Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser im Jahr 2020 - DVGW-EBI

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Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser im Jahr 2020 - DVGW-EBI
FACHBERICHT

Engler-Bunte-Institut des Karlsruher
Instituts für Technologie (KIT) und
TZW: DVGW-Technologiezentrum
Wasser im Jahr 2020
DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut des KIT, Forschungsstelle für Brand-
schutztechnik und TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser, Karlsruhe, Teil 3

Harald Horn, Thomas Kolb, Dimosthenis Trimis und Josef Klinger

Tätigkeitsbericht, Forschung und Lehre, Ausbildung, Weiterbildung

Dieser jährlich erscheinende Bericht gibt einen Überblick über die Entwicklungen und Aktivitäten am Engler-Bunte-Institut, der
DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut des KIT sowie der Forschungsstelle für Brandschutztechnik. Darüber hinaus
wird über das TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser berichtet. Wie es auch in den vergangenen Jahren gehandhabt wurde,
erscheinen die gasspezifischen Beiträge in gwf Gas + Energie (Teil 1: Ausgabe 6/2021, EBI ceb; Teil 2: Ausgabe 7-8/2021, EBI vbt)
und die wasserspezifischen Beiträge in gwf-Wasser | Abwasser (Teil 3: Ausgabe 6/2021, EBI WCT; Teil 4: Ausgabe 7-8/2021, TZW).
Typischerweise steht die Entwicklung der verschiedenen Einrichtungen mit Beiträgen aus der universitären Lehre, der Aus- und
Weiterbildung, über Forschungs- und Entwicklungsprojekte, über Beratung und Firmenkontakte im Fokus. In diesem Bericht
wird aber unstrittig auch immer wieder die Corona-Pandemie thematisiert werden, da sie sehr tief in die Organisation der For-
schungsarbeiten und vor allem der Lehre eingegriffen hat.

The annual report aims at giving an overview of developments and activities of the Engler-Bunte-Institut, the DVGW­
Research Center, the Research Center of Fire Protection Technology, and the TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser (Ger-
man Water Center). As every year, the gas related parts can be found in gwf Gas + Energie (part 1: issue 6/2021, EBI ceb; part
2: issue 7-8/2021, EBI vbt) and the water related parts in gwf-Wasser | Abwasser (part 3: issue 6/2021, EBI WCT; part 4: issue
7-8/2021, TZW). The report typically highlights academic teaching, courses and advanced education, and focuses on scien-
tific research and development projects, on consulting and contacts to business companies as well as on other activities.
However, the current annual report also addresses the effects of the corona pandemic, which does significantly influence the
daily work in research, consulting and of course teaching.

Zur Geschichte und zum Umfeld                                     Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist nach dem
 Das Engler-Bunte-Institut am Karlsruher Institut für Tech-       Zusammenschluss des Forschungszentrums Karlsruhe und
 nologie ist hervorgegangen aus der 1907 gegründeten              der Universität Karlsruhe im Jahre 2009 inzwischen eine
„Lehr- und Versuchsgasanstalt“ und führt seit 1971 den            feste Größe in der internationalen Forschungslandschaft.
 Namen „Engler-Bunte-Institut“. Die enge Verbindung zu            Dies gelingt mit dem hohen Anspruch, sich selbst als die
 praxisrelevanten Fragestellungen des Gas­- und Wasserfa-         Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft zu
 ches äußert sich darin, dass die jeweiligen Teilinstitutslei-    definieren. Im KIT wird seit dem Jahre 2015 ein übergeord-
 ter, gegenwärtig „Chemische Energieträger – Brennstoff-          neter Strategieprozess (Dachstrategie KIT 2025) umgesetzt,
 technologie“, „Verbrennungstechnik“ und „Wasserchemie            der als Konsequenz des zuvor erarbeiteten Leitbilds des KIT
 und Wassertechnologie“, auch in Personalunion Leiter             angesehen werden kann. Das KIT hat sich 2015 zum Ziel
 der entsprechenden Bereiche der DVGW-Forschungsstel-             gesetzt, maßgeblich Beiträge zu den Feldern Energie, Mo-
 le am Engler-Bunte-Institut des KIT sind.                        bilität und Information zu leisten. 2019 konnte das KIT im

www.gwf-wasser.de                                                                                                                   79
Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser im Jahr 2020 - DVGW-EBI
FACHBERICHT

     Rahmen der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern mit                 Landesrechnungshof 2020 nach einer Prüfung des Eng-
     dem Leitmotiv „Living the Change“ in den Kreis der Exzel-              ler-Bunte-Instituts in 2019 positiv adressiert. Die Organisa-
     lenzuniversitäten in Deutschland zurückkehren.                         tion des Engler-Bunte-Instituts ist in Bild 0.1 dargestellt.
     Unstrittig ist das Engler-Bunte-Institut (EBI) ein wichtiger           Seit 2020 ist Frau Dr.-Ing. Florencia Saravia die Leiterin des
     Baustein der Strategie, indem es das KIT-Leitbild mit rele-            Bereichs Wasserchemie und Wassertechnologie an der
     vanten Forschungsfragen/-projekten und der Ausbil-                     DVGW-Forschungsstelle des Engler-Bunte-Instituts.
     dung des ingenieur- und naturwissenschaftlichen Nach-                  Am Tag der Gesellschaft der Freunde des Engler-Bun-
     wuchses bespielt. So sieht das KIT sich „in der Verantwor-             te-Instituts (als online-Veranstaltung am 10. Juni 2020)
     tung, durch Forschung und Lehre Beiträge zur                           wurde auf der Kuratoriumssitzung des Engler-Bunte-Insti-
     nachhaltigen Lösung großer Aufgaben von Gesellschaft,                  tuts und in der Mitgliederversammlung einem neuen
     Wirtschaft und Umwelt zu leisten“. „Ingenieurwissen-                   Logo zugestimmt (siehe Bild 0.2).
     schaften, Naturwissenschaften sowie Geistes- und Sozial-               Darüber hinaus ging 2020 der seit 2019 von der Gesell-
     wissenschaften bilden den Fächerkanon des KIT. Mit ho-                 schaft der Freunde des Engler-Bunte-Instituts vergebene
     her interdisziplinärer Wechselwirkung erschließen sie                  Preis für die beste Masterarbeit an Herrn Fabian Hardock,
     Themenstellungen von den Grundlagen bis zur Anwen-                     der bei seiner Arbeit zu Rußpartikeln (Entwicklung und
     dung, von der Entwicklung neuer Technologien bis zur                   Validierung eines HRTEM-Bildauswertungsalgorithmus
     Reflexion des Verhältnisses von Mensch und Technik. Um                 zur nanostrukturellen Analyse von Rußpartikeln) von Prof.
     dies bestmöglich zu erreichen, erstreckt sich die For-                 Henning Bockhorn betreut wurde.
     schung am KIT über die gesamte Bandbreite: von der                     Nach dem Bezug der neuen Gebäude (40.50 und 40.51)
     Grundlagenforschung bis zu industrienaher, angewand-                   des Engler-Bunte-Instituts wurde im letzten Jahr auch
     ter Forschung, von kleinen Forschungsvorhaben bis zu                   die Kunst am Bau abgeschlossen. Es handelt sich bei
     langfristigen Großforschungsprojekten.“                                dem Objekt um einen länglichen Quader aus Eisen (Grau-
     Das Engler-Bunte-Institut am KIT zusammen mit der an-                  guss), der in zwei Teile gesprengt wurde, die nun vor
     geschlossenen DVGW-Forschungsstelle trägt seit Jahren                  dem Gebäude 40.51 installiert sind (siehe Bild 0.3). Ein
     mit einer sehr hohen internationalen Sichtbarkeit im Rah-              Video der Herstellung des Quaders und der anschließen-
     men von Forschungs- und Lehrtätigkeit zu den Themen-                   den Sprengung kann im Internetauftritt des Künstlers Ni-
     feldern Energie und Umwelt wesentlich zur Umsetzung                    no Maaskola gefunden werden (http://nino-maaskola.
     des KIT-Leitbilds bei. Diese Zusammenarbeit wurde vom                  de/40-tonnen/).

                                                   Engler-Bunte-Institut
                                                   am Karlsruher Institut für Technology (KIT)

     Chemische Energieträger                       Verbrennungstechnik                             Wasserchemie und
     – Brennstofftechnologie                       Prof. Dr. Dimosthenis Trimis
                                                   Prof. Dr. Nikolaos Zarzalis
                                                                                                   Wassertechnologie
     Prof. Dr. Thomas Kolb                                                                         Prof. Dr. Harald Horn
     Prof. Dr. Reinhard Rauch                       Forschungsstelle für   Prüflaboratorium Gas    Dr. Gudrun Abbt-Braun
                                                    Brandschutztechnik     Dr. Jens Hoffmann
                                                    Dr. Dietmar Schelb                                Wasserchemie und
       Gastechnologie /                                                                               Wassertechnologie
       Innere Dienste                                                                                 Dr. Florencia Saravia
       Dr. Frank Graf

                                                                    DVGW - Forschungsstelle
         ITC vgt am CN                                              am Engler-Bunte-Institut

     Bild 0.1: Aktuelle Organisationsstruktur des Engler-Bunte-Instituts und der DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut.
     Frau Dr.-Ing. Florencia Saravia ist seit 2020 Leiterin des Bereichs Wasserchemie und Wassertechnologie an der DVGW-Forschungsstelle.

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Forschung und Beratung am
Engler-Bunte-Institut und am TZW
Das Aufkommen von Forschungsprojekten aus dem Gas-­                 neu:                           alt:
und Verbrennungsfach sowie dem Wasserfach ist nach
wie vor sehr hoch. Die Mittel kommen dabei vom Land              Bild 0.2: Das neue Logo (links) des Engler-Bunte-Instituts,
BW (Ministerien, BW-Stiftung), dem Bund (DFG, BMBF,              rechts ist das alte Logo abgebildet.
BMWi, DBU, HGF) und der Europäischen Union. Die ein-
zelnen Forschungsprojekte werden in den Berichten der
Teilinstitute detaillierter dargestellt. Die aus der Praxis
entstehenden Fragestellungen werden vor allem in der           noch bis Anfang März in Präsenz angeboten wurde, wa-
DVGW-Forschungsstelle, der Abteilung Gastechnologie,           ren dann Vorlesungen und Seminare ab SS 2020 als on-
dem Prüflaboratorium Gas und der Forschungsstelle für          line Veranstaltungen für die Studierenden verfügbar.
Brandschutztechnik bearbeitet.                                 Einschränkungen gab es bei den großen Praktika, bei
Das TZW: DVGW-Technologiezentrum Wasser entwickelt             denen die Studierenden die Versuche als Video angebo-
auf der Basis seiner umfangreichen Forschungsaktivitä-         ten bekommen haben und dann auf der Basis von „Ver-
ten und Praxiserfahrungen Lösungen für alle Bereiche der       suchsergebnissen“ ihre Protokolle schreiben mussten.
nationalen und internationalen Wasserbranche vom Res-          Nur ein Teil der Praktika konnte im Sommer 2020 in Prä-
sourcenschutz über die Gewinnung und Aufbereitung              senz durchgeführt werden. Erfreulich war, dass wir die
bis hin zur Entnahmearmatur. Rund 200 Mitarbeiterinnen         Durchführung von Studien-, Bachelor- und Masterarbei-
und Mitarbeiter stehen Wasserversorgern, Unternehmen,          ten nahezu uneingeschränkt realisieren konnten, da der
Fachbehörden und Hochschulen partnerschaftlich zur             Zugang zu den Laboratorien nicht eingeschränkt war,
Seite. Das TZW liefert zuverlässige Zahlen, Daten und          solange die Abstandsregeln und die weiteren Schutz-
Fakten und entwickelt daraus innovative Konzepte für ei-       maßnahmen (wie das Tragen von Masken) eingehalten
ne zukunftsfähige Wasserversorgung. Organisatorisch ist        wurden.
das TZW untergliedert in die Fachabteilungen: Wasser-          Nach wie vor ist der Zugang von Studierenden in den
versorgung, Wasserchemie, Wasserbiologie, Wasserver-           ersten Semestern der Ingenieurstudiengänge an deut-
teilung und Prüfstelle Wasser.                                 schen Universitäten nicht zufriedenstellend. Auch der
Erfreulich war im Jahr 2020, dass nahezu alle Forschungs-      Bachelor-Studiengang „Chemieingenieurwesen und Ver-
arbeiten am EBI und am TZW trotz der Corona-Pandemie
weiterlaufen konnten. Dies wurde ermöglicht durch die
Erstellung von spezifischen Gefährdungsbeurteilungen
und den entsprechenden Betriebsanweisungen (ab März
2020) für das Arbeiten in den Werkstätten und Laboratori-
en auf der einen Seite und die intensive Nutzung der
Möglichkeit zum mobilen Arbeiten.
Zusätzlich zu den oben benannten Quellen der Förde-
rung durch die öffentliche Hand wird ein erheblicher An-
teil der Forschungsprojekte auch durch Aufträge aus In-
dustrie und Unternehmen finanziert. Ein Partner für be-
sonders innovative Forschungsideen ist die Gesellschaft
der Freunde des Engler-Bunte-Instituts, die die Teilinstitu-
te seit Jahren zuverlässig und zum Teil sehr großzügig
unterstützt. Die Ergebnisse der zahlreichen Forschungs-
projekte sind in einer beachtlichen Zahl von Publikatio-
nen dokumentiert, die in führenden internationalen
Fachjournalen mit strengen Begutachtungsverfahren er-
schienen sind. Die Verzeichnisse sind den Berichten der
einzelnen Teilinstitute zu entnehmen.

Lehre und Ausbildung
Im Grunde genommen stand die Lehre am Engler-Bun-                Bild 0.3: Kunstobjekt vor dem neuen Gebäude des
te-Institut das ganze Jahr 2020 unter dem Eindruck der           Engler-Bunte-Instituts.
Corona-Pandemie. Während die Lehre des WS 19/20

www.gwf-wasser.de                                                                                                              81
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     fahrenstechnik“ ist betroffen, konnte aber die Zahlen im        qualität, Mess-/Analysetechnik und Wasserbehandlung.
     WS 20/21 stabil halten. Der Bachelor-Studiengang „Bioin-        Neben der Studierenden­- und Doktorandenausbildung
     genieurwesen“ ist ausgelastet und stellt zurzeit ein Drittel    ist die Weiterbildung der bereits im Beruf stehenden
     der Studierenden im ersten Semester. Im Rahmen der              Fachleute ein zentraler Bestandteil des Programms am
     Studiengänge „Chemieingenieurwesen und Verfahrens-              Engler-Bunte-Institut. Leider musste für 2020 der Gas-
     technik“ und „Bioingenieurwesen“ beteiligt sich das Eng-        kursus am Engler-Bunte-Institut wegen der Pandemie
     ler-Bunte-Institut an der Grundausbildung und bietet in         abgesagt werden. Eine lange geplante internationale
     den Bereichen Brennstoffe, Energieverfahrenstechnik,            Konferenz „Biofilms9“ wurde mit 280 Teilnehmern on-
     Verbrennung und Wasserchemie/Wassertechnologie ei-              line durchgeführt.
     ne Reihe von Hauptfächern, Vertiefungsrichtungen und            Der folgende detailliertere Tätigkeitsbericht enthält wie
     Profilfächern an. Für den englischsprachigen Studien-           in den letzten Jahren Beiträge der drei Bereiche am Eng-
     gang „Water Science and Engineering“ wird vom Eng-              ler-Bunte-Institut und der angeschlossenen DVGW­
     ler-Bunte-Institut das Profil „Water Technologies & Urban       Forschungsstelle und des TZW: DVGW-Technologiezent-
     Water Cycle“ bedient, mit Veranstaltungen zur Wasser-           rum Wasser.

     3. Aktivitäten des Teilinstituts und der DVGW-Forschungsstelle,
     Wasserchemie und Wassertechnologie

     Harald Horn, Gudrun Abbt-Braun, Andrea Hille-Reichel, Florencia Saravia, Fritz H. Frimmel

     3.1 Forschung und Lehre                                         auch organische Säuren aus Hydrolysaten mit Hilfe der
     Forschung                                                       Nanofiltration (BMBF Projekt „ProBioLNG“) angereichert
     Das letzte Jahr war dominiert durch die Pandemie, die sich      oder die wässrige Phase aus der hydrothermalen Liquefak-
     in allen Lebensbereichen Bahn gebrochen hat. Das Thema          tion (HTL) von Klärschlamm behandelt (EU-Projekt).
     der mikrobiologischen Wasserqualität ist durch das Auftre-      Einen wichtigen Beitrag zur Bereitstellung von Lithium
     ten von SARS-CoV-2 Viren noch einmal verstärkt in den           aus „heimischen“ Quellen konnten Frau Saravia (EBI,
     Vordergrund getreten. Konkret muss die Frage nach der           DVGW) und Herr Grimmer (Geowissenschaften, KIT) mit
     mikrobiologischen Qualität der über kommunale und in-           einer Patentanmeldung leisten, die die Gewinnung von
     dustrielle Kläranlagen eingeleiteten Wässer aufgeworfen         Lithium aus Thermalwasser des Oberrheingrabens mit
     und beantwortet werden (Bogler et al. 2020). Bild 3.1 zeigt     einem Membranverfahren beschreibt. Hier ist die Ent-
     den mutmaßlichen Verbleib von SARS-CoV Viren in einer           wicklung des Verfahrens noch nicht abgeschlossen, un-
     kommunalen Kläranlage auf, wie er sich aus dem aktuellen        strittig ist aber das sehr große Potenzial, das in dem Be-
     Kenntnisstand ergibt. Eine sichere Entfernung wäre im Ab-       reich vorhanden ist.
     lauf Nachklärung nur mit weitergehenden (Desinfektions-)
     Verfahren möglich. Die Diskussion ist auch vor dem Hinter-      Lehre
     grund der Einleitungen von antibiotikaresistenten Bakteri-       Die Anzahl der Studienanfänger im Bachelorprogramm
     en und Antibiotikaresistenzgenen wichtig, da mit der so-        „Chemieingenieurwesen und Verfahrenstechnik“ konnte
     genannten vierten Reinigungsstufe teilweise Fakten ge-           im WS 2020/21 im Vergleich zum Vorjahr gehalten wer-
     schaffen werden, die die mikrobiologische Wasserqualität         den. Dort liegt die Auslastung unter 100 %. Im Vergleich
     nur unzureichend adressieren.                                    dazu sind die Anfängerzahlen im Bachelorprogramm
     Neben der Frage des Verbleibs von SARS-CoV Viren wur-           „Bioingenieurwesen“ stabil hoch mit einer Auslastung von
     den im letzten Jahr in der Wasserchemie und Wassertech-          über 100 %. Durch die sehr hohen Anfängerzahlen in den
     nologie verschiedene Projekte weitergeführt oder auch            vorigen Jahren sind die Studierenden in den Masterstudi-
     neu begonnen. Sehr erfreulich sind die Ergebnisse aus ei-        engängen „Chemieingenieurwesen und Verfahrenstech-
     nem Projekt, das hier an gleicher Stelle im letzten Jahr vor-    nik“ und „Bioingenieurwesen“ nahezu identisch mit de-
     gestellt wurde (BMBF Projekt „KompaGG-N“). Wir können            nen der Anfänger in Bachelorstudiengängen. Wie schon
     zeigen, dass mit Hilfe der Membrantechnik die (Vor-)Be-          in den Vorjahren erfreut sich der englischsprachige Mas-
     handlung von Gülle sehr gut möglich ist, in Abschnitt 3.2        terstudiengang „Water Science and Engineering“ einer
     werden die ersten Ergebnisse vorgestellt. Membranverfah-         sehr hohen nationalen und internationalen Nachfrage.
     ren spielen zusehends eine wichtige Rolle bei der Aufbe-         Vor allem die Veranstaltung „Water Technology“, „Mem-
     reitung verschiedenster wässriger Stoffströme. Neben der         brane Technology in Water Treatment“ und „Fundamen-
     Behandlung von Gülle mit Membranverfahren werden                 tals of Water Quality“ sind integrale und sehr stark be-

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FACHBERICHT

Bild 3.1: Die biologische Abwasserbehandlung ermöglicht den enzymatischen Abbau von organischen Kohlenstoffverbindungen,
aber auch die Entfernung von Viren. Dabei wird ein Teil der SARS-CoV-Erreger im Vorklärbecken ausgeschleust, andere sorbieren an
Belebtschlammflocken und werden dann mit dem Überschussschlamm entfernt. Im Anschluss an die Nachklärung besteht die Mög-
lichkeit zur weiteren Behandlung. Das Abwasser kann mit weitergehenden Oxidationsverfahren (AOP), UV und/oder Filtration über
verschiedene Membransysteme wie Ultrafiltration (z.B. in einem Membranbioreaktor, MBR) behandelt werden. Diese Abwässer kön-
nen durch dichte Membranen in der Nanofiltration oder Umkehrosmose weiter aufbereitet werden, um eine vollständige Entfernung
des Virus zu gewährleisten. Zum Teil übernommen aus (Bogler et al., 2020).

 suchte Veranstaltungen in den oben genannten Master-               als auch mit den Prozessen, die bei der Desintegration von
 studiengängen. Frau Dr. Borowska hat im Wintersemester             Klärschlamm auftreten. Sie setzt dabei auf unsere Kompe-
 zum ersten Mal die Veranstaltung „Micropollutants in               tenz bei der Fraktionierung des gelösten organischen
 Aquatic Environment – Determination, Elimination, En-              Kohlenstoffs (DOC) und die Möglichkeit, daraus die Ab-
 vironmental Impact“ erfolgreich gehalten. Alle Veranstal-          bauwege besser identifizieren zu können. In 2021 werden
 tungen sind in den letzten Jahren an die Studiengänge              zwei weitere Humboldt-Forschungsstipendiatinnen hin-
 angepasst worden.                                                  zukommen.
 Die Pandemie hat auch hier Spuren hinterlassen, da wir             Der ABC Kurs (Advanced Biofilm Course), der 2020 in Karls-
 alle Vorlesungen seit April 2020 online anbieten. Erfreuli-        ruhe stattfinden sollte, ist am Ende der Pandemie zum
 cherweise konnten wir die Praktika zur Grundvorlesung              Opfer gefallen. Wir hoffen, dass wir den Kurs spätestens in
„Allgemeine Chemie und Chemie der wässrigen Lösun-                  2022 wieder aufnehmen können. Stattgefunden hat aber
 gen“ im letzten Jahr im Sommer noch zur Hälfte in Prä-             die internationale Tagung „Biofilms9“, die wir zusammen
 senz durchführen.                                                  mit den Angewandten Biowissenschaften des KIT (Johan-
                                                                    nes Gescher) Anfang Oktober 2020, während drei Tagen
Internationale Kooperationen                                        online durchgeführt haben. Dazu konnten wir über 280
in Forschung und Lehre                                              Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus mehr als 30 Ländern
Die Forschung in der Wasserchemie und Wassertechnolo-               gewinnen. Spannend war in der Tat, dass wir mit nur drei
gie am Engler-Bunte-Institut erfreut sich international ei-         Personen die Vortragssessions organisiert haben. Die Pos-
ner großen Aufmerksamkeit. Seit dem letzten Jahr haben              tersessions konnten mit der Unterstützung aller Doktoran-
wir einen Humboldt-Forschungsstipendiaten und eine                  den und Doktorandinnen sehr individuell gestaltet wer-
-stipendiatin am Institut. Dr. Samuel Bunani aus Burundi            den, und boten den Wissenschaftlern und Wissenschaftle-
untersucht die Abtrennung von Schwermetallen unter                  rinnen eine optimale Plattform für Diskussionen.
Einfluss von Huminstoffen mit der Elektrodialyse. Frau Dr.
Keke Xiao aus China beschäftigt sich sowohl mit der Ent-            Promotionen
fernung von organischen Spurenstoffen aus Klärschlamm,              Im Jahr 2020 konnten vier Doktoranden und Doktorandin-

www.gwf-wasser.de                                                                                                                  83
FACHBERICHT

     nen ihre Promotionen in unserem Institut abschließen. Im        meatstroms JP (temperaturgekoppelt) führte ebenfalls zur
     August verteidigte Frau M. Sc. Annika Bauer ihre Disserta-      verstärkten Bildung von Calcit-Scaling. Dies wurde durch
     tion mit dem Titel „Einsatz der optischen Kohärenztomo-         das vermehrte Auftreten von temporären lokalen Super-
     graphie zur kontinuierlichen Überwachung von Scaling            konzentrationen bei hohem JP erklärt. Die Variation der
     bei der Membrandestillation” (Referent: Prof. Dr. Harald        Konfiguration von Direct Contact zu Air Gap hatte keinen
     Horn; Korreferent: Prof. Dr.-Ing. Mathias Ernst (Technische     Einfluss auf das Wachstum der anorganischen Deck-
     Universität Hamburg)). Die Arbeit ist im Folgenden kurz         schicht. Durch die Änderung der Wassermatrix bildeten
     zusammengefasst:                                                sich ähnliche Scalingschichten aus Calcit und Magnesium-
     Die Membrandestillation (MD) ist ein junges und innovati-       calcit. Beide führten zur identischen Reduktion des Per-
     ves Verfahren zur thermischen Aufbereitung hoch saliner         meatstroms, die durch unterschiedliche Bedeckungsgra-
     Wässer. Die Separation anhand einer hydrophoben Mem-            de in Kombination mit signifikant verschiedenen Kristall-
     bran wird durch den Phasenübergang von volatilen Kom-           morphologien hervorgerufen wurde. Die alleinige
     ponenten bei gleichzeitigem Rückhalt der flüssigen Be-          Detektion von JP lieferte damit nur unzureichend genaue
     standteile erreicht. Im (Langzeit-)Betrieb bilden sich häufig   Informationen, die nur eingeschränkt für die Interpretati-
     Deckschichten, die bei hoch salzigen Wässern hauptsäch-         on von Scaling genutzt werden konnten. Die Bestim-
     lich aus Scaling bestehen und zu einem Rückgang des             mung der Scalingparameter verdeutlichte die Unter-
     Permeatstroms und einer Verschlechterung der Permeat-           schiede hingegen klar und lieferte neben der Wachs-
     qualität führen können. Die Detektion des Permeatstroms         tumsgeschwindigkeit auch Informationen über die
     ist derzeit die Methode der Wahl, um auf die Bildung von        Morphologie der Kristalle.
     Scaling zu schließen. Ein ganzheitliches, nichtinvasives Mo-    Die Menge an chemisch abgereinigtem Calciumsulfat
     nitoring der Membran im laufenden MD-Betrieb existiert          wurde in situ untersucht und anhand der Scalingparame-
     nicht, und auch die Bestätigung von Scaling auf der Mem-        ter quantifiziert. Neben dem idealen Zeitpunkt zur Reini-
     bran wird vornehmlich ex situ nach Abschluss des Experi-        gung konnten damit auch die Reinigungsdauer und die
     ments durchgeführt. In der vorliegenden Arbeit wurde,           Effektivität der verwendeten Chemikalien bestimmt wer-
     basierend auf der optischen Kohärenztomographie (OCT),          den. Dabei zeigte Zitronensäure eine verbesserte Reini-
     eine Methode zur sicheren Visualisierung und Quantifizie-       gungskinetik gegenüber Natronlauge.
     rung von anorganischen Deckschichten entwickelt und im          Die in dieser Arbeit entwickelte Methode stellt damit ein
     laufenden MD-Betrieb angewandt.                                 Werkzeug zur ganzheitlichen Optimierung der Membran-
     In einer vollautomatisierten Membrandestillationslabor-         destillation in Bezug auf die Bildung von Scaling dar und
     anlage wurden konzentriertes Ostseewasser (OstWK)               liefert durch die nichtinvasive Anwendung Informationen
     und Leitungswasser der Stadt Karlsruhe (KALW) behan-            zur morphologischen Entwicklung der Deckschicht.
     delt und das Wachstum der Deckschicht auf den Einfluss          Im November schloss Frau M. Sc. Luisa Gierl ihre Disser-
     variierender Prozessparameter mittels OCT untersucht.           tation mit dem Thema „Untersuchungen zum Einfluss
     An einer manuellen Membrandestillationslaboranlage              von Eisen auf die Struktur und mechanischen Eigenschaf-
     wurde zudem die chemische Reinigung mittels Zitronen-           ten von Bacillus subtilis Biofilmen“ ab (Referent: Prof. Dr.
     säure und Natronlauge an einer Scalingschicht aus Calci-        Harald Horn; Korreferent: Prof. Dr. Johannes Gescher (KIT)):
     umsulfat prozessbegleitend bewertet.                            Biofilme sind Aggregationen von Mikroorganismen, die in
     Basierend auf ImageJ und Matlab wurde eine Methode              einer Matrix aus extrazellulären polymeren Substanzen
     zur Bearbeitung der digitalen OCT-Datensätze entwickelt,        (EPS) eingebettet sind und hauptsächlich an Grenzflächen
     die neben der Visualisierung vor allem eine sichere Quan-       in wässrigen Umgebungen auftreten. Die Biofilmforschung
     tifizierung des Scalings auf der Membranoberfläche er-          ist von großem Interesse, um operative Parameter in Tröpf-
     möglichte. Gebildete Artefakte – hervorgerufen durch            chen-Bewässerungssystemen, Kläranlagen, Trinkwasserauf-
     die Eigenschaften der Salzkristalle – wurden durch die          bereitungssystemen oder auch in Reaktorsystemen zur
     PolyFIT Methode kompensiert und die Fehlerrate deut-            Produktion von Chemikalien bestimmen zu können.
     lich reduziert. Neu entwickelte Scalingparameter ermög-         In der Dissertation wurde deshalb auf die Biofilmentwick-
     lichten zudem eine objektive morphologische Bewer-              lung sowie auf die Interaktion des Biofilms mit seiner Umge-
     tung des Membranzustandes und können als membran-               bung (Fluid-Struktur-Dynamik) unter dem Einfluss verschie-
     basierte Prozessleitparameter eingesetzt werden.                dener Eisenkonzentrationen (β = 0,25 und 2,5 mg/L Fe2+)
     Die gezielte Veränderung der Temperatur hatte einen             sowie Volumenströmen (Q = 1 und 5 mL/min) näher einge-
     maßgeblichen Einfluss auf die Bildung von Calcit-Deck-          gangen. Dabei fanden Wachstumsexperimente im Hin-
     schichten. Eine erhöhte Prozesstemperatur setzte die Lös-       blick auf strukturelle Biofilmeigenschaften sowie Deforma-
     lichkeit der Ionen herab und führte damit zu einer massi-       tionsstudien unter dem Aspekt der Analyse mechanischer
     ven und schnellen Bildung von großen Kristallen auf der         Biofilmeigenschaften in Fließzellen statt. Weiterhin wurde
     Membranoberfläche. Die schrittweise Erhöhung des Per-           die Automatisierung von Laborabläufen sowie die Auto-

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FACHBERICHT

matisierung der Versuchsauswertung näher betrachtet.            ten Ansatz und stellt ein neues Messkonzept für die nicht­-
Die Untersuchungen erfolgten dabei mittels optischer            invasive Untersuchung der CP in situ vor.
Kohärenztomographie (OCT). Die OCT ist ein Verfahren,           Mittels Raman-Mikrospektroskopie (RM) wurde die Kon-
welches die Biofilmstruktur in situ, nichtinvasiv und hoch-     zentrationspolarisationsgrenzschicht (CPL) von Sulfat im
auflösend abbildet. Die Integration der OCT in ein neues        Labor in situ gemessen. Dafür wurde eigens eine Nano-
und automatisiertes Kultivierungs- und Monitoringsystem         filtrations(NF)-Flachkanalzelle entwickelt, die es erlaubt,
zeigte hier die Notwendigkeit einer Mindestanzahl von           die CPL in einer Umgebung zu messen, welche repräsen-
statistisch relevanten Biofilmreplikaten und die Möglich-       tativ für in der Praxis verwendete Wickelmodule ist (Ka-
keit, diese mit dem System simultan abzubilden.                 nalhöhe 0,7 mm, ausstattbar mit kommerziellen Spacern).
Eine Differenzierung der Biofilmentwicklung bzw. -stabili-      Ziel war, RM als neue Messtechnik für die ortsaufgelöste
tät unter verschiedenen Wachstumsbedingungen konn-              Untersuchung von Konzentrationsgradienten in der NF
te unter Anwendung des Kultivierungs- und Monito-               und Umkehrosmose (RO) vorzustellen.
ringsystems beurteilt werden. Die Arbeit zeigt dabei, dass      Die NF-Membrananlage wurde mit einer Modelllösung
eine Zugabe von Fe2+ zum Kultivierungsmedium die Dif-           (Magnesiumsulfat gelöst in demineralisiertem Wasser)
ferenzierung zu voll entwickelten Biofilmen maßgeblich          bei einem konstanten Systemdruck von 10 bar betrieben.
beeinflusst. Es wurde nachgewiesen, dass erhöhte Men-           Übliche Messparameter zur Bestimmung der Filtrations-
gen an Fe2+ (2,5 mg/L) das Biofilmwachstum bezogen auf          leistung, unter anderem Ausbeute, Leitfähigkeit im Per-
die Biofilmdicke, Fließkanalbedeckung sowie weitere             meat etc., wurden aufgezeichnet. Der Membranrückhalt
Strukturparameter förderte. Dabei lagerten sich unter-          betrug mindestens 96 %. Konzentrationsprofile wurden
schiedliche Modifikationen von Eisenoxidhydroxiden              mit und ohne Spacer für Sulfatkonzentrationen von 10
x-FeO(OH) in die Biofilmmatrix ein.                             und 20 g/L im Zulauf an mehreren Positionen entlang
Innerhalb von Deformationsstudien wurde weiterhin illust-       des Membrankanals gemessen. Die Strömungsgeschwin-
riert, dass auch nach Wandschubspannungen von                   digkeit wurde im Bereich 0,004 bis 0,2 m/s variiert, wo-
τW = 16 Pa noch Biofilmmasse in den Fließzellen vorhanden       durch eine Ausbeute zwischen 0,5 und 31 % erreicht
war, was vor allem für Aufreinigungsprozesse in Trinkwas-       wurde. Es wurden sowohl 1D-Tiefenprofile als auch
sersystemen von Bedeutung ist. Weiterhin zeigten die Ver-       3D-Scans durchgeführt. Die Messergebnisse zeigten
suche, dass ein erhöhtes Vorkommen von Fe2+ im Nährme-          übereinstimmend, dass eine höhere Ausbeute zu einer
dium zu einer erhöhten Kompressibilität der Biofilme führt.     Konzentrationserhöhung an der Membranoberfläche
Die Ergebnisse der Dissertation begründen die Notwen-           führt. Zudem wurde bei Strömungsgeschwindigkeiten in
digkeit der Durchführung von Replikaten in der Biofilm-         der Größenordnung mm/s, ein Einfluss der Membranori-
forschung. Weiterhin zeigen sie auch die Notwendigkeit          entierung beobachtet. Filtration entgegen der Schwer-
der Nutzung einer Vielzahl von Strukturparametern zur           kraft hatte eine höhere Ausbeute und Permeatqualität
vollständigen Analyse der Fluid-Biofilm-Interaktion und         zur Folge. Die RM Messungen zeigten, dass dafür ein ver-
der Biofilmentwicklung. Auch wird demonstriert, dass ei-        besserter Stofftransport an der Membranoberfläche
ne Automatisierung der Analyse mechanischer Biofilmei-          durch natürliche Konvektion (Rayleigh-Taylor-Instabilität,
genschaften sinnvoll ist. Da die physikalische Struktur ei-     RTI) verantwortlich ist. Damit wurde hierin auch erstmals
nes Biofilms die Interaktion mit seiner Umgebung deter-         RTI in einem NF-System in situ gemessen. Bei den RM
miniert, sind die Ergebnisse von großer Bedeutung für           Messungen mit Spacer zeigte sich bei geringen Strö-
den Forschungsbereich Biofilmkontrolle.                         mungsgeschwindigkeiten eine charakteristische Konzen-
Ebenfalls im November konnte Herr M. Sc. Jung seine Dis-        trationsverteilung. Der Vergleich mit simulierten Strö-
sertation zum Thema „Raman microspectroscopy for in-si-         mungsprofilen in der Fachliteratur zeigte eine große
tu measurement of concentration polarization in nanofilt-       Ähnlichkeit zwischen Simulations- und Messergebnissen.
ration“ erfolgreich verteidigen (Referent: Prof. Dr. Harald     Inwieweit RM auch auf die Untersuchung komplexer Fou-
Horn; Korreferent: Prof. Dr. Cristian Picioreanu (King Abdul-   lingphänomene in der Membranfiltration angewendet
lah University of Science and Technology, Saudi-Arabien)).      werden kann, wurde anhand von Biofouling untersucht.
Im Folgenden ist eine Kurzfassung der Arbeit abgedruckt:        Dazu wurde die NF-Anlage mit einer Nährlösung betrie-
Konzentrationspolarisation (CP) beschreibt ein Phäno-           ben, welcher Kulturen von Bacillus subtilis zugesetzt wur-
men des Stofftransports gelöster Teilchen an der Mem-           den. Ziel war es, den Einfluss eines Biofilms an der Mem-
branoberfläche druckbetriebener Membrananlagen. Die             branoberfläche auf die CPL zu untersuchen. Zur Analyse
sich bildende Grenzschicht hat eine Dicke in der Größen-        des Biofilms wurde die optische Kohärenztomographie
ordnung von Mikrometern. Daher ist CP experimentell             (OCT) verwendet. Dabei wurde festgestellt, dass die me-
nur schwer zugänglich, weshalb das Phänomen in der              chanischen Eigenschaften des Biofilms mit den Betrieb-
allgemeinen Forschung meist mit indirekten Methoden             sparametern der Membranfiltration zusammenhängen.
untersucht wird. Diese Arbeit verfolgt jedoch einen direk-      Insbesondere führten Änderungen des Permeatflusses

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FACHBERICHT

     zu Änderungen der Biofilmdicke durch Kompression und             defutter als Modell für Küchenabfälle verwendet. Die
     Relaxation. Es wurden Konzentrationsprofile für vier Biofil-     ausgewählten Inokula umfassten eine gemischte Bakte-
     me unterschiedlicher Dicke im Bereich von 20 bis 100 µm          rienkultur, die über 24 Monate für das Wachstum auf
     gemessen. Die Ergebnisse bestätigten, dass Biofilme zu           Cellulose selektiert wurde, Milch und Ziegenweichkäse.
     einer Erhöhung der Salzkonzentration an der Mem-                 Die Batchtests wurden bei pH 4, pH 6 und pH 8 sowohl
     branoberfläche führen und damit weitere Foulingtypen,            für unbehandeltes als auch für vorbehandeltes Hunde-
     insbesondere Scaling, gefördert werden.                          futter durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Pro-
     Die Möglichkeiten und Schwierigkeiten der Messmetho-             duktion von Propionsäure und anderen flüchtigen Fett-
     de werden durchgängig kritisch diskutiert. Sphärische            säuren deutlich vom gewählten Inokulum und dem ein-
     Aberration aufgrund der Lichtbrechung beim Durchgang             gestellten pH-Wert abhängt.
     durch verschiedene Medien mit unterschiedlichen Bre-             Die maximalen Propionsäureproduktionsraten und
     chungsindizes stellt eine der größten Herausforderungen          Ausbeuten wurden für das Käse-Inokulum bei pH 6 un-
     für das Messprinzip dar. Sie führt zu Verlust von Signalin-      ter Verwendung von unbehandeltem und vorbehan-
     tensität und hat eine Verminderung der Tiefenschärfe zur         deltem Hundefutter bestimmt. Die Propionsäurekon-
     Folge. Komplexe Strömungsfelder, welche eine Schich-             zentration erreichte 10 bzw. 26,5 g/L. Die höchste Kon-
     tung von Salzlösung unterschiedlicher Brechkraft zur Fol-        zentration an flüchtigen Fettsäuren von ungefähr
     ge haben, führen zu einer Unterbewertung der Salzkon-            60 g/L wurde erhalten, wenn Milch als Inokulum ver-
     zentration an der Membranoberfläche. Die beobachtete             wendet wurde, um vorbehandeltes Hundefutter bei
     Komprimierbarkeit der Biofilme stellt eine weitere Proble-       pH 8 zu fermentieren. Die Verbesserung der Propionsäu-
     matik für die Messmethodik dar und hat bei größeren              reproduktion aus Hundefutter und Küchenabfällen wur-
     Filmdicken eine deutliche Überbewertung der Salzkon-             de auch in einem halbkontinuierlichen anaeroben
     zentration an der Membranoberfläche zur Folge.                   12 L-Hydrolysereaktor untersucht. Drei Betriebsläufe wur-
     In dieser Arbeit wurden Konzentrationsprofile in der             den bei einem pH-Wert von 6,0 ± 0,1 jeweils für mehr
     Grenzschicht über einer NF-Membran direkt, nichtinvasiv          als drei Monate durchgeführt. Dabei wurden zwei der
     und ortsaufgelöst gemessen. Das vorgeschlagene Mess-             auch in den Batchtests untersuchten Inokula verglichen,
     konzept ist praktisch nutzbar, benutzerfreundlich und            die gemischte mikrobielle Kultur und die in Ziegenkäse
     erlaubt darüber hinaus die Nutzung von Spacern sowie             enthaltene Kultur. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass
     die Untersuchung komplexer Foulingphänomene.                     das Ziegenkäse-Inokulum für die Propionsäureproduk-
     Frau M.Sc. Rowayda Ali schloss ihre Doktorarbeit im De-          tion effizienter war, was zu einer Erhöhung um 50 %
     zember 2020 ab. Der Titel ihrer Dissertation lautet „Propi-      führte. Die höchste Propionsäurekonzentration wurde
     onic acid production through anaerobic fermentation of           mit 139 mmol/L unter Verwendung von Hundefutter
     food waste“ (Referent: Prof. Dr. Harald Horn; Korreferent:       und mit 105 mmol/L unter Verwendung von Küchen-
     Prof. Dr. Johannes Gescher (KIT)):                               abfällen erreicht. Darüber hinaus wurde beobachtet,
     Das Streben nach der Minimierung von Abfällen in Verbin-         dass die Propionsäureproduktion durch eine Kombina-
     dung mit der Rückgewinnung von Ressourcen hat die                tion einer relativ hohen hydraulischen Retentionszeit
     Aufmerksamkeit auf die Verwendung von Lebensmittelab-            (HRT) mit einer relativ niedrigen organischen Bela-
     fällen als Ausgangsstoffen für die Herstellung hochwerti-        dungsrate (OLR) erhöht wurde, da dies eine ausreichen-
     ger Produkte gelenkt. Weltweit fallen jährlich rund 1,3 Milli-   de Zeit für die vollständige Verarbeitung der komple-
     arden Tonnen Lebensmittelabfälle an. Diese Abfälle wer-          xen organischen Substrate sicherstellt. Weiterhin wurde
     den immer noch auf Deponien abgeladen oder verbrannt,            die Vorbehandlung der Fermentationsbrühen von fer-
     was zu Treibhausgasemissionen führt. Die biologische             mentiertem Hundefutter und Küchenabfällen als erster
     Umwandlung von Lebensmittelabfällen in Mehrwertpro-              Schritt im Propionsäureaufbereitungsprozess unter-
     dukte wie Propionsäure ist daher ein vielversprechender          sucht. Hierbei wurden zunächst unter Verwendung ei-
     Ansatz für die Entwicklung einer biobasierten Wirtschaft         ner Trenneinheit große Partikel aus der Fermentations-
     und die Verringerung der Abhängigkeit von nicht erneuer-         brühe entfernt, in der Folge wurden die übrigen
     baren fossilen Ressourcen. Ziel der vorliegenden Dissertati-     suspendierten Partikel durch ein getauchtes Mikrofiltra-
     on war es, die Propionsäureproduktion aus Lebensmittel-          tionsmembransystem abgetrennt. Es wurde gezeigt,
     abfällen durch anaerobe Fermentation zu verbessern.              dass die Trenneinheit ein effizientes Vorbehandlungs-
     Dementsprechend wurden verschiedene Batch- und halb-             verfahren für den Mikrofiltrationsprozess ist. Die Einheit
     kontinuierliche Fermentationsexperimente bei mesophiler          konnte mehr als 86 % der gesamten suspendierten
     Temperatur (30 °C) durchgeführt. Der Einfluss des Inoku-         Feststoffe aus der Fermentationsbrühe entfernen. Die
     lums, des pH-Werts und der thermischen Vorbehandlung             Mikrofiltrationsmembran wurde erfolgreich zur Abtren-
     des Substrats wurde mit Batch-Fermentationstests im La-          nung von Partikeln im Hydrolysat eingesetzt. Die Ver-
     bormaßstab untersucht. Als Substrat wurde veganes Hun-           wendung von Mikrofiltrationsmembranen mit einer

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FACHBERICHT

Tabelle 3.1: In Arbeit befindliche, im Jahre 2020 abgeschlossene* und neu begonnene Forschungsprojekte.
Schwerpunkt        Projektmitarbeiter/Innen      Thema                                                      Förderung
Wasserqualität     Alondra Alvarado              Hydrolyse partikulärer organischer Stoffe bei der          National Council on Science and
                   Stephanie West                anaeroben und aeroben Abwasserbehandlung*                  Technology, Mexiko, Dt. Akad. Aus-
                   Gudrun Abbt-Braun                                                                        tauschdienst (DAAD), DVGW
                   Samuel Bunani                 Einsatz der Elektrodialyse zur Abtrennung von              Alexander von Humboldt Stiftung,
                                                 Schwermetallen                                             KIT
                   Amélie Chabilan               Verhalten von Antibiotika in Flüssen und Flusssedi-        Baden-Württemberg Stiftung, KIT
                   Ewa Borowska                  menten und ihre Auswirkungen auf die Ausbreitung
                                                 der Antibiotikaresistenzen in der natürlichen Umwelt
                   Harald Horn                   DVGW-Innovations-Scouting-Wasser                           DVGW
                   Stephanie Kaschewski          Anwendung neuer Technologien, wie das Internet of          BOSCH
                                                 Things und künstliche Intelligenz, zur Verbesserung
                                                 der Trinkwasserversorgung in Wohngebäuden
                   Tim Schwarzenberger           Verifizierung und Optimierung eines kombiniert vari-       DVGW-Technologiezentrum Wasser
                                                 ablen Ansatzes zur mikrobiologischen Validierung           (TZW)
                                                 von mono- und polychromatischen UV-Systemen
                   Lara Stelmaszyk               Methodenentwicklung für die Quantifizierung von            TZW
                                                 Antibiotikaresistenzgenen anhand PCR-basierter Ver-
                                                 fahren und Kulturverfahren
                   Stephanie West                Weiterentwicklung und Validierung der Durchflusszy-        DVGW
                                                 tometrie als schnelle Detektionsmethode für Bakterien
                                                 in Roh- und Trinkwasser (FlowDetect; Verbundprojekt)*
                   Stephanie West                Mikroorganismen und Turbulenz – Wasserqualitäts-           Baden-Württemberg Stiftung
                                                 vorhersage (MOAT, Verbundprojekt)*
                   Stephan Zimmermann            Verhalten von Krebsmedikamenten bei Oxidations-            KIT
                   Ewa Borowska                  verfahren in der Wasseraufbereitung
Wasser-            Rowayda Ali                   Entwicklung von Kaskadenreaktoren zur Umsetzung            Bundesministerium für Bildung und
technologie        Jinpeng Liu                   biogener Abfallströme in Wasserstoff und Propionat         Forschung (BMBF), Islamic Develop-
                   Andrea Hille-Reichel          (RECICL; Verbundprojekt)                                   ment Bank, Saudi Arabia
                   Florencia Saravia
                   Michael Wagner
                   Andreas Netsch                Entwicklung und Demonstration einer energieeffizi-         BMBF
                   Michael Wagner                enten bioelektrochemischen Abwasserbehandlung
                                                 im technischen Maßstab mit Einhaltung gesetzlicher
                                                 Anforderungen zur Ablaufqualität (Demo-BioBZ; Ver-
                                                 bundprojekt)
                   Giorgio Pratofiorito          Entwicklung einer ressourcen- und kosteneffizienten        BMBF
                   Florencia Saravia             Prozesskette zur dezentralen Produktion von LNG auf
                                                 der Basis innovativer Konversions-, Power-to-Gas- und
                                                 Gasaufbereitungsverfahren (ProBioLNG; Verbundpro-
                                                 jekt)
                   Prantik Samanta               Komplettaufbereitung von Gülle und Gärresten unter         BMBF
                   Florencia Saravia             Berücksichtigung regionaler Stoffstromkonzepte für
                                                 Nähr- und Schadstoffe (KompaGG-N; Verbundpro-
                                                 jekt)
                   Ali Sayegh                    Verarbeitung hydrothermaler Verflüssigungsprodukte         Europäische Kommission
                   Florencia Saravia             mit Membrantechnologien (Verbundprojekt)
                   Michael Sturm                 Mikroplastikfreie Meersalzgewinnung – Entwicklung          Deutsche Bundesstiftung Umwelt,
                                                 eines methodologischen und technologischen Ver-            Bundesministerium für Wirtschaft
                                                 fahrens zur Reduktion der Mikroplastikbelastung bei        und Energie (BMWi) – Zentrales In-
                                                 der Meersalzgewinnung                                      novationsprogramm Mittelstand
                   Dámare Araya, Valenzuela      Fallstudie zur Implementation von Wassertechnolo-          National Agency of Research and
                   Florencia Saravia             gien in ariden Gebieten                                    Development, Chile, DAAD, KIT
Biologische Ab-    Keke Xiao                     Verhalten organischer Stoffe (refraktäre Stoffe, organi-   Alexander von Humboldt Stiftung,
wasserreinigung                                  sche Spurenstoffe) bei der Klärschlammbehandlung           KIT

www.gwf-wasser.de                                                                                                                           87
FACHBERICHT

Biologische        Luisa Gierl                  Nutzung von multidimensionalen Bilddaten der opti- Deutsche Forschungsgemeinschaft
Grenzflächen       Michael Wagner               schen Kohärenztomographie zur Entwicklung eines (DFG)
                                                multiphysikalischen Biofilmmodells*
                   Max Hackbarth                Mikrobielle Elektrosynthese zur Bioplastik Produktion BMBF
                   Andrea Hille-Reichel         aus Rauchgas (BioElectroPlast; Verbundprojekt)*
                   Michael Wagner
                   Max Hackbarth                Biotechnologische Produktion von Plattform-Chemi- Bioökonomie, Land Baden-Würt-
                   Andrea Hille-Reichel         kalien mittels Anoden-assistierter Fermentation (Bio- temberg
                   Harald Horn                  ProChem; Verbundprojekt)*
                   Max Hackbarth                Extremophile Kathodenbiofilme als Power-to-X Bioka- BWPLUS, Land Baden-Württemberg
                   Andrea Hille-Reichel         talysatoren (EKatBio; Verbundprojekt)*
                   Harald Horn
                   Max Miehle                   Kontinuierliche Bioproduktion mit maßgeschneider-      BMBF
                   Andrea Hille-Reichel         ten Biokatalysatoren in bioelektrochemischen Fer-
                                                mentern (ContiBio-Elect; Verbundprojekt)
                   Florian Ranzinger            Untersuchung poröser Medien mittels Magnetreso-        KIT
                   Michael Wagner               nanztomographie
                   Gisela Guthausen
                   Lizheng Guo                  Desinfektion und Biofilme in Trinkwasserverteilungs-   Chinese Academy of Science, KIT
                   Harald Horn                  systemen

               Porengröße von 0,1 µm, 0,45 µm und 0,8 µm führte zur            Untersuchung des Verhaltens von Antibio-
               Passage von ca. 90 % der flüchtigen Fettsäuren. Darü-           tika in Flüssen und Flusssedimenten und
               ber hinaus entfernten die Membranen mehr als 85 %               ihre Auswirkung auf die Ausbreitung der
               der gesamten suspendierten Feststoffe (TSS). Der                Antibiotikaresistenzen in der natürlichen
               höchste kritische Flux von ungefähr 14 L/(m h) wurde            Umwelt
               unter Verwendung des Küchenabfallhydrolysats, der
               Membran mit einer Porengröße von 0,45 µm und einer              Amélie Chabilan, Ewa Borowska; Förderung:
               Begasung von 80 m3/(m h) beobachtet.                            Baden-Württemberg Stiftung
               Die beiden erstgenannten Arbeiten sind bereits in der
               Schriftenreihe Bereich Wasserchemie und Wassertechno-           Antibiotika werden in der Human- und Veterinärmedizin
               logie, Engler-Bunte-Institut, Karlsruher Institut für Techno-   gegen bakterielle Infektionen eingesetzt und stellen eine
               logie, erschienen (Band 79 und Band 80, ISSN 2195-2973).        der wichtigsten Gruppen von Pharmazeutika dar. Eines
               Die Arbeiten von Herrn Jung (Band 81) und Frau Ali (Band        der drängendsten Probleme, das derzeit im Zusammen-
               82) werden in Kürze gedruckt, erscheinen aber mit einer         hang mit Antibiotika diskutiert wird, ist das vermehrte
               neuen Nummer (ISSN 2747-819X (Print)). Sie sind dann            Auftreten von Antibiotikaresistenzen. Schätzungen ge-
               ebenfalls über das Sekretariat des Lehrstuhls in gedruck-       hen davon aus, dass z. Zt. 50.000 Menschen pro Jahr in
               ter Form erhältlich und werden über KITopen elektro-            Europa und in den USA an den Folgen von Antibiotikare-
               nisch zugänglich sein.                                          sistenzen sterben. Trotz ihres unbestreitbaren Nutzens
                                                                               sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin,
               3.2 In Arbeit befindliche, im Jahre 2020                        hat der übermäßige Einsatz von Antibiotika weitreichen-
               abgeschlossene* und neu begonnene                               de Auswirkungen auf die Umwelt. In den letzten Jahren
               Forschungsprojekte                                              ist die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen insbeson-
               Die 2020 in den Forschungsschwerpunkten Wasserquali-            dere in der aquatischen Umwelt zunehmend in den Fo-
               tät, Wassertechnologie, Biologische Abwasserreinigung           kus der Forschung gerückt.
               und Biologische Grenzflächen bearbeiteten Projekte sind         Unter anderem gelangen Antibiotika durch behandeltes
               in Tabelle 3.1 aufgeführt.                                      Abwasser oder durch Abfluss von Gülle, die zur Düngung
               Im Folgenden werden zwei der in Tabelle 3.1 aufge-              auf landwirtschaftlich bewirtschafteter Fläche aufge-
               führten Projekte ausführlicher vorgestellt. Sie befassen        bracht wird, in Flüsse oder Seen. In einem vorangegange-
               sich mit der Evaluierung der Verbreitung von Anti-              nen Projekt am Engler-Bunte-Institut, Teilinstitut Wasser-
               biotika und Antibiotikaresistenzgenen in der Um-                chemie und Wassertechnologie, konnte gezeigt werden,
               welt und der Nutzung von Membranverfahren zur                   dass die die Resistenzen codierenden sogenannten Anti-
               Aufreinigung entsprechender hochbelasteter Ab-                  biotikaresistenzgene durch ihre Bindung an Abwasser-
               wässer.                                                         partikel ebenfalls durch den Kläranlagenablauf in die

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FACHBERICHT

aquatische Umwelt eingetragen werden (Brown et al.
2019). Umstritten ist allerdings, welches Phänomen, Ein-
trag von Antibiotika oder Antibiotikaresistenzgenen, den
Hauptanteil an der Verbreitung der Antibiotikaresisten-
zen trägt.
Zahlreiche wissenschaftliche Studien deuten darauf hin,
dass Antibiotika in subinhibitorischen Konzentrationen ver-
schiedene Mechanismen auslösen, die zur Entstehung und
Verbreitung von Antibiotikaresistenzen führen. Andererseits
ist nicht geklärt, ob die in der aquatischen Umwelt gemes-
senen Konzentrationen, sowohl in der Wassersäule als auch
in den Sedimenten, hoch genug sind, um diese Mechanis-                     Bild 3.2: Fließschema zum Analysenverfahren von Antibiotika in
men in den Mikroorganismen zu initiieren. Möglicherweise                   Sediment- und Wasserproben; PLE (Pressurized Liquid Extracti-
kann die Adsorption einiger Antibiotika an Flusssedimenten                 on, beschleunigte Lösemittelextraktion), SPE (Solid-Phase
zu einer lokalen Akkumulation der Stoffe führen.                           Extraction, Festphasenextraktion), LC-MS/MS (Flüssigkeitschro-
Antibiotika treten in der Größenordnung von ng/L in Ober-                  matographie gekoppelt an die Tandem-Massenspektrometrie).
flächengewässern und in ng/g in Sedimenten auf. Auf-
grund der geringen Konzentrationen und der komplexen
Matrix ist die quantitative Bestimmung eine analytische He-
rausforderung und bedarf einer aufwendigen Probenvor-                    wässer, angewendet (Bild 3.3). Dadurch soll der Verbleib,
bereitung (siehe Bild 3.2). Die bereits am Institut entwickel-           die Verteilung und Persistenz der Antibiotika in den ver-
te analytische Methode zur Bestimmung von Antibiotika in                 schiedenen Umweltkompartimenten Wassersäule und
Wasserproben wurde auf 19 verschiedene Stoffe erweitert                  Sediment untersucht werden.
und um ihre Bestimmung in Flusssedimenten ergänzt.                       Durch eine Probenvorbereitung mittels Festphasenext-
Die entwickelten analytischen Methoden wurden im                         raktion (Solid-Phase Extraction, SPE) werden die Antibio-
Rahmen einer Feldstudie in der Alb, ein die Stadt Karlsru-               tika an einem Adsorbens angereichert und störende
he durchziehendes und als Vorfluter genutztes Fließge-                   Matrixbestandteile entfernt. Mit organischen Lösemit-

Bild 3.3: Einleitung des Kläranlagenablaufs (links im Bild) in die Alb (rechts).

www.gwf-wasser.de                                                                                                                           89
FACHBERICHT

     Bild 3.4: Probenahmestelle Standort 1 (A), Probenahme (B), Schweinestall (C).

     teln (z.B. Methanol) werden sie anschließend von der                     setzt. Die Umweltprobleme entstehen hauptsächlich,
     Festphase gespült.                                                       wenn die Dosierung der auf dem Feld ausgebrachten
     Bei Sedimentproben ist die Probenvorbereitung auf-                       Düngemittel und Gülle über dem Pflanzenbedarf liegt
     wendiger, da die Antibiotika erst in eine flüssige Phase                 und überschüssige Nährstoffe wie Stickstoff und Phos-
     überführt werden müssen. Die beschleunigte Lösemit-                      phor in Gewässer eingetragen werden. Dies führt zu einer
     telextraktion (Pressurized Liquid Extraction, PLE) stellt                erhöhten Nitratbelastung der Grundwasserspeicher und/
     dabei eine vielversprechende Methode dar. In die erhitz-                 oder zur Eutrophierung in den Oberflächengewässern.
     te Extraktionszelle wird Lösemittel bis zu einem Druck                   Darüber hinaus verstärkt eine weltweit steigende Nach-
     von 10,34 MPa gepumpt. Nach einer Interaktionszeit von                   frage nach Fleisch den Einsatz von Antibiotika in der
     5 bis 15 Minuten wird das Lösemittelgemisch ausgebla-                    Tierhaltung. Anschließend werden 90 % der verabreich-
     sen. Der Vorgang kann beliebig oft wiederholt werden.                    ten Stoffe über die Gülle ausgeschieden und können in
     Um eine Wiederfindungsrate von mindestens 45 % zu                        die Gewässer eingetragen werden. In der Tat können
     erzielen, ist eine Optimierung der Extraktionsparameter                  überhöhte Einträge von Antibiotika zur Entwicklung anti-
     wie die Art des Lösemittels, die Temperatur und die An-                  biotikaresistenter Bakterien führen. Antibiotikaresistenz-
     zahl an Extraktionszyklen notwendig.                                     gene (ARG) können auch direkt über die Gülle in die
     Die quantitative Bestimmung erfolgt mittels Flüssigkeits-                Umwelt eingetragen werden.
     chromatographie gekoppelt an die Tandem Massen-                          Vor diesem Hintergrund bieten Membranverfahren eine
     spektrometrie (LC-MS/MS). Durch eine Messung können                      gute Alternative für eine weitergehende Behandlung von
     alle 19 Antibiotika erfasst werden. Die LC-MS/MS stellt                  Schweinegülle. Im Rahmen des Projektes KompaGG-N
     ein sehr sensibles Analyseverfahren mit Nachweisgren-                    werden Schweinegülle und Gärreste im Pilotmaßstab mit
     zen im unterem ng/L-Bereich dar.                                         Mikrofiltration (MF) behandelt und eine Nährstoffrückge-
                                                                              winnung angestrebt. Das Permeat der MF wird zur weite-

     [1]   Brown, P.C.; Borowska, E.; Schwartz, T.; Horn, H.: Impact of the
           particulate matter from wastewater discharge on the abun-
           dance of antibiotic resistance genes and facultative pathoge-
           nic bacteria in downstream river sediments. Science of The
           Total Environment 649, 1171-1178, 2019. https://doi.or-
           g/10.1016/j.scitotenv.2018.08.394.

     Zweistufige Aufreinigung von Schweinegül-
     le und Gärresten mit Membranverfahren

     Prantik Samanta, Harald Horn, Florencia
     Saravia; Förderung: Bundesministerium für Bil-                             Bild 3.5: Rückhalt der 0,2 µm Mikrofiltration bei Schweinegül-
     dung und Forschung (BMBF, 02WQ1516D)                                       le (Standort 1). TSS: gesamte suspendierte Feststoffe; CSB:
                                                                                Chemischer Sauerstoffbedarf; DOC: gelöster organischer Koh-
     Gülle ist ein unvermeidbares Nebenprodukt der Tierhal-                     lenstoff; DTN: gesamter gelöster Stickstoff.
     tung und wurde in der Vergangenheit als Dünger einge-

90                                                                                                     gwf-Wasser | Abwasser 06 | 2021
FACHBERICHT

ren Entfernung von Antibiotika und ARG mit Nanofiltrati-
onsmembranen nachbehandelt. Damit können Membran-
verfahren einen wichtigen Beitrag zur Verringerung des
Eintrags von Antibiotika und ARG in die Umwelt leisten.
Verschiedene Proben flüssiger Schweinegülle wurden im
Jahr 2020 von zwei verschiedenen Schweinezuchtbetrie-
ben (Standorte 1 und 2, siehe Bild 3.4) in Baden-Würt-
temberg genommen und charakterisiert. Weiterhin wur-
de eine Gärrestprobe an einem Standort (Standort 3) in
Niedersachsen untersucht.
Die erste Filtrationsstufe (MF) wurde sowohl mit kerami-
schen als auch mit polymeren MF-Membranen durchge-
führt. Die keramische MF-Membran im Pilotmaßstab er-
reichte eine TSS-Verringerung (Total Suspended Solids:                                Bild 3.6: Gesamtzahl von gemessenen ARG in unbehandel-
gesamte suspendierte Feststoffe) von mehr als 98 %. Der                               ter Gülle und Permeat aus der Nanofiltration (NF270). S1:
Phosphatrückhalt lag bei 82 % (Bild 3.5). Die CSB-Reduk-                              Standort 1; S2: Standort 2; S3: Standort 3.
tion (Chemischer Sauerstoffbedarf) durch die MF betrug
ca. 80 %. Frühere Studien ergaben eine ähnliche CSB-Re-
tention während der MF. Die Permeabilität der Membran                                    Guthausen, G.: Investigation of transverse relaxation rate
nahm über die ersten Stunden schnell ab und erreichte                                    distribution via magnetic resonance imaging: Impact of
ein stabiles Niveau bei ca. 30 L/(m2 h bar). Der schnelle                                electrode formation. Energy Technology 2000579, 1-8, 2020.

Rückgang ist darauf zurückzuführen, dass ein Teil der zu-                       [4]      Bogler, A.; Packman, A.; Furman, A.; Gross, A.; Kushmaro, A.;
                                                                                         Ronen, A.; Dagot, C.; Hill, C.; Vaizel-Ohayon, D.; Morgenroth,
rückgehaltenen Bestandteile die zu Beginn in der Mem-
                                                                                         E.; Bertuzzo, E.; Wells, G.; Kiperwas, H.R.; Horn, H.; Negev, I.;
bran vorhandenen freien Poren schnell verblockt, was                                     Zucker, I.; Bar-Or, I.; Moran-Gilad, J.; Balcazar, J.L.; Bibby, K.;
den Erwartungen entspricht.                                                              Elimelech, M.; Weisbrod, N.; Nir, O.; Sued, O.; Gillor, O.; Alva-
In den Proben aus verschiedenen Standorten wurden                                        rez, P.J.; Crameri, S.; Arnon, S.; Walker, S.; Yaron, S.; Nguyen,
neben den Antibiotika auch verschiedene ARG nach-                                        T.H.; Berchenko, Y.; Hu, Y.; Ronen, Z.; Bar-Zeev, E.: Rethinking
                                                                                         wastewater risks and monitoring in light of the COVID-19
gewiesen. Insgesamt wurden 67 (Gülle, Standort 1), 63
                                                                                         pandemic. Nature Sustainability, doi: 10.1038/s41893-020-
(Gülle, Standort 2) und 50 (Gärrest, Standort 3, siehe                                   00605-2, 2020.
Bild 3.6) verschiedene ARG, die zu acht verschiedenen                           [5]      Brown, P.C.; Borowska, E.; Peschke, R.; Schwartz, T.; Horn, H.:
Antibiotika-Gruppen gehörten, quantifiziert. Die Mem-                                    Decay of elevated antibiotic resistance genes in natural river
bran NF270 konnte mehr als 99 % der untersuchten                                         sediments after sedimentation of wastewater particles. Scien-
ARG entfernen. Allerdings war der Rückhalt von spezifi-                                  ce of the Total Environment 705, 135861, 2020.
schen ARG niedriger als erwartet: 6 ARG aus der Amino-                          [6]      Fengler, C.; Arens, L.; Horn, H.; Wilhelm, M.: Desalination of sea-
glycosid-AB-Gruppe und 4 ARG aus der Tetracyc-                                           water using cationic poly(acrylamide) hydrogels and mechani-
                                                                                         cal forces for separation. Macromolecular Materials and En-
lin-Gruppe wurden mittels der NF270-Membran ledig-                                       gineering 305 (10), 2000383, 2020.
lich zu 95 bis 99 % entfernt und wurden im Permeat
                                                                                [7]      Gierl, L.; Stoy, K.; Faíña, A.; Horn, H.; Wagner, M.: An open-source
nachgewiesen. Selbst wenn der Größenausschluss als                                       robotic platform that enables automated monitoring of repli-
der dominierende Mechanismus zur ARG-Entfernung                                          cate biofilm cultivations using optical coherence tomography.
durch NF-Membranen vermutet wird, zeigen die Er-                                         npj Biofilms and Microbiomes 6 (1), 18, 2020.
gebnisse, dass der Transport von ARG durch NF-Mem-                              [8]      Guo, T.; Ji, Y.; Zhao, J.; Horn, H.; Li, J.: Coupling of Fe-C and aero-
branen noch nicht vollständig verstanden ist. Ein de-                                    bic granular sludge to treat refractory wastewater from a
                                                                                         membrane manufacturer in a pilot-scale system. Water Rese-
taillierter Beitrag zur Behandlung von Gülle mit Mem-
                                                                                         arch 186, 116331, 2020.
branverfahren wird in energie wasser-praxis, Ausgabe
                                                                                [9]      Hackbarth, M.; Jung, T.; Reiner, J.E.; Gescher, J.; Horn, H.; Hille-Rei-
6+7 (2021), erscheinen.                                                                  chel, A.; Wagner, M.: Monitoring and quantification of bioelectro-
                                                                                         chemical Kyrpidia spormannii biofilm development in a novel
                                                                                         flow cell setup. Chemical Engineering Journal 390, 124604, 2020.
3.3 Veröffentlichungen                                                          [10]     Ibrahim, M.; Rudszuck, T.; Kerdi, B.; Krämer, S.; Guthausen, G.;
Veröffentlichungen in „peer-reviewed“                                                    Powell, A.K.: Comparative NMR relaxivity study of polyoxome-
Fachjournalen und Buchbeiträge                                                           talate-based     clusters     [Mn4(H2O)2(P2W1SO56)2]16-    and
[2]   Ali, R.; Saravia, F.; Hille-Reichel, A.; Härrer, D.; Gescher, J.; Horn,            [{Dy(H2O)6}2Mn4(H2O)2(P2W15O56)2]10- from 20 MHz to 1.2 GHz.
      H.: Enhanced production of propionic acid through acidic hy-                       Applied Magnetic Resonance, doi: 10.1007/s00723-020-01267-
      drolysis by choice of inoculum. Journal of Chemical Technolo-                      1, 2020.
      gy & Biotechnology, doi:org/10.1002/jctb.6529.                            [11]     Kaysan, G.; Spiegel, B.; Guthausen, G.; Kind, M.: Influence of
[3]   Balbierer, R.; Seegert, P.; Herberger, S.; Wetzel, T.; Nirschl, H.;                shear flow on the crystallization of organic melt emulsions – A

www.gwf-wasser.de                                                                                                                                                   91
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