioplotter entnommen, ist es bereits robust und formstabil. Hausmann kann für die künfti- gen Projektschritte grünes Licht geben. //
22 // FOKUS Ressourcen aus der Schweiz FOKUS Ressourcen aus der Schweiz // 23 Empa-Know-how für die Industrie: Franziska Brandschutz aus Altpapier Grüneberger und Willi Senn entwickelten ein neues Bindeverfahren, welches den Isofloc-Dämmstoff deut- lich feuerfester macht als bisher. Hier stehen die beiden im Brandlabor, in dem die entscheidenden Empa-Wissenschaftler haben gemeinsam mit der Isofloc AG einen Versuche stattfanden. Dämmstoff aus Altpapier entwickelt, der sich für vorfabrizierte Holzbauelemente auch in mehrgeschossigen Holzhäusern eignet und die Konstruktion wirksam vor Feuer schützt. Das Bindemittel ist eine für Mensch, Tier und Umwelt unbedenkliche Substanz. TEXT: Rainer Klose / BILDER: Empa E ntscheidend ist, was der Altpapier-Faserwürfel nicht macht: Induktion? Schliesslich fand sich aus der grossen Reihe von «Ver- zerbröseln. Genau diese Eigenschaft ist wichtig, um tragende dächtigen» der gewünschte Stoff – eine Substanz aus der Lebensmit- Elemente von Holzhäusern lange vor Feuer zu schützen. Ge- telindustrie. Laborversuche an der Empa und bei der Isofloc AG in nau diese Festigkeit ist jedoch in der industriellen Herstellung von Bütschwil zeigten auch im Brandfall eine zuverlässige Verbindung Dämmstoffschichten schwer zu erreichen. «Wir haben es hier nicht des Zelluloseflockengefüges. mit Dämmstoffmatten zu tun, die von Arbeitern zugeschnitten und ins Bauteil eingepasst werden müssen», erläutert die Forscherin. Upscaling und Brandversuch «Die Altpapier-Fasern werden vielmehr automatisch in einen Hohl- Doch gelingt das auch im Grossmassstab, in einer Produktionshalle? raum eingeblasen, bis er ganz gefüllt ist.» Das Einblasen soll aus Ein Upscaling-Versuch brachte den Beweis: Die Flocken wurden in Kostengründen möglichst leicht und schnell erfolgen, deshalb müs- mehrere Test-Holzrahmen eingeblasen, daneben ein identischer sen die Fasern in diesem Moment gut fliessen. Sobald sie jedoch im Hohlraum mit Flocken ohne den neuartigen Zuschlagstoff, und im Hohlraum sind, sollen sie formstabil bleiben. So kann die Konstruk- herkömmlichen Verfahren eingebracht. Nun ging es ins Brandlabor tion bei Bränden geschützt werden. Am Ende soll die maschinell der VKF ZIP AG. Dort wurde der Holzrahmen eine Stunde lang einer eingeblasene Dämmung so fest und formatfüllend im Bauteil sitzen 800 bis 1000 Grad heissen Flamme ausgesetzt. Der Holzrahmen wie eine von Menschenhand eingepasste Dämmplatte. Nur so kann durfte an keiner Stelle durchbrennen, und es durften auch keine sie die Hitze eines Feuers lange genug zurückhalten und einen vor- glühenden Flocken herausfallen. Die neue Isolierung hielt dem Test zeitigen Abbrand der Konstruktion verhindern. stand und schützte die Konstruktion zuverlässig, während die Flo- Die Aufgabe ist nicht ganz leicht: «Wir haben für die bereits am cken ohne Zuschlagstoff durch die fehlende Verklebung aus dem Markt etablierten Zellulosefasern der Isofloc AG nach einem gerade- Holzrahmen herausfielen. zu magischen Bindemittel suchen müssen – ein Stoff, der möglichst Die Vorteile erläutert Jon-Anton Schmidt, Leiter Anwendungs- von einer Sekunde auf die nächste wirkt», sagt Grüneberger. Sie technik bei der Isofloc AG: «Das Dämmmaterial in loser Form ein- schnipst mit den Fingern wie ein Zauberer. Nur das Wort «Simsala- zubringen, ist schon eine enorme Zeitersparnis. Mit dem zusätzli- bim» fällt in diesem Moment nicht. chen Vorteil der Formstabilität und der damit verbundenen Brand- schutzwirksamkeit erreichen wir Schutzwirkungen, die mit ge- Ein Parforceritt durch die Chemie klemmten Steinwollmatten vergleichbar sind. Das macht die ohne- Das Industrieprojekt gemeinsam mit der Dämmstofffirma Isofloc hin schon ökologische und effiziente Dämmung für die Bauindustrie begann im Frühjahr 2017. Franziska Grüneberger und ihr Kollege noch interessanter.» Thomas Geiger begannen nach geeigneten Bindemitteln zu suchen – ein Parforceritt durch die Chemie, wie sich schnell zeigen sollte. Neue Generation von industriellen Dämmsystemen Denn nur wer sich auf diesem Gelände sicher bewegt, findet die Der finale Entwicklungsschritt geschieht nun beim Industriepartner passende Substanz. Isofloc AG. Dort müssen die Maschinentechniker und Ingenieure aus Erste Randbedingung: Für den Einsatz im nachhaltigen Holzbau dem bestehenden Prototypen eine neue Generation von Einblasma- sollte das Bindemittel nachweislich ungiftig sein – ein Stoff, mit dem schinen entwickeln, die die Anforderung an Reproduzierbarkeit und Menschen dauerhaft und problemlos in Berührung kommen können. Qualitätskontrolle erfüllen. Die Dosierung des Bindemittels ist dabei In Frage kommen Hilfsstoffe aus der Textil-, Papier-, Kosmetik- und wichtig. Sie muss in allen Produktionsschritten in engen Toleranzen Lebensmittelindustrie – oder Substanzen aus der Natur. Zweite Rah- eingehalten und überwacht werden können. menbedingung: Das gewünschte Bindemittel soll günstig und in In einem Jahr, so schätzt man bei Isofloc, kann die neue Däm- grossen Mengen verfügbar sein. mung zusammen mit den passenden Einblasmaschinen auf den «Wir stellten gemeinsam mit Willi Senn, dem Entwicklungsin- Markt kommen. Aus Bergen von Altpapier wird dann ein wertvolles genieur bei Isofloc, eine Reihe von Versuchen an und verbanden die Dämmmaterial, das nicht nur bei der Herstellung und im Einsatz Dämmfasern mit unterschiedlichen Zusatzstoffen», berichtet die grosse Mengen fossiler Brennstoffe einsparen hilft, sondern indust- Forscherin. Zugleich lief die Suche nach dem geeigneten «Start- riell als einziger loser Dämmstoff brandschutzwirksam eingesetzt schuss», der die Fasern von einem Moment zum nächsten verbindet. werden kann. // Erhitzen mit Dampf? Mit Infrarotstrahlung? Über magnetische
24 25 Architektin der Energie Interdisziplinär, vernetzt und auf eine nachhaltige Zukunft aus- «In meiner Arbeitsgruppe herrscht gerichtet: Dies beschreibt Kristina Orehounig ebenso treffend wie die Empa-Forschungsabteilung «Urban Energy Systems», ein toller Teamgeist. die sie seit Februar 2018 leitet. Sie hat einen ungewöhnlichen Das hilft beim Entdecken.» Weg zu ihrer heutigen Wissenschaftsdisziplin gewählt – doch gerade das sieht sie als Vorteil in ihrem Forschungsalltag. TEXT: Karin Weinmann / BILDER: Empa D ie Technik im Fokus: Schon während plinen zusammen: Vertreten sind die Bauin- ihres Architekturstudiums in Wien genieurswissenschaften, Maschinenbau, hat es Kristina Orehounig zu den Elektrotechnik, Architektur, Umwelttechnik technischen Aspekten des Bauens hingezo- und das relativ neue Feld «Industrial Ecolo- gen, vor allem die Bauphysik faszinierte sie. gy», das sich mit Material- und Energieflüs- Trotzdem bereut sie es keineswegs, dass ihre sen durch Industriesysteme beschäftigt. Ausbildung nicht ganz gradlinig verlaufen Man spürt bei Orehounig die Begeiste- ist, bevor sie in der Simulation von Energie- rung für Energiethemen – und für Forschung systemen ihr berufliches Zuhause gefunden generell. Bleibt neben den Managementauf- hat: «Als Architektin bin ich in gewissen gaben, die das Leiten einer Forschungsgrup- Denkweisen freier. Man lernt, ganzheitlich pe so mit sich bringt, dafür genug Zeit? «Ehr- zu denken und auch auf den ersten Blick lich gesagt, zu Beginn befürchtete ich, dass vielleicht utopische wirkende Ideen weiter- der Managementteil zu gross wird. Aber zuverfolgen, um auf Lösungen zu kommen», zum Glück herrscht in der Gruppe ein toller erklärt sie. Teamgeist – obwohl wir erst kürzlich meh- rere Labs zusammengeführt haben. Jeder Das grosse Ganze im Blick hat seinen Bereich, in dem er oder sie Exper- Angefangen hat Kristina Orehounig mit der te ist, und gleichzeitig sind alle Teammitglie- Simulation einzelner Gebäude. «Es wurde der sehr offen. So entstand ein tolles inter- mir aber schnell klar, dass es nicht reicht, ein disziplinäres Team, das hervorragend zu- Gebäude isoliert zu betrachten.» Deshalb sammenarbeitet.» Dadurch schafft sie es weitete Sie ihren Fokus auf die Rahmenbe- sogar, an der ETH Zürich weiterhin Vorle- dingungen aus. Dazu gehört etwa das Mik- sungen für das Master-Programm «Integra- roklima, das ein Gebäude umgibt. Von ein- ted Building Systems» zu halten. Dieses hat zelnen Gebäuden ging sie weiter zu Arealen sie während ihrer Zeit an der ETH mit auf- und Quartieren, bis sie schliesslich bei gebaut und koordiniert. ganzen Städten landete. «Zum Glück liegt mir das vernetzte Denken – mir gefällt die Von der Simulation zur Realität Herausforderung, das grosse Ganze im Blick Energiesysteme von Gebäuden, Quartieren zu behalten und dennoch an einzelnen zen- und Städten zu simulieren, klingt auf den tralen Stellen in die Tiefe der Materie zu ersten Blick etwas abstrakt. Doch wenn man tauchen.» Orehounig zuhört, merkt man schnell, dass Nach sechs Jahren als Forscherin und die Forschenden sich mit sehr reellen – und Dozentin an der ETH Zürich leitet Orehou- dringenden – Herausforderungen beschäfti- nig seit Februar 2018 die Forschungsabtei- gen. Denn der Energiebedarf von Gebäuden lung «Urban Energy Systems» an der Empa. macht mehr als 40% des Gesamtenergiebe- Deren Name ist Programm: Die Abteilung darfs in der Schweiz aus – und das muss Kristina Orehounig leitet seit Februar 2018 forscht an vernetzten Energiesystemen mit sich laut der Schweizer Energiestrategie die Forschungsabteilung «Urban Energy dem Ziel, den Energiebedarf und den CO2- 2050 ändern. Und zwar massiv: Das «Swiss Systems» an der Empa. Zuvor war sie For- Ausstoss von Gebäuden und Quartieren Competence Center for Energy Research on scherin und Dozentin an der ETH Zürich. massiv zu senken. Dafür arbeiten mehr als Future Energy-Efficient Buildings & Dis- 20 Forschende aus unterschiedlichen Diszi- tricts» (SCCER FEEB&D), das unter der Lei- >>
26 27 >> tung derAbteilung «Urban Energy Systems» zu verifizieren – und natürlich auch sichtbar steht, hat sich zum Ziel gesetzt, den ökolo- zu machen.» Das sei zudem ein wesentlicher gischen Fussabdruck von Gebäuden in der Schweiz bis zum Jahr 2035 um den Faktor 3 zu senken. Punkt für ihre Forschungspartner: «Die meisten wünschen sich, ein Projekt unter Einbezug des ehub durchzuführen – und Auf zum Merkur! Dazu arbeitet Orehounigs Team gemein- damit zu demonstrieren, was in der realen sam mit Städten und Gemeinden an Energie- Welt alles möglich ist.» konzepten, bei denen die Forschenden mit ihren Simulationen helfen können, konkrete Globale Auswirkungen erwünscht Mit Bepi Colombo ist im Oktober eine weitere Raumsonde der European Space Fragestellungen zu klären. Etwa: Lohnt es Nach knapp einem Jahr als Abteilungsleite- Agency (ESA) gestartet. An Bord ist auch Empa-Technologie. Für den Sensor eines sich noch, ein Gasnetz zu betreiben? Wäre rin hat sich Orehounig inzwischen gut ein- ein thermisches Netz nicht sinnvoller? Oder gelebt – und schmiedet bereits Pläne für die Flugzeitmassenspektrometers hat die Empa Einzelteile in Feinarbeit beschichtet und doch eine Kombination von beiden? «Uns Zukunft: «Neben der Skalierung unserer gelötet. Auch zukünftige ESA-Missionen starten mit Empa-Know-how an Bord. erreichen viele Anfragen für solche Projek- Modelle ist Big Data ein wichtiges Stichwort. Die Metall-Keramik-Struktur mit den eingebauten Heizkör- pern, die im Flugzeitmassenspektrometer von Bepi Colombo zum Einsatz kommen. TEXT: Cornelia Zogg / BILDER: ESA, Empa D as Ziel: der Planet Merkur. Die Wenig Platz im All Raumsonde Bepi Colombo, benannt Weltraumsonden müssen leicht sein, und te», erzählt Orehounig. Um alle zu bearbei- Wir wollen mehr messen – etwa mit Smart- nach Giuseppe (Bepi) Colombo, ist der Platz auf ihnen ist beschränkt, daher ten, fehlt aber die Kapazität – auch wenn Metern, also intelligenten Stromzählern. im Oktober 2018 gestartet und tritt die lange wird auch bei den kleinsten Teilen Gewicht geplant ist, das Team auf 30 Personen aus- Diese Daten und die Simulationen wollen Reise zum sonnennächsten Planeten an, um gespart, wo immer möglich. So auch bei der zubauen. wir zusammenbringen. Ein weiteres Ziel ist ihn zu kartografieren und die geologische beheizten Struktur für die europäisch-japa- «Bei der Auswahl der Projekte achten es, die Mobilität einzubeziehen, etwa durch und chemische Zusammensetzung seiner nische Weltraummission zum Merkur. Ver- wir darauf, ob es unsere Forschung voran- move, die Empa-Demonstrationsplattform Oberfläche zu bestimmen. Dazu nötig ist schrauben und verdrahten gestaltet sich da bringt, ob wir auf eine neue spannende Fra- für nachhaltige Mobilität. Eine Möglichkeit unter anderem ein Flugzeitmassenspektro- schwierig und sorgt für Platzverschwen- gestellung treffen. Unser wichtigstes For- ist beispielsweise, Elektrofahrzeuge als Zwi- meter, von dem Einzelteile an der Empa ent- dung. Also müssen die Bauteile gelötet wer- schungsziel ist, die von uns entwickelte Si- schenspeicher für Solarstrom zu nutzen.» standen sind. den, was indes weitere Schwierigkeiten mit mulationsplattform hochzuskalieren: Im Hans-Rudolf Elsener von der Abteilung sich bringt. Moment simulieren wir hauptsächlich Quar- Lösungen für Entwicklungsländer «Joining Technology and Corrosion» hat in Die Heizerstruktur, bestehend aus Titan tiere, in Zukunft sollen es ganze Städte sein.» Eine Doktorandin arbeitet ausserdem einem komplexen Verfahren mit viel Finger- und Aluminiumoxid-Keramik, hat Elsener bereits an einem Ziel, dass Orehounig be- spitzengefühl eine beheizbare Metall-Kera- mit Gold-Germanium im Vakuumofen ge- Von der Forschung zur Industrie sonders am Herzen liegt: Entwicklungslän- mik-Struktur mitentwickelt und gebaut. Die fügt. Dabei musste er darauf achten, die un- Die Plattform soll bald den Sprung von der dern eine Zukunft mit erneuerbarer Energie darauf montierten Silizium-Wafer – also terschiedlichen Bauteile des Heizers beim Forschung in die Industrie schaffen – dafür zu ermöglichen. «Mir ist die globale Wir- kleine Plättchen – wandeln Neutralteilchen Lötprozess nicht zu beschädigen. Keramik soll ein neues Start-up entstehen, das es kung unserer Forschung ein wichtiges Anlie- in geladene Partikel um. Dank den Empa- ist höchst hitzeempfindlich, das Löten von Energieunternehmen und Ingenieurbüros gen. Gerade in Entwicklungsländern liegt Heizern ist diese Umwandlung um ein Viel- Materialien mit unterschiedlichen thermi- ermöglicht, mit den Modellierungstools der ein grosses Potenzial: Wird der dort rasant faches effizienter als ohne, denn Ablagerun- schen Eigenschaften führt entsprechend zu Empa Energiesysteme für ganze Quartiere steigende Energieverbrauch mit fossiler gen von organischen Stoffen, verbunden mit hohen mechanischen Spannungen, die Ein- zu entwerfen und zu optimieren. Energie gedeckt, dann haben wir keine der kosmischen Strahlung, würden die be- zelteile beschädigen oder sogar zerstören Und es geht noch realer. Orehounig: Chance, den Klimawandel aufzuhalten. Hier schichteten Plättchen irreversibel schädigen. können. Elsener beschichtet daher in einem «Der ‹Energy Hub›, kurz ehub, im NEST er- können unsere Tools helfen, den künftigen Das regelmässige Aufheizen sorgt dafür, ersten Schritt alle Komponenten der Metall- möglicht es, zumindest einen Teil unserer Verbrauch vorauszusagen und eine langfris- dass die Messempfindlichkeit des Instru- Keramik-Struktur, so dass er dank der Be- Forschungsarbeit an einem echten Quartier tige nachhaltige Planung zu realisieren.» // ments nicht beeinträchtigt wird. schichtung bei deutlich tieferen Temperatu- >>
Sie können auch lesen