Scheinwerfer 21. Jahrgang 70 - Transparency International
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Februar 2016 21. Jahrgang 70 Scheinwerfer Themenschwerpunkt: Engagement gegen Korruption – Gesichter und Geschichten Foto: Handelskammer Hamburg/Nicolas Maack Korruption erkennen, vorbeugen und darauf reagieren. Wir zeigen Menschen, die sich engagieren; zum Beispiel in Transparency-Regionalgruppen wie hier beim Anti-Korruptionstag 2015 Den Rücken steif gemacht: Siebeneinhalb Jahre Haft für „Es ist nicht mehr das Interesse der Peter Schönhöfer im Porträt Korruptionsrecherchen in Allgemeinheit, welches festlegt, worüber höchsten Kreisen geforscht wird“: Interview mit Professor Christian Kreiß ������������������������������������������������������������ 7 ��������������������������������������������������������� 11 ��������������������������������������������������������� 12
| Inhalt Scheinwerfer 70 Editorial................................................................................................................................................ 3 Engagement gegen Korruption – Gesichter und Geschichten 4 Michael Wiehen: Nachruf Anke Martiny 1939-2016 ...................................................................4 Lukas Gawor und Anja Schöne: Menschen ins Scheinwerferlicht gerückt ...............................6 Den Rücken steif gemacht: Peter Schönhöfer im Porträt..............................................................7 Manfred Stegger: Neue Arbeitsgruppe „Pflege und Betreuung“ gegründet................................8 Interview mit Elmar Schwager: Interne Revision muss im Unternehmen richtig installiert werden.............................................9 Interview mit Hubert Denk: „Wenn ich Recht tue, brauche ich niemanden zu fürchten“........10 Heike Mayer: Siebeneinhalb Jahre Haft für Korruptionsrecherchen in höchsten Kreisen............11 Interview mit Professor Christian Kreiß: „Es ist nicht mehr das Interesse der Allgemeinheit, welches festlegt, worüber geforscht wird“............................................................................................12 Anja Schöne: Madagaskar – Gemeinsam gegen Korruption.............................................................13 Peter Hammacher: Wer bedeutet eigentlich Zivilgesellschaft?..........................................................14 Nachrichten und Berichte 15 Informationsfreiheit...........................................................................................................................15 Hinweisgeber.......................................................................................................................................17 Politik...................................................................................................................................................17 Vergabe................................................................................................................................................19 Verwaltung .........................................................................................................................................19 Wirtschaft............................................................................................................................................20 Sport.....................................................................................................................................................20 Über Transparency 21 Internationaler Antikorruptionstag: Transparency Deutschland vor Ort................................... 21 Halbzeitbilanz der Bundesregierung – Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung nur teilweise umgesetzt..................................................................................................................... 22 Edda Müller erhält Preis des Bayerischen Anwaltverbands......................................................... 23 Deutschlands Kandidatur für die Rohstofftransparenzinitiative EITI: Bestandsaufnahme und Ausblick.................................................................................................... 24 Vorstellung kommunaler korporativer Mitglieder: Neuruppin.................................................... 25 Das zehnte Prinzip: Transparency Deutschland im Global Compact der Vereinten Nationen........................................................................................ 26 Vorstellung nationales Chapter: Proética....................................................................................... 27 Bundesländer im Vergleich 28 Sachsen............................................................................................................................................... 28 Rezensionen29 Impressum.......................................................................................................................................... 30 | Transparency Deutschland | Scheinwerfer 70
Editorial I 3 Wolfgang Wodarg, Mitglied im Vorstand von Transparency Deutschland Liebe Leserinnen und Leser, Transparency International kämpft ge- Form von Ressourcen, Entscheidungs- Macht zu erschweren. Solch Transpa- gen Korruption, gegen den Mißbrauch oder Exekutionsgewalt anvertraut renzverkauf weckt mit Recht demokra- anvertrauter Macht für private Zwecke. wird. tischen Widerstand. Die Diskussion um Diese einfache Formel begeistert mich. TTIP und CETA illustriert dieses Tau- Eine Gemeinschaft lebt von gegenseiti- Auf globaler Ebene beobachten wir ziehen um Macht. gem Vertrauen. Vertrauen ist die Basis einen neuen und gefährlichen Wett- für arbeitsteiliges Zusammenwirken. bewerb. Den Wettbewerb zwischen Welche Möglichkeiten hat eine Zivilge- Eine korrupte Organisation zerfällt, oligarchischen Machtstrukturen und sellschaft, die von ihm an Parlamente, weil dort niemandem mehr etwas an- Demokratien. „The future dominant Regierungen und deren Exekutivorga- vertraut werden kann. political unit will not be the country ne anvertraute demokratische Macht but the multinational company!“, vor Egoisten aller Art zu schützen? Der Kampf gegen Korruption ist so alt schreibt Marc C. Scott in seinem Best- Frei nach Max Weber ist die Demokra- wie die Gesellschaft. Herrscher kämp- seller „Value Drivers“. Die von großen tie so gut wie die Demokraten. fen seit jeher mit Zuckerbrot und Peit- Privatunternehmen betriebene Deregu- sche gegen die Bestechlichkeit der ei- lierung demokratischer Organisationen Diese Ausgabe des Scheinwerfers gibt genen Beamten und waren nicht selten verlagert die Interessenkonflikte auf Menschen ein Gesicht, die sich auf schadenfroh über die Bestechlichkeit eine höhere Systemebene und bringt ganz verschiedene Weise gegen Kor- der Beamten ihrer Rivalen. Denn im das Problem der institutionellen Kor- ruption engagieren – als Einzelkämp- Wettbewerb gewinnt jene Gemein- ruption in den Vordergrund. Wer das fer, in Nichtregierungsorganisatio- schaft, deren Mitglieder nicht vom ganze Amt kaufen kann, braucht die nen, als Journalisten und als Beamte Gegner gekauft werden können. Das Beamten nicht mehr zu bestechen. oder Unternehmer. Es sind Menschen gilt für jede etablierte Macht, unab- wie Sie und ich. Es sind selten große hängig von ihrer Legitimität. Komplexe demokratische Gemein- Helden und nicht immer gehen ihre schaften, in denen Macht ja völlig an- Geschichten gut aus. Und doch sind Hierarchen, seien sie Präsidenten von ders als bei Fürsten und Firmenchefs ihre Beispiele vorbildlich, weil sie uns Staaten oder Fußballverbänden, Dikta- nicht von oben nach unten, sondern Wege aufzeigen, wie jeder Einzelne toren, CEOs oder Mafiabosse, sie alle von unten nach oben anvertraut wird, als Teil der Zivilgesellschaft – allein stehen im Wettbewerb und müssen ihre geraten durch diese Entwicklung stark oder gemeinsam – im Kampf gegen Macht streng gegen Korruption schüt- in Bedrängnis. Auch demokratische Korruption etwas ins Rollen bringen zen. Compliance wird gegebenenfalls Regierungen lassen sich durch kurz- kann. mit strengen Strafen durchgesetzt. Sie fristige wirtschaftliche Vorteile mit wird also nicht nur Amtsträgern abver- oder ohne Korruption dazu verleiten, Ihr langt, sondern allen, denen Macht in dem Volk die Kontrolle über seine Wolfgang Wodarg Foto: privat Scheinwerfer 70 | Transparency Deutschland |
4 | Nachruf Anke Martiny 1939 – 2016 Um „Gesichter und Geschichten“ gegen Korruption geht es in diesem Scheinwerfer. Das Gesicht von Anke Martiny ge- hört in vorderster Reihe dazu. Sich gegen Korruption zu stellen hieß für sie, sich für Demokratie zu engagieren: Als Hauptanliegen für ihre Mitarbeit bei Transparency Deutschland nannte sie die Notwendigkeit „Zusammenhänge deutlich zu machen zwischen Korruption und dem Mangel an demokratischen Strukturen oder dem Aushebeln demokratischer Entscheidung durch Korruption.“ 15 Jahre gehörte sie dem Vorstand von Transparency Deutschland an. Beinah genau so lange hatte sie im Vorstand die Verantwortung für die Mitgliederzeitschrift inne. Am 11. Januar 2016 ist Anke Martiny nach schwerer Krankheit gestorben. Die Scheinwerfer-Redaktion verliert mit ihr eine erfahrene Journalistin und hochge- schätzte Kollegin. Michael Wiehen, ehemaliger Vorsitzender von Transparency Deutschland, hat den folgenden Nachruf verfasst. Der Tod von Anke Martiny hinterlässt tiefe Trauer. Sie hat Sie hat in ihrem Leben unendlich viele Menschen berührt auch mein Leben stark berührt. und durch ihr Beispiel ermuntert, selbst „zu kämpfen“ und Verantwortung zu übernehmen. Anke hatte sehr klare Konzepte für ihr Leben, ausgedrückt immer wieder in ihren Buchtiteln: Während einer politi- Ihre politische Tätigkeit begann 1968 in der bayerischen schen Pause im Jahr 1986 schrieb sie: „Wer nicht kämpft, Provinz, für die SPD; 1972 wurde sie in den Deutschen hat schon verloren – Frauen und der Mut zur Macht“. Kurz Bundestag gewählt, wo sie sich vor allem des Themas nach ihrem letzten Geburtstag 2015 veröffentlichte sie: „... Verbraucherschutz annahm. Ihre Meinungen waren wie und vor allem muss man jederzeit als voller Mensch leben“. immer klar und unzweideutig, dargestellt in ihrem dama- Mit diesen zwei Buchtiteln charakterisierte Anke ihre Le- ligen Buch mit dem Titel „Marktmacht und Manipulation: benseinstellung und die Prinzipien, nach denen sie lebte. Sind die Verbraucher Subjekt oder Objekt der Wirtschafts- ordnung?“ Neben der Politik war Anke seit ihrer Jugend ge- prägt durch ihre Interessen an Kultur, Musik, den bildenden Künsten und dem Schreiben. So war ihre Berufung 1989 zur Senatorin für Kulturelle Angelegenheiten in Berlin eine Aufgabe, die ihr auf den Leib geschnitten schien. Als die SPD in Berlin im Januar 1991 die Regierung abgeben musste, ging Anke als Büroleiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung für fünf turbulente Jahre nach Tel Aviv. Wieder ist es ein Buchtitel, der ihre Erfahrun- gen dort eindringlich beschreibt: „Is- rael – und du wunderst dich täglich“. Nach ihrer Rückkehr aus Israel zog sie zunächst in ihr gelieb- tes Refugium in Rudelzhau- sen-Bergham in Bayern. Dort fing sie an, sich Gedanken Foto: Heike Mayer über eine angemessene Tätigkeit in ihrer Zu- kunft zu machen. In | Transparency Deutschland | Scheinwerfer 70
Nachruf I 5 dieser Zeit des Suchens begegnete sie dem „Menschenfän- Konzerte, Opern, Museen, Ausstellungen waren ihr tägli- ger“ Peter Eigen, der ihr so von Transparency International che Freude, die sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten vorschwärmte, dass sie sich sehr schnell entschloss, aus Peter Nestler genoss. Ihr Bildungshunger war unstillbar, dem kleinen Münchener Büro von Transparency Deutsch- auf Reisen war sie stets mit Reclams Kunstführer unter- land gemeinsam mit mir das Deutsche Chapter aufzubauen. wegs. Besonders beflügelt war sie immer wieder von der „niemals gesättigten Schönheit“ Venedigs. Sie organi- Ankes wichtigster Beitrag zu unserer frühen Arbeit war sierte aber auch begeistert intensive Reisen mit Freunden ihre Vertrautheit mit den politischen und Verwaltungs- in die Türkei, in den Iran und zu anderen Brennpunkten, Strukturen in Deutschland und ihre persönlichen Kon- wobei sie immer über Kontakte zur dortigen Friedrich- takte. Durch sie bekamen wir unkomplizierten Zugang zu Ebert-Stiftung Treffen mit Politikern und vor allem Poli- wichtigen Entscheidungsträgern und konnten bald schon tikerinnen organisierte und einen lebendigen Meinungs- bahnbrechende Erfolge zum Beispiel bei der Beendigung austausch und intensives Lernen ermöglichte. der steuerlichen Absetzbarkeit von Bestechungszahlungen erreichen. Anke war eine unermüdliche Kämpferin für die Anke investierte viel Zeit und Mühe in den Aufbau per- Ziele von Transparency, aber gleichzeitig auch immer wie- sönlicher Kontakte – und pflegte diese mit viel Liebe, Em- der ein Realitätsanker. pathie und Verständnis. Es gibt dazu viele anrührende Zeugnisse von Menschen, denen sie ein Wegweiser wurde. Schon in den frühen Münchener Jahren nahm Anke sich des Themas „Korruption in der Gesundheitsversorgung“ Anke war bis kurz vor ihrem Tod noch voller geistiger besonders an. Die in mehreren Auflagen erschienene Denk- Energie sowie voller Pläne und Ideen. Sie hat die Entwick- schrift „Transparenzmängel, Korruption und Betrug im lung ihrer schweren Krebserkrankung sehr bewusst mit- deutschen Gesundheitswesen“ die Arbeitsgruppe Gesund- erlebt und aufgezeichnet. Das letzte Stadium kam für sie heit stellte erstmals zusammenhängend das Ausmaß des und ihre Familie – wie für uns alle – unerwartet schnell. Problems dar. Sie wurde von den Beteiligten und in der Po- litik zur Kenntnis genommen und je nach Betroffenheits- Wenige Tage vor der Nachricht von ihrem Sterben erreich- grad interpretiert, spielte aber auch eine wesentliche Rol- te mich ein verspäteter Weihnachtsgruß von Anke – ein le bei der Verhinderung der Umwandlung der staatlichen Büchlein über ihre letzte Reise nach Venedig im Juli 2015 Zulassungsbehörde für Arzneimittel in eine „privatisierte“ (gemeinsam mit ihrem „getreuen Reisemarschall der spä- Arzneimittelagentur. ten Jahre“ Peter Nestler), das mit einem Gedicht von Gott- fried Benn beginnt: Seit 2001 war sie ununterbrochen im Vorstand des Vereins „Rosen, gottweißwoher so schön, und hat diese Verantwortung bis zum Schluss mit gro- in grünen Himmeln der Stadt ßem Engagement getragen und Transparency Deutschland abends maßgeblich mitgeprägt. Anke übernahm auch immer wie- in der Vergänglichkeit der Jahre!“ der andere Aufgaben im Vorstand, darunter mit großem Einsatz die Verantwortung für den „Scheinwerfer“. Es ist bezeichnend für das Spektrum ihrer Interessen, dass Schon in ihrer frühesten politischen Arbeit in Bayern hat- sie dort mit gleichem Ernst über einen Besuch bei Luigi te Anke ein besonders starkes Interesse an der politischen Nono berichtet wie über die Mosaiken im Obergeschoss Rolle von Frauen im öffentlichen Leben und deren Mög- des Markusdoms oder auch über den auf ihrer ersten Ve- lichkeiten, sich zu verwirklichen und auf Augenhöhe mit nedig-Reise erst nach einigem Zögern geglückten Erwerb den Männern aktiv zu sein. Diese gezielte und persön- einer sehr schönen, aber sündhaft teuren Jacke, den die lich unverwechselhafte Prägung hat ihr viel Respekt, aber Verkäuferin ihr als „der jungen schönen Frau“ reserviert auch viel Ärger eingetragen. hatte, obwohl eine andere „alte und reiche, aber hässliche Frau“ sie unbedingt hatte haben wollen. Anke hat jederzeit In ihren letzten Jahren konnte sich Anke zunehmend wie- als voller Mensch gelebt! der persönlichen Dingen zuwenden: Mit ihren drei Kin- dern und acht Enkelkindern erlebte sie glückliche Zeiten, Danke, liebe Anke, für Deine wunderbare Freundschaft erleichtert auch durch das neue Familienrefugium im und für Deine Leidenschaft bei der Umsetzung der Ziele Oderbruch, dicht an der Grenze zu Polen. Besonders be- von Transparency International! | geistert erzählte sie von ihren Reisen mit jeweils einem Enkelkind nach Israel oder an andere spannende Orte. Michael Wiehen Scheinwerfer 70 | Transparency Deutschland |
6 | Themenschwerpunkt: Engagement gegen Korruption – Gesichter und Geschichten Menschen ins Scheinwerferlicht gerückt Von Lukas Gawor und Anja Schöne Millionen Deutsche engagieren sich ehrenamtlich als Teil der Zivilgesellschaft. Ihre Geschichten zeigen, vielfältige und unterschiedliche Wege wie sich jeder Einzelne gegen Korruption engagieren und welche Rolle die Zivilgesellschaft als Ganzes dabei spielen kann. Die Bilder vom letzten Sommer sind noch allgegenwärtig: Lebendige Zivilgesellschaft zeigen Tausende ehrenamtliche Helfer nehmen Flüchtende auf Das wollen wir mit diesem Schwerpunkt des Scheinwerfers än- deutschen Bahnhöfen in Empfang, betreuen sie und über- dern. Wir wollen anhand von Beispielen unser „Scheinwerfer- nehmen die Erstversorgung. Selbstlos, unentgeltlich und licht“ auf Menschen richten, die sich auf ganz unterschiedliche mit dem Wunsch, Einfluss auf ein aktuelles gesellschaft Weise gegen Korruption engagieren. In dieser Ausgabe kom- liches Problem zu nehmen. Sie unterstützten damit staat- men sie zu Wort. Wir zeigen ihre Gesichter und erzählen ihre liche Stellen, die dem Ansturm kaum gewachsen schienen. Geschichten. Auf diese Weise wird sichtbar, wie lebendig sich Das Beispiel zeigt die steigende Bedeutung und Rolle der die Zivilgesellschaft gegen Korruption engagiert. Wir wollen Zivilgesellschaft in Deutschland. Das lässt sich auch mit zum Ausdruck bringen, dass man kein großer Held sein muss, Zahlen belegen. Laut dem Statistikportal statista.com ist die um einen Stein ins Rollen zu bringen. So erlebten es zum Bei- Zahl der Ehrenamtlichen von 2012 bis 2015 von 12,21 Mil- spiel die Einwohner von Anjozorobe in Madagaskar, die sich lionen auf 13,44 Millionen Deutsche angestiegen. mit Hilfe von Transparency International gegen korrupte Ran- ger zur Wehr setzten. Klar wird dabei jedoch auch: Nicht alle Doch was steckt hinter dem Begriff Zivilgesellschaft? Eine Geschichten haben immer ein gutes Ende. Zu oft liest man von Definition fällt schwer. Im Jahr 2009 begründete Transpa- Journalisten vor Gericht oder im Gefängnis, wie es der Fall von rency Deutschland die Initiative Transparente Zivilgesell- Khadija Ismayilova aus Aserbaidschan zeigt. In Deutschland schaft. Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, „wirksame Initia- sind krank oder für krank erklärte, frühpensionierte oder aufs tiven für mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht aus Abstellgleis geschobene Beamte, die auf Missstände in ihren dem Nonprofit-Sektor zu schaffen“. Im Rahmen der Initia- Behörden hingewiesen haben, keine Seltenheit. tive nennt Transparency „Vereine, Stiftungen, gemeinnüt- zige GmbHs, Selbsthilfegruppen, Gesundheitseinrichtungen, In dieser Ausgabe kommen Einzelkämpfer zu Wort, etwa der Verbraucherorganisationen, Umweltschutzgruppen oder Universitätsprofessor Christian Kreiß, der mit seiner Klage ge- Bürgerinitiativen“ als Teil der Zivilgesellschaft. Was dabei – gen die Universität Mainz für die Veröffentlichung von Koope- naturgemäß – etwas aus dem Blick gerät, sind die einzelnen rationsverträgen mit der Boehringer Ingelheim Stiftung streitet. Menschen, die ehrenamtlich Zeit, Geld und Kraft in eine Oder Peter Schönhöfer, der fast sein gesamtes Berufsleben lang Sache investieren, von der sie überzeugt sind. gegen die unlauteren Marketingmethoden der Pharmaindustrie Oft bleiben sie in der großen Masse gekämpft hat und dafür mit dem Integrity Award von Trans- der Zivilgesellschaft gesichtslos. parency International ausgezeichnet wurde. Am Beispiel der bei Transparency neugegründeten Arbeitsgruppe „Pflege und Betreuung“ zeigen wir, wie Transparency selbst als Teil der Zi- vilgesellschaft rührigen Akteuren die Möglichkeit gibt, im Rah- men einer größeren Gruppe und unter dem Dach einer zivilge- sellschaftlichen Organisation mehr Schlagkraft zu entwickeln. Sieben Gesichter und Geschichten, die wir auf den Folge- seiten vorstellen, zeigen beispielhaft, wie Menschen ihr En- gagement gegen Korruption angegangen sind, mit welchen Foto: Sandra Nabbefeld / www.pixelio.de Schwierigkeiten und Problemen sie zu kämpfen und wo sie Hilfe und Unterstützung bekommen haben. Ihre Beispiele sol- len auch andere ermutigen, sich zu engagieren. Denn: Damit die Zivilgesellschaft als Ganzes erfolgreich sein kann, braucht es mutige und engagierte Individuen, die vorangehen. | Lukas Gawor und Anja Schöne sind Mitglieder des Schein- werfer Redaktionsteams. Sie haben diese Schwerpunktaus- gabe inhaltlich betreut.
Themenschwerpunkt: Engagement gegen Korruption – Gesichter und Geschichten I 7 Den Rücken steif gemacht – Peter Schönhöfer im Porträt Von Anja Schöne Professor Peter Schönhöfer analysiert das deutsche Ge- sundheitswesen und kämpft gegen unlautere Marketing- methoden der Pharmaindustrie. Seine Kritik formuliert er scharfzüngig und streitbar – und stets fachlich korrekt. 2002 wurde er von Transparency International mit dem Integrity Award ausgezeichnet. Die Preisträger Luis Roberto Mesquita und Peter Schönhöfer (rechts) bei der Integrity Award Verleihung 2002 in Casablanca. Auch mit 80 Jahren hat Peter Schönhöfer seine kämpferi- Meinungsbildner auf dem Gebiet der unabhängigen Arz- sche Haltung beibehalten. Seine Kritik richtet sich gegen neimittelinformation in Deutschland“, erläutert Schönhöfer. unlautere Marketingmaßnahmen der Pharmaindustrie, mit Ihr Erfolg lässt sich auch daran messen, mit welch harten denen Hersteller versuchen, sich das Meinungsmonopol Bandagen die Pharmaindustrie gegen Schönhöfer und das über die Anwendungssicherheit und Wirksamkeit einzelner arznei-telegramm vorgeht. Mehrmals versucht man, ihn und Medikamente zu sichern. „Es ist nicht legitim, dass diejeni- auch das Magazin mundtot zu machen. 20 bis 30 Prozesse gen, die eine Ware anbieten auch darüber bestimmen, wel- hat Schönhöfer im Laufe seines Lebens geführt – und keinen che Informationen zu einer Ware veröffentlicht werden“, verloren. Es spricht für seine Rechtschaffenheit und seine sagt er. Seit den 1980er Jahren streitet und arbeitet er dafür, Akribie bei der Forschung. dass Mediziner und Patienten unabhängige Informationen über die Wirksamkeit von Arzneimitteln erhalten. Integrity Award als Auszeichnung Für seine Arbeit wird Peter Schönhöfer 2002 mit dem Integ- Nach einem Studium der Medizin und Chemie in Tübin- rity Award von Transparency International geehrt. Er ist der gen, Bonn und Köln ging Schönhöfer in die USA, um zu einzige Deutsche, der diesen Preis bisher erhalten hat. Die forschen. Anschließend habilitierte er sich in Bonn. Ab Auszeichnung hat ihn so stolz gemacht, dass er mit Frau 1979 war er Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsamt und Tochter zur Verleihung nach Casablanca gereist ist. Er in Berlin. Hier, erinnert sich Schönhöfer, habe er erstmals sagt: Für ihn sei es „eine Belohnung dafür, dass ich meinen erlebt, was Korruption in Behörden bedeutet. Seit 1981 Rücken steif gemacht habe und ich mich nicht auf die kor- leitete Karl Überla das Amt. Ein Mann mit besten Verbin- ruptiven Spiele der Pharmaindustrie eingelassen habe.“ dungen in die Pharmabranche. Er verhinderte zunächst, dass das Schmerzmittel Metamizol vom Markt genommen Bei Transparency Deutschland gehört Peter Schönhöfer zu wurde und stellte anschließend den Pharmakritiker Schön- den Gründervätern der Arbeitsgruppe Gesundheit. Die deut- höfer kalt. sche Schlafmützigkeit in Sachen Pharmalobby treibt ihn um. Während andere Länder – die USA zum Beispiel – längst Ge- Streitbar und erfolgreich setze erlassen haben, die dafür sorgen, dass Korruption der Die Erfahrung war prägend. Doch Peter Schönhöfer ließ sich Pharmaindustrie nur noch schwer unentdeckt bleiben kann, davon nicht einschüchtern. Er ging nach Bremen, baute am scheint es in Deutschland kaum Interesse daran zu geben. dortigen Klinikum Mitte das Institut für Klinische Pharma- kologie auf und setzte seine Arbeit fort. Dabei nutzte er sei- Deutschland erlebe derzeit eine „Umwandlung der Medizin ne vorzüglichen Verbindungen zu kritischen Fernsehjour- von der solidarischen Gesundheitsversorgung in die Ge- Foto: Transparency International nalisten, um wie früher im Bundesgesundheitsamt Skandale sundheitswirtschaft. Es geht primär nicht mehr um die op- aufzudecken, die er mit zahlreichen Studien belegte. timale Gesundheitsfürsorge der Patienten, sondern um den größtmöglichen Profit der Leistungserbringer.“ Medikamen- Ein wichtiges Publikationsmedium ist das arznei-telegramm. te wie Metamizol, die bei uns wie in anderen Industrielän- Nach seinem Ausscheiden aus dem Bundesgesundheitsamt dern eigentlich schon längst hätten verboten werden sollen, wird Schönhöfer zu einem der führenden Köpfe im Redak- sind heute aufgrund geschickter Marketingmaßnahmen bei tionsteam. Die Redaktion war und ist ein „entscheidender Medizinern wieder en vogue. Die Arbeit geht also weiter. | Scheinwerfer 70 | Transparency Deutschland |
8 | Themenschwerpunkt: Engagement gegen Korruption – Gesichter und Geschichten Neue Arbeitsgruppe „Pflege und Betreuung“ gegründet Von Manfred Stegger Die im Oktober neu gegründete Arbeitsgruppe knüpft an Pflegebedürftigen (Kopfprämien) und die Verschleierung eine Untersuchung von Transparency Deutschland aus von Kostenstrukturen durch gestaffelte Leasingmodelle. dem Jahre 2013 zu „Transparenzmängeln, Betrug und Kor- ruption im Bereich der Pflege und Betreuung“ an. Die als Insgesamt ergeben sich eine Reihe von Ansatzpunkten für Schwachstellenanalyse angelegte Veröffentlichung soll wei- kritische Transparency-Fragen. Als weiteren Schwerpunkt ter geführt und mit belastbaren Quellen belegt werden. Die bearbeitet die Arbeitsgruppe Probleme der rechtlichen Be- Arbeitsgruppe hat bereits etwa ein Dutzend Mitstreiter. Wei- treuung. Auch zu diesem Thema gibt es bereits wichtige tere sind hochwillkommen. Denn das Thema ist von enor- Vorarbeiten bei Transparency, auf die aufgebaut werden mer Bedeutung. kann. Vor allem mit der explosionsartig angewachsenen privatwirtschaftlich verfassten Berufsbetreuung ist in den Mehr als 2,5 Millionen pflegebedürftige Menschen werden letzten Jahrzehnten ein staatlich gelenktes Wirtschaftsfeld – neben der Versorgung durch Angehörige – von 12.500 beträchtlicher Dimension entstanden. 1,3 Millionen Perso- ambulanten Diensten und 13.000 stationären Pflegeheimen nen stehen unter rechtlicher Betreuung. Zwischen Akteuren betreut. Über 95 Prozent der Einrichtungen sind privat- und Betroffenen besteht dabei ein enormes Machtgefälle: wirtschaftlich organisiert und unterliegen damit der Not- Betreuer treffen hochwichtige Entscheidungen, in zahlrei- wendigkeit zur Gewinnerzielung. Der professionelle Pfle- chen Fällen verfügen sie über deren ganzes Vermögen. Der gesektor bewegt jährlich ein Finanzvolumen von etwa 40 Anteil der Berufsbetreuungen nimmt stetig zu. Milliarden Euro und gehört damit zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige der Bundesrepublik. Auf Anbieterseite Umso wichtiger sind eine transparente und auf verschie- dominieren dabei immer mehr große Pflegekonzerne. dene Personen und Instanzen verteilte Organisation, kom- petente Schulung und Einweisung sowie nachvollziehbare Der Gesetzgeber steckt für den Pflegesektor einen groben und wirksame Strukturen für Aufsicht und Kontrolle. Dies Rahmen ab. Die wichtigen Detailentscheidungen im Bereich ist allerdings nicht der Fall: So werden beispielsweise Be- der Pflege fallen innerhalb der sogenannten „Pflegeselbstver- treuungen von denselben Instanzen bestellt, die sie auch waltung“, einem geschlossenen Kreis von Anbieterverbänden, kontrollieren. Es gibt keinen verbindlichen Kodex für Be- Pflegekassen und Sozialhilfeträgern. Die Betroffenen selbst treuer. Untersuchungen zeigen: Für Betreuungskriminalität sind daran nicht mitentscheidend beteiligt. Der einzelne Pfle- sind gerade bei Berufsbetreuern lange Tatserien mit vielen gebedürftige ist zwar Vertragspartner des Pflegedienstes oder Geschädigten nicht ungewöhnlich. Die Dunkelziffer wird als des Pflegeheimes und könnte deshalb Rechte als Verbraucher hoch und das Entdeckungsrisiko als gering eingeschätzt. geltend machen. Dies geschieht aber so gut wie niemals. Als Mitstreiter besonders gesucht werden engagierte Mitglie- Zudem bilden das Nebeneinander von Gewinnorientierung, der mit eigenen beruflichen Erfahrungen oder Detailkenntnis- staatlicher Regulierung, intransparenten Entscheidungspro- sen auf einem der angesprochenen Gebiete. Wenn Sie interes- Foto: Transparency Deutschland zessen, schwachen Einzelverbrauchern und das Wegsehen siert sind, melden Sie sich bitte unter office@transparency.de. der Öffentlichkeit einen Nährboden für Machtmissbrauch Bitte geben Sie dabei nach Möglichkeit auch Ihre spezifischen auf Kosten der Schwächsten und der Allgemeinheit wie Kenntnisse und relevanten Erfahrungen an. | beispielsweise Abrechnungsbetrug, überhöhte Preise und mangelhafte Leistungen. Weitere Schwachpunkte betreffen Manfred Stegger ist ehemaliger Leiter der Transparency- die Rolle der staatlichen Heimaufsichten, der „Handel“ mit Arbeitsgruppe Pflege und Betreuung. Von links: Brigitte Bührlen,Thomas Bade, Anke Martiny (†), Manfred Stegger, Peter Cornelius, Adelheid von Stösser, Christoph Jaschke, Bertram Abel, Maria Panzer, Siegfried Räbiger, Bernd-Rüdeger Sonnen, Erwin Dehlinger. | Transparency Deutschland | Scheinwerfer 70
Themenschwerpunkt: Engagement gegen Korruption – Gesichter und Geschichten I 9 Interne Revision muss im Unternehmen richtig installiert werden Interview mit Elmar Schwager, Interner Revisor und Geschäftsführer von The AuditFactory Elmar Schwager war als Interner Revisor in verschiedenen Unternehmen tätig, bevor er 2005 The AuditFactory gründete. Herr Schwager, was ist AuditFactory und welche Dienstleis- An dieser Stelle wird natürlich versucht, über die einzelnen tungen bieten Sie an? Punkte aus beiden Perspektiven zu diskutieren. Die Revision Das Leistungsspektrum zur Internen Revision umfasst Be- hat ein Interesse daran, ihre Feststellungen zu verteidigen ratungsleistungen, wie die Einführung einer internen Revi und muss sie belegen können. Überall dort, wo sie dazu sion – entweder als eigene Abteilung im Unternehmen oder nicht in der Lage wäre, muss sie Abstand davon nehmen als Outsourcing-Dienstleister. Der größte Teil unserer Ar- und darf den entsprechenden Punkt nicht in den Abschluss- beit ist die Durchführung von internen Revisionsprüfungen bericht aufnehmen. Das ist ein ganz normales Vorgehen weltweit. Im Bereich der Forensic Services, der Bekämpfung im Rahmen der Revisionsprüfung und nennt sich Berichts- der Wirtschaftskriminalität, haben wir es hauptsächlich mit oder Ergebnisabstimmung. Hier kann man noch nicht von Management Fraud zu tun, Untreue oder Unterschlagung Beeinflussung sprechen. etwa. Dies ist auch ein Teil von dem, Eine Beeinflussung wird es was Transparency Deutschland als Korruption bezeichnet: Missbrauch „Es gibt durchaus ein Risiko, dass dann, wenn ein Vorstand es zum Beispiel zulässt, dass anvertrauter Macht. die Interne Revision ihrer Arbeit nachgeordnete Ebenen ver- nicht objektiv und unabhängig suchen, einen Einfluss auf Was sind die Kernaufgaben von nachgehen kann. Aber das ist eine die Interne Revision zu neh- Internen Revisoren? men. Wenn es um wesentliche Der Interne Revisor übernimmt im Kernvoraussetzung dafür, dass eine Schwachstellen geht, die un- Auftrag des Vorstandes oder der Überwachung des Unternehmens ter Umständen den Vorstand Geschäftsführung die Überwachung auch ordnungsgemäß erfolgt.“ selbst betreffen, etwa Bonus- des Internen Kontrollsystems. Ein zahlungen, die Erreichung solches System stellt sicher, dass ein von Geschäftszielen oder die Unternehmen effektiv, effizient und ordnungsgemäß arbei- Umsetzung von Strategien. Das ist die Ebene, wo wir tat- tet. Die Interne Revision hat die Aufgabe, die Funktionsfä- sächlich auch über Beeinflussung sprechen, wenn sie denn higkeit dieses Systems sicherzustellen. stattfindet. Immer dann, wenn das, was im Bericht steht, nicht mit den Tatsachen in Übereinstimmung ist, wird es Wie gehen Interne Revisoren bei Prüfungen vor? kritisch. Eine Prüfung wird mit einem gewissen Vorlauf zwischen zwei bis vier Wochen angekündigt. Anschließend werden so Wie schaffen es Interne Revisoren, negative Einflüsse zu genannte Prozessprüfungen durchgeführt, also keine reine überwinden und trotzdem auf Problemfelder hinzuweisen? Prüfung von Büchern. Wir untersuchen einzelne Prozesse Das hängt vom Unternehmen ab und davon, wie die Interne daraufhin, ob beispielsweise Funktionstrennung oder das Revision eingerichtet wurde. Wenn ein Vorstand beispiels- Vier-Augen-Prinzip etabliert sind, so dass keine Fehler oder weise versucht, Druck auszuüben, und die Interne Revision Unregelmäßigkeiten begangen werden können. hat einen Zugang zum Aufsichtsrat oder zu einem Beirat, dann kann sie dort natürlich auf die möglichen Problemfel- Werden Interne Revisoren in ihrer Arbeit durch Ergebnisvor- der hinweisen. Wenn der Aufsichtsrat für einen solchen di- gaben behindert? rekten Berichtskanal nicht offen ist, wird er im Zweifelsfall Foto: Elmar Schwager Man muss zunächst zwei Ebenen unterscheiden. Die ers- nie davon erfahren. Was dann passiert, ist, dass diese Dinge te Ebene ist die ganz normale Abstimmung der Ergebnisse. unterdrückt werden. | Man macht seine Prüfung und findet die Schwachstellen in den Prozessen. Anschließend geht man mit den Mitarbeitern Die Fragen stellte Lukas Gawor. in die Schlussbesprechung und erörtert die Feststellungen. Scheinwerfer 70 | Transparency Deutschland |
10 | Themenschwerpunkt: Engagement gegen Korruption – Gesichter und Geschichten „Wenn ich Recht tue, brauche ich niemanden zu fürchten“ Interview mit Hubert Denk, Herausgeber und verantwortlicher Redakteur des Magazins Bürgerblick / Passauer Freie Presse 2010 hat der Journalist Hubert Denk eine Spende des Augsburger Laborunternehmers Bernd Schottdorf an Edmund Stoiber aufgedeckt. Vorangegangen waren Recherchen Denks zu betrüge- rischen Abrechnungen des Laborunternehmers in Millionenhöhe. Das Verfahren gegen Schott- dorf war jedoch 2007 „mangels eines strafrechtlichen Anfangsverdachts“ eingestellt worden und wurde 2010 wegen der Verjährungsfrist nicht wieder aufgenommen. Stattdessen begannen die Behörden gegen Denk zu ermitteln, wegen „Anstiftung zum Verrat eines Dienstgeheimnisses“. Seither gab es mehrere Gerichtsprozesse – in Köln, München, Passau und Augsburg. Wie haben Sie von der CSU-Spende von Bernd Schottdorf Sie werden durch den Rechtsanwalt Klaus Rehbock vertre- erfahren? ten und erhalten zudem Rückendeckung vom Bayerischen Mir wurde Material darüber zugespielt, wie das System Journalistenverband. Haben Sie noch von weiteren Stellen Schottdorf funktioniert und in welcher Form in den Ge- Unterstützung erhalten? sundheitskassen Schaden entstanden ist. Dort enthalten war Zusätzliche Unterstützung erhielt ich vom Berufsverband im Prinzip auch der Hinweis auf die Stoiber-Spende. Freischreiber und dem Deutschen Journalisten-Verband. Freischreiber führt eine Art Spendenkasse für Journalisten Ihnen wurde vorgeworfen, Sie hätten den Fax- oder E-Mail- und hat beim Strafverfahren die Kosten übernommen. Un- verkehr abgefangen und jemanden zum „Dienstgeheimnis- terstützt wurde ich auch von Privatpersonen, die die Ge- verrat“ angestiftet. Wie kam es dazu? richtskosten trugen oder mir ermöglichten, in die nächste Die Ermittlungen begannen, Instanz gehen zu können. Ich gewann in zwei- während ich auf Betreiben von „Wichtig war mir meine ter Instanz am Oberlandesgericht in Köln und Herrn Schottdorf 2010 vor das Kontrollaufgabe, denn am Landgericht Passau. Schottdorf musste sei- Landgericht Köln geladen wur- ne Klagen zurücknehmen. de. Erst 2013 stellte ich durch wenn ich die ernst nehme, Einsicht in meine Ermittlungs- dann muss ich sie eigent- Wie haben Sie es geschafft, unter dem Druck akte fest, dass die Anwälte lich in letzter Konsequenz nicht aufzugeben? von Schottdorf die Münch- Ich habe aus vorangegangen Verfahren gelernt, ner Staatsanwälte mit Inhal- immer durchziehen, auch dass man sich manchmal durchsetzen kann, wenn ten aus den beiden Verfahren wenn ich dadurch persön- man die höhere Instanz abwartet, da die Gerichte versorgten. Am Landgericht liche Nachteile erleide.“ dort mit mehr Vernunft agieren. Ich habe dann Köln versuchte Schottdorf eine auch gewonnen. Aus den früheren Prozessen hat- Unterlassungsklage durchzu- te ich schon ein Urvertrauen in die Justiz. Ich bin setzen. Gleichzeitig fand ein Ermittlungsverfahren gegen der Ansicht: Wenn ich Recht tue, brauche ich niemanden zu mich statt. Die Staatsanwaltschaft versuchte natürlich die fürchten. Dies ist ein guter Leitsatz für Journalisten. undichte Stelle zu finden. Schottdorfs Rechtsanwalt fragte mich in der Verhandlung, wie ich die Unterlagen zum Spen- Was sind die aktuellen Entwicklungen im Fall Schottdorf? denscheck an Stoiber erhalten habe. Mitte Januar 2016 wird am Landgericht Augsburg das Ur- teil gegen Schottdorf im dort anhängigen Verfahren wegen Was genau hat man Ihnen vorgeworfen? Betrugsverdachts erwartet. Am 26. Februar bin ich als Zeu- Die Staatsanwaltschaft vermutete, ich hätte einen Beamten ge vor den Schottdorf-Untersuchungsausschuss geladen. bestochen, um an das Material zu kommen. Dies war die Die Ermittlungen gegen mich wurden eingestellt, doch Herr „Anstiftung zum Geheimnisverrat“. Der zweite Tatbestand Schottdorf verfolgt mich weiterhin mit einer Unterlassungs- ergab sich aus dem Trugschluss, ich wäre im Besitz einer klage. Wir haben 2014 am Passauer Landgericht gewonnen Scheckkopie. Die Staatsanwälte wussten, dass Schottdorfs und er geht abermals in Berufung. Die Geschichte ist leider Foto: Hubert Denk Begleitschreiben zu der Spende bei einer Durchsuchung sei- noch nicht ganz ausgestanden. | nes Hauses in die Hände der Beamten gefallen war. Aber Sie wussten auch, dass die Beamten die Scheckkopie dort nicht Die Recherchen zum Fall Schottdorf können im Onlinemagazin gefunden hatten. Bürgerblick abgerufen werden. Die Fragen stellte Lukas Gawor. | Transparency Deutschland | Scheinwerfer 70
Themenschwerpunkt: Engagement gegen Korruption – Gesichter und Geschichten I 11 Siebeneinhalb Jahre Haft für Korruptionsrecherchen in höchsten Kreisen Der Fall der Journalistin Khadija Ismayilova offenbart Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan Von Heike Mayer Khadija Ismayilova sitzt in Einzelhaft. Ihre Familie darf schrieb Khadija Ismajilowa aus dem Gefängnis Kurdakhani sie nicht sehen, auch ihre Anwälte nicht. Doch ihr Wider- einen offenen Brief, den die New York Times veröffentlicht standsgeist scheint ungebrochen. „Ich trage meinen Kampf hat. Darin schreibt sie unter anderem: jetzt hier im Gefängnis aus“, schrieb sie im Sommer in ei- nem flammenden Appell. Die 39-jährige Journalistin hat- „Ich bin Journalistin und sitze im Gefängnis dafür, dass te für Radio Free Europe wiederholt über Korruption und ich Korruption auf den höchsten Ebenen der aserbaidschani- Amtsmissbrauch des Präsidenten von Aserbaidschan Ilham schen Regierung aufgedeckt habe. Ich bin zur Zielscheibe ge- Alijew und seiner Familie berichtet. Unter anderem soll Ali- worden, zusammen mit Dutzenden von anderen politischen jew sich am Bau der „Kristall-Halle“ für den European Song Gefangenen – Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, ju Contest 2012 bereichert haben. Seine Töchter sollen den gendliche Aktivisten, Politiker und andere – weil wir die größten Mobilfunkanbieter des Landes kontrollieren – auch Wahrheit über die Situation in meinem Land gesagt haben. dies hatte die Journalistin aufgedeckt. Aserbaidschans beste und hellste Köpfe wurden weggesperrt, versteckt für die eu- Im Dezember 2014 war sie festgenommen ropäischen Spiele. Sie wollten uns nicht worden, ein halbes Jahr später wurde sie sehen, unsere unbequemen Wahrheiten wegen Steuervergehen, Unterschlagung, nicht hören. Machtmissbrauch und illegaler Geschäfts- tätigkeit angeklagt. Am 1. September Die Wahrheit ist, dass Aserbaidschan 2015 erging das Urteil: Siebeneinhalb sich in einer Menschenrechtskrise befin- Jahre Haft. Indes scheint klar: „Khadija det. [...] Während die Oberen von Korrup Ismajilowas einziges Vergehen war, dass tion profitieren, müssen die gewöhnli- sie mutig und beharrlich über Korruption chen Menschen um Arbeit kämpfen, um und Vetternwirtschaft in höchsten Regie- ihr Leben, für ihre Freiheit kämpfen. Und rungskreisen recherchiert hat“, so Chris- wir müssen mit ihnen, für sie kämpfen. tian Mihr, Geschäftsführer von „Reporter Khadija Ismayilova [...] ohne Grenzen“, den medium online zitiert: „Das Urteil zielt eindeutig darauf ab, ein Exempel zu statu- Ich appelliere an die Internationale Gemeinschaft: Lassen ieren und alle Journalisten in Aserbeidschan einzuschüch- Sie sich von der Regierung Aserbaidschans nicht davon ab- tern.“ lenken, deren Korruption und Amtsmissbrauch zu registrie- ren. Kämpfen Sie für die Menschenrechte, für diejenigen, die Ihre Berufung wurde Ende November abgelehnt, berichtet zum Schweigen gebracht wurden. [...] das Journalistennetzwerk Reporter ohne Grenzen auf seiner Webseite. Dort zählt man Alijew zu den größten Feinden der Und bitte, fordern Sie nicht nur meine Freiheit; fordern Sie Pressefreiheit weltweit und setzt sich – unter anderem mit die Freilassung aller politischen Gefangenen. Stehen Sie auf einer Protestmail-Aktion – für die Freilassung Ismajilowas für die Meinungsfreiheit in Aserbaidschan. Stehen Sie auf und ihrer Kollegen ein. für die Menschenrechte.“ Vergangenen Juni fanden in Baku die „Europa-Spiele“ statt Ismajilowa hat mit Hilfe der Londoner Media Legal Defence – die Welt sprach von einem „Hochglanz-Spektakel“: Al- Initiative Klage gegen ihre Verhaftung beim Europäischen lein die Eröffnungsfeier habe 85 Millionen Euro gekostet. Gerichtshof für Menschenrechte eingelegt. Nach Informa- Staatspräsident Alijew habe seine Frau Mehriban Alijewa tionen von „Reporter ohne Grenzen“ wird der Prozess in für die gute Organisation des Sportereignisses mit dem Ali- Straßburg vorrangig behandelt und beginnt voraussichtlich Foto: ROG jew-Orden ausgezeichnet, der seinen Namen vom Vater des Anfang 2016. | heutigen Präsidenten, Gejdar Alijew, hat. Zur selben Zeit Scheinwerfer 70 | Transparency Deutschland |
12 | Themenschwerpunkt: Engagement gegen Korruption – Gesichter und Geschichten „Es ist nicht mehr das Interesse der Allgemeinheit, welches festlegt, worüber geforscht wird“ Interview mit Professor Christian Kreiß von der Hochschule Aalen Christian Kreiß lehrt an der Hochschule Aalen Volks- und Betriebswirt- schaftslehre. Vergangenen Herbst hat er die Johannes Gutenberg-Univer- sität Mainz auf die Veröffentlichung von Kooperationsverträgen mit der Boehringer Ingelheim Stiftung verklagt. Der Scheinwerfer hat den streit- baren Professor nach seinen Motiven und den Erfolgsaussichten gefragt. Warum haben Sie eine Klage gegen die Universität Mainz wird. Es gibt dort mehrere Stiftungsprofessuren und die eingereicht und worum geht es dabei? wissenschaftlichen Studien sind häufig sehr Atomenergie- Es gibt einen großen Vertrag über 100 Millionen Euro zwi- freundlich. schen der Boehringer Ingelheim Stiftung und der Universi- Selbst wenn die Stellenausschreibungen für solche Profes- tät Mainz, dessen genaue Inhalte nicht offen gelegt werden. sorenstellen ganz transparent stattfinden, so wird sich kein Der Vorsitzende der Unternehmensleitung der Boehringer Atomgegner darauf bewerben. Sollte er es tun, ist es eher Ingelheim GmbH und der Stiftung ist Andreas Barner. Er unwahrscheinlich, dass er die Stelle bekommt. Es ist nicht ist zugleich Präsident des Stifterverbands der deutschen mehr das Interesse der Allgemeinheit, welches festlegt, wo- Wissenschaft und Vorsitzender des Hochschulrates der rüber geforscht wird. Dort wo es kein Geld gibt, wird wenig Universität Mainz. Im Code of Conduct des Stifterverbands geforscht. Dies ist eine Verzerrung der Forschung in Rich- wird Transparenz in der Forschung gefordert. Die Verträge tung Industrie. der Boehringer Ingelheim Stiftung, bei denen Herr Barner selbst beteiligt ist, werden jedoch nicht veröffentlicht. Wenn Gibt es Branchen, die besonders davon betroffen sind? Transparenz heißt, dass diese Verträge geheim gehalten Ungefähr 90 Prozent aller veröffentlichten Studien im werden können, dann finde ich das schon beunruhigend. Pharmabereich werden durch die Pharmaindustrie gespon- sert. Etwa die Hälfte aller Studien wird nicht veröffentlicht Was hat den Anstoß für Ihren Schritt gegeben, vor Gericht und etwa elf Prozent durch Ghostwriting direkt von der zu ziehen, und wie ist der aktuelle Stand? Industrie geschrieben. Die Pharmaforschung ist strukturell Ich habe den Prozess um die Bayer Health Care und die verfälscht zugunsten der Hersteller. Das heißt, wir sehen Universität Köln verfolgt, wo es einen ähnlichen Kooperati- hier einen starken Publikationsbias, da fast nur die wohl- onsvertrag gegeben hat. Im Anschluss an den Prozess wurde wollenden Studien veröffentlicht werden. im August 2015 die Kooperation kommentarlos eingestellt. Wenn das Thema in die Öffentlichkeit gebracht und immer Nimmt Ihrer Meinung nach der Einfluss der Industrie auf wieder diskutiert wird, zum Beispiel bei künftigen Verträ- die Hochschulforschung zu? gen von Stiftungsprofessuren, wird Transparenz durch eine In den 14 Jahren, in denen ich an der Hochschule bin, hat kritische Öffentlichkeit eingefordert. Dies hat eine wichtige eine ganz starke Wendung hin zur Drittmittelorientierung Signalwirkung. Meine Klage habe ich Ende September 2015 in der Forschung stattgefunden, die es in dem Maße 2002 eingereicht und die Uni Mainz hat sie als unbegründet ab- nicht annähernd gab. In Ausschreibungen neuer Professo- gelehnt. Ich gehe davon aus, dass es im Frühling 2016 zu renstellen wird die Fähigkeit zur Drittmittelakquisition ver- einer Verhandlung kommen wird. langt. Auch die direkten Gelder aus der Industrie sind in der Zeit von 2000 bis 2010 von ungefähr 800 Millionen auf 1,3 Worin sehen Sie die Gefahr, wenn Hochschulforschung und Milliarden gewachsen. Die Zahl der gesponserten Lehrstühle Professorenstellen durch die Industrie finanziert werden? ist dramatisch gestiegen. | Foto: Christian Kreiß Über Industriegelder werden bestimmte Professoren mit einer richtungskonformen Forschung ausgewählt. Ein Bei- Die Fragen stellte Lukas Gawor. spiel ist das Energiewirtschaftliche Institut an der Univer- sität Köln, welches stark durch EON und RWE finanziert | Transparency Deutschland | Scheinwerfer 70
Themenschwerpunkt: Engagement gegen Korruption – Gesichter und Geschichten I 13 Madagaskar: Gemeinsam gegen Korruption Von Anja Schöne In Madagaskar ist Korruption an der Tagesordnung. Die Einwohner bekommen das auf kommunaler Ebene beson- ders zu spüren. Eine Wasserinitiative aus Anjozorobe hat sich mit Hilfe von Transparency International gegen kor- rupte Ranger zur Wehr gesetzt. Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparen- cy International steht der Inselstaat im Indischen Ozean auf Platz 133 von insgesamt 175, noch hinter Mali und Maure- tanien. Fast zwei Drittel der Einwohner gaben in der Befra- gung für das Globale Korruptionsbarometer von Transpa- Razakarivelo (vorn sitzend, mit blauer Mütze) und die Einwohner von Anjozorobe konnten rency International an, sie seien mindestens schon einmal sich erfolgreich gegen korrupte Forstarbeiter zur Wehr setzen. aufgefordert worden, Schmiergeld zu zahlen. Der erste Schritt: Korruptionsfälle melden Korruption und Bestechung ist für die gut 23,6 Millionen „Jeder hier weiß, dass die Abholzung des Waldes verboten Einwohner allgegenwärtig: an der Wahlurne, in Schulen ist. Wenn es also doch geschieht, kann man mit Sicherheit und Universitäten, vor Gericht, bei der Polizei und beson- sagen, da ist Korruption im Spiel“, erklärt Razakarivelo. ders bei den lokalen Behörden, zum Beispiel bei den Forst- Zunächst haben er und seine Kollegen allein den direkten behörden. Das Vertrauen der Bevölkerung in die kommunale Kontakt zu den Behörden gesucht. „Wir haben uns bei der Verwaltung ist entsprechend gering. Polizei und den Rangern über die illegale Abholzung und Holzkohlefeuer beschwert.“ Die Behörden haben zwar einige Kein Vertrauen in die lokalen Behörden Säcke mit Holzkohle beschlagnahmt. Doch die verschwan- Florant Adriamahavonjy ist Executive Director der Trans- den schnell und fanden über verschlungene Pfade doch den parency International Initiative Madagaskar. Er sagt: „Ei- Weg vorbei an den Kontrollstellen, die eigentlich dafür sor- nes der größten Korruptionsrisiken in den lokalen Forstbe- gen sollen, dass keine illegal erzeugten Güter das Natur- hörden sind die Mitarbeiter, die permanent versuchen, ihre schutzgebiet verlassen. Macht auszunutzen. Es gibt sehr viele Mitarbeiter und jeder versucht, auf seine Weise von seiner Position zu profitie- Als sie nicht mehr weiter wussten, haben sich Razakarivelo ren.“ und seine Initiative vor gut zwei Jahren an das ALAC ge- wandt. ALAC steht für Advocacy and Legal Advice Centres. Das mussten auch die Einwohner von Anjozorobe feststel- Transparency International hat diese Rechtsberatungsstel- len, berichtet Adriamahavonjy in einem Video auf der Web- len seit 2003 in zahlreichen Ländern etabliert. Heute gibt seite von Transparency International. Es erzählt auch fol- es 103 dieser Zentren in über 63 Ländern. Hier können Ein- gende Geschichte: In der Gemeinde nördlich der Hauptstadt wohner Korruptionsfälle melden und sich darüber infor- Antananarivo kümmert sich das örtliche Water Committee mieren, welche Möglichkeiten sie haben, rechtlich dagegen um die Betreuung und Instandhaltung des Brunnens. Ihr vorzugehen. Mit der Unterstützung der ALAC-Juristen hat Chef ist Razakarivelo. Täglich kontrolliert er die Quelle, die das Water Committee eine Beschwerde an das Forstministe- insgesamt fünf kleine Dörfer mit Trinkwasser versorgt. Der rium des Landes verfasst. Mit Erfolg: Das Ministerium sorg- Wald, in dem die Quelle liegt, ist ein geschütztes staatliches te dafür, dass der zuständige Ranger von seiner Position in Naturschutzgebiet. Abholzung und Holzverarbeitung sind Anjozorobe abgezogen wurde. in der Gegend eigentlich verboten. Foto: Transparency International Für die Menschen vor Ort hat sich gezeigt: Es lohnt es sich, Doch Razakarivelo und die Einwohner von Anjozorobe den Kampf gegen Korruption aufzunehmen, statt den Kopf mussten feststellen, dass in ihrem Wald immer wieder ohne in den Sand zu stecken. „Ich will Korruption bekämpfen, Genehmigung Bäume gefällt und Holzkohle hergestellt wur- denn sie ist schlecht für uns alle“, sagt Maloarisoa, eine der den. Durch Abholzung und Holzfeuer trocknete der Brun- Bewohnerinnen von Anjozorobe. „Dafür ist es wichtig, dass nen rasch aus – mit enormen Folgen für die Bevölkerung: wir Korruptionsfälle melden und mit den Organisationen Ihre Lebensmittelversorgung, Gesundheit und Sicherheit zusammenarbeiten, die ebenfalls dagegen kämpfen.“ | standen auf dem Spiel. Scheinwerfer 70 | Transparency Deutschland |
14 | Themenschwerpunkt: Engagement gegen Korruption – Gesichter und Geschichten Was bedeutet eigentlich Zivilgesellschaft? Von Peter Hammacher Der Begriff Zivilgesellschaft wurzelt in der Antike (politiké koinonia bei Aristoteles, im Lateinischen societas civilis) und hat seither viele Interpretationen erfahren. In den 1970er Jahren wurde er als Gegenentwurf zu staatlicher Bevor- mundung und reiner Marktwirtschaft entwickelt. In diesem Sinne wird er auch in letzter Zeit wieder verwendet – zum Beispiel beim „zivilgesellschaftlichen Bündnis TTIPunfairHandelbar“. Was verstehen wir heute unter Zivilgesellschaft? fel, Asyl; in Vereinen, Verbänden, Kirchen; in öffentlichen Funktionen, beispielsweise als Schöffen, Wahlhelfer, Feu- erwehr; in der Nachbarschaftshilfe und Selbsthilfe; in und von Unternehmen, zum Beispiel durch Geld- und Sachspen- den. Hinzuzurechnen ist das philanthropische Engagement von Stiftern und Fördervereinen, sowie das Engagement in Serviceclubs, wie zum Beispiel Rotary International. Auch Kirchen, Gewerkschaften und Unternehmensverbände be- greifen sich verstärkt als Teil der Zivilgesellschaft. „Bürgergesellschaft ist das Leitbild des bürgerschaftlichen Engagements. Bürgergesellschaft beschreibt ein Gemein- wesen, dem die Bürgerinnen und Bürger auf der Basis gesicherter Grundrechte und im Rahmen einer politisch verfassten Demokratie durch das Engagement in selbst- Es gibt kein einheitliches Verständnis von Zivilgesellschaft organisierten Vereinigungen und durch die Nutzung von – nicht in Deutschland und nicht global. Zur Erklärung Beteiligungsmöglichkeiten die Geschicke des Gemeinwe- und teilweise als Synonyme werden Begriffe verwandt sens wesentlich prägen können“, schreibt die Enquête- wie „Dritter Sektor“, „Bürgergesellschaft“, „Sozialkapital“, Kommission. „Nichtregierungsorganisation“, „Non-Profit-Organisation“, „Corporate Citizens“, „Gemeinnützigkeit“, „Gemeinwohl“, Es wird deutlich: der Begriff „Zivilgesellschaft“ taugt nicht „Bürgerbeteiligung“, „ehrenamtlich“, „freiwillig“, „unei- zur Abgrenzung. Das Engagement für das „Gemeinwohl“, gennützig“, „selbstbestimmt“. ist kein Privileg der Zivilgesellschaft. Die Einstufung ei- nes Engagements als „gemeinnützig“ ist rein steuerrecht- Zivilgesellschaft umfasst das Engagement eines jeden Ein- lich motiviert. Die Zurechnung von Organisationen und zelnen, seines Vereins, Verbandes, Unternehmens. Die von Akteursgruppen zur Zivilgesellschaft ist eine Frage des Bertelsmann Stiftung, Stifterverband für die Deutsche Wis- „Mehr-oder-Weniger“, nicht des „Entweder-Oder“, so die senschaft und Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsför- ZiviZ-Studie. derung 2013 herausgegebene Studie „ZiviZ – Zivilgesell- schaft in Zahlen“ schätzt für Deutschland 17,5 Millionen Entscheidend wird sein, das bürgerschaftliche Engagement Ehrenamtliche in mehr als 600.000 unterschiedlichsten so zu fördern und mit anderen gesellschaftlichen Kräften Vereinen, vor allem im Sport (25 Prozent) in Kultur, Me- zu verbinden, dass die globalen Ziele des Miteinanders dien, Bildung, Erziehung (32 Prozent) und in Freizeit und nachhaltig erreicht werden können. Wer sich in der Zi- Geselligkeit (8 Prozent). Fast drei Viertel der Organisatio- vilgesellschaft engagiert, sollte seine Motive selbstkritisch nen sind auf kommunaler Ebene aktiv, dort vor allem für prüfen und aufrichtig, verantwortlich und mit Respekt für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz, gemeinschaftliche die Bedürfnisse Anderer handeln. Dazu gehört auch ein Versorgungsaufgaben sowie Bürger- und Verbraucherinte- transparenter und wahrhaftiger Umgang mit Begriffen ressen. Im Bundesverband Deutscher Stiftungen sind, laut und Fakten. Der wahre Wert zivilgesellschaftlichen Enga- Jahresbericht 2014, mehr als 20.000 Stiftungen organisiert. gements liegt in der Haltung, die wir entwickeln, den an- Foto: Peter Hammacher deren gegenüber und uns selbst! | Die Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages un- terscheidet in ihrem Bericht aus dem Jahr 2002 Formen des Dr. Peter Hammacher ist Rechtsanwalt, Mediator und bürgerschaftlichen Engagements: politisch, zum Beispiel Schiedsrichter in Heidelberg. Er ist Ethikbeauftragter von in Gemeinderat, Bürgerinitiative; sozial, wie in Hospiz, Ta- Transparency Deutschland. | Transparency Deutschland | Scheinwerfer 70
Sie können auch lesen