"etwasbewegt" - Nichtsgehtüberlive! - September bis 3. Oktober 2022 - Kammermusik Homburg
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„etwas bewegt“ 27. September bis 3. Oktober 2022 Bild: Edward Munch (1863–1944) Herbst im Ulmen Wald (1919-1920) Nichts geht über live! Festival-Magazin 2022 | 5 € | Weitere Infos unter: www.kammermusik-homburg.de
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Grußwort der Schirmherrin 27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 Liebe Freunde der Klass ik Seitdem das Vogler Quartett vor über 20 Jahren die Leitung der Kammermusiktage Homburg übernommen hat, begeistert diese Konzertreihe Jahr für Jahr die Freundinnen und Freunde klassischer Musik. Mit ihrem anspruchsvollen Programm haben sich die Kammermusiktage zu einem Markenzeichen der besonderen Klangkunst im Saar-Pfalz- Kreis entwickelt, die mittlerweile auch Mein besonderer Dank gilt den Organisatorinnen und Orga- grenzüberschreitend für das Saarland nisatoren des Festivals, die mit großem Elan und Leidenschaft als attraktiven Kulturstandort werben. dieses herausragende Musikereignis alljährlich auf die Beine Auch in diesem Jahr beeindrucken die stellen. Allen Künstlerinnen und Künstlern wünsche ich einen Kammermusiktage mit einem vielfältigen erfolgreichen Auftritt bei den Internationalen Kammermusik- Konzertangebot, das für jeden Geschmack tagen in Homburg. Ich bin sicher, dass auch in diesem Jahr etwas bereithält: Die Klassiker wie Mozart, hochkarätige Ensembles sowie Solistinnen und Solisten auftre- Brahms, Schubert und Beethoven finden ten und ihr Publikum verzaubern werden, heiße alle Besucher- ebenso ihre Würdigung wie modernere innen und Besuchern in Homburg herzlich willkommen und Komponisten, darunter Arnold Schönberg, wünsche ihnen viel Freude mit dem ansprechenden Festival- Richard Strauss und Dmitri Shostakovich. programm. Zudem spielt die Förderung des musikali- schen Nachwuchses traditionell eine wichti- ge Rolle bei diesem Kammermusikfestival. Unter dem Motto „Rhapsodie in School“ wird die klassische Musik Schülerinnen Anke Rehlinger und Schülern nähergebracht, ein tolles Projekt, das den Musikunterricht leben- Ministerpräsidentin des Saarlandes diger und kurzweiliger macht. 3
27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 Grußwort Stefan Fehlandt Liebe Kammermikeunde- die Zeiten ändern sich doch. Dinge sind in Bewegung. Es gibt begründete Hoffnung auf neue und dauerhafte Perspektiven. Auf alte und neue kulturelle Vielfalt. Und Musik ist als verbindende und kommunikative Kunst mit universeller Sprache dabei ganz beson- ders wichtig! Wir freuen uns sehr, Ihnen auch in diesem Jahr ein außerordentlich farbiges Programm präsentieren zu können. Uns zur Seite stehen als Gäste wieder langjährige Weggefährten und neue musikalische Partner. © Rosemarie Kappler So hat sich mit dem Saxophonisten Chris- tian Segmehl in den letzten Jahren eine mu- sikalische Freundschaft entwickelt. Neu ist die Bekanntschaft mit gleich zwei Cellisten ganz unterschiedlicher Prägung. Mit der Einladung des Trios Hannari führen wir unsere Reihe Der finnische Künstler Arto Noras genießt mit jungen Preisträgern fort. Die Musikerinnen Hanna Ponkala, als Solist und Pädagoge Weltruf und ist darü- Larissa Nagel und Rie Kibayashi studieren in Frankfurt/Main ber hinaus begeisterter Kammermusiker. Wir und stehen am Beginn ihrer Karriere. freuen uns auf die gemeinsame Erkundung Last but not least - der Pianist Dirk Mommertz, Mitglied im des Schubert Quintetts. Fauré Quartett, ist ein Kammermusiker von besonderem Rang. Lucas Fels ist Cellist im weltberühmten Wir kennen uns von der Arbeit mit jungen Ensembles beim Arditti Quartett. Er lehrt wie Tim Vogler in International Chamber Music Campus der Jeunesses Musicales Frankfurt an der Hochschule, dort kennen auf Schloss Weikersheim. und schätzen beide sich auch gemeinsam auf Die Kammermusiktage beginnen heiter, feingliedrig und doch der Bühne. energetisch mit Beethovens Streichquartett op. 18 Nr. 2. Die international bekannte Bratschistin Das 1925 komponierte Saxophonquintett von Adolf Busch ist Andra Darzins ist langjährige musikalische von einzigartiger Klanglichkeit. Spätromantisch, empfindsam Partnerin unseres Quartetts, dazu hoch ge- und lyrisch, mit reger’schem Witz und burlesker Kraft verzau- schätzte Kollegin von mir an der Stuttgar- bert es in der seltenen Kombination von Saxophon und Streich- ter Hochschule und zum wiederholten Mal in quartett. Homburg dabei. Schuberts Streichquintett ist so berühmt wie modern, Musi- Klaus Paier ist als Akkordeonist in der ker und Publikum stehen immer wieder staunend vor diesem europäischen Jazz-Szene bekannt. Seinen einzigartigen und herausfordernden Werk. Duo-Partner Florian Dohrmann am Kontra- bass kennen wir als Musiker des Orlowski- Mendelssohn zeigt im Streichquartett a-Moll op. 13 seine Aus- Trios. Beide werden mit ihrem Konzert einen einandersetzung mit den späten Streichquartetten von Beetho- sicherlich besonderen Höhepunkt setzen. ven, dies bis in die Notation hinein. Er zitiert einzelne Elemente, 4
27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 kopiert aber nicht, sondern findet in diesem Kontext seinen Zoltán Kodály ist bekannt für seine Affinität eigenen Stil. Das Werk ist liedhaft, voller Brio und Über- zur Volksmusik. Dies zeigt sich auch im Duo schwang, dazu von unglaublichem Drive. op. 7, das gleichzeitig seine Forschungen zur Pentatonik spiegelt. Die Sonate für Altsaxophon und Violoncello von Edison Denisov entstand 1994. Im letzten Satz des virtuosen Stü- Die Musik von Alexej Igudesman ist ein gro- ckes kommen auch Jazz-Elemente zum Vorschein. ßer Spaß, klug gemacht, musikantisch-virtuos und sehr wirkungsvoll. Und in diesem Fall so- Edvard Moritz emigrierte 1937 aus Deutschland in die gar für zwei Bratschen. Vereinigten Staaten und konnte in New York eine zweite Kar- riere aufbauen. Sein Quintett mit Saxophon ist eine reizvolle Mozart hat die Gattung Klavierquartett nicht Ergänzung des Repertoires. nur erfunden, er schuf auch zwei unvergleich- liche Meisterwerke. Sein Es-Dur Quartett KV Der Abend des Duos Paier-Dohrmann kombiniert Origi- 493 zeigt sich spielfreudig, opernhaft und nalkompositionen für Akkordeon und Kontrabass mit Bear- konzertant. beitungen von berühmten Werken. Es entsteht ein einzigarti- ger Mix aus Stilen und Klängen, Meditation und Virtuosität. Das Schlussstück, Schönbergs „Die Eiserne Brigade“, wurde komponiert als Marschparodie Das Trio Hannari vereint in seinem Konzert drei Erst- für einen Kameradschaftsabend beim Militär, lingswerke zu einem grandiosen Programm. es handelt sich also um einen ebenso eisernen Beethoven, Schostakowitsch und Brahms, hier alle drei wie derben Spaß. noch jung, komponierten nichtsdestoweniger mit diesen Stü- Auch eine Schule wird unser Quartett in die- cken Meilensteine der Gattung. sem Jahr wieder besuchen. Es ist immer wieder Ein komplettes Konzert mit Streichsextett: Diese Gattung eine Freude, auch für ganz junges Publikum der erweiterten Kammermusik bietet unendlich viele Mög- zu musizieren. lichkeiten. Weniger die fast orchestrale Masse steht an die- Ich wünsche uns allen anregende Konzerte sem Abend im Vordergrund als vielmehr Transparenz und und Begegnungen! Vielschichtigkeit. Das Werk von Strauss, eine Bühnenmusik aus der Oper „Capriccio“, kommt federleicht, hochsensitiv fließend daher. Herzlichst, für das Vogler Quartett Salvatore Sciarrino arbeitet in seinem Werk mit Klängen, Farben, Obertönen und mit Stille. Arnold Schönbergs „Verklärte Nacht“ ist im Grunde die Vertonung eines Gedichtes. Musikalisch beeindruckt das Werk als ein Gipfel spätromantischer Entwicklung. Ihr Stefan Fehlandt Das letzte Konzert in diesem Jahr wird ein Feuerwerk. Musizierfreude, verschiedene Stile und Besetzungen ver- sprechen einen tollen Abschluss der Kammermusiktage. 5
27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 Zum Programm „etwas bewegt“ Zum Programm der Kammermusiktage 2022 Musik und Politik – nicht unbedeutend Ein anderes Quintett mit Saxophon stammt von Edvard in diesen unruhigen Zeiten! Moritz, der als Jude von den Nazis Berufsverbot erhielt und Ende der 30er Jahre in die USA emigrieren konnte. Auch das Homburger Festivalprogramm könnte Bände sprechen, wenn man genau- Auch Arnold Schönberg war Jude, und ihm wurde von den er hinschaut. Etwa bei Richard Strauss‘ Nazis seine Berliner Professur entzogen und auch er musste Streichsextett: Vor 80 Jahren, am 28. Okto- emigrieren. Verboten im 3. Reich war auch Felix Mendelssohn ber 1942 wurde seine Oper „Capriccio“, aus Bartholdy, weil er Jude war. der das Sextett stammt, in München urauf- Schostakowitsch allerdings hatte im Stalinismus zu leiden, geführt, musikalische Konversation mitten in den Jahren, in denen unzählige Künstler verfolgt, gefoltert im Krieg. und getötet wurden. Der Kammermusikführer der Villa Musica Russische Künstler sind heute in ganz anderer Weise betrof- zählt auf, was an diesem Tag sonst noch ge- fen; sie werden generell unter Verdacht gestellt oder russische schah: „Deutsche U-Boote torpedieren im Musik wird ganz vom Programm gestrichen. Alexander Igudes- Nordatlantik einen amerikanischen Konvoi man, dessen Violinduo im Abschlusskonzert gespielt wird, hat und versenken zwei Schiffe. Der erste Trans- jetzt dazu Stellung bezogen. Auf Facebook schrieb er: “Die Pro- port von 2.000 Juden aus Theresienstadt grammierung russischer Musik einzustellen und russische Mu- kommt in Auschwitz an; fast alle werden siker und andere darstellende Künstler abzusagen, unabhängig noch an diesem Tag sterben … In Salzburg davon, ob sie Erklärungen abgeben oder nicht, ist zutiefst wird der österreichische Kommunist Franz rassistisch und von Natur aus kurzsichtig. Tschaikowsky hat Amberger zum Tode verurteilt.“ nichts mit Putin zu tun. Sie sind sich nie begegnet und werden 1942 war Adolf Busch, von dem im Festi- es auch nie.“ val ein Quintett für Saxophon und Quartett zu hören ist, längst in England. Er war welt- 1 Friedrich Spangemacher berühmt, aber ein erklärter Gegner der Nazis. Die Nationalsozialisten wollten ihn zurückzugewinnen. Er schrieb zurück, „mit Freuden werde er an dem Tag zurück- kehren, wenn Hitler, Goebbels und Göring öffentlich gehängt werden“. 6
Das Festival-Programm (Änderungen vorbehalten) 27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 Festival-Programm Dienstag | 27.9. | Saalbau | 20 Uhr Samstag | 1.10. | Saalbau | 20 Uhr Ludwig van Beethoven (1770 – 1827) Ludwig van Beethoven (1770 – 1827) Streichquartett op. 18/2 G-Dur Klaviertrio in Es-Dur op. 1 Nr. 1 Adolf Busch (1891 – 1952) Dmitri Schostakovich (1906 – 1975) Quintett für Saxophon und Streichquartett Klaviertrio Nr. 1, c-moll op. 8 ––––– ––––– Franz Schubert (1797 – 1828) Johannes Brahms (1833 – 1897) Streichquintett C-Dur D956 op.post.163 Klaviertrio H-Dur op.8 Vogler Quartett, Christian Segmehl, Arto Noras Hannari Trio Mittwoch | 28.9. | Saalbau | 20 Uhr Sonntag | 2.10. | Saalbau | 20 Uhr Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847) Richard Strauss (1864 – 1949) Streichquartett op. 13 a-moll Streichsextett aus „Capriccio“ Edison Denisov (1929 – 1996) Salvatore Sciarrino (geb. 1947) Sonate für Altsaxophon und Violoncello Streichsextett (2003) ––––– ––––– Edward Moritz (1891 – 1974) Arnold Schönberg (1874 – 1951) Quintett op.99 für Altsaxophon und Streichquartett Streichsextett „Verklärte Nacht“ Christian Segmehl, Vogler Quartett Andra Darzins, Lucas Fels, Vogler Quartett Freitag | 30.9. | Saalbau | 20 Uhr Montag | 3.10. | Saalbau | 20 Uhr Duo Paier-Dohrmann Zoltán Kodály (1882 – 1967) Das Konzert präsentiert Werke für Duo für Violine und Cello op. 7 Akkordeon und Kontrabass, darunter Adaptionen Alexey Igudesman (geb. 1973) von Werken großer Meister wie Astor Piazzolla Duo für 2 Violas oder Charles Mingus sowie eigene Kompositionen. ––––– Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791) Klavierquartett Es-Dur KV 493 Arnold Schönberg (1874 – 1951) „Die eiserne Brigade für Streichquartett und Klavier“ Lucas Fels, Vogler Quartett, Andra Darzins, Dirk Mommertz 7
27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 Herbst im Ulmenwald Edvard Munch Zum Titelbild Dieses Bild „Herbst im Ulmenwald“ hat er Nach Jahren von Aufenthalten in Frankreich und Deutsch- um 1919/20 geschaffen: Edvard Munch, ein land mit vielen Erfolgen, nach Alkoholsucht und langem Kli- Wegbereiter des Expressionismus. Auf sei- nikaufenthalt kehrte er in sein Heimatland Norwegen zurück. ner Suche, die „subtilsten Seelenvorgänge“ Sein inneres Gleichgewicht war gefunden. Und hier begann er auszudrücken, entwickelte er eine besondere mit der Landschaftsmalerei. Malweise, in der er Gemütszustände dar- In diesem letzten Abschnitt seines Lebens konnte er, als er stellte. Dabei entstand durch expressive sich endgültig in eine ehemalige Gärtnerei, seinen Alterssitz Verzerrung von Körper und Raum bei Ver- Ekely in der Nähe Oslos, zurückgezogen hatte „die herrlichen wendung einer grellen Farbpalette seine Farben und Freuden“ seines Lebens genießen. charakteristische Formsprache. Aber jen- seits der bekannten, problembeladenen Auf diesem Anwesen existierte ein Ulmenwald. So malte er Ikonen aus den 1880er und 90er Jahren wie u.a. den Ulmenwald zu allen Jahreszeiten, wie in unserem Bei- „Das kranke Kind“, „Der Schrei“ oder „Ei- spiel, ohne Himmel – als einen Gemütszustand wie in einem fersucht“, – Bilder, die Trauer, Einsamkeit, Zimmer, nun in neuen freundlicheren Farben – immer in Bewe- Angst und Not eindringlich darstellen, gibt gung und Veränderung, unterschiedliche Gefühlszustände zei- es noch einen anderen, weniger bekannten gend: mal heller, mal dunkler, mal etwas verändert. Munch. In unserem Bild führen warme, leuchtende und einladen- Im Rückblick sieht er sich so: de Farben ins entfernte Dunkle, in die Tiefe. Bäume - wie vom Wind gestaltet – schwingen – fast jugendstilhaft. Alles auf die- “Ich, welcher krank in die Welt hineinkam – sem Gemälde ist in Bewegung! – Es ist wie in der Musik: immer in kranker Umgebung – welchem die Jugend „etwas bewegt“. ein Krankenzimmer und das Leben ein strah- lend sonnenbeleuchtetes Fenster war – mit 1 Martin und Sibylle Kößler herrlichen Farben und Freuden und dorthin – draußen möchte ich gerne im Tanz dabei sein – im Tanz des Lebens”. 8
Inhalt 27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 Grußwort | Schirmherrin Anke Rehlinger Seite 3 Einführung | Stefan Fehlandt, Künstlerischer Leiter (für das Vogler Quartett) Seite 4 „etwas bewegt“ | Friedrich Spangemacher Seite 6 Das Festival-Programm 2022 Seite 7 Edvard Munch – Zum Titelbild | Martin und Sibylle Kößler Seite 8 Inhalt Programmheft Seite 9 Eröffnungskonzert Dienstag | 27.09. | 20 Uhr | Saalbau Homburg Seite 11 Vorhang auf für Streichquartett, Streichquintett und Saxophon | Paul O. Krick Seite 11 Rückblick Vogler Quartett | Sibylle Kößler und Walther Jahrreiss Seite 14 Christian Segmehl | Gisela Wälder Seite 16 Öffentliche Proben | Musikalien-Flohmarkt | Sibylle Kößler Seite 19 Arto Noras | Gisela Wälder Seite 20 2. Konzert Mittwoch | 28.09. | 20 Uhr | Saalbau Homburg Seite 22 Liedhaft, jazzig und frivol | Jürgen Ostmann Seite 22 Intermezzo Donnerstag | 29.09. | Grundschule Bexbach Seite 24 Besuch in der Schule | Vogler Quartett | Philipp Arendt Seite 24 3. Konzert Freitag | 30.09. | 20 Uhr | Saalbau Homburg Seite 26 Duo Paier-Dohrmann | Duo Paier-Dohrmann Seite 26 Sounds aus Jazz, klassischer und Weltmusik | Jürgen Zimper Seite 28 4. Konzert Samstag | 01.10. | 18 Uhr | Saalbau Homburg Seite 32 Kleine Besetzung für großartige Musik | Paul O. Krick Seite 32 Hannari Klavier-Trio | Astrid Karger Seite 35 5. Konzert Sonntag | 02.10. | 18 Uhr | Saalbau Homburg Seite 40 Instrumentale Dramen | Jürgen Ostmann Seite 40 Andra Darzins | Walther Jahrreiss Seite 42 Lucas Fels | Astrid Karger Seite 46 Abschlusskonzert Montag | 03.10. | 11 Uhr | Saalbau Homburg Seite 48 Stilisierte Bauernmusik, parodierter Marsch | Jürgen Ostmann Seite 48 Dirk Mommertz | Astrid Karger Seite 50 Peter Spiegel unterstützt die Kammermusiktage | Karl Scherer Seite 54 Aus dem Verein | Sibylle Kößler | Dr. Almut Caspar Seite 56 Finanzierung | Impressum Seite 56 Eintrittspreise | Vorverkaufsstellen | Beitrittsformular Seite 57 Danksagung Seite 58 9
1. Konzert 27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 Eröffnunkonzert Vorhang auf für Streichquartett, Dienstag | 27.09. | 20 Uhr Saalbau Homburg Streichquintett und Saxophon Ludwig van Beethoven (1770 – 1828) Ludwig van Beethoven Um 1800 hatte das klassische Streichquartett einen ersten (1770 – 1827) Höhepunkt erklommen. Die Quartette op. 76 von Haydn und Streichquartett Nr. 2 G-Dur op. 18/2 die zehn großen Quartette von Mozart lagen vor und wurden (1799/1800) von deren Schüler Beethoven gründlich studiert. Nach bedeu- tenden Vorarbeiten in anderen Kammermusikgattungen, etwa – Allegro in den Klaviertrios op. 1 (1793/94) oder in den Streichtrios – Adagio cantabile – Allegro – Tempo I op. 9 (1796 bis 1798) näherte sich der 30jährige so behutsam – Scherzo: Allegro wie respektvoll der Gattung Streichquartett. Sie gehört zum – Allegro molto, quasi presto Anspruchsvollsten, was es auf dem Gebiet der Kammermusik gibt. Wie sein Lehrer Haydn so legte auch Beethoven zwischen Adolf Busch (1891 – 1952) ersten Skizzen 1798 und der revidierten Druckvorlage 1800 Quintett für Altsaxofon und unter der Werkzahl op.18 zunächst eine Sechser-Serie von Streichquartett Streichquartetten vor. Mit angestrebter Individualisierung Es-Dur op. 34 (1925) wurde diese noch aus dem Barock übernommene Praxis in den – Vivace ma non troppo 1806 vollendeten „Rasumowsky-Quartetten“ op. 59 nur noch – Scherzo: Allegretto auf drei und späterhin in op. 74, 95, 127 sowie 130 bis 135 nur – Andante sostenuto noch auf Einzelwerke reduziert. Nach Beethovens mit Energie aufgeladenem Quartett-Erstling Franz Schubert (1797 – 1828) F-Dur op. 18/1 ist die Nr. 2 in G-Dur aus op. 18 ein Quartett mit Streichquintett C-Dur D 956 (1828) ganz anderem Zuschnitt. Da die Rezeption nicht ohne poetischen – Allegro ma non troppo Titel auszukommen scheint, wird dieses 2. Streichquartett gerne – Adagio als „Komplimentierquartett“ bezeichnet. Den Namen verdankt – Presto – Trio: Andante sostenuto es dem heiter anmutenden Kopfthema im ersten Satz „Allegro“, – Allegretto dessen vier Motive wie galante Verbeugungen wirken. Aber Beethoven wäre nicht Beethoven, wenn er bei aller heiteren Iro- nie und Parodielust gegenüber höfischen Gesellschaftsformen Vogler Quartett Christian Segmehl Arto Noras „Pate“ des Eröffnungskonzertes ist die Kreissparkasse Saarpfalz 11
27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 1. Konzert nicht jedes seiner Motive zum Prozesskern ner von „Max und Moritz“. Er erlernte im Selbststudium das weiterer Entwicklungen geformt hätte, am Geigenspiel und sorgte mit seinen späterhin berühmten Söh- sinnfälligsten das zweite mit seinem sto- nen Fritz (*1890), Adolf (*1891), Hermann (*1897) und Heinrich ckend punktierten Rhythmus. (*1901) in der Busch-Hauskapelle für den Unterhalt der Familie. Der langsame 2. Satz „Adagio cantabile“ Der musikalische Ehrgeiz seines Vaters sorgte aber auch in C-Dur war im Erstentwurf 1799 noch ein bei Adolf Busch für eine gediegene musikalische Ausbildung in sich geschlossenes Gebilde in dreiteiliger zwischen 1902 und 1908 am Kölner Konservatorium, die er mit Liedform mit Coda. Durch die Umarbeitung dem Violinkonzert von Johannes Brahms glanzvoll abschloss. im Sommer 1800 wird der getragene Ada- Seine kompositorische Ausbildung erhielt der begabte Geiger gio-Gesang jäh durch ein vorwärtsstürmen- bei Hugo Grüters in Bonn, dessen Tochter er 1913 heiratete. Da des Allegro in Sechzehntelfiguration un- war er schon frischgebackener Konzertmeister der Wiener Kon- terbrochen. Ein wirkungsvoller Kunstgriff zertvereinigung. Adolf Busch hatte es geschafft: 1918 erhielt er ist nach dieser stürmischen Trio-Episode eine Professur an der Berliner Hochschule für Musik und wech- der Wiedereintritt des Adagio-Gesangs in selte 1922 nach Darmstadt. Fünf Jahre später nahm er seinen der sonoren Cellostimme, ausdrucksvoll Wohnsitz in Basel, von wo er als gefeierter Violinvirtuose und ornamentiert von den übrigen Instrumenten Primarius des 1919 gegründeten Busch-Quartetts die ganz Welt des Quartetts. bereiste. In Basel bereitete er auch die Weltkarriere von Yehudi Menuhin vor, seines wohl berühmtesten Geigenschülers. In ihrer mutwilligen Heiterkeit bleiben Nicht minder umworben war auch sein in Basel gegründetes auch der 3. und 4. Satz „Scherzo: Allegro“ Busch-Trio, in dem der junge Rudolf Serkin den Klavierpart und „Allegro molto quasi presto“ auf den übernahm und als bevorzugter Partner in Violin-Abenden Kopfsatz bezogen und bersten nur so von sogar Ehegatte der Busch-Tochter Irene wurde. Mit Beginn des kompositorischem Witz und Spiellaune. 2. Weltkriegs übersiedelte der erklärte Gegner des National- sozialismus in die USA und reagierte auf die Lockrufe aus Adolf Busch (1891 – 1952) Deutschland nur, er käme erst dann wieder in seine Heimat zurück, wenn Hitler und Goebbels gehenkt seien. Die Älteren unter uns erinnern sich viel- leicht noch an die „Mackenbacher“ hier in Zu Lebzeiten war Adolf Busch als begnadeter Geiger besser unserer westpfälzischen Heimat. Es waren bekannt denn als Komponist. Stilistisch sind seine Werke von Landwirte nicht nur aus dem kleinen Dorf der Spätromantik zwischen Johannes Brahms und Max Reger zwischen Ramstein und Weilerbach, son- geprägt, den er persönlich kannte und mit dem er zuweilen dern aus der ganzen Westpfalz, die ihren konzertierte. Die Nähe zu diesem Spätromantiker ist gleich kargen Erwerb als Musikanten bei Hochzei- im Kopfsatz „Vivace ma non troppo“ des 1925 in Darmstadt ten, Taufen oder Kirchweihfesten, sogar in entstandenen Es-Dur-Quintetts herauszuhören, so auch in Zirkuskapellen aufbesserten und nicht sel- der dichten Struktur seiner Motive und Themen über dem ten bis nach Amerika oder Fernost in aller walzerartigen Grundrhythmus. Das Altsaxofon ist nicht etwa Welt herumkamen. So ähnlich erging es in solistisch behandelt, sondern als gedämpfte Stimme in den Erndtebrück im kargen Sauerland oder spä- Streichersatz integriert. Wie ein burlesker Maskenaufzug zieht ter in Siegen auch dem Bauernsohn Wilhelm das „Scherzo: Allegretto“ vorüber und wartet mit allerlei Über- Busch (1860 – 1929), nicht zu verwechseln raschungen in der wechselhaften Dynamik und Rhythmik auf. mit dem 28 Jahre älteren Autor und Zeich- 12
27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 Der Finalsatz „Andante sostenuto“ ist Streichquintette von Mozart oder Beethoven sind mit einer zugleich der längste. Das Saxofon eröffnet zweiten Bratsche anders besetzt. Schuberts Entscheidung für ihn alleine mit einer sehnsüchtigen Kanti- ein zweites Cello ist zumindest ungewöhnlich, nähert sich lene, die vom Quartett aufgegriffen und mit aber dem Klangbild eines Sinfonieorchesters, in dem die gleichem Ausdruck weitergesponnen wird. Kontrabässe das Bass-Fundament bedienen, die Celli hingegen Dieser Beginn erklingt in Veränderungen oft bewegte oder gar duettierende Stimmen gegenüber den immer wieder als Ritornell einer Rondoanla- Violinen übernehmen. Tatsächlich kombinierte Schubert in den ge, deren Couplets musikalische Gedanken exponierten Themen des Kopfsatzes „Allegro ma non troppo“ aus den beiden ersten Sätzen aufgreifen wie das 1. Cello mit der 1. Violine. Zwischen dem zartesten Pianis- jene Walzerklänge aus dem Kopfsatz. simo und dreifachem Fortissimo überrascht der erste Satz mit Kontrasten im Ausdruck, die man eher in einer Sinfonie er- Doch die letzten Takte gehören wieder warten würde, die aber viel vom Innenleben des Komponisten dem verhaltenen und zart verklingenden verraten. „Sostenuto“ aus dem Rondothema. Ein stiller, nachdenklicher Abschied aus einem Der langsame Satz „Adagio“ beginnt zwar ruhig mit weit- großartigen Werk! räumigen Gesangsbögen, in die aber bald mit schwer atmenden Synkopen, mit wilden Sforzati und angstvoll hohen Trillern jähe Unruhe hereinbricht. Der Schubert-Biograph John Reed Franz Schubert (1797 – 1828) hat es vor einem halben Jahrhundert in seiner Schrift „The Am 2. Oktober 1828 schrieb Schubert sei- Final Years“ so gedeutet: „Es scheint, als habe Schubert in Vor- nem Leipziger Verleger, er habe ein Quintett ahnung seines nahenden Endes das, was er zu sagen hatte, für „verfertigt, das dieser Tage erst probiert die Nachwelt und nicht für den Zeitgeschmack festgehalten.“ werde“. Sechs Wochen später war er bereits In der „Nachwelt“ wünschte sich mancher Schubert-Verehrer tot, und das „Probieren“ des Quintetts oder sein „Adagio“ am eigenen Sterbebett wie der legendäre italie- gar seine erste öffentliche Aufführung nische Cellist Alfredo Piatti oder der polnisch-amerikanische musste noch einmal 22 Jahre warten, bis Ausnahme-Pianist Arthur Rubinstein. Kein Zweifel: Das es 1850 in Wien von Joseph Hellmesberger „Adagio“ ist das Herzstück des Streichquintetts. und seinem Ensemble uraufgeführt wurde. Es folgt noch ein Scherzo im ingrimmig-humorvollen Als hätte er seinen allzu frühen Tod voraus- „Presto“, aber mit einem Trio-Einschub als „Andante sostenuto“ geahnt, entfaltete Schubert in seinen letzten nach Art eines Trauerduktus, der ins Dunkel zu führen scheint Lebensmonaten eine rastlose Kompositions- und kontrastreicher nicht erklingen könnte. Zwielichtig ist tätigkeit. Das Streichquintett entstand fast auch der Finalsatz „Allegretto“ gestaltet. In sein vermeintlich zeitgleich mit der großen Es-Dur-Messe, mit volkstümlich-naives Tempo brechen immer wieder Moll-gefärb- den letzten Klaviersonaten und mit jenen te Ahnungen ein wie nach den letzten Tempobeschleunigungen letzten 13 Liedern nach Heinrich Heine, jener Des-Dur-Vorhalt vor dem unisono gespielten Schluss-C, Ludwig Rellstab und Johann Gabriel Seidl, hart und ohne Harmoniestimmen des zu erwartenden C-Dur- die später als „Schwanengesang“ veröffent- Dreiklangs. licht wurden. 1 Paul O. Krick Über die Bestimmung des Quintetts wissen wir nichts, auch nichts darüber, wer oder was Schubert zu dem Werk mit schier sinfonischen Ausmaßen anregte. 13
27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 Künstlerportrait Vogler Quartet t Diese Vier – hervorragenden Musiker – das Die Großmeister der Wiener Klassik und der deutschen sind Tim Vogler als Primarius, Frank Reinecke Romantik bilden ihren Grundstock. Sie sind aber offene, neu- am 2. Pult, Stefan Fehlandt, Bratsche und gierige Zeitgenossen, offen für die moderne Literatur wie für Stephan Forck, Cello, musizieren als Quartett Experimentelles. Namhafte Komponisten widmen ihnen ihre seit mehr als 35 Jahren zusammen – seit ihrer neuen Stücke, und sie setzen sich mit ihrem Renommee gemeinsamen Studienzeit an der Berliner ebenso für noch unbekanntere ein. Musikhochschule „Hanns Eisler“. Für die Konzerte laden sie sich vorzügliche Solisten ein, Der renommierte Violin-Professor nicht selten befreundete, die Ihrem Ruf gerne folgen. Eberhard Feltz war ihr „spiritus rector“ So haben sie auch diesmal wieder verschiedene interessante und wichtiger Förderer. berühmte Musikerpersönlichkeiten eingeladen, die bei ihren In- Beim bedeutenden Quartett-Wettbewerb terviews immer wieder ausführen, wie unglaublich gerne sie mit im französischen Evian gewannen sie 1986 diesen vier liebenswürdigen Musikern zusammenarbeiten und bravourös den 1. Preis, und das eröffnete wie sehr sie sich auf das Festival freuen, an dem dies wieder dem jungen Quartett die Möglichkeit, als stattfinden wird. frei konzertierendes Ensemble zu leben, mit Wir sind sehr neugierig und gespannt! zahlreichen Einladungen, Meisterkursen, Stipendien, Reisen in die USA, nach England 1 Sibylle Kößler | Walther Jahrreiss und Israel. Als eine wichtige Zeit bezeichnet das Quartett die innige Beziehung zu Irland, die 1988 begann. Im westirischen Ort Sligo wurde daraus eine mehrjährige „Residenz“ mit einer Konzertreihe und einer Koope- ration mit der Musikschule. Wie überhaupt die Musikvermittlung auch an Kinder für die VOGLERS ein ganz besonderes Anliegen ist – wovon auch Schüler Homburger Schulen ebenso wie Projekte mit Schülern u.a. in © Rosemarie Kappler Kassel oder Berlin alljährlich profitieren. Aber auch allen Generationen wollen die zugewandten Musiker ihr Publikum mit den öffentlichen Proben an ihrer Arbeit teilhaben lassen. Neben ihrer Konzerttätigkeit u.a. in Nord- amerika, Japan, Australien und Neuseeland haben mittlerweile alle in verschiedenen Städten eine Professur inne. © Rosemarie Kappler 14
© privat © Rosemarie Kappler © Walther Jahrreiss © Astrid Karger 27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 15
27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 Künstlerportrait Christian Segmehl Das Saxophon – ein Instrument der (fast) unbegrenzten Möglichkeiten Fragt man nach bei jungen Leuten, die Jahrhundert fand das Saxophon seine inzwischen weltweite Saxophon spielen, wie sie zu ihrem Instru- Verbreitung, die Spieltechniken und stilistischen Möglichkeiten ment gekommen sind, wird man wohl recht des Instruments wurden immer mehr erweitert. häufig hören: „Ich wollte in der Schulbig- Christian Segmehls Weg zum Saxophon verlief unabhängig band mitspielen“. von einer schulischen Bigband: er wuchs auf in einem Dorf, be- Ähnlich sieht es vermutlich auch bei der gann mit 6 Jahren das Klavierspiel, das er auch viele Jahre bei- allgemeinen Einschätzung und der musi- behielt. Im ortsansässigen Musikverein mitspielen zu können, kalischen Einordnung des Instruments aus: war aber auch eine reizvolle Sache, und da das Klavier hierfür viele Leute assoziieren mit dem Saxophon nicht geeignet ist, musste ein Blasinstrument her – die ältere primär seine (gewichtige) Rolle im Jazz und Schwester warb für das Saxophon, und so lernte der Junge auch in der Rockmusik. Das Saxophon als „klas- noch Saxophon und machte seine ersten Erfahrungen in einem sisches Instrument“ ist dagegen weniger Orchester. bekannt. Die kommende Entwicklung verlief dann wie bei vielen mu- Dabei sagt die Entstehungsgeschichte sikinteressierten Jugendlichen: regelmäßiger Unterricht, stetige etwas anderes: Als Adolphe Sax, ein belgi- Fortschritte und viel Begeisterung für die Sache, Teilnahme bei scher Musiker und Instrumentenbauer, in Jugend musiziert, schließlich der Entschluss zu einem Musik- den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts in studium. Er absolvierte sein Studium in München und wechsel- Paris sein neu entwickeltes Saxophon vor- te anschließend in die Meisterklasse von Arno Bornkamp am stellte, erregte das bald die Aufmerksamkeit Conservatorium van Amsterdam. verschiedener Persönlichkeiten des Musikle- Dann die große Frage: Was macht ein klassisch ausgebildeter bens, er fand Unterstützer und Sponsoren Saxophonist nach dem Studium? Womit kann man seinen und konnte 1846 ein Patent anmelden, was Lebensunterhalt bestreiten? Für fast alle Instrumentalisten ihm rasch zu großer Berühmtheit verhalf. bieten sich im Prinzip vier Möglichkeiten: Orchestermusiker, Seine in verschiedenen Größen gebauten Solistenkarriere, Kammermusiker, Unterrichten. Eine dieser Instrumente (anfänglich waren es acht Grö- Optionen stellt sich für den Saxophonisten nicht, denn in ßen!) mit dem Mundstück einer Klarinette, keinem Orchester gibt es eine Planstelle für Saxophon! Zwar aber einem konischen Rohr aus Metall, werden immer wieder Saxophonspieler gebraucht, man denke spielten einerseits eine große Rolle in der z.B. an die „Bilder einer Ausstellung“ (darin: Das alte Schloss) französischen Militärmusik, waren aber oder Musik von Gershwin, Strawinsky u.v.a., aber die Orchester auch für viele Komponisten, die auf der müssen dafür immer Aushilfen engagieren. Suche nach neuen Klangfarben waren, eine Christian Segmehl hat schon seit seiner Münchner Studi- willkommene Bereicherung. In der sinfo- enzeit gute Kontakte zu vielen verschiedenen Orchestern, er nischen Musik des späten 19. und des 20. ist ein gefragter Saxophonist bei renommierten Orchestern in Jahrhunderts wird der Klang des Saxophons ganz Deutschland und im Ausland: u.a. bei den Symphonieor- immer wieder gebraucht, doch erst mit dem chestern des BR, HR, WDR, MDR, bei den Berliner, Münchner, Aufkommen des Jazz im frühen 20sten Stuttgarter Philharmonikern, bei den Staatsopern in München, 16
27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 auch mit Stimme(n) und Texten. Wichtig ist, dass man gleichgesinnte und experimen- tierfreudige Kollegen findet, mit denen man auf musikalische Entdeckungsreise gehen © Andreas Reiner kann. Stellvertretend seien hier ein paar Pro- jekte genannt: Zusammen mit der aus Bühne und Fern- sehen bekannten Schauspielerin ChrisTine Urspruch entstand 2009 ein musikalisch- literarisches Weihnachtsprogramm. Seitdem arbeiten die beiden immer wieder Stuttgart, Mannheim, Hannover, beim Orchestre Symphonique gemeinsam an weiteren Programmen mit de Montréal, dem St. Petersburg Staatsorchester. Musik und Text: „Gruppe 47 mit Ingeborg Bachmann“; „Menschen in Hotels“; „Weih- Sehr gefragt ist er auch als Solist in einem der zahlreichen nachtliches und Unweihnachtliches“ und Saxophon-Konzerte, von denen es viel mehr gibt als nur das mehr. Sie präsentieren dem Publikum span- berühmte von Alexander Glasunow. Dort kann der Solist sein nende, unterhaltsame, nachdenkliche und virtuoses und ausdrucksstarkes Können zeigen. Konzert- lustige Gedichte und Essays. Das Saxophon einladungen führten Christian Segmehl durch Europa, nach untermalt diese Texte oder spielt dazwi- Russland, Südostasien, Südafrika, Kanada und in die USA. schen ausgewählte passende Solowerke. Verschiedene zeitgenössische Komponisten widmeten ihm ihre Werke, u.a. Moritz Eggert, Enjott Schneider, Viola Falb, Vera Interessante Klangerlebnisse ergeben Čermáková, Michael Essl, Tom Smith, Ulrich Schultheiss. sich gewiss auch durch die Kombination von Saxophon und Cello. Mit Manuel Auch das Unterrichten spielte für ein paar Jahre eine Rolle Fischer-Dieskau, dem Sohn des legendären für Christian Segmehl, von 2004 – 2013 unterrichtete er an den Baritons Dietrich Fischer-Dieskau, hat Musikhochschulen Augsburg und Würzburg. Doch die Schwer- Christian Segmehl ein Programm mit dem punkte seiner Arbeit und seines Interesses verschoben sich, Titel „Vibratissimo!“ erarbeitet. Die beiden seit 2013 ist er ausschließlich freischaffender Saxophonist und von der Stimmlage her verwandten Instru- konzertiert mit verschiedenen Kammermusikensembles. mente gehen bei diesem besonderen Kon- Ein Blick auf die diversen Kammermusikpartner zeigt eine zertprojekt einen intensiven Dialog ein, große Bandbreite und Vielfalt: eher gewohnt ist die Kombinati- sie lassen sich auf eine enge Beziehung ein, onen Saxophon und Klavier (u.a. mit dem hierzulande bestens auf eine „tonal affair“. Ob in harmonischem bekannten Paul Rivinius), auch Saxophon und Orgel, eher Miteinander wie bei Johann Sebastian Bach, selten zu hören sind dagegen Kombinationen mit Streichern oder im kontrastierenden Diskurs des russi- (Cello, Streichquartett), mit der Bassklarinette, mit Schlagzeug, schen Tondichters Nikolai Kapustin. 17
27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 Künstlerportrait Christian Segmehl Auch die Kombination von Saxophon und Orgel, dem jüngs- Ein halbes Jahr später konnte noch das ten und einem der ältesten Musikinstrumente, bietet viele zweite geplante Konzert stattfinden – na- reizvolle Klangmöglichkeiten, insbesondere zusammen mit türlich mit Hygienekonzept, an das wir uns dem Kirchenraum und seiner speziellen Akustik. Sowohl freie mittlerweile alle schon gewöhnt haben. Die Improvisationen als auch komponierte Stücke stehen auf den anderen zwei Konzerte mussten abgesagt Programmen. 2017 ging es zum Festival „Les Trois Orgues“ bzw. verschoben werden“. nach Südfrankreich, mit dem Duo-Partner Johannes Mayr „Viel ist die Rede in unserem Alltag von spielte Christian Segmehl im Rahmen einer Frankreich-Tour- Themen, die uns Angst machen: der Wer- nee 2019 fünf Konzerte bei verschiedenen Orgelkonzertreihen. teverfall unserer Gesellschaft, Corona, die Oder es entstehen so interessante Produktionen wie „Saxophon Zerstörung der Umwelt und somit unserer plus“ mit Christine Urspruch (Wort), Ingo Dannhorn (Klavier), eigenen und einzigen Welt (und seit Februar Lars Rapp (Perkussion) und Johannes Mayr (Orgel), die auch 2022 ein zerstörerischer und verstörender als CD erschienen ist. Krieg in Europa …). Braucht es da überhaupt Zum Schluss soll noch die Rede sein vom letzten und auf noch Musik oder eine neue Musikreihe? Auf Dauer angelegten Großprojekt: die Gründung einer eigenen diese rein rhetorische Frage wissen wir, dass Konzertreihe („AllgäuKonzerte“) mit namhaften Künstlern. in der Musik all das zu finden ist, nach dem Und hier schließt sich ein Kreis, denn in diesem Zusammen- wir uns seit Generationen sehnen: Frieden, hang sind sich Christian Segmehl und das Vogler-Quartett Schönheit, Liebe, Ehrlichkeit und Gesund- begegnet! heit!“ Die Gedanken zu diesem Herzens-Projekt kann am besten „Mein Ziel ist es, vielen unterschiedlichen der Initiator selbst formulieren, daher möchte ich zum Schluss Menschen den Spaß an der Vielfalt und dem einige Sätze aus seiner Homepage zitieren: Farbenreichtum der Musik zu vermitteln. Kein elitäres klassisches Publikum soll „Musik ist mein Leben und meine Leidenschaft. Zu einem damit angesprochen sein, sondern einfach erfüllten und glücklichen Leben gehören für mich ebenfalls alle, die sich für gute Musik und interessan- meine Familie, meine Heimat und die Natur. Dies alles vereint te Musiker begeistern lassen. sich in meinem lang ersehnten Traum, eine eigene Konzert- reihe zu gründen. Um meiner Heimat, dem wunderschönen In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Allgäu mit seiner herrlichen Natur etwas zurückzugeben, habe uns allen tolle Konzerte, Frieden, ein gutes ich mich 2019 dazu entschlossen, diese Konzertreihe hier im Miteinander und viele tolle Momente bei den Allgäu zu platzieren. AllgäuKONZERTEN!“ Am 13. März 2020 fand das Eröffnungskonzert mit dem Dem ist nichts hinzuzufügen, außer dem wunderbaren Vogler Quartett im ausverkauften Saal der All- Wunsch, dass diesem wunderbaren Projekt gäuer Genussmanufaktur statt. Dies war sowohl für das Vogler ein langes und erfolgreiches Leben beschie- Quartett als auch für mich als Musiker und für das Publikum den sein möge! das allerletzte Konzert unter normalen Bedingungen: keine Masken, man hat sich noch die Hand gegeben und man war 1 Gisela Wälder rundum von Mithörern umgeben. 18
27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 Rund um die Konzerte Öffentliche Proben über das „Funktionieren“ von Musik zu ge- winnen. Der Hörgenuss am Abend wird mit Bei den Homburger Kammermusiktagen ist es eine schöne Sicherheit ein anderer und tieferer sein! Tradition, dass die Proben für die einzelnen Stücke – die ja erst vor Ort in Homburg möglich sind – für Interessierte teilweise 1 Gisela Wälder frei zugänglich sind. Der Saalbau ist zu den angegebenen Zeiten geöffnet, in der Regel vormittags, und man kann sich je nach Wunsch einmal einen ganzen Vormittag dafür Zeit neh- Musikalien-Flohmarkt men oder „einfach so“ für eine Zeit lang hereinschneien und Der Flohmarkt soll allen dienen, die lauschen. Die Zeiten sind am Saalbau angeschlagen oder in der gerne in Noten stöbern und vielleicht sogar Öffentlichen Presse zu finden. dabei jemanden antreffen, mit dem sie mu- Bei größeren Gruppen wie etwa einer Schulklasse ist eine sizieren wollen. Eine kleine Spende dafür Voranmeldung sinnvoll (Gisela Wälder: gisela.waelder@gmx.de) fließt der Unterstützung der Kammermusik- Tage zu. Noten können noch einen Monat Dieses Zuhören während der Arbeitsphase bietet die einmalige vorher bei Sibylle Kößler, Volhardstraße 25, Gelegenheit, die im Konzert gespielten Stücke schon einmal ge- 66424 Homburg abgegeben werden. hört zu haben, die Musiker beim Prozess des Erarbeitens und Diskutierens zu beobachten und so wertvolle Erkenntnisse 1 Sibylle Kößler 19
27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 Künstlerportrait Arto Nas Internationales Flair auf Homburgs Bühne In diesem Jahr ist in Homburg ein Musi- Das solistische Repertoire von Arto Noras umfasst alle ker zu Gast, der in mehrererlei Hinsicht ein Hauptwerke, die für sein Instrument komponiert wurden, ganz besonderer ist: einschließlich derjenigen zeitgenössischer Komponisten. Viele dieser Stücke hat er für das Finlandia-Label (Warner) aufge- Der Cellist Arto Noras ist der internatio- nommen. nal bekannteste Cellist Finnlands, über- haupt einer der gefeiertsten Künstler Finn- Seine umfangreiche Diskographie umfasst Konzerte mit dem lands, und gehört zu den besten Cellisten Norwegischen und dem Finnischen Rundfunkorchester, dem weltweit. Toronto Symphony Orchestra, dem Helsinki Philharmonic Or- chestra, dem Warsaw National Philharmonic, der BBC Philhar- Man schätzt ihn sowohl als ausdrucks- monic und dem Bournemouth Symphony Orchestra. Auch die starken und technisch brillanten Solisten Liste prominenter Dirigenten, mit denen er zusammengearbei- als auch als intensiven und sensiblen Kam- tet hat, ist lang und umfasst so illustre Namen wie Jukka-Pekka mermusiker. Saraste, Sakari Oramo, Markus Lehtinen und Paavo Berglun , Er ist ein „Grandseigneur“ der Musik und Yan Pascal Tortelier und Krzysztof Penderecki. blickt auf ein langes und sehr erfolgreiches In der Diskographie finden sich auch Kammermusikeinspie- Musikerleben zurück: Im Mai dieses Jahres lungen, vor allem von Cellosonaten: Sonaten von Beethoven, feierte er seinen 80. Geburtstag! Fauré, Franck, Debussy, Brahms, Schumann und Sallinen mit Der Künstler erhielt seine erste Ausbil- den Pianisten Bruno Rigutto, Ralf Gothoni und Juhani Lager- dung im Heimatland Finnland, er studierte spetz. an der Sibelius-Akademie bei Professor Yrjo Das große Faible für die Kammermusik und auch für das Selin; seine Studien setzte er dann fort bei Unterrichten zeigt sich in vielfältigen Initiativen und Ensemb- dem berühmten Cellisten Paul Tortelier am les: Arto Noras ist Mitglied des Helsinki Trios und Gründungs- Pariser Konservatorium, wo er 1964 das mitglied des Quartetts der Sibelius-Akademie. Regelmäßig ist begehrte Premier-Prix-Diplom erhielt. er bei den weltweit führenden Musikfestivals aufgetreten, Bereits zwei Jahre später wurde er mit darunter das Casals Festival Prades, das Kumho Chamber Mu- dem zweiten Preis beim Tschaikowsky-Wett- sic Festival, das Turku Music Festival, das Seoul International bewerb in Moskau ausgezeichnet. Dieser Music Festival. Er ist Gründer und künstlerischer Leiter des renommierte Preis leitete eine internatio- renommierten Paulo-Cello-Wettbewerbs in Finnland und ist nale Karriere ein, die ihm Auftritte in den weltweit als Wettbewerbs-Juror tätig. wichtigsten Konzertsälen Europas, Asiens Einen ganz besonderen Stellenwert nimmt für den Künstler sowie Nord- und Südamerikas bescherte, das von ihm gegründete und künstlerisch geleitete Naantali wo er seither regelmäßig zu Gast ist. 1967 Music Festival ein, das in diesem Jahr im Juni die 42. Auflage erhielt er den dänischen Sonning-Preis und erlebte. Im Mittelpunkt der Festspiele steht die Kammermusik 1972 den finnischen Staatsmusikpreis. in ihrer ganzen Vielfalt, dargeboten von herausragenden Inter- preten aus dem In- und Ausland. Die Konzerte finden sowohl 20
27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 Regelmäßig ist Arto Noras auch an der Hamburger Hochschule für Musik zu Gast: beim Internationalen Mendelssohn Festival. Man kann ihn dort sowohl bei den Künstler- konzerten als auch bei der „Summer School“ mit den Studierenden erleben. In diesem Jahr ist das im Übrigen im September der Fall, also kurz vor dem Auftritt bei den Homburger Kammermusiktagen! Und dieser Auftritt in Homburg hat nun auch wieder etwas zu tun mit „Homburger Bekanntschaften“ und Kreisen, die sich schließen: Der Pianist Oliver Triendl, in den © Naantali Music Festival letzten beiden Jahren auch in Homburg zu Gast, hat das Vogler Quartett eingeladen, mit Arto Noras zusammen das Schubert Quintett im Sommer bei seinem Festival in Zorneding (Bayern) zu spielen! Nichts lag da näher, als in Homburg gleich eine Wiederho- lung zu planen! in der mittelalterlichen Klosterkirche in Finnlands Sonnenstadt am Meer als auch in den idyllischen Kirchen der umliegenden Und so hat das Homburger Publikum Inseln statt. einen doppelten Genuss: einer ersten Zu- sammenarbeit des Vogler Quartetts mit dem Im Rahmen des diesjährigen Festivals fanden übrigens auch renommierten Cellisten beizuwohnen – und die Feierlichkeiten zum 80. Geburtstag des Künstlers statt: Es das wunderschöne Schubert Streichquintett begann am 14. Mai in Helsinki mit einem einzigartigen, „Maes- wieder live hören zu können! tro-würdigen“ Konzert. Das Programm des Abends umfasste Soloauftritte von Arto und, unter der Leitung von Okko Kamu, 1 Gisela Wälder einem Ensemble aus 36 führenden Cellisten aus Finnland, be- stehend aus Artos Kollegen sowie seinen Schülern der ersten, zweiten und dritten Generation. Die Feierlichkeiten und Feste wurden im Juni beim Naantali Music Festival fortgesetzt. Als Professor für Cello an der Sibelius-Akademie in Helsinki hat er schon viele Generationen von begabten Cellisten unter- richtet und inspiriert. Er ist ein gefragter Dozent von Meister- kursen, war u.a. in Paris und Tokio tätig. 21
27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 2. Konzert Das zweite Konzert Liedhaft, jazzig und frivol Mittwoch | 28.09. | 20 Uhr Saalbau Homburg Wohl kein anderer Komponist hat in so jungen Jahren der- art fantasievolle und zugleich ausgereifte Werke geschaffen Felix Mendelssohn Bartholdy wie Felix Mendelssohn Bartholdy. Seine geniale musikalische (1809 – 1847) Begabung erregte die Bewunderung berühmter Zeitgenossen Streichquartett a-Moll op. 13 wie etwa Johann Wolfgang von Goethe. Er lauschte im Oktober 1821 (und später noch mehrfach) stundenlang Felix‘ Klavier- – Adagio – Allegro vivace spiel und urteilte danach: „Die musikalischen Wunderkinder – Adagio non lento sind hinsichtlich der technischen Fertigkeit heutzutage keine – Intermezzo: Allegretto con moto – Seltenheit mehr; was aber dieser Knabe im Phantasieren und Allegro di molto Vom-Blatt-Spielen vermag, grenzt ans Wunderbare, und ich ha- – Finale: Presto – Adagio non lento be es bei so jungen Jahren nicht für möglich gehalten.“ Edison Denisov (1929 – 1996) Nach einer Schülerarbeit von 1822 war das im Herbst 1827 abgeschlossene Quartett a-Moll op. 13 Mendelssohns erstes „of- Sonate für Altsaxophon und fizielles“ Streichquartett. Zwar wird normalerweise das Es-Dur- Violoncello Quartett op. 12 (1829) als „Nr. 1“ bezeichnet – allerdings nur, – Allegro risoluto weil es kurz vor dem a-Moll-Werk im Druck erschien und daher – Tranquillo die niedrigere Opuszahl trägt. Deutlich zeigt sich im Quartett – Moderato op. 13 der Einfluss Beethovens. Auf ihn geht unter anderem wohl die Idee des 18-jährigen Mendelssohn zurück, seine vier Edvard Moritz (1891 – 1974) Quartettsätze durch gemeinsame Motive zum einheitlichen Zy- Quintett für Altsaxophon und klus zu verbinden: So taucht das Fugato aus dem langsamen Streichquartett op. 99 Satz im Finale wieder auf, und auch die langsame Einleitung – Allegro des Kopfsatzes ist ganz am Ende des Schlusssatzes noch ein- – Adagio mal zu hören. Diese Einleitung enthält übrigens eine Art Motto oder Keimzelle des gesamten Quartetts – ein Dreitonmotiv, das – Presto besonders deutlich gegen Ende, kurz vor Beginn des „Allegro – Allegro vivace“-Hauptteils, zu hören ist. Es ist sicher kein Zufall, dass dieses Motiv fast notengetreu Christian Segmehl mit jenem übereinstimmt, das Beethoven dem Finale seines Stephan Forck Quartetts op. 135 voranstellte und mit den Worten „Muss es Vogler Quartett sein?“ kommentierte. Mendelssohn wiederum zitierte in sei- nem Motto den Beginn eines eigenen Liedes (op. 9 Nr. 1) mit dem Titel „Die Frage“. Die Frage, die darin gestellt wird, lautet: „Ist es wahr?“ Einem schwedischen Kollegen erklärte Mendels- sohn dazu: „Das Lied, was ich dem Quartette beifüge, ist das Thema desselben. 22
27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 Du wirst es im ersten und letzten Stücke [= Satz] mit seinen Noten, in allen vier Stücken mit seiner Empfindung, sprechen hören.“ Die große Politik hemmte auch die Ent- wicklung des gebürtigen Hamburgers Ed- Ganz andere Empfindungen sprechen sicher aus den folgen- vard (ursprünglich Eduard) Moritz. Sie be- den Werken – schließlich ist an ihnen ein Instrument beteiligt, gann durchaus vielversprechend – mit das man in klassischer Kammermusik nur selten erlebt: das Studien in Paris und Berlin, Konzertreisen Saxophon. Eher kann es als das Jazz-Instrument schlechthin als Geiger und Dirigent quer durch Europa gelten, und Jazz-Einflüsse sind in Edison Denisovs Komposi- und ersten Kompositionen, von denen die tionen mit Saxophon tatsächlich unüberhörbar. Im sibirischen Burleske op. 9 sogar von den Berliner Phil- Tomsk geboren, verbrachte Denisov den größten Teil seines harmonikern uraufgeführt wurde. Doch Berufslebens unter den wachsamen Augen der sowjetischen nach dem Machtantritt der Nazis im Jahr Kulturbürokratie. Die Sonate für Altsaxophon und Violoncello 1933 konnte Moritz wegen seiner jüdischen entstand zwar erst 1994, also nach dem Zerfall der UdSSR, Herkunft bald nur noch bei Veranstaltungen knüpft aber direkt an eine Sonate für Altsaxophon und Klavier des Jüdischen Kulturbundes auftreten. Nach aus dem Jahr 1970 an. Dass Denisov bereits in dem früheren stetig zunehmenden Schikanen gelangte Werk jazzige Töne anschlug, überrascht angesichts der offiziel- er 1937 gerade noch rechtzeitig mit einem len Kulturpolitik seines Landes. Dieses förderte den Jazz zwar schwedischen Visum in die USA. Dort orien- anfangs als kulturelle Äußerung des unterdrückten schwar- tierte er sich musikalisch neu und schrieb, zen Proletariats in den USA – und damit als Mittel des Kampfes angeregt durch die Bekanntschaft mit dem gegen den Klassenfeind. Doch später wurde die Musikrich- klassischen Saxophonisten Cecil Leeson, ei- tung phasenweise als Symbol der verhassten westlichen Welt ne ganze Reihe von Werken für oder mit Sa- verfemt oder gar verboten. Denisov kümmerte das allerdings xophon. An seine frühen Erfolge konnte Mo- ebenso wenig wie die staatliche Ablehnung der Zwölftontech- ritz allerdings nicht mehr anknüpfen: Kaum nik und anderer moderner Kompositionsmittel. Er schrieb, wie eine seiner Kompositionen ist auf Tonträger er wollte und nahm in Kauf, dass seine Werke ungespielt blie- dokumentiert, auch das 1940 entstandene ben und er selbst am Moskauer Konservatorium nur in unter- Quintett op. 99 für Altsaxophon und geordneter Position lehren durfte. Zur Saxophon-Cello-Sonate, Streichquartett nicht. Es hat, so verspricht einer seiner letzten Arbeiten, notierte er: „Diese ziemlich vir- Tim Vogler, „einen jovialen, leicht frivolen tuose Sonate [...] besteht aus drei Sätzen, von denen der zweite Charakter und erinnert im Klang an den viel breiter ausgearbeitet ist. Es entsteht ein langer Dialog zwi- Charme der goldenen Zwanziger Jahre.“ schen Saxophon und Cello, bei dem häufig Vierteltöne zur An- wendung kommen. Während die Instrumente im zweiten Satz 1 Jürgen Ostmann homogen und melodisch behandelt werden, stehen sie in den Ecksätzen im Kontrast zueinander. Im Finale werden Jazzele- mente eingeführt.“ 23
27. Internationale Kammermusiktage Homburg 2022 Schulbesuch Intermezzo Bewährte Tradition: das Vogler Donnerstag | 29.09. Grundschule Bexbach Quartett on tour im Klassensaal Nachdem im letzten Jahr das Vogler © Foto: Privat Quartett im Rahmen des Programms der Homburger Kammermusiktage an einer Grundschule in Neunkirchen zu Gast war, kommt in diesem Jahr wieder eine Grund- schule aus dem Saarpfalz Kreis in den Genuss einer „besonderen musikalischen Unterrichtsstunde“: die Grundschule in Bexbach. Die Grundschule mit der höchsten Schülerzahl in Bexbach war auf unsere Anfrage hin sofort Feuer und Flamme. Mitten in Bexbach werden in diesem Schuljahr dort 14 Klassen mit ca. 280 Schü- lerInnen von 22 LehrerInnen und Lehramts- anwärterInnen, 2 Förderschullehrkräften und einer DaZ-Lehrkraft beschult. Viele da- von spielen selbst Instrumente und bauen Schulfest diese in den Musikunterricht ein, Flötenun- terricht wird in vereinzelten Klassen gehal- Kräfte in der Küche, die für das leibliche Wohl der Kinder bei- ten. Fast alle LehrerInnen halten Musikun- der Schulen Sorge tragen. terricht selbst in ihren Klassen und legen Wert und Achtung auf die musikalische Er- Auch der Schulverein der Grundschule Bexbach ist sehr en- ziehung. Außerdem gibt es an dieser Schule gagiert und möchte dafür sorgen, dass die SchülerInnen nicht eine Schulsozialarbeiterin, eine Assistenz- das Gefühl haben, nur zum Lernen zu kommen. Der Verein kraft im Grundschulsekretariat der Stadt, spendet unter anderem allen neuen Erstklässlern jedes Schul- zwei Schulhunde und mehrere Integrations- jahr Flaschen, die vom Kind selbst am hauseigenen Wasser- helferInnen für SchülerInnen. Alle tragen spender aufgefüllt werden können. Des Weiteren beteiligt er gleichermaßen zur guten Atmosphäre in sich an der Anschaffung neuer Spielgeräte, zum Beispiel der den Räumen der Schule viel bei. Rutsche, der Tischtennisplatte und der Nest-Schaukel. Neben der Grundschule ist der Schulhof Am Lesedino-Vorlesewettbewerb wird jedes Jahr teilgenom- der Gemeinschaftsschule gelegen, auf des- men, bei der Bildung von Arbeitsgemeinschaften wird jedes sen Boden die freiwillige Ganztagsschule Jahr darauf geachtet, dass das Angebot möglichst vielseitig steht. Dort arbeiten insgesamt acht Grup- ist. So gab es Anfang dieses Schuljahres bis zum Verbot durch penleiter für die Grundschule und drei die Corona-Pandemie eine Märchen-AG, eine Fußball-AG, die 24
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