ENT WICKLUNG GESTALTEN - JA HRBUCH 2018 - Goethe-Universität

Die Seite wird erstellt Klaus-Peter Merkel
 
WEITER LESEN
ENT WICKLUNG GESTALTEN - JA HRBUCH 2018 - Goethe-Universität
J A H R B U C H 2 0 18

EN T W ICK LUNG GES TA LT EN
ENT WICKLUNG GESTALTEN - JA HRBUCH 2018 - Goethe-Universität
»Technologische Umbrüche, kulturelle Spannungen, soziale
 Ungleichheiten, ökologische Menschheitsfragen und
 internationale Konflikte, alles das wird unsere politische
 Ordnung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten
 herausfordern. In dieser Zeit muss sich demokratische
 Politik bewähren. Sie muss weiterdenken, sie muss
 beherzter handeln – gerade jetzt. Und das geht uns alle an:
 in der Gesellschaft, in politischen Ämtern, aber auch in der
 Wissenschaft.«
 F R ANK-WA LT ER S T EINMEIER
 Bundespräsident
ENT WICKLUNG GESTALTEN - JA HRBUCH 2018 - Goethe-Universität
Foto: Uwe Dettmar
ENT WICKLUNG GESTALTEN - JA HRBUCH 2018 - Goethe-Universität
Foto: Uwe Dettmar
ENT WICKLUNG GESTALTEN - JA HRBUCH 2018 - Goethe-Universität
ENTWICKLUNG GESTALTEN                                                                                                                                 3
                                                                                                                                                 Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freundinnen und Freunde der Goethe-Universität,

                                                                                                                             Foto: Uwe Dettmar
»weiterdenken, beherzter handeln« – dieses Plädoyer des        wir derzeit universitätsintern zusammen mit verschiedenen
Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier für eine de-         Forschungsschwerpunkten diskutieren und bis Jahresende
mokratische Politik möchte ich hier aufgreifen, denn es gilt   2019 umsetzen wollen. Und wir wollen im Austausch mit
auch für die Wissenschaft. Die Goethe-Universität hat 2018     der Gesellschaft auch die besonderen Chancen, die wir als
ihre Forschungsgovernance und ihr Forschungsprofil neu ver-    Stiftungs- und Bürgeruniversität haben, noch besser mobi-
messen und erkannt, dass das zweifellos vorhandene große       lisieren – Stichwort Third Mission.
wissenschaftliche Potenzial unserer Universität auf unter-          Beherzt haben wir auch dieses Jahrbuch strukturell neu
schiedlichen Wegen noch besser mobilisiert werden muss,        ausgerichtet. Optisch wie gewohnt, setzt es inhaltlich neue
um künftig in nationalen und internationalen Wettbewerben      Akzente. Forschung, Lehre, Third Mission, Infrastruktur und
erfolgreicher zu sein. Beherzt entwickeln wir den 2018 be-     Hochschulleben integrieren wir ab sofort – soweit mög-
gonnenen strategischen Erneuerungsprozess weiter – und         lich und sinnvoll – in thematische »Inseln«. Das Jahrbuch
gestalten damit eine Wissenschaft, die auch offen ist für      erhält, wenn Sie so wollen, eine »translationale« Erzähl-
gesellschaftliche Impulse.                                     struktur. Dieses Ordnungsprinzip wird der Realität moder-
    Von entscheidender Bedeutung dabei ist, dass wir künf-     ner Forschung, Lehre und Third Mission eher gerecht, in der
tig noch stärker auf die interne Förderung hervorragender      Themen nicht mehr isoliert voneinander behandelt werden,
Forschungsverbünde setzen und dafür passende Instru-           sondern integriert.
mente entwickeln, ohne jedoch die exzellente Einzelfor-             Sie sehen, wir nehmen unser Jahrbuch-Motto »Entwick-
schung zu vernachlässigen. Bei der besseren Vernetzung         lung gestalten« ernst! In diesem Sinne wünsche ich Ihnen
exzellenter Forschung bietet auch der Verbund der Rhein-       viel Freude beim »Streifzug« durch unser neues Jahrbuch!
Main-Universitäten (RMU) noch viel ungenutztes Potenzi-
al. Mehr Klarheit für uns und für andere darüber, wofür die    Herzliche Grüße!
Goethe-Universität im Kern wissenschaftlich steht, schaffen
wir durch die Neukonturierung unseres Forschungsprofils.
Dafür haben wir ein mehrstufiges Modell entwickelt, das

                                                                                                      Prof. Birgitta Wolff
                                                                                                               Präsidentin
ENT WICKLUNG GESTALTEN - JA HRBUCH 2018 - Goethe-Universität
Foto: Jürgen Lecher
4   GOETHE´S BOOK EXCHANGE

    Sein Name ist Programm: Im neuen Bücherschrank
    auf dem Campus Westend sollen vor allem englisch-
    sprachige Publikationen eingestellt werden. Es ist
    ein Beitrag zur Internationalisierung der Goethe-
    Universität. Der offene Bücherschrank funktioniert
    nach dem Prinzip »Geben und Nehmen«: Wer ein
    Buch lesen möchte, darf es entnehmen und nach
    dem Lesen zurückbringen – oder auch behalten.
    Betreut wird das Projekt vom Goethe Welcome
    Centre (GWC), das auch die Idee für den Bücher-
    schrank hatte. Der Arbeitskreis »Lebendiger
    Campus« setzte das Projekt in die Tat um, finanziert
    wurde der Bücherschrank von der CampuService
    GmbH. Er steht am stark frequentierten Fußweg
    zwischen Casino und PA-Gebäude und ist allen
    Campusbesuchern rund um die Uhr zugänglich.
ENT WICKLUNG GESTALTEN - JA HRBUCH 2018 - Goethe-Universität
5
ENTWICKLUNG GESTALTEN

STIFTUNGSUNIVERSITÄT                                        STUDIUM UND LEHRE                                    FAKTEN, DATEN, ZAHLEN
Bestandsaufnahme 2018      9                                Lehrerbildung gegen Bildungsnotstand 44              Förderung strukturierter Programme   64
Interview – Prof. Birgitta Wolff   13                       Interview – Prof. Eckhard Klieme (DIPF) 47           Stiftungsprofessuren, -dozenturen und geförderte
Porträt – Prof. Wilhelm Bender 14                           Porträt – Prof. Roger Erb   48                       Professuren 68
                                                            Studierende im Moot Court 50                         Stiftungsgastprofessuren und -dozenturen   71
FORSCHUNG                                                   1822-Preis für Exzellente Lehre       52             Personal 72
Exzellenzcluster Cardio-Pulmonary Institute       18
                                                            Studentisches Raumfahrtexperiment          53        Studierende    74
Porträt – Prof. Stefanie Dimmeler 20
                                                            Masterstudiengang Digital Transformation             Abschlüsse     78
Gesellschaftsrelevante Forschungsprojekte 22                Management (MBA) 54
Interview – Prof. Simone Fulda     23                                                                            Drittmittel   80
LOEWE-Zentrum Frankfurt Cancer Institute 24                 THIRD MISSION                                        Budget der Universität   83
Nachwuchsförderung in der Krebsforschung          27
                                                            Technologietransfergesellschaft Innovectis 28
Green IT – CO²-neutrales Hochleistungsrechnen          30
                                                            Interview – Prof. Manfred Schubert-Zsilavecz    29
Porträt – Prof. Volker Lindenstruth     32
                                                            Stiften für den Nachwuchs        56
Auszeichnungen 34
10 Jahre House of Finance 36
                                                            INTERNATIONALISIERUNG
Finanzforschungszentrum SAFE 37
                                                            Interview – Prof. Rolf van Dick       55
Interview – Prof. Volker Wieland 39
Digital gestützte Universitätsbibliothek     40                                                                  Vorwort 3

Das Bibliothekssystem in Zahlen       41                    CHRONOLOGIE 57                                       Impressum     84
ENT WICKLUNG GESTALTEN - JA HRBUCH 2018 - Goethe-Universität
6

Foto: Uwe Dettmar
ENT WICKLUNG GESTALTEN - JA HRBUCH 2018 - Goethe-Universität
7

Mit mehr als 47.000 Studieren­         LOEWE­Mittel bewegt sie sich auf
den sowie 580 Professorinnen und       Spitzenniveau.
Professoren im Wintersemester
2018/19 ist die Goethe-Universität     Die Rhein-Main-Universitäten
die größte Hochschule Hessens;         (RMU) aus Darmstadt, Frankfurt und
bundesweit steht die Volluniversi-     Mainz gehören mit einer über die
tät hinter München und Köln an drit-   Deutsche Forschungsgemeinschaft
ter Stelle.                            (DFG) eingeworbenen Fördersumme
                                       von 457 Mio. Euro zu den stärksten
Von 37 Neuberufungen sind 17 Pro­      strategischen Universitätsallianzen
fessuren mit Frauen besetzt. Das       und den stärksten Wissenschafts-
entspricht einer Quote von 46 Pro­     regionen Deutschlands.
zent. Die Förderung von hoch quali-
fizierten Nachwuchswissenschaft­       Die Vereinigung von Freunden und
lerinnen in die Professur ist der      Förderern der Goethe­Universität      STIF TUNGSUNIVERSITÄT
Goethe-Universität ein wichtiges       feiert im Jahr 2018 ihr hundertjäh­
hochschulpolitisches Anliegen.         riges Bestehen und macht der Stif-
                                       tungs- und Bürgeruniversität ne-
In der Drittmittelentwicklung ver-     ben der jährlichen Millionensumme
zeichnet die Goethe-Universität        wertvolle Zusatzgeschenke in sie­
im Jahr 2018 einen neuen Rekord.       benstelliger Höhe.
Mit 199,5 Mio. Euro inklusive der
ENT WICKLUNG GESTALTEN - JA HRBUCH 2018 - Goethe-Universität
Foto: Jürgen Lecher
8
Stiftungs-
universität

              PRÄSIDIUM DER GOETHE­UNIVERSITÄT
              V. li. n. re.: Prof. Dr. Rolf van Dick; Prof. Dr. Simone Fulda;
              Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz; Kanzler Dr. Albrecht Fester;
              Prof. Dr. Birgitta Wolff; Prof. Dr. Roger Erb
BESTANDSAUFNAHME 2 018                                                                                                                                                                9
»ENTWICKLUNG GESTALTEN«                                                                                                                                                       Stiftungs-
                                                                                                                                                                             universität

Die Goethe-Universität erbringt bemerkenswerte Leistungen in Forschung, Lehre und Third Mission; sie ist –
gemeinsam mit den kooperierenden Hochschulen in der Rhein-Main-Region sowie externen Forschungseinrichtungen
– ein starker Entwicklungs- und Innovationsmotor für die Zukunft des Landes und seiner Bevölkerung. Gegenwärtig
steht die Goethe-Universität vor grundlegenden Weichenstellungen: Wie kann sie sich zukunftsfähig aufstellen? Mit
welchen Projekten und Personen verwirklicht sie ihre Ambitionen und Potenziale? Welche baulichen Erweiterungen
verbessern die Infrastruktur? Die Goethe-Universität gibt in diesem Jahrbuch unter dem Motto »Entwicklung
gestalten« Antworten auf diese und weitere Fragen.

D    ie Goethe-Universität hat sich auf den Weg einer
     strategischen Erneuerung gemacht. Sie arbeitet
an einem neuen Hochschulentwicklungsplan, kontu-
                                                         strategischen Diskurs. Am Ende dieses Weges soll im
                                                         Herbst 2019 die Verabschiedung eines neuen Konzepts
                                                         stehen, das sowohl die wichtigsten Forschungsschwer-
                                                                                                                   Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern
                                                                                                                   (ITN-Innovative Training Networks) beteiligt.
                                                                                                                       Im Spitzenforschungsprogramm Exzellenzstrate-
riert ihr Forschungsprofil neu und setzt künftig noch    punkte beinhaltet als auch ein dynamisches Modell         gie überzeugte die Bewerbung des Exzellenzclusters
stärker auf die Förderung von Forschungsverbünden        der Entwicklung neuer Schwerpunkte.                       »Cardio-Pulmonary Institute« (CPI). Das gemeinsame
und Kooperationen. Dahinter steht die Erkenntnis,                                                                  Forschungsprojekt der Goethe-Universität, der Jus-
dass auf der Suche nach zukunftsfähigen und nach-        ZUKUNFTSSICHERE FORSCHUNG                                 tus-Liebig-Universität und des Max-Planck-Instituts
haltigen Lösungen in Wissenschaft und Gesellschaft       In diesem Entwicklungsprozess kann die Goethe-Uni-        für Herz- und Lungenforschung wird seit dem 1. Januar
entstehende Forschungsansätze substanziell von dis-      versität auf ein wachsendes Fundament von nationa-        2019 für sieben Jahre mit rund 45 Mio. Euro gefördert.
ziplinärer Vielfalt profitieren. Keine einfache Aufga-   len und internationalen Forschungserfolgen setzen:        Auf dem Campus Niederrad werden die Umrisse eines
be, denn diese Vernetzung benötigt entsprechende         So zählen 13 Naturwissenschaftler und Mediziner der       neuen Spitzeninstituts in der Krebsforschung sichtbar:
Voraussetzungen – institutionell, finanziell und lo-     Goethe-Universität laut »Web of Science« zu den welt-     Das im Aufbau befindliche Frankfurt Cancer Institute
gistisch. An der Goethe-Universität wird deshalb in-     weit meistzitierten Forscherinnen und Forschern im Jahr   (FCI) spannt den Bogen interdisziplinärer Forschung von
tensiv darüber nachgedacht, welche Strukturen und        2018. Damit ist die Goethe-Universität nach der Uni-      der lebenswissenschaftlichen Grundlagenforschung
Anreize innerhalb der Universität die Bildung erfolg-    versität Heidelberg die erfolgreichste deutsche Hoch-     bis zu neuen Therapieformen in der Krebsbehand-
reicher Verbünde unterstützen. Dieser Diskussions-       schule. Sehr präsent ist die Goethe-Universität auch      lung. Und das finanzwissenschaftliche Zentrum SAFE
prozess ist 2018 in verschiedenen moderierten Foren      in 40 laufenden Verbundforschungsprojekten der na-        machte währenddessen die entscheidenden Schritte
mit großer Intensität geführt worden und noch nicht      tionalen Forschungsförderung, bei denen sie die Spre-     auf dem Weg zum Leibniz-Institut.
abgeschlossen. Viele der Forschenden, aber auch wei-     cherfunktion innehat. Außerdem ist sie an 20 europä-
tere Universitätsmitglieder beteiligen sich an diesem    ischen Netzwerken zur strukturierten Ausbildung von
10
Stiftungs­
                              Die steigende Erfolgsquote bei verbundorientier-                     NEUES PRÄSIDIALTEAM                                                          Aktionsplan »Chancengleichheit 2019–2024«. Damit
universität               ten Forschungsprojekten wird auch sichtbar in einem                      Die wachsende Dynamik verkörpert auch das in we-                             stellt die Goethe-Universität bis 2024 die Weichen für
                          neuen Drittmittel-Bestwert: Fast 200 Mio. Euro konn-                     sentlichen Positionen neu gewählte Präsidialteam der                         einen verstärkten Wandel innerhalb der Hochschule, in-
                          te die Goethe-Universität 2018 einwerben, die größte                     Goethe-Universität mit Universitätspräsidentin Prof. Bir-                    dem sie Gender Equality & Diversity Policies als Strate-
                          Position davon mit 83,3 Mio. Euro Mittel der Deutschen                   gitta Wolff an der Spitze, das seit Mai 2018 mit einer                       gien zur Qualitätsentwicklung in Forschung, Lehre und
                          Forschungsgemeinschaft (DFG). Sowohl in den Geistes-                     neuen Vizepräsidentin und zwei neuen Vizepräsidenten                         Verwaltung fest etabliert. Die Goethe-Universität legt
                          wissenschaften (Platz fünf) als auch in den Lebenswis-                   die Entwicklung der Universität maßgeblich mitgestal-                        damit als eine der ersten Hochschulen bundesweit ein
  Ein ausgewachsenes      senschaften (Platz acht) erreicht die Goethe-Universität                 tet: Prof. Simone Fulda, Prof. Roger Erb, Prof. Rolf van                     einheitliches Strategiekonzept zur Chancengleichheit vor.
       Forschungsprofil   im DFG-Ranking Spitzenpositionen. Ein starker Aufwind                    Dick; Prof. Manfred Schubert-Zsilavecz, der seit 2009                            Der Frauenanteil bei den wissenschaftlichen Mitar-
   braucht Leuchtturm­
                          auch im Bereich anwendungsnaher Innovation: Forsche-                     als Vizepräsident amtiert, wurde zum vierten Mal im                          beitern liegt Ende 2018 bei 48 Prozent. Der Anteil der
projekte ebenso wie in­
 novative, aufstrebende   rinnen und Forscher der Goethe-Universität meldeten                      Amt bestätigt. In den drei anderen Positionen folgen die                     Professorinnen stieg weiter leicht, er liegt derzeit bei
   Forschungsbereiche.    2018 43 neue Erfindungen an.                                             Gewählten Prof. Brigitte Haar (†), Prof. Tanja Brühl und
                                                                                                   Prof. Enrico Schleiff, die nicht mehr zur Wahl standen.                      Frauenanteil an der Goethe-Universität
                                                                                                       Die Professorin für Experimentelle Tumorforschung                        (Akademisches Jahr 2018)

                                                                               Foto: Uwe Dettmar
                                                                                                   Simone Fulda ist für das Ressort »Forschung und aka-
                                                                                                                                                                                 Semester                                          2018
                                                                                                   demische Infrastruktur« zuständig. Das Ressort »Studi-
                                                                                                   um und Lehre« hat der Professor für Didaktik der Physik                       Studentinnen (26.949 von insg. 47.334)            57 %

                                                                                                   Roger Erb übernommen. Für das Ressort »Third Missi-                           Absolventinnen* (3.661 von insg. 6.015)           61 %

                                                                                                   on« ist wie bisher der Professor für Pharmazeutische                          Promovierte (414 von insg. 766)                   54 %
                                                                                                   Chemie Manfred Schubert-Zsilavecz verantwortlich. In                          Habilitierte (14 von insg. 37)                    38 %
                                                                                                   die Zuständigkeit von Rolf van Dick, Professor für Sozi-                      Berufene (17 von insg. 37)                        46 %
                                                                                                   alpsychologie, fällt das Ressort »Internationalisierung,                      Professorinnen (153 von insg. 580)                27 %
                                                                                                   Nachwuchs, Gleichstellung und Diversity«.

                                                                                                   VIELFALT UND CHANCENGLEICHHEIT                                               27 Prozent. Die Frauenförderung an der Goethe-Uni-
                                                                                                   Um in Lehre und Forschung leistungsfähig und innovativ                       versität trug dazu bei, dass mittlerweile 46 Prozent der
                                                                                                   zu sein, schafft die Goethe-Universität Rahmenbedin-                         Neuberufenen Frauen sind. Von den 16 Berufungen auf
                                                                                                   gungen, in denen sich die unterschiedlichen persönli-                        Tenure-Track-Professuren wurden 7 mit Frauen besetzt.
                                                                                                   chen Potenziale ihrer Mitglieder, ihre Kompetenzen und                          Die Goethe-Universität verstärkt und beschleunigt
                                                                                                   Fähigkeiten, ihr Engagement und ihre Kreativität positiv                     mit dem Aktionsplan Chancengleichheit die begonne-
                                                                                                   entfalten und vergrößern können. Seit vielen Jahren ar-                      nen Veränderungsprozesse in den Wissenschafts- und
                                                                                                   beitet die Goethe-Universität aktiv daran, diesen Auf-                       Hochschulstrukturen. Durch familienfreundliche Karrie-
                                                                                                   gaben gerecht zu werden und eine auf Chancengleich-                          rekonzepte etwa, durch Beförderung von Frauen in Spit-
                                                                                                   heit und Gerechtigkeit basierende Hochschulkultur zu                         zenpositionen der Forschung, durch verbesserte akade-
                                                                                                   schaffen. Herzstück einer zentralen Offensive ist der                        mische Infrastrukturen, um einige Beispiele zu nennen.

                                                                                                   * Abschlüsse: Bachelor, Master, Staatsexamen, Lehramt, auslaufende Diplom- und Magisterstudiengänge sowie weitere Abschlüsse
Foto: Uwe Dettmar
                                                                                                                                                                                                                    11
                                                                                                                                                                                                              Stiftungs­
                                                                                                                                                                                                             universität

                                                                                                                                                                                              Beliebter Studien­
                                                                                                                                                                                              standort: Immer mehr
                                                                                                                                                                                              Schulabgänger nehmen
                                                                                                                                                                                              ein Studium an der
                                                                                                                                                                                              Goethe-Universität auf.

QUALITÄTSSICHERUNG IN DER LEHRE                                Zur Qualitätssicherung der Lehre trägt neben der        Studium erwerbstätig, immerhin sieben Prozent leisten
Die Studierendenzahlen erreichten im Studienjahr 2018      Lehrveranstaltungsevaluation, der Absolventenbefra-         familiäre Fürsorgearbeit. Erfreulich: Der überwiegen-
einen neuen Höchststand. Der Vielfalt der Fächer einer     gung und dem Studienmonitoring auch die zweite re-          de Teil der Studierenden der Goethe-Universität ist mit
Volluniversität verpflichtet sich die Goethe-Universität   präsentative Studierendenbefragung bei. Insgesamt           dem Studium zufrieden (87 Prozent). 90 Prozent wür-
in ihren »Grundsätzen zu Studium und Lehre«. Anfang        11.000 Studierende beteiligten sich daran. Die Ergeb-       den die Goethe-Universität einem befreundeten Studi-
2018 verabschiedete die Hochschule darüber hinaus          nisse sollen helfen, das Studium und seine Rahmenbe-        eninteressierten weiterempfehlen. Fast 80 Prozent der
mit dem »Leitbild Digitale Lehre« eine Weiterentwick-      dingungen weiter zu verbessern. Dabei scheinen starre       Studierenden beurteilen Aufbau und Struktur ihres Stu-
lung ihres Selbstverständnisses in der Lehre: Es steht     Regelstudienzeiten immer weniger der Lebenswirklich-        dienfachs als »sehr gut«, »gut« (54 Prozent) oder »be-
für ein zeitgemäßes Lehr- und Bildungskonzept, in dem      keit vieler Studierender zu entsprechen. Zwei Drittel der   friedigend« (25 Prozent).
Medien selbstverständlicher Teil des Studiums sind.        an der Goethe-Uni Eingeschriebenen sind neben dem
Foto: Uwe Dettmar
12
Stiftungs­
universität

       Auf dem Campus
   Riedberg werden die
   Chemischen Institute
        neu aufgebaut.

                          BAULICHE ENTWICKLUNG                                       absehbarer Zukunft ihren historischen Gründungsstand-     Ministerpräsident Volker Bouffier, Bürgermeister und
                          An allen drei Hauptstandorten der Goethe-Universität       ort Bockenheim.                                           Kämmerer der Stadt Frankfurt Uwe Becker, der Vorsit-
                          wird die nächsten Jahre wieder kräftig gebaut. Die             Währenddessen laufen die Bauprojekte für die Che-     zende der Geschäftsleitung und CEO von Merck Ste-
                          Standortneuordnung und -entwicklung schafft kürze-         mie und die Informatik/Mathematik auf dem Campus          fan Oschmann sowie etwa tausend weitere geladene
                          re Wege und noch intensiveren Austausch.                   Riedberg auf Hochtouren. In Ginnheim werden mit Milli-    Gäste. Die Festrede hielt der bekannte Historiker Prof.
                              Der Neubau der Sprach- und Kulturwissenschaften        onenaufwand die Sporthallen saniert, auf dem Campus       Christopher Clark aus Cambridge. Clark hat wie kein
                          der Goethe-Universität, für den der erste Spatenstich      Niederrad entstehen mit dem Frankfurt Cancer Institute    anderer die politischen Umbrüche vor und nach dem
                          erfolgt ist, ermöglicht künftig den Umzug der letzten      (FCI), dem Brain Imaging Center (CoBIC) und der zentra-   Ersten Weltkrieg untersucht, also der Gründungszeit
                          noch auf dem Campus Bockenheim verbliebenen geis-          len Forschungseinrichtung drei große neue Gebäude.        von Goethe-Universität und Freundesvereinigung. Viel
                          teswissenschaftlichen Fächer auf den Campus West-                                                                    Stoff für Reflexionen über die Wirkung der 1968er-Be-
                          end. 2018 kamen auch die Planungen für eine neue           BÜRGERUNIVERSITÄT TRIFFT STADTGESELLSCHAFT                wegung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bot
                          Unibibliothek am Campus Westend voran: Das Land            2018, das war auch ein Jahr mit gleich zwei Jubiläen:     auch das zweite Jubiläum »50 Jahre 1968«. Mehrere
                          Hessen stellte aus Veräußerungserlösen des alten           100 Jahre Freunde und Förderer der Goethe-Universi-       Reihen und Einzelveranstaltungen, zum Beispiel die
                          Frankfurter Polizeipräsidiums rund 100 Mio. Euro zusätz-   tät sowie 50 Jahre »1968«. Beim Jubiläum der Freunde      Reihe Deutsche Biografien, eine Kooperationsveran-
                          lich in Aussicht. Für den Neubau des Studierendenhau-      spielte auch exaktes Timing eine wichtige Rolle: Denn     staltung mit der Frankfurter Rundschau sowie eine
                          ses wurde eine Baugenehmigung erteilt. Bis 2021/22         auf den Tag genau hundert Jahre nach der Gründung         spezielle »Bürgeruniversität« mit hochrangig besetz-
                          soll die dritte Ausbaustufe auf dem Campus Westend         luden sie mit ihrem Vorsitzenden Prof. Wilhelm Bender     ten Podien interpretierten dieses gesellschaftspoli-
                          abgeschlossen sein. Damit verlässt die Hochschule in       wieder zum Feiern ein – mit einer illustren Gästeschar:   tische Phänomen.
FORSCHUNG                                                                                                                                                                                                               13
NACHGEFRAGT BEI …                                                                                                                                                                                                 Stiftungs­
                                                                                                                                                                                                                 universität

                                                               Das Präsidium und Sie möchten die Goethe-        der Verbundforschung noch nicht gut genug.       vernetzt. Aber ja, als Mitglied des Vorstands
                                                               Universität strategisch neu ausrichten. Was      Hier müssen wir stärker werden, um im            der Hochschulrektorenkonferenz lässt sich
                                                               wollen Sie damit erreichen?                      nationalen und internationalen Wettbewerb        das noch steigern. Die besten Ergebnisse
                                                               Wir wollen die Goethe-Universität von innen      weiterhin zu bestehen.                           erzielt man aber nicht im Alleingang, son-
                                                               heraus weiterentwickeln und stärken. Dabei                                                        dern gemeinsam mit anderen. Dass unsere
                                                               helfen uns ganz stark die Ergebnisse aus den     Ein wichtiger Baustein bei der strategischen     Wünsche und Forderungen gehört und ver-
                                                               Analysen vorangegangener Fehler in der           Weiterentwicklung der Goethe-Universität         standen werden, sieht man auch am neuen
                                                               Exzellenzstrategie. Aber natürlich brauchen      ist der Hochschulentwicklungsplan. Wie           Koalitionsvertrag in Hessen. Viele unserer
                                                               wir auch Unterstützung von außen, und zwar       ist hier der gegenwärtige Stand?                 gemeinsam mit den anderen hessischen
                                                               eine verlässlichere Grundfinanzierung. Ein       Uns ist wichtig, dass keine gute Idee verloren   Hochschulen erarbeiteten Wahlprüfsteine
                                                               Drittel unseres 630-Millionen-Euro-Budgets       geht. Es geht darum, Impulse aus der ganzen      wurden dort berücksichtigt.
                                                               kommt aus befristeten Drittmitteln und Pro-      Universität aufzunehmen und im neuen Hoch-
 … Prof. Birgitta Wolff, die gemeinsam                         jekten. Damit können wir keine unbefristeten     schulentwicklungsplan zu berücksichtigen.        Sie sind im vierten Jahr im Amt als Präsi­
 mit dem Präsidium die Ziele der Goethe-                       Professuren finanzieren. Um daran etwas zu       Dabei verstehen wir uns als Arbeitsgemein-       dentin der Goethe-Universität. Wie steuert
 Universität in Forschung, Lehre und                           ändern, benötigen wir mindestens 75 Prozent      schaft. In sechs Schreibteams arbeiten wir       man eigentlich einen solch großen Tanker
 Studium weiterentwickelt.                                     des Haushaltes aus Grundmitteln. Das würde       zu zentralen Fragestellungen in Forschung,       wie die Goethe-Universität?
                                                               auch helfen, das derzeitig inakzeptable          Lehre, Third Mission, Internationalisierung,     Ich habe das unglaubliche Privileg, täg-
                                           Foto: Uwe Dettmar

                                                               Betreuungsverhältnis von einer Professur         Digitalisierung, Gleichstellung sowie Bauen      lich mit ganz vielen, ganz verschiedenen
                                                               für mehr als 90 Studenten zu verbessern.         und Infrastruktur. Daher kommt alles zur         Menschen zusammenzuarbeiten, die in
                                                                                                                Sprache, was für diese Entwicklung von           der Regel immer etwas verbindet: Sie sind
                                                               Wie wollen Sie die Neuausrichtung konkret        Bedeutung ist: Forschungsschwerpunkte,           neugierig, intelligent und haben Spaß an der
                                                               gestalten?                                       Lehre im Zeitalter der Digitalisierung bis       Arbeit. Wir diskutieren sehr intensiv und
                                                               Zum einen wollen wir die Identität als           zu Fragen, wie alle Beschäftigten, auch die      durchaus kontrovers. Dabei nehme ich eine
                                                               Stiftungs- und Bürgeruniversität weiter          Kollegen aus der Technik und Verwaltung,         moderierende Rolle ein. Am Ende des Tages
                                                               stärken. Wie können wir auf Grundlage            diesen Prozess begleiten können. Alle Uni-       aber, wenn alle Argumente ausgetauscht
                                                               unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse          Mitglieder können hierzu ihre Vorstellungen      sind, bin ich der Kompass, der zeigen muss,
                                                               den Austausch mit der Gesellschaf t              einbringen.                                      wo Norden ist. Dabei hilft bisweilen die
                                                               weiterentwickeln? Eine zentrale Third-                                                            Kombination von westfälischem Dickschädel
                                                               Mission-Aufgabe! Zum anderen müssen wir          Sie sind seit 2018 Präsidiumsmitglied der        und rheinischer Frohnatur.
                                                               unser Forschungsprofil stärker konturieren:      Hochschulrektorenkonferenz. Wie viel Rü­
                                                               Für welche wissenschaftlichen Kernkom-           ckenwind bringt das in die Verhandlungen
                                                               petenzen steht die Goethe-Universität?           auch mit der Politik?
                                                               Aus dem schwachen Abschneiden in der             Durch meine früheren politischen Erfah-
                                                               Exzellenzstrategie haben wir gelernt, dass       rungen als Wissenschaftsministerin bin
                                                               wir stark sind in der Einzelforschung, aber in   ich ohnehin gut mit politischen Akteuren
Foto: Jürgen Lecher
14
Stiftungs­
universität

     »In jedem Frankfurter möge das Gefühl lebendig sein: Das ist meine
     Universität!« Diesen Satz Henry Oswalts, einst Mitbegründer
     der Freundesvereinigung an der Goethe-Universität, füllt der
     jetzige Vorsitzende Prof. Dr. Wilhelm Bender im Jubiläumsjahr
     2018 mit neuem Leben.
10 0 JAHRE FREUNDESVEREINIGUNG                                                                                                                                                    15
DER BEKENNENDE ALUMNUS                                                                                                                                                      Stiftungs­
                                                                                                                                                                           universität

                                 W       as er sich vornimmt, das schafft er! Für ihn ist immer erst-
                                         mal alles möglich, er zaudert nicht.« Sätze wie dieser sind
                                 immer wieder zu hören, wenn Mitstreiter und Freunde über Wil-
                                                                                                        Protestaktionen der 68er machte er mit – »Gewalt war aller-
                                                                                                        dings für mich nicht akzeptabel!« In der Willy-Brandt-Ära trat
                                                                                                        Bender der SPD bei. Der Jurastudent suchte im Studium nach
                                 helm Bender sprechen. »Sein Engagement ist mitreißend«, so             den Persönlichkeiten, die sich kritisch mit der deutschen Nazi-
                                 haben es besonders viele 2018 erlebt, als die Vereinigung von          Vergangenheit auseinandersetzten: Prägend wurden für ihn der
                                 Freunden und Förderern der Goethe-Universität ihr 100-jähriges         Rechtssoziologe Rudolf Wiethölter, der mit seinem scharfen In-
                                 Bestehen feierte. Prof. Dr. Bender, seit 2010 Vorsitzender der         tellekt die angehenden Juristen aufforderte, sich in der Gesell-
                                 Vereinigung, und sein Vorstandsteam hatten sich klare Ziele ge-        schaft einzubringen, und der Staatsrechtler und SPD-Politiker
                                 steckt und diese mit immensem Einsatz erreicht: Neben der Mil-         Carlo Schmid: »dieser grandiose Mann, der spanische Lyrik ge-
                                 lion, die die Freunde ohnehin jedes Jahr zugunsten verschiedener       nauso übersetzt hat, wie er herausragende Vorlesungen über
                                 Projekte an die Goethe-Universität ausschütten, wurde im Jubi-         Machiavelli gehalten und den großen Wurf des Grundgesetzes
                                 läumsjahr eine weitere »siebenstellige Summe quasi als Jubilä-         mitgestaltet hat«. Zur Promotion wechselt Bender an die Uni-
                                 umszulage«, so Bender, eingeworben. Daraus sollen besonders            versität Gießen zu dem »Homo politicus« (»er hatte sehr sensib-
                                 Zukunftsprojekte gefördert werden – von der Unterstützung des          le politische Antennen«) und Staatsrechtler Helmut Ridder, bei
                                 Frankfurt Cancer Institute (FCI) bis hin zu Gastprofessuren, die       dem übrigens später Brigitte Zypries und Frank-Walter Stein-
                                 den gesellschaftlichen Dialog über Zukunftsfragen voranbringen.        meier Assistenten waren.
                                     Der ehemalige Fraport-Vorstandschef und Aufsichtsratsvor-              Ab 2003 knüpfte Bender wieder intensivere Kontakte zur
                                 sitzende von Eintracht Frankfurt – in Frankfurt aufgewachsen           Goethe-Universität: Der Alumnus wurde Mitglied im Kuratori-
                                 und verwurzelt – erwähnt gern mit einem Schmunzeln, dass er            um der Freundesvereinigung. 2008 ernannte ihn der Fachbereich
                                 die Ehre hat, im Leben für das, was Frankfurt prägt, tätig zu sein:    Wirtschaftswissenschaften zum Honorarprofessor, nachdem er
                                 »Der Flughafen gehört sicher dazu, nach meinem Verständnis             über einige Jahre Seminare zum Thema »Luftverkehr im Wan-
                                 auch die Eintracht – und ganz vorne die Goethe-Uni.« Im Laufe          del« angeboten hatte. Bender begründet sein Engagement bei
                                 seiner verschiedenen beruflichen und ehrenamtlichen Aktivitä-          den Freunden damit, »dass ich an unseren Nachwuchs glaube
                                 ten in der Wirtschaftsinitiative, für das Petrihaus und im Jüdi-       und Zuversicht mein Zukunftsbild bestimmt«. In diesem Sinne
                                 schen Museum hat Bender Netzwerke aufgebaut, die weit über             hat er 2019 auch den mit 5.000 Euro dotierten Wilhelm Bender-
                                 das Rhein-Main-Gebiet hinausgehen und nun auch seiner Alma             Dissertationspreis gestiftet. Mit diesem jährlich zu vergebenden
                                 Mater zugutekommen.                                                    Preis sollen herausragende Leistungen junger Geistes- und Sozi-
                                     Er hat die heißen Zeiten auf dem Campus Bockenheim mit-            alwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler honoriert werden,
                                 erlebt: Bender, dessen Eltern in Rödelheim einen kleinen Be-           die mit ihrer Promotion zum Verständnis der Dynamiken, Kom-
                                 trieb hatten, studierte von 1964 bis 1969 Jura und nebenher            plexitäten und Konflikte unserer Gesellschaften beitragen und
                                 noch Volkswirtschaft an der Goethe-Universität. Bei einigen            über ihre Lösung nachdenken.
16

Foto: Jürgen Lecher
17

13 Naturwissenschaftler und Me­        In dem von Bund und Ländern           Im Jahr 2018 meldeten Wissen-
diziner der Goethe-Universität zäh-    aufgelegten Spitzenforschungs­        schaftler der Goethe-Universi-
len zu den weltweit meistzitierten     programm Exzellenzstrategie           tät 43 neue Erfindungen an, davon
Forscherinnen und Forschern. Das       überzeugte die Bewerbung des          stammen mehr als die Hälfte, 56
»Web of Science« veröffentlicht        Exzellenzclusters »Cardio­Pul­        Prozent, aus der Medizin (FB16),
jährlich die Liste der erfolgreichs-   monary Institute Institute« (CPI).    ein weiteres Drittel, 37 Prozent,
ten Wissenschaftler, deren Arbei-      Das gemeinsame Forschungspro-         aus den Chemie­ und Lebenswis­
ten am häufigsten von anderen          jekt der Goethe-Universität, der      senschaften (FB 14 und 15) und die
Wissenschaftlern zitiert werden.       Justus-Liebig-Universität und des     übrigen aus den Fachbereichen
                                       Max-Planck-Instituts für Herz-        Informatik und Physik.
Mit rund 40 laufenden Verbundfor­      und Lungenforschung wird seit
schungsprojekten der nationalen        1. Januar 2019 für sieben Jahre mit
Forschungsförderung, bei denen         rund 45 Mio. Euro gefördert.
die Goethe-Universität die Spre-
cherfunktion innehat, Beteiligun-      Im neuen Förderatlas der Deut-
gen an 20 europäischen Netzwer­        schen Forschungsgemeinschaft
ken zur strukturierten Ausbildung      (DFG) kann die Goethe-Universität
von Nachwuchswissenschaftlerin-        einen Spitzenplatz im Bereich der
nen und -wissenschaftlern (ITN-        Geistes­ und Sozialwissenschaf­
Innovative Training Networks) so-      ten behaupten. Mit einer Förder­
                                                                                                FORSCHUNG
wie drei Exzellenzclustern aus         summe von 56,3 Mio. Euro kommt
der Exzellenzinitiative gehört die     sie auf den fünften Platz unter
Goethe-Universität zu den zehn         den deutschen Universitäten. Eine
forschungsstärksten Universitäten      noch höhere Summe von 87,8 Mio.
in Deutschland.                        Euro können die Lebenswissen-
                                       schaften für sich verbuchen und
                                       erreichen damit Platz acht.
18          VERBUNDFORSCHUNG TRIF F T E X ZELLENZ
Forschung
            AUF HERZ UND LUNGE

            Herz- und Lungenerkrankungen zählen welt-                    eingespielte Teams und jährlich ein ›Retreat‹, bei dem       sagt Dimmeler. So gebe es für eine Herzschwäche un-
            weit zu den häufigsten Todesursachen. Der For-               wir einige Tage gemeinsam diskutieren«, so Dimmeler.         zählige Ursachen, die zwar zu gleichen Symptomen
            schung an Zusammenhängen und Entwick-                        Die Mediziner sind stolz, dass ihnen erneut der Sprung       führten und bisher auch einheitlich behandelt würden.
            lung einer wirksamen Therapie kommt damit                    in die Exzellenzklasse gelungen ist.                         Beispielsweise aber fänden sich bei etwa jedem vier-
            eine hohe gesellschaftliche Bedeutung zu. Das                                                                             ten Herz-Lungen-Patienten Mutationen in den blutbil-
            standortübergreifende Exzellenzcluster Cardio-               GEMEINSAM WISSEN SCHAFFEN                                    denden Stammzellen, die sehr aggressiv seien und die
            Pulmonary Institute (CPI) hat sich dieser Aufga-             Mit den Mitteln der Exzellenzinitiative werden 45 Stel-      Prognose verschlechterten. »Für diese Patienten wol-
            be verschrieben. Es ist ein weltweit einmaliges              len neu geschaffen, darunter fünf Professuren und            len wir spezielle Medikamente entwickeln.«
            Zentrum, bestehend aus den Partnern Goethe-                  zwei Juniorforschungsgruppen sowie je ein Dutzend                Im Idealfall entsteht aus den Forschungsergebnis-
            Universität Frankfurt, Justus-Liebig-Universität             für Doktoranden, Postdoktoranden und Mitarbeiter.            sen des Cardio-Pulmonary Institute ein Zyklus, der dem
            Gießen und dem Max-Planck-Institut für Herz-                 Die eigens gegründete CPI-Akademie unterstützt for-          menschlichen Herz-Lungen-Kreislauf ähnelt: Neue Ide-
            und Lungenforschung in Bad Nauheim.                          schungsorientierte Lehre und fördert akademische Kar-        en finden ihren Weg in die Klinik und zum Patienten,
                                                                         riereentwicklung wie etwa einen »Wissenschaftspfad«          und die dort gesammelten Daten inspirieren wieder die

            A    nders als der Name vermuten lässt, verbirgt sich hin-
                 ter dem CPI kein eigenes Gebäude. Das Forschungs-
            zentrum ist vielmehr eine regionale Kooperation und Ar-
                                                                         für Medizinstudierende, Doktoranden und Graduierte,
                                                                         Karriereprogramme für Grundlagen-, medizinisch und
                                                                         klinisch Forschende sowie ein Mentorenprogramm.
                                                                                                                                      Grundlagenforschung. Millionen Patienten könnten von
                                                                                                                                      dieser Höchstleistung eines Tages profitieren.

            beitsteilung zwischen den drei beteiligten Standorten.
            Diese über zwölf Jahre entwickelte Zusammenarbeit            INDIVIDUELLE THERAPIE
            hat hohe Schlagkraft: Erneut ist den Wissenschaftlern        Neben kleinsten Veränderungen auf Zellebene erfor-
            der Sprung in die Exzellenzklasse gelungen. »Das war         schen die Wissenschaftler auch die großen Zusammen-
            unglaublich viel Arbeit, tausende Stunden, zwei kom-         hänge: Herz und Lunge interagieren mit allen Organen
            plette Weihnachten haben wir investiert, monatelang          – im Gesunden ebenso wie im Kranken. Die Ergebnis-
            fast nichts anderes gemacht«, erzählt die Frankfurter In-    se aus der Grundlagenforschung sollen im Idealfall die
            stitutsleiterin und Sprecherin des Cardio-Pulmonary In-      Therapiemöglichkeiten von Patienten mit kardialen und
            stitute, Prof. Stefanie Dimmeler. Die über die lange Zeit    pulmonalen Erkrankungen verbessern. Im Vordergrund
            zwischen den Partnern entstandene Kooperationskultur         stehen dabei individuelle Behandlungskonzepte: »Un-
            war sicherlich ein ausschlaggebendes Moment für den          ser Ziel ist eine Präzisionsmedizin, bei der wir nicht je-
            Erfolg bei der Bewerbung um erneute Förderung des            den gleich behandeln, sondern Untergruppen oder so-
            Exzellenzclusters. »Wir haben einen engen Austausch,         gar individuelle Patienten speziell therapieren können«,
Foto: Jürgen Lecher
Foto: Jürgen Lecher

                                                                                                19
                                                                                          Forschung

                                   PRÄZISIONSBIOLOGIE SCHAFFT
                                   PRÄZISIONSMEDIZIN

                                   Die Herz-Lungen-Forschung bleibt als »Cardio-
                                   Pulmonary Institute« (CPI) eine feste Größe auf der
                                   deutschen Exzellenzlandkarte. Nach Förderung als
                                   Exzellenzcluster von 2006 bis 2017 unterstützt der
                                   Bund die Herz-, Kreislauf- und Lungenforschung mit
                                   knapp 45 Mio. Euro über sieben weitere Jahre – eine
                                   Verlängerung ist möglich. Das Konsortium der drei
                                   Partner aus Frankfurt, Gießen und Bad Nauheim
                                   leistete bereits grundlegende Beiträge zur Herz-
                                   Kreislauf-Forschung und Therapieentwicklung im
                                   Rahmen des bisher geförderten Exzellenzclusters
                                   Cardio-Pulmonary System (ECCPS). Die Wissen-
                                   schaftlerinnen und Wissenschaftler verbinden die
                                   Grundlagenforschung eng mit der Klinik. Sie nutzen
                                   dabei moderne Verfahren und IT-gestützte Ansätze
                                   der Biologie, um eine Präzisionsmedizin zu schaffen,
                                   in deren Mittelpunkt der Patient steht.
20          E X ZELLENZ AM MAIN
Forschung
            SPITZENFORSCHERIN MIT
            HERZ UND LEIDENSCHAFT

                                    J   ung, dynamisch, sportlich – Stefanie Dimmeler ist auf den
                                        ersten Blick kaum von einer Doktorandin zu unterscheiden.
                                    Die Professorin für Molekularbiologie, eine der renommiertes-
                                                                                                         eine pharmakologische vor Ort. »Spaß gemacht hätte mir bei-
                                                                                                         des – aber die finanzierte Hiwi-Stelle gab den Ausschlag«, lacht
                                                                                                         Dimmeler. So wandte sie sich der Zellforschung zu. Ihre Doktor-
                                    ten Wissenschaftlerinnen Deutschlands, bittet freundlich in ihr      arbeit eröffnete ihr eine Postdoc-Stelle an der Uniklinik in Köln.
                                    Büro. Auf dem Schreibtisch liegen Veröffentlichungen und Un-         Von dort wechselte sie 1995 an die Kardiologie der Goethe-Uni-
                                    terlagen ordentlich gestapelt. Über einer Raumecke hängt ein         versität – und habilitierte sich drei Jahre später mit gerade 32
                                    »Welcome back«-Plakat. »Damit haben mich meine Mitarbeiter           Jahren. Seit 2001 hat sie die Professur für Molekulare Kardio-
                                    nach zwei Monaten Forschungsaufenthalt in Australien nett            logie inne. Eine Biologin unter Medizinern sei früher ungewöhn-
                                    empfangen«, strahlt die sympathische Frau. Auf ihr gutes Team        lich gewesen. »Aber die Grenzen verschwimmen; es ist immer
                                    ist die Direktorin des Instituts für Kardiovaskuläre Regeneration    mehr Expertise nötig, auch aus Informatik und Physik.« Urkunden
                                    im Zentrum für Molekulare Medizin der Goethe-Universität stolz.      an den Wänden ihres Büros zeugen von ihrer erfolgreichen For-
                                        Das farbenfrohe moderne Frankfurt-Bild an der Wand und           schung am Herzen. Das will sie bis ins kleinste Molekül verstehen
                                    ein Eintracht-Becher lassen spüren: Stefanie Dimmeler ist hier       – aber auch im Großen seine Vernetzung im gesamten Körper.
                                    angekommen. Doch ihr weiches »sch« stammt nicht aus dem                  Zeit für ihr Privatleben bleibt wenig, gibt Dimmeler zu. Da sie
                                    Hessischen, sondern aus ihrer alemannischen Heimat am Bo-            das Glück habe, ihren Job zu lieben, sei das aber kein Problem.
                                    densee. »Ich komme aus einem Dorf auf dem Land. Das war als          »Mit Work-Life-Balance kann ich nichts anfangen. Meine Arbeit
                                    Kind toll, beschaulich«, beschreibt sie ihr Leben auf dem elterli-   ist Teil meines Lebens.« Der Austausch mit ihrem Mann und di-
                                    chen Weingut. »Ich bin mit Natur, Blumen, Landschaft groß ge-        rekten Kollegen, Prof. Andreas Zeiher, sei »extrem toll, und die
                                    worden.« Irgendwann keimte der Wunsch: »Ich will studieren!«         Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit sind fließend«.
                                    Eine Naturwissenschaft wie Biologie lag nahe, es hätten auch             Entspannend sei es für sie, am Sonntagmorgen nach dem
                                    Physik oder Geografie sein können. Ihre Mutter habe sie unter-       Frühstück zu lesen und zu schreiben: »Fachliteratur macht mir
                                    stützt, der Vater sich eher Sorgen gemacht. »Es gab keinen so-       Spaß!« Den findet sie auch auf ihrer blühenden Dachterrasse und
                                    zialen Druck, ich wollte das aus eigener Kraft. Und ich wollte       beim Sport. So oft wie möglich joggt Stefanie Dimmeler die Drei-
                                    Geld verdienen«, erzählt sie mit einem Grinsen.                      viertelstunde von zu Hause ins Klinikum, als Triathlon-Training.
                                        Medizin habe sie zwar fasziniert, aber: »Das zu studieren        Für den Fußballverein Eintracht Frankfurt hat sie eine Dauerkar-
                                    kam mir nicht in den Sinn. Das war zu weit weg von meinem Um-        te. Auch das macht sie mit ganzem Herzen. Eine positive Einstel-
                                    feld.« Nach dem Biologiestudium in Konstanz gab es zwei Op-          lung wünscht sie sich auch für das Alter. Dafür forsche sie: »Da-
                                    tionen: eine meeresbiologische Forschungsgruppe in Kiel oder         mit viele Menschen gesund und fit ein hohes Alter erreichen.«
Foto: Jürgen Lecher

                                                                                               21
                                                                                         Forschung

                      Prof. Stefanie Dimmeler (52) ist die federführende Wissenschaft-
                      lerin am Cardio-Pulmonary Institute und konnte den gemeinsamen
                      Antrag für ein Exzellenzcluster der Goethe-Universität und
                      Justus-Liebig-Universität Gießen erfolgreich durchsetzen.
                      Seit 2008 ist sie Direktorin des Instituts für Kardiovaskuläre
                      Regeneration im Zentrum für Molekulare Medizin. Von 2008
                      bis 2012 war sie Mitglied des Deutschen Ethikrates. Stefanie
                      Dimmeler erhielt zahlreiche Forschungspreise, darunter den
                      renommierten Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen
                      Forschungsgemeinschaft.
22
Forschung
            FORSCHUNG FÜR DIE GESELLSCHAFT

                                                                ISL AM IN WISSENSCHAF T
                                                                UND GESELLSCHAF T

                                                                Die Akademie für Islam in Wis-
                                                                senschaf t und Gesellschaf t
                                                                (AIWG) ist eine universitäre Plattform für For-
              TRANSL ATIONALE MEDIZIN UND                       schung und Transfer in islamisch-theologischen
              PHARMAKOLOGIE                                     Fach- und Gesellschaftsfragen. Sie will dazu bei-
                                                                tragen, öffentliche Diskurse zum Islam zu versach-
              Die Kosten für die Entwicklung neuer Arzneimit-   lichen, indem sie Expertisen veröffentlicht und
              tel sind hoch. Das LOEWE-Zentrum für Translati-   Expertinnen und Experten zu islambezogenen
                                                                Themen vermittelt. Die AIWG ermöglicht überre-       INSTITUT FÜR
              onale Medizin und Pharmakologie TMP will das                                                           GESELLSCHAF TLICHEN ZUSAMMENHALT
              ändern: An der Schnittstelle zwischen präklini-   gionale Kooperationen und Austausch zwischen
              scher Forschung und klinischer Entwicklung und    Wissenschaftlern der islamisch-theologischen
                                                                Studien und benachbarter Fächer sowie Ak-            Was hält eine Gesellschaft zusammen und wel-
              Erprobung sollen Modelle entwickelt werden, mit                                                        che Bedingungen braucht sie dafür? Diese Fra-
              deren Hilfe sich Wirksamkeit und Sicherheit ei-   teuren aus der muslimischen Zivilgesellschaft.
                                                                    In ihrer Forschungsfunktion möchte die           gen untersuchen Forscherinnen und Forscher der
              nes Wirkstoffes frühzeitig vorhersagen lassen.                                                         Goethe-Universität gemeinsam mit Kolleginnen
              Das hilft, bereits vor Beginn kostenintensiver    AIWG standortübergreifend und interdisziplinär
                                                                Impulse für die Verstetigung der islamisch-theo-     und Kollegen des Leibniz-Institutes Hessische
              klinischer Phasen Fehlentwicklungen und Ne-                                                            Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) an der
              benwirkungen zu erkennen und hohe Ausfallra-      logischen Studien im deutschen Wissenschafts-
                                                                system geben. Die Akademie versteht sich als         neu gegründeten Forschungseinrichtung. Das
              ten zu vermeiden.                                                                                      Bundesministerium für Bildung und Forschung
                   Das LOEWE-Zentrum ist dem effektiven         Ergänzung zu den Instituten für islamische Theo-
                                                                logie an fünf Universitäten in Deutschland.          (BMBF) hat die Goethe-Universität als einen von
              Transfer von universitären Ideen aus der Grund-                                                        elf Standorten für das dezentrale Institut ausge-
              lagenforschung in die Anwendung verpflichtet,                                                          wählt. Themen des Forschungsverbundes sollen
              wobei sowohl neue Arzneimittel als auch neue                                                           gesellschaftliche Polarisierung, Konfliktkultur,
              Technologien der Arzneimittelentwicklung im                                                            Hass, Medien und Identität sein. Die Arbeit am
              Fokus stehen. Das Zentrum, zu dem neben der                                                            Standort Frankfurt baut auf der bereits elfjähri-
              Goethe-Universität und der Fraunhofer-Gesell-                                                          gen Kooperation im Rahmen des Exzellenzclus-
              schaft auch das Max-Planck-                                                                            ters »Die Herausbildung normativer Ordnungen«
              Institut für Herz- und Lungen-                                                                         mit der Hessischen Stiftung Friedens- und Kon-
              forschung in Bad Nauheim                                                                               fliktforschung und dem Frankfurter Fachbereich
              gehört, soll 2021 ein Fraun-                                                                           Gesellschaftswissenschaften auf.
              hofer-Institut werden.
INTERNATIONALISIERUNG
                                                                            »DIE LEISTUNGSFÄHIGKEIT IN DER FORSCHUNG                                                                                23
NACHGEFRAGT BEI …                                                           AUSBAUEN«
                                                                                                                                                                                              Forschung

                                                                            Sie streben als Vizepräsidentin eine Konturierung des            Was kann vonseiten des Präsidiums ermöglicht werden, um
                                                                            Forschungsprofils an. Wie realistisch ist diese angesichts       die Arbeit von Forschern bestmöglich zu fördern?
                                                                            der großen Bandbreite von Forschungsprojekten?                   Wir geben Unterstützung in Form von guten Rahmenbedin-
                                                                            Wir haben dazu – nach den ernüchternden Erfahrungen in           gungen. Das reicht von Hilfe bei Forschungsanträgen über
                                                                            der Exzellenzstrategie – einen Strategieprozess begonnen,        die Schaffung von Freiräumen für die Forschung bis hin zu
                                                                            den wir 2019 abschließen wollen. Ich halte es für wichtig, die   guter Forschungsinfrastruktur, also zum Beispiel Geräte
  … der Medizinerin Prof. Simone Fulda, die als Vize-                       Forschung sowohl in der Spitze als auch in einer gewissen        und Ausstattung. Darüber hinaus haben wir Angebote wie
  präsidentin die Rahmenbedingungen für Forschung                           Breite zu fördern, und zwar sowohl herausragende                 den Initiativfonds Forschung der Rhein-Main-Universitäten
  zukunftssicher gestalten möchte.                                          Einzel- als auch Verbundforschungsprojekte. Wir brauchen         sowie verschiedene interne Programme, die sich beispiels-
                                                                            Leuchttürme wie das Exzellenzcluster Cardio-Pulmonary            weise gezielt an Wissenschaftlerinnen, an Promovierende
                                                                            Institute oder die beiden LOEWE-Zentren Frankfurt Cancer         oder Postdocs wenden, um Karrieren zukunftssicher zu

                                                        Foto: Uwe Dettmar
                                                                            Institute und SAFE. Aber auch innovative, aufstrebende           gestalten. Aber auch Aufstiegsmöglichkeiten, Wert-
                                                                            Forschungsbereiche sind wichtig; Stichwort »emerging             schätzung und Teilhabe an Forschungsagenden sind von
                                                                            fields«: Diese sollen künftig verstärkt in den Blickpunkt        großer Bedeutung für eine bereichernde und erfolgreiche
                                                                            genommen werden, um vielversprechende Forschungsthe-             Forscherkarriere.
                                                                            men zu fördern. Auf diese Weise können wir das vorhandene
                                                                                                                                             Um die Kosten für die Anschaffung und den Betrieb von
                                                                            Innovationspotenzial noch besser ausschöpfen.
                                                                                                                                             Forschungsgeräten optimal auszulasten und umzuver­
                                                                            Wie wollen Sie diese Ziele erreichen?                            teilen, schlagen Sie vor, auch solchen Wissenschaftlern
                                                                            Es geht darum, die Forschung insgesamt zukunftssicher            Zugang zu den Großgeräten zu ermöglichen, die nicht der
                                                                            zu organisieren. Dazu müssen wir in Zukunft kompetitiver         Goethe-Universität angehören. Gleichzeitig befinden sich
                                                                            agieren, die vorhandenen Stärken weiterentwickeln und            die Universitäten aber auch im Wettbewerb untereinan­
                                                                            fokussieren. Für eine leistungsfähige Forschung müssen           der. Welche Probleme könnten sich daraus ergeben?
                                                                            wir gute Rahmenbedingungen schaffen, zum Beispiel Foren          Forschung findet heute hochgradig vernetzt statt. Daher
                                                                            für den interdisziplinären Austausch sowie Netzwerke             stellt sich diese Frage so nicht. Insbesondere große
                                                                            und Forschungsverbünde unterstützen. So können die               Forschungsinfrastrukturen sollten unter definierten
                                                                            Prozesse auch immer wieder neu optimiert werden. Mein            Regelungen einer größeren Forschergemeinschaft zur
                                                                            klares Ziel ist es dabei, die Strategien in den Fachbereichen    Nutzung offenstehen. Die Kosten für ihre Anschaffung
                                                                            mit denen des Präsidiums abzustimmen. Unter anderem              und ihren Betrieb sind einfach zu hoch. Daher werden
                                                                            deshalb habe ich die Forschungsdekane-Runde gegründet.           Großgeräte heutzutage oft gemeinsam genutzt. Die Fragen
                                                                            Bislang gab es kein formalisiertes Gremium, das einen            sind vielmehr: Wer hat Zugang? Zu welchen Bedingungen?
                                                                            solchen Austausch steuert.                                       Meine Aufgabe ist es unter anderem, klare und transparen-
                                                                                                                                             te Regelungen für die Nutzung akademischer Infrastruktu-
                                                                                                                                             ren an der Goethe-Universität zu implementieren.
24          LOE W E-ZENTRUM FR ANK FUR T CANCER INSTITUTE
Forschung
            VOM LABOR ZUM KRANKENBETT

            Operation, Bestrahlung, Chemo- und Immunthe-                  vorhersagen, wie eine Krebserkrankung verlaufen und ein        Patienten zugutekommen zu lassen. »Wir rufen in diesem
            rapie – von Krebs geheilt zu werden, bedeutet, ei-            Patient auf eine bestimmte Therapie ansprechen wird. Das       Fall bei den Kollegen von der Pharmazie auf dem Riedberg
            nen steinigen Weg zu gehen. Mediziner kämpfen                 liegt daran, dass auch das Wechselspiel der Tumorzellen mit    an und bitten sie darum, in ihrer Bibliothek nach einem pas-
            um jeden einzelnen Krebspatienten. Die Heilungs-              dem umgebenden Gewebe und dem Immunsystem des Pa-              senden Wirkstoff zu suchen. Die Ergebnisse aus den Tests
            raten steigen seit Jahren an. Moderne diagnosti-              tienten eine Rolle spielen. Um dieses komplexe Geschehen       im Experiment versetzen uns in die Lage, neue Konzepte zu
            sche und therapeutische Verfahren machen das                  untersuchen zu können, benötigt man neue, transdisziplinä-     entwickeln. Der Transfer in die Klinik würde aber zunächst
            möglich. Trotzdem sterben in Deutschland jährlich             re Forschungsstrukturen. Ein einzelnes Team kann eine sol-     weitere Studien benötigen«, so Florian Greten.
            rund 200.000 Menschen an Krebs. Und es werden                 che Aufgabe nicht lösen. Deshalb verknüpft das Frankfurt
            immer mehr. Krebs ist heute die häufigste Todesur-            Cancer Institute (FCI) Grundlagenforschung, experimentel-      ARBEITSPLATTFORMEN UND
            sache für Menschen, die vor ihrem 75. Lebensjahr              le Forschung und klinische Anwendung unter einem Dach.         STANDARDISIERTE ARBEITSABLÄUFE
            sterben müssen. Jetzt wollen Frankfurter Medizi-              Damit soll die Zeitspanne von der Krebsforschung zur -the-     Bisher gab es eine so eng verzahnte Zusammenarbeit zwi-
            ner ihre Behandlungsansätze auf ein neues Niveau              rapie verkürzt werden.                                         schen der Klinik und der Grundlagenforschung nur punktuell.
            heben, indem sie Krebsforschung und Krebsmedizin                                                                             Im FCI wird sie jetzt gezielt in sogenannten Querschnitts-
            eng miteinander verknüpfen. Am Frankfurt Cancer               TRANSDISZIPLINÄRE FORSCHUNGSSTRUKTUREN                         programmen gefördert und gestärkt – durch eine organisa-
            Institute (FCI) sollen Patienten künftig noch schnel-         »Unser Konzept zeichnet sich dadurch aus, dass Kliniker,       torische Betreuung und hohe Fördersummen. Dabei geht es
            ler von der Forschung profitieren.                            Grundlagenwissenschaftler, Pharmazeuten und Bioinfor-          nicht nur darum, Kontakte zwischen Forschern aus unter-
                                                                          matiker eng zusammenarbeiten und Projektteams bilden«,         schiedlichen Bereichen herzustellen oder Meetings zu orga-

            D   ie gute Nachricht zuerst: nach Berechnungen des Ro-
                bert Koch-Instituts (RKI) leben allein in Deutschland
            rund vier Millionen Menschen, die eine Krebserkrankung
                                                                          erklärt Prof. Florian Greten, Sprecher des Frankfurt Cancer
                                                                          Institutes. Das Besondere dabei sei, dass die patientennahe
                                                                          Forschung und Therapie bereits von Anfang an von diesen
                                                                                                                                         nisieren. Wichtig ist auch, dass die Arbeit der Teams maß-
                                                                                                                                         geblich durch standardisierte Arbeitsabläufe unterstützt
                                                                                                                                         wird, die von Plattformen im FCI bereitgestellt werden. Bei-
            erfolgreich überstanden haben. Durch eine verbesserte Ver-    interdisziplinären Projektteams geplant und gemeinsam be-      spielsweise wird ein Labor für Immunmonitoring entstehen,
            sorgung und neue Behandlungsoptionen haben zunehmend          arbeitet würden. Das soll es künftig auch erleichtern, indi-   welches den Status der körpereigenen Abwehrkräfte eines
            mehr Patienten die Chance, Krebs zu überleben. Aber nicht     viduelle Therapien für Tumorpatienten zu finden: Wenn bei-     jeden Patienten untersuchen und in Zusammenhang mit sei-
            alle Patienten sprechen auf eine Therapie gleich gut an.      spielsweise bei Patienten die bisher angewandten Therapien     ner Therapie stellen wird. Durch diese Arbeitsweise wird si-
            Krebs ist extrem kompliziert. Krebs ist die Folge von Feh-    nicht anschlagen, wird Tumormaterial an die im Labor des       chergestellt, dass die translationale Forschung (vom Labor
            lern in der Erbinformation einzelner Zellen. Zwar erlauben    FCI tätigen Kollegen geschickt, um zu analysieren, warum sie   zum Patientenbett) wirklich umgesetzt wird. Dabei konzen-
            es technologische Fortschritte heutzutage, ganze Genome       nicht auf die Therapie reagieren. Anhand des Patientenge-      triert sich das FCI zunächst vor allem auf drei Krebsarten:
            – ob von gesundem Gewebe oder von Krebszellen – inner-        webes kann dann konkret geforscht werden, welcher neue         auf Blutkrebs (Leukämie), Enddarmkrebs (Rektumkarzinom)
            halb weniger Tage zu entschlüsseln. Trotzdem kann man nicht   Wirkstoff helfen könnte, um diesen dann unmittelbar dem        und auf Glioblastome (Hirntumore).
Foto: Andreas Reeg

                                                                           25
                                                                     Forschung

                     KREBSMEDZIN DER ZUKUNFT

                     Das Land Hessen fördert das Frankfurt
                     Cancer Institute ab 2019 als LOEWE-Zentrum
                     mit rund 24 Mio. Euro über zunächst vier
                     Jahre. Zudem soll am Campus Niederrad der
                     Goethe-Universität ein hochmoderner Neu-
                     bau entstehen, dessen Kosten von 73,4 Mio.
                     Euro Bund, Land, Deutsche Krebshilfe und
                     weitere Partner tragen. Auch die Vereinigung
                     der Freunde und Förderer der Universität
                     beteiligt sich mit 200.000 Euro an der Finan-
                     zierung eines Labors für Immunmonitoring
                     im FCI. Der Neubau entsteht auf einer freien
                     Fläche zwischen Georg-Speyer-Haus und
                     Universitätsklinikum. Auf rund 4.700 Quadrat-
                     metern Nutzfläche sollen Räume, Labore und
                     Geräte zur Erforschung der Tumorbiologie
                     und experimenteller Therapie für mehr als
                     100 Wissenschaftler aus verschiedenen
                     Forschungsbereichen bereitgestellt werden.
                     Der Baubeginn ist für 2020 vorgesehen, die
                     Inbetriebnahme 2024. Bis dahin nimmt das
                     FCI ab 2019 dezentral seine Arbeit auf.
Foto: Jürgen Lecher

                                                                                                                                                     Foto: Jürgen Lecher

                                                                                                                                                                                                                                    Foto: Uwe Dettmar
26
Forschung

            Prof. Florian Greten, Direktor Georg-Speyer-Haus, Sprecher Frankfurt Cancer Institute; Prof. Hubert Serve, Direktor Medizinische Klinik 2; Prof. Ivan Dikic, Direktor Institut für Biochemie 2

            DAS VERMÄCHTNIS PAUL EHRLICHS                                                   die Gesellschaft und den Staat. Ehrlich schrieb damit in                       – daran hat sich bis heute nichts geändert. Die 4 G’s gel-
            Für den translationalen Ansatz des FCI stehen die drei                          Frankfurt Medizingeschichte. Für seine immunologischen                         ten auch für das FCI. Die drei Gründer sind darauf vorberei-
            Gründer des Frankfurt Cancer Institutes: der Kliniker Prof.                     Arbeiten erhielt er 1908 den Nobelpreis für Medizin. Mit                       tet, seit sie sich im Oktober 2013 zum ersten Mal getroffen
            Hubert Serve, Direktor der Medizinischen Klinik 2, der                          der Gründung der Goethe-Universität 1914 war er zum ers-                       haben. Und sie wissen seit Paul Ehrlich: Wissenschaftliche
            Grundlagenforscher Prof. Ivan Dikic, Direktor des Insti-                        ten Ordinarius für Pharmakologie und Experimentelle The-                       Konzepte brauchen Dialog, die Idee Verbreitung. Unermüd-
            tuts für Biochemie 2, und Prof. Florian Greten, Direktor                        rapie berufen worden. Rektor zu sein, lehnte er aus gesund-                    lich warben Serve, Greten und Dikic für ein Frankfurt Can-
            des ­Georg-Speyer-Hauses, der durch die präklinische For-                       heitlichen Gründen ab. Doch seine Forschungsergebnisse                         cer Institute mit translationaler Krebsforschung und fanden
            schung die Brücke schlägt. Sowohl mit ihrer Vision von pa-                      machten Schule. Noch heute kann die Wissenschaft mit                           rasch Unterstützer: Ministerium, Universität, Stadtgesell-
            tientennaher Forschung und Therapie als auch mit ihrem                          Blick auf das Lebenswerk des »Vaters der Immunologie und                       schaft, Deutsche Krebshilfe, Bund und Land – alle haben
            Konzept der Verbundforschung stehen die drei renommier-                         Chemotherapie« viel lernen. Teamgeist etwa. Ehrlich war                        das Vorhaben auf ihre Weise unterstützt, teilweise mit er-
            ten Wissenschaftler – so viel Ehre muss sein – in der Tra-                      trotz eigenbrötlerischer Eigenheiten nie ein Einzelkämpfer.                    heblichen Summen. Wie lange es dauern wird, bis für die
            dition des Immunologen Paul Ehrlich.                                            Er pflegte ein breites Forschungsnetzwerk, korrespondier-                      Patienten verwertbare Ergebnisse zu erwarten sind, kann
                Der Mediziner Ehrlich entwickelte 1909 am Institut für                      te regelmäßig mit Behörden und Vertretern der chemischen                       heute zwar noch niemand sagen. Doch die gründliche Vor-
            Experimentelle Therapie – das spätere Georg-Speyer-Haus                         Industrie auf der ganzen Welt.                                                 bereitung für die Begutachtung zum LOEWE-Zentrum hat
            – mit Salvarsan nicht nur ein Mittel gegen die Geschlechts-                                                                                                    sich ausgezahlt. Erste therapiebegleitende Untersuchungen
            krankheit Syphilis, sondern das erste systematisch herge-                       FORSCHUNG BRAUCHT KONSEQUENTES MANAGEMENT                                      fanden bereits statt, an neuen Therapiestrategien wird ge-
            stellte Chemotherapeutikum überhaupt. Diese Erfindung                           Geduld, Geschick, Geld und Glück – 4 Gs benötige es für wis-                   arbeitet. »Ich hoffe, dass wir in wenigen Jahren so effizi-
            war spektakulär, bahnbrechend und wegweisend. Bis in die                        senschaftlichen Erfolg, davon war Paul Ehrlich überzeugt.                      ent arbeiten, dass das FCI maßgeschneiderte Lösungen für
            Gegenwart. Für die damals großen Krankheiten Diphthe-                           Übersetzt bedeutet das: Methoden systematisieren, Netz-                        die Patienten sogar in ›Echtzeit‹ anbieten kann«, sagt Flo-
            rie und Syphilis brauchte es eine Lösung. Vor diesem Hin-                       werke bilden und pflegen, Gelder einwerben, Resultate in-                      rian Greten. Lösungen, die den Menschen dienen. Krebs-
            tergrund waren Ehrlichs Medikamente eine Verheißung für                         terpretieren und veröffentlichen, Mitarbeiter motivieren                       medizin, die wirkt.
Sie können auch lesen