Zukünfte gibb intern - Das MagaZin Der gewerblich-inDustriellen berufsschule bern / Juni 2016
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Christoph Sidlers Fotos verbinden Zeit und Raum – genauer gesagt: Spekulationen über die Schule der Zukunft mit dem Nachdenken über zukunftsorientierte Schulzimmer. Der Beitrag von Tabea Widmer (Seite 20) erklärt uns die Hintergründe.
GIBB INTERN / Juni 2016 3 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser Wir Menschen lieben es, über unsere Zukunft nach zudenken. Wie könnte, wie sollte – wie wird sie sein? Darüber können wir endlos spekulieren. Wir versuchen zu erforschen, was uns die Zukunft bringen wird, wir wollen Trends erkennen, auf die wir möglichst recht zeitig setzen können, damit wir «in» sind, den Anschluss nicht verpassen und gewappnet sind für das, was uns die Zukunft tatsächlich bringen wird. Die gibb ist dieses Jahr 190 Jahre alt, wird also in 10 Jahren ihren 200. Geburtstag feiern. Dies nehmen wir zum Anlass, nach vorne zu blicken und uns mit der Zukunft, oder eben den «Zukünften», der gibb auseinanderzusetzen. Die Welt um uns dreht sich schnell, die Zukunft hält Herausforderungen von unbekanntem Ausmass bereit, denen wir mit einer offenen Geisteshaltung begegnen wollen. Mit dieser Ausgabe des «gibb intern» halten Sie eine inspirierende Dis kussionsplattform für Zukunftsperspektiven unterschiedlichster Art in den Händen, eine Brücke von der Gegenwart in die Zukunft. Sie werden mehr darüber erfahren, wo sich unsere Lernenden in 10 Jahren sehen, wie sich die Berufsbildung zwischen Tradition und Innovation weiterentwickeln könnte, wie wir mit der zunehmenden Heterogenität umgehen werden und wie das «Internet of all things» unseren Bildungsauftrag durchdringen könnte. Vor lauter «Zukünften» dürfen wir aber nicht vergessen, im Hier und Jetzt zu leben. Welche Ideen haben wir davon, wie wir unsere Arbeit, die Ausbildung, unser Leben g estalten wollen? Lassen Sie uns diese umsetzen, jetzt! Denn letztlich ist es doch so: Die Ideen von heute sind die Realität von morgen. Herzliche Grüsse Sonja Morgenegg-Marti Direktorin gibb
4 GIBB INTERN / Juni 2016 Inhalt Gut zu wissen Gut zu wissen geniesse ich es, mit meiner Frau Joëlle 4 Brücken, die wir gemeinsam errichten Der zukünftige Abteilungsleiter GDL beim Reisen neue Gegenden zu er Tvrtko Brzović Brücken, die wir gemeinsam errichten forschen, kulinarische Spezialitäten zu 5 Mit Menschen Ziele erreichen entdecken oder beim Lesen in andere Christoph Aerni Welten einzutauchen. 5 Blühende Mediatheken Voller Freude blicke ich nun in die Zu- Bernhard Scheidegger kunft: an der gibb, in der Abteilung GDL, 6 Vielfältig und nachhaltig an einem neuen Standort, in einer neuen Sabine Beyeler Funktion. Ich freue mich darauf, mich für 6 «Gibb & youget» – eine Brücke über eine Schule einzusetzen, an der Lernen- die Viktoriastrasse de und Studierende einen Ort vorfinden, Tamar Widmer der das Lernen ins Zentrum stellt und 7 Kochen mit Klasse und Leidenschaft zum Lernen einlädt. Eine Schule, an der Erwin Mumenthaler motivierte Lehrpersonen arbeiten und gute Bedingungen vorfinden. Eine Schule, Zukünfte die mit allen beteiligten Partnern in der 9 Die Zukunft prägen Sonja Morgenegg-Marti, Daniel Hurter Berufsbildung konstruktiv zusammenar- beitet. Eine Schule, die mutig und bereit 10 Tradition und Innovation: Wie die Berufs- Denkt man an die Zukunft, kommt einem ist, Innovationen umzusetzen und neue bildung gut bleibt und weiterkommt Interview mit Josef Widmer wie von selbst die Vergangenheit in Wege zu bestreiten. den Sinn. Das, was einen geprägt hat «Alles im Leben ist eine Brücke – ein 16 Bibliotheken: Orte der Begegnung und des Lernens und zu dem gemacht hat, was man heute Wort, ein Lächeln, das wir dem anderen Prof. Dr. Rudolf Mumenthaler ist und morgen sein wird. Heute sitze schenken», schreibt der Literaturnobel- 17 Der Berner Weg in die Zukunft ich in der Nähe des Unterrichtszimmers, preisträger Ivo Andrić in seinem Buch Prof. Dr. Markus Romani in welchem ich vor 8 Jahren meine Probe- «Die Brücke über die Drina». Ich bin 17 Offen bleiben lektion abgehalten habe. Damals war gespannt darauf, den Weg an der gibb Interview mit Thomas von Burg ich als Sekundarlehrer tätig und freute weiter zu beschreiten und eine Brücke 20 Was für eine Schule mich sehr darüber, dass ich die Stelle von der Gegenwart zur Zukunft als Ab brauchen wir eigentlich? als ABU-Lehrer an der BAU-Abteilung teilungsleiter GDL zu überqueren. Dabei Tabea Widmer der gibb erhielt. Beruflich habe ich mich freue ich mich besonders auf zwischen- 22 Auf zum Jubiläum! weiterentwickelt und weitergebildet menschliche Begegnungen und auf kons- Christoph Aerni und durfte als ABUV die Verantwortung truktive Zusammenarbeit, auf Brücken, 23 Spannende Zukunft für den ABU an der BAU-Abteilung und die wir gemeinsam errichten, und auf Lukas Ritter später die Ressortleitung übernehmen. Worte und Lächeln, die wir einander 24 Botschafterin der Schule In den letzten Jahren bin ich vielen schenken. Monique Lüthi spannenden Menschen an der gibb be- 25 Automobile Zukunft gegnet, arbeitete mit ihnen zusammen Tvrtko Brzović, Andreas Schranz und konnte hier auch Freundschaften angehender Abteilungsleiter GDL 26 Kleine Sätze in der Zukunft schliessen. Umso mehr hat es mich ge- Rudolf Krebs freut, die Kolleginnen und Kollegen als 28 «Wir werden lernen müssen, Präsident des Konvents zu vertreten Insekten gerne zu essen» und mich für die Anliegen des Kollegiums Elisabeth Büchi, Thomas Riesen, einzusetzen. Erwin Mumenthaler Mitgestalten und Verantwortung über- 29 Eine kurze Reise in die Gegen nehmen ist mir nicht nur im Beruf wichtig. wärtigkeit der Zukunft Darum engagiere ich mich in meiner Alfred Blatter f reien Zeit für gesellschaftliche Belange 32 Miniaturen Zukünfte und bin als Gemeinderat in der Stadt Lernende Solothurn politisch aktiv. Damit meine Energie im Gleichgewicht bleibt, ist mir Atem holen Erholung wichtig. Als neugieriger Mensch 36 Sandburgen und Michelangelo Hermann Fuhrer
GIBB INTERN / Juni 2016 5 nutze ich den individuellen Bildungs Gerne möchte ich die Zukunft der Media- Leiter Bereich HBB urlaub, um mich in einem Architektur theken mitgestalten. Lehrpersonen und Mit Menschen Ziele erreichen büro mit den praktischen Tätigkeiten Lernende sollen vom Angebot der Media- eines Architekten und Bauleiters aus theken profitieren, die Medien müssen einanderzusetzen. Die Erkenntnisse er- aktuell und bedürfnisgerecht sein. Aber weitern meinen Horizont und bereichern auch der Zugang muss niederschwellig meinen Unterricht. und einfach sein. Was heisst das konkret? Ein möglichst Christoph Aerni, Leiter Bereich HBB grosser Teil unserer Medien soll zeit- und ortsunabhängig zur Verfügung stehen, der Ausbau der E-Medien ist elementar. Der Gewinn an Verfügbarkeit ist frappant: Ressortleiter gibb Media Die Mediatheken im Campus resp. Vik Blühende Mediatheken toriaschulhaus sind 190 Stunden im Jahr geöffnet, d.h. die Lernenden können alle 14 Tage über den Mittag unsere Angebote nutzen. Die E-Bibliothek ist immer offen, 8766 Stunden pro Jahr. Im Februar 2016 konnte ich die neu ge KISS ist ein Prinzip, das mir wichtig ist: schaffene Stelle Leiter Bereich Höhere «keep it simple and stupid», halte es Berufsbildung (HBB) übernehmen. schlicht und einfach. Bereits in drei Me- Das 20%-Amt gehe ich mit Respekt an. diatheken wurde das alte Medienbestell- Die grosse Herausforderung wird sein, formular durch ein neu entwickeltes den Bereich HBB ab dem 1. August 2017 Online-Tool ersetzt, welches ohne An kostendeckend zu führen. Auf diesen leitung auskommt. Ein Gewinn für die Zeitpunkt hin wechselt der Modus der Besteller und AVMs. Online-Tools müssen Finanzierung der Vorbereitungskurse auf sich den Bedürfnissen der Kunden an- die eidgenössischen Prüfungen. Bisher passen. Braucht es eine Anleitung oder erhielt die gibb als langjährige und eta einen Kurs zur Bedienung, ist etwas blierte Anbieterin die Subvention (Objekt Seit dem 1. August 2015 bin ich Ressort- schief gelaufen. finanzierung). Neu erhalten die Studie leiter gibb Media. Hauptberuflich bin ich Neben dem attraktiven Online-Angebot, renden die Subvention, wenn sie sich ABU-Lehrer an der GDL, und dies bereits das bereits besteht, werden wir versu- zur eidgenössischen Prüfung anmelden seit 1995 (Nebenamt) und nach Ab- chen, neue Lizenzierungen auszuhandeln. (Subjektfinanzierung). Dieser Paradigmen schluss des SIBPs seit 1999 vollzeitlich. Mit den Lernvideos «video2brain» ist wechsel der Finanzierung stellt für unser Mein Interesse gilt den neuen Techno uns dies bereits gelungen. Die ABU- Team die grösste Herausforderung dar logien, im Speziellen der Informatik, Lehrpersonen erhielten vom hep-Verlag und bildet den momentanen Arbeits- dem Internet und den sozialen Medien kostenlos das Gesellschaftsbuch in schwerpunkt. Ich bin überzeugt, den an- und wie diese gewinnbringend einge- E-Book-Form. spruchsvollen Auftrag zu erfüllen, weil setzt werden können. Dies ist der Haupt- Bei der Belletristik ist die Lizenzierung ich mich auf mein Team und den Support grund dafür, dass ich mich in diesen Be- leider nicht ganz so einfach. Einige Ver aus der Schulleitung verlassen kann. reichen weitergebildet und jeweils ein lage weigern sich, ihre Bücher online zur Meine Lehrtätigkeit an der gibb hat am CAS in Medienpädagogik, Online Medien Verfügung zu stellen, und die Aggrega 1. August 2011 als Dozent HBB begonnen. und Informatik an der FHS St. Gallen ab- toren, die E-Books zur Verfügung stellen, Meine ausgewiesenen fachlichen geschlossen habe. Das dort erlangte sind meist nicht interessiert, diese den Kompetenzen (Nachdiplomstudium FH Wissen hilft mir, meine Ideen umzusetzen Bibliotheken kostengünstig anzubieten. Integratives Management) ergänzte ich und entsprechend zu verwirklichen. Zukünftig werden wir von gibb Media mit einem CAS Hochschullehre. Der Aspekt «Zukunft» war ausschlagge- noch etliches bewegen und neu gestalten. Das Wirken im Kreis der Studierenden bend, mich für dieses Amt zu bewerben. Als Ressortleiter kann ich auf motivierte fordert mich jeden Tag neu heraus und und engagierte Personen zählen, welche spornt mich an, solide fachliche und mithelfen, blühende Mediatheken zu didaktische Settings mit den Klassen gestalten. durchzuführen. Weil sich meine Studie- renden aus dem Baubereich rekrutieren, Bernhard Scheidegger, Ressortleiter gibb media, Lehrer Allgemeinbildung, GDL
6 GIBB INTERN / Juni 2016 Kurz: Das Team um Eduard Wyss setzt fahrungen ein, die sie mit der Schweizer Neuer Ressortleiter Ökologie sich ein für die Durchsetzung nachhaltiger Gesellschaft und dem hiesigen Bildungs- Vielfältig und nachhaltig Ideen an unserer Schule. system gesammelt haben. Nun teilten sie diese und wuchsen an den Angeboten Sabine Beyeler wie an den Erfahrungen unserer Nach- barn. Ihre Facebook-Einträge spiegeln die Intensität der Begegnungen. Lesen Sie selbst: https://m.facebook. Integrationsprojekt an der AVK com/gibbandyouget/! «Gibb & youget» – eine Brücke über Am 17. Juni feierten wir gemeinsam mit die Viktoriastrasse der KU Viktoria unsere neue Brücke über die Viktoriastrasse mit Workshops, Die Abteilungen AVK und BAU haben Präsentationen und Performances, die seit letztem Jahr neue Nachbarn: im Rahmen der geschilderten Projekte 160 Asylsuchende sind in die Alte Feuer- entstanden waren. Auch kulinarische wehr vis-à-vis des Viktoria-Schulhauses Begegnungen fanden statt. eingezogen. Bei unseren Lernenden, von denen viele selbst Migrationshinter- Eine Brücke in die Zukunft Seit 1. Februar 2016 hat die gibb mit grund haben, lösten die neuen Nach- Und was jetzt? Wollen wir die gefeierte Eduard Wyss einen neuen Ressortleiter. barn Interesse und Anteilnahme an ihren Brücke als einmalige «Sehenswürdig- Eduard unterrichtet seit 2014 allgemein Lebensgeschichten aus. keit» bewundern und wieder abbauen? bildenden Unterricht und Sport an der Im Rahmen eines «Open Space» luden Oder die neue Verbindung weiterhin AVK sowie Englisch in den Freikursange- wir die Bewohnerinnen und Bewohner aktiv nutzen und den entspannten Gang boten. Ebenso vielfältig wie die Aufgaben der Kollektivunterkunft Viktoria ein, über die Strasse erleichtern? Wir meinen des Ressorts ist Eduards bisherige Be- Ideen für gemeinsame Projekte zu sam- Letzteres und setzen uns dafür ein, die rufslaufbahn: Nach einem Anglistik- und meln. Unsere Lernenden taten es in ihren bereichernden Begegnungen zu einer Germanistikstudium, der Ausbildung Klassen ebenso. Mit Erfolg! 25 Klassen Brücke der Zukunft auszubauen. am EHB, einem mehrjährigen Aufenthalt der Bau- und AVK-Abteilungen organi- Unter dem Motto «Welche Zukunft wollen in England, der Arbeit in der Hotellerie, sierten mit viel Elan Projekte unter dem wir?» denken wir im Schuljahr 2016/17 Gastronomie und im Gartenbau sowie an Motto «gibb & youget», bei denen Be mit unseren Lernenden und den Bewoh- verschiedenen Berufsfachschulen und gegnungen auf unkomplizierte Art und nerinnen und Bewohnern der KU Viktoria Brückenangeboten unterrichtet er nun Weise möglich waren: gemeinsames Ein- über die Zukunft nach – und wollen Vorlehr- und INSOS-Klassen an der gibb. kaufen, Kochen und Essen, Spazieren, handeln. Die Stichworte Nachhaltigkeit Seit 2014 gehört Eduard auch dem Team Entdecken der Umgebung, Musizieren, und Zusammenleben geben uns mögliche des Ressorts Ökologie an. Die Idee da- Kunst-Performing, Sport, Experimen Anhaltspunkte. Wir freuen uns auf viele hinter und die guten Teamerfahrungen tieren mit Afro-Frisuren, Politisieren – eigenständige Projekte und inspirierende motivierten ihn dazu, von Werner Düro und vieles mehr. Begegnungen. Wollen auch Sie an die Leitung zu übernehmen. Er freut sich der Zukunft mitbauen und mitgestalten? auf die Neuausrichtung des Ressorts. Intensive Kontakte Gerne nehmen wir Ihre Ideen entgegen Mit Kolleginnen und Kollegen aus allen Unsere hauseigenen Botschafterinnen (maria.jans@gibb.ch oder Abteilungen will er schulnahe Themen und Botschafter übersetzten stolz in tamar.widmer@gibb.ch). aus den Bereichen Ökologie, Ökonomie, viele verschiedene Sprachen und bauten Kultur und Gesundheit aufgreifen. so eine Brücke über die Viktoriastrasse. Tamar Widmer, Das Team besteht aus: Sophie Clément- Die Lernenden setzten dabei ihre Er Lehrerin Stütz- und Freikurse, AVK Stocker (BMS), Christian Baumgartner (GDL), Gregor Smrekar (IET), Martin Streitl (MTB), Walter Ochsenbein (BAU) und Erich Filzer (Leiter Hausdienste). Sie sind die Ansprechpersonen für die Lehrper sonen und Mitarbeitenden in den je weiligen Abteilungen und Schulhäusern. Zurzeit beschäftigt sich das Ressort mit dem Anliegen, Ruheräume für Lehr- personen zu schaffen, sowie mit der Publikation des Ökologie-Newsletters auf den Bildschirmen und Infopoints der Schulhäuser. Danach soll der Share- Point-Auftritt erneuert und längerfristig ein informativer und attraktiver Auftritt auf der gibb-Homepage gestaltet werden. Tamar Widmer im Gespräch mit Asylsuchenden
Die Kochklasse F: Autorinnen und Autoren des Kochbuchs die neu interpretiert wurden. Besonders «Für mich seid ihr alle Gewinner – ich Buchvernissage im GGZ an diesem Projekt, das rund ein Jahr verneige mich vor euch.» Unsere Direk Kochen mit Klasse und Leidenschaft dauerte, war, dass sich auch alle Lehr- torin Sonja Morgenegg-Marti war bei der personen der Klasse – von ABU über Vernissage dabei und lobte die jungen Ein raffiniertes Schoggimüntschi aus Sport bis üK-Instruktoren – daran betei- Berufsleute: «Kochen ist Leidenschaft feiner, dunkler Schokolade mit Blüten- ligt haben. Das Projekt war sehr förder- und Herzblut – das spürt man in diesem pollen, Szechuan-Pfeffer und Geisskäse- lich für den Teamgeist der Lernenden Buch». Mousse: wunderbar; zarte Crêpes-Röll- und eine gute Vorbereitung auf die Prü- Es ist mir ein Anliegen, nicht nur der chen mit Sauerrahm und Rauchlachs: ein fung, wo ebenfalls Gerichte aus einem gibb für die Unterstützung zu danken, Traum; Zucchini-Waffeln mit Greyerzer- Warenkorb kreiert werden müssen. sondern auch der Berner Küchenchef Käse, Basilikum und Pinienkernen: ein- Entstanden ist ein reich bebildertes vereinigung CCCB. Eine Realisierung war fach grandios. Salzige Häppchen und Buch, das 50 Gerichte beinhaltet. Einige möglich, weil die Ausbildnerinnen und süsse Leckerbissen – eines feiner als das sind ganz einfach umzusetzen, andere Ausbildner und die Eltern die Lernenden andere – wurden kürzlich im GGZ serviert. hingegen etwas anspruchsvoller. Alle unterstützt und ihnen geholfen haben. Anlass war die Vernissage des nicht Gerichte wurden im Ausbildungsbetrieb, Das Wichtigste zum Schluss: Das alltäglichen Kochbuches: «25 × Leiden- am Wohnort der Lernenden oder in der Engagement, die Freude, Leidenschaft schaft – eine Klasse kocht». Mit Fanfaren gibb-Küche im GGZ fotografiert. und Zuverlässigkeit der Klasse waren und Wunderkerzen veröffentlichten die beeindruckend und nur dank diesen Lernenden ein Buch, das vom Talent des Kochen ist Leidenschaft und Herzblut bewundernswerten Eigenschaften hiesigen Kochnachwuchses zeugt. Gleich drei Schweizer Starköche gaben aller Lernenden war eine Realisierung den jungen Berufsleuten im Vorwort ihre dieses Kochbuches überhaupt möglich. Macht Lust auf mehr Wünsche mit auf den Weg. Für Anton Alle Lernenden der Kochklasse F kreier- Mosimann aus London ist Perfektion die Erwin Mumenthaler, ten je zwei Rezepte nach dem Motto Antwort auf die Frage, ob gutes Essen Lehrer Berufskunde, GDL «Salzig – süss – kreativ». Neben neu und guter Service genug seien. Tanja artigen Kreationen wurden auch be Grandits aus Basel empfiehlt den Koch- kannte Gerichte ins Buch aufgenommen, lernenden: «Zaubern Sie Ihren Gästen Glück ins Gesicht». Und Stefan Wiesner – der «Hexer» aus dem Entlebuch – meint:
ZukünfteGIBB INTERN / Juni 2016 9 Zukünfte Wir gestalten die Zukunft als Individuum, als Organisation und als Gesellschaft mit. Die Zukunft prägen wichtiges Signal dar. Seit 1984 heisst die Gewerbeschule «Gewerblich-Industrielle Berufsschule Bern» (gibb). Die Schule wächst und mit ihr die Anzahl Standorte. Die mittlerweile kantonalisierte Schule besuchen an sieben Standorten über 7000 Lernende, sie führt die grösste Be- Sonja Morgenegg-Marti, Direktorin rufsmaturitätsschule und bietet mehr als 1000 Studieren- Daniel Hurter, stv. Direktor den Angebote in der höheren Berufsbildung an. Wohin gehen wir? Wir leben in der Gegenwart, dem kurzen flüchtigen In 10 Jahren wird die gibb 200 Jahre alt sein. Wie wird sie Augenblick zwischen Herkunft und Zukunft. dann aussehen? Was hat sich bis dahin verändert? Werden Gelegentlich fragen wir uns jedoch: Woher kommen neue, andere Unterrichtsformen im Vordergrund stehen? wir? Was kommt auf uns zu? Wissen wir, welche Zukunft ist immer unsicher. Gleichwohl: «Zukunft» stösst Bildung in Zukunft gebraucht wird, welchen Stellen- uns nicht einfach zu oder ereignet sich; wir gestalten die wert Berufsbildung in Zukunft hat? Zukunft als Individuum, als Organisation und als Gesell- schaft mit. Haben Sie gewusst, dass 65% der Kinder, die dieses Woher kommen wir? Jahr in die Schule kommen, später Berufe ausüben wer- Die «technische Zeichnungsschule» wird 1826 zur «Hand- den, die es heute noch gar nicht gibt? Vielleicht sieht auch werker-Schule in Bern» – die gibb ist gegründet. Anfänglich die Schule der Zukunft ganz anders aus. Es könnte sein, besuchen die Lernenden – ausschliesslich junge Männer – dass sie immer offen ist und sich die Lehrenden und die die nur im Winter geführten Kurse. Ein Jahr vor Beginn des Lernenden Urlaub nehmen, wann immer es für sie stimmt, 20. Jahrhunderts entsteht durch den Anschluss der Kunst- wie das in einem Unternehmen auch der Fall ist. schule im Kornhaus mit knapp 1000 Lernenden die «Hand- Lernende sind vielleicht nicht mehr in Klassen pro Lehr- werker- und Kunstgewerbeschule». Bald darauf geht sie als jahr eingeteilt, sondern Inhalte werden modulartig ange «Gewerbeschule der Stadt Bern» an die Gemeinde über. boten, und alle lernen in ihrem eigenen Rhythmus und Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs wird die neue bestimmen selber, was und in welcher Reihenfolge sie an- «Gewerbeschule» in der Lorraine in einem avantgardis gehen möchten. Mit dem Einsatz moderner Technologien tischen Bau des Architekten Hans Brechbühler eröffnet. sind sie auch nicht permanent an den Ort der Schule ge Dies stellt für die berufliche Grundbildung im Allgemeinen bunden, sondern lernen via Video-Lektionen unterwegs und für die über 2000 Lernenden an der Gewerbeschule ein oder zu Hause und kommen nur in die Schule, wenn sie
10 GIBB INTERN / Juni 2016 Zukünfte Erklärungen brauchen, wenn das Gelernte vertieft und Wenn Sie ausländischen Delegationen den Erfolg verknüpft werden muss und wenn der Austausch mit an des Schweizer Berufsbildungssystems erläutern: deren wichtig ist. Welche Eckpunkte sind Ihnen wichtig? Die Rolle der Lehrpersonen würde sich dadurch natür- Wichtig sind zwei Punkte: Was die Schweiz erstens von lich auch verändern. Lehrpersonen wären davon befreit, den meisten anderen Ländern unterscheidet, ist der opti- den Hauptteil ihrer Zeit mit Vorträgen zu verbringen. Sie male Bildungsmix aus exzellenten Hochschulen, sehr guten würden viel mehr Zeit für die menschliche Interaktion, für Gymnasien und einer starken Berufsbildung, angefangen die Beratung und die individuell angepasste Unterstüt- von den Attestausbildungen bis hin zu eidgenössischen hö- zung der Lernenden haben. heren Fachprüfungen. Die Berufsbildung ist im Schweizer So erneuern wir unser Wissen und Verständnis durch Bildungssystem optimal eingebettet – bis in die Tertiärstufe die Auseinandersetzung mit aktuellen Erkenntnissen aus hinein. Das findet man in kaum einem anderen Land. Technik, Wirtschaft und Forschung stetig. Aufgrund unse- Der zweite Punkt: Das duale Berufsbildungssystem in rer Erfahrungen und in der Auseinandersetzung mit an der Schweiz basiert auf einer gut funktionierenden Ver- deren gestalten wir unsere Lehrtätigkeit heute und mor- bundpartnerschaft. Unsere Gäste fragen oft: Wie kann das gen immer wieder neu, wecken Neugier, Interesse und überhaupt funktionieren? Meine Antwort lautet: Es funk Freude an der Bildung – wir prägen die Zukunft der Bildung tioniert nur, weil alle in dieser Verbundpartnerschaft neu, fortlaufend! (Kantone, Schulen, Bund, OdAs, Betriebe, Wirtschaft) ihren Teil und damit ihre Verantwortung übernehmen. In der Schweiz entspricht dies einer historisch gewachsenen Struktur, einer Tradition, in der die Rollen klar verteilt sind. Sobald ein Partner seine Rolle nicht mehr übernimmt, dann ist Sand im Getriebe. Tradition und Inno Ursula Renold fordert, dass sich die Schweizer Berufs vation: Wie die Berufs- bildung nicht auf den Lorbeeren ausruhen dürfe, sondern sich neuen Herausforderungen stellen müsse. bildung gut bleibt Ich sehe das genauso. Es ist immer gefährlich, wenn man gut ist und von anderen Ländern beneidet wird. Wir müssen und weiterkommt offen bleiben für Neues. Spätestens seit die Verbundpartner vor ein paar Wochen beschlossen haben, an einer Strategie 2030 zu arbeiten, und sie bereit sind, neue, innovative Sa- chen anzupacken, bin ich zuversichtlich. Der Impuls kommt aus der Verbundpartnerschaft heraus. Alle Partner finden: Interview mit Josef Widmer, stv. Direktor SBFI Wir wollen uns nicht auf den Lorbeeren ausruhen, sondern Sabine Beyeler und Bernhard Roten rechtzeitig künftige Entwicklungen antizipieren. Der stellvertretende Direktor des Staatssekretariats «Die Schulen können als für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) gewährte Ausbildungsprofis die Entwicklung dem «gibb intern» ein Interview zum Stand und zur Entwicklung der Berufsbildung. Ausführlich hat er sich vorantreiben.» auch zur Situation der BMS geäussert (siehe Seite 12). Herr Widmer, wenn Sie eine Lehre gemacht hätten, Welche Rolle können die Berufsfachschulen welche wäre es gewesen? in diesem Entwicklungsprozess spielen? Diese Frage wird mir oft gestellt und meine Antwort ist In den Kantonen haben die Berufsfachschulen – gerade klar: Ich wäre Landschaftsgärtner oder Koch geworden. auch die gibb im Kanton Bern – eine wichtige Funktion. Man Beides mache ich gerne, und diese Berufe faszinieren mich darf nicht vergessen: Für die Schulen ist die Ausbildung immer besonders, wenn ich die Berufsmeisterschaften das Hauptgeschäft, für die Betriebe lediglich eine wichtige besuche. Nebensache. Kerngeschäft der Betriebe ist ein anderes. Dementsprechend spielen die Berufsfachschulen als insti- Die Zahlen der Lernenden gehen zurück. tutioneller Teil der dualen Ausbildung eine zentrale Rolle. Haben wir in Zukunft noch Lernende? Sie können als Ausbildungsprofis die Entwicklung voran- Bis 2020 geht die Zahl der Lernenden, die aus der obliga- treiben. Und: das könnten sie noch aktiver tun, selbstver- torischen Schule in eine Lehre eintreten, zurück. Ab etwa ständlich in engem Kontakt mit den Betrieben. Ich nehme 2020 wird demografisch eine Trendwende einsetzen. Aber die Schulen häufig als gute «Realisierer» und Umsetzer es spielen weitere Faktoren eine Rolle, beispielsweise die wahr, jedoch weniger als Innovationskräfte. Die Schulen Migration, gesellschaftliche Einflüsse oder das Renommee machen ihren Job gut, aber die Innovationen kommen mei- der Berufsbildung gegenüber dem Gymnasium. ner Einschätzung nach eher von den Branchen.
ZukünfteGIBB INTERN / Juni 2016 11 Welche Entwicklungsfelder empfehlen Sie den Berufsfachschulen? Es gibt verschiedene Entwicklungsfelder. Erstens – immer in Kontakt mit der betrieblichen Seite – könnte man sich über die Ausbildungsform Gedanken machen. Wie gestal- tet sich die Aufteilung zwischen Schule, Betrieb und Über- betrieblichen Kursen, wie funktioniert die Zusammen arbeit der drei Lernorte? Gibt es Instrumente, mit denen man die Zusammenarbeit optimieren könnte, immer im Sinne der Qualität? Bei der Lernortkooperation sind wir längst noch nicht dort, wo wir sein könnten. Zweitens kommen die Betriebe bei der Ausbildung zu- nehmend ans Limit. Hier könnten die Schulen Dienstleis- tungen anbieten, um den Betrieben beispielsweise einen Teil des administrativen Aufwands abzunehmen oder sie gezielt bei der Ausbildung zu unterstützen. Dann finde ich die Digitalisierung der Arbeitswelt ein Josef Widmer, stv. Direktor SBFI wichtiges Thema. Sie wird die Berufe, aber auch die Aus bildung selber stark betreffen. Die Frage, ob beispielweise in Zukunft der Präsenzunterricht noch immer die Regel sein wird oder ob mehr selbstgesteuertes Lernen statt geltende Regelung nicht mehr auf Einzelfächer setzt, son- finden wird oder ob vermehrt mit fertig produzierten Aus- dern auf Vernetzung. In einigen Kantonen wird noch die bildungs-Modulen gearbeitet wird, muss auch die Berufs- «alte Schule» gelebt. Darauf wollen wir vermehrt Wert le- fachschulen beschäftigen. gen: das gemeinsame Verständnis dafür zu schärfen, was In der Berufsbildung sollten wir den Zug nicht verpas- der ABU sein soll. Statt schon wieder zu revidieren, scheint sen. Schulen – gerade grosse wie die gibb – sind aufgefor- es mir wichtiger, an der Qualität zu arbeiten. Vor allem den dert, Neues ausprobieren und Innovationen auszulösen. Austausch unter den Schulen und Lehrpersonen innerhalb eines Kantons oder gar darüber hinaus finde ich wichtig. Wie sehen Sie die Entwicklung bei den Qualifikationsverfahren? Die berufliche Qualifizierung für Erwachsene ist ein Die Kantone beklagen sich darüber, dass die QVs zu unter- Entwicklungsschwerpunkt des SBFI. Wie kann man die schiedlich seien. Unser Vorschlag an die OdAs war, sieben Leute motivieren, diesen Weg zu wählen? verschiedene Sets von Qualifikationsverfahren zu definie- Wenn wir das erreichen wollen, was wir in unserem Stra ren, aus denen eine Trägerschaft wählen könnte. Doch das tegiepapier schreiben, nämlich mehr Leute dafür zu be wurde von den OdAs abgelehnt. Sie wollen ihre Freihei- geistern, dass sie diesen Weg auf sich nehmen, dann haben ten behalten und bestehen auf den bisherigen Varianten. wir auch mehr Volumen. Das Potenzial ist gross: Es gibt Die Kantone sollen sich arrangieren. Ich sehe wenig Bereit- 500 000 Erwachsene ohne Lehrabschluss, davon sind schaft zu einer stärkeren Vereinfachung, auch wenn dies schätzungsweise 10 Prozent, das heisst rund 50 000 Per systemisch sinnvoll und für alle Beteiligten praktikabler sonen in der Lage und haben den Willen, einen solchen wäre. Ich bedaure dies, denn die Komplexität der QVs wirkt Abschluss nachzuholen. Damit liessen sich durchaus ver- sich häufig negativ auf die Qualität aus. Viele Prüfungs nünftig grosse Klassen führen. experten sind heute schon überfordert. Wir müssen dafür sorgen, dass nicht nur auf der An gebotsseite die Bedingungen stimmen, sondern auch auf der Nachfrageseite. Die interessierten Leute müssen so gut «Im ABU scheint mir wichtiger, beraten und unterstützt werden, dass sie daran glauben, dass sie es schaffen können. an der Qualität zu arbeiten, Wir überlegen, ob wir die Hürden weiter senken kön- statt schon wieder den Rahmen nen. Denkbar ist etwa, für diese Personen keinen Lehr vertrag mehr zu verlangen, unbürokratischere Lösungen zu lehrplan zu revidieren.» ermöglichen oder mehr modulare Ausbildungsangebote zu machen. Wir sind dabei auf einen Deal mit der Wirtschaft angewiesen, die ihre Mitarbeitenden motivieren muss und Der allgemein bildende Unterricht ist ein wichtiges ihnen wenn möglich Zeit für die Nachqualifikation zur Ver- Thema für die Berufsfachschule. Wie sehen Sie hier die fügung stellen sollte. Entsprechende gute Beispiele gibt Entwicklung, beispielweise beim Rahmenlehrplan? es beispielsweise im Kanton Solothurn. Bei der Allgemeinbildung denke ich, dass eine Revision des Rahmenlehrplans nicht nötig ist. Vielmehr gilt es den In der Höheren Berufsbildung steht ein Übergang zu geltenden RLP so umzusetzen, wie er einmal gedacht war. einem neuen Finanzierungssystem bevor – zur Subjekt Das ist leider noch nicht ganz der Fall. Man hat in den Be- finanzierung. Können Sie uns eine Richtung für die rufsfachschulen noch nicht überall verstanden, dass die Umsetzung anzeigen?
12 GIBB INTERN / Juni 2016 Zukünfte Zunächst einmal: Die Höhere Berufsbildung besteht aus Bundessubvention (vorgeschlagen sind 50% der effektiven eidg. Berufsprüfungen und Höheren Fachprüfungen sowie Kursgebühren) an die vorfinanzierende Institution ab. Die Höheren Fachschulen. Bei den Höheren Fachschulen ist Einführung der neuen Subjektfinanzierung erfolgt per die Finanzierung bereits geregelt. Da ändert sich nichts. Es 1.1.2018, das heisst alle Personen, die 2018 Prüfungen geht also «nur» um die Vorbereitungskurse auf die eid absolvieren, kommen in den Genuss der Bundesfinanzie- genössischen Prüfungen. Insgesamt sind es rund 400 ver- rung, egal ob sie ihre Ausbildung 2017 oder früher be schiedene Prüfungen. Geregelt ist nur die Prüfung. Der gonnen haben. Ich bin überzeugt, dass die neue Subjekt Besuch von Vorbereitungskursen ist freiwillig. In den meis- finanzierung zusammen mit den übrigen Massnahmen ten Fällen besteht ein Markt bzw. Konkurrenz zwischen des Bundes (neue Titelgebung, NQR usw.) zu einer spür verschiedenen Anbietern von Vorbereitungskursen, öffent- baren Stärkung der Höheren Berufsbildung führt. lichen und privaten. Die Teilnehmenden können frei wäh- len, wo sie ihre Kurse besuchen. Heute sind gewisse Vorbereitungskurse von den Kan- «Überspitzt gesagt: wir können tonen mitfinanziert, andere gar nicht. Je nach Kanton und je nach Kurs ist die Situation sehr verschieden, was die wählen, jetzt mehr in Bildung Teilnehmerinnen und Teilnehmer in verschiedener Hinsicht zu investieren oder später mehr benachteiligt. Der Bundesrat schlägt nun mit der so ge- nannten BFI-Botschaft 2017-20 ein neues Finanzierungs- Soziallasten zu tragen.» system vor. Danach erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Vorbereitungskursen, wenn sie die Schluss- prüfung absolviert haben, direkt einen finanziellen Beitrag Stichwort Migration: Ist es eine Option, die Migrantinnen vom Bund. Diesen können sie durch Vorlage der bezahlten und Migranten in die Berufsbildung zu integrieren? Kurskosten und der Bestätigung der absolvierten Prüfung Migrantinnen und Migranten mit einer Bleibeperspektive unbürokratisch abrufen. müssen aus meiner Sicht integriert werden. Die Berufsbil- Viele Schulen, manche Arbeitgeber und zahlreiche dung ist dabei gut aufgestellt, hier einen entscheidenden Verbände richten sich auf die künftige Situation ein und Beitrag zu leisten. Die Integration erfolgt in mehreren bieten ihren Absolvierenden eine Vorfinanzierung an, wenn Phasen: Zuerst braucht es eine Triage: Was können diese sie Probleme mit der Bezahlung der Kurskosten haben. In Leute, was bringen sie mit, was brauchen sie noch? Die diesem Fall treten die Absolvierenden das Recht auf die Vorbildung ist sehr unterschiedlich.Es ist wichtig, Mi sondern weil die Modelle ihnen nicht zu schaffen. Dazu braucht es vielleicht Die BMS – auch in Zukunft entsprechen, die zeitliche Belastung für auch unkonventionelle Lösungen. Zurzeit ein Erfolgsmodell sie zu gross ist oder der Betrieb ihnen werden verschiedene Ideen diskutiert, «Ich sehe das Potenzial der Berufs die BM nicht ermöglicht. unter anderem auch ein Modell, bei dem maturität bei 20 Prozent.» ein Teil der BM-Ausbildung direkt im An- Sie haben eine Studie zur Langzeitentwick schluss an die obligatorische Schulzeit Herr Widmer, ein wichtiges Standbein der lung der BMS erarbeiten lassen, die zum absolviert wird und der Eintritt in die gibb ist die BMS. Wo sehen Sie die Berufs- Schluss kommt: Der Trend geht klar Rich- Lehre erst nach einem Jahr erfolgt. Das maturität in ein paar Jahren? tung BMS 2, während die lehrbegleitende würde die Schulanteile während der Die bisherige Geschichte der BMS ist eine BMS (BMS 1) an Attraktivität verloren hat. Lehre verringern, die Lernenden würden Erfolgsstory. Bei ihrer Einführung war Wird das SBFI Gegensteuer geben? weniger im Lehrbetrieb fehlen. Wir wis- sie eine wichtige Neuerung im Berufsbil- Auf jeden Fall wollen wir hier Einfluss sen zudem aus Studien, dass vor allem dungssystem, denn sie öffnete das Tor nehmen. Darum haben wir eine Arbeits- junge Frauen nach der obligatorischen zur Hochschulwelt. Für die Berufsbildung gruppe der Verbundpartner geschaffen, Schulzeit lieber noch ein Jahr Schule an- ist dieser Zugang zum Tertiärbereich in der wir neue Modelle studieren. Die schliessen würden als direkt in eine Be- sehr wichtig. Die Durchlässigkeit ist ein Berufsmaturität hat ihre Schwerpunkt rufslehre einzutreten. Ihnen käme dieses zentraler Erfolgsfaktor des Schweizer bereiche beziehungsweise Berufe, die Modell entgegen. Selbstverständlich Bildungssystems. für die BM prädestiniert sind. Zusammen werden auch ganz andere unkonventio- Allerdings glaube ich, dass wir das Poten mit den entsprechenden Branchen soll- nelle Modelle diskutiert. zial der Berufsmaturität noch nicht aus- ten wir versuchen, neue attraktive BM- schöpfen. Im Moment liegen wir bei 14 Modelle zu generieren. Wir wollen aber Welche Berufe könnten für die BM noch bis 15 Prozent. Ich sehe das Potenzial auch mit Berufsverbänden in Kontakt besser erschlossen werden? der Berufsmaturität bei rund 20 Prozent. treten, die heute noch praktisch keine Wir sollten vor allem bei den neuen Diese wären meiner Ansicht nach ohne BMS-Absolventen haben, aber ein Poten- Berufen im Bereich Informations- und Qualitätseinbussen zu erreichen. Wir zial dafür hätten. Kommunikationstechnologien einen wissen, dass einige Lernende nicht aus Wir streben an, die BMS 1 wieder attrak- hohen BM-Anteil hinbekommen. Im Zuge Leistungsgründen keine BM machen, tiver zu machen und den Turnaround der Digitalisierung wird sich die Berufs-
ZukünfteGIBB INTERN / Juni 2016 13 grantinnen und Migranten auf den Wissensstand am Ende Welche Berufe könnten bis 2026 unter Druck kommen? der obligatorischen Schulzeit zu bringen, und zwar bezüg- Werden Berufe verschwinden und neue entstehen? lich Schulstoff wie auch bezüglich Sprache und kulturellen Ich glaube, es wird neue Berufe geben, die wir noch gar Kompetenzen. Erst dann können sie in die Regelstrukturen nicht kennen, so etwa im Bereich Gestaltung, Design, Kom- der Berufsbildung eintreten. munikation. Die Digitalisierung wird vermutlich ein Teil Die zusätzlichen Massnahmen bis zum Eintritt in eine vieler Berufe werden. Die einzelnen Berufsbilder werden Berufslehre sind unserer Meinung nach durch die Migra wohl in der Grundbildung breiter aufgestellt sein und da- tionsseite zu finanzieren. So hat das Staatssekretariat mit den jungen Leuten noch mehr Perspektiven bieten als für Migration das Projekt «Flüchtlingsvorlehre» lanciert, heute (unter anderem Spezialisierung auf der Tertiärstufe). eine einjährige Vorbildung, die Personen an die Regelstruk- Im Dienstleistungsbereich ist diese Breite der Ausbildung turen heranführen soll. Wir begrüssen dies durchaus. Wenn schon heute Realität (zum Beispiel generalistische kauf- Migrantinnen und Migranten dann in die Berufsbildung männische Berufslehre mit anschliessender Spezialisierung (zum Beispiel in ein reguläres Brückenangebot oder in eine auf der Tertiärstufe). Berufslehre) eintreten, erfolgt die Finanzierung durch die Am meisten Veränderungen dürften die Dienstleis- Bildungsseite. tungsberufe erfahren, gerade auch im kaufmännischen Be- Diese «Grenze» zu definieren ist allerdings nicht ganz reich. Die klassisch-gewerblichen Berufe werden stabiler einfach. Im Moment haben wir zahlreiche Migrantinnen bleiben. Handwerk hat auch 2026 einen goldenen Boden, und Migranten in den Brückenangeboten. Sollten die Zah- wenn die Berufsleute qualitativ gute Arbeit leisten und len massiv steigen, wären diese aktuellen Angebote hoff- Unternehmergeist zeigen. Etwas schwieriger dürfte es für nungslos überlastet, und es wäre den Bildungsbehörden ganz niederschwellige Berufe werden, schlicht und einfach dann auch nicht möglich, die zusätzlichen Aufwände ein- deshalb, weil diese Tätigkeiten immer mehr automatisiert fach zu leisten. werden dürften. Ist der politische Wille für die Finanzierung vorhanden? Das werden wir sehen. Die Kosten werden so oder so an fallen, entweder jetzt oder später. Überspitzt gesagt: wir «Die Schweiz wird im internationalen können wählen, jetzt mehr in Bildung zu investieren oder später mehr Soziallasten zu tragen. Ich glaube, diese Er- Umfeld manchmal als etwas exotisch kenntnis wird sich früher oder später durchsetzen. wahrgenommen.» bildungslandschaft ohnehin stark ver die an die FH gehen wollen, muss beste- eine Stelle findet. In gewissen Nachbar- ändern. Das könnte Auswirkungen auf hen bleiben und ebenfalls eine gewisse ländern ist das schon lange so. Mit dem die Berufsmaturität haben, auch wenn Hürde darstellen. Das System braucht schweizerischen Mix von Berufsbildung ich glaube, dass künftig auf dem Arbeits- hier eine gewisse Parität. und Hochschule sind wir bisher gut ge- markt tendenziell höhere Anforderungen Bei den Fachhochschulen haben wir, alle fahren. Wir spüren aber deutlich, dass wir gestellt werden und damit der Wert der Studienrichtungen zusammengenommen, gegen einen Trend ankämpfen müssen. Berufsmaturität gesteigert wird. So oder rund 20 Prozent Studenten mit gymna Ich werde manchmal gefragt, warum wir so sollten wir das Augenmerk stark auf sialer Vorbildung. Bei den einzelnen Stu- keine Kampagne fürs Gymnasium machen. neue oder neukonzipierte Berufe richten dienrichtungen muss man differenzieren; Die Antwort ist klar: das Gymnasium und sie vermehrt unter besonderer im Bereich Kunst und Musik zum Beispiel braucht diese Unterstützung nicht. Was Berücksichtigung der Berufsmaturität ist das Gymnasium als Zulieferer durch- wir hingegen brauchen, sind Kampagnen organisieren. aus sinnvoll. Bei Architektur oder Wirt- für die Berufsbildung, weil diese in unserer schaft eher nicht. Wir sollten schauen, Gesellschaft leider unterschätzt wird! Die BMS bereitet auf den Übertritt an eine dass auch zukünftig nicht mehr als ein Mein Credo ist: Die Berufsbildung muss Fachhochschule vor. Mittlerweile wird Viertel der FH-Studenten vom Gymnasium den Spagat machen zwischen der Integ- für unsere Lernenden auch die Passerelle kommen. ration von Schülerinnen und Schülern zur Universität immer mehr zur Option. mit schwächeren Schulleistungen und Wie sieht Ihre Position dazu aus? Sehen Sie keinen Trend zum akademischen hochanspruchsvollen Ausbildungen, wel- Die Passerelle ist eine gute Sache. Pas- Weg? Wird die Schweiz im Zuge euro che leistungsstarke Schülerinnen und serellen sollten allerdings nie Regel-Wege päischer Entwicklungen nicht noch mehr Schüler ansprechen. Sie darf unter keinen werden, sondern zusätzliche Optionen unter Druck geraten? Umständen lediglich zweite Wahl wer- bleiben. Das heisst, die Passerelle soll Wir sind jetzt schon unter Druck. Es gibt den, also zu einem Ausbildungsweg, den anspruchsvoll sein – und sie sollte die einen spürbaren gesellschaftlichen Trend man nur wählt, wenn man nichts anderes Ausnahme bleiben! Das gilt auch für den zu mehr Schule und zum akademischen geschafft hat. Die Berufsbildung muss umgekehrten Weg vom Gymnasium an Weg – fälschlicherweise, finde ich. Wir jetzt und in Zukunft attraktiv sein, auch die Fachhochschule. Das hier verlangte werden in den nächsten Jahren noch mehr anspruchsvolle Berufe anbieten und die Arbeitspraktikum für Gymnasiasten, erleben, dass nicht jeder Uni-Abgänger Berufsmaturität fördern.
14 GIBB INTERN / Juni 2016 Zukünfte Wie wird sich die Motivation der Unternehmen, Und wie können sich Abschlüsse in der Berufsbildung Lernende auszubilden, verändern? im internationalen Umfeld behaupten? Wird ein Koch in Wir leben in einer Zeit, in der die Unternehmen teilweise zehn Jahren immer noch «Koch» heissen? händeringend Fachkräfte suchen. Die meisten Unter Ich denke ja: ein Koch bleibt ein Koch. Persönlich bin ich nehmen haben längst verstanden, dass sie sich in der be- eher kritisch gegenüber den zahlreichen Änderungen der ruflichen Grundbildung engagieren müssen, wenn der drin- Berufsbezeichnungen, die in der Vergangenheit erfolgt gend benötigte Nachwuchs in ihrer Branche sichergestellt sind. Sie haben die Verständlichkeit der Abschlüsse in der werden soll. Etwas überspitzt könnte man sagen: Bildet Schweiz nicht unbedingt erhöht. Im internationalen Umfeld Lernende in technischen Berufen aus, dann habt ihr später wird das Schweizer Bildungssystem manchmal als etwas auch Ingenieure! exotisch wahrgenommen. Wir dürfen aber nicht den Fehler Ich denke, wir müssen alles tun, um die (freiwillige!) machen, uns einfach dem europäischen Mainstream anzu- Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen zu erhalten. gleichen. Wir verfügen über eines der weltbesten Bildungs- Bisher ist es der Schweiz gelungen, die Berufsausbildungen systeme und sollten unsere Stärken bewahren. Was wir so zu gestalten, dass sich die Ausbildung von Lernenden hingegen tun müssen, ist, dafür zu sorgen, dass unsere für die Unternehmen auch finanziell rechnet. Dieses Asset Abschlüsse international verstanden werden. Darum ha- müssen wir auch künftig unbedingt erhalten. Ausserdem ben wir den nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) lan- sollten die Unternehmen sich weitgehend auf die Aus ciert, mit dem unsere Abschlüsse in einem europäischen bildung selber konzentrieren können und von administrati- Referenzsystem (EQR) eingeordnet werden können. Unsere ven Arbeiten möglichst entlastet werden. Auch die Berufs- Absolventinnen und Absolventen erhalten so genannte fachschulen sollten sich dessen bewusst sein und ihren «Diploma Supplements», welche ausweisen, welcher Stufe Beitrag zur Entlastung der Unternehmen leisten. ein Abschluss zugeordnet wird und welche Kompetenzen er beinhaltet. Damit wird die Mobilität unserer Berufsleute Werden die Betriebe nach wie vor genügend Aus gefördert. bildungsplätze anbieten? Von Google hört man beispiels- Generell denke ich, dass die Schweizer Berufsbildung weise, dass sie gar nicht ausbilden. sich international stärker öffnen sollte. Das gilt auch für die Es gibt eine Untersuchung von Prof. Mühlemann aus dem Berufsfachschulen. Warum kann eine Schule wie die gibb Jahre 2013 zum Thema «Beteiligung internationaler Be nicht mit Schulen aus anderen Ländern Kontakte pflegen triebe an der Berufsbildung». Fazit: Sie engagieren sich im und einen regelmässigen Austausch von Lehrpersonen Ganzen gesehen ungefähr gleich wie die nationalen Unter- oder Lernenden lancieren? Das wäre doch sehr befruchtend nehmen. Google scheint mir ein Spezialfall zu sein. Auf- und der beidseitige Gewinn wäre enorm! grund ihrer Tätigkeiten dürften ihre Jobprofile eher Hoch- schulabsolventen ansprechen. Herr Widmer, wir danken Ihnen herzlich Wir haben die grossen Unternehmen aber durchaus für das ausführliche Gespräch. im Auge, gerade auch die IT-Unternehmen. Die kantonale Lehraufsicht nimmt in der Regel mit Unternehmen, die neu in die Schweiz kommen, Kontakt auf und versucht, sie für die Lehrlingsausbildung zu gewinnen. Wir versuchen sei- tens SBFI, auch in unseren Kontakten mit der Wirtschaft, mit Unternehmensführern und CEOs die Qualität der Schweizer Berufsbildung darzustellen. Unsere Erfahrung ist, dass die meisten Unternehmen unser System durchaus wertschätzen und sich engagieren. Wir müssen aber aufmerksam sein. Wenn wir nach Deutschland blicken, sehen wir eine problematische Ent- wicklung: Dort ist der Lehranteil auf etwas über 40 Prozent gesunken. Das wollen wir für die Schweiz unbedingt ver- meiden. Die Akademisierung vieler Berufe ist in Deutsch- land weit fortgeschritten. Wir sollten in der Schweiz Gegen- steuer geben und den gesellschaftlichen Trend hin zu mehr Schule kritisch hinterfragen. Was wir brauchen, ist Exzel- lenz auf allen Stufen, von der zweijährigen beruflichen Grundbildung bis zum Gymnasium und der Hochschule. Im Unterschied zu vielen anderen Ländern ist es der Schweiz bisher gelungen, einen guten Mix verschiedener Qualifi kationsstufen und Ausbildungsgänge zu gewährleisten.
ZukünfteGIBB INTERN / Juni 2016 15
16 GIBB INTERN / Juni 2016 Zukünfte Bibliotheken: erden sich verstärkt der Pflege und Erfassung speziali- w sierter Metadaten widmen, um diese dann als offene ver- Orte der Begegnung linkte Daten (Linked Open Data) frei zur Verfügung zu stellen. Dies erlaubt neue Formen der Informationssuche, und des Lernens die sich nicht mehr auf den eigenen Bestand fokussiert und unabhängig vom Medientyp sein wird. Metadaten management wird diese neue Kernaufgabe genannt, welche die klassische Katalogisierung ablösen wird. Prof. Dr. Rudolf Mumenthaler, HTW Chur Spielerische und kreative Zugänge Bibliotheken wurden lange Zeit als jene Institution defi- niert, die publizierte Information sammelt, katalogisiert, archiviert und vermittelt. Künftig wird die Vermittlung des Zugangs zu Information unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Format im Vordergrund stehen. Entscheidend ist für die Nutzer, dass diese Information von hoher Qualität und unmittelbar zugänglich ist. Die Unterstützung bei der Informationssuche und der Verarbeitung wird entsprechend weiter an Bedeutung gewinnen, sei es durch geeignete Bibliotheken werden nach wie vor eng mit dem Buch ver- Systeme oder durch persönliche Beratung. Bibliothekarin- bunden und ihr Schicksal von jenem des Mediums ab nen und Bibliothekare müssen die Werkzeuge beherrschen hängig gemacht. Die Digitalisierung, die unsere Berufswelt und ihre Anwendung erklären können. Ihnen kommt die erfasst hat, betrifft das Informationsmedium sehr direkt. Aufgabe zu, auch weniger geübten Nutzern den Zugang zu Aber: «Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die hochwertiger Information zu vermitteln. Auf der Ebene der Zukunft betreffen» sagt ein Spruch, der mehreren promi- Öffentlichen Bibliotheken umfasst dies Beratungen und nenten Autoren zugeschrieben wird. Ich stelle ihn an den Einführungen für Kinder wie auch für ältere Personen, die Anfang meiner Ausführungen, um diese als meine subjek- nicht über die nötigen Kompetenzen verfügen. Das kann in tive Meinung zu relativieren. Wir haben oft schon genug neuen Formen, zum Beispiel über spielerische Ansätze (Ga- Schwierigkeiten, die aktuelle Situation zu verstehen, da ming) oder durch kreative Workshops zu neuen Technolo- sind Aussagen über die Zukunft der Bibliotheken in 10 Jah- gien und neuen Medienformen (Makerspaces) geschehen. ren entsprechend schwierig. Ich will es trotzdem wagen. Grosse gesellschaftliche Bedeutung Das Schicksal des Buches Von grosser Bedeutung sind Bibliotheken als niederschwel- Ich gehe davon aus, dass die Entwicklung hin zu digi lige Anlaufstellen für alle. Bibliotheken haben dadurch eine talen Medien und zu digitaler Distribution das Buch als gute Chance, als Treffpunkte, als Orte der Begegnung und Medium nicht ersetzen wird. Häufig wurden in der Ver des Lernens eine wichtige Rolle in Gemeinden und Quartie- gangenheit Medien nicht komplett verdrängt und ersetzt, ren zu spielen. Schon heute beschäftigen viele Bibliotheken sondern durch neue Formen ergänzt. Das Buch ist ein zu Sozialpädagogen, Mediendidaktiker und Eventmanager. praktisches und zu lange erprobtes Format, als dass es Hinzu kommen Vermittler zwischen IT und Benutzung, die komplett durch elektronische Medien ersetzt werden könn- man früher Systembibliothekare genannt hat. Bibliotheks- te. Wobei dies natürlich vom Informationsbedarf sowie mitarbeitende der Zukunft müssen sich in der Anwendung von den Vorlieben und Möglichkeiten der Nutzer abhängig und auch der Konzeption und Konfiguration von IT-Sys ist, welche Form der Information sie zu welchem Moment temen auskennen und die Nutzeranforderungen erheben bevorzugen. Bibliotheken können sich also darauf einstel- und an die Entwickler vermitteln können. len, dass sie noch für eine ganze Weile hybride Bestände Das zeigt, wie sich die Aufgaben und die Anforderungs- anbieten und vermitteln werden. Gerade in wissenschaftli- profile an die Mitarbeitenden verändern. Entsprechend chen Bibliotheken wird die aktuelle Nutzung sich noch ver- gefordert sind die Ausbildungsgänge, die sich auf Kern stärkt auf elektronische Medien konzentrieren. Bei den aufgaben wie (Meta-) Datenmanagement, Informations Zeitschriften ist dies schon heute der Fall. management, Wissensmanagement und Informations Aber lösen wir uns vom Buch. Bibliotheken haben vermittlung konzentrieren dürften. heute weitergehende Funktionen als ein Ort zu sein, an dem Medien erworben, erschlossen und vermittelt werden. Der Anteil dieser traditionellen Tätigkeiten dürfte sich in den nächsten Jahren reduzieren. Medienerwerbung und Kata logisierung werden verstärkt in Kooperation erbracht oder komplett ausgelagert. Wissenschaftliche Bibliotheken
ZukünfteGIBB INTERN / Juni 2016 17 Der Berner Weg schen ihnen. Aktuelle Beispiele für verbesserte Schnitt stellen sind die verkürzte Lehre für Maturanden (way-up) in die Zukunft und Vorkurse für Maturanden durch Berufsschullehrer der gibb an der BFH-AHB. Im Wandel der IT Prof. Dr. Markus Romani, Die IT hat unsere Gesellschaft und den Umgang mit Wis- Abteilungsleiter Bachelor Bau sen verändert. Sie beeinflusst, wie Wissen angenommen an der Berner Fachhochschule; und verarbeitet wird, aber auch wie Lehrende und Lernende Mitglied des Schulrates der gibb sich im Unterricht begegnen. Google, Youtube, Wikipedia etc. lassen leicht den Eindruck entstehen, zu wissen, wo etwas steht, zu verstehen und dies jederzeit in Kompeten- zen umwandeln zu können. Neue Medien und Technologien werden künftig das Lern- und Lehrverhalten in vielerlei Hinsicht neu definieren. Heute ist hierbei schnell gestern – eine Herausforderung für uns alle. Wie werden sich die Trends im Bildungswesen fortsetzen? Wenn die Zukunft zur Gegenwart geworden ist, wer- Was werden ihre Auswirkungen sein? Von gestern auf den wir feststellen, dass wir auch diese gut meistern. heute hat sich viel verändert. Ein Blick in die Vergangenheit und Gegenwart gibt uns auch immer einen Ausblick in die Zukunft. Die Qual der Wahl Die Durchlässigkeit des Bildungssystems führt zu einer In- Offen bleiben dividualisierung von Bildungsbiographien. Mit der Vielzahl an Möglichkeiten wird die Berufs- und Studienwahl zur He- rausforderung. Gleichzeitig erhöhen sich auch die Schnitt- stellen zwischen den Bildungswegen. So bedarf es neben Interview mit Thomas von Burg, Abteilungsleiter BMS einer umfangreichen Unterstützung in der Entscheidungs- Sabine Beyeler findung auch einer immer besseren Kommunikation und Überleitung zwischen den einzelnen Bildungswegen. Verbesserte Schnittstellen erfordern besseres Zusam- menarbeiten. Der Berner Weg zwischen der gibb und der Im grossen Gast-Interview hat Josef Widmer sich zur BFH im Bauwesen ist ein Beispiel. Durch intensive Zusam- Zukunft der BMS geäussert. Auch der Abteilungsleiter menarbeit werden zukünftige Studierende gezielter infor- der BMS hat mit uns einen Blick in die Zukunft gewagt. miert, es werden Wege an der gibb und BFH gemeinsam vorgestellt und inhaltlich abgestimmte Übertrittsmöglich- Thomas, im August begrüsst du jeweils die neuen keiten zum Studium der Architektur und des Bauingenieur- BMS-Schülerinnen und -Schüler und stimmst sie auf wesens aufgezeigt. die Schulzeit ein. Was meinst du: Wie könnte eine Informationsveranstaltung im August 2026 aussehen? Wer wird da vor dir sitzen? Heterogenität – Chance und Spagat Ein Hellseher bin ich nicht. Ich kann mir aber vorstellen, Vor 60 Jahren liess der typische Studierende des Bau dass Lernende im Jahr 2026 dank ihren digitalen Geräten ingenieurwesens an der HTL in Burgdorf sich wie folgt be- bereits viel Wissen über die gibb und die BMS mitbringen schreiben: gelernter Bauzeichner, männlich, aus der Region werden. Ich werde bei meiner Einführung vermutlich we Bern und Kantonen ohne Studienmöglichkeiten stammend. niger Faktenwissen vermitteln; das gegenseitige Kennen Und heute? Heute sind im Studiengang Bauingenieurwesen lernen wird wohl umso wichtiger sein. Studierende aus der ganzen Schweiz und dem Ausland, Was sicher gleich bleiben wird, ist die Neugier der jun- Studierende auf dem zweiten oder dritten Bildungsweg und gen Leute. Sie werden die Örtlichkeiten erkunden und die glücklicherweise auch zunehmend weibliche Studierende Leute kennen lernen wollen, mit denen sie das nächste Jahr vertreten. (oder die Jahre) verbringen werden. Diese Heterogenität bietet Chancen, wie den inter kulturellen und interdisziplinären Dialog, stellt aber gleich- Seit letztem Herbst steckt die BMS in einem zukunfts- zeitig auch erhöhte Ansprüche in Bezug auf Flexibilität und weisenden Projekt. Die Umsetzung des neuen Rahmen- soziale Kompetenzen an die Dozierenden. Der steigende lehrplans war zugleich deine erste grosse Aufgabe als Trend der Heterogenität wird nicht nur innerhalb der Bil- Abteilungsleiter. Wie sehen deine bisherigen Erfahrungen dungseinrichtungen ein Thema sein, sondern auch zwi- aus?
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