ENT WICKLUNG GESTALTEN - JA HRBUCH 2018 - Goethe-Universität
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»Technologische Umbrüche, kulturelle Spannungen, soziale Ungleichheiten, ökologische Menschheitsfragen und internationale Konflikte, alles das wird unsere politische Ordnung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten herausfordern. In dieser Zeit muss sich demokratische Politik bewähren. Sie muss weiterdenken, sie muss beherzter handeln – gerade jetzt. Und das geht uns alle an: in der Gesellschaft, in politischen Ämtern, aber auch in der Wissenschaft.« F R ANK-WA LT ER S T EINMEIER Bundespräsident
ENTWICKLUNG GESTALTEN 3 Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, liebe Freundinnen und Freunde der Goethe-Universität, Foto: Uwe Dettmar »weiterdenken, beherzter handeln« – dieses Plädoyer des wir derzeit universitätsintern zusammen mit verschiedenen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier für eine de- Forschungsschwerpunkten diskutieren und bis Jahresende mokratische Politik möchte ich hier aufgreifen, denn es gilt 2019 umsetzen wollen. Und wir wollen im Austausch mit auch für die Wissenschaft. Die Goethe-Universität hat 2018 der Gesellschaft auch die besonderen Chancen, die wir als ihre Forschungsgovernance und ihr Forschungsprofil neu ver- Stiftungs- und Bürgeruniversität haben, noch besser mobi- messen und erkannt, dass das zweifellos vorhandene große lisieren – Stichwort Third Mission. wissenschaftliche Potenzial unserer Universität auf unter- Beherzt haben wir auch dieses Jahrbuch strukturell neu schiedlichen Wegen noch besser mobilisiert werden muss, ausgerichtet. Optisch wie gewohnt, setzt es inhaltlich neue um künftig in nationalen und internationalen Wettbewerben Akzente. Forschung, Lehre, Third Mission, Infrastruktur und erfolgreicher zu sein. Beherzt entwickeln wir den 2018 be- Hochschulleben integrieren wir ab sofort – soweit mög- gonnenen strategischen Erneuerungsprozess weiter – und lich und sinnvoll – in thematische »Inseln«. Das Jahrbuch gestalten damit eine Wissenschaft, die auch offen ist für erhält, wenn Sie so wollen, eine »translationale« Erzähl- gesellschaftliche Impulse. struktur. Dieses Ordnungsprinzip wird der Realität moder- Von entscheidender Bedeutung dabei ist, dass wir künf- ner Forschung, Lehre und Third Mission eher gerecht, in der tig noch stärker auf die interne Förderung hervorragender Themen nicht mehr isoliert voneinander behandelt werden, Forschungsverbünde setzen und dafür passende Instru- sondern integriert. mente entwickeln, ohne jedoch die exzellente Einzelfor- Sie sehen, wir nehmen unser Jahrbuch-Motto »Entwick- schung zu vernachlässigen. Bei der besseren Vernetzung lung gestalten« ernst! In diesem Sinne wünsche ich Ihnen exzellenter Forschung bietet auch der Verbund der Rhein- viel Freude beim »Streifzug« durch unser neues Jahrbuch! Main-Universitäten (RMU) noch viel ungenutztes Potenzi- al. Mehr Klarheit für uns und für andere darüber, wofür die Herzliche Grüße! Goethe-Universität im Kern wissenschaftlich steht, schaffen wir durch die Neukonturierung unseres Forschungsprofils. Dafür haben wir ein mehrstufiges Modell entwickelt, das Prof. Birgitta Wolff Präsidentin
Foto: Jürgen Lecher 4 GOETHE´S BOOK EXCHANGE Sein Name ist Programm: Im neuen Bücherschrank auf dem Campus Westend sollen vor allem englisch- sprachige Publikationen eingestellt werden. Es ist ein Beitrag zur Internationalisierung der Goethe- Universität. Der offene Bücherschrank funktioniert nach dem Prinzip »Geben und Nehmen«: Wer ein Buch lesen möchte, darf es entnehmen und nach dem Lesen zurückbringen – oder auch behalten. Betreut wird das Projekt vom Goethe Welcome Centre (GWC), das auch die Idee für den Bücher- schrank hatte. Der Arbeitskreis »Lebendiger Campus« setzte das Projekt in die Tat um, finanziert wurde der Bücherschrank von der CampuService GmbH. Er steht am stark frequentierten Fußweg zwischen Casino und PA-Gebäude und ist allen Campusbesuchern rund um die Uhr zugänglich.
5 ENTWICKLUNG GESTALTEN STIFTUNGSUNIVERSITÄT STUDIUM UND LEHRE FAKTEN, DATEN, ZAHLEN Bestandsaufnahme 2018 9 Lehrerbildung gegen Bildungsnotstand 44 Förderung strukturierter Programme 64 Interview – Prof. Birgitta Wolff 13 Interview – Prof. Eckhard Klieme (DIPF) 47 Stiftungsprofessuren, -dozenturen und geförderte Porträt – Prof. Wilhelm Bender 14 Porträt – Prof. Roger Erb 48 Professuren 68 Studierende im Moot Court 50 Stiftungsgastprofessuren und -dozenturen 71 FORSCHUNG 1822-Preis für Exzellente Lehre 52 Personal 72 Exzellenzcluster Cardio-Pulmonary Institute 18 Studentisches Raumfahrtexperiment 53 Studierende 74 Porträt – Prof. Stefanie Dimmeler 20 Masterstudiengang Digital Transformation Abschlüsse 78 Gesellschaftsrelevante Forschungsprojekte 22 Management (MBA) 54 Interview – Prof. Simone Fulda 23 Drittmittel 80 LOEWE-Zentrum Frankfurt Cancer Institute 24 THIRD MISSION Budget der Universität 83 Nachwuchsförderung in der Krebsforschung 27 Technologietransfergesellschaft Innovectis 28 Green IT – CO²-neutrales Hochleistungsrechnen 30 Interview – Prof. Manfred Schubert-Zsilavecz 29 Porträt – Prof. Volker Lindenstruth 32 Stiften für den Nachwuchs 56 Auszeichnungen 34 10 Jahre House of Finance 36 INTERNATIONALISIERUNG Finanzforschungszentrum SAFE 37 Interview – Prof. Rolf van Dick 55 Interview – Prof. Volker Wieland 39 Digital gestützte Universitätsbibliothek 40 Vorwort 3 Das Bibliothekssystem in Zahlen 41 CHRONOLOGIE 57 Impressum 84
7 Mit mehr als 47.000 Studieren LOEWEMittel bewegt sie sich auf den sowie 580 Professorinnen und Spitzenniveau. Professoren im Wintersemester 2018/19 ist die Goethe-Universität Die Rhein-Main-Universitäten die größte Hochschule Hessens; (RMU) aus Darmstadt, Frankfurt und bundesweit steht die Volluniversi- Mainz gehören mit einer über die tät hinter München und Köln an drit- Deutsche Forschungsgemeinschaft ter Stelle. (DFG) eingeworbenen Fördersumme von 457 Mio. Euro zu den stärksten Von 37 Neuberufungen sind 17 Pro strategischen Universitätsallianzen fessuren mit Frauen besetzt. Das und den stärksten Wissenschafts- entspricht einer Quote von 46 Pro regionen Deutschlands. zent. Die Förderung von hoch quali- fizierten Nachwuchswissenschaft Die Vereinigung von Freunden und lerinnen in die Professur ist der Förderern der GoetheUniversität STIF TUNGSUNIVERSITÄT Goethe-Universität ein wichtiges feiert im Jahr 2018 ihr hundertjäh hochschulpolitisches Anliegen. riges Bestehen und macht der Stif- tungs- und Bürgeruniversität ne- In der Drittmittelentwicklung ver- ben der jährlichen Millionensumme zeichnet die Goethe-Universität wertvolle Zusatzgeschenke in sie im Jahr 2018 einen neuen Rekord. benstelliger Höhe. Mit 199,5 Mio. Euro inklusive der
Foto: Jürgen Lecher 8 Stiftungs- universität PRÄSIDIUM DER GOETHEUNIVERSITÄT V. li. n. re.: Prof. Dr. Rolf van Dick; Prof. Dr. Simone Fulda; Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz; Kanzler Dr. Albrecht Fester; Prof. Dr. Birgitta Wolff; Prof. Dr. Roger Erb
BESTANDSAUFNAHME 2 018 9 »ENTWICKLUNG GESTALTEN« Stiftungs- universität Die Goethe-Universität erbringt bemerkenswerte Leistungen in Forschung, Lehre und Third Mission; sie ist – gemeinsam mit den kooperierenden Hochschulen in der Rhein-Main-Region sowie externen Forschungseinrichtungen – ein starker Entwicklungs- und Innovationsmotor für die Zukunft des Landes und seiner Bevölkerung. Gegenwärtig steht die Goethe-Universität vor grundlegenden Weichenstellungen: Wie kann sie sich zukunftsfähig aufstellen? Mit welchen Projekten und Personen verwirklicht sie ihre Ambitionen und Potenziale? Welche baulichen Erweiterungen verbessern die Infrastruktur? Die Goethe-Universität gibt in diesem Jahrbuch unter dem Motto »Entwicklung gestalten« Antworten auf diese und weitere Fragen. D ie Goethe-Universität hat sich auf den Weg einer strategischen Erneuerung gemacht. Sie arbeitet an einem neuen Hochschulentwicklungsplan, kontu- strategischen Diskurs. Am Ende dieses Weges soll im Herbst 2019 die Verabschiedung eines neuen Konzepts stehen, das sowohl die wichtigsten Forschungsschwer- Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern (ITN-Innovative Training Networks) beteiligt. Im Spitzenforschungsprogramm Exzellenzstrate- riert ihr Forschungsprofil neu und setzt künftig noch punkte beinhaltet als auch ein dynamisches Modell gie überzeugte die Bewerbung des Exzellenzclusters stärker auf die Förderung von Forschungsverbünden der Entwicklung neuer Schwerpunkte. »Cardio-Pulmonary Institute« (CPI). Das gemeinsame und Kooperationen. Dahinter steht die Erkenntnis, Forschungsprojekt der Goethe-Universität, der Jus- dass auf der Suche nach zukunftsfähigen und nach- ZUKUNFTSSICHERE FORSCHUNG tus-Liebig-Universität und des Max-Planck-Instituts haltigen Lösungen in Wissenschaft und Gesellschaft In diesem Entwicklungsprozess kann die Goethe-Uni- für Herz- und Lungenforschung wird seit dem 1. Januar entstehende Forschungsansätze substanziell von dis- versität auf ein wachsendes Fundament von nationa- 2019 für sieben Jahre mit rund 45 Mio. Euro gefördert. ziplinärer Vielfalt profitieren. Keine einfache Aufga- len und internationalen Forschungserfolgen setzen: Auf dem Campus Niederrad werden die Umrisse eines be, denn diese Vernetzung benötigt entsprechende So zählen 13 Naturwissenschaftler und Mediziner der neuen Spitzeninstituts in der Krebsforschung sichtbar: Voraussetzungen – institutionell, finanziell und lo- Goethe-Universität laut »Web of Science« zu den welt- Das im Aufbau befindliche Frankfurt Cancer Institute gistisch. An der Goethe-Universität wird deshalb in- weit meistzitierten Forscherinnen und Forschern im Jahr (FCI) spannt den Bogen interdisziplinärer Forschung von tensiv darüber nachgedacht, welche Strukturen und 2018. Damit ist die Goethe-Universität nach der Uni- der lebenswissenschaftlichen Grundlagenforschung Anreize innerhalb der Universität die Bildung erfolg- versität Heidelberg die erfolgreichste deutsche Hoch- bis zu neuen Therapieformen in der Krebsbehand- reicher Verbünde unterstützen. Dieser Diskussions- schule. Sehr präsent ist die Goethe-Universität auch lung. Und das finanzwissenschaftliche Zentrum SAFE prozess ist 2018 in verschiedenen moderierten Foren in 40 laufenden Verbundforschungsprojekten der na- machte währenddessen die entscheidenden Schritte mit großer Intensität geführt worden und noch nicht tionalen Forschungsförderung, bei denen sie die Spre- auf dem Weg zum Leibniz-Institut. abgeschlossen. Viele der Forschenden, aber auch wei- cherfunktion innehat. Außerdem ist sie an 20 europä- tere Universitätsmitglieder beteiligen sich an diesem ischen Netzwerken zur strukturierten Ausbildung von
10 Stiftungs Die steigende Erfolgsquote bei verbundorientier- NEUES PRÄSIDIALTEAM Aktionsplan »Chancengleichheit 2019–2024«. Damit universität ten Forschungsprojekten wird auch sichtbar in einem Die wachsende Dynamik verkörpert auch das in we- stellt die Goethe-Universität bis 2024 die Weichen für neuen Drittmittel-Bestwert: Fast 200 Mio. Euro konn- sentlichen Positionen neu gewählte Präsidialteam der einen verstärkten Wandel innerhalb der Hochschule, in- te die Goethe-Universität 2018 einwerben, die größte Goethe-Universität mit Universitätspräsidentin Prof. Bir- dem sie Gender Equality & Diversity Policies als Strate- Position davon mit 83,3 Mio. Euro Mittel der Deutschen gitta Wolff an der Spitze, das seit Mai 2018 mit einer gien zur Qualitätsentwicklung in Forschung, Lehre und Forschungsgemeinschaft (DFG). Sowohl in den Geistes- neuen Vizepräsidentin und zwei neuen Vizepräsidenten Verwaltung fest etabliert. Die Goethe-Universität legt wissenschaften (Platz fünf) als auch in den Lebenswis- die Entwicklung der Universität maßgeblich mitgestal- damit als eine der ersten Hochschulen bundesweit ein Ein ausgewachsenes senschaften (Platz acht) erreicht die Goethe-Universität tet: Prof. Simone Fulda, Prof. Roger Erb, Prof. Rolf van einheitliches Strategiekonzept zur Chancengleichheit vor. Forschungsprofil im DFG-Ranking Spitzenpositionen. Ein starker Aufwind Dick; Prof. Manfred Schubert-Zsilavecz, der seit 2009 Der Frauenanteil bei den wissenschaftlichen Mitar- braucht Leuchtturm auch im Bereich anwendungsnaher Innovation: Forsche- als Vizepräsident amtiert, wurde zum vierten Mal im beitern liegt Ende 2018 bei 48 Prozent. Der Anteil der projekte ebenso wie in novative, aufstrebende rinnen und Forscher der Goethe-Universität meldeten Amt bestätigt. In den drei anderen Positionen folgen die Professorinnen stieg weiter leicht, er liegt derzeit bei Forschungsbereiche. 2018 43 neue Erfindungen an. Gewählten Prof. Brigitte Haar (†), Prof. Tanja Brühl und Prof. Enrico Schleiff, die nicht mehr zur Wahl standen. Frauenanteil an der Goethe-Universität Die Professorin für Experimentelle Tumorforschung (Akademisches Jahr 2018) Foto: Uwe Dettmar Simone Fulda ist für das Ressort »Forschung und aka- Semester 2018 demische Infrastruktur« zuständig. Das Ressort »Studi- um und Lehre« hat der Professor für Didaktik der Physik Studentinnen (26.949 von insg. 47.334) 57 % Roger Erb übernommen. Für das Ressort »Third Missi- Absolventinnen* (3.661 von insg. 6.015) 61 % on« ist wie bisher der Professor für Pharmazeutische Promovierte (414 von insg. 766) 54 % Chemie Manfred Schubert-Zsilavecz verantwortlich. In Habilitierte (14 von insg. 37) 38 % die Zuständigkeit von Rolf van Dick, Professor für Sozi- Berufene (17 von insg. 37) 46 % alpsychologie, fällt das Ressort »Internationalisierung, Professorinnen (153 von insg. 580) 27 % Nachwuchs, Gleichstellung und Diversity«. VIELFALT UND CHANCENGLEICHHEIT 27 Prozent. Die Frauenförderung an der Goethe-Uni- Um in Lehre und Forschung leistungsfähig und innovativ versität trug dazu bei, dass mittlerweile 46 Prozent der zu sein, schafft die Goethe-Universität Rahmenbedin- Neuberufenen Frauen sind. Von den 16 Berufungen auf gungen, in denen sich die unterschiedlichen persönli- Tenure-Track-Professuren wurden 7 mit Frauen besetzt. chen Potenziale ihrer Mitglieder, ihre Kompetenzen und Die Goethe-Universität verstärkt und beschleunigt Fähigkeiten, ihr Engagement und ihre Kreativität positiv mit dem Aktionsplan Chancengleichheit die begonne- entfalten und vergrößern können. Seit vielen Jahren ar- nen Veränderungsprozesse in den Wissenschafts- und beitet die Goethe-Universität aktiv daran, diesen Auf- Hochschulstrukturen. Durch familienfreundliche Karrie- gaben gerecht zu werden und eine auf Chancengleich- rekonzepte etwa, durch Beförderung von Frauen in Spit- heit und Gerechtigkeit basierende Hochschulkultur zu zenpositionen der Forschung, durch verbesserte akade- schaffen. Herzstück einer zentralen Offensive ist der mische Infrastrukturen, um einige Beispiele zu nennen. * Abschlüsse: Bachelor, Master, Staatsexamen, Lehramt, auslaufende Diplom- und Magisterstudiengänge sowie weitere Abschlüsse
Foto: Uwe Dettmar 11 Stiftungs universität Beliebter Studien standort: Immer mehr Schulabgänger nehmen ein Studium an der Goethe-Universität auf. QUALITÄTSSICHERUNG IN DER LEHRE Zur Qualitätssicherung der Lehre trägt neben der Studium erwerbstätig, immerhin sieben Prozent leisten Die Studierendenzahlen erreichten im Studienjahr 2018 Lehrveranstaltungsevaluation, der Absolventenbefra- familiäre Fürsorgearbeit. Erfreulich: Der überwiegen- einen neuen Höchststand. Der Vielfalt der Fächer einer gung und dem Studienmonitoring auch die zweite re- de Teil der Studierenden der Goethe-Universität ist mit Volluniversität verpflichtet sich die Goethe-Universität präsentative Studierendenbefragung bei. Insgesamt dem Studium zufrieden (87 Prozent). 90 Prozent wür- in ihren »Grundsätzen zu Studium und Lehre«. Anfang 11.000 Studierende beteiligten sich daran. Die Ergeb- den die Goethe-Universität einem befreundeten Studi- 2018 verabschiedete die Hochschule darüber hinaus nisse sollen helfen, das Studium und seine Rahmenbe- eninteressierten weiterempfehlen. Fast 80 Prozent der mit dem »Leitbild Digitale Lehre« eine Weiterentwick- dingungen weiter zu verbessern. Dabei scheinen starre Studierenden beurteilen Aufbau und Struktur ihres Stu- lung ihres Selbstverständnisses in der Lehre: Es steht Regelstudienzeiten immer weniger der Lebenswirklich- dienfachs als »sehr gut«, »gut« (54 Prozent) oder »be- für ein zeitgemäßes Lehr- und Bildungskonzept, in dem keit vieler Studierender zu entsprechen. Zwei Drittel der friedigend« (25 Prozent). Medien selbstverständlicher Teil des Studiums sind. an der Goethe-Uni Eingeschriebenen sind neben dem
Foto: Uwe Dettmar 12 Stiftungs universität Auf dem Campus Riedberg werden die Chemischen Institute neu aufgebaut. BAULICHE ENTWICKLUNG absehbarer Zukunft ihren historischen Gründungsstand- Ministerpräsident Volker Bouffier, Bürgermeister und An allen drei Hauptstandorten der Goethe-Universität ort Bockenheim. Kämmerer der Stadt Frankfurt Uwe Becker, der Vorsit- wird die nächsten Jahre wieder kräftig gebaut. Die Währenddessen laufen die Bauprojekte für die Che- zende der Geschäftsleitung und CEO von Merck Ste- Standortneuordnung und -entwicklung schafft kürze- mie und die Informatik/Mathematik auf dem Campus fan Oschmann sowie etwa tausend weitere geladene re Wege und noch intensiveren Austausch. Riedberg auf Hochtouren. In Ginnheim werden mit Milli- Gäste. Die Festrede hielt der bekannte Historiker Prof. Der Neubau der Sprach- und Kulturwissenschaften onenaufwand die Sporthallen saniert, auf dem Campus Christopher Clark aus Cambridge. Clark hat wie kein der Goethe-Universität, für den der erste Spatenstich Niederrad entstehen mit dem Frankfurt Cancer Institute anderer die politischen Umbrüche vor und nach dem erfolgt ist, ermöglicht künftig den Umzug der letzten (FCI), dem Brain Imaging Center (CoBIC) und der zentra- Ersten Weltkrieg untersucht, also der Gründungszeit noch auf dem Campus Bockenheim verbliebenen geis- len Forschungseinrichtung drei große neue Gebäude. von Goethe-Universität und Freundesvereinigung. Viel teswissenschaftlichen Fächer auf den Campus West- Stoff für Reflexionen über die Wirkung der 1968er-Be- end. 2018 kamen auch die Planungen für eine neue BÜRGERUNIVERSITÄT TRIFFT STADTGESELLSCHAFT wegung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bot Unibibliothek am Campus Westend voran: Das Land 2018, das war auch ein Jahr mit gleich zwei Jubiläen: auch das zweite Jubiläum »50 Jahre 1968«. Mehrere Hessen stellte aus Veräußerungserlösen des alten 100 Jahre Freunde und Förderer der Goethe-Universi- Reihen und Einzelveranstaltungen, zum Beispiel die Frankfurter Polizeipräsidiums rund 100 Mio. Euro zusätz- tät sowie 50 Jahre »1968«. Beim Jubiläum der Freunde Reihe Deutsche Biografien, eine Kooperationsveran- lich in Aussicht. Für den Neubau des Studierendenhau- spielte auch exaktes Timing eine wichtige Rolle: Denn staltung mit der Frankfurter Rundschau sowie eine ses wurde eine Baugenehmigung erteilt. Bis 2021/22 auf den Tag genau hundert Jahre nach der Gründung spezielle »Bürgeruniversität« mit hochrangig besetz- soll die dritte Ausbaustufe auf dem Campus Westend luden sie mit ihrem Vorsitzenden Prof. Wilhelm Bender ten Podien interpretierten dieses gesellschaftspoli- abgeschlossen sein. Damit verlässt die Hochschule in wieder zum Feiern ein – mit einer illustren Gästeschar: tische Phänomen.
FORSCHUNG 13 NACHGEFRAGT BEI … Stiftungs universität Das Präsidium und Sie möchten die Goethe- der Verbundforschung noch nicht gut genug. vernetzt. Aber ja, als Mitglied des Vorstands Universität strategisch neu ausrichten. Was Hier müssen wir stärker werden, um im der Hochschulrektorenkonferenz lässt sich wollen Sie damit erreichen? nationalen und internationalen Wettbewerb das noch steigern. Die besten Ergebnisse Wir wollen die Goethe-Universität von innen weiterhin zu bestehen. erzielt man aber nicht im Alleingang, son- heraus weiterentwickeln und stärken. Dabei dern gemeinsam mit anderen. Dass unsere helfen uns ganz stark die Ergebnisse aus den Ein wichtiger Baustein bei der strategischen Wünsche und Forderungen gehört und ver- Analysen vorangegangener Fehler in der Weiterentwicklung der Goethe-Universität standen werden, sieht man auch am neuen Exzellenzstrategie. Aber natürlich brauchen ist der Hochschulentwicklungsplan. Wie Koalitionsvertrag in Hessen. Viele unserer wir auch Unterstützung von außen, und zwar ist hier der gegenwärtige Stand? gemeinsam mit den anderen hessischen eine verlässlichere Grundfinanzierung. Ein Uns ist wichtig, dass keine gute Idee verloren Hochschulen erarbeiteten Wahlprüfsteine Drittel unseres 630-Millionen-Euro-Budgets geht. Es geht darum, Impulse aus der ganzen wurden dort berücksichtigt. kommt aus befristeten Drittmitteln und Pro- Universität aufzunehmen und im neuen Hoch- … Prof. Birgitta Wolff, die gemeinsam jekten. Damit können wir keine unbefristeten schulentwicklungsplan zu berücksichtigen. Sie sind im vierten Jahr im Amt als Präsi mit dem Präsidium die Ziele der Goethe- Professuren finanzieren. Um daran etwas zu Dabei verstehen wir uns als Arbeitsgemein- dentin der Goethe-Universität. Wie steuert Universität in Forschung, Lehre und ändern, benötigen wir mindestens 75 Prozent schaft. In sechs Schreibteams arbeiten wir man eigentlich einen solch großen Tanker Studium weiterentwickelt. des Haushaltes aus Grundmitteln. Das würde zu zentralen Fragestellungen in Forschung, wie die Goethe-Universität? auch helfen, das derzeitig inakzeptable Lehre, Third Mission, Internationalisierung, Ich habe das unglaubliche Privileg, täg- Foto: Uwe Dettmar Betreuungsverhältnis von einer Professur Digitalisierung, Gleichstellung sowie Bauen lich mit ganz vielen, ganz verschiedenen für mehr als 90 Studenten zu verbessern. und Infrastruktur. Daher kommt alles zur Menschen zusammenzuarbeiten, die in Sprache, was für diese Entwicklung von der Regel immer etwas verbindet: Sie sind Wie wollen Sie die Neuausrichtung konkret Bedeutung ist: Forschungsschwerpunkte, neugierig, intelligent und haben Spaß an der gestalten? Lehre im Zeitalter der Digitalisierung bis Arbeit. Wir diskutieren sehr intensiv und Zum einen wollen wir die Identität als zu Fragen, wie alle Beschäftigten, auch die durchaus kontrovers. Dabei nehme ich eine Stiftungs- und Bürgeruniversität weiter Kollegen aus der Technik und Verwaltung, moderierende Rolle ein. Am Ende des Tages stärken. Wie können wir auf Grundlage diesen Prozess begleiten können. Alle Uni- aber, wenn alle Argumente ausgetauscht unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse Mitglieder können hierzu ihre Vorstellungen sind, bin ich der Kompass, der zeigen muss, den Austausch mit der Gesellschaf t einbringen. wo Norden ist. Dabei hilft bisweilen die weiterentwickeln? Eine zentrale Third- Kombination von westfälischem Dickschädel Mission-Aufgabe! Zum anderen müssen wir Sie sind seit 2018 Präsidiumsmitglied der und rheinischer Frohnatur. unser Forschungsprofil stärker konturieren: Hochschulrektorenkonferenz. Wie viel Rü Für welche wissenschaftlichen Kernkom- ckenwind bringt das in die Verhandlungen petenzen steht die Goethe-Universität? auch mit der Politik? Aus dem schwachen Abschneiden in der Durch meine früheren politischen Erfah- Exzellenzstrategie haben wir gelernt, dass rungen als Wissenschaftsministerin bin wir stark sind in der Einzelforschung, aber in ich ohnehin gut mit politischen Akteuren
Foto: Jürgen Lecher 14 Stiftungs universität »In jedem Frankfurter möge das Gefühl lebendig sein: Das ist meine Universität!« Diesen Satz Henry Oswalts, einst Mitbegründer der Freundesvereinigung an der Goethe-Universität, füllt der jetzige Vorsitzende Prof. Dr. Wilhelm Bender im Jubiläumsjahr 2018 mit neuem Leben.
10 0 JAHRE FREUNDESVEREINIGUNG 15 DER BEKENNENDE ALUMNUS Stiftungs universität W as er sich vornimmt, das schafft er! Für ihn ist immer erst- mal alles möglich, er zaudert nicht.« Sätze wie dieser sind immer wieder zu hören, wenn Mitstreiter und Freunde über Wil- Protestaktionen der 68er machte er mit – »Gewalt war aller- dings für mich nicht akzeptabel!« In der Willy-Brandt-Ära trat Bender der SPD bei. Der Jurastudent suchte im Studium nach helm Bender sprechen. »Sein Engagement ist mitreißend«, so den Persönlichkeiten, die sich kritisch mit der deutschen Nazi- haben es besonders viele 2018 erlebt, als die Vereinigung von Vergangenheit auseinandersetzten: Prägend wurden für ihn der Freunden und Förderern der Goethe-Universität ihr 100-jähriges Rechtssoziologe Rudolf Wiethölter, der mit seinem scharfen In- Bestehen feierte. Prof. Dr. Bender, seit 2010 Vorsitzender der tellekt die angehenden Juristen aufforderte, sich in der Gesell- Vereinigung, und sein Vorstandsteam hatten sich klare Ziele ge- schaft einzubringen, und der Staatsrechtler und SPD-Politiker steckt und diese mit immensem Einsatz erreicht: Neben der Mil- Carlo Schmid: »dieser grandiose Mann, der spanische Lyrik ge- lion, die die Freunde ohnehin jedes Jahr zugunsten verschiedener nauso übersetzt hat, wie er herausragende Vorlesungen über Projekte an die Goethe-Universität ausschütten, wurde im Jubi- Machiavelli gehalten und den großen Wurf des Grundgesetzes läumsjahr eine weitere »siebenstellige Summe quasi als Jubilä- mitgestaltet hat«. Zur Promotion wechselt Bender an die Uni- umszulage«, so Bender, eingeworben. Daraus sollen besonders versität Gießen zu dem »Homo politicus« (»er hatte sehr sensib- Zukunftsprojekte gefördert werden – von der Unterstützung des le politische Antennen«) und Staatsrechtler Helmut Ridder, bei Frankfurt Cancer Institute (FCI) bis hin zu Gastprofessuren, die dem übrigens später Brigitte Zypries und Frank-Walter Stein- den gesellschaftlichen Dialog über Zukunftsfragen voranbringen. meier Assistenten waren. Der ehemalige Fraport-Vorstandschef und Aufsichtsratsvor- Ab 2003 knüpfte Bender wieder intensivere Kontakte zur sitzende von Eintracht Frankfurt – in Frankfurt aufgewachsen Goethe-Universität: Der Alumnus wurde Mitglied im Kuratori- und verwurzelt – erwähnt gern mit einem Schmunzeln, dass er um der Freundesvereinigung. 2008 ernannte ihn der Fachbereich die Ehre hat, im Leben für das, was Frankfurt prägt, tätig zu sein: Wirtschaftswissenschaften zum Honorarprofessor, nachdem er »Der Flughafen gehört sicher dazu, nach meinem Verständnis über einige Jahre Seminare zum Thema »Luftverkehr im Wan- auch die Eintracht – und ganz vorne die Goethe-Uni.« Im Laufe del« angeboten hatte. Bender begründet sein Engagement bei seiner verschiedenen beruflichen und ehrenamtlichen Aktivitä- den Freunden damit, »dass ich an unseren Nachwuchs glaube ten in der Wirtschaftsinitiative, für das Petrihaus und im Jüdi- und Zuversicht mein Zukunftsbild bestimmt«. In diesem Sinne schen Museum hat Bender Netzwerke aufgebaut, die weit über hat er 2019 auch den mit 5.000 Euro dotierten Wilhelm Bender- das Rhein-Main-Gebiet hinausgehen und nun auch seiner Alma Dissertationspreis gestiftet. Mit diesem jährlich zu vergebenden Mater zugutekommen. Preis sollen herausragende Leistungen junger Geistes- und Sozi- Er hat die heißen Zeiten auf dem Campus Bockenheim mit- alwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler honoriert werden, erlebt: Bender, dessen Eltern in Rödelheim einen kleinen Be- die mit ihrer Promotion zum Verständnis der Dynamiken, Kom- trieb hatten, studierte von 1964 bis 1969 Jura und nebenher plexitäten und Konflikte unserer Gesellschaften beitragen und noch Volkswirtschaft an der Goethe-Universität. Bei einigen über ihre Lösung nachdenken.
16 Foto: Jürgen Lecher
17 13 Naturwissenschaftler und Me In dem von Bund und Ländern Im Jahr 2018 meldeten Wissen- diziner der Goethe-Universität zäh- aufgelegten Spitzenforschungs schaftler der Goethe-Universi- len zu den weltweit meistzitierten programm Exzellenzstrategie tät 43 neue Erfindungen an, davon Forscherinnen und Forschern. Das überzeugte die Bewerbung des stammen mehr als die Hälfte, 56 »Web of Science« veröffentlicht Exzellenzclusters »CardioPul Prozent, aus der Medizin (FB16), jährlich die Liste der erfolgreichs- monary Institute Institute« (CPI). ein weiteres Drittel, 37 Prozent, ten Wissenschaftler, deren Arbei- Das gemeinsame Forschungspro- aus den Chemie und Lebenswis ten am häufigsten von anderen jekt der Goethe-Universität, der senschaften (FB 14 und 15) und die Wissenschaftlern zitiert werden. Justus-Liebig-Universität und des übrigen aus den Fachbereichen Max-Planck-Instituts für Herz- Informatik und Physik. Mit rund 40 laufenden Verbundfor und Lungenforschung wird seit schungsprojekten der nationalen 1. Januar 2019 für sieben Jahre mit Forschungsförderung, bei denen rund 45 Mio. Euro gefördert. die Goethe-Universität die Spre- cherfunktion innehat, Beteiligun- Im neuen Förderatlas der Deut- gen an 20 europäischen Netzwer schen Forschungsgemeinschaft ken zur strukturierten Ausbildung (DFG) kann die Goethe-Universität von Nachwuchswissenschaftlerin- einen Spitzenplatz im Bereich der nen und -wissenschaftlern (ITN- Geistes und Sozialwissenschaf Innovative Training Networks) so- ten behaupten. Mit einer Förder FORSCHUNG wie drei Exzellenzclustern aus summe von 56,3 Mio. Euro kommt der Exzellenzinitiative gehört die sie auf den fünften Platz unter Goethe-Universität zu den zehn den deutschen Universitäten. Eine forschungsstärksten Universitäten noch höhere Summe von 87,8 Mio. in Deutschland. Euro können die Lebenswissen- schaften für sich verbuchen und erreichen damit Platz acht.
18 VERBUNDFORSCHUNG TRIF F T E X ZELLENZ Forschung AUF HERZ UND LUNGE Herz- und Lungenerkrankungen zählen welt- eingespielte Teams und jährlich ein ›Retreat‹, bei dem sagt Dimmeler. So gebe es für eine Herzschwäche un- weit zu den häufigsten Todesursachen. Der For- wir einige Tage gemeinsam diskutieren«, so Dimmeler. zählige Ursachen, die zwar zu gleichen Symptomen schung an Zusammenhängen und Entwick- Die Mediziner sind stolz, dass ihnen erneut der Sprung führten und bisher auch einheitlich behandelt würden. lung einer wirksamen Therapie kommt damit in die Exzellenzklasse gelungen ist. Beispielsweise aber fänden sich bei etwa jedem vier- eine hohe gesellschaftliche Bedeutung zu. Das ten Herz-Lungen-Patienten Mutationen in den blutbil- standortübergreifende Exzellenzcluster Cardio- GEMEINSAM WISSEN SCHAFFEN denden Stammzellen, die sehr aggressiv seien und die Pulmonary Institute (CPI) hat sich dieser Aufga- Mit den Mitteln der Exzellenzinitiative werden 45 Stel- Prognose verschlechterten. »Für diese Patienten wol- be verschrieben. Es ist ein weltweit einmaliges len neu geschaffen, darunter fünf Professuren und len wir spezielle Medikamente entwickeln.« Zentrum, bestehend aus den Partnern Goethe- zwei Juniorforschungsgruppen sowie je ein Dutzend Im Idealfall entsteht aus den Forschungsergebnis- Universität Frankfurt, Justus-Liebig-Universität für Doktoranden, Postdoktoranden und Mitarbeiter. sen des Cardio-Pulmonary Institute ein Zyklus, der dem Gießen und dem Max-Planck-Institut für Herz- Die eigens gegründete CPI-Akademie unterstützt for- menschlichen Herz-Lungen-Kreislauf ähnelt: Neue Ide- und Lungenforschung in Bad Nauheim. schungsorientierte Lehre und fördert akademische Kar- en finden ihren Weg in die Klinik und zum Patienten, riereentwicklung wie etwa einen »Wissenschaftspfad« und die dort gesammelten Daten inspirieren wieder die A nders als der Name vermuten lässt, verbirgt sich hin- ter dem CPI kein eigenes Gebäude. Das Forschungs- zentrum ist vielmehr eine regionale Kooperation und Ar- für Medizinstudierende, Doktoranden und Graduierte, Karriereprogramme für Grundlagen-, medizinisch und klinisch Forschende sowie ein Mentorenprogramm. Grundlagenforschung. Millionen Patienten könnten von dieser Höchstleistung eines Tages profitieren. beitsteilung zwischen den drei beteiligten Standorten. Diese über zwölf Jahre entwickelte Zusammenarbeit INDIVIDUELLE THERAPIE hat hohe Schlagkraft: Erneut ist den Wissenschaftlern Neben kleinsten Veränderungen auf Zellebene erfor- der Sprung in die Exzellenzklasse gelungen. »Das war schen die Wissenschaftler auch die großen Zusammen- unglaublich viel Arbeit, tausende Stunden, zwei kom- hänge: Herz und Lunge interagieren mit allen Organen plette Weihnachten haben wir investiert, monatelang – im Gesunden ebenso wie im Kranken. Die Ergebnis- fast nichts anderes gemacht«, erzählt die Frankfurter In- se aus der Grundlagenforschung sollen im Idealfall die stitutsleiterin und Sprecherin des Cardio-Pulmonary In- Therapiemöglichkeiten von Patienten mit kardialen und stitute, Prof. Stefanie Dimmeler. Die über die lange Zeit pulmonalen Erkrankungen verbessern. Im Vordergrund zwischen den Partnern entstandene Kooperationskultur stehen dabei individuelle Behandlungskonzepte: »Un- war sicherlich ein ausschlaggebendes Moment für den ser Ziel ist eine Präzisionsmedizin, bei der wir nicht je- Erfolg bei der Bewerbung um erneute Förderung des den gleich behandeln, sondern Untergruppen oder so- Exzellenzclusters. »Wir haben einen engen Austausch, gar individuelle Patienten speziell therapieren können«,
Foto: Jürgen Lecher Foto: Jürgen Lecher 19 Forschung PRÄZISIONSBIOLOGIE SCHAFFT PRÄZISIONSMEDIZIN Die Herz-Lungen-Forschung bleibt als »Cardio- Pulmonary Institute« (CPI) eine feste Größe auf der deutschen Exzellenzlandkarte. Nach Förderung als Exzellenzcluster von 2006 bis 2017 unterstützt der Bund die Herz-, Kreislauf- und Lungenforschung mit knapp 45 Mio. Euro über sieben weitere Jahre – eine Verlängerung ist möglich. Das Konsortium der drei Partner aus Frankfurt, Gießen und Bad Nauheim leistete bereits grundlegende Beiträge zur Herz- Kreislauf-Forschung und Therapieentwicklung im Rahmen des bisher geförderten Exzellenzclusters Cardio-Pulmonary System (ECCPS). Die Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftler verbinden die Grundlagenforschung eng mit der Klinik. Sie nutzen dabei moderne Verfahren und IT-gestützte Ansätze der Biologie, um eine Präzisionsmedizin zu schaffen, in deren Mittelpunkt der Patient steht.
20 E X ZELLENZ AM MAIN Forschung SPITZENFORSCHERIN MIT HERZ UND LEIDENSCHAFT J ung, dynamisch, sportlich – Stefanie Dimmeler ist auf den ersten Blick kaum von einer Doktorandin zu unterscheiden. Die Professorin für Molekularbiologie, eine der renommiertes- eine pharmakologische vor Ort. »Spaß gemacht hätte mir bei- des – aber die finanzierte Hiwi-Stelle gab den Ausschlag«, lacht Dimmeler. So wandte sie sich der Zellforschung zu. Ihre Doktor- ten Wissenschaftlerinnen Deutschlands, bittet freundlich in ihr arbeit eröffnete ihr eine Postdoc-Stelle an der Uniklinik in Köln. Büro. Auf dem Schreibtisch liegen Veröffentlichungen und Un- Von dort wechselte sie 1995 an die Kardiologie der Goethe-Uni- terlagen ordentlich gestapelt. Über einer Raumecke hängt ein versität – und habilitierte sich drei Jahre später mit gerade 32 »Welcome back«-Plakat. »Damit haben mich meine Mitarbeiter Jahren. Seit 2001 hat sie die Professur für Molekulare Kardio- nach zwei Monaten Forschungsaufenthalt in Australien nett logie inne. Eine Biologin unter Medizinern sei früher ungewöhn- empfangen«, strahlt die sympathische Frau. Auf ihr gutes Team lich gewesen. »Aber die Grenzen verschwimmen; es ist immer ist die Direktorin des Instituts für Kardiovaskuläre Regeneration mehr Expertise nötig, auch aus Informatik und Physik.« Urkunden im Zentrum für Molekulare Medizin der Goethe-Universität stolz. an den Wänden ihres Büros zeugen von ihrer erfolgreichen For- Das farbenfrohe moderne Frankfurt-Bild an der Wand und schung am Herzen. Das will sie bis ins kleinste Molekül verstehen ein Eintracht-Becher lassen spüren: Stefanie Dimmeler ist hier – aber auch im Großen seine Vernetzung im gesamten Körper. angekommen. Doch ihr weiches »sch« stammt nicht aus dem Zeit für ihr Privatleben bleibt wenig, gibt Dimmeler zu. Da sie Hessischen, sondern aus ihrer alemannischen Heimat am Bo- das Glück habe, ihren Job zu lieben, sei das aber kein Problem. densee. »Ich komme aus einem Dorf auf dem Land. Das war als »Mit Work-Life-Balance kann ich nichts anfangen. Meine Arbeit Kind toll, beschaulich«, beschreibt sie ihr Leben auf dem elterli- ist Teil meines Lebens.« Der Austausch mit ihrem Mann und di- chen Weingut. »Ich bin mit Natur, Blumen, Landschaft groß ge- rekten Kollegen, Prof. Andreas Zeiher, sei »extrem toll, und die worden.« Irgendwann keimte der Wunsch: »Ich will studieren!« Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit sind fließend«. Eine Naturwissenschaft wie Biologie lag nahe, es hätten auch Entspannend sei es für sie, am Sonntagmorgen nach dem Physik oder Geografie sein können. Ihre Mutter habe sie unter- Frühstück zu lesen und zu schreiben: »Fachliteratur macht mir stützt, der Vater sich eher Sorgen gemacht. »Es gab keinen so- Spaß!« Den findet sie auch auf ihrer blühenden Dachterrasse und zialen Druck, ich wollte das aus eigener Kraft. Und ich wollte beim Sport. So oft wie möglich joggt Stefanie Dimmeler die Drei- Geld verdienen«, erzählt sie mit einem Grinsen. viertelstunde von zu Hause ins Klinikum, als Triathlon-Training. Medizin habe sie zwar fasziniert, aber: »Das zu studieren Für den Fußballverein Eintracht Frankfurt hat sie eine Dauerkar- kam mir nicht in den Sinn. Das war zu weit weg von meinem Um- te. Auch das macht sie mit ganzem Herzen. Eine positive Einstel- feld.« Nach dem Biologiestudium in Konstanz gab es zwei Op- lung wünscht sie sich auch für das Alter. Dafür forsche sie: »Da- tionen: eine meeresbiologische Forschungsgruppe in Kiel oder mit viele Menschen gesund und fit ein hohes Alter erreichen.«
Foto: Jürgen Lecher 21 Forschung Prof. Stefanie Dimmeler (52) ist die federführende Wissenschaft- lerin am Cardio-Pulmonary Institute und konnte den gemeinsamen Antrag für ein Exzellenzcluster der Goethe-Universität und Justus-Liebig-Universität Gießen erfolgreich durchsetzen. Seit 2008 ist sie Direktorin des Instituts für Kardiovaskuläre Regeneration im Zentrum für Molekulare Medizin. Von 2008 bis 2012 war sie Mitglied des Deutschen Ethikrates. Stefanie Dimmeler erhielt zahlreiche Forschungspreise, darunter den renommierten Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
22 Forschung FORSCHUNG FÜR DIE GESELLSCHAFT ISL AM IN WISSENSCHAF T UND GESELLSCHAF T Die Akademie für Islam in Wis- senschaf t und Gesellschaf t (AIWG) ist eine universitäre Plattform für For- TRANSL ATIONALE MEDIZIN UND schung und Transfer in islamisch-theologischen PHARMAKOLOGIE Fach- und Gesellschaftsfragen. Sie will dazu bei- tragen, öffentliche Diskurse zum Islam zu versach- Die Kosten für die Entwicklung neuer Arzneimit- lichen, indem sie Expertisen veröffentlicht und tel sind hoch. Das LOEWE-Zentrum für Translati- Expertinnen und Experten zu islambezogenen Themen vermittelt. Die AIWG ermöglicht überre- INSTITUT FÜR onale Medizin und Pharmakologie TMP will das GESELLSCHAF TLICHEN ZUSAMMENHALT ändern: An der Schnittstelle zwischen präklini- gionale Kooperationen und Austausch zwischen scher Forschung und klinischer Entwicklung und Wissenschaftlern der islamisch-theologischen Studien und benachbarter Fächer sowie Ak- Was hält eine Gesellschaft zusammen und wel- Erprobung sollen Modelle entwickelt werden, mit che Bedingungen braucht sie dafür? Diese Fra- deren Hilfe sich Wirksamkeit und Sicherheit ei- teuren aus der muslimischen Zivilgesellschaft. In ihrer Forschungsfunktion möchte die gen untersuchen Forscherinnen und Forscher der nes Wirkstoffes frühzeitig vorhersagen lassen. Goethe-Universität gemeinsam mit Kolleginnen Das hilft, bereits vor Beginn kostenintensiver AIWG standortübergreifend und interdisziplinär Impulse für die Verstetigung der islamisch-theo- und Kollegen des Leibniz-Institutes Hessische klinischer Phasen Fehlentwicklungen und Ne- Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) an der benwirkungen zu erkennen und hohe Ausfallra- logischen Studien im deutschen Wissenschafts- system geben. Die Akademie versteht sich als neu gegründeten Forschungseinrichtung. Das ten zu vermeiden. Bundesministerium für Bildung und Forschung Das LOEWE-Zentrum ist dem effektiven Ergänzung zu den Instituten für islamische Theo- logie an fünf Universitäten in Deutschland. (BMBF) hat die Goethe-Universität als einen von Transfer von universitären Ideen aus der Grund- elf Standorten für das dezentrale Institut ausge- lagenforschung in die Anwendung verpflichtet, wählt. Themen des Forschungsverbundes sollen wobei sowohl neue Arzneimittel als auch neue gesellschaftliche Polarisierung, Konfliktkultur, Technologien der Arzneimittelentwicklung im Hass, Medien und Identität sein. Die Arbeit am Fokus stehen. Das Zentrum, zu dem neben der Standort Frankfurt baut auf der bereits elfjähri- Goethe-Universität und der Fraunhofer-Gesell- gen Kooperation im Rahmen des Exzellenzclus- schaft auch das Max-Planck- ters »Die Herausbildung normativer Ordnungen« Institut für Herz- und Lungen- mit der Hessischen Stiftung Friedens- und Kon- forschung in Bad Nauheim fliktforschung und dem Frankfurter Fachbereich gehört, soll 2021 ein Fraun- Gesellschaftswissenschaften auf. hofer-Institut werden.
INTERNATIONALISIERUNG »DIE LEISTUNGSFÄHIGKEIT IN DER FORSCHUNG 23 NACHGEFRAGT BEI … AUSBAUEN« Forschung Sie streben als Vizepräsidentin eine Konturierung des Was kann vonseiten des Präsidiums ermöglicht werden, um Forschungsprofils an. Wie realistisch ist diese angesichts die Arbeit von Forschern bestmöglich zu fördern? der großen Bandbreite von Forschungsprojekten? Wir geben Unterstützung in Form von guten Rahmenbedin- Wir haben dazu – nach den ernüchternden Erfahrungen in gungen. Das reicht von Hilfe bei Forschungsanträgen über der Exzellenzstrategie – einen Strategieprozess begonnen, die Schaffung von Freiräumen für die Forschung bis hin zu den wir 2019 abschließen wollen. Ich halte es für wichtig, die guter Forschungsinfrastruktur, also zum Beispiel Geräte … der Medizinerin Prof. Simone Fulda, die als Vize- Forschung sowohl in der Spitze als auch in einer gewissen und Ausstattung. Darüber hinaus haben wir Angebote wie präsidentin die Rahmenbedingungen für Forschung Breite zu fördern, und zwar sowohl herausragende den Initiativfonds Forschung der Rhein-Main-Universitäten zukunftssicher gestalten möchte. Einzel- als auch Verbundforschungsprojekte. Wir brauchen sowie verschiedene interne Programme, die sich beispiels- Leuchttürme wie das Exzellenzcluster Cardio-Pulmonary weise gezielt an Wissenschaftlerinnen, an Promovierende Institute oder die beiden LOEWE-Zentren Frankfurt Cancer oder Postdocs wenden, um Karrieren zukunftssicher zu Foto: Uwe Dettmar Institute und SAFE. Aber auch innovative, aufstrebende gestalten. Aber auch Aufstiegsmöglichkeiten, Wert- Forschungsbereiche sind wichtig; Stichwort »emerging schätzung und Teilhabe an Forschungsagenden sind von fields«: Diese sollen künftig verstärkt in den Blickpunkt großer Bedeutung für eine bereichernde und erfolgreiche genommen werden, um vielversprechende Forschungsthe- Forscherkarriere. men zu fördern. Auf diese Weise können wir das vorhandene Um die Kosten für die Anschaffung und den Betrieb von Innovationspotenzial noch besser ausschöpfen. Forschungsgeräten optimal auszulasten und umzuver Wie wollen Sie diese Ziele erreichen? teilen, schlagen Sie vor, auch solchen Wissenschaftlern Es geht darum, die Forschung insgesamt zukunftssicher Zugang zu den Großgeräten zu ermöglichen, die nicht der zu organisieren. Dazu müssen wir in Zukunft kompetitiver Goethe-Universität angehören. Gleichzeitig befinden sich agieren, die vorhandenen Stärken weiterentwickeln und die Universitäten aber auch im Wettbewerb untereinan fokussieren. Für eine leistungsfähige Forschung müssen der. Welche Probleme könnten sich daraus ergeben? wir gute Rahmenbedingungen schaffen, zum Beispiel Foren Forschung findet heute hochgradig vernetzt statt. Daher für den interdisziplinären Austausch sowie Netzwerke stellt sich diese Frage so nicht. Insbesondere große und Forschungsverbünde unterstützen. So können die Forschungsinfrastrukturen sollten unter definierten Prozesse auch immer wieder neu optimiert werden. Mein Regelungen einer größeren Forschergemeinschaft zur klares Ziel ist es dabei, die Strategien in den Fachbereichen Nutzung offenstehen. Die Kosten für ihre Anschaffung mit denen des Präsidiums abzustimmen. Unter anderem und ihren Betrieb sind einfach zu hoch. Daher werden deshalb habe ich die Forschungsdekane-Runde gegründet. Großgeräte heutzutage oft gemeinsam genutzt. Die Fragen Bislang gab es kein formalisiertes Gremium, das einen sind vielmehr: Wer hat Zugang? Zu welchen Bedingungen? solchen Austausch steuert. Meine Aufgabe ist es unter anderem, klare und transparen- te Regelungen für die Nutzung akademischer Infrastruktu- ren an der Goethe-Universität zu implementieren.
24 LOE W E-ZENTRUM FR ANK FUR T CANCER INSTITUTE Forschung VOM LABOR ZUM KRANKENBETT Operation, Bestrahlung, Chemo- und Immunthe- vorhersagen, wie eine Krebserkrankung verlaufen und ein Patienten zugutekommen zu lassen. »Wir rufen in diesem rapie – von Krebs geheilt zu werden, bedeutet, ei- Patient auf eine bestimmte Therapie ansprechen wird. Das Fall bei den Kollegen von der Pharmazie auf dem Riedberg nen steinigen Weg zu gehen. Mediziner kämpfen liegt daran, dass auch das Wechselspiel der Tumorzellen mit an und bitten sie darum, in ihrer Bibliothek nach einem pas- um jeden einzelnen Krebspatienten. Die Heilungs- dem umgebenden Gewebe und dem Immunsystem des Pa- senden Wirkstoff zu suchen. Die Ergebnisse aus den Tests raten steigen seit Jahren an. Moderne diagnosti- tienten eine Rolle spielen. Um dieses komplexe Geschehen im Experiment versetzen uns in die Lage, neue Konzepte zu sche und therapeutische Verfahren machen das untersuchen zu können, benötigt man neue, transdisziplinä- entwickeln. Der Transfer in die Klinik würde aber zunächst möglich. Trotzdem sterben in Deutschland jährlich re Forschungsstrukturen. Ein einzelnes Team kann eine sol- weitere Studien benötigen«, so Florian Greten. rund 200.000 Menschen an Krebs. Und es werden che Aufgabe nicht lösen. Deshalb verknüpft das Frankfurt immer mehr. Krebs ist heute die häufigste Todesur- Cancer Institute (FCI) Grundlagenforschung, experimentel- ARBEITSPLATTFORMEN UND sache für Menschen, die vor ihrem 75. Lebensjahr le Forschung und klinische Anwendung unter einem Dach. STANDARDISIERTE ARBEITSABLÄUFE sterben müssen. Jetzt wollen Frankfurter Medizi- Damit soll die Zeitspanne von der Krebsforschung zur -the- Bisher gab es eine so eng verzahnte Zusammenarbeit zwi- ner ihre Behandlungsansätze auf ein neues Niveau rapie verkürzt werden. schen der Klinik und der Grundlagenforschung nur punktuell. heben, indem sie Krebsforschung und Krebsmedizin Im FCI wird sie jetzt gezielt in sogenannten Querschnitts- eng miteinander verknüpfen. Am Frankfurt Cancer TRANSDISZIPLINÄRE FORSCHUNGSSTRUKTUREN programmen gefördert und gestärkt – durch eine organisa- Institute (FCI) sollen Patienten künftig noch schnel- »Unser Konzept zeichnet sich dadurch aus, dass Kliniker, torische Betreuung und hohe Fördersummen. Dabei geht es ler von der Forschung profitieren. Grundlagenwissenschaftler, Pharmazeuten und Bioinfor- nicht nur darum, Kontakte zwischen Forschern aus unter- matiker eng zusammenarbeiten und Projektteams bilden«, schiedlichen Bereichen herzustellen oder Meetings zu orga- D ie gute Nachricht zuerst: nach Berechnungen des Ro- bert Koch-Instituts (RKI) leben allein in Deutschland rund vier Millionen Menschen, die eine Krebserkrankung erklärt Prof. Florian Greten, Sprecher des Frankfurt Cancer Institutes. Das Besondere dabei sei, dass die patientennahe Forschung und Therapie bereits von Anfang an von diesen nisieren. Wichtig ist auch, dass die Arbeit der Teams maß- geblich durch standardisierte Arbeitsabläufe unterstützt wird, die von Plattformen im FCI bereitgestellt werden. Bei- erfolgreich überstanden haben. Durch eine verbesserte Ver- interdisziplinären Projektteams geplant und gemeinsam be- spielsweise wird ein Labor für Immunmonitoring entstehen, sorgung und neue Behandlungsoptionen haben zunehmend arbeitet würden. Das soll es künftig auch erleichtern, indi- welches den Status der körpereigenen Abwehrkräfte eines mehr Patienten die Chance, Krebs zu überleben. Aber nicht viduelle Therapien für Tumorpatienten zu finden: Wenn bei- jeden Patienten untersuchen und in Zusammenhang mit sei- alle Patienten sprechen auf eine Therapie gleich gut an. spielsweise bei Patienten die bisher angewandten Therapien ner Therapie stellen wird. Durch diese Arbeitsweise wird si- Krebs ist extrem kompliziert. Krebs ist die Folge von Feh- nicht anschlagen, wird Tumormaterial an die im Labor des chergestellt, dass die translationale Forschung (vom Labor lern in der Erbinformation einzelner Zellen. Zwar erlauben FCI tätigen Kollegen geschickt, um zu analysieren, warum sie zum Patientenbett) wirklich umgesetzt wird. Dabei konzen- es technologische Fortschritte heutzutage, ganze Genome nicht auf die Therapie reagieren. Anhand des Patientenge- triert sich das FCI zunächst vor allem auf drei Krebsarten: – ob von gesundem Gewebe oder von Krebszellen – inner- webes kann dann konkret geforscht werden, welcher neue auf Blutkrebs (Leukämie), Enddarmkrebs (Rektumkarzinom) halb weniger Tage zu entschlüsseln. Trotzdem kann man nicht Wirkstoff helfen könnte, um diesen dann unmittelbar dem und auf Glioblastome (Hirntumore).
Foto: Andreas Reeg 25 Forschung KREBSMEDZIN DER ZUKUNFT Das Land Hessen fördert das Frankfurt Cancer Institute ab 2019 als LOEWE-Zentrum mit rund 24 Mio. Euro über zunächst vier Jahre. Zudem soll am Campus Niederrad der Goethe-Universität ein hochmoderner Neu- bau entstehen, dessen Kosten von 73,4 Mio. Euro Bund, Land, Deutsche Krebshilfe und weitere Partner tragen. Auch die Vereinigung der Freunde und Förderer der Universität beteiligt sich mit 200.000 Euro an der Finan- zierung eines Labors für Immunmonitoring im FCI. Der Neubau entsteht auf einer freien Fläche zwischen Georg-Speyer-Haus und Universitätsklinikum. Auf rund 4.700 Quadrat- metern Nutzfläche sollen Räume, Labore und Geräte zur Erforschung der Tumorbiologie und experimenteller Therapie für mehr als 100 Wissenschaftler aus verschiedenen Forschungsbereichen bereitgestellt werden. Der Baubeginn ist für 2020 vorgesehen, die Inbetriebnahme 2024. Bis dahin nimmt das FCI ab 2019 dezentral seine Arbeit auf.
Foto: Jürgen Lecher Foto: Jürgen Lecher Foto: Uwe Dettmar 26 Forschung Prof. Florian Greten, Direktor Georg-Speyer-Haus, Sprecher Frankfurt Cancer Institute; Prof. Hubert Serve, Direktor Medizinische Klinik 2; Prof. Ivan Dikic, Direktor Institut für Biochemie 2 DAS VERMÄCHTNIS PAUL EHRLICHS die Gesellschaft und den Staat. Ehrlich schrieb damit in – daran hat sich bis heute nichts geändert. Die 4 G’s gel- Für den translationalen Ansatz des FCI stehen die drei Frankfurt Medizingeschichte. Für seine immunologischen ten auch für das FCI. Die drei Gründer sind darauf vorberei- Gründer des Frankfurt Cancer Institutes: der Kliniker Prof. Arbeiten erhielt er 1908 den Nobelpreis für Medizin. Mit tet, seit sie sich im Oktober 2013 zum ersten Mal getroffen Hubert Serve, Direktor der Medizinischen Klinik 2, der der Gründung der Goethe-Universität 1914 war er zum ers- haben. Und sie wissen seit Paul Ehrlich: Wissenschaftliche Grundlagenforscher Prof. Ivan Dikic, Direktor des Insti- ten Ordinarius für Pharmakologie und Experimentelle The- Konzepte brauchen Dialog, die Idee Verbreitung. Unermüd- tuts für Biochemie 2, und Prof. Florian Greten, Direktor rapie berufen worden. Rektor zu sein, lehnte er aus gesund- lich warben Serve, Greten und Dikic für ein Frankfurt Can- des Georg-Speyer-Hauses, der durch die präklinische For- heitlichen Gründen ab. Doch seine Forschungsergebnisse cer Institute mit translationaler Krebsforschung und fanden schung die Brücke schlägt. Sowohl mit ihrer Vision von pa- machten Schule. Noch heute kann die Wissenschaft mit rasch Unterstützer: Ministerium, Universität, Stadtgesell- tientennaher Forschung und Therapie als auch mit ihrem Blick auf das Lebenswerk des »Vaters der Immunologie und schaft, Deutsche Krebshilfe, Bund und Land – alle haben Konzept der Verbundforschung stehen die drei renommier- Chemotherapie« viel lernen. Teamgeist etwa. Ehrlich war das Vorhaben auf ihre Weise unterstützt, teilweise mit er- ten Wissenschaftler – so viel Ehre muss sein – in der Tra- trotz eigenbrötlerischer Eigenheiten nie ein Einzelkämpfer. heblichen Summen. Wie lange es dauern wird, bis für die dition des Immunologen Paul Ehrlich. Er pflegte ein breites Forschungsnetzwerk, korrespondier- Patienten verwertbare Ergebnisse zu erwarten sind, kann Der Mediziner Ehrlich entwickelte 1909 am Institut für te regelmäßig mit Behörden und Vertretern der chemischen heute zwar noch niemand sagen. Doch die gründliche Vor- Experimentelle Therapie – das spätere Georg-Speyer-Haus Industrie auf der ganzen Welt. bereitung für die Begutachtung zum LOEWE-Zentrum hat – mit Salvarsan nicht nur ein Mittel gegen die Geschlechts- sich ausgezahlt. Erste therapiebegleitende Untersuchungen krankheit Syphilis, sondern das erste systematisch herge- FORSCHUNG BRAUCHT KONSEQUENTES MANAGEMENT fanden bereits statt, an neuen Therapiestrategien wird ge- stellte Chemotherapeutikum überhaupt. Diese Erfindung Geduld, Geschick, Geld und Glück – 4 Gs benötige es für wis- arbeitet. »Ich hoffe, dass wir in wenigen Jahren so effizi- war spektakulär, bahnbrechend und wegweisend. Bis in die senschaftlichen Erfolg, davon war Paul Ehrlich überzeugt. ent arbeiten, dass das FCI maßgeschneiderte Lösungen für Gegenwart. Für die damals großen Krankheiten Diphthe- Übersetzt bedeutet das: Methoden systematisieren, Netz- die Patienten sogar in ›Echtzeit‹ anbieten kann«, sagt Flo- rie und Syphilis brauchte es eine Lösung. Vor diesem Hin- werke bilden und pflegen, Gelder einwerben, Resultate in- rian Greten. Lösungen, die den Menschen dienen. Krebs- tergrund waren Ehrlichs Medikamente eine Verheißung für terpretieren und veröffentlichen, Mitarbeiter motivieren medizin, die wirkt.
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